Hans Ehlich Junge Stadt mit alter Geschichte

! • ! • ! I,

Aspekte der älteren Geschichte Garbsens zum 25jährigen Bestehen der Stadt

�'L ..Schriftenreihe zur Stadtgeschichte, Heft 3 Hans Ehlich

Junge Stadt mit alter Geschichte

Aspekte der älteren Geschichte Garbsens zum 25jährigen Bestehen der Stadt

Garbsen 1993 jj'L.. Schriftenreihe zur Stadtgeschichte, Heft 3 Redaktion: Martina Gimpel

Titel: Alte Mühle am Börenhof (Auf der HorstL August 1965. Aufnahme von Rudolf Guthmann (1887-1972) (Fotosammlung Havelse, Stadtarchiv ) " Abb. 1: "Die Hildesheimer Stiftsfehde 1519 , Ausschnitt der Karte von 1591 (Nds. Hauptstaatsarchiv Hannover) " Abb. 2: Kupferstich "Des Fürstenthums Kalenberg nördliche Aemter mit der Grafschaft Spiegelberg , Einzelblatt um 1800 (Stadtarchiv Wunstor�

Abb. 3: Kartengrundlage: Kurhannoversche Landesaufnahme, Blatt 116 (1781). Hrsg. v. Niedersöchsischen Landesverwaltungsamt - Landesvermessung - und der Historischen Kommission für Niedersachsen (Vervielf. mit Erlaubnis des Nds. Landesverwaltungsamts - Landesvermessung: B 4 - 785/92) " Abb. 4: Kupferstich "Ricklingen v. Merian, Einzelblatt um 1650 (Stadtarchiv Garbsen)

Stadt Kultur- und Sportamt f. - Stadtarchiv - Garbsen 3008 Garbsen 4

ISSN 0940-0974

Satz: Studio für Fotosatz E. Schwarz, Garbsen Druck: Druckhaus Harms, Groß Oesingen

Gedruckt auf chlorfreiem Papier. Einleitung

" Für das dritte Heft der jungen "Schriftenreihe zur Stadtgeschichte , die vom Stadtarchiv herausgegeben wird, lag uns ein Ma­ nuskript von Hans Ehlich vor. Wir danken dem Autor aufrichtig für seine Arbeit, die unsere Schriftenreihe um Aspekte der älteren Stadtgeschichte ergänzt. Mit Hans Ehlich ist es gelungen, einen fachkundigen Bearbeiter für die Geschichte Garbsens zu finden. Hans Ehlich ist 1914 geboren und studierte Geschichte in seiner Geburtsstadt Marburg/Lahn und in Kansas City, USA. Von 1953 bis 1976 war er als Lehrer in Osterwald tätig und mithin beinahe ein Vierteljahrhundert Bürger unseres Stadt­ gebiets. Heute lebt er in Neustadt-Hagen. Ab 1947 nutzte Hans Ehlich die Regionalpresse und Heimatkalender für Veröffentlichungen und gab erste verdienstvolle Arbeiten als hektographierte Privatdrucke heraus, die noch heute ihren Wert besitzen. Er arbeitete an beiden Chroniken der Stadt Garbsen, an der Stelinger Chronik und fünf weiteren Chroniken mit. Mit der Edition "Das Erbregister des Amtes Neu­ " " stadt von 1620 , erschienen in der Reihe "Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens und herausgegeben vom Historischen Verein für Niedersachsen (1984), schaffte er sich einen überregional bedeutenden Namen. " Beliebtheit in breiten Kreisen sicherten ihm seine mehr als hundert Artikel, die zwischen 1960 und 1980 in der "-Zeitung erschienen sind. Auf vielfachen Wunsch stellen wir hier einen thematischen Querschnitt daraus vor. Um dem Anspruch weite­ rer Forschung nachzukommen, sind hier erstmals auch die Quellen genannt. Ober Jahrzehnte hinweg war Hans Ehlich im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover als Benutzer tätig und hat oft Neuland betreten. Viele für die Stadtgeschichte relevante Archivalien sind vom ihm erstmals ausgewertet worden. " Als er seine früheren Artikel für die "Schriftenreihe zur Stadtgeschichte überarbeitete, lagen seine Forschungen teilweise jahrzehntelang zurück. Manches, was Hans Ehlich in Pionierarbeit geleistet hat, könnte heute vielleicht ergänzt werden, ist aber sicher nicht veraltet. "Seine Veröffentlichungenzeichnen sich durch wissenschaftliche Zuverlässigkeit wie allgemeine Ver­ ständlichkeit aus, sie stehen weit über vielen der heute üblichen Modeprodukte", bescheinigte ihm der ehemalige Leitende Direktor des Niedersächsischen Hauptstaatsarchives, Dr. Manfred Hamann, schon vor zehn Jahren. " Um den äußeren Rahmen der "Schriftenreihe zur Stadtgeschichte zu wahren, mußten etwa zwei Drittel des ursprünglichen Manuskriptes wegfallen. Zwei Gründe haben uns bewogen, den chronologischen Charakter beizubehalten: zum einen sind das Mittelalter und die Frühe Neuzeit Epochen, aus denen das Stadtarchiv Garbsen keine Quellen aufzuweisen hat, und zum andern wird dadurch die spätere Fortsetzung erleichtert, die Hans Ehlichs Text verdient. Unser Dank geht schließlich an Martina Gimpel für die redaktionelle Betreuung des Heftes.

Garbsen, im November 1992

Rose Scholl Stadtarchiv Garbsen

3 Inhalt

Seite 1. Garbsen - junge Stadt mit alter Geschichte 5 2. Wie alt ist eigentlich Garbsen? 8 " 3. Der Osterwalder "Opfertisch 11 4. Urnen zu verkaufen 12 5. Der Brief an den Kaiser 13 6. Die Hildesheimer Grenzbeschreibungen 15 7. Aus der frühen Kirchengeschichte 17 8. Die Siedler von Osterwald 18 9. Kohle und Eisen 22 10. Rätsel um die Grafen von Roden 23 11. Marienwerder erwirbt Stelingen 25 12. Die Höfe von Meyenfeld 28 13. Garbsen und der Goh Engeibostel 31 14. Flurnamen können wichtige Hinweise sein 36 15. Eine Sage und ihre Hintergründe 40 16. Garbsen im Lüneburgischen Erbfolgekrieg 43 17. Untergegangene Dörfer 45 18. Das schwarze Gewerbe 48 19. Der Eulenspiegel aus Garbsen 49 20. Von Leibeigenen und Laten 50 21. Die Höfe 53 22. Wie der Lauenwald unterging 55 Anmerkungen und Kommentare 60

4 1. Garbsen - junge Stadt mit alter Geschichte Umfangreiche Waldungen bedeckten die Grenz­ säume. Rechts der Leine beherrschte die mit Eichen Am 17. Juli 1993 wird die Stadt Garbsen 25 Jahre bestandene Mark des Lauenwaldes das Gebiet. Als alt. Der Jahrestag der Stadtrechtsverleihung ist für die fränkischen Eroberer kamen, beanspruchten sie das Gemeinwesen bedeutsam, jedoch sagt die Zahl solche "Einöden" als Königsland und legten am 25 wenig über die lange Vergangenheit des Sied­ Rande sogenannte Königshöfe an. Diese dienten lungsraums und die Dauer der Geschichte von als Stützpunkte und nahmen die Herrscher bei ihren einzelnen Stadtteilen oder ihrer Bewohner aus. Das Reisen und Kriegszügen auf. Einen solchen Königs­ Stadt jubiläum soll ein Anlaß sein, Aspekte der älte­ hof darf man in Bordenau vermuten. Bei einer Un­ ren Geschichte zu beleuchten. ternehmung gegen die heidnischen Abodriten an der Eibe weilte nämlich im August 889 der Franken­ " Beginnen wir mit der allgemeineren Aussage, daß kaiser Arnulf in "Portanaha und stellte eine Schen­ es sich um ein verhältnismäßig spät durch die Sied­ kung für das Kloster Corvey aus. lung erschlossenes Gebiet handelt. Das läßt sich durch die Tatsache belegen, daß bisher nur Um das Jahr 1000 übertrugen mehrfach deutsche eine geringe Anzahl steinzeitlicher Funde gemacht Kaiser die ehemaligen Forstgebiete oder Wild­ wurde. Diese Funde sind außerdem nicht an banne in die Hände von Bischöfen. Das ist zwar für bestimmten Stellen besonders stark vertreten, son­ den Lauenwald nicht ausdrücklich belegt, wohl dern liegen über das ganze Gebiet verstreut. aber ergibt sich aus mehreren Grenzbeschreibun­ gen, daß die Trennungslinie zwischen den Hildes­ Dagegen wird man feststellen, daß die Menschen heim er und Mindener Bischöfen an der Auter auf der Bronze- und Eisenzeit vorwiegend in den Leine­ einer Linie Resse-Otternhagen verlaufen ist. Bei dünen und bei Stelingen-Berenbostel gewohnt Scharrel bog sie dann nach Norden in Richtung haben. Das vorhandene Wasser begünstigte ihre Celle ab. Ansiedlung, der hier lagernde Sand erwärmte sich Das Gebiet zwischen Neustadt und Hannover hat rasch und ließ den Regen durch; beide Faktoren demnach zum Einflußbereich des Bischofs von waren für die damalige Epoche wesentlich. Minden gehört. Seine Kirche zog hier ursprünglich die Zehnten; wahrscheinlich hat sie auch bei der In germanischer Zeit gehörte die Gegend zum Besiedlung des Landes entscheidend mitgewirkt. Marstemgau. Dieser hat sich vom Deisterkamm im Süden bis zur Auter im Norden, von der Ihme im Den Siedlern hat man offenbar günstige Bedin­ Osten bis an das Steinhuder Meer im Westen gungen gewährt: Die Frielinger brauchten keinen gedehnt. Er wurde vom Sachsenstamm der Engern Zehnten zu entrichten, sondern gaben sogenannte bewohnt. Mahlschweine. Die Heitlinger zahlten für ihre Acker

5 den Pfennigzins", der uns an anderen Orten unter eine Burg an, die sie - vermutlich zum Andenken " " der Bezeichnung "Königszins begegnet. Wahr­ an ihre Voreltern - Schloß Ricklingen nannten. scheinlich muß man in diesem Zusammenhang fer­ Nach mehreren vergeblichen Anläufen gelang es ner die Tatsache sehen, daß die Einwohner von den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg, die Berenbostel, Stelingen und Garbsen nicht den Festung einzunehmen. 1333 mußten die Grafen Zehnten, sondern den Elften (die elfte Garbe) ab­ auch hier den Welfen weichen. Schloß Ricklingen liefern mußten. wurde Sitz des Amtes. Bis um 1520 haben noch Bordenau und Frielingen dazu gehört. Als Neustadt Als echte Kolonistendörfer am Lauenwald sind noch Residenz der calenbergischen Herzöge wurde, heute Otternhagen, Osterwald und löste man die beiden Dörfer gegen ihren Willen aus auszumachen. Ihre Gründung ist zwischen 1100 und 1200 erfolgt. Den hier angesetzten Neusied­ der bestehenden Bindung heraus. lern gewährte man die persönliche Freiheit und Die einst bedeutenden Waldungen wurden im eine gewisse Selbständigkeit unter besonderen Laufe der Zeit immer weiter zurückgedrängt. Hagenmeistern (vgl. Kap. 8: Die Siedler von Oster­ Namen der Einzelgehölze wie Rettmerberge, Lam­ waid). serberge und Bau sind kaum noch bekannt, eben­ Nach dem Sturze Heinrichs des Löwen haben die sowenig wie das Hachholz bei Frielingen oder die Edelherren von Lauenrode- hier einen Hespe vor Berenbostel. Der Lauenwald fiel dem eigenen Herrschaftsbereich aufgebaut: die Graf­ Raubbau zum Opfer: Schon 1620 war er fast schaft Lauenrode, die im wesentlichen den Raum völlig verschwunden. zwischen Neustadt und Hannover einschloß. Sie Der Ricklinger Amtsschreiber bezeichnet 1573 den hat nur kurze Zeit bestanden, da sie den Machtbe­ Bereich als unfruchtbare, dornenreiche Solitüde. strebungen der Welfen und des Bischofs von Min­ Schon lange zuvor erschwerten sandige und moo­ den im Wege war. rige Flächen, die zudem vielfach unter stauender Bereits 1210 trennte eine Erbteilung die Grafschaft Nässe litten, den Ackerbau. Das Amt galt nach in zwei Teile. Die Grenze folgte der Linie Resse­ Rehburg als ärmlichstes des Herzogtums. Heitlingen-Stelingen auf die Leine zwischen Stöcken Daher mußten sich die Bewohner nach einem Ne­ und Marienwerder, wo die Grafen im Jahre benerwerb umsehen. Im Mittelalter hat man eine 1196 ihr Hauskloster gegründet hatten. Schon primitive Art der Eisenherstellung betrieben. Das 1248 gelangte der Ostteil durch Kauf an die fast allenthalben vorhandene Eisenerz wurde in Welfen. sogenannten Rennöfen mit Hilfe von Eichenholz­ Die Grafen von Lauenrode-Wunstorf legten zum kohle verhüttet. Holz und Holzkohle verkaufte man Schutze des ihnen verbliebenen Westteils um 1225 in der aufstrebenden Stadt Hannover, die auch

6 zum Abnehmer von überschüssigen landwirtschaft­ nommen, doch hat sich in dieser Zeit die wirtschaft­ lichen Erzeugnissen und Vieh wurde. Später wur­ liche Lage der Bevölkerung auch kaum gebessert. den Torf und Reiserbesen in ganzen Wagenladun­ Im Jahre 1859 verlegte man den Amtssitz von gen dorthin gekarrt. Nachdem man die Stadt zur Schloß Ricklingen nach Neustadt, um wenig später Residenz gemacht hatte, begann auch der Pferde­ die beiden Ämter hier zu vereinigen. Dann fügte handel der Ricklinger Amtseinwohner an Bedeu­ man sie mit Blumenauer und Wölper Gebietsteilen tung zu gewinnen. 1886 zum Kreis Neustadt zusammen. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Vorausset­ Im Zuge der Niedersächsischen Gebietsreform ist zungen war das Amt bis dahin fast dauernd ver­ 1974 aus den elf Ortschaften Berenbostel, Frielin­ pfändet worden. Mit dem Aufstieg Hannovers hör­ gen, Garbsen, Havelse, Heitlingen, Horst, Meyen­ ten diese Verpfändungen jedoch bald auf. feld, Osterwald Oberende und Osterwald Unter­ ende, Schloß Ricklingen und Stelingen die Stadt Die großen Kriege des 17. bis 19. Jahrhunderts Garbsen gebildet worden - ein Gemeinwesen, das haben das Gebiet nicht besonders schwer mitge- mehr als 60 000 Einwohner zählt.

Abb.7; Dos heutige Stadtgebiet auf einer Darstellung von 7597

7 " 2. Wie alt ist eigentlich Garbsen? wie "Wohnplatz . Von der letzten Gruppe sind es Die Stadtrechte erhielt Garbsen bereits einige allein vier, nämlich Ricklingen, Stelingen, Heitlingen, Jahre früher, nämlich am 17. Juli 1968. Zu diesem Frielingen. Ferner wurde ein Teil von Meyenfeld Zeitpunkt schlossen sich die Gemeinden Havelse Leistlingen genannt. Ein Straßenname erinnert noch und Garbsen mit dem neuentstandenen Stadt­ daran. " teil "Auf der Horst zusammen. Diese Zahlen sind Ortsnamen, die auf -ingen enden, werden bekannt. gewöhnlich einer Zeitstufe zugeordnet, die das 6. Schön wäre, wenn man mit derselben Sicherheit bis 8. Jahrhundert n. ehr. umfaßt, unter der Vor­ " sagen könnte, wann die verschiedenen Stadtteile aussetzung, daß es sich um "echte -ingen-Dörfer entstanden sind. Leider stößt das auf unüberwind­ handelt. Das ist bei diesen vorgenannten Namen liche Schwierigkeiten: Man kann ihr Alter nur unge­ aber nicht der Fall. Bei näherem Hinsehen erweist fähr festlegen, in zwei Fällen mit einiger Genauig­ sich nämlich, daß die Siedlungen zumeist früher die keit. Wir werden das sehen. Endung -lage getragen haben: Stelingen (Sten­ lage) wird man demnach als steinige Stelle" über­ Auf die erste urkundliche Nennung wird bekannt­ " setzen, Heitlingen (Hetlage, Hetlege) als Platz auf lich zurückgegriffen, wenn z. B. das 800-jährige " der Heide" und Leistlingen (Lesteslache) vielleicht Bestehen einer Ortschaft gefeiert werden soll. Die als schlechte Stelle". Dann wäre man bei Frielin­ hierfür herangezogenen Dokumente besagen " gen versucht, auf die Bedeutung Jreier Platz" zu jedoch nur, daß der betreffende Ort vor acht schließen. Jahrhunderten bereits bestanden hat. Mit dem wahren Alter oder der Gründung hat diese Zahl Hiergegen scheinen mehrere Tatsachen zu spre­ gewöhnlich nichts zu tun. chen. Einmal die, daß die Bewohner des Orts im Um die ungefähre Entstehungszeit einer Siedlung Mittelalter mit gewissen Freiheiten ausgestattet zu ermitteln, bietet die Ortsnamenforschung eine waren. Zweitens der Umstand, daß es in der Möglichkeit. Sie geht davon aus, daß in den Sied­ sächsischen Bevölkerung drei Stände gegeben hat, " lungsnamen einer Gegend bestimmte Wortteile von denen der eine als ,,Frielinge (freie Bauern) häufig wiederkehren - und daß sie zumeist einen bezeichnet worden ist. Als dritter Grund ist die Personennamen oder Angaben über die Lage des Nähe zum fränkischen Königshof Bordenau anzu­ Ortes enthalten. Hieraus lassen sich nämlich ge­ führen, von dem aus die ersten Frielinger als Siedler nauere Schlüsse ziehen. angesetzt worden sein könnten. In der Stadt Garbsen sind nun am häufigsten Plätze Die sichere Deutung des Namens stößt hier also mit den Endungen -hausen (abgekürzt zu -sen); auf unerwartete Schwierigkeiten. Ein Sonderfall -bostel sowie -ingen vertreten. Sie bedeuten soviel begegnet uns ebenso bei Schloß Ricklingen.

8 Sicher hat die Festung bei der Namensgebung Pate 1223 in der Form Gerbernsen vor, was auf einen gestanden. Daneben wird man die Tatsache ver­ Gerbert als Namensgeber schließen läßt. Mögli­ merken, daß bei Hannover ein weiteres Ricklin­ cherweise ist für Havelse ein Haveko verantwortlich gen liegt, das nicht selten unter der Bezeichnung zu machen, da in älteren Dokumenten die Form Großen-Ricklingen" vorkommt. Wichtiger ist je­ Havelsen" nicht selten erscheint. Da aber die " " " doch, daß es zur Zeit Heinrichs des Löwen eine erste bekannte Form "Havekesle heißt, wird eher " = Familie gegeben hat, die sich nach Hannover­ auf die Deutung "Habichtswald (-loh Wald) zu Ricklingen benannte. Die von Ricklingen begegnen schließen sein. uns auch als von Nienkerken. Sie starben um 1 200 aus und vererbten den Grafen von Lauenrode­ Die erste Besiedlung beider Orte ist etwa ebenso Wunstorf einen erheblichen Besitz. früh wie bei Berenbostel, also vor der Karolinger­ zeit, anzusetzen. Nun haben die Grafen das vermutlich zum Anlaß genommen, ihre um 1 225 an der Leine erbaute Nun zu Meyenfeld und dem wüst gewordenen Bre­ neue Burg zum Andenken an diese Familie, dingsfeld am Klingenberg vor Osterwald. Sie stei­ der sie so viel verdankten (und mit der sie verwandt len insofern einen Sonderfall dar, als man bei ihnen und verschwägert waren), Ricklingen zu nennen. eine enge Bindung an den 889 erwähnten Königs­ hof Bordenau vermuten darf. Man hat nämlich im Zwei Dinge sind im Falle Schloß Ricklingen bedeut­ Harz und Harzvorland den Nachweis führen kön­ sam: Der Ort ist offenbar um die Burg entstanden - nen, daß Ortsnamen auf -feld von den fränkischen und die Erbauung der Festung läßt sich zeitlich Königshöfen herrühren, für die man hier Jagdhöfe recht genau ermitteln. einrichtete. Die Zeit ihrer Entstehung wird demnach Die echten -ingen-Dörfer tragen gewöhnlich als vor 900 gelegen haben. sogenanntes Bestimmungswort einen Personen­ Nicht ganz so einfach ist das Alter von Horst einzu­ namen. Das ist auch bei den -bostel-Namen so. schätzen. Der Name dürfte soviel wie erhöhter Daher wird man den Ortsnamen Berenbostel als " Platz" bedeuten und auf eine Gründung vor der Wohnort des Mannes aus Bardos Sippe" " (Bardin­ Jahrtausendwende hinweisen. Andererseits fällt geburstalla) übersetzen dürfen. Dies scheint darauf aber auf, daß es in den Niederlanden mehrere zu deuten, daß dieser Bardo schon in sächsischer gleichnamige Siedlungen gibt. Daher ist es möglich, Zeit gelebt hat und die Siedlung in der Zeit daß die ersten Siedler (ebenso wie in Osterwald) zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert n. ehr. ent­ das Dorf nach ihrer Urheimat benannt haben. standen ist. Auch bei den -hausen-Orten steht als Zusatz in In einer letzten Periode wurden offene Freiräume vielen Fällen ein Personenname. Garbsen kommt in Wäldern und Mooren erschlossen und urbar

9 Abb.2: Amt Ricklingen am Ende des 78. Jahrhunderts

gemacht, in unserer Gegend geschah das zwischen auf bestimmte Jahrhunderte festzulegen, wobei 1100 und 1 200. Aufgrund von bestimmten Anzei­ gewisse Unsicherheiten auch dann nicht aus­ chen kann man die Gründung der beiden Oster­ zuschließen sind. waid auf etwa 1130 ansetzen. Ihre erste urkund­ Die erwähnten Jahreszahlen und die Umstände der liche Nennung erfolgt 1 247 zusammen mit anderen Ortsgründung liefern den Beweis, daß die anderen Hagensiedlungen in der Gegend von Wunstorf. Stadtteile von Garbsen vor 1100, wenn nicht gar Nur bei Schloß Ricklingen (ca. 1 225) und Osterwald erheblich früher, entstanden sein müssen. Ohne (ca. 1130) ist es möglich, halbwegs genaue Aus­ übertreibung läßt sich sagen, daß sie durchgehend sagen über die Entstehungsperiode zu machen. In vor der Jahrtausendwende gegründet wurden und allen anderen Fällen bleibt die Möglichkeit, sie demnach 1000 bis 1500 Jahre alt sind.

10 3. Der Osterwalder "Opfertisch" als zehn Stück im Bereich des Steinhuder Meeres und mehrere bei Rodewald. Doch wir brauchen gar Vor fünf Jahrtausenden haben in Norddeutschland nicht so weit zu gehen, denn die Vernichtungswelle Menschen gelebt, die ihre Toten in großen Steinset­ hat ebenso in Garbsen gewütet. Davon soll hier die zungen zu bestatten pflegten. Sie gehörten dem Rede sein. Kulturkreis der Großsteingräberleute an, der vom Mittelmeer über Frankreich und England bis ins " In den "Hannöverschen Gelehrten Anzeigen des Ostseegebiet nachgewiesen werden kann. Jahres 1751 verlautet dazu folgendes: "Bei Oster­ waid in der Nähe der dortigen Windmühle ist Bei uns finden sich die großartigen Zeugen ihrer ein großer Opferstein, dem Albersdorfer ähnlich, Kultur zumeist noch in ehemaligen Heidegebieten. gewesen. Andere sollen zum Schloßbau in Ricklin­ Weithin bekannt sind die Sieben Steinhäuser" bei " gen verwandt worden sein ... fI Fallingbostel oder Visbecker Braut und Bräutigam bei Ahlhorn in Oldenburg. Doch auch bei Nienburg Daraus darf man entnehmen, daß es ein Hünen­ " in der "Krähe kann man die Reste eines Großstein­ grab bei Osterwald und mehrere um Schloß Rick­ grabs bewundern. lingen gegeben hat. Dem Gewährsmann war der " Diese Kultstätten gaben unseren Vorfahren große Osterwalder "Opferstein noch ebenso bekannt Rätsel aufi konnte man doch nicht glauben, daß wie ein ähnliches Steindenkmal bei Albersdorf in die riesigen Findlinge von Menschenhand an ihre Holstein. Ferner wußte er offenbar von weiteren, Standorte gekommen sein sollten: Man nahm an, die in der Nähe des damaligen Amtssitzes gestan­ daß Riesen oder Hünen die Hand im Spiel gehabt den haben, zu berichten. hatten. Daneben war man der Ansicht, daß die tonnenschweren Decksteine womöglich auch als Diese Angaben ermöglichen eine zeitliche Festle­ Opferaltäre der heidnischen Vorfahren gedient gung: Die Osterwalder Mühle ist 1738 erbaut wor­ hatten. den, das Schloß oder Amtshaus im Jahre 1750. Als Termin für die Zerstörung läßt sich demnach die Das läßt sich aus der Benennung deutlich ersehen: Zeit um 1745 festlegen. Sie waren unter Namen wie Hünengrab, Riesen­ stein oder Heidentaufe bekannt. Der Gewecken­ Die Steine von Schloß Ricklingen sind also in den " stein bei Nienburg hieß auch "Heidenopfertisch . Mauern des Neubaus zu suchen - wo die über­ f-, reste des Osterwalder Hünengrabes geblieben Ein großer Teil dieser Zeugen der Vorzeit ist vor sind, ist ebenso bekannt. Hiervon erfahren wir aus etwa zwei Jahrhunderten aus Unkenntnis oder den Papieren, die von der Baugeschichte der Kirche Unwissenheit zerstört worden, darunter allein mehr berichten.

11 Die Aufsicht bei der Errichtung des Gotteshauses kauft worden sind. Das hatte aber gute Weile, war nämlich dem Amtmann Kruse übertragen wor­ denn noch im Jahre 1825 berichtete Manecke von den, der ebenso den Bau des Schlosses geleitet den überbleibseln der Kruseschen Sprenqungen hat. Weil er sich Eigenmächtigkeiten und Unregel­ bei Osterwald. mäßigkeiten zuschulden kommen ließ, zog man ihn in Hannover zur Verantwortung. Unter anderm Es besteht demnach kein Zweifel daran, daß es in bemängelten die Prüfer, die Fundamente der Garbsen vor etwa 250 Jahren Großsteingräber Kirche wären mit unverhältnism.äßig hohen Kosten gab, die um 1745 einer Vernichtungswelle zum hergestellt worden. Opfer gefallen sind. Nun ist dies deshalb erwäh­ nenwert, weil es sich offenbar um das südlichste Aus der Rechnung ergab sich, daß ein gewisser Vorkommen solcher Zeugen der Vorzeit gehandelt " hat. Und noch aus einem andern Grunde: Man J. H. Schütze viele "große Kiesel gesprengt hatte. Dafür war der Betrag von 127 Taler 8 Groschen 2 weiß, daß die Grenze zwischen den Großstein­ Pfennig ausgewiesen - eine Summe, für die man gräber-Leuten und ihren Nachbarn ungefähr dem vier bessere Pferde kaufen konnte. Verlauf des Mittellandkanals entspricht. Die beiden Völkerschaften unterschieden sich einmal durch ihre Hofrat Bode wollte es genau wissen und befragte Begräbnissitten, zum andern in ihren Tongefäßen: " die Kirchenvorsteher, warum es nöthig gewesen, Die "Nord leute verzierten die Krüge mit tiefen Ein­ eine dermaßen starcke Quantitaet Steine mit so stichen, die südlichen Nachbarn mit den Abdrücken großen Kosten sprengen zu lassen. Sie antworteten von Bändern oder Schnüren. einmütig, das sei von dem Ricklinger Amtmann " Zeugen der "Tiefstichkeramik der Großsteingrä­ Kruse in die Wege geleitet worden. Er habe das so berleute hat man bei Schloß Ricklingen und Ste­ vor sich gethan. Weiter sagten sie aus, daß noch lingen gefunden. Krüge der Bandkeramiker recht eine Menge der gesprengten Kieserlinge auf den zahlreich im Gebiet jenseits der Leine. Garbsen hat Heiden ringsum verstreut lägen. Der Auftrag zur demnach einst an der Grenze zweier vorgeschicht­ Sprengung sei bereits lange vor dem Baubeginn licher Völkergruppen gelegen. erfolgt.

Amtmann Kruse war inzwischen verstorben, und seine Witwe prozessierte noch länger um das Geld, 4. Urnen zu verkaufen das ihr Mann für die Kirche verauslagt hatte. Die Reste der Findlinge blieben liegen, bis sie Im Bereich der jungen Stadt Garbsen ist die Erde schließlich von sogenannten Steinsammlern auf­ wohl nirgendwo so oft und gründlich durchgewühlt gesucht und an die Straßenbauverwaltung ver- worden wie in der Gemarkung von Altgarbsen. 12 Das kommt nicht von ungefähr: Seit 1910 grub man Garbsen unter der Hand verkauft haben. Das die Trasse des Mittellandkanals, bald nach seiner besagt genug. Vollendung setzte der Sandabbau durch die Kalk­ Die zahlreichen Vorzeitfunde reden eine deutliche sandsteinwerke ein, dann folgte die Reichsauto­ Sprache, und doch bleibt manche Frage unbeant­ bahn, und nach dem zweiten Weltkrieg entstanden wortet. So ist bisher nicht mit Sicherheit zu sagen, hier zahlreiche Neubauten. warum im fraglichen Zeitraum gerade dies Gebiet verhältnismäßig stark besiedelt gewesen ist. Ebenso So ist es nicht verwunderlich, daß viele Funde aus gibt es keine Erklärung für die Tatsache, weshalb der Erde geborgen worden sind. Durchweg gehö­ diese Besiedlung um 100 n. Chr. plötzlich aufgehört ren sie der Bronze- und Eisenzeit an, genauer hat. Außerdem hat man nicht eindeutig ermittelt, gesagt dem Zeitraum zwischen 800 vor bis 100 wo die Urnengräber-Leute ihre Wohnungen n. Chr. Die Zahl der verzeichneten und beschrie­ gehabt haben. benen Funde beträgt über 600. Zumeist handelt es sich um Urnen und Grabbeigaben aus Bronze, Vieles spricht dafür, daß man ihre Häuser in der z. B. Dolche, Rasiermesser mit den zugehörigen Nähe des Flusses vermuten darf: In den Leinedünen Schleifsteinen, Gewandfibeln, Ringe, Pinzetten und auf beiden Ufern sind weitere Gefäße zutage ge­ Nadeln. kommen, u. a. bei Schloß Ricklingen, und Bordenau. Von 1928 bis 1930 hat Dr. T ackenberg aus Hanno­ ver die Urnenfelder von Garbsen vermessen und Im übrigen hat man in anderen Teilen der Stadt untersucht. Die Auswertung der Grabungen veröf­ ebenfalls Zeugnisse und Spuren unserer Vorfahren fentlichte er in einem Buche. Nach dem letzten aus der Bronze- und Eisenzeit entdeckt, so etwa in Kriege bemühte sich Dr. Bohnsack darum, einen Berenbostel, Stelingen, Heitlingen, Horst und Frie­ überblick der weiteren Funde zu geben. So ist ein lingen. Trotzdem ist festzustellen, daß sie weder in zweites Werk darüber entstanden. Zah� Bedeutung noch Schönhe� m� denen von Altgarbsen verglichen werden können. So weit, so gut. Doch wo viel Licht ist, gibt es auch viel Schatten.

In den späten dreißiger Jahren sind nicht wenige 5. Der Brief an den Kaiser Zeugnisse der Vorzeit verlorengegangeni sie wur­ den weder aufgenommen noch registriert, in man­ über die Frühzeit des Christentums in unserer chen Fällen schlicht unterschlagen. So soll z. B. ein Heimat ist nur wenig bekannt. Erste Versuche zur Fensterputzer aus Hannover etwa 200 Urnen aus Bekehrung der Bevölkerung haben Mönche unter-

13 nommen, die von England herüber gekommen bens von den heidnischen Nachbarn angefeindet waren. Unter ihnen der Angelsachse Lebuin, der und seines Vermögens beraubt. Als er unterwegs 772 in dem Orte Mardo an der Mittelweser ge­ war, nahmen sie seine Frau gefangen. Nur unter predigt hat. Anwendung von List gelang es ihm, sie zu befreien. Schließlich konnte er mit seiner Familie auf den Hof Zwar ließ sich der Sachsenherzog Widukind 785 seiner Mutter im Marstemgau fliehen. taufen, doch die meisten seiner Stammesgenossen schworen dem heidnischen Glauben noch nicht ab. Dann folgte die große Umsiedlung, von der es in So war Karl der Große dazu gezwungen, den den Hildesheimer Annalen heißt: "Karl der Große christlichen Glauben mit Feuer und Schwert aus­ zog nach Sachsen und besiegte das Volk. Er zubreiten. Immerhin führte er 32 Jahre lang Krieg brachte jeden Dritten nach Franken, wo er ihn als gegen die widerspenstigen Sachsen. Siedler ansetzte".

Es gibt ein Zeugnis, das uns ein Bild jener Zeit ver­ Auch Richart und seine Angehörigen waren von mitteln kann: Ein junger Sachse hat um 815 einen der Deportation betroffen; wie viele Leidensgenos­ Brief an Kaiser Ludwig den Frommen verfaßt, in sen wurden sie ins Innere des Frankenreiches ver­ dem er den Sohn Karls des Großen um Unterstüt­ schleppt. Hier verstarb er, fern der Heimat. zung bittet. Dazu muß man wissen, daß Karls Nach­ folger die Zwangsmaßnahmen des Vaters wenig­ Nach dem Tode von Kaiser Karl erlaubte Kaiser stens teilweise rückgängig gemacht hat. Ludwig zahlreichen Sachsen die Rückkehr in die angestammten Wohnplätze. Unter den Heimkeh­ Der Germane aus christlicher Familie war im sächsi­ rern war auch der junge Mann mit seiner Mutter schen Marstemgau zuhause. Dieser umfaßte den und Schwester. Er nahm den ziemlich aussichtslosen Raum zwischen Deister und Auter - seine Heimat Kampf um das väterliche Erbe auf: Inzwischen hat demnach irgenwo in der Nähe von Garbsen hatten sich andere auf dem Hofe breitgemacht und gelegen. Sein Schreiben vermittelt uns einen Ein­ die Besitztümer in alle WindeNerstreut. In seiner druck davon, was die Menschen damals durchma­ Not wandte er sich an den Kaiser und bat ihn chen mußten. um Unterstützung seines Anliegens. Gleichzeitig erklärte er sich bereit, die Wahrheit dieser Anga­ Zunächst berichtet er von seinem Vetter Richolt, der ben durch Zeugen bestätigen zu lassen. mit vier weiteren Christen zusammen auf einer Reise an die Eibe von Heiden erschlagen worden So endet der Brief, der uns vermutlich ein Schicksal war. Sein Vater Richart, der dem Kaiser von dem von vielen berichtet. Ein Schicksal, verbunden mit Vorfall berichten wollte, wurde wegen seines Glau- Not, Tod und Vertreibung.

14 6. Die Hildesheimer Grenzbeschreibungen Ortschaften. Zweitens wird man fragen müssen, (um 1000) weshalb nicht z. B. Männer aus dem Bereich von Garbsen gehört worden sind. Schließlich ist es auf­ Die Besiedlung des Gebiets der Stadt Garbsen fällig, daß keine Zeugen aus grenznahen Ortschaf­ war um die Jahrtausendwende weitgehend ab­ ten (die in späteren Beschreibungen vorkommen) geschlossen, die meisten Orte vorhanden. Sie ihre Meinung dazu geäußert haben. erscheinen jedoch in ersten Urkunden 200-300 Jahre später; zumeist nach der Gründung von Man darf zwar davon ausgehen, daß sich zwischen Marienwerder (1 1 96). Damit stellt sich die berech­ den sächsischen Gauen und Stammesgebieten tigte Frage, ob es keine älteren Zeugnisse über die dünn besiedelte und stark bewaldete Abschnitte Gegend gibt. befunden haben, aber die konnte man durchaus Tatsächlich sind solche vorhanden. Durchweg han­ nicht als menschenleere Einöden bezeichnen. deln sie von den Grenzen zwischen den Bistümern So bleibt eigentlich nur der Schluß übrig, daß die Hildesheim 'und Minden, die um das Jahr 1000 fest­ Zeugen entweder besonders vertrauenswürdig gelegt worden sind. Sie berühren die Gemarkun­ gewesen sind oder aber durch ihre bevorzugte gen von Heitlingen und Osterwald, also den Nord­ rechtlich-soziale Stellung aus der Masse heraus­ teil des heutigen Stadtgebiets. geragt haben. Die eigentliche Beurkundung des Grenzverlaufs Es ist bekannt, daß das Sachsenvolk drei Stände begann mit einer Art von Vorspiel: Auf Befehl von gekannt hat, nämlich Edelinge, Frielinge und Laten. Kaiser Otto 111. (983-1002) wurden Zeugen aus Die Masse der Bevölkerung dürfte der letztgenann­ den sächsischen Stämmen der Engern und Ostfalen ten Gruppe angehört haben. Das kann darauf veranlaßt, über die Grenze zwischen beiden aus­ deuten, daß zu dieser Zeit die Einwohner von zusagen. Für die Engern waren das je zwei nament­ Garbsen durchweg Laten gewesen sind. Die lich genannte Männer aus Basse, Stöckendrebber bewußten Zeugen dürften also Edelinge oder und Mandelsloh sowie einem bisher nicht ermittel­ Frielinge gewesen sein. " ten "Meinanthorpe . Die Ostfalen kamen aus Döh­ ren, Gleidingen und Wengerden bei Sarstedt. Für die Aussparung des Gebiets zwischen Leine und Auter mag auch die Tatsache, daß Sonderrechte Die um 990 entstandene Urkunde gibt manche Rät­ des Königshofs Bordenau und des zugehörigen sel auf. Zunächst ist merkwürdig, daß man Zeugen Hinterlandes bestanden, verantwortlich gemacht heranzog, die in verhältnismäßig großer Entfer­ werden. Diese Stellung als Reichs- oder Königsgut nung von der Grenze gewohnt haben. Immerhin hob den Abschnitt aus der Masse der anderen liegen ungefähr dreißig Kilometer zwischen den heraus.

15 Von dem genaueren Verlauf der Grenzlinie war fälscht: die erstgenannte Form ist schon rund zwei schon eingangs die Rede. Die Landscheide zwi­ Jahrhunderte früher belegt. schen den Sachsenstämmen verlief von der Ihme bei Hannover zunächst in nordwestlicher Richtung Aus einem anderen Grund scheinen die Plätze erwähnenswert: Mesa ist ein slawisches Wort für auf den Muswillensee und Resse hin, wo sie einen " Knick nach Westen machte. An einem bestimmten "Grenze . Bezeichnenderweise notiert die Neu­ städter Beschreibung (1583) westlich von Resse Punkt nördlich von Osterwald wandte sie sich " den "Wendischen Kirchhoff , und schließlich ist die nach Norden, um über Brelingen Celle zu errei­ " chen. Die Bedeutung des Abschnitts um Resse liegt Bezeichnung "Hrokke verdächtig zu nennen. Auf wendischen Einfluß deutet ferner die Erwähnung darin, daß er gleichzeitig die Bistümer Hildesheim " und Minden voneinander trennte und jahrhun­ von "Micelinhurst (Mecklenhorst) bei Neustadt in dertelang die Landesgrenze zwischen den Fürsten­ einer Mindener Urkunde von ca. 1160. tümern Calenberg bzw. Braunschweig einerseits Das kann bedeuten, daß - ähnlich wie am alten und Lüneburg andererseits gewesen ist. Königsforst Grinderwald (zwischen Neustadt und Nienburg), wo nicht nur durch die Ortsnamen Nun verzeichnete das Dokument um das Jahr 1000 Wenden und Wendenbostel die Ansetzung wendi­ (dem in kurzen Abstand zwei fast gleichlautende scher Siedler erwiesen ist - auch hier am Nordrand folgten) hier die bei den Grenzpunkte Hrokke" des Reichsforstes Lauenwald Abodriten oder wen­ " " " (= Resse) und "Mesansten (= Grenzstein). Bei letz­ dische Leute" angesetzt worden sind. Im übrigen terem handelt es sich offenbar um einen bedeuten­ beweisen sowohl die Lüneburger als Fuldaer Anna­ den Findling, der 1745 bei den erwähnten Spren­ len die Praxis der Wendenansiedlung für alle Teile gungen zerstört worden ist. des alten Reichsgebietes. Sie ist vielleicht mit den zur Karolingerzeit üblichen Deportationen zu Kriegs­ In einer Neustädter Grenzbeschreibung von 1583 zeiten in Verbindung zu bringen. " wird der Platz als "Ruhenstein genannt. Das scheint für Runenstein zu stehen und kann besagen, daß Die Hildesheimer Grenzbeschreibungen lassen man den Findling mit einem entsprechenden manche Frage unbeantwortet. Für das Gebiet von Zeichen versehen hatte. Garbsen ist in erster Linie wichtig, daß damit schrift­ liche Zeugnisse aus der Zeit um die Jahrtausend­ Einen recht eindeutigen Hinweis auf diesen wichti­ wende vorliegen. Ober die ohne Zweifel schon gen Punkt gibt es im Nordteil der Gemarkung bestehenden Ortschaften wird bedauerlicherweise " Osterwald mit dem Flurnamen "Mesenbrink . Auf nichts gesagt - allenfalls wird man vorsichtige der Karte der Landesaufnahme von 1781 steht Schlüsse für die Bevölkerung und ihren Rechtszu­ " zwar "Desenbrink , doch ist diese Bezeichnung ver- stand oder auf die Siedlungsdichte ziehen können. 16 7. Aus der frühen Kirchengeschichte müßte man den gesamten Raum zwischen Neu­ stadt und Hannover einer Taufkirche in Engeibostel Anzeichen für eine frühe kirchliche Mission der iri­ zuweisen. Sicher spricht viel für das hohe Alter die­ schen und schottischen Mönche im Marstemgau ses Platzes, insbesondere der große Umfang des gibt es nicht. Daher wird man davon ausgehen kön­ Kirchspiels, das bis in unsere Tage elf Ortschaften nen, daß das Christentum hier - wie in anderen eingepfarrt hatte. Darunter auch Heitlingen, Stelin­ Teilen von Niedersachsen - unter Karl dem Gro­ gen und Berenbostel. Damit würde man jedoch der ßen mit Feuer und Schwert eingeführt worden ist. Bedeutuna von Wunstorf nicht gerecht. Natürlich waren die Sachsen nicht gerade leicht zu überzeugen, was u. a. der Brief an Ludwig den Immerhin hat auch das Kirchspiel Horst eine be­ Frommen beweist, von dem vorher bereits die Rede achtliche Ausdehnung gehabt, obwohl das heute gewesen ist. nicht mehr ersichtlich scheint: Bis ins 17. Jahrhundert Bereits 80314 wurde das Bistum Minden gegründet hinein sind die Bewohner von Schloß Ricklingen und schon bald dem Kölner Erzbischof unterstellt. hierher zur Kirche gegangen - und ehemals auch Von nun an zeichnete Minden im Gau Marstem die Menschen aus mehreren Wüstungen zwischen verantwortlich für die kirchliche Organisation. Hier Bordenau und Garbsen sowie Bredingsfeld vor gelten und als alte christliche Osterwald. So verlautet ausdrücklich von dem Mittelpunkte. Beide liegen an der Königsstraße, die Ort Lameste (in der Gegend des Golfplatzes bei vor dem Mittelgebirgsrand her verlaufen ist und Garbsen), er läge in der Pfarrei Horst (in parochial. Minden mit Hildesheim verband. Daneben hat Alles scheint darauf zu deuten, daß die Verbindung sicher Wunstorf eine wichtige Rolle gespielt: Hier zwischen Horst und Wunstorf etwa ebenso lange stiftete Bischof Dietrich ein Kloster, das er mit 200 bestanden hat, wie die zwischen Engeibostel und Hufen Land ausstattete; Ludwig der Deutsche nahm Pattensen. es im Jahre 871 unter seinen Schutz. Eine Auftei lung des Bistums Minden in Unterbe· Das Gebiet der Stadt Garbsen ist anscheinend teils zirke, die sogenannten Archidiakonate, ist späte­ von Patten sen, teils von Wunstorf her erschlossen stens im 12./13. Jahrhundert erfolgt. Leider sind wir worden. Als bedeutsam wird man aber die Tat­ hierüber nur unvollkommen unterrichtet, da es sache vermerken, daß die Kirchen in Seelze und keine frühen Verzeichnisse davon gibt. Das einzige Engeibostel dem fränkischen Hauptheiligen Sankt vorhandene (um 1500) weist nur das Kirchspiel Martin geweiht waren. Engeibostel dem Erzpriester (Archidiakon) in Pat­ tensen zu, die anderen aber dem Archidiakonat Die These, daß Urkirchspiel und Goh einander ent­ Wunstorf. Das scheint die mittelalterliche Kirchen­ sprochen hätten, gilt als überholt. Andernfalls organisation richtig wiederzugeben.

17 Die archäologische Auswertung von Ausgrabun­ Übrigens weist die Vorläuferin der 1738 erbauten gen im Stadtbereich läßt bisher keine Rückschlüsse Kirche in Osterwald auf ihre Entstehung nach der auf das Alter der Kirchen zu. Daher bleiben wir Niederbrennung des Dorfes (1387) hin. Die Zeich­ auf die spärlichen Urkunden angewiesen. Hierin nung gibt sie als gotisches Backsteingebäude erscheint zuerst im Jahre 1250 die Kirche zu Garb­ wieder - die Steine im Klosterformat wurden in sen. Sie wurde damals dem 1196 gegründeten dem Neubau vermauert. Vor 1387 wird wohl eine Kloster Marienwerder einverleibt. Holzkirche hier gestanden haben.

Als nächster Anhaltspunkt kann die Erwähnung Das kann ebenso für Garbsen zutreffen. Die jetzige eines Priesters Lancward aus Osterwald (1266) gei­ Saalkirche, 1844 errichtet, trat anstelle einer klei­ ten. Im übrigen ist die Tatsache erwähnenswert, nen Bruchsteinkirche, von der sonst nichts überlie­ daß schon bei der Gründung dieses Hagendorfes fert wird. Ein besonderes Kleinod ist die von dem " Amtmann Voigt gestiftete Barockkirche zu Schloß offenbar eine "Kirchenhufe vorhanden war: Die erste Besiedlung von Osterwald ist um 1130 an­ Ricklingen (1694). Damals erhielt der Ort seine zunehmen. eigene Pfarre und wurde von Horst getrennt. Hier ersetzte 1780 ein Neubau das Gebäude aus weit­ Im Jahre 1387 verlautet dann im Zusammenhang aus älterer Zeit. mit der Fehde um Schloß Ricklingen, daß Dorf, Kirche und Kirchhof von Osterwald durch Söldner " der Stadt Hannover "geschändet und verbrannt worden seien. 8. Die Siedler von Osterwald Einem Geistlichen (plebanus) zu Horst begegnen Eine große Pionierleistung haben im hohen Mittel­ wir im Jahre 1325; die Vorläuferin der jetzigen alter die Siedler von Osterwald vollbracht. Noch Kirche weist auf die Zeit um 1450. Aus dem vorher heute sieht man es dem nach vielen Richtungen hin Gesagten ergibt sich, daß die Zuordnung von ausgebreiteten, fast sieben Kilometer langen Ort Osterwald nach Horst nicht stimmen kann. Aller­ an. Der Bau dieser Siedlung war von Anfang an dings hat die am Klingenberg gelegene Wüstung geplant: Von West nach Ost, an einem in zahl­ Bredingsfeld kirchlich nach Horst gehört. Da die reichen Krümmungen verlaufenden Weg entlang, Bewohner sich offenbar nach dem Eingehen ihrer müssen einst die Menschen ihre Anteile abgesteckt, Siedlung auf dem Brink von Osterwald Unterende die Häuser errichtet, Moor und Wald dem Boden niedergelassen haben, waren sie zunächst noch abgerungen haben. ihrer alten Pfarrei treu geblieben. Dafür scheint " u. a. der "Horster Kirchweg im Westteil der Ge­ Wie das geschehen ist, läßt sich aus der Karte, aber markung zu sprechen. auch in alten Schriften nachlesen. Nach mehr als

18 . . ,'.. Abb.3:

-;; � . � _. "' Osterwald bei der ,t " ' ( ' " ,-- Kurhannoverschen Lan­ desaufnahme 1781

acht Jahrhunderten muß freilich die eine oder Die Beschäftigung mit alten Unterlagen ergibt je­ andere Frage unbeantwortet bleiben, und ohne ein doch, daß diese Vermutung unmöglich stimmen wenig Nachdenken können wir manche rätselhaf­ kann. Der riesige Lauenwald, an dem die Siedlung ten Vorgänge kaum klären. entstanden ist, dehnte sich nämlich in rund 15 Kilo­ metern Länge nördlich des Dorfes, und etwa gleich­ Ein erstes Problem stellt der Ortsname dar. Der hat zeitig sind an seinem West- und Ostrand eben­ weder mit sagenhaften Gottheiten noch dem Früh­ falls geplante Siedlungen entstanden: im Westen lingsfest zu tun, sondern mit der Himmelsrichtung. Otternhagen, das sich nach dem Auterbache Schließlich gibt es auch ein Westerwald (bei benannte, im Osten Langenhagen, das ursprüng­ Rinteln) neben den Ortschaften Sudwalde und lich Nienhagen (der neue Hagen) hieß. Nordwohlde im Bremer Raum. Demnach müßte man darauf schließen, daß die Siedlung im Ost­ .In Wahrheit ist Osterwald vermutlich nach dem teil eines Waldes errichtet worden wäre. Eine ein­ Herkunftsort der Siedler benannt worden. Da stellt leuchtende Erklärung. sich die Frage, welcher Platz gemeint sein kann.

19 Im deutschen Sprachgebiet finden sich mehrere der die holländische Herkunft kaum verleugnen Orte, die denselben Namen tragen. Das am Orts­ kann. rand des Deisters gelegene Osterwald ist erst um Der Blick auf die Karte macht deutlich, daß die zwei 1700 als Bergwerkssiedlung entstanden. Ein wei­ " "Enden von Osterwald mit der zwischen beiden teres in der Grafschaft Bentheim dürfte ebenso gelegenen Kirche ursprünglich jeweils etwa 800 wie das im Brandenburgischen gelegene später Meter lang gewesen sind. Durch Abschreiten wird gegründet worden sein. Am ersten wird man einen " man die Breite der ursprünglichen "Hufen auf etwa Zusammenhang mit dem in der holländischen Pro­ 80 Meter ermitteln. Daraus läßt sich ablesen, daß " vinz Groningen gelegenen "Oosterwoolde ver­ es sich eigentlich um zwei geplante Hagenhufen­ muten dürfen. Dörfer gehandelt hat, in denen je zehn Siedler samt Das liegt ebenfalls in einer ehemaligen Moorge­ ihren Familien Platz gefunden haben. gend, und dieser langgestreckte Ort weist gewisse Als nächstes stellt sich die Frage nach der Entste­ Ahnlichkeiten mit unserm Osterwald - auf Platt­ " hungszeit. deutsch "Oosterwoole - auf. Schließlich mußten die Neusiedler auf gewisse Kenntnisse in der An der unteren Weser und Eibe sind Holländer­ Moorkultivierung zurückgreifen können. Mehrere siedlungen bald nach 1100 gegründet. Die älteste Flurnamen bestätigen dies. Urkunde reicht bei Bremen ins Jahr 1106 zurück, jüngere sind 1142 bzw. 1149 entstanden. Ebenfalls So gibt es südlich von Osterwald Oberende und schuf man Hagendörfer um 1100 an der Oberwe­ nördlich des Ortsteils Unterende je eine Wete­ ser, wobei möglicherweise Mönche des Klosters " " ring , den Haupt-Entwässerungsgraben, der eben­ Amelungsborn beteiligt waren. so häufig in den um Bremen seit 1106 bestätigten Holländersiedlungen vorkommt. Zwischen Dorf und Die Siedler erhielten Vorzugsrechte, sogenannte den Weteringen dehnen sich die Ländereien, von Freiheiten, welche der Masse der Bevölkerung ver­ denen eine vier Jahrhunderte alte Liste pauschal sagt blieben. Dabei handelte es sich u. a. um die vermerkt: ist schwarlz mohrlandt. Ebenso gehen persönliche Freiheit, das Recht, den Hof an die Kin­ " " der oder Verwandten zu vererben, das Anwesen offenbar die Bezeichnungen "Boldar und "Bilje auf die ersten Osterwalder zurück. real zu teilen. Der Akt der übergabe geschah nach Häger - Recht und Gewohnheit durch Oberrei­ Wer nun noch Zweifel hegen sollte, mag sich ein­ chung eines grünen Zweiges. mal den über 500 Jahre alten Grabstein am Kirch­ hofe ansehen: Auf dem Grabkreuz wird er, freilich Ein wichtiges Merkmal für die Unfreiheit der alt­ mit einiger Mühe, den Text entziffern können: Anno eingesessenen Bevölkerung ist der sogenannte " 7474 do starf Henrich Darboven. Das ist ein Name, "Sterbfall gewesen. Er bedeutete, daß der Grund- 20 herr beim Tode des Bauern die eine Hälfte des Höhe an. Das wird gewöhnlich dazu geführt haben, Besitzes an sich nehmen durfte, beim Tode der daß der Betroffene das Anwesen hat aufgeben Bäuerin die zweite Hälfte, während die Kinder oder müssen. Angehörigen leer ausgingen. Die Grundherrschaft Im übrigen wurden zwischen Siedlungsunterneh­ war demnach Erbe des Hofes wie des Bauern. mern und Siedlern Verträge abgeschlossen, in Bei den neugegründeten Hagendörfern hat man welchen die genauen rechtlichen Bedingungen fest­ diese Regelung zunächst in gemilderter Form geübt gelegt waren. Leider sind solche für die "Freien und schließlich ganz darauf verzichtet. An der am Lauenwald" offenbar verlorengegangen. Mit fortschreitenden Mäßigung läßt sich eine gewisse der Sterbfallsregelung ist daher auch nur eine un­ zeitliche Ordnung ablesen: gefähre zeitliche Einordnung möglich. In den Hagenorten bei Holzminden war um 1100 Man kann davon ausgehen, daß Osterwald und die Abgabe beim Tode des Siedlers auf das beste Langenhagen-Süd etwa 1130 besiedelt worden Pferd, die beste Kuh oder das wertvollste Stück sind - Otternhagen, Langenhagen-Nord und Ro­ Hausrat beschränkt - das sogenannte Besthaupt. dewald um 1170 n. ehr. Diese Zahlen dürften In Osterwald und dem südlichen Teil von Lan­ den Tatsachen gerecht werden. genhagen forderte der Grundherr nur noch das zweitbeste Stück Vieh oder Hausrat. In den jüng­ Für das Vorkommen von Königszins in Heitlingen sten Siedlungen (Langenhagen-Nord, Ottern­ ist die Tatsache bedeutsam, daß hier das Kloster hagen, Rodewald) hat man auf eine derartige Loccum begütert war. Die Zisterziensermönche Abgabe gänzlich verzichtet. Aber die Bewohner haben an der Erschließung und Urbarmachung von waren verpflichtet, den sogenannten Königszins Ländereien großen Anteil gehabt und waren an zu geben. Der betrug einen Pfennig je Acker der Ostsiedlung stark beteiligt. Bezeichnenderweise für die gesamten Ländereien des Hofes. Deshalb hat das Mutterkloster Altencampen bei Moers im Randgebiet zu den Niederlanden gestanden. Obri­ begegnet er uns auch gelegentlich als "Pfennig­ zins". gens war auch Amelungsborn eine Niederlassung der Zisterzienser. Als solchen erhob man ihn auf einem Teil der Höfe in Heitlingen. Die Angelegenheit hatte jedoch einen Das Land im Norden und Nordwesten von Pferdefuß: Wenn der Besitzer die Pachtabgabe Hannover weist zahlreiche Ortschaften auf, die nicht zum festgesetzten Termin (auf Martini) ent­ etwa ab 1100 entstanden sind. Freie Siedler sind richtete, sollte sich die Schuld von einem Tag auf auch am Lauenwald angesetzt worden, insbe­ den anderen verdoppeln. Auf diese Weise wuchs sondere in Osterwald, Otternhagen und Langen­ aber die Summe in kurzer Zeit zu schwindelnder hagen.

21 9. Kohle und Eisen Bliebe noch die Frage zu klären, woher man die Kohle genommen hat. Das war durchaus nicht die Wer diese beiden Worte hört, denkt vermutlich an Steinkohle, die in den Bergwerken am Deister seit die großen Industrielandschaften an Rhein, Ruhr etwa 1550 (und später sogar bei Suttorf) gefördert und Saar. Davon soll natürlich nicht die Rede sein, worden ist. Es hat sich hier um Holzkohle gehandelt. wohl aber von der Tatsache, daß auch in Garbsen Für die Gewinnung dieses Rohstoffes mußte der einst Eisen mit Hilfe von Kohle hergestellt worden Wald herhalten, und zwar die einst sehr zahlreich ist, allerdings in weit geringeren Mengen und ohne vertretenen Eichen. den heute üblichen technischen Aufwand - eben ganz anders als heute. Die benötigten Rohstoffe Sumpfeisen und Eichen­ holzkohle waren also in genügender Menge vor­ Nach dem dazu benötigten Eisenerz braucht man handen. Wie man aus ihnen Eisen gewonnen nicht lange zu suchen. Wer das nicht glaubt, sollte hat, wird sich gleich zeigen. Man hat nämlich die einmal im Winter an der Auter spazierengehen. Spuren der einst üblichen Kleinindustrie gefunden, Schon bald wird er bemerken, daß Gras und Blät­ wenn auch eher zufällig, denn seit dem späten ter am Ufer rostrot gefärbt erscheinen - Zeichen Mittelalter wurde das Gewerbe nicht mehr aus­ " für das im Boden vorhandene "Sumpfeisen , das geübt. einst als Rohstoff gedient hat. Der Bericht über einen solchen Fund liest sich etwa so: Am 3. Februar 1914 fand der Hannoveraner Es fand sich nicht nur in der näheren Umgebung, Alfred Basse beim Urbarmachen eines mit Fuh­ sondern fast überall im Gebiet nördlich der Mittel­ rengestrüpp bestandenen Stücks Odland in der gebirge vom Harz bis an die Nordsee verbreitet. Osterwalder Feldmark eine Eisenschlacken-Halde Schon in vor- und frühgeschichtlicher Zeit wurde von ca. drei Metern Länge, ziemlich dicht unter der es verarbeitet. Dabei dürfte das nördliche Vor­ Erdoberfläche. Dem wallartigen Aufwurf entnahm land der Landeshauptstadt eine besondere Rolle man Stücke von etwa fünf kg Gewicht. Ungefähr gespielt haben. Der Ortsname oder die einen Kilometer von dem Platz entfernt entdeckte Schmiedestraße in Hannover scheinen das ebenso man bei der Nachsuche einen kegelförmigen zu bestätigen wie die um 1280 nachgewiesene Hügel, der aus Eisenschlacke und Tonr ester Bezeichnung hannoversches Eisen", die in Ham­ " bestand. Die FundsteIlen liegen zwischen Oster­ burg üblich war. Der Flurname Schmiedeshöhe" " waid und Resse. Das Provinzialmuseum wurde (Smies Höchte) zwischen Heitlingen, Stelingen und benachrichtigt. Osterwald dürfte ebenso auf die Tätigkeit der " mittelalterlichen Waldschmiede (fabri nemoris) Derartige im Volksmund als "Heerschlangen deuten. bezeichnete Hügel hat es einst in der Umgebung

22 sehr zahlreich gegeben. Man deutete sie als hügeln reiche Beute machen konnten. Die könig­ ,Jeldschmieden" aus der Franzosenzeit. liche Chausseeverwaltung bezahlte ihnen die Ware verhältnismäßig gut. Unter anderem soll der Tatsächlich handelte es sich bei dem, was der Mann Damm, auf dem die Straße nach Resse verläuft, aus Hannover ans Tageslicht brachte, um die Reste " daraus aufgeschüttet worden sein. eines sogenannten "Rennofens und um das Er­ zeugnis, das mit seiner Hilfe gewonnen wurde, die Im Landkreis Neustadt vermerkte man Funde von bewußte Eisenschlacke. Wie die Verarbeitung vor 10-20 Meter langen Schlackenhaufen, und bei sich ging, soll kurz geschildert werden: Basse und Bordenau fanden sich ebenfalls Reste Aus Ton formte man zunächst einen bis zu zwei von Rennöfen und Luppe. Meter hohen Ofen, dessen Wände mit Luftlöchern Das Gewerbe der Köhler und Waldschmiede ist versehen waren. Der Zufuhr von Sauerstoff diente also einst in Garbsen zuhause gewesen. In fast allen ferner ein Graben, den man von unten heran­ Dörfern sind die rußigen Gesellen im Mittelalter führte. Der Rennofen wurde von oben her durch nachzuweisen. Obgleich unsere Region kein Indu­ eine Offnung abwechselnd mit Schichten von Holz­ striegebiet war, dürfte sich der Rauch von Meilern kohle und zerkleinertem Erz beschickt. Nachdem und Waldschmieden zu bestimmten Zeiten unange­ die nötige Hitze erreicht und die ersten Schichten nehm bemerkbar gemacht haben. zusammengefallen waren, wurde der Ofen wieder und wieder mit Erz und Kohle gefüllt, bis sich am Boden eine stark eisenhaltige Schlacke gesammelt hatte, die sogenannte ,Juppe". Nach dem Erkalten ging man daran, diese zu zerschlagen und in der 10. Rätsel um die Grafen von Roden angedeuteten Weise zu lagern. In der mittelalterlichen Geschichte des Raumes Die Temperaturen reichten nicht aus, um reines Garbsen (und Hannover) gelten die Grafen von Eisen herzustellen; das geschah in einem weiteren Roden-Wunstorf als Schlüsselfiguren. Zahlreiche Arbeitsgang. Dazu wurde in den Waldschmieden Forscher haben sich um die Lösung von Fragen, die die Schlacke erneut mit Hilfe von Blasebälgen ihre Familie betreffen, bemüht. Von den For­ erhitzt und das Roheisen herausgeschmiedet. Auf schungsergebnissen war vorher gelegentlich die solche Weise soll noch heute in einigen Teilen Afri­ Rede. Weitere Tatsachen sollen das Bild ab­ kas das begehrte Metall gewonnen werden. Aus runden. älteren Nachrichten geht hervor, daß vor gut 100 Im Jahre 1124 begegnet uns als erster ein Graf Hil­ Jahren zahlreiche Steinsammler unterwegs gewe­ debold, der im Marstemgau als Gerichtsherr urkun­ sen sind, die gerade in den erwähnten Schlacken- det. Ober seinen Sohn ist etwas mehr bekannt. Er

23 stellt 1160 im Gericht Limmer ein Dokument aus, spannt ist: von einem um 990 erwähnten Rothun um 1186 ein weiteres in Seelze. Er kann - wie die bei Klein , über Hannover-Kirchrode, zur Edelherren von Ricklingen und die Grafen von Wüstung Roden vor Kronsbostel und Rodenberg, Wölpe - zu den Waffengefährten von Heinrich Roden unter der Schaum burg und die in der Nähe dem Löwen gerechnet werden. Er wird mit ihm im gelegene Burg Hohenrode, bis hin zu einem Roden Zusammenhang der Bemühungen Heinrichs des vor Minden und Röden bei Schlüsselburg. Die Aus­ Löwen um Stade, Holstein und Mecklenburg wahl ist durchaus nicht klein. erwähnt. Auch nach dem Sturz des Herzogs hielt er diesem die Treue. Gleichzeitig erfolgte der Aufstieg Noch undurchsichtiger wird die Sachlage dadurch, des Grafengeschlechts. daß der 1124 genannte Graf Hildebold von Roden als Sohn eines Hoger von Ripen erscheint. Erneut Das geschah unter Conrad 11., der sich zuvor (ab beginnt das große Ratschlagen: Handelt es sich 1189) nach einer neuen Burg in Limmer benannte. um das bei Bad Nenndorf gelegene Riepen oder Das Haus teilte sich in zwei Linien, von deren Erbtei­ eine bisher unbekannte Wüstung dieses Namens? lung um 1215 kurz die Rede gewesen ist: Der Ost­ Oder gar um eine verstümmelte lateinische über­ teil von Lauenrode wurde 1 248 an die Welfen ver­ setzung des Namens Hannover (Hohes Ufer = alta kauft, der im Westteil begüterte Zweig der Familie ripa)? Außerdem erscheinen Zeugen aus einem Rit­ " nannte sich seit 1252 "von Wunstorf . Nach jahr­ tergeschlecht de Ripa mehrfach zwischen 1 225 und zehntelangen Fehden mußte man auch hier den " 1321. Und schließlich gibt es den Flurnamen "Ripen wiedererstarkten Welfen das Feld räumen (1333) im Umland von Hannover gleich in mehreren und zunächst den rechtsleinischen Besitz um Schloß Exemplaren. Er soll auf Lage an einem Wasserlauf Ricklingen aufgeben. Der endgültige Niedergang deuten. Das trifft möglicherweise für den Besitz zu, wurde 1447 durch den Verkauf der Restgrafschaft mit dem Graf Conrad I. 1196 sein Hauskloster besiegelt. Für 10000 Gulden ging sie an den Marienwerder ausgestattet hat. Bischof von Hildesheim, der den Besitz mit Gewinn an die Welfen veräußerte. Bisher gibt es in der Herkunftsfrage keine schlüssige Antwort. Vielleicht liegt dies daran, daß bisher zwei Die Forschung widmete sich zunächst der Klärung Probleme noch nicht angegangen wurden, nämlich: der Familienzusammenhänge, später auch der ter­ ritorialen Frage einschließlich der Besitzverhältnis­ 1. die Rolle der von Roden in der bald nach se. Mit bisher unbefriedigendem Erfolg versuchte 1100 beginnenden Hagensiedlung und man, die Herkunft der Grafenfamilie zu klären. 2. ihre Beziehungen zur Kirche (Bistum Minden, Es hat sich als schwierig erwiesen, weil die Zahl der Erzbistum Köln), sowie die Beteiligung der Kirche " möglichen "Roden zeitlich wie räumlich weit ge- an dieser Kolonisation. 24 In einer Urkunde des Jahres 1247 verlautet, der Darf man ihre Burg vor Osterwald daher als erstes Bischof von Minden habe den Grafen von Wuns­ Lauenrode ansehen? torf, ebenso wie vorher schon dessen Vorfahren, mit mehreren Hagen, darunter auch Osterwald, Abschließend noch ein kleiner Hinweis in diesem belehnt. Daß die Ur-Heimat der Osterwalder Zusammenhang: Das herzogliche Amt Ricklingen Siedler in einem Oosterwoolde in der holländischen hat als Siegel ein sogenanntes redendes Wappen Provinz Groningen nicht auszuschließen ist, wurde geführt. Es stellte im geteilten Schild einen nach früher angedeutet. Wenn das aber so ist, kann man rechts schreitenden halben Löwen und mehrere dann die Tatsache, daß sich ausgerechnet in der Querbalken dar. Ganz offensichtlich ist dies die Nähe dieser Siedlung Oosterwoolde in Holland Umsetzung des Namens Jöwen-Rode" oder eine Burg Roden befindet, noch als Zufall be­ Lauenrode. Das kann die ursprüngliche Form des zeichnen? Lauenroder Wappens gewesen sein. Der Namen­ steil Jauen" aber dürfte auf den lange unterge­ Beweisen läßt sich ein Zusammenhang ohne um­ gangenen Wald zurückgehen, der nichts mit den fangreiche Sucharbeit in kirchlichen und holländi­ Großkatzen zu tun hat. Eher wird man auf eine " schen Archiven natürlich nicht. Es setzt u. a. voraus, Verwandtschaft mit dem englischen Wort "Iow daß die von Roden als Siedlungsunternehmer am (= niedrig) schließen können. Lauenwald tätig gewesen sind. Das wäre von Bedeutung für die bisher ungeklärte Frage nach dem Ursprung des Namens Lauenrode: 11. Marienwerder erwirbt Stelingen (1269) Bei der seit 1215 nachzuweisenden Burg vor Han­ nover kann es sich um die Nachfolgerin einer Be­ Am 21. Juli 1269 bezeugten die Ritter von Ham­ festigung handeln, die entweder vor Langenhagen wiede vor Gericht, daß sie bereit seien, gegen oder Osterwald gestanden haben mag. Zahlreiche Zahlung von 15 Mark Bremer Silber zugunsten des Hagensiedlungen weisen in unmittelbarer Nähe Klosters Marienwerder auf den Besitz des Dorfes einfache Befestigungen oder Burgen auf. Vor bei­ Stelingen zu verzichten. Irrtümlicherweise habe den Orten sind alte Burgen entweder urkundlich Graf Conrad V. von Roden Stelingen auf seinem oder mittels Luftbild-Auswertung und Flurnamen Sterbebette zu seinem Seelenheil dem Kloster bestätigt. geschenkt, da er glaubte, daß ihm das ganze Dorf gehörte. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die von Roden-Lauenrode sich als Roder des Lauenwaids Die feierliche Handlung war auf einer Wiese vor betätigt und sich entsprechend benannt haben. der Brücke in Neustadt im Kreise namhafter Zeu-

25 gen über die Bühne gegangen. Graf Burchard von Nach dem Tode des Klostergründers Graf Con­ Wölpe führte den Vorsitz bei diesem Gericht und rad I. von Lauenrode einigten sich seine Söhne bekräftigte die damals ausgestellte Urkunde mit Conrad 11. und Hildebold darauf, das väterliche seinem Siegel. Erbe aufzuteilen (ca. 1215). Die damals entstan­ dene Trennungslinie zwischen den neuen Graf­ Zu der Angelegenheit verlautete in dem Dokument schaften, die wir einmal Lauenrode Ost (mit Han­ noch, die beiden Parteien hätten länger um den nover) und Lauenrode West (mit Wunstorf) nennen Besitz des Dorfes im Streit gelegen, und Marien­ wollen, verlief von Resse aus über Heitlingen und werder nutze die fragliche Länderei bereits seit Stelingen auf die Leine östlich von Marienwerder. Jahren. Sie zerschnitt Heitlingen wie Stelingen in zwei Teile, Auf den ersten Blick gibt die Urkunde einige Rätsel wie die älteste bekannte Grenzbeschreibung von auf. Vorweg muß man sich fragen, warum kein 1538 bestätigt. Mitglied der Familie von Roden und Wunstorf zu Nun lagen in Stelingen jeweils fünf Hufen Land mit Worte kommt, zumal doch der Graf Conrad die den zugehörigen Höfen auf westlicher und östlicher Schenkung irrtümlich und auf dem Sterbebett voll­ Seite der Grenze, denn der Grenzzug verlief etwa zogen haben soll. in der Gegend der heutigen Schule. Das wurde verhängnisvoll, nachdem 1248 die Grafschaft Damit taucht zwangsläufig der Verdacht auf, der Lauenrode-Ost den Besitzer wechselte. Damals Vertreter des Klosters habe dem sterbenden Gra­ kauften nämlich die Welfen das Gebiet auf, wäh­ fen die Worte in den Mund gelegt, um damit die rend Lauenrode-West zunächst weiter in der Hand Abtretung des Besitzes zu erreichen. Schließlich der Grafen von Roden blieb. Da sie bis dahin auch zahlte der Propst doch eine nicht unbeträchtliche offenbar Erbeigentümer der Höfe in Stelingen Summe dafür. gewesen waren, wurde der Ostteil welfisch, clp.r Es besteht wohl kein Zweifel daran, daß Marien­ Westteil des Dorfes blieb lauenrodisch. werder an der Vergrößerung seines Besitzes in die­ Das bedeutet aber, daß Graf Conrad V., der von sem Gebiet interessiert war: Um etwa 1200 war 1223 bis vor 1247 genannt wird, durchaus über dem Kloster die Kirche Engeibostel geschenkt wor­ Höfe in dem Dorfe verfügen konnte - allerdings den, und die Zehnten von Berenbostel und Stelin­ nicht über die im östlichen Teil des Ortes gele­ gen waren ebenfalls in der Hand von Marienwer­ genen. der. Wahrscheinlich hat hier jedoch keine falsche Aussage vorgelegen: Es spricht vieles dafür, daß Nach den vorhandenen Unterlagen hat es sich die merkwürdigen Grenzverhältnisse die eigent­ um zwei Vollmeier (jeweils zwei Hufen) und einen liche Ursache des Streits gewesen sind. Halbmeier (eine Hufe) gehandelt. In Marienwerder

26 war man also dem begreiflichen Irrtum erlegen, übrigens erscheint Conrad von Hamwiede wenig daß das ganze Dorf Stelingen Eigentum von später als Vogt in Harenberg. Graf Conrad gewesen sei. Der Ostteil war je­ doch seit 1248 im Lehnsbesitz der Ritter von Durch die Ereignisse der Folgezeit verlor die merk­ Hamwiede. würdige Grenze in Heitlingen und Stelingen schon bald ihre Bedeutung. Die Herzöge vertrieben im Wer in solchen Fragen nicht unterrichtet ist, wird Jahre 1333 die Grafen von Roden-Wunstorf aus darüber verwirrt sein. Man muß dazu wissen, daß ihren rechts der Leine gelegenen Besitzungen und sämtlicher Besitz im Mittelalter recht verstreut gele­ ließen 1339 in Schloß Ricklingen ein Amtshaus gen hat und daher häufig als Lehen ausgetan wor­ errichten. Damit war der größte Teil der Grafschaft den ist. Mit Lehen wurden außerdem Dienstleistun­ Lauenrode in ihrer Hand. gen abgegolten. Von den Belehnten konnten die Güter weitervergeben werden; kurz, es ist häufig Allerdings blieben die Auseinandersetzungen um kaum auszumachen, wer Eigentümer oder Besitzer die unglückliche Grenze weiter an der T agesord­ gewesen ist. nung, denn nun kam es aus diesem oder jenem Grunde zu Streitigkeiten zwischen den Ämtern Im Falle Stelingen war der Herzog von Braun­ Langenhagen und Ricklingen. schweig-Lüneburg Eigentümer der fünf im Ostteil des Dorfes gelegenen Halbmeierhöfe geworden, Das änderte sich zu einem gewissen Grade, nach­ denn er hatte sie ja gekauft. Das wird durch dem man übereingekommen war, ganz Heitlingen eine Urkunde von 1305 bestätigt. Hierin über­ zu Langenhagen und ganz Stelingen zu Schloß trägt Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg Ricklingen zu legen. Das betraf aber nur die das Obereigentum von Stelingen einschließlich Wohnhäuser, nicht die gesamten Ländereien der Vogtei und allem Recht auf das Kloster Marien­ Dörfer. werder. Die Abhängigkeit des Dörfchens Stelingen von " Der Verzicht der Ritter von Hamwiede vor dem Marienwerder blieb bis zur "Bauern befreiung im Gericht der Grafen von Wölpe in Neustadt aber vorigen Jahrhundert bestehen. Wie seit undenk­ scheint darauf hinzuweisen, daß nach 1248 die lichen Zeiten, mußte man dem Kloster Frondienst Herzöge den Ostteil des Dorfes zu Lehen an die leisten und Abgaben entrichten. Daß diese Abhän­ Grafen von Wölpe vergeben hatten, und diese gigkeit zum einen auf die umstrittene Schenkung wiederum die Höfe an ihre Vasallen weiterverlehn­ des Grafen Conrad von Lauenrode zurückging, ten: Die von Hamwiede und ihre Verwandten zum anderen auf den Verzicht derer von Ham­ von Eilte haben sich nach Ortschaften genannt, die wiede, daran wußte sich natürlich niemand mehr zu beide der Grafschaft Wölpe zuzurechnen sind. ennnern.

27 12. Die Höfe von Meyenfeld und einer in Meyenfeld als Klostergut verzeichnet sind. Diese fünf Bauernhöfe waren bis zur Ablösung Das an der Bundesstraße gelegene Meyenfeld der Hoflasten im vorigen Jahrhundert Eigentum besteht eigentlich aus zwei Ortsteilen, von denen von Marienwerder. Damit bliebe vorläufig die Her­ Leistlingen bereits im Jahre 1216 im Zusammen­ kunft von drei Meyenfelder Höfen ungeklärt. hang mit der Gründung von Marienwerder genannt wird. Die Zehnten aus beiden Siedlungen Das nächste Dokument bestätigt, daß Graf Johann kommen 1 258 in einer Schenkung von Bischof von Wunstorf 1325 seinem Kaplan, dem Horster Wedekind von Minden an Mariensee vor. Jahrhun­ Pfarrer, zwei Hufen in Meyenfeld geschenkt hat. dertelang haben Meyenfeld und Leistlingen aus je Da der ein unverheirateter Priester war, konnte er vier Höfen bestanden. Ihre Vergangenheit und den Besitz nicht weiter vererben. Das erklärt, Geschichte läßt sich anhand des Urkundenmate­ warum 50 Jahre später diese beiden HofsteIlen sich rials verhältnismäßig gut verfolgen. im Besitz des Stifts Wunstorf befunden haben (To Meygenvelde 11 Hove). Der Ortsname dürfte im Zusammenhang mit dem 889 erwähnten Königshof Bordenau stehen. Bei Der vierte Meyenfelder Hof war vor 200 Jahren im der Untersuchung von Königsgut im Harz konnte Besitz der Familie von Alten, die offensichtlich damit ermittelt werden, daß regelmäßig im Umfeld der belehnt gewesen ist. Wahrscheinlich war ursprüng­ " Pfalzen "Jagdhöfe lagen. Der Name des Jagdhofs lich auch in diesem Falle der Graf von Wunstorf endete gewöhnlich auf -feld. Da es im Deister früher einmal ihr Lehnsherr. ebenfalls eine Wüstung Mehdefeld gegeben . hat, dürfte kaum ein Zweifel daran bestehen, daß auch Hieraus ergibt sich eine recht eindeutige Aussage unser Meyenfeld auf einen Jagdhof zurückgeht. zur Frage der ursprünglichen Besitzverhältnisse in Darauf scheinen auch die Eigentumsverhältnisse den beiden Dörfchen zu je vier Höfen: Die Grafen zu deuten. von Lauenrode, später als die von Wunstorf be­ zeichnet, waren einst hier nicht nur Landesher­ Als im Jahre 1196 Graf Conrad von Lauenrode ren, sondern auch Eigentümer und Gutsherren. Nur das Hauskloster Marienwerder gründete und mit in einem Falle läßt sich das nicht sicher belegen. Gütern ausstattete, waren darunter auch fünf Durch Schenkung gelangten fünf von acht Höfen " Hufen Land in ,Jesteslache verzeichnet. Daß damit an Marienwerder, zwei an das Stift Wunstorf. Leistlingen gemeint war, ergibt sich aus mehreren Damit bleibt nur im Fall des von Altenschen Hofes weiteren Dokumenten, in denen der Ortsname ge­ eine gewisse Unklarheit bestehen. wöhnlich ähnlich geschrieben wird, z. B. Lesteslege. Für uns bedeutsamer ist, daß tatsächlich später vier Im Mittelalter hat die Verteilung der Zehnten stets Höfe (so darf man Hufe übersetzen) in Leistlingen eine große Rolle gespielt. Die meisten Zehnten im

28 Kirchspiel Horst waren einst Mindener Eigentum, an dem alten Heerweg gelegen war, sind nur gelangten aber im Laufe der Zeit durch Schenkung wenige Höfe vorübergehend verlassen worden. in die Hände des Klosters Mariensee. Das war Daß in dieser schlimmen Zeit Menschen das Leben auch hier der Fall. verloren hätten, läßt sich nicht belegen. Wohl aber Der Urkunde vom 14. Dezember 1258 zufolge hat ist bekannt, daß sie Vieh und Hausrat einbüßten. Bischof Wedekind von Minden die Zehnten von Die Schenkung von 1 258 deutet auf alte Bindungen Meyenfeld und Leistlingen dem Kloster Mariensee zum Kirchdorf Horst. Damit war festgelegt, daß sie geschenkt. Im sei ben Jahr übertrug der Edelherr zu Bauten der Kirche Horst herangezogen wur­ Rudolf von Arnheim die Gerichtsbarkeit über die den. Hier ist der Horster Pfarrhausbau besonders Zehnten an das genannte Kloster. aufschlußreich: Man kann sich wohl vorstellen, daß der Zehnte von vier oder acht Höfen angesichts der schlechten Im Jahre 1830 beschloß die Kirchengemeinde, ein Böden wenig ertragreich gewesen sein muß. neues Haus für den Horster Pastor zu erbauen. Zudem lag Mariensee weit entfernt - daher sind Man hatte errechnet, daß die Meyenfelder hierfür die Zehnten in vielen Fällen an die betreffenden 370 Reichstaler beisteuern müßten. Für damalige Dörfer oder aber an Einzelpersonen verpachtet Verhältnisse eine beachtliche Summe, obwohl man worden. Daß erst ein gewisser Aufschwung zu ver­ wußte, daß die 14 vorhandenen Höfe schulden­ zeichnen war, nachdem man um 1750 den Bau der frei waren. Der Schloß Ricklinger Amtmann konnte Chaussee vollendet hatte, sagt genug. So war es von ihnen berichten, daß sich die Inhaber durch auch mit dem Wachstum der Doppelsiedlung lange ihre außerordentliche Sparsamkeit auszuzeichnen Zeit nicht gut bestellt. 1585 war die Zahl der Höfe pflegten. Ob dies der Grund dafür war, daß sie um drei KötnersteIlen vergrößert worden, und nach sich bei der Bewilligung von Geldern für den Bau dem Dreißigjährigen Krieg gab es zwei weitere besonders zurückhielten, sei dahin gestellt. Viel­ Brinksitzerstellen. Dementsprechend waren hier leicht erschien ihnen die Maßnahme unanqe­ 1689 nur 79 Menschen wohnhaft; darunter nach bracht und das Gebäude zu großartig. wie vor die acht (Halb-) Meier. Die Bevölkerung Jedenfalls hielten sie sich zunächst zurück und war jedoch seßhaft und blieb dem Standort treu, beschlossen dann einmütig, ein der Gemeinde was sich an den noch heute vorhandenen Höfen gehöriges Grundstück zu verkaufen und den Erlös ablesen läßt: Goens und Oberhoi lassen sich für ihren Bau-Anteil zu verwenden. Es hat sich nachweisen seit 1553, Oelschläger ab 1585, Finke " dabei um die "Reuterwiese vor Castendamm seit 1605 und Weber ab 1640. gehandelt. Der Name erklärte sich folgender­ Daran konnte auch der Dreißigjährige Krieg kaum maßen: Das Grundstück hatte einst dazu gedient, etwas ändern. Obgleich die Siedlung schon damals Heu zu machen, das alljährlich pflichtgemäß nach

29 Hannover an die Kavallerie-Regimenter op.liefert als Geldverleiher tätig waren. Aber der bewußte wurde. Klagebrief brachte tatsächich den gewünschten Daß es von miserabler Qualität gewesen ist, ergibt Erfolg. Die Landdrostei ließ die Bedingung mit der sich aus dem Vermerk, daß man in Hannover so Beisteuer fallen. schlechtes Heu nicht [hat] annehmen wollen. Anscheinend haben sich die Leute richtig ins Fäustchen gelacht: Jedenfalls hatten sie heimlich Verkäufe dieser Art waren genehmigungspflichtig. beschlossen, den Restbetrag von 175 Talern aus Die Landdrostei erteilte die Verkaufsgenehmigung dem Erlös der Reiterwiese im Dorfe aufzutei­ unter der Bedingung, daß wenigstens 1 00 Taler len, nachdem die 370 Taler in Horst abgeliefert vom Dorfe zugeschossen würden. Angesichts ihrer waren. Damit stießen sie jedoch auf harten Wider­ notorischen Sparsamkeit schmeckte dies den stand. Meyenfeldern nicht. Sie suchten nach einem Ausweg. Der Herr von Dachenhausen verfügte kurz und Zunächst warteten sie ab, was wohl die von der mit Nachdruck, man hätte die 175 Ta ler auf Zinsen Obrigkeit genehmigte Versteigerung ihrer Reiter­ anzulegen, um gegebenenfalls in ähnlich gelager­ wiese erbringen würde. Zu diesem Zweck erschien ten Fällen über Geld verfügen zu können. Wahr­ " scheinlich haben nun manche lange Gesichter in den "Hannoverschen Anzeigen eine Bekannt­ machung. Der Gewinn war nicht besonders groß - gemacht. den Zuschlag erhielt der damalige Bauermeister Zurück zur Entwicklung von Meyenfeld. Bis zur Zeit Oelschläger für sein Gebot von 555 Talern. Aber der sogenannten Verkopplungen und Gemein­ da waren immerhin die 370 Ta ler für den Pfarr­ heitsteilungen hatte sich nicht nur die Zahl der Häu­ hausbau und die Auflage, selbst 100 "Silber­ ser, sondern auch die der Einwohner kaum ver­ " füchse auf den Tisch zu legen. Man wußte Rat. ändert. Das war darauf zurückzuführen, daß e Zunächst schickten die Bauern einen Klagebrief an sich bis dahin um eine rein bäuerliche Siedlun� die Landdrostei: Man müßte mit einem außeror­ gehandelt hatte. Hier konnte und wollte man die dentlichen Mangel an Saat- und Brotgetreide fertig Zahl der Häuser nicht vergrößern, da der Boden werden. Die Mißernte des vergangenen Jahres damals nicht mehr hergab, weil die Art der Bewirt­ hätte sie in den Ruin getrieben. Allen ginge es schaftung jeden Zuwachs an Höfen unmöglich schlecht, es herrschte bittere Not usw. Man möchte machte. Wer also keinen Hof besaß, mußte sich sich ihrer erbarmen und ihnen die 1 00 Taler anderswo nach Möglichkeiten umsehen. Ein erstes Zuschuß erlassen. Anzeichen kann man darin sehen, daß schon um Ob man ihnen das geglaubt hat, steht dahin. 1300 im Bürgerbuch von Hannover der Familien­ Bekannt war jedenfalls, daß mehrere von ihnen name Meyenfeld auftaucht.

30 13. Garbsen und der Goh Engeibostel Um es kurz zu sagen: Der Raum zwischen Neustadt und Hannover hat im Mittelalter einen Goh oder Wer sich mit der älteren Vergangenheit von Garb­ Gerichtsbezirk gebildet. Sitz und Mittelpunkt des sen beschäftigen will, muß sich über die Rolle des Goh- und Holzgerichts war Engeibostel. Hier traf Holz- und Gohgerichts Engeibostel im klaren sein. man sich regelmäßig zu Volksversammlungen. Der Raum zwischen Neustadt und Hannover hat eine Einheit gebildet, die mit der früheren Graf­ schaft Lauenrode übereinstimmen dürfte. Die Ohne Wald kein Leben Markgenossen des gesamten Gebietes bildeten einen Goh, dessen Mittelpunkt das Goh- und Holz­ Ein Leben ohne Waldnutzung war im Mittelal­ gericht Engeibostel gewesen ist. Hier kamen die ter schlichtweg undenkbar. Hausbau, Fahrzeuge, Männer aus den zugehörigen Dörfern regelmäßig Möbel, Hausrat und Werkzeug, Umzäunung, Brun­ zusammen, um wichtige Fragen zu erörtern und nenringe, Acker- und Erntegerät wurden aus Holz über die gemeinschaftliche Nutzung von Grund hergestellt. Weniger bekannt scheint, daß die Rolle und Boden zu reden. Ob diese Versammlung einst der Waldungen als Viehweide und für die Schwei­ " nemast als ganz wesentlich einzuschätzen ist. Ganz auch das Recht besaß, über "Hals und Hand zu richten, ist nicht bekannt. Die Berechtigung, Strafen abgesehen davon, daß einst weit mehr als heute " Beeren, Pilze und Waldhonig gesammelt worden in Angelegenheiten der "gemeinen Mark zu ver­ hängen, ist zweifellos vorhanden gewesen. sind. An diesen Versammlungen mußten also auch die Allerdings kann man diese Gehölze nicht mit den Einwohner des gesamten Stadtgebiets von Garb­ heutigen vergleichen. Aus der Pollenforschung wird sen teilnehmen, wenn sie nicht den Verlust wichtiger man erfahren, daß der zwischen Neustadt und Rechte riskieren wollten. Hannover gelegene Lauenwald mit seinen EinzeI­ gehölzen fast ausschließlich Eichenbestände um­ Von der Teilung der Grafschaft Lauenrode um das faßt hat. Unter den breitkronigen Bäumen aber Jahr 1215 in den Westteil (später Amt/Vogtei Rick­ waren Gräser und Kräuter angesiedelt, die als lingen) und den Ostteil (Amt/Vogtei Langenha­ Nahrungsquelle für die Herden genutzt wurden. gen) war schon früher einmal die Rede. Während " Das wird häufig unterschätzt. demnach die "politische Teilung damals vollzogen worden ist, bestand die alte Mark ohne Einschrän­ Zum Verständnis der Okonomie der alten Höfe ist kung und ohne Rücksicht auf die neue Grenzzie­ es unumgänglich, über die Rolle der Viehzucht zu hung weiter fort. Bis etwa 1520 haben Bordenau sprechen. Hier lag der eigentliche Schwerpunkt der und Frielingen dazu gehört, was für Ottern hagen Bewirtschaftung. Die ersten Siedler mögen noch nicht sicher zu ermitteln ist. nach eigenem Belieben in ihrer Umwelt gewohnt

31 und gearbeitet haben. Mit der Zunahme der Be­ mündlich geführt worden sind. Niederschriften völkerung war eine gewisse Ordnung und Zusam­ von Gerichtstagen sind daher Mangelware. Im menfassung der Interessen unumgänglich gewor­ allgemeinen führte man nur dann Protokoll, wenn den. Den Ausdruck dieser Notwendigkeit müssen etwa die Landesherrschaft Genaueres über die wir in der Entstehung von Markgenossenschaften Grenzen des Bereiches erfahren oder über gewisse und den zugehörigen Holz- und Gohgerichten Rechte unterrichtet sein wollte. sehen. Sie begegnen uns überall im deutschen Die älteste Engelbosteler Niederschrift ist aus dem Sprachraum. Jahre 1523 überliefert. Eine Reihe von Auszügen soll uns genauer darüber informieren.

Wehrverfassung Ober die wichtigsten Teilnehmer von "staatlichen Stellen" erfahren wir, daß zugegen waren: Cort Gleichzeitig wurden den Gohen der Märkerschaft Werneck, Vogt zum Calenberg [der Großvogtl, feste Aufgaben im Rahmen der Wehrverfassung Valentin Borcharts, Amtmann zum Calenberg, zugestanden: Sie stellten im Notfall hundert waf­ Arendt Line, Propst in Marienwerder, Dietrich von fenfähige Männer. Reden, Drost zu Schloß Ricklingen, Mitglieder der Daneben waren in den alten Waldmarken Familie von Türck zu Hannover, Jost von Holle bestimmte Höfe vorhanden, die den Schutz des für den Hof in Seelze. Waldes und seiner Bewohner gewährleisten soll­ Gewöhnlich hat die Frage nach dem "höchsten " " ten. Diese größeren HofsteIlen befanden sich Erben und "Beschützer des Lauenwaldes die Ver­ zumeist in der Hand des Dienstadels. Gewöhnlich sammlung eingeleitet, nachdem die Zeremonie der " hat es sich um neun "Schutzhöfe gehandelt. Von Hegung des Gerichts erfolgt war. Laut Protokoll deren Aufgabe wird später noch die Rede sein. antworteten (urteilten) die Männer aus den beiden Vogteien Langenhagen und Schloß Ricklingen: Der Ursprung dieser Art der Organisation mag auf "Min gnediger Her Hertoge Erich sy de negste und die Zeit der fränkischen Eroberung des Sachsen­ hogste Erve over den Lauenwolt." landes zurückzuführen sein. Ihm wurde das Recht zuerkannt, alle zur Versor­ gung der Schlösser Calenberg und Neustadt benö­ tigten Weideschweine in den Wald zur Eichelmast Das Protokoll von 1523 einzutreiben: Das Gebiet, in dem dies erlaubt war, Die Bedeutung des Holz- und Gohgerichte scheint kennzeichnete man als den Landstrich von der hiermit klargestellt. Nun ist dabei wesentlich zu Nigenstat an bet op de Goßeride vor Hannover, " wissen, daß die Verhandlungen der "Märker also die Gegend bis vor das Steintor. Das gleiche 32 wurde tür den jeweiligen Inhaber von Schloß ebenso wie die Namen der berechtigten Änderun­ Ricklingen bestätigt; ebenso für sämtliche Teilneh­ gen unterlag. Die wichtigsten Höfe waren im West­ mer am Holzgericht als erblich hierzu Berechtigte. teil des Waldes entstanden. Insbesondere konnte Wörtlich werden sie als de Inwoner der beiden man in früheren Jahrhunderten Berechtigte auf Vogedie Lawenrode [= Langenhagen] und Ricklin­ Höfen in den untergegangenen Dörfern Weden­ gen mit ohren Dehltuchten angeführt. sen, Adensen und Rettem als Inhaber von Echt­ worten ermitteln. Ihre Rechte müssen später auf Unter Dehlzucht sind die auf der eigenen Diele, andere Höfe im Ostteil übergegangen sein. im eigenen Stalle gezogenen Schweine zu verste­ hen. Verboten war jedoch, fremde Sauen anzuneh­ men (sog. Wahrschweine) oder zu diesem Zweck gekaufte Tiere. Solche wurden den Besitzern PFlichten der Schutzhöfe ohne Gnade abgenommen. Zur Kenntlichmachung Die Versammlung hatte das Recht des Schweine­ pflegte man die Dehlzuchten mit dem "WaId­ eisen" zu brennen. eintriebs der genannten Höfe mit Bedingungen verknüpft. Sie betrafen einmal die Landesverteidi­ Das Weiderecht wurde als Echtwort" bezeichnet, gung, die von ihnen zu leisten war, mit Harnischen " " die Höfe der Schutzherrn als "Echtworten . Diese [und] Wagen, und Yder [= ein jeder] so oft dem standen hinter den übrigen Waldgenossen als Landesforsten das Not sy. dritte Gruppe notiert. Die Versammlung nannte: Dat Stift thom Werder mit dren Echtworden; de Das bedeutet, daß die Genannten im Notfall je von Alten [Hannover-Neustadt] mit eine Echt­ einen Bewaffneten samt Rüstwagen bereitstellen word; de von Reden [Schloß Ricklingen] mit sollten. Im nahegelegenen Grinderwald forderten die Leute dagegen die Stellung eines Pferds samt einem Echtword; de Hof tho Szelße [ = Seelze, von Holle] mit einem Echtword; Cord Werneck von einem bewaffneten Manne - ähnlich wie auf den " wegen des Gudes tho Wagenzel/e mit einem Echt­ "Sattelhöfen in Westfalen. word; de Turck tho Hannover mit eine Echtword. Sie sollten ihr Recht dadurch sichern, daß sie alljähr­ " Die Gesamtzahl der Holzanteile der "Schutzhöfe lich für die Bewirtung der Versammlung sorgten, betrug also acht. Der Umfang jeder Echtwort und zwar mit einer Ruchschinken, Specken und wurde angegeben mit drei Stige Swine und einen genoegsam Brode darby, aber auch durch einen Behren, das heißt 60 Sauen und ein Eber. Geldbetrag, mit dem man das benötigte Bier erwerben konnte. Die Zehrung" sollte am Tag der Aus den größeren Zusammenhängen ergibt sich, " Fastnacht den Holzgeschworenen In Engeibostel daß die Zahl der Schutzhöfe" oder Echtworten " zugestellt werden.

33 Vögten und Amtleuten in Langenhagen und Rick­ Frielingen und Bordenau lingen war erlaubt, eine gewisse Anzahl Wahr­ " Die beiden Dörfer sind um 1520 Neustadt zuge­ schweine" gegen Bezahlung anzunehmen - mit schlagen worden. Man ließ ihnen bestimmte Wald­ der Einschränkung, daß diese nicht die Grenzen rechte, schränkte diese jedoch ein. Das begrün­ ihres Bereichs bei der Mast überschritten. dete man wie folgt: Weil sie in korten Jaren davor Man unterschied drei Arten von Mast. Bei gutem thor Nigenstat ge/echt weren, so konten se desu/­ " Eichelbehang war die Rede von "Vollmast , das ven nicht afsundern. Daß diese Trennung in Verbin­ hieß 60 Schweine. Halbmast" bedeutete die halbe dung mit der Erhebung von Neustadt zur Residenz " " Anzahl (30) und "Wahnmast nur 15 Stück. Für der Calenberger gestanden hat, dürfte keinem die Festsetzung des Eintriebs waren die Ermittlun­ Zweifel unterliegen. gen der Holzgeschworenen bedeutsam. Gewöhn­ Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden der lich sollten diese (zwei in jedem Dorf) die Aufsicht genannten Orte wurde u. a. das Hachholz er­ führen und Vergehen der Leute anmelden, damit sie bestraft werden konnten. wähnt. Damit war das Teilstück des Waldes ge­ meint, das sich in etwa sechs Kilometern Länge Dafür besaßen sie das Recht, jeweils vier nördlich von Bordenau erstreckt hat und künftig Wahrschweine neben der ihnen, wie allen Ge­ für den Viehtrieb von Frielingen und Bordenau nossen, zustehenden Echtwort in den Wald zu zur Verfügung stand. schicken. In östlicher Richtung schloß sich nördlich vor Oster­ waid in etwa zehn Kilometer Länge das Gebiet des " Hirten auf der Goseriede "Großen Lauenwaldes an, das bis zur "Bogen­ riede" vor Heitlingen gereicht hat. Zwischen Resse Ein Sonderrecht, das den Viehhirten aller beteilig­ " und Heitlingen folgte der "Kleine Lauenwald , der ten Dörfer zugestanden wurde, betraf die Möglich­ gewöhnlich Lütkenwald genannt wurde und sich keit, sich in Hannover mit Brot und Bier zu ver­ über etwa vier Kilometer Länge erstreckte. Bis hier­ sorgen, aber auch, beides zu verzehren. Dazu her einschließlich sollten die Frielinger geduldet verlautet, sie dürften - wenn sie mit ihren Herden werden. Der Rest, etwa sechs Kilometer lang, war vorm Steintor lagerten, in de Stat [Hannover] gahn nach dem Dorfe Stelingen benannt und als "Ste­ und kopen vor 7 ß [ = Schilling] Brot und vor 7 ß Ber linger Wald", Steinwald oder unter ähnlichen und vorteren dat. Bezeichnungen bekannt. Er reichte an die Grenzen Man darf sicher sein, daß die Hirten aus den Dör­ von Langenhagen heran. Ein anderes bedeuten­ fern des Amtes Ricklingen sich das nicht zweimal des Gehölz zwischen Berenbostel, Meyenfeld und sagen ließen. Osterwald, ungefähr drei Kilometer lang, war die

34 Hespe, die heute nur noch durch einen Flurnamen genossen nicht der Gefahr bewußt, die sich aus belegt werden kann. dieser Gewaltenteilung ergeben konnte. Die Einwohner von Schloß Ricklingen werden hier Auf die Anfrage, was mit jemandem geschehen " als "Vorborgers , d. h. vor der Burg Wohnende, sollte, der einen Baum mutwillig beschädigte, kam bezeichnet. Von ihnen verlautet, sie hätten einen die Antwort: Densulven Deder [= Täter] schulle eigenen Schweinehirten bestellt. Das wollte die men sinen Buck bym Navel upsniden und sine Versammlung nicht zulassen, weil die Schweine der Derme und Ingeweide umb den Bom binden. " Vorbürger bisher stets mit den "Burgschweinen gemeinsam gehütet worden wären. Das zeigt, daß Nun wird man kaum davon ausgehen können, daß man Fragen gewöhnlich nach altem Herkommen dem Holzgericht die Erlaubnis zugestanden hätte, gelöst hat. eine solche Bestrafung vorzunehmen. Denn hierfür " waren die "Blutgerichte und Vögte des Landes­ herrn zuständig. Eher war wohl die Absicht, durch Strafen Zitieren der Strafe das Abscheuliche dieses Ver­ gehens zu kennzeichnen und mögliche übeltäter Ebenso häufig werden in den Protokollen die Stra­ abzuschrecken. fen für bestimmte Freveltaten nach früheren Urtei­ len festgesetzt. Bäume ohne Anweisung durch die Holzgeschworenen zu fällen, kostete je nach Die Grenzen Größe des Baumes und anderen Umständen ein bis zwei Taler. Das Schütteln von Eichbäumen oder Auf einer Tagung des Gerichts Engeibostel im Jahre das Abhauen von Ästen (um den Schweinen 1548 hat man die genauen Grenzen ermittelt. Sie die raschere Nahrungsaufnahme zu ermöglichen) reichten, laut Aussage, vom Steintor Hannover und kostete entsprechende Geldzahlungen. der dabei stehenden Nikolauskapelle (noch heute als Ruine erhalten), also up de Goßeride by Sunten Nun fällt auf, daß im Urteil verlautet, die Höhe der Claus vor Hannover über den Schiffsstapel an der Strafe sei in das Belieben der Herrschaft gestellt: Leine, Kloster Marienwerder, die Rettmerberge und Dat sta in der Hern Gnade. Bordenau beth thor Nigenstat under de Brugge Man darf daraus den vorsichtigen Schluß ziehen, tho Water, um sich von hier aus an Ottern hagen daß auf diesem Umweg "die Herrschaft bereits vorüber nach Resse und weiter in die Gegend von den alten Weg der Urteilsfindung an sich gezogen Langenhagen, dann aber bis auf die Schwelle der hat. Denn vorher war es üblich, daß die Versamm­ Kirchtür von Kirchrode zu ziehen. An dieser Stelle lung für die Festsetzung der Strafen zuständig ge­ soll auf Einzelheiten nicht näher eingegangen wesen ist. Möglicherweise waren sich die Holz- werden. 35 Ein wichtiges Ergebnis der Grenzbeschreibung Zwar hat man dem Herzog den Vorrang gewährt " sollte jedoch hervorgehoben werden: Im Jahre und ihn als "obersten Erben mit Vorzugsrechten 1523 hat in Schloß Ricklingen eine Brücke gestan­ bedacht - aber er war eben nur als erster unter den. Wann sie zerstört wurde oder verfallen war, vielen Erben gekennzeichnet. ist nicht bekannt. Jedenfalls ist hier später stets eine " Gleich nach ihm folgten "die Männer , sprich die Fähre bezeugt, nie aber eine Brücke. Hofbesitzer und Holzgenossen. Sie genießen die­ " selben Rechte, wobei "die Echtwort , also vor allem der Eintrieb von Schweinen, als wichtiges Indiz Die Holzungsrechte gelten kann. Es muß auffallen, daß in keinem der Protokolle Erst nach ihnen erscheinen die verschiedenen In­ jemals von den eigentlichen Holzrechten die Rede " haber der "Schutzhöfe - sprich Adel und Geistlich­ war. Das deutet darauf hin, daß man sie als gege­ keit, die die Verteidigung des Gebietes garantieren ben voraussetzte, weil der Lauenwald noch völlig sollten. Für das Recht, je 60 Sauen zur Mast zu in Ordnung war. Tatsächlich ergibt sich aus ande­ schicken, mußten sie zahlen. ren Quellen, daß man gestattet hat, Bauholz, Brennholz, Holz für Brunnenringe und handwerk­ Man kann sich vorstellen, daß weder die Rangfolge liche Zwecke zu entnehmen, unter der Vorausset­ noch die Bedingungen für den Herzog, seine Adli­ zung, daß es den Genossen durch die Holzge­ gen oder das Kloster als annehmbar gelten konn­ schworenen angewiesen wurde. ten. Das sollte sich schon bald zeigen. Und hierin dürfte der Hauptgrund dafür zu suchen sein, Leseholz konnte dagegen stets gewonnen werdeni warum wenig später eine ungeheure WaIdver­ meist mit der Einschränkung, daß hierfür keine wüstung einsetzte, die schon um 1600 das Eingehen Wagen zur Abfuhr benutzt wurden. Ober die bald des Gerichts, aber auch den Untergang des Wai­ darauf einsetzende unbeschreibliche Verwüstung des zur Folge hatte. des Waldes und die Folgen soll an anderer Stelle berichtet werden. 14. Flurnamen können wichtige Hinweise sein Warum das Goh- und Holzgericht untergehen " Die Bewohner des Stadtteils "Auf der Horst mögen mußte sich schon gefragt haben, wie das Gebiet zu seinem Dem aufmerksamen Beobachter dürfte kaum ent­ Namen gekommen sein mag. Als nach dem Kriege gangen sein, daß die demokratische Einrichtung die Planungen begannen und man das Wohnvier­ eine feste Rangordnung im Rahmen ihrer Holz­ tel aus der Ta ufe hob, stand zunächst eine Flurbe­ rechte festlegte. zeichnung dafür Pate.

36 " Solche Namen können ein hohes Alter haben, aber lichen Bereich nach Resse hin "der Mesansten als auch verhältnismäßig spät entstanden sein. Das wichtiger Punkt genannt. Dorf Horst z. B. wird bereits in einer Urkunde von Der Nordteil der Osterwalder Flur aber erscheint in 1250 genannt. Die schriftliche überlieferung für " frühen Karten als "Mesenbrink , gelegentlich auch unseren Stadtteil ist dagegen wesentlich jüngeren " als "auf dem Mesenbrink (vgl. hierzu Kap. 6). Daß Datums: In einer Grenzbeschreibung des Amts " " Ricklingen (1618) wird im fraglichen Bereich ein die Namen "Mesansten und "Mesenbrink in enger Stück Ackerland genannt, das die Horsf heißt. Verbindung miteinander gesehen werden müssen, " " ergibt sich aus der Ortslage. Man wird dies als "höhergelegener Platz über­ setzen dürfen. Das kann man angesichts der im Gewöhnlich geben frühe Grenzbeschreibungen weiteren Umkreis vorhandenen Niederungen und besondere Hinweise. In einer solchen werden 1548 Moore voraussetzen. zwischen Bordenau und Schloß Ricklingen die Rett­ " " Die meisten Flurnamen sind ursprünglich platt­ mer Berge , im weiteren Verlaufe nach Garbsen hin die ,,Lamser Berge" genannt. Zehn Jahre zuvor deutsche Bezeichnungen gewesen. Manche wur­ " den im Laufe der Zeit derart verändert, daß man werden bei Frielingen das "Rettemer und ,,Aanser Moor" ihren Ursprung nicht mehr ermitteln kann. Als erwähnt. Westlich von Horst kennen wir eine Flur mit Namen )m Benhof" und ,,Am Klingen­ Landmesser einzogen und Karten schufen, haben " " sie vielfach niederdeutsche Bezeichnungen ins berg , südlich Osterwald das "Bredingsfeld . Hochdeutsche übersetzt - und damit ging oft der In allen sechs Fällen verbergen sich die Namen Sinn derselben verloren. Da die Karte jedoch untergegangener Dörfer, die in Kap. 17 noch künftig als Grundlage für amtliche Stellen galt, gesondert behandelt werden. übernahm man die umgewandelten Namen und vergaß die früheren. Nicht nur untergegangene Dörfer, sondern auch ebensolche Wälder können aus frühen Unterlagen Diese Tatsache darf nicht übersehen werden, aber bestätigt werden. Eine Straße in Berenbostel hält nicht nur deshalb ist es häufig sinnvoll, nach den " das Andenken an das Gehölz "die Hespe auf­ ursprünglichen Flurnamen zu forschen. Das soll an recht. Von dem recht bedeutenden Wald, der einigen Beispielen verdeutlicht werden: etwa 5 x 1 Kilometer groß war, hieß es in einer In der Gemarkung Osterwald (Oberende) ist einst Nachricht von 1653: Von diesem Holtz und daß die Grenze zwischen den Bistümern Hildesheim und solches noch existire, hat man ... keine weitere Minden verlaufen. Darüber liegen drei Grenzbe­ Nachricht. schreibungen aus der Zeit um das Jahr 1000 vor, Die Zerstörung kann übrigens auch den alten " die älteste von ca. 990 n. ehr. Darin wird im frag- Namen der Holzung beseitigl' haben. "Die Wohld 37 auf der Karte der Landesaufnahme von 1781 er­ gänse" sich, ähnlich wie Wildschweine, gesuhlt innert an den einst bedeutenden "Großen Lauen­ haben. Man hat sie jedenfalls gekannt und gejagt. waid", der sich nördlich von Osterwald in fast zehn Nachdem sie verschwunden waren, hat dann der Kilometer Länge herzog. Ein zwischen Frielingen Volksmund aus der Trappensuhle eine Treppen­ und Ottern hagen gelegener Ort "in den Langen kuhle gemacht. Kirchhöfen" hat einst der Lauen Kirchhof" gehei­ " Das Datum der Entstehung eines Flurnamens kann ßen. Sinngemäß gilt für den zweiten Teil dasselbe, in manchen Fällen ziemlich genau festgestellt wer­ was vom wendischen Kirchhof" behauptet worden " den. So etwa im Falle von Schloß Ricklingen. ist. Als es keinen Lauenwald mehr gab, wurde aus dem früheren Jau" (was wohl dem englischen Die größtenteils erhebungslose Gegend hat dazu " " )ow entsprechen wird), ein "langer Kirchhof . beigetragen, daß man jeden kleinen Hügel als Berg Dagegen kann die Woldtwiese" bei Stelingen von benannte. Daher tragen hier zwei Plätze die " Namen Galgenberg" bzw. Bliedenberg". Letzte­ dem Teilgehölz des Lauenwaldes, das "Stelinger " " " " rer befindet sich dicht an der Leine, wo heute noch Wald oder "Steinwald benannt war, künden. Die­ ser soll bis vor Langenhagen gereicht haben. das Denkmal für Herzog Albrecht von Sachsen " steht. Mit "Bliede ist eine mittelalterliche Stein­ Selbst heute kaum noch vorhandene Pflanzen und schleuder, ein Belagerungsgerät, gemeint. Bei der Tiere können auf unserer Liste erscheinen. In der Belagerung der Burg im Jahre 1385 hat man noch Gemarkung Heitlingen gibt es einen Hülsebrink", Blieden benutzt. Auf dem Denkmal ist der Stein " " in Berenbostel begegnen wir der "Hülshorst . Die befestigt, mit dem angeblich Herzog Albrecht ver­ Hülsen mit ihren roten Beeren - lateinisch Ilex wundet worden sein soll. genannt -, kommen im Stadtgebiet kaum noch vor, " waren jedoch einst hier heimisch. Das gilt ebenso Die Bezeichnung "Bliedenberg wird heute aller­ für die selten gewordenen Hain- oder Weißbu­ dings kaum noch gebraucht: Die meisten wußten chen, so Heinebökenhorst" in Horst. schon bald nicht mehr, was eine Bliede war, da man " sich schon wenig später die Vorzüge des Schießpul­ Ein bemerkenswertes Beispiel für die Wandlung vers hat zunutze machen können. Der Flurname eines Flurnamens im Zusammenhang mit einer frü­ geht also auf das Jahr 1385 zurück. her hier vorhandenen Tierart kann Stelingen bei­ tragen. I n der Zeit um 1730 stoßen wir auf einen Anders verhält es sich mit dem Galgenberg, der im " Platz, der "bey der T rappen Suhle hieß. Tatsächlich Ostteil des Ortes liegt. Erst um 1580 ist das Land­ " hat es in der Umgegend "Großtrappen gegeben - gericht von Engeibostel nach Schloß Ricklingen sie sind jedoch längst ausgerottet. Es ist daher verlegt worden, daher kann dieser Platz vorher " unbekannt, ob diese "Trapphähne oder "T rapp- kaum der Standort eines Galgens gewesen sein. 38 Manchmal fehlt es wirklich an der Möglichkeit, Pferde errichtet, gehört zu den volkstümlichen genügend Phantasie zu entwickeln. Das soll einmal Deutungen. Tatsächlich geht die Bezeichnung auf " " an der "Spannriede bei Frielingen gezeigt werden. die Kraniche, auch "Krahnken genannt, zurück - und auf die Stelle, wo sie gerastet haben. " Eingeweihten wird bekannt sein, daß "Riede soviel wie Bach bedeutet. Die Einbildungskraft versagt, Einer Erklärung bedürfen Namen, die mit " " wenn sie "Spann hiermit in Einklang bringen will. Es "Schmied zusammenhängen. Zum Beispiel die ist jedoch bekannt, daß es sich um einen Grenz­ Schmiedes horst" zwischen Heitlingen und Stelin­ " " punkt beim Dorfe gehandelt hat. Dieser kann nicht gen sowie die "Schmiedeshöhe am Ostrand von vor 1523 bestanden haben: Damals, erfahren wir, Osterwald. Sie verweisen auf die hier bis ins Mittel­ sei das Dorf, das bisher zu dem Amt Ricklingen alter geübte Herstellung von Sumpfeisen in soge­ gehörte, an Neustadt übertragen worden. Dies hat nannten Rennöfen, die durch zahlreiche entspre­ zur Errichtung der neuen Grenze geführt. chende Funde von Lehmöfen und Eisen-Schlacken bewiesen ist. Aus letzteren hat der Volksmund Die Linie muß um das Jahr 1520 entstanden sein - Schlangen" oder Heerschlangen" gemacht. sie zeigt sich an dem genannten Platz als spitz " " zulaufend und beidseitig eng begrenzt. Glückli­ Mit dem Handwerk der Schmiede, die aus den cherweise gibt der Grenzschreiber gleichzeitig Schlacken in einem zweiten Arbeitsgang Eisen her­ die Erklärung des Namens. Er beschreibt die ausgeschmiedet haben, war das der Köhler eng Spannriede als einen Ort, an dem man mit fünf verknüpft: Aus fast allen Orten im Bereich von oder sechs Pferden spansweise wenden kan. Garbsen wurde Kohle nach Hannover verkauft. Darauf wäre wohl kaum jemand gekommen. Um Darüber hinaus muß die zwischen Meyenfeld und " zu belegen, wieviel Erhaltenswertes in den Flur­ Osterwald gelegene "Kohlstätte angeführt wer­ namen enthalten ist, sollen noch weitere Beispiele den. Sie hat nichts mit dem Weißkohl zu tun. Dies angefügt werden: war eine Stelle, an der ein Köhler seinem Gewerbe nachging: Hier ist die Verarbeitung von 1 0-15 Zen­ Der nördliche Bereich von Garbsen hat beispiels­ timeter dicken Eichbäumen zu Holzkohle in Meilern weise zu den Rastplätzen von Kranichen gehört. erfolgt. Wie die bekannten Kronsbeeren, dürfte der Beren­ " bosteler "Kronsberg seinen Namen von dem stol­ Es dürfte sich gezeigt haben, wieviel interessante zen und selten gewordenen Vogel herleiten. Das Tatsachen in den Flurnamen stecken können und " gilt daneben für die "Krahnkenstelle im Westteil man mit ihnen belegen kann. Daß die Erklärung von Osterwald. Die Behauptung, zur Zeit Napo­ und Deutung häufig sehr schwer oder gar nicht leons hätten hier die Franzosen Ställe für kranke möglich ist, muß in Kauf genommen werden.

39 15. Eine Sage und ihre Hintergründe Scherz beiseite - die wahren Tatsachen lassen sich auf dem Denkmal ablesen. In Stein gehauen, un­ Vor vielen hundert Jahren lebte auf dem Ricklinger vergänglich, und in aller Kürze berichtet. Da der Schloß Dietrich von Mandelsloh, ein arger Raub­ Gedenkstein schon bald nach Beendigung der ritter. Er überfiel die Kaufleute, die mit ihren Fehde aufgerichtet wurde, entspricht der Text der Wagen vorbeigezogen kamen, und raubte die Wahrheit und weist keinerlei verdächtige Züge auf. Leineschiffe aus. Unter dem Wasser hatte er eine Deshalb soll er auch der Sage gegenübergestellt Kette hindurchgespannt, mit deren Hilfe er sie werden, in unsere Sprache übertragen. aufhalten konnte. Herzog Albrecht zog vor die Burg, um den von Es heißt da knapp: Im Jahre 7385, vierzehn Tage Mandelsloh zu belagern und das Nest auszuräu­ nach Ostern, zogen die Lüneburger unter Herzog chern. Während des Sturms bediente Dorothea, Albrecht vor Ricklingen, um die von Mandelsloh zu eine Tochter des Räubers, die Steinschleuder. Ihr belagern. Der Fürst wurde von einem Schleuder­ Geschoß traf den Herzog, der schwer verwundet stein getroffen, so daß die Belagerer abziehen wurde. Das steinerne Denkmal beim Dorfe erinnert mußten. Herzog Albrecht aber starb an den Folgen noch heute an die Ereignisse. seiner Verwundung. So oder in ähnlicher Form erzählt man sich die Die Darstellung besticht durch ihren sachlich-knap­ Sage, die (wie fast immer bei solchen Erzählungen) pen Stil. Gerade hierdurch weckt sie die Neugier die geschichtlichen Tatsachen falsch oder unvoll­ nach den wahren Hintergründen des Geschehens. kommen wiedergibt und mit gern gehörten volks­ Daß damals mit Pfeil und Bogen, Armbrust und tümlichen Ausschmückungen durchaus nicht spar­ Bliede (Steinschleuder) gekämpft worden ist, weil sam umgeht. das Pulver noch nicht erfunden war, läßt sich aus dem Text entnehmen. Wie hat aber die Burg aus­ Dazu gehört der gute, alte Herzog", der als stra­ " gesehen, und welche Wegeverhältnisse waren vor­ fende Gerechtigkeit erscheint, ebenso wie der handen - aus welchem Anlaß ist es zu der Fehde Kriegsmann, der natürlich nur ein böser Raubritter" " gekommen, oder wie konnten die von Mandelsloh gewesen sein kann. Zu allem Oberfluß muß seine in den Besitz der Feste gelangen? Und schließlich: Tochter, eine Art von wehrhaftem Hünenweib Cl la Was hat ein Herzog von Sachsen (als solcher ist er Brunhilde, eine Schleuder bedienen, die den ver­ durch sein Wappen auf dem Stein ausgewiesen) hängnisvollen Treffer erzielt. Und wie geschickt eigentlich hier zu suchen? wohl die Helfer, im Gebüsch verborgen, die Kurbel gedreht haben, mit der sie die Kette heraufwan­ Auf fast alle Fragen gibt es historisch belegte Ant­ den, wenn sich auf dem Flusse ein Schiff gezeigt worten. Wir wollen mit den örtlichen Gegebenhei­ hat! ten be�innen. Die Burg in Ricklingen ist um 1 225 40 durch die Grafen von Lauenrode-Wunstorf erbaut, verlief im hochwasserfreien Gelände am rechten in der Folgezeit mehrmals vergeblich von den Leineufer. Zur Zeit der Lauenroder ist sie deren Feinden berannt und 1333 nach einer verlorenen wichtigste Straße gewesen, verband sie doch die Fehde von Welfen abgetreten worden. Die Grafen Burg" bei Herrenhausen mit Ricklingen und ihrer " " waren gleichzeitig dazu gezwungen, den Her­ Bordenauer Feste, die wohl in der "Burgstelle ver­ zögen ihr rechtsleinisches Gebiet einzuräumen. Es mutet werden darf. Aus alten Amtsnachrichten " handelte sich um den Landstrich zwischen Marien­ ergibt sich, daß hier der "Heerweg verlief, der werder und Neustadt. dauernd und bei jedem Wetter passierbar blieb. Der Standort dieser ersten Burg ist nicht mehr Dagegen ist die Trasse der heutigen B 6 aufgrund bekannt. Im Jahre 1715 wußte Amtmann Christiani von strategischen Planungen erst zwischen 1695 jedenfalls zu berichten, die Festung habe an einem und 1750 entstanden. Sie mußte im Rahmen gantz anderen Platze gestanden als das derzeitige von Frondiensten mühsam in niedrigem, feuchtem Schloß. Wie dieses Schloß ausgesehen hat, zeigt Gelände aufgeschüttet werden. Die ersten An­ der bekannte Merianstich. Das Gebäude ist um fänge sind in einer Karte des französischen 1500 errichtet worden. Zeichners Devilliers von 1699 zu erkennen. Sie " Bei der Festung von 1385 hat es sich ebensowenig werden als "Weg oder Damm (chemin ou Dam) um eine Wasserburg gehandelt, wie um eine von bezeichnet. Daraus ergibt sich, daß die Verbin­ starken Mauern und Zinnen geschützte Festung. dung von Hannover nach Neustadt und Bremen Wahrscheinlich ist darunter eine sogenannte T urm­ ursprünglich dem Heerweg über Marienwerder, hügelburg zu verstehen, stark genug, um mit Pfeil, Garbsen und Schloß Ricklingen gefolgt ist. Armbrust und Schleudern ausgerüsteten Belage­ Nun ein paar Anmerkungen zur Schiffahrt. Eine rern trotzen zu können. frühe Nachricht steuert der sächsische Annalist um das Jahr 1000 n. Chr. bei. Er behauptet, zur Zeit Nun erwähnt Christiani aber auch den "Blieden­ berg", auf dem sich das Denkmal befindet. Nicht Karls des Großen hätten friesische Schiffe die weit hiervon begegnen wir dem Flurnamen "Burg­ Leine bis Elze befahren. Selbst wenn man davon feld". Es besteht wohl kein Zweifel daran, daß ausgeht, daß der Fluß mehr Wasser als heute diese beiden Plätze in unmittelbarem Zusammen­ geführt hätte, kann es sich doch nur um verhältnis­ hang mit dem Standort der fraglichen Burg ge­ mäßig kleine Fahrzeuge gehandelt haben. sehen werden müssen. Dafür dürfte auch die Die Nutzung des Flusses mit den Bordingen", den dicht an beiden vorüberführende Straße sprechen. " " " Bremer "Böcken und "Bullen , die bis 35 Meter Hierbei handelt es sich um eine uralte Verbindung, lang waren, war vor 1400 schlechterdings un­ die zum fränkischen Königshof Bordenau führte. Sie möglich. Zwischen Bordenau und Marienwerder

41 Abb. 4: Burg Ricklingen auf einer Darstellung von 7654

haben sich wenigstens vier Wassermühlen (mit Hierin lag der wichtigste Grund für die Stadt, sich Wehren) befunden, aber keine Schleuse. Die Neu­ am Zug gegen die Mandelsloher und ihre Verbün­ städter Felsbarre im Fluß wäre nur zu umgehen deten zu beteiligen. Diese beherrschten nämlich gewesen, wenn man die Schiffe über Land gezogen nicht nur den Raum Ricklingen und Mandelsloh, hätte, da der Kanal noch nicht gegraben war. sondern auch riesige Gebiete mit Burgen und Län­ dereien im Stift Verden und um Bremen. Zumeist Aus den Urkunden aber ergibt sich recht eindeutig, waren ihnen die Liegenschaften gegen Geld ver­ daß die Ricklinger Fehde vorwiegend dem Zweck pfändet. gedient hat, die nötigen Voraussetzungen für die Leineschiffahrt zu schaffen. Die Stadt Hannover Das macht deutlich, daß die Fehde um Schloß war brennend hieran interessiert, weil sie bestrebt Ricklingen eigentlich kein lokales Ereignis gewe­ war, den Kornhandel mit Bremen und den nor­ sen ist, sondern ein geplantes Unternehmen im dischen Ländern auszubauen. Bisher war man Rahmen des Lüneburgischen Erbfolgekriegs. Ohne gezwungen, das Getreide mit Pferdefuhrwerken Klärung der großen Zusammenhänge ist es daher nach Celle zu schaffen, wo die Bremer Schiffe be­ kaum möglich, das Geschehen um die Burg zu laden werden konnten. verstehen.

42 Bevor das geschieht, sollen hier noch einmal die von friedlichen abgelöst - betroffen war vor allen wichtigsten Hintergründe der Sage in knapper Dingen die Landbevölkerung. Gewöhnlich fiel eine Form dargestellt werden: Partei in das Gebiet des Gegners ein, um zu rau­ ben, zu plündern und die Dörfer anzustecken. Burg Ricklingen hat nicht an dem Platz gestanden, So fügte man dem Feind wirtschaftlichen Schaden wo sich das heutige Schloß befindet. Es hat sich zu und nahm ihm damit die Grundlagen für die um eine einfache Befestigung gehandelt, die dem Kriegsführung. Der Betroffene rächte sich anschlie­ Belagerungsgerät ihrer Zeit standhalten konnte. ßend auf dieselbe Weise. Die strategische Bedeutung beschränkte sich im wesentlichen auf die Beherrschung der wichtigen Im fehdereichen Mittelalter ist das nicht nur von Rit­ Durchgangsstraßen, sowie der umliegenden tern so gehandhabt worden; auch Grafen, Her­ Dörfer. zöge und selbst Bischöfe pflegten so zu verfahren. Daher kann in diesem Zusammenhang auch Seit der Eroberung im jahre 1333 haben die nicht nur von Raubrittern gesprochen werden. Das Herzöge Burg Ricklingen über 300 jahre lang an würde die Rolle der andern Beteiligten nicht richtig die verschiedensten Geschlechter verpfändet. Ob kennzeichnen. auch die von Mandelsloh die Feste gegen Geld als Pfandobjekt besaßen, läßt sich nicht mehr feststel­ Der Name, unter dem der Krieg lief, deutet darauf len, weil die entsprechende Urkunde fehlt. Es ist hin, daß der Streit um die Erbfolge in Braun­ aber sehr wahrscheinlich. Allerdings wird man nicht schweig-Lüneburg geführt worden ist. Im jahre ausschließen können, daß ihnen die Burg zur Ab­ 1369 war mit Herzog Wilhelm das ältere Haus geltung der schweren Schäden überlassen wurde, Lüneburg ausgestorben. Nun verlehnte Kaiser die sie zuvor erlitten hatten, wie z. B. durch die Karl IV. das Land nicht etwa an dessen nächsten Zerstörung ihrer Mandelsloher Burg im jahre 1376. Verwandten Magnus von Braunschweig, sondern an einen Herzog von Sachsen-Wittenberg. Die Bemühungen der Braunschweiger um das Lüne­ burger Erbe hatten die Auseinandersetzung zur 16. Garbsen im Lüneburgischen Erbfolgekrieg Folge. Sie ging 1388 mit der Schlacht bei Winsen (1371-1388) zu ihren Gunsten aus. Die Ereignisse um Schloß Ricklingen spielten sich im Schlüsselgestalt auf sächsischer Seite war der vom Laufe des Lüneburgischen Erbfolgekrieges ab. Das Ricklinger Denkmal bekannte Albrecht - auf der Geschehen ist selbst für Fachleute schwer durch­ Braunschweiger dagegen Magnus mit der Kette schaubar. Abschnitte mit heftigen Kämpfen wurden (Magnus torquatus). Beide Widersacher wurden

43

Im Zuge dieser Fehde begann dann auch Herzog Tatsächlich blieb der Erfolg aus, und schon bald Albrecht von Sachsen die Belagerung, bei der ihn mußte man wieder dazu übergehen, das Getreide ein verhängnisvolles Geschoß so schwer verwun­ mit Fuhrwerken an die Verladestellen in (elle oder dete, daß er an den Folgen der Verletzung am bei Ahlden zu schaffen. Die Unternehmung hatte 23. Juni 1385 auf dem Neustädter Schloß verstarb. den Hannoveranern demnach kaum Vorteile Es scheint bezeichnend, daß schon vor dem Tode gebracht. des Herzogs die Stadt Hannover Sühneverhand­ lungen mit den Mandelslohern begonnen hatte. Ihr Ziel aber, die notwendigen Voraussetzungen für die Leineschiffahrt zu schaffen, mußte sie weiter zu­ 17. Untergegangene Dörfer rückstellen. Dazu waren Einzelverträge wegen der Mühlenwehre und neu zu erbauenden Schleusen In der Stadt Garbsen kennen wir mehrere so­ in Marienwerder, Lohnde, Neustadt, Wulfelade, genannte Wüstungen. Es handelt sich um frühere Dinstorf und Grindau abzuschließen. Einzelhöfe oder auch verlassene kleine Siedlungen.

Daneben war es nötig, die Zustimmung der endlich Warum die Menschen ihre angestammten Sitze siegreichen Braunschweiger Herzöge zu erlangen. verlassen haben, läßt sich nicht mit Sicherheit ermit­ Das geschah im Vertrag vom 1. November 1389. teln: darüber sind zu viele Jahre vergangen. Einen Damit schien das Ziel erreicht. Anhaltspunkt soll die Aussage geben, seit dem Abgang dieser Dörfer seien wenigstens fünf Jahr­ Sicher ist die Frage berechtigt, ob sich der hohe Ein­ hunderte ins Land gezogen. Dies widerlegt schon satz denn wirklich gelohnt hat. Man muß ja auch die landläufige Meinung, solche wüsten Orte seien bedenken, daß nach Einrichtung des Wasserweges die Folge des Dreißigjährigen Krieges. Eher kann hohe laufende Kosten für seine Instandhaltung " die "große Pest von 1350 dafür verantwortlich anfielen. Und nicht selten gab es wieder politische gemacht werden. und andere Hindernisse zu überwinden. Bisher sind fünf Wüstungen bekannt. Es dürfte sich Aus einschlägigen Listen, die um 1500 entstanden, im Einzelfalle um zwei bis zehn Höfe gehandelt " sind wir vom Umfang der "normalen HandeIstätig­ haben, denn die Ortschaften waren zur Zeit ihres keit unterrichtet. Hiernach haben in guten Jahren Bestehens kaum größer. Das hat sicher eine Rolle durchschnittlich 30 (Bremer) Schiffe etwa 800 Dop­ gespielt, wenn sich die Bewohner in den Schutz pelzentner Korn flußabwärts geschafft und gerin­ eines größeren Nachbardorfs begeben wollten. gere Mengen Heringe, Stockfisch, Butter, Käse und Doch bestehen erhebliche Zweifel daran, daß dies Leder als Fracht nach Hannover gebracht. in allen Fällen die Ursache gewesen ist.

45 In Urkunden wird der größte Teil dieser eingegan­ Horst angesiedelt hat. Daher wird man die T at­ genen Orte zuletzt um 1400 genannt. Das scheint sache vermerken, daß sich nicht weit von Horst in " " wirklich dafür zu sprechen, daß der "schwarze Tod der Feldmark die Flurnamen "Bennhöfer Feld und " und seine Folgen verantwortlich gemacht werden "Bennholt wiederfinden. müssen. Es ist bekannt, daß die Seuche dazu geführt hat, daß ganze Landstriche entvölkert wor­ In der Nähe des Blauen Sees" bei Garbsen stoßen " " den sind. Wir wollen nun die Wüstungen und ihre wir auf die Spuren der Wüstung "Larneste . Ehe die Geschichte einmal genauer untersuchen: Autobahn neue Grundlagen schuf, befand sich hier " das Gelände der "Lamser Berge . Aus der urkundli­ Da ist zunächst in der näheren Umgebung von chen Oberlieferung ist die Ortschaft 1360 bereits als Lameste im Kirchspiel Horst" bekannt. Marien­ Marienwerder der Einzelhof Almansbroke ("Alm­ " sches Bruch") zu nennen. Er kommt schon 1215 in see, das besonders in Meyenfeld begütert war, den ersten Nachrichten über das Kloster vor. Dies erwarb hier damals einen Hof in Lameste. Der Zeit­ ist aber auch das einzige Mal, daß wir davon punkt kann auf einen Zusammenhang mit der gro­ hören. Hieraus wird man wohl den Schluß ziehen, ßen Pest von 1350 deuten, denn weitere Erwäh­ daß Almansbrok zusammen mit den zwei Höfen nungen sind nicht bekannt. Allerdings wird man aus der Schenkung des Grafen Conrad von Ro­ nicht ausschließen können, daß die Menschen den den Grundstock des großen Klosterguts ge­ sich nach der Erbauung von Schloß Ricklingen (um bildet hat. 1225) im Schutz der Burg niedergelassen haben. In einer alten Nachricht ist nämlich vor gut 400 Jahren Etwas anders verhält es sich bei Benhof" in der " " von den Bewohnern als "Vorbürgern die Rede. Feldmark von Horst. Die kleine Siedlung hieß " anscheinend ursprünglich anders: Ein ßendissen Südlich von Schloß Ricklingen erinnern die "Lamser kommt zuerst um 1188 in der großen Schenkung Berge" an das ausgegangene Lameste, nördlich - vor, die Mathilde von Ricklingen an das Martinsstift nach Bordenau zu - künden die Rettmer Berge" " " Minden überwies. Es handelte sich um 188 Hufen von dem früheren Dörfchen "Rettern . Hier hatte Land in zahlreichen Orten, die meist im Gebiet der einst das Stift Wunstorf mehrere namentlich unteren Leine gelegen haben. In einer zweiten genannte Höfe und eine Mühle, hier befand sich, Urkunde von 1341 wird dieser Platz ausdrücklich ebenso wie in den um Bordenau gelegenen " als "Bendissen bei Ricklingen bezeichnet. wüsten Orten Wedensen und Adensen, ein so­ genannter Amtshof für den Lauenwald. Alle drei Wahrscheinlich ist der Benhof lange im Besitz der haben Holz- und Weiderechte in dem Forst Familie Wedekind gewesen. Von ihr ist bekannt, besessen und mußten als Gegenleistung einen daß sie sich im 16. Jahrhundert am Nordrand von Krieger zu seiner Verteidigung stellen. 46 Von den vier urkundlichen Belegen reicht der erste Bredingsfelder Anwesen. Gutsherr war die Pfarre in das Jahr 1248 zurück, zuletzt wird Rettem 1410 in Horst. Bis zur Reformation haben die Bewohner erwähnt. Wenn unsere Vermutungen richtig sind, kirchlich zu Horst gehört. Daran erinnert noch der " haben sich die Bewohner um 1450 entweder "Horster Kirchweg in der Nähe des Klingenbergs. in dem Schutz von Bordenau oder Schloß Ricklin­ Übrigens wurden dort bei einer Ausgrabung neben gen niedergelassen. bronzezeitlichen Urnen auch Reihengräber ent­ deckt. Wahrscheinlich hat hier eine zur Horster Die meisten urkundlichen Nachrichten finden sich Kirche gehörende Kapelle gestanden. jedoch für die Wüstung "Bredingsfeld vor Oster­ " " waid , in der Gegend des "Klingenbergs . Dieser Die Ursache für die Abwanderung der Bredingsfel­ Flurname scheint auf eine frühere Gerichtsstätte der in das Hagendorf Osterwald dürfte in der bes­ " hinzuweisen. Ein Acker, das "Burgland , deutet, seren Rechtsstellung der Osterwalder zu suchen ebenso wie eine kreisrunde Verfärbung in einem sein. Hagensiedler galten als persönlich frei und Luftbild, auf eine ehemalige Festung der Grafen besaßen außerdem bestimmte Vorrechte. Als z. B. von Lauenrode-Wunstorf. Die Zerstörung der Burg Marienwerder die ehemaligen Bredingsfelder Ein­ dürfte im 13. oder 14. Jahrhundert erfolgt sein. wohner aufforderte, den Weinkauf (eine Anerken­ Danach ist das Dörfchen entweder an die Herren nungsgebühr, wenn der junge Bauer den Hof über­ von Alten verkauft oder verlehnt worden. Anschei­ nahm) zu entrichten, weigerten sie sich standhaft nend waren die Einwohner Leibeigenej jedenfalls mit der Begründung, als Osterwalder wären sie vertauschte Kloster Marienwerder um 1300 die nicht dazu verpflichtet. Frau eines Johannes aus Bredingsfeld und ihre Kinder gegen ebensolche Hörige aus Stöcken. Die Beispiele dürften beweisen, daß die Wüstwer­ dung von fünf der genannten Plätze wahrscheinlich Die Siedlung selbst ist zunächst einmal 1382 durch nicht auf Kriege oder Gewaltanwendung zurück­ die von Alten für 24 Mark an das Kloster Marien­ zuführen ist. Für die bei Bordenau gelegenen werder verpfändet, später wieder ausgelöst wor­ Dörfer Adensen und Wedensen, sowie der "Burg­ den. Nach einer zweiten Verpfändung im Jahre steIle" nördlich des Dorfes kann das schon eher 1440 ging der Ort für 40 Mark in die Hände des zutreffen. Klosters über. Anscheinend haben sich die Be­ wohner um 1500 in Osterwald Unterende nieder­ Dafür spricht unter anderem ein Befehl von Kaiser gelassen. Friedrich 11. aus dem Jahre 1226: Er gebietet dem Grafen von Limmer-Wunstorf und seinem Gegner, Der Dahlesche Hof in Osterwald, der 1975 abge­ dem Bischof von Minden, sich dem Schiedsgericht rissen wurde, war wohl das größte der ehemaligen des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg zu unter-

47 werfen und die verheerende Fehde zu beenden, Köhler Hackeroth, der 1487 abermals zwei Wagen durch die das Land verwüstet, ein beabsichtigter herankarrte, nicht anders als Burghart Imelmann Kreuzzug in Frage gestellt und Witwen und Waisen aus Stelingen oder Hans Körber von Osterwald. betroffen würden. Der Streit ist anscheinend erst Zur selben Zeit etwa hat auch Kurt Imelmann aus 1247 endgültig beigelegt worden. Bis etwa 1530 Heitlingen dem städtischen Uhrmacher (Zeigerma­ haben Bordenau und Frielingen noch zum Amt cher) einen Wagen von dem begehrten Material Ricklingen gehört, daher sollte diese Tatsache nicht gebracht. unerwähnt bleiben. Man wird dabei bedenken müssen, daß die Ratsre­ gister nur die Mengen betroffen haben, welche für städtische Belange verbraucht worden sind. Der 18. Das schwarze Gewerbe Bedarf der zahlreichen Handwerker, insbesondere der Schmiede, ist nicht bekannt; der Vermerk mit " Fachleute konnten ermitteln, daß die Wald­ dem "Zeigermacher dürfte das andeuten. Es gibt schmiede des Mittelalters ungefähr elf Zentner übrigens Anzeichen dafür, daß man auf dem Rat­ Holzkohle gebraucht haben, um einen einzigen haus auch mit Holzkohle geheizt hat, etwa in der Zentner Eisen zu gewinnen. Wer jemals mit Holz­ Weise, daß eiserne Behälter mit glühender Kohle kohle umgegangen ist, weiß auch, wie wenig aufgestellt worden sind - ähnlich, wie das heute Gewicht dies Material auf die Waage bringt. Dem­ noch in Südeuropa geschieht. nach muß man riesige Mengen verbraucht haben, die in Meilern gebrannt wurden. Die Herstellung Die Unterlagen vermitteln uns einen Eindruck, wie " sehr sich die Einwohner der Dörfer im nordwestli­ solcher "Meilerkohle scheint ein Gewerbe gewe­ sen zu sein, das in den Dörfern der heutigen Stadt chen Umland von Hannover der Holzkohle und Garbsen zu Hause war. Das ist jedenfalls mit dem Köhlerhandwerk verschrieben hatten. Das Ratsrechnungen der Stadt Hannover zu belegen. fordert die Frage heraus, ob es weitere Belege dafür gibt. Den Unterlagen zufolge hat der Rat um 1475 grö­ ßere Mengen bezogen, die von Köhlern aus Beren­ Diese gibt es tatsächlich. Der Beweis ist allerdings bostel, Engeibostel, Frielingen, Heitlingen, Havelse, nur auf Umwegen möglich. Man muß hierzu vor Horst, Meyenfeld, Osterwald und Stelingen gelie­ allem die Arbeitsweise der Köhler kennen: fert worden sind. So verlautet z. B. auf einem Blatt des Jahres 1480: "Ebenso dem Walter aus Stelin­ Den Rohstoff für die Meiler lieferten armdicke gen acht Schilling für ein Fuder Holzkohle" (Item 8 ß Eichen, die in zwei bis drei Meter Höhe abgeschla­ Woltere von Stelingen vor ein voder Ko/e). Das war gen und entästet wurden. Die Baumstümpfe

48 blieben zunächst stehen, weil man die Rinde als Andererseits führte diese Art der Handhabung begehrte Eichenlohe zum Gerben des Leders ver­ dazu, daß die Köhler ihre Tätigkeit stark einschrän­ wenden konnte. Aus den entrindeten Stämmen ken mußten und schließlich ganz aus dem Bild der schichtete man den Meiler auf, während das mittelalterlichen Dörfer verschwunden sind. Reisig nach dem Trocknen im Haushalt zur Feue­ rung verwendet wurde. 19. Der Eulenspiegel aus Garbsen Dieses Verfahren, das im großen Stil in den Hau­ " " bergen des Siegerlandes ausgeübt wurde, mußte Der Schalksnarr Eulenspiegel ist allen ein Begriff. auf Dauer zu einer unerhörten Waldverwüstung Wer kennt nicht seine deftigen Scherze und führen. Daher konnte auch das zuständige Holz­ Streiche, die in die Literatur eingegangen sind. Daß gericht Engeibostel dem Wirken der schwarzen es vor fast 500 Jahren auch in Hannover einen Gesellen nicht untätig zusehen. Von den Verhand­ " "Ulenspeigel gegeben hat, in dem man so etwas lungen des Holzgerichts (Holting) liegen zum Teil wie ein stadtbekanntes Orginal vermuten darf, umfangreiche Niederschriften vor; so das in Kap. wird jedoch kaum geläufig sein. Er war in Garbsen 13 erwähnte Protokoll des Jahres 1523. Die harten beheimatet, genauer gesagt in Osterwald. Doch Strafandrohungen für das Fällen, Entrinden oder davon später. Beschädigen eines Baums sind dort bereits erwähnt. Beide Ulenspeigels haben gemeinsam, daß sie in einem Gebiet zuhause waren, in dem Plattdeutsch Derart strenge Urteile wie das Köpfen, Bauchauf­ die Umgangssprache war. Eine Sprache, die nicht schlitzen etc. konnten jedoch nicht von den Holz­ nur liebenswert ist, sondern auch recht deutlich gerichten vollstreckt werden, da sie keine ßlutge­ auszudrücken pflegt, was gemeint ist. Dafür gibt " richtsbarkeit besaßen. Offenbar sollte die bloße es zahlreiche Beispiele, etwa die Bezeichnungen Verkündigung mögliche Holzdiebe und vor allem " " "Miecheimelken für Ameise oder "Schietenkleier die Köhler abschrecken. Jedenfalls läßt sich den für Mistkäfer. " "Weistümern - als solche werden die Urteile bezeichnet - mit Sicherheit entnehmen, daß man Ähnlich verhält es sich auch mit Eulenspiegels um 1500 mit allen Mitteln versucht hat, dem Dieb­ Namen, nur weiß heute kaum jemand von der stahl beizukommen und der Verwendung von Holz wahren Bedeutung des Wortes. Mit der Eule als zu Meilerkohle Einhalt zu gebieten. Anscheinend Symbol der Weisheit und dem Spiegel als Zeichen war diese Maßnahme zunächst erfolgreich, denn für Selbsterkenntnis - so pflegt man es auszulegen um 1550 waren die lebenswichtigen Waldungen - hat er jedenfalls nichts zu tun. Der Schalk hätte noch in Ordnung. sicher laut schallend über diese Deutung der Philo-

49 logen gelacht. Das Mißverständnis aber ist eine kohle herangeschafft worden ist. Damit hat man unmittelbare Folge der Obertragung ins Hoch­ irgendwie die Heizung des Rathauses im Gang deutsche. gehalten. Die Bewohner des Raumes nordwestlich der späteren Hauptstadt haben schon damals Was wirklich gemeint ist, wird aus folgendem klar: " versucht, sich durch Nebenbeschäftigungen, wie "Handulen ist die niederdeutsche Benennung für Flechten von Körben und Strohmatten, Besenbin­ einen Handfeger. Daher wird der Umgang mit die­ den und Kleinhandel mit Butter und Eiern ein paar sem Haushaltsgegenstand kurz '/ulen" ( = fegen) " Groschen zu verdienen. Weiterhin muß der Mann genannt. "Speigel steht nicht nur für die Kehrseite mit dem Korb stadtbekannt gewesen sein, da er des Rehs (die ein Jäger weniger gern sieht), sondern mehrfach beim Handel mit Holzkohle unter seinem auch für den verlängerten Rücken eines Menschen. " " richtigen Namen, Hans Körber, auftaucht. Demgemäß ist "ul'n Speigel - kurz Ilulenspeigel die ursprüngliche plattdeutsche Form des bekann­ Hinzuzufügen bleibt, daß am Gehöft von einer der ten Götzzitats. Heute würde man vermutlich Lick " " zahlreichen Körber-Familien in Osterwald im Jahr mi in Morse oder Klei m( anwenden. Es handelt " " 1583 der Flurname "Kolstäe , was man mit Kohlen­ sich also um eine Aufforderung, der man nicht meiler-Platz übersetzen kann, auftaucht. Ob es unbedingt Folge leisten sollte. sich um den Arbeitsplatz des Hans Körber, alias Ulenspeigel, gehandelt hat, läßt sich nach einem Man geht wohl kaum fehl in der Annahme, daß der halben Jahrtausend natürlich nicht mehr ermitteln. Ulenspeigel aus Garbsen deshalb so bezeichnet Möglich ist es schon. wurde, weil er den Ausdruck immer wieder - und sicher auch in Gegenwart von angesehenen Leuten in Hannover - gebraucht hat. Möglicherweise auch gegenüber Senatoren, dem Stadtschreiber oder 20. Von Leibeigenen und Laten dem Bürgermeister. Hierauf läßt folgende Eintra­ gung in den Ratsrechnungen der Stadt Hannover Unsere Vorfahren waren Bauern, die sich von dem deuten: dem Hanse U1enspeigel van dem Oster­ ernährten, was der Boden hergab. Sie sind durch­ wolde enen groschen for einen korff up dat Rathus, weg abhängig gewesenl der eine mehr, der andere dar me kole in drecht (Hans Ulenspeigel aus weniger. Ob sie diese Abhängigkeit als drückend Osterwald einen Groschen für einen Korb, mit dem empfunden haben, sei dahin gestellt. Wir wissen man Holzkohle auf das Rathaus trägt). nicht genug, um uns ein klares Urteil darüber bilden zu können. Hieraus lassen sich mehrere Dinge ablesen, zum Dies hängt damit zusammen, daß es kaum schrift­ Beispiel, daß vor 500 Jahren aus Garbsen Holz- liche Unterlagen aus dem Mittelalter gibt, die uns

50 von den Lebensumständen und Rechtsverhältnissen oder der Kirche. Der Bauer besitzt nur ein Nut­ der Bevölkerung berichten, und die wenigen zungsrecht und ist Erbpächter. Er darf zwar nicht Zeugnisse, die vorhanden sind, sagen nicht genug mehr nach Belieben vom Hof vertrieben (abge­ aus. Wir sind deshalb darauf angewiesen, das meiert) werden, jedoch beschränken sich seine knappe Material auszuwerten und darüber hinaus Eigentumsrechte auf das, was in Haus und Hof nicht unsere Rückschlüsse zu ziehen. niet- und nagelfest isti also Vieh, Hausrat, Geld, Inventar und Kleidung. Er darf keinen Baum Zunächst ist festzustellen, daß die mittelalterlichen abhauen, ohne vorher den Grundherrn zu fragen, " " Zustände auf dem Lande eigentlich erst im ver­ und keinen Ehe- oder Altenteilsvertrag ohne des­ gangenen Jahrhundert beendet worden sind. Als sen Zustimmung abschließen. Freilich ist dabei zu wesentliche Kennzeichen dieser Umwälzung sind bedenken, daß es sich um das Ende einer Entwick­ herauszustellen: die Befreiung von den lästigen lung gehandelt hat: Im Mittelalter war die Abhän­ Abgaben, Dienstleistungen und von der Gutsherr­ gigkeit deshalb noch größer, weil der Bauer nach schaft, die damit verbunden war, die Aufte ilung der Belieben abgemeiert werden konnte und die Höfe bisher gemeinschaftlich genutzten Gemarkungs­ vielfach auf Zeitpacht vergeben worden sind. teile (Gemeinheitsteilung), die Privatisierung des Bodens und Zusammenlegung der Ländereien Ein besonderes Kapitel begegnet uns in der Leibei­ (Verkopplung). Die Maßnahmen setzten um 1830 genschaft. Die Urkunden von Marienwerder aus ein und zogen sich teilweise über Jahrzehnte hin. der Zeit zwischen 1200 und 1400 enthalten be­ zeichnende Beispiele, daß man Menschen ver­ Eine Frage ist es wert, besonders betrachtet zu wer­ kaufen oder vertauschen konnte, als ob es ein den: die persönliche Freiheit des einzelnen. Im ein­ Stück Vieh beträfe. schlägigen Schrifttum des Amtes Ricklingen spielt sie deshalb keine Rolle, weil sie längst allgemein vor­ So verhandelte z. B. der Ritter Ludolf von Bevelte handen war. Im Raum Garbsen hat sie wenigstens im Jahre 1300 seinen Leibeigenen Dietrich aus seit 1500 bestanden. Garbsen für sieben Mark an das Kloster. Graf Johann von Wunstorf verkaufte 1304 sogar vier Fassen wir nun die herrschenden Rechtsverhält­ Hörige für vier Mark an Marienwerder. Und 1324 nisse vor der Zeit der Bauernbefreiung in ein paar tauschte der Stift die Frau des Johann aus der Sätzen zusammen, um die Verhältnisse zu ver­ Wüstung Bredingsfeld vor Osterwald gegen die deutlichen: Frau eines Dietrich Papen aus Stöcken mit ihren Kin­ dern ein. "Eigentümer" dieses Johann war Dietrich Vor 1830 sind Haus und Hof Eigentum des Grund­ von Alten, der sich später auch als Besitzer des Dor­ herrn - gewöhnlich eines Adligen, eines Klosters fes Bredingsfeld bezeichnete.

51 Diese Form der Sklaverei ist jedoch nicht als Nor­ seine eigene Heeresmacht dazu aufgeboten, die malfall anzusehen: Innerhalb von zwei Jahrhunder­ aufmüpfigen Männer zur Vernunft zu bringen. Sie ten sind in Marienwerder etwa ein Dutzend solcher mußten durch einen Eid anerkennen, von Corvey Fälle verzeichnet. Immerhin muß man sich darüber abhängig zu sein: eine Auswirkung, die auf die " im klaren sein, daß eine bestimmte Gruppe der "Schollenpflicht zurückzuführen war. Bevölkerung tatsächlich unter solchen Bedingungen gelebt hat. Der Hörige war persönliches Eigentum Es ist nicht anzunehmen, daß damals die Verhält­ seines Herrn, und dieser beerbte ihn und seine nisse in Garbsen anders gelegen hätten. Allenfalls Familie. Die Kinder besaßen dieselben Rechte wie ist zu vermerken, daß nach diesem Zeitpunkt zahl­ die Mutter. Wenn zum Beispiel ein freier Mann eine reiche Freibauern in Heitlingen, Frielingen und Hörige zur Frau nahm, so blieb er zwar frei, doch besonders in Osterwald vorhanden gewesen sind. Frau und Kinder galten als Leibeigene. Deshalb Aber die Unterschiede zwischen Freien und Laten dürften gering gewesen sein und sich im Laufe wird in den Urkunden oft von "der Frau des N. und ihren Kindern" gesprochen. der Zeit rasch abgeschwächt haben. Etwa in der Form, daß zunächst nur die Osterwalder ohne Nach 1400 etwa liegen keine Beweise mehr für Genehmigung das Dorf verlassen durften, wäh­ Leibeigenschaft vor, außerdem gehörte der größte rend die abhängigen Einwohl'ler von Horst dazu Teil der Bevölkerung sowieso einer anderen ihren Gutsherrn um Einwilligung bitten mußten. Gruppe an: Die Hagensiedler von Osterwald besa­ ßen seit eh und je ihre Sonderrechte. Es gibt jedoch Die Freizügigkeit findet ihre Bestätigung z. B. in Anzeichen dafür, daß die Einwohner der übrigen dem Bürgerbuch der Stadt Hannover, das 1309 Dörfer des Amtes Ricklingen zu den ,Jaten" begonnen wurde. Darin ist ein Dietrich aus Oster­ gehört haben. Diese Menschen, hat man vielfach waid eingetragen - aber ebenso werden schon als Halbfreie" bezeichnet. Sie waren zwar persön­ bald auch Männer aus Horst, Meyenfeld, Stelingen " " lich frei, aber "schollenpflichtig : Ohne Einwilligung und Havelse erwähnt. ihres Grundherrn durften sie Ihre Höfe weder verlassen noch aufgeben. Es scheint demnach, daß sich die Stadtnähe sowie die Ansetzung von sogenannten Königsfreien und Das jedenfalls läßt sich aus den Unterlagen des Hagenbauern im Umland derart ausgewirkt hat, Klosters Corvey entnehmen, welches im Raum daß hier früher als anderswo die mittelalterlichen nördlich von Neustadt um 1120 in drei Dörfern Rechtsnormen gelockert worden sind. In anderen ungefähr 80 Höfe besaß. Fast alle Gehöfte waren Teilen des Landes, so in der Grafschaft Hoya, muß­ mit solchen Laten besetzt, nur wenige mit freien ten sich Bauern noch um 1800 für fünf bis zehn Bauern. Bezeichnenderweise hatte das Kloster Taler freikaufen, wenn sie aus ihrem Heimatort

52 fortzogen. Etwa zur selben Zeit wurden auch weiße und die Gerichtsbarkeit. Durch diese Rechtshand­ Einwanderer auf den amerikanischen Märkten lung war das Kloster zum alleinigen Grundherrn angeboten und versteigert. geworden. Tatsächlich bestand das Dorf damals nur aus acht Meier-Höfen.

Im Stadtbezirk Garbsen dürfte es kaum mehr als 21. Die Höfe 120 Stellen gegeben haben, als der Herzog zu sei­ nem Seelenheil das obengenannte Dorf dem Klo­ Das alte Dorf bestand aus den Höfen, die sich ster übereignete. Erst aus dem Jahre 1583 liegen durch Größe, Leistung und Alter unterschieden. sichere Zahlen vor: Nun waren in Stelingen acht Einst hat es nur drei Hauptgruppen gegeben: Meier, Kötner und Brinksitzer. Um 1850 traten Meier und neun Kötner vorhanden. Ein Hof aus der ersten Gruppe wurde 1590 geteilt, so daß dann je Anbauer und Abbauer hinzu. Alle HofsteIlen ver­ neun Meier und neun Kötner da waren. 1657 war fügten über einen gewissen Landbesitz. außerdem ein Brinksitzer hinzugekommen. Diese Die Bezeichnung Meier rührt von dem Lateinischen Zahl blieb bis 1855 konstant - im alten Dorf war " " es so gut wie ausgeschlossen, einen neuen Hof "maior her, was soviel wie "der Größere bedeu­ tet. Die Kötner erhielten den Namen von ihrem aufzubauen. Das war· eine Folge der bestehenden Haus, der Kote. Brinksitzer hatten am alten Dorf­ Wirtschaftsform: Man mußte sich gegen Neusied­ rand, dem Brink, gebaut. Dementsprechend haben ler schützen, da sonst die . Viehweide nicht ausge- die Meier die größeren, Kötner die mittleren und reicht hätte. Brinksitzer die kleineren Höfe besessen. Die be­ Um die Frage zu klären, wann die KötnersteIlen wirtschaftete Fläche konnte sich jedoch im Laufe entstanden sind, müssen wir deren Landbesitz der Zeit vergrößern oder verringern, und damit und die Gutsherrschaft ermitteln. Letztere lag ein­ änderte sich meist auch die Hofklasse. deutig beim Landesherrn und wird deshalb nach Meier gehörten zur ältesten Gruppe, Kötner 1305 entstanden sein, da der Ort danach dem kamen gegen 1300 hinzu, die Brinksitzer gab es Kloster gehörte. Dementsprechend mußten die etwa seit 1600. Das soll am Beispiel Stelingen ver­ Meier ihren Kornzins und die anderen Abgaben anschaulicht werden: nach Marienwerder schicken. Die später entstan­ denen KötnersteIlen aber hatten alle Leistungen an Herzog Otto von Braunschweig-Lüneburg schenkte Schloß Ricklingen zu erbringen, insbesondere den im Jahre 1305 das Eigentum des ganzen Dorfes sogenannten Rodezins. Diese Abgabe macht klar, mit allen Rechten an das Kloster Marienwerder. daß die Kötner nur Land besessen haben, das Gemeint waren Höfe, Häuser, Grund und Boden durch Rodung urbar gemacht worden ist. Das

53 ------

Amt zog hier die Abgabe im Auftrag des Landes­ bezieht sich weniger auf den Landbesitz als die herrn ein. Leistungsfähigkeit im Rahmen der sogenannten Frondienste, die jeder Bauer bei dem Guts- oder Daraus ergibt sich, daß die Entstehung der Kötner­ Grundherrn tun mußte. Die größeren Stellen mit steIlen im Zusammenhang mit einer Landzuteilung dem Gespann, die kleineren mit der Hand. stand, die vom Landesfürsten nach 1305 veran­ laßt wurdej wahrscheinlich noch vor der "großen Das Ricklinger Hausbuch vermerkt dazu in der Pest" von 1350. Das scheint darauf zu deuten, daß übersetzung 1583: Der Meier ist schuldig, iede sie 1333 erfolgte, als die Herzöge von Braun­ Woche mit seinem Spann (zu zwei Pferden) schweig-Lüneburg die bisher zuständigen Grafen einen Tag zu dienen, der Halbmeier tut das nur alle von Lauenrode-Wunstorf nach einer gewonnenen 7 4 Tage. Der Kötner leistet wöchentlich einen Tag Fehde aus dem Lande gejagt hatten. Die Neusied­ Handdienst. In der Aufstellung werden keine Brink­ ler mögen aus dem Dorf gestammt haben oder sitzer erwähnt - sie werden damals noch als Köt­ aber Söldner des Herzogs gewesen sein. Später ner oder Halbkötner (geringe Kötner) bezeichnet. sind solche Dorferweiterungen häufiger nach den Dementsprechend hatten sie alle zwei Wochen Kriegen erfolgt. beim Grundherrn zu dienen. Gelegentlich hat man sie deshalb " Vierzehn-Tage-Diener" genannt. Für uns ist wichtig, daß im späten Mittelalter der Ausbau des Dorfes durch Einrichtung von Kötner­ Der Dienst mit dem Gespann, bezog sich auf steIlen auf Rodeland nachgewiesen werden kann. Pflügen, Eggen, Erntefuhren, Fahrten zum Holz­ Demgegenüber nimmt sich die Ansetzung nur eines und Torfholen usw. Die Kötner und Brinksitzer muß­ Brinksitzers nach dem Dreißigjährigen Kriege ten dreschen, Garben binden, graben, Schafe bescheiden aus. Bereits damals fehlte dem Neu­ waschen, Flachs bearbeiten oder andere Arbeit siedler die wirtschaftliche Grundlage. Er mußte tun. aufgeben. Etwa 100 Jahre später wurde ein neuer, Im Amt Ricklingen gab es um 1590 genau 236 geglückter Versuch gestartet, einen Brinksitzer Höfej sie hatten sich nach 1305 hauptsächlich anzusetzen. durch die angedeuteten Ausweisungen von Rode­ land verdoppelt. Alle Höfe unterlagen dem Meier­ Der Begriff des Meiers kommt selten ohne Zusatz recht, das sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt vor. Gewöhnlich ist die Rede von Voll- und Halb­ hatte. meiern. In Stelingen begegnen wir zuerst zwei Voll­ und sechs Halbmeiern. Andere Orte weisen gele­ Wesentlich war, daß der Bauer eine Art von Erb­ gentlich Doppel- und Dreiviertelmeier auf, verein­ pächter gewesen ist. Das Haus, das er bewohnte zelt Drittelmeier und Halbkötner. Die Einstufung und das Land, das er beackerte, war Eigentum

54 seines Grundherrn, ohne dessen Einwilligung er 60 Morgen Land. Durch die Gemeinheitsteilung im grundsätzlich nicht über Haus und Hof verfügen vorigen Jahrhundert verdoppelte sich der Landbe­ durfte. sitz der Stellen, so daß meist etwa 100-120 Mor­ Im Bereich von Garbsen gehörte die Grundherr­ gen Land vorhanden waren. schaft fast ohne Ausnahme kirchlichen Stellen, Die eigentliche Bedeutung der damals eingeleiteten soweit es sich um die Meierhöfe handelte. Daneben Bauernbefreiung lag darin, daß die Höfe von der war der Landesherr begütert. Den größten Grund­ Gutsherrschaft befreit worden sind und Fron­ besitz hatte Marienwerder erwerben können. dienste und sonstige Verpflichtungen beseitigt wur­ Sämtliche Meier in Garbsen, Havelse, Stelingen, den. Es gab aber auch eine Nebenwirkung: Leistlingen, Berenbostel und dem später wüsten Bredingsfeld waren dem Kloster verpflichtet. Klo­ Bei der Zusammenlegung und Vermessung entstan­ ster Mariensee hatte Besitz im Kirchspiel Horst; den erhebliche Unkosten, die von Meiern und Köt­ hier war ferner das Stift Wunstorf begütert. Zu den nern teilweise durch Landverkäufe aufgefangen wurden. Dadurch erhielten zahlreiche Menschen Kirchen gehörten I,Kirchenmeier" - und nahezu " die Gelegenheit, ein Stück Land zu erwerben und jeder Geistliche hatte eigene "Pastorenmeier . Der größte Besitz des Landesherrn fand sich in Oster­ sich ein Häuschen dar.aufzu bauen, was der stark waid. Adlige Herren gab es kaum, und dann besa­ angewachsenen Bevölkerung zugute kam. So wur­ ßen sie meist nur kleinere Höfe. Wahrscheinlich den nunmehr die eingangs erwähnten An- oder handelte es sich dabei um Lehen des Landesfürsten Abbauern ebenfalls Grundbesitzer. oder der Klöster. Genannt werden beispielsweise die von Alten, von Campen (in Poggenhagen), von Holle (aus Wunstorf) sowie von Bothmer. Sie treten durchweg erst nach 1500 in Erscheinung. 22. Wie der Lauenwald unterging

Der Meierhof umfaßte in früherer Zeit eine oder Auf Gut Heitlingen verbrachte der Herr von Holle, zwei Hufen. Die VolImeiersteIle in Garbsen hatte ein alter Landsknechtsführer, den Rest seiner Tage. gewöhnlich zwei Hufen. Die genaue Angabe in Er soll 1550 die prophetischen Worte geäußert Morgen oder Hektar ist nicht möglich, weil die Hufe haben, eines Tages könne hier das Holz ebenso unterschiedlich groß war. Im Bereich Neustadt hat kostbar werden wie das Getreide. Ein Greis wußte man z. B. 1584 rund sechs ha Land verstanden. sich 30 Jahre später an diesen Ausspruch zu erin­ nern. Die Vorhersage schien sich zu bestätigen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg beackerte der Man hat daher allen Grund, nach den Ursachen Vollmeier im Amt Ricklingen gewöhnlich 50 bis des Waldverlusts zu forschen.

55 Die obige Aussage läßt zunächst einmal den Schluß aufzuforsten. Allerdings geschah dies mit Kiefern, zu, daß um 1550 Getreide Mangelware gewesen die raschere Erträge versprachen. ist, während Holz noch im Oberfluß vorhanden war. Der Ausspruch bezog sich auf den Lauenwald Im hohen Mittelalter hat das Goh- und Holzgericht und die hierin berechtigten Markgenossen aus rund Engeibostel das ganze Gebiet zwischen Neustadt 30 Dörfern der Ämter Langenhagen und Ricklin­ und Hannover umfaßt. Der Begriff Lauenwald gen. Wir wollen daher nach den wahren Ursachen beinhaltete zahlreiche Einzelgehölze. Zwischen der zunehmenden Entwaldung forschen. Bordenau, Otternhagen und Frielingen dehnte sich das Hachholz, das um 1520 ausgesondert und Ein paar wichtige Feststellungen vorweg: Zur frag­ weitgehend dem Schloßbau Neustadt geopfert lichen Zeit hat der Wald wesentlich größere Flä­ wurde. Wichtigstes Holz war der Große Lauen­ chen bedeckt als heute. Die Pollenforschung konnte waid, der sich bis vor Heitlingen erstreckte. Auf der nachweisen, daß es sich durchgehend um Laub­ Karte um 1780 entspricht er dem Begriff IIOster­ wald gehandelt hat, der meist aus T rauben- und walder Wohld". Die Länge entsprach etwa zehn Stieleichen bestand. Holz fand in vielfältiger Weise Kilometern. Es folgte der Kleine Lauenwald von Verwendung, nicht nur als Brenn- und Bauholz. So Heitlingen nach Resse. Der konnte sich an Größe brauchte man es zur Herstellung von Brunnenrin­ zwar nicht mit dem großen Bruder messen, wies gen, der verschiedensten Werkzeuge, für Zaun­ aber einen besonders guten Baumbestand auf. pfähle und Zäune, selbst zur Ausbesserung von Dann schloß sich bis in die Gegend von Langen­ Wegen. Große Mengen wurden dazu verwendet, hagen der Stelinger oder Steinwald an. die zahlreichen Backöfen zu heizen. Viehherden haben in den Wäldern Nahrung gefunden. Im Es hat sich demnach um eine etwa 20 x 5 Kilometer Herbst trieb man Schweine zur Eichelmast hinein. große Waldzone gehandelt, deren Ausdehnung Sämtliches Haus-, Küchen- und Ackergerät war einst nach Süden hin weit größer gewesen sein aus Holz hergestellt, ebenso die für den Acker wird. Hier fanden sich mehrere Einzelwaldungen, benötigten Pflüge, Eggen, Harken und Spaten. die bei Berenbostel (die Hespe) und um Schloß Ricklingen (Rettmerberge, Lamser Berge, der Bau) Eine der schlimmsten Folgen stellte sich nach der standen. Entwaldung ein: Die Auter trocknete in jedem Som­ mer aus, weil der Wald kein Wasser mehr spei­ Von der Waldverwüstung war demnach vorwie­ chern konnte. Aus der Karte der Landesaufnahme gend der Nordteil des Amts Ricklingen betroffen. von 1781 wird das deutlich. Erst nach Aufte ilung Anhand der Aussagen von Zeitgenossen wird der Gemeinweiden hat man sich dazu durchgerun­ klar, was zum Untergang des großen Forsts ge­ gen, wenigstens das Land um den Fluß wieder führt hat. 56 Lassen wir als ersten den eingangs erwähnten Nun hatte der Landesfürst diese Kommission nicht Herrn von Holle in Heitlingen zu Worte kommen. Er von ungefähr bestellt. Er suchte offenbar nach beklagte sich 1573 über beständig zunehmende einem Vorwand dafür, eine sogenannte Holzord­ Holzdiebstähle der Osterwalder. Sie hieben die nung zu begründen und vor allen Dingen das schönsten Bäume ab und verkauften das Holz un­ leidige Holzgericht eingehen zu lassen. Damit wäre befugt in Hannover. Zehn Jahre später setzte Her­ die Verwaltung der Forsten durch fürstliche Beamte zog Erich 11. eine besondere Kommission ein. Sie und Förster als nötige Folge vorprogrammiert tagte unter dem Vorsitz eines Dietrich von Man­ gewesen. deisloh und sollte den Grund der Waldzerstörung ermitteln. Der Tod Erichs (1584) hat diesen Plan um einige Jahre verzögert. Dem Nachfolger Herzog Heinrich Vorweg traf sie die Feststellung, daß Hachholz, Julius von Wolfenbüttel blieb es vorbehalten, den Großer und Kleiner Lauenwald, aber auch der Ste­ Plan in die Tat umzusetzen. Damit waren die Tage linger Wald ebenso wie Hespe und Vorwinkel (bei des uralten Holzgerichts von Engeibostel gezählt. Schloß Ricklingen) sehr verwüstet wären. In großen Mengen würde Holz zum Stein- und Kalkbrennen Doch lassen wir nun einige weitere Zeitgenossen nach Neustadt geschafft. ans Wort. So wurden u. a. auch Zeugen vernom­ men, die vom Kloster Marienwerder vorgeschlagen Also sah man den damaligen Neubau von Schloß waren. Gewöhnlich hat es sich um alte, erfahrene Landestrost als Hauptursache der Zerstörung an. Bauersleute gehandelt, die kein Blatt vor den Mund Man fügte hinzu, daß regelmäßig Bau- und Brenn­ zu nehmen pflegten. Ihre Aussagen verschonten holz nach dem Gut Heitlingen, Schloß Ricklingen weder die Landesherrschaft noch die Dorfgenos­ sowie nach der Mühle Lohnde (die damals zum sen. Die Zeugen schilderten die Hintergründe Schloß Neustadt gehört hat) abgefahren würde. folgendermaßen: Die Markgenossen sähen dem Treiben nicht untätig zu, sondern hieben Holz, wo sie nur könnten. Dabei An dem großen Wald-Ausverkauf war offenbar scheuten sie sich auch nicht, Kronen oder Äste die gesamte Beamtenschaft beteiligt. Vom kleinen abzuhauen oder die Stämme in drei bis vier Fuß Holzknecht bis hinauf zum Minister in Wolfen­ Höhe über dem Erdboden abzusägen. Früher gro­ büttel besaß keiner eine reine Weste. Besonders ße Waldflächen würden in Wiesen umgewandelt geißelten sie die Neustädter Hofbeamten, die und mit Holzzäunen eingefriedet. Die Genossen dauernd unbefugt Holzwagen in den Wald schick­ nähmen Mengen von sogenannten Wahrschwei­ ten. Aber selbst der Klosteramtmann in Marien­ " nen von Fremden an und "übertrieben den werder machte keine Ausnahme; obgleich er Wald. eigentlich nur ein festes jährliches Kontingent be-

57 anspruchen könnte, schickte er jede Woche seine Die damals erlassene Holzordnung läßt weitere Knechte los. Nicht anders verhielte sich der Herr Schlüsse zu. Sie untersagte grundsätzlich, daß ge­ von Mandelsloh in Heitlingen. Der ließe außerdem sundes Holz gehauen würde. Die Förster sollten eine Ziegenherde eintreiben, was streng verboten trockene Stämme anweisen. Die damals üblichen wäre. Flechtzäune wurden verboten. Statt dessen sollten Gräben um die Grundstücke gezogen oder Hecken Dauernd schickte der Hof in Wolfenbüttel neue angepflanzt werden. Plaggen hau" unter Bäumen Befehle los, wonach dieser oder jener in Hannover " und Heidmähen" wurde untersagt. Den Hirten Brennholz beanspruchen könnte. Dazu ließe sich " befahl man, auf das Mitnehmen von Äxten zu ver­ eine ganze Reihe von Bestechungen nachweisen. zichten. Sie sollten sich nicht unterstehen, im Wald Der Klosteramtmann sandte seinem Kollegen in Feuer anzuzünden. Langenhagen Fische und bekäme dafür postwen­ dend das schönste Eichenholz zurück. Den Holz­ Bäume durften nur noch mit der Säge gefällt wer­ knechten zahlte er Bestechungsgelder, damit sie den - und zwar dicht über dem Boden. Wenn den Mund hielten. Handwerker ausnahmsweise einen gesunden Stamm angewiesen bekamen, um daraus Räder, Die Ricklinger Amtspersonen machten keine Aus­ Leiterwagen oder Brunnenringe herzustellen, müß­ nahme. Sie bedienten sich nach Belieben. Kürzlich ten sie jeweils drei neue Eichbäumchen anpflanzen. hätten sie den Oberförster mit 20 Reichstalern Zum Schutze gegen den Verbiß durch das Wild bestochen, den Gohgrefen zu Engeibostel mit mußten diese mit Dornen umwunden werden. einem Pferd. Dafür hätte man in einer Nacht- und Schließlich wurde die Bevölkerung aufgefordert, Nebelaktion viele Fuder des besten Bauholzes Torf zu stechen, der noch in großer Menge ver­ nach Wolfenbüttel bringen lassen. Der Förster Her­ fügbar wäre. manns in Stöcken wiese aus dem Wald Grund­ stücke nach Belieben aus, obgleich er darüber nicht Bei der augenscheinlich vorhandenen Mißwirt­ verfügen dürfte. Auch sei er Geldzuwendungen schaft nahm sich die schöne Holzordnung wie ein nicht abgeneigt. Hohn aus. So blieb ihr begreiflicherweise der Erfolg völlig versagt, weil sich niemand daran hielt. Als Natürlich wären die Markgenossen ebenfalls keine Hannover Residenz geworden war, setzte Herzog Engel. Wenn sie dürre Stämme angewiesen er­ Georg erneut eine Kommission zur Untersuchung hielten, versteckten sie darunter beim Abfahren der Wälder ein. Aus deren Bericht erfahren wir, wie gesunde Bäume. Die Strafen für Holzdiebstahl es 1637 ausgesehen hat. wären nicht hoch genug: Für das Auslösen der ge­ pfändeten Äxte müßten die Ertappten nicht mehr Der Sprecher betonte, Lauenwald und Stelinger als einen Groschen zahlen. Wald seien dermaßen verwüstet, daß man nicht

58 mehr mit Sicherheit sagen könnte, wo früher einmal die Zulassung des Gohs Basse im Lauenwald Bäume gestanden hätten. Statt der schönsten (1403), nahm man nicht zur Kenntnis oder ließ man Eichen, die allenthalben ihre Kronen ausgebreitet nicht wirksam werden. hätten, dehnten sich riesige Heideflächen. Hier und da habe man geringe Neupflanzungen bemerkt. Die Einführung der Holzordnungen war ein Kenn­ Um Osterwald, Berenbostel, Meyenfeld und Stelin­ zeichen für die große Wende. Der Fürst betrach­ gen sowie deren Orten sei kein Eichbaum stehen­ tete sich als Eigentümer des Waldes, seine Beamten geblieben. Von dem einst so herrlichen Wald und Förster verfügten darüber. Das hatte eine sei nichts überplieben. Mit Händen und Füßen unbeschreibliche Mißwirtschaft zur Folge. Nach­ wehrten sich die Menschen gegen Aufforstungs­ dem das Holzgericht zu bestehen aufgehört hatte, maßnahmen. sah auch die Bevölkerung diesem Treiben nicht mehr untätig zu. Was der Fürst und seine Beamten In knapp 100 Jahren war das Werk der Vernich­ vorgemacht hatten, wurde so gründlich fortgeführt, tung des Lauenwaldes vollendet. daß in verhältnismäßig kurzer Zeit von dem herr­ Ziehen wir nun einmal unsere Schlüsse daraus. Der lichen Forst nichts mehr übrig blieb. Die Vernich­ Wald war solange in Ordnung, wie das Holzge­ tungsweIle begann offenbar mit dem Abtrieb des richt bestand. Dabei handelte es sich um eine Hachholzes zum Neubau des Neustädter Schlosses. genossenschaftliche Einrichtung von fast demokra­ Mehrere Brände in Wunstorf und der Holzhunger tisch zu nennender Prägung. Der Fürst nahm darin im aufstrebenden Hannover (das einen beson­ " die Stellung eines "Ersten unter Vielen ein - über deren Holzmarkt besaß) haben sicher dazu beige­ den Wald bestimmte jedoch die auf dem Holzge­ tragen und den totalen Ausverkauf beschleunigt. richt versammelte Markgenossenschaft. Eigen­ Schon um 1600 war von dem Lauenwald kein mächtige Verfügungen des Landesherrn, wie z. B. Baum mehr vorhanden. Anmerkungen und Kommentare Beiträge zur Geschichte, Hrsg. von der Stadt Garbsen in Zusammenarbeit mit dem Heimatverein, Garbsen (1971). Vorbemerkung: Die Archivbestände des Hauptstaatsarchivs Hannover (HStA H) werden wie folgt Zu Kapitel 2: Wie alt ist eigentlich Garbsen? zitiert: Bestand - Designation: Des. Calenberger Originalurkunden: Cbg. Or. Ortsnamen: Calenberger Briefsachen-Archiv: Cbg. Br. A Hannover Designation 74 Neustadt - Mittelhäußer, K.: Ländliche und städtische Siedlung. In: Patze, H.: Geschichte (Amt): Hann. 74 Neustadt. Niedersachsens, Bd. 1. Hildesheim 1977; - Last, M.: Niedersachsen in der Merowinger Abkürzungen häufig benutzter Zeitschriften und Reihenwerke: - und Karalingerzeit, S. 547 f.; Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen: Z.h.v. - Evers, W.: Ortsnamen und Siedlung im mittleren Ostfalen. In: Berichte zur Niedersächsisches Jahrbuch: Nds. Jb. deutschen Landeskunde Bd. 9, H. 2, Stuttgart 1951 Hannoversche Geschichtsblätter: HGBI. " Orte auf -lingen: "Denkmale deutscher Geschichte (Monu menta Germaniae Historica, - Rieckenberg, H. J.: Mandelsloh und die . ln: Mandelsloh 985-1 985, Quellen zur Geschichte deutscher Kaiser und Könige): MGH und abgekürzter Neustadt 1985, S. 45 Name, z. B. MGH DOll = Urkunden Otta 11. Urkundliche Erwä hnung: " "Schriften der Manumenta Germaniae Historica: MGH SS. - v. Hodenberg, W.: Calenberger Urkundenbuch, TI. 6: Marienwerder, Hanno­ Zu Kapitel l: Garbsen - junge Stadt mit alter Geschichte ver 1859; - Sudendorf, H.: Urkundenbuch der Herzäge von Braunschweig-Lüneburg, 12 Marstemgau: Bde., Hannover 1859 f. - Patze, H.: Geschichte Niedersachsens Bd. 1. Hildesheim 1977, S. 640; - v. Alten, A: In: Z.h.V., Hannover 1860 Zu Kapitel 3: Der Osterwalder Opfertisch Känigsgut, Reichsforst: - Patze 0.0.0. S. 635; - Jacob-Friesen, K. H.: Einführung in Niedersachsens Urgeschichte, Hildesheim - Ranzi, W.: Königsgut und Königsforst, Halle 1939 21959-1 963 - Müller-Reimers, H.: Alterthümer der Provinz Hannover, Hannover 1893 (bring BordenaulParta naha: - Bordenau, Geschichte und Struktur 889 - 1989, Hildesheim 1989 Nachrichten über 12Steingräber bei Schneeren, eines südlich von Rodewald, j. Forstschenkungen: eins bei Borstel und Nöpke. Sie fielen durchweg dem Straßen bau zum Opfer) - Sept. MGH 00 111 991; - Nowothnig, W. und Cossack, E.: Der archäologische Wanderweg am Giebi­ - Patze 0.0.0. S. 274 f. ehenstein bei Stöckse, Kr. Nienburg. In: Wegweiser zur Var- und Frühgeschichte Niedersachsens Heft 6, Hannover o. J.; Hagensiedlung: - Engel, F.: Das Rodungsrecht der Hagensiedlungen. Quellen zur Entwicklungs­ - Schlicht, E.: Vor- und frühgeschichtliche Funde. In: Heimatchronik des Kreises geschichte der spätmittelalterlichen Kolonisationsbewegung, Hildesheim 1949 Neustadt a. Rbge., Archiv für Heimatpflege, Bd. 44, Köln 1974; - Die Zeitschrift Hannöversche gelehrte Anzeigen für das Jahr 1751" vermerkt ( = Quellenhefte z. Nieders. Geschichte, 3); " - Weiß, H.: Kolonistendörfer zw. Leine und Weser. In: Z.h.V., Hannover 1908; "Bei OstelWaid in der Nähe der dortigen Windmühle ist ein Opferstein gewesen. - Z.h.Y., Hannover 1863, S. 63: "Nordöstlich von OstelWold befindet sich d, - Timm, A: Die Waldnutzung in Norddeutschland im Spiegel der Weistümer, " Köln 1960 Opferberg, welcher einen heidnischen Opferplatz anzudeuten scheint. Hiervc übernommen in Müller-Reimers (0.0.0). Grafschaft Lauenrode: - Berg, 0.: Die Grafen von Roden und Wunstorf. In: Zeitschrift für Familie und Zu Kapitel 4: Urnen zu verkaufen Volk 1952; - Plath, H.: Namen und Herkunft der Grafen von Roden. In: Nds. Jb. 34, Hanno­ - Bohnsack, D.: Landschaft und Urgeschichte. In: Geschichte der Stadt Neustadt ver 1962; a. Rbge., Neustadt 1966; - Ulrich, A: Geschichte der Grafen von Raden. In: Z.h.Y., Hannover 1887 - Jacob-Friesen, K. H.: Einführung in Niedersachsens Urgeschichte, Hildesheim Edelherren von Ricklingen: 21959-1 963; - v. Alten, A: Die Edelherren von Ricklingen. In: Z.h.V., Hannover 1858; - Tackenberg, K.: Die Kultur der vorchristlichen Eisenzeit, Hannover 1934 (mit - Ehlich, H.: Schloß Ricklingen. In: Calenbg. Blätter, H. 1, Wunstarf 1963 (ge- ausführl. Fundbeschreibung für Garbsen); druckter Vortrag zum Jubiläum des Heimatbundes Niedersachsen) - Ehlich, H.: Stelingen. Zur 750-Jahr-Feier (masch.-schriftl. Ortschronik, Garbsen Goh Engeibostel: 1976). Funde und Fundkarte des Orts mit Umgebung in Teil 11, S. 34/35). - Spieß, H.: Die Großvogtei Calenberg. ln: Studien und Vorarbeiten zum histori­ schen Atlas für Niedersachsen H. 10, Göttingen 1933 Zu Kapitel 5: Der Brief an den Kaiser Waldverwüstung ab lSS0: Text des Briefes: - HStA H, Cbg. Br. A, Des. 2 - Plath, G. und Schuster, H.: Kleine Kirchengeschichte Niedersachsens, Hanno­ Jüngere Stadtgeschichte Garbsens: ver 1965, S. 12 - Strehlke, K.-H.: Zur Stadtwerdung. ln: Stadt Garbsen. Historische Entwicklung, Zur Sachsenmission: hrsg. von der Stadt Garbsen 1978; - Last, M.: Die Eingliederung der Sachsen und Friesen ins karalingische Reich. In: - Höötmann, Jan: Die Großgemeinde Garbsen. ln: Garbsen - eine junge Stadt. Patze, H.: Geschichte Niedersachsens, Bd. 1, Hildesheim 1977, S. 574 f

60 " - Hauck, A: Kirchengeschichte Deutschlands, Münster 1952; Osterwalder) Windmühle" ins Auge. Daneben ist die Bezeichnung "Desenbrink - Hamann, M.: Landesgeschichte in Niedersachsen. In: Patze 0.0.0. S. 4-1 4; nördlich von Osterwald Oberende unrichtig - örtliche Unterlagen kennen hier - Wattenbach, W.: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte nur den Mesenbrink (vgl. Abb. 3). des 13. Jahrhunderts, 2 Bde., Berlin 1B94-1 904 Zu Kapitel 7: Aus der frühen Kirchengeschichte Zu Kapitel 6: Die Hildesheimer Grenzbeschreibung - Honselmann, K.: Die Annahme des Christentums durch die Sachsen. In: West­ Urkunde: Ausführliche Besprechnung bei fälische Zeitschrift 108, Münster 1958; - Rieckenberg, H. J.: Die erste Erwähnung der Därfer Basse, Mandelsloh, Dreb­ - Bertram, H.: Geschichte des Bistums Hildesheim, Bd. 1, Hildesheim 1899; ber. In: Mandelsloh 985-1985, S. 39 f. (hier auch eine Obertragung von G. - Hömberg, K.: Kirchenorganisation in Westfalen. In: Westfälische Forschungen Steinwaseher ins Deutsche). Die Urkunde von ca. 985 dürfte laut Rieckenberg ein Bd. 6, Münster 1943/52; Urkundenauszug gewesen sein, den sich Bischof Bernward von Hildesheim (gest. - Müller, E.: Entstehungsgeschichte der sächsischen Bistümer unter Karl dem 1022) von frönkischen und deutschen Känigen hatte anfertigen lassen; dieser Großen, o. O. 1938; wurde 1943 in Hannover vernichtet. - Prinz, J.: Dos Territorium des Bistums Osnabrück, Göttingen 1934 (Nachdruck Zeugen: Münster 1973); Bei den Zeugen dürfte es sich um sogenannte boni homines gehandelt haben, - Drögereit, R.: Zur Frühgeschichte des Stifts Wunstarf. In: Jahrbuch für nieder­ also vertrauenswürdige Männer, die über die fragliche Gegend genauer unter­ sächsische Kirchengeschichte, Hannover 1965, S. 24-34; richtet waren. Hierzu: - von Lerbeck, H.: Chronicon episcaparum Mindensium. In: Leibniz, G. W.: - Nehlsen, K. und v. Stryk: Die boni homines des früheren Mittelalters, Berlin Scriptores rerum hist., Bd. 2, Hannover 1710; 1981 - Hoogeweg, H.: Beiträge zur Bestimmung der Archidiakonate des vormaligen Grenze: Bistums Minden. In: Westfälische Zeitschrift, Bd. 52, Münster 1894; Eine ältere Abhandlung über die Grenze zwischen Hildesheim und Minden findet - Löffler, K.: Des Domherrn H. T ribbe Beschreibung von Stadt und Stift Minden. sich bei In: Mindener Geschichtsquellen, Bd. 2, 1932. Hierin wird ca. 1460 das Archidia­ - Lüntzel, H.: Die ältere Diäzese Hildesheim, Hildesheim 1837, S. 345; konat Pattensen genannt mit zwei Pfarrkirchen (pattensen und Limmer), die zum - Engelke, B.: Die Grenzen, Gaue, Gerichte und Archidiakonate der älteren Tafelgut des Bischofs beitragen. Hierzu lieferte die Villikation Weden sen Diözese Hildesheim. In: HGBI., Neue Folge, Bd. 4, Hannover 1936 (wüst bei Mecklenharst) vier sogenannte Tagesdienste. Auch der dortige Hof Grenzpunkte: gehörte zum Sondergut des Bischofs und wurde spöter vom "Domhof" in Die Feststellung der einzelnen Grenzpunkte und -orte ist in vielen Fällen kaum Wunstorf verwaltet. möglich. Die Urkunde von ca. 985 nennt vor dem Mesansten Lac Ei/gereshus - Engelke, B.: Die Grenzen, Gaue, Gerichte und Archidiakonate der ölteren (vielleicht den Muswillensee?), danach 8redin/agu (vielleicht Brelingen?). Mit Ain­ Diözese Minden. In: HGBI. 4, Hannover 1936. gaburstalla könnte Engelbastei gemeint sein. Ziemlich sicher sind die Punkte Stenvordi ( = Steinsförde bei Wietzen), Kellu (= Celle) und Eiere ( = die Aller) aus­ Zu Kapitel 8: Die Siedler van Osterwald zumachen. - Engel, F.: Das Rodungsrecht der Hagensiedlungen. Quellen zur Entwicklungs­ Grenzbeschreibungen: geschichte der spätmittelalterlichen Kolonisationsbewegung, Hildesheim 1949 Außer der Beschreibung von ca. 985 gibt es zwei weitere, die kurz nach dem Jah­ ( = Quellenhefte z. Nieders. Geschichte, 3); re 1000 entstanden sind. Zum Teil sind die Angaben aus dem Jahre 985 darin ent­ - Blohm, W.: Die Hagenhufendörfer in Schaumburg-Lippe, Oldenburg 1943; halten, teils sind sie etwas ausführlicher. Siehe dazu die Untersuchungen von - Engelke, B.: Hannover und die engernsehe Grafschaft der Grafen von Roden. Lüntzel und Engelke (s. unter Stichwort Grenze). Wiedergaben bei In: HGBI., Hannover 1926; - Janicke, K. (Hrsg.): Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim und seiner Bischö­ - Kötschke, R.: Quellen zur Geschichte der ostdeutschen Kolonisation im 12.11 4. fe, Bd. 1, Leipzig 1896, Nr. 35, 40, 51 (ca. 985, 1007, 1013) Jahrhundert, Leipzig 1931; Stände bei den Germanen: - von Minnigerade, H.: Königszins, Königsgericht, Königsgastung, Göttingen In der Vita Lebuini (MGH SS) werden um 800 drei Stönde genannt, nämlich Ede­ 1928; linge, Frielinge und Loten. Bei den Letztgenannten handelte es sich um sogenann­ - Niemeyer, 0.: Die terra Rodewald, Hannover 1960; te Halbfreie: Sie waren im Besitz der persönlichen Freiheit, aber durch das Bo­ - Rustenbach, H.: Häger und Hägersiedlung. In: Z.h.Y., Hannover 1903; denrecht an die Scholle gebunden. Frielinge waren Freibauern. Das Stift Corvey - Weiß, H.: Ober die Kolonistendörfer des 12.113. Jahrhunderts zwischen Leine besaß im Gebiet nördlich von Neustadt drei Meierhofverbände, sogenannte und Weser. In: Z.h.Y., Hannover 1908; "viliikationen", mit etwa 80 Hufen Land, nämlich in Suttorf, Wulfelade und Lader­ - von Wersebe, A: Ober die niederländischen Kolonien an der Unterweser im holz. In einem Verzeichnis werden die Bauern um 1100 namentlich genannt. Fast 12. Jahrhundert, Hannover 1815; alle waren Loten, nur einige von ihnen Freibauern. Vgl. hierzu - Asch, J.: Grundherrschaft und Freiheit. In: Nds. Jb, 1978, S. 107 f. (über die - Kaminsky, H. J.: Der Corveyer Güterbesitz zur Salierzeit, Köln/Graz 1972. Entstehung und Entwicklung der Hägergerichte). (Hiernach darf man vermuten, daß auch die Einwohner von Garbsen um 1100 durchweg Loten waren (vgl. Kap. 1). Zu Kapitel 9: Kohle und Eisen Landesaufnahme: - Bohnsack, 0.: In: Geschichte derStadt Neustadta. Rbge., Neustadt 1966, S. 16 f.; In der Karte der kurhannoverschen Landesaufnahme, BI. 116, finden sich unter - Jacob-Friesen, K. H.: Einführung in Niedersachsens Urgeschichte, Hildesheim Osterwald mehrere falsche Angaben. Am stärksten fällt die "Rodewalder (statt 21959-1 963;

61 - Müller, J. H.: Vor- und Irühgeschichtliche Altertümer der Provinz Hannover, übersetzung des Briefes ous dem Lateinischen: Hannover 1893; FRIEDRICH, VON GOTTES GNADEN WAHRER ROMISCHER KAISER, KONIG a e - Schlicht, E.: In Heimatchronik des Landkreises Neustadt, Köln 1974 {zur Fr g VON JERUSALEM UND SIZILIEN, dem Grafen Hildebald von Limmer, seinem der Eisenverhüttung, S. 34 fj; der Amateur-Archäologe von Stoltzenberg in Verbündeten und Getreuen, zum Gruß: Mit der Weiterführung der Fehden zwi­ Luttmersen beschreibt die Funde von Rennäfen und Eisenschlackenhügeln schen Euch und unserm teuren Fürsten, dem Bischof von Minden, ist viel Ubel und mehrfach in: Unheil venursacht worden. Das hat zu schwerem Nachteil für das Heilige Land - Z.h.v., Hannover 1895 f.; [wegen des aufgeschobenen Kreuzzugs] geführt und bewirkt, daß das ganze - Tackenberg, K.: Die Kultur der frühen Eisenzeit in Mittel- und West-Hannover, Land öde geworden ist. Nicht nur angesichts zerstörter Kirchen, sondern auch Hannover 1934; wegen der Armen, Witwen und Waisen, die besonders darunter leiden - ders.: Die jüngere Bronzezeit in Norddeutschland. In: Veröffentlichungen müssen. Um Christi Willen können und wollen wir daher die Angelegenheit nicht der urgeschichtlichen Sammlungen des Landesmuseums in Hannover, Bd. 19, aufschieben. Daher haben wir kraft unserer Majestät unserm treuen Herzog von Hannover 1937. Braunschweig brieflich befohlen, er solle sich eifrig darum bemühen, den Streit zwischen Euch und dem Bischof zu schlichten. Falls einer der beiden Teile ent­ Zu Kapitel l 0: Rätsel um die Grafen von Roden gegen unserm Verbot keine Ruhe geben will, wie sich das gehört, soll er Erste Nachrichten aus der Grafschaft Lauenrade: [= der Herzog] mit Hilfe von uns aufgestellter Truppen dem unschuldigen Teile zu Das Gebiet der Stadt Garbsen hat zur Grafschaft Lauenrade gehärt. Conrad Hilfe eilen, um die Bosheit und den Stolz des Gegners zu brechen und zu beseiti­ von Lauenrode war ein Parteigänger von Heinrich dem Löwen, dem er auch nach gen. Hierdurch befehlen wir Euch unter Andrahung des Entzugs unserer Gnade, seinem Sturz die T reue hielt. Die Grafen haben sich nach ihren Burgen von Lauen­ daß Ihr aufhört damit, den Gottesdienst durch Eure Zwietracht und Kriegshand­ rode, von Limmer, von Wunstorf oder auch von Roden genannt. lungen weiter zu behindern. Auch sollt Ihr über die Wiedergewinnung des Friedens und die Beilegung der Streitigkeiten hinaus dem genannten Herzog Aus den Stederburger Jahrbüchern (Annales Stederburgenses) sei § 118 zitiert: demütig und ernsthaft gehorchen, damit Ihr nicht weiter durch kriegerische Hand­ ,,(Rex Henricus) ...civitatem Hanovere succendit, castrum Conradi de Rothen lungen Gott und die Menschen herausfordert. Ihr dürft allerdings die Fülle Liembere appetens, primo insultu inhoneste repulsus est. Inde regrediens, collec­ unserer Gnade erwarten, wenn Ihr sofort durch Eure Zusicherung beweist, daß Ihr " tione mi/itum dimissa Goslariam intravit {1 189; Obersetzung: (König Heinrich in dieser Angelegenheit gehorsam sein wollt. (zitiert nach MGH D FII, Hannover VI.) ... verbrannte Hannover und begab sich nach der Burg des Grafen Conrad 1889 H.). Weitere Literatur: von Roden (Lauenrode) in Limmer. Er wurde beim ersten Ansturm schmählich zu­ rückgeworfen. Er zog von dort ab und begab sich nach Goslar, nachdem er seine - Scheidt, C: Origines Guelficae Bd. 3, Nr. 195, Hannover 1750; Söldner entlassen hoHe. - Ulrich, A.: lur Geschichte der Grafen von Roden im 12./ 13. Jahrhundert. In: - Heinrich VI. war ein Staufer und der Sohn von Friedrich Barbarossa) l.h.V., Hannover 1887; - Huillard-Breholles: Historia Diplomatica Friderici Secundi, Bd. 2, Paris 1852; In der Slawenchronik des Priesters Arnold (Arnoldi Chronica Slavorum) werden - Böhmer, J. F.: Regesten des Kaiserreichs 1198-1 272, hrsg. v. Ficker, Innsbruck die Ereignisse folgendermaßen beschrieben: ,,(Rex Henricus) _ . . abiit Limbere ad castrum Conradi de Rothe volens obtinere illud. Sed eum nec ibi profecisset, 1881, S. 333 {lit. Böhmer: (am 5. Juli 1226) .,schreibt Friedrich 11. dem Grafen amara animo regressus est in focum suum, Archiepiscopum tarnen Bremensem Hildebold von Limmer und dessen Verbündeten, daß er die Entscheidung ihres Hartwigem, qui huius perturbationis causa fuit, querimonia Bremensium de sede Streites mit dem Bischof von Minden, durch welchen der Kreuzzug aufgehalten sua disturbavit" {1 190; Obersetzung: (König Heinrich) zog (von Braunschweig) und das Land verwüstet wird, dem Herzog von Braunschweig dergestalt aufge­ nach Limmer vor die Burg Conrads von Roden, um sie einzunehmen. Als es ihm tragen habe, daß dieser nötigenfalls mit Zuziehung anderer Reichsgetreuen dem nicht gelang, zog er verbittert in seine Stadt zurück. Inzwischen beseitigte er die unschuldigen Theil Hülfe leiste, indem er zugleich dem Grafen gebiete, sich den Streitigkeiten der Bremer um den Amtssitz von Erzbischof Hartwig, der die Anordnungen des Herzogs zu unterwerfen"). Ursache der Auseinandersetzung gewesen war). - Die Ereignisse fanden im Spätherbst/Winter 1189 statt. Graf Conrad erhielt von Heinrich dem Löwen als Ersatz für die Schäden Stade zum Lehen. V gl. hierzu: Zu Kapitel 11: Marienwerder erwirbt Stelingen - Ulrich, A.: lur Geschichte der Grafen von Roden. In: l.h.V., Hannover 1887; - v. Hodenberg, W.: Calenberger Urkundenbuch, TI. 6: Marienwerder, Han­ - MGH 55 Arnoldi Chronica Slavorum Lb. 5 - Annales Stederburgenses nover 1859, Nr. 1 {1215}; in den genannten Orten werden von 1220 bis 1306 Anno 1189. weitere Ländereien übertragen. Die Teilung der Grafschaft Lauenrode wird in Nr. 7 {1223} erwähnt. Brief von Kaiser Friedrich 11. an Graf Hildebold von Lauenrode 1226: Stelinger Urkunde: Friedrich 11. war ein Sohn Heinrich VI. und Enkel von Barborosso. Er unternahm - ebda., Nr. 47 (21. Juli 1269) und Bestätigung durch Otto: ebda., Nr. 93 (6. Juli 1 227 einen Kreuzzug und konnte 1229 Jerusalem erobern. Friedrich galt als För­ 1305); derer des 1199 in Jerusalem gegründeten Deutschen Ordens, der seit 1230 ge­ gen die heidnischen Preußen kömpfte und Ostkolonisation betrieb. Graf - HStA H, Cbg. Or. 100, Nr. 1, 10, 35, 70 g und 83; Hildebold von Roden/Lauenrode/Limmer war in zahlreiche Fehden mit dem - Sudendorf, H.: Geschichte der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, Han- Mindener Bischof Konrad (von Rüdenberg, 1209 - 1237) verstrickt. Darunter nover 1859 H.; muß das Gebiet um Garbsen furchtbar gelitten haben. Wahrscheinlich war die - Ehlich, H. in: Stelinger Chronik (wie in Kap. 3). Dort Abbildung der Urkunde, Entstehung mehrerer Wüstungen in dieser leit begründet. Obertragung der lateinischen Urkunde ins Deutsche.

62 Zu Kapitel 12: Die Höfe von Meyenfeld Zu Kapitel 15: Eine Sage und ihre Hintergründe Urkundennachweise: - Heckscher, K.: Volkskunde des Kreises Neustadt a. Rbge., Hamburg 1930, - 1216: v. Hodenberg in: Cbg. Or., Bd. 6, Nr. 1; S. 305; - 1258 (14. Dezember): Cbg. Or., Bd. 5, Nr. 71; - Karpa, 0.: Die Kunstdenkmale Niedersachsens - Neustadt o. Rbge. Textband, - 889: Bordenou 889/1 989, Hildesheim 1989; München 1958, S. 174 ff. (Beschreibung des Denkmals); - 1325 (Schenkung zwei Hufen): Cbg. Or., Bd. 9, Nr. 75; - Mithoff, H. W. H.: Kunstdenkmale und Altertümer in Hannover, Hannover - 1377 (1376/79) Wunstorfer Güterverzeichnis (Jordan). In: Cbg. Or., Bd. 9, 1871; Nr. 157; - von Mandelsloh, W.: Dietrich von Mandelsloh und seine Brüder, Berlin 1898; - v. Hodenberg, W.: Lüneburger Lehnsregister, Hannover 1856. V. Arnheim Urkunden: gehörte zur selben Familie wie der 1160 genannte Edelherr Mirabilis, der der - v. Hodenberg, Calenberger Urkundenbuch, TI. 6: Marienwerder, Hannover Mindener Kirche Güterbesitz vermachte. Er starb um 1170. 1859, Nr. 3; Alter Heerweg: - Sudendorf, H.: Urkundenbuch der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, " wurde seit 1698 durch den Neubau der sogenannten "Chaussee (heutige B 6) 1859 ff.; ersetzt; er war um 1735 in ganzer Lönge fertig. - Merian, M.: T opographia und eigentliche Beschreibung der vornehmbsten Kopfsteuerbeschreibung 1689: Stäte, Schlösser auch anderer Plätze und Ortr in denen Herzogthümer Braun­ Burchard, M. u. H. Mundhenke (Bearb.), Die Kopfsteuerbeschreibung der schweig und Lüneburg und denen daz geh. Grafschaften, Herrschafften und Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen von 1689, TI. 4: Die Landen. Franckfurt 1654 (Neuaufl. 1961) Ämter ... Ricklingen ..., Hildesheim 1960. - Peters, A: Die Geschichte der Schiffahrt auf der Aller, Leine und Oker bis 1618, Schloß Ricklinger Erbregister 1583: Hannover 1913. HSTA H, Hann. 74, Neustadt, Nr. II, 51 0, Nr. 3, 1593 in 11 5, 1 b, Nr. 1 (alte Desi­ gnationen). 1377 (Cbg. Or., Bd. 9, Nr. 157) nennt to der Horst enen HoF En molt Zu Kapitel 16: Garbsen im lüneburgischen Erbfolgekrieg roggen sowie to Meygenvelde 2 hove. - Bächtold, H.: Der niederdeutsche Handel im 12.113. Jahrhundert. In: Belaw Zu Kopitel 13: Garbsen und der Goh Engeibostel (Hrsg.): Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte, Heft 21, Berlin 1910; - Spieß, W.: Die Großvogtei Calenberg. Göttingen 1933 ( = Göttinger For­ - Bademann, E.: Ober den älteren Handelsverkehr der Stadt Hannover bis 1450. schungen, Bd. 14, Studien Vorarbeiten zum historischen Atlas); In: l.h.V., Hannover 1872; - Londwehr, G.: Die althannoverschen Landgerichte, Hildesheim 1964 ( = Quel­ - Cassel, c.: Die Schiffahrtsrechte der Bürger von Celle. In: l.h.V., Hannover len und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, Bd. 62); 1911; - Grupen, C. U., Disceptatianes forenses cum observationibus, Leipzig 1737; - Hänselmann, L.: Chroniken deutscher Städte VI., Braunschweig, Bd. 1.ln: Han­ - Tüxen, R.: Das System der nordwestdeutschen Pflanzengesellschaften, Han- sische Geschichtsblätter, Hamburg 1873; nover 1955; - Havemann: Geschichte der Lande Braunschweig und Lüneburg, Göttingen - Bundesamt für Landeskunde und Raumforschung Bad Godesberg (Hrsg.): Die 1853-1 857; naturröumlichen Einheiten. Blatt 86, Hannover ( = Geographische Landesauf­ - Lamprecht, K.: Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, Bd. 2, Leipzig 1885; nahme 1960, 1 : 200 000); - Mithoff: Ergebnisse aus mittelalterlichen Lohnregistern (Hannover). In: l.h.V., - Ehlich, H.: Schloß Ricklingen (wie in Kap. 1); Hannover 1871; - Kroeschell, K.: lur Entstehung der sächsischen Gogerichte, Aalen 1959; - von Mandelsloh, W.: Dietrich von Mandelsloh und seine Brüder, Berlin 1898; - Kühnhold, H.: Basse: Gohgrafschaft, Vogtei, Kirchspiel, Neustadt 1909. - Nande, W.: Deutsche städtische Getreidehandelspolitik im 15.117. Jahrhun- Protokoll von 1523: dert, Leipzig 1889; - HStA H, Des. 74, Langenhagen 1 C, Nr. 1 (Text) und 3; Die Einwohner der Dör­ - Peters, A: Die Geschichte der Schiffahrt auf der Aller, Leine und Oker bis 1618, fer Bordenau und Frielingen wurden von Herzog Erich I. an das Landgericht auf Hannover 1913; dem Lutterdamm bei Mandelsloh verwiesen. Das hing mit der neuen Grenzzie­ - Sudendorf, H.: Urkundenbuch der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg, hung zusammen, die aus der Karte der Landesaufnahme 1781 hervorgeht und Bd. 4 (Einleitung) und S. 179, Hannover 1859 f.; die Ortschaften vom Amt Ricklingen wegnahm, um sie Neustadt zuzuordnen. Im - Timm, A: Die Waldnutzung in Nordwestdeutschland im Spiegel der Weis­ übrigen waren die Bewohner der beiden Dörfer noch um 1580 teilweise nicht be­ tümer, Köln 1960. reit, diese Neuregelung anzunehmen. Vielfach blieben sie dem Gericht fern oder entschuldigten sich mit fadenscheinigen Gründen. Dem trug mon dodurch Rech­ nung, daß mon ihnen einen Teil der alten Waldrechte beließ. Zu Kapitel 17: Untergegangene Dörfer - von Alten, A: Ober den Marstemgau. In: l.h.v., Hannover 1860; Zu Kapitel 14: Flurnamen können wichtige Hinweise sein - Framme, H.: Die wüsten Orte im Gebiete des Marsthem. In: l.h.V., - Heckscher, K.: Die Volkskunde des Kreises Neustadt a. Rbge., Hamburg 1930; Hannover 1887; - Prietze, H. A: Das Geheimnis der deutschen Ortsnamen, Hannover 1929; - Fundberichte im Landesamt für Bodenforschung, Hannover; - Schröder, E.: Deutsche Namenskunde, Göttingen 1944; - Ulrich, A: Die Geschichte der Grafen von Roden. In: l.h.Y., Hannover 1887; - Wesche, H.: Unsere niedersächsischen Ortsnamen. In: Niedersächsische - v. Hodenberg, W.: Calenberger Urkundenbuch, TI. 5: Mariensee, und TI. 6: Landeszentrale für den Heimatdienst, Hannover 1957. Marienwerder, Hannover 1855 ff.

63 Zu den Kapiteln 18 und 19: Das schwarze Gewerbe - Der Eulenspiegel Zu Kapitel 21: Die Höfe aus Garbsen Urkunde: - Grimm, 1: Deutsche Rechtsalterthümer, GÖllingen 21854; - v. Hodenberg, W.: Calenberger Urkunden buch, TI. 6: Marienwerder, Hanno­ - Jacob-Friesen, K. H.: Einführung in Niedersachsens Urgeschichte, Hildesheim ver 1855 ff., Nr. 93 oder 21959-1963· � - HStA H, Cbg. Or. 100, Marienwerder Nr. 83; - Mithoff: E gebnisse aus millelalterlichen Lohnregistern. In: Z.hV., Hannover Ricklinger Hausbuch: 1871; - HStA H, Hann. 74 Neustadt, Nr. 349 (Amtsbuch von 1583, enthält Nachrichten - Ehlich, H.: Stelinger Chronik (wie in Kap. 3), S. 37 f.; über die Häfe und Besitzer aus Garbsen. Das Haus- oder Zins register von Rick­ - HStA H, Des. 74, Langenhagen I c, Nr. 1 u. 3. lingen (1620 und 1732) umfaßt mehrere Listen über die Höfe und Einwohner. Geschichte des Amts: Zu Kapitel 20: Von Leibeigenen und Loten - Sudendorf, H.: Urkundenbuch der Herzöge von Brounschweig-Lüneburg, - Willich, W.: Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland, Leipzig 1896; Hannover 1859 f. - Kaminsky, H.: Der Corveyer Güterbesitz zur Salierzeit, Köln 1972; - Hallen die Höfe einen adligen, klösterlichen oder kirchlichen Grundherrn, so - Garbsen, eine junge Stadt, Beiträge zur Geschichte. Hrsg. von der Stadt Garb- mußten sie als Pacht den Meierzins in Korn entrichten. Die Höfe, welche den Lan­ sen in Zusammenarbeit mit dem Heimatverein Garbsen, Garbsen 1971, erhält desherrn (vertreten durch das Amt) als Grundherrn besaßen, entrichteten dage­ Auszüge aus dem 1852/57 für Garbsen abgeschlossenen Verkoppelungsrezeß gen den Rodezins, auch .Rodezehnt· genannt. Es handelte sich zumeist um einen (S. 37 f.; kampl. varh. im Stadtarchiv Garbsen). Osterwald hat bereits 1830 die geringen Geldbetrog, wobei berücksichtigt wurde, daß dieses Land meist von Gemeinheitsteilung und Verkoppelung abgeschlossen. den Besitzern selbst urbar gemacht worden war. Lediglich die Osterwalder Leibeigene: Meierhöfe hallen den Landesherrn (vertreten durch das Amt) als Gutsherrn. - v. Hodenberg, W.: Calenberger Urkundenbuch, TI. 6: Marienwerder, Hanno­ Die Kleinkötner oder Halbkötner sollten nur alle 14 Tage beim Amt dienen und ver 1859, enthält zahlreiche Urkunden über Eigenbehörige und Eigenleute. So wurden deshalb gelegentlich als ,,14-Tage-Diener" bezeichnet. die Nummern 43, 55, 56, 57, 60, 65, 66, 70, 71, 80, 81,82, 86, 87, 92, 104, 120, 148, 152 (Zeit: 1266-1 360). Die Eigenbehörigen können wie Vieh verkauft, ver­ Zu Kapitel 22: Wie der Lauenwald unterging tauscht oder verschenkt werden. So verkauft z. B. der Riller Hartbert (Harbort) von Mandelsloh eine Leibeigene für sieben Mark an das Kloster Marienwerder Lauenwald: (Nr. 86, 1299). Graf Johann von Wunstorf verkauft vier Leibeigene in Garbsen - HStA H, Cbg. Br. A 2, Nr. 11, 23. für vier Mark an das Kloster(Nr. 92, 1304). Ein Mann namens Dietrich in Garbsen Holznutzung: wird von dem Ritter Ludolf von Bevelte 1299 verkauft (Nr. 87). Im Jahre 1283 Einen breiten Raum nahmen die in den Dörfern üblichen Holzzäune (Flechtzäune) schenkt Graf Burchard von Wölpe Marienwerder mehrere Leibeigene, weil ein, die Gärten und Hofräume abgrenzten und bis ins vorige Jahrhundert üblich seine Vögte dem Kloster Schaden zugefügt hallen (Nr. 60, 1283). Die Leibeige­ waren. Auch die Feldmark der Dörfer war einst von dem sogenannten Ringzaun nen konnten eine gewisse Freiheit erlangen, wenn sie sich in den Dienst der Kirche eingefriedet, damit das Vieh nicht eindringen konnte. An den Zufahrten waren begaben. Das war z. B. bei Dietrich Eylering aus Mandelsloh der Fall, der sich in .Misllore" eingebaut, weil die Fahrzeuge sonst nicht ohne weiteres die Felder den Dienst von Marienwerder begab (Nr. 70, 1 291). Sein Eigentümer, Ritter Her­ erreichen konnten. Zur Abschaffung der .feuergefährlichen Holzzäune" (bei bart von Mandelsloh, setzte dies fest. Einen förmlichen Freilassungsbrief konnte Bränden war häufig das Feuer über die trockenen Reisigmassen von einem Hofe Werner (Werneke), der Sohn des Stöckener Bauermeisters, erwerben. Ob er ihn zum anderen weitergelaufen): gegen eine Geldzahlung erhielt oder wegen irgendwelcher Verdienste, ist in der - HStA H, Hann. 74, Neustadt Nr. 1491 (1847 ff.) Urkunde von Herzog Wilhelm (Nr. 148, 1360) nicht vermerkt. Sein Vorgänger, Herzog 0110, halle bereits 1314 verfügt, daß die Eigenbehörigen ihre Sachen verkaufen oder verschenken durften (Nr. 104, 1314). Das dürfte eine Ursache für den Niedergang des Handels mit Eigenbehörigen sein: Vorher be­ erbten nicht die Kinder die leibeigenen Eltern, sondern die Besitzer. Bei den Teilungen und den hierbei abgeschlossenen Verträgen wird gewöhnlich ein Unterschied zwischen der .Generalteilung· und .Spezialteilung· gemacht. Er­ Cl.Schr iftenreihe zur Stadtgeschichte, Heft 3 stere betraf die Auseinandersetzung zwischen mehreren Ortschaften über ge­ meinschaftlich beweidete Flächen und den hierzu abgeschlossenen Vertrag (Re­ ,eß) - bei der letzteren ging es meist um die Auseinandersetzung innerhalb der Bisher erschienen: )orfschaften und den Besitz der einzelnen Bauern. Aber auch gemeinschaftlich jenutzte Gehölze, Moore usw. konnten geteilt werden; folgende Beispiele im Heft 1: Karl-Heinz Strehlke, Dörfliches Leben im Kaiserreich. iStA H: Streiflichter und Perspektiven aus der Rede zur Einweihung der 3enerolteilungen: Hann. 74, Neust. 2304 (1859), 2282 (1829), 2263 (1716- Heimatstube Garbsen. 1992 (vergriffen) 763), 2268 ff. (1777-1 792), 2314 (1709-1774), ;pezialteilungen: Hann. 74, Neust. 2322 (1766), 2335 (1713-1 778), 2338 (1668- Heft 2: Karl-Heinz Strehlke, Meine Schulzeit im Dritten Reich 1778, 1855, 1865-1 868). Einige der Garbsener Rezesse befinden sich im Stadtarchiv, weitere im Amt f. Mit einem Anhang von Rose Scholl, Nationalsozialistische Schul Agrarstruktur, Hann.-Limmer. erziehung in Garbsen. 1992

64 C.Schriftenreihe zur Stadtgeschichte, Heft 3 Garbsen 1993 ISSN 0940-0974