09 Besprechungen S 293 Drh 14.01.2009 11:48 Uhr Seite 293
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09_Besprechungen_S_293 drh 14.01.2009 11:48 Uhr Seite 293 Besprechungen Vorgeschichte Manfred K.H. Eggert, Archäologie. Grundzüge einer geht er dann auf die traditionelle Differenzierung zwi- Historischen Kulturwissenschaft. Verlag A. Francke, schen Geistes- und Naturwissenschaften ein. Dabei stellt Tübingen und Basel 2006. XIV sowie 305 Seiten, 27 sich für ihn heraus, dass diese Dichotomie noch immer Ab bildungen. sowohl die gängige administrative Praxis als auch die Diskussion innerhalb der Fächer und zwischen ihnen Die Auseinandersetzung mit den eigenen theoretisch- bestimmt. Die Frage, zu welcher dieser idealtypischen methodischen Grundlagen bildet einen wichtigen Be- Kategorisierungen die Archäologien zu rechnen seien, standteil jeder wissenschaftlichen Disziplin. Innerhalb beantwortet Eggert mit einer eindeutigen Zuweisung an der deutschsprachigen Archäologie gehört der Tübinger die Geisteswissenschaften. Wenn auch zahlreichen na- Professor Manfred Eggert zweifellos zu den Forschern, turwissenschaftlichen Verfahren in der modernen For- die diese Diskussion maßgeblich gefördert haben. Bei schung eine Schlüsselrolle zukommt, bleibt die zentrale seiner Arbeit ›Prähistorische Archäologie‹ von 2001 Fragestellung der archäologischen Fächer letzt endlich steht die Einführung in Konzepte und Methoden der historischer beziehungsweise kulturhistorischer Art. Prähistorischen Archäologie – letztere vorwiegend nicht In Kapitel III warnt Verfasser vor der Gefahr, die his- naturwissenschaftlich – im Vordergrund. Das vorlie- torische Aussagekraft der Archäologie mit der Qualität gende Werk ist dagegen darauf angelegt, die Archäolo- und Quantität ihrer Quellenbasis gleichzusetzen. Daher gie als historische Kulturwissenschaft zu umreißen und sei die noch immer weit verbreitete Bezeichnung als ihre Rolle sowie ihr Potential im Rahmen der histori- ›Wissenschaft des Spatens‹ unbefriedigend und reduk- schen Fächer zu bestimmen. Damit soll laut Verfasser tionistisch, ein Standpunkt, dem sich Rezensent an- ein Beitrag zur Entwicklung einer ›Archäologik‹ geleis- schließt. Dies sollte jedoch meines Erachtens keineswegs tet werden. Diese versteht er als archäologisches Gegen- mit dem – besonders von Anhängern der postprozes - stück zu den in der Geschichtswissenschaft unter nom- sualen Archäologie vertretenen – Ansatz verwechselt menen Bemühungen um eine ›Historik‹, das heißt um werden, nach dem für die Verbesserung des For- eine »Reflexion des historischen Denkens, durch die schungsstandes primär nicht neues Quellenmaterial, dessen Verfassung als Fachwissenschaft in den Blick sondern neue Theorien und Methoden erforderlich kommt« (S. 198). seien. Es geht vielmehr um eine ›theoriegeleitete‹ Quel- Das Werk umfasst insgesamt vierzehn Kapitel, die in lenerschließung, in der Empirie und Theorie in einem drei große Abschnitte gruppiert werden können. Nach dialektischen Verhältnis zueinander stehen. einigen einführenden Gedanken zur Fragestellung und Nach diesen einführenden Kapiteln erfolgt die sys - Struktur des Buches, sowie zu Aspekten wie dem Ver- tematische Darstellung der verschiedenen archäologi- hältnis der Archäologie zu den Naturwissenschaften schen Einzelfächer, deren Anordnung der zeitlichen oder zur Stellung der Feldarchäologie, liefern die Kapi- Tiefe ihres Forschungsgegenstandes entspricht: Prähis- tel IV bis X eine Darstellung der an deutschsprachigen torische, Vorderasiatische, Biblische, Klassische, Provin - Universitäten gelehrten archäologischen Einzelfächer. zialrömische, Christliche und Mittelalterliche Archäolo- Schließlich behandeln die letzten Kapitel grundsätz - gie. Dabei liegt der Schwerpunkt, wie zu erwarten, in liche Aspekte einer historisch-kulturwissenschaftlichen der Prähistorischen und der Klassischen Archäologie. Archäologiekonzeption. Etwas überraschend erscheint hingegen die Tatsache, Zu Beginn des Buches werden zunächst Zielsetzung dass die Ägyptologie bei dieser Analyse nicht berück- und Aufbau der Arbeit umrissen. Ferner erläutert Ver- sichtigt worden ist, eine Entscheidung, die Verfasser mit fasser Begriffe wie ›Archäologie‹ und ›Archäologien‹ ihrem als Universitätsfach vorwiegend philologischen oder ›Fach‹ und ›Disziplin‹. Im folgenden Kapitel II Charakter erklärt. 09_Besprechungen_S_293 drh 14.01.2009 11:48 Uhr Seite 294 294 Besprechungen Zusammenfassend soll durch die Einzelanalysen die Schlüsselrolle in der Etablierung der archäo -lo gischen Vielfalt und zugleich die Einheit der Archäologie erörtert Disziplin (z. B. (S. L. Dyson, In Pursuit of Ancient und vergleichend analysiert werden. Die Herausarbei- Pasts. A History of Classical Archaeology in the Nine- tung der konzeptuellen Grundlagen und der Arbeits- teenth and Twentieth Centuries [New Haven 2006]) weise der verschiedenen Fächer steht dabei im Mittel- zum Teil auch Kritik auf Grund seiner tradi tionellen punkt des Interesses. Um den vergleichenden Charak- kunsthistorischen Prägung erhalten hat. Der Verfasser ter dieser Analyse zu erleichtern, folgen Kapitel IV bis X bemängelt zwar die aus der Fachtradition resultieren- einem einheitlichen Schema, was allerdings gelegentlich den Beschränkungen, stellt aber gleichzeitig auch eine zu Wiederholungen führt, die an manchen Stellen die ganze Reihe von Ansätzen vor, die auf eine Erweiterung Lektüre etwas langatmig erscheinen lassen können. der methodischen und theoretischen Grundlagen zie- Wie bereits angedeutet, beginnt der Verfasser mit len. Gerade hier wäre aber eine knappe vergleichende der deutschsprachigen Prähistorischen Archäologie. Bei Darstellung der Entwicklung im englischsprachigen der Erläuterung ihrer Forschungsgeschichte befasst er Raum von Nutzen gewesen. Schließlich plädiert Eggert sich vorwiegend mit den beiden Grundtendenzen, die für eine umfassend kulturwissenschaft liche Ausrich- die Entwicklungsphase des Faches prägten. Dabei steht tung des Faches. Die Öffnung für sozialgeschichtliche Rudolf Virchow exemplarisch für den naturwissen- Fragestellungen signalisiert für ihn einen ersten Schritt schaftlichen, Gustaf Kossinna für den historisierenden in diese Richtung (S. 132). Ansatz. Die Instrumentalisierung der Archäologie im Das achte Kapitel gilt der Provinzialrömischen Ar- Dritten Reich bleibt dagegen so gut wie unbeachtet. chäologie, deren historische Rahmenbedingungen zum Hier wäre, wie auch später im Fall der Klassischen einen durch die literarischen, zum andern durch die Archäologie, eine ausführlichere Auseinandersetzung epigraphischen und numismatischen Zeugnisse be- wünschenswert gewesen (vgl. z. B. J.-P. Legendre u. a. stimmt werden. Dennoch ist das Potential dieses Faches [Hrsg.], L’archéologie nazie en Europe de l’Ouest [Paris in Bezug auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen ar- 2007]; A. Leube [Hrsg.], Prähistorie und Nationalsozia- chäologischen und schriftlichen Quellen bei weitem lismus [Heidelberg 2002]). Nach einer knappen – in noch nicht ausgeschöpft. Im folgenden Kapitel IX setzt allen Kapiteln vorhandenen – Darstellung von Aspek- sich Verfasser mit der Christlichen Archäologie ausein- ten wie Forschungsgegenstand, Arbeitsrahmen und ander. Diese sollte sich seines Erachtens nicht in eine Quellen befasst sich Eggert dann mit den konzeptuellen ›Archäologie der Spätantike und des Mittelalters‹ ver- Grundlagen und der Arbeitsweise des Faches, deren Er- wandeln, sondern weiterhin ihre Nähe zur Kirchenge- örterung er am Beispiel von Sophus Müller und Her- schichte als Stärke betrachten (S. 168–169). Schließlich mann Müller-Karpe durchführt. Dabei verwundert es endet die Erörterung der verschiedenen Einzelfächer in nicht, dass er trotz der Fortschritte der letzten Jahr- Kapitel X mit der Archäologie des Mittelalters, die in zehnte die fehlende Tradition in der Reflexion über Deutschland in allererster Linie an den Landesdenk- Theorie- und Methodenfragen bemängelt. Wie der rus- malämtern vertreten ist. Ungeachtet der Geringschät- sische Archäologe Leo S. Klejn (Is German Archaeology zung vieler Historiker hat dieses Fach die tradi tionellen Atheoretical? Norwegian Arch. Rev. 26/1, 1993, 49–54) Vorstellungen vom mittelalterlichen Leben grund legend bemerkt, hat diese Zurückhaltung allerdings nicht die differenziert und erweitert. Entwicklung von einigen durchaus interessanten Bei- Die Ergebnisse der verschiedenen Einzelbetrachtun- trägen zu theoretisch-methodischen Fragen verhindert, gen werden anschließend im elften Kapitel (»Grund- wenngleich diese meistens nicht als solche explizit for- züge der Archäologie«) zusammengefasst. Wie dieser muliert wurden. Überblick zeigt, handelt es sich bei der Archäologie Deutlich kürzer fällt Kapitel V aus, welches der Vor - um eine außerordentlich differenzierte Wissenschaft. derasiatischen Archäologie gewidmet ist. Die beträcht- Gleichzeitig kann aber auch eine Reihe von verbinden- liche zeitliche Ausweitung ihres Arbeitsfeldes stellt eine den Elementen ausgemacht werden. Dabei nennt Ver- der wichtigsten Entwicklungen dieses Faches während fasser das historische Anliegen, den besonderen Char- der letzten Jahrzehnte dar. Dagegen finden sich laut Ver- akter der Quellen, die darauf abgestimmte Methodik fasser noch wenige grundsätzliche Beiträge, die über das und Deutung sowie die gering entwickelte Neigung zu eigene wissenschaftliche Handeln reflek tieren. Gleiches expliziter Theoriebildung. gilt auch für die danach folgende Bib lische Archäolo- Ausgehend von einer Auffassung der Archäologien gie (Kapitel VI), die trotz aller Selbstständigkeit noch als historische Wissenschaften behandelt der Verfasser immer einen erheblichen Einfluss