Irouléguy: wo der Tannat König ist

Früher war Irouléquy kein Kleinod an der Grenze, sondern mit den Rebflächen in Spanien verbunden. Lang ziehen sich in Irouléguy die grünen Streifen zwischen Himmel und Erde. Auf Terrassen erklimmen sie steile Hänge mit Glimmerschiefer, rotem Sandstein, Keuper und Kalk. Rote Rosen wachen vor den Reihen mit uralten Stöcken im Vorland der Pyrenäen. Bereits seit der Römerzeit wird in dieser versteckten Südostecke von Südwestfrankreich Wein angebaut. Geschützt vor den kalten Nordwinden, reifen am Spalier vor allem rote Trauben wie Achéria, wie die Basken ihren Cabernet Franc nennen, und Cabernet Sauvignon. Doch vor allem Bordeleza, Tannat. Keine andere Traube entwickelt so viel Procyanidin wie sie. Power-Traube Tannat Drei bis vier Wochen lang steht sie in der französischen Basse- an der Grenze zu Spanien auf der Maische, wird im alten Holz ausgebaut – und ist mit jedem Schluck Gesundheit. Dies sagen nicht nur die rund 60 Winzer im kleinsten Weinbaugebiet Frankreichs, sondern auch die Ärzte. Procyanidin beugt Herz- und Kreislauferkrankungen vor und fängt freie Radikale. Das viel Gutes im Wein von Irouléguy steckt, wussten schon die Mönche des Augustiner-Klosters von Roncesvalles (baskisch: Orreaga). Sie begann ab 1120 den systematischen Anbau von Wein. Auf den Hügeln von Irouléguy ließen sie in 200 bis 400 m Höhe die ersten Reben pflanzen. Dazu gründete die Abtei ein Priorat am Standort des heutigen Friedhofs. Rosen zeigen, ob es dem Wein gut geht – und die Rebstöcke frei von Befall sind. Die Haupttraube von Irouléguy: Tannat. Himmlische Pilger-Tropfen Die Abtei Roncesvalles selbst lag auf dem höchsten Punkt des Jakobsweges nach Compostela. Der Camino Francés nach Santiago de Compostela begann im französischen Dorf Saint-Jean-Pied-de-Port (baskisch: Donibane Garazi). Er endete nach 25 km Fußmarsch und 800 Höhenmetern auf und ab im spanischen Örtchen Orreaga-Roncesvalles. Der dortigen Abtei oblag es, die Pilger zu versorgen. Die frommen Wanderer erhielten drei Tage lang kostenlos Kost und Logis, konnten sich mit warmem Wasser waschen, einen Haarschnitt erhalten und ihre Schuhe reparieren lassen. Da sauberes Trinkwasser knapp war, kam Wein auf den Tisch. Dazu pflanzten die Mönche von Ronceveaux Weinreben in den Hügeln von Irouléguy. Neben Wein kultivierten die Mönche auch Nuss und Apfel. Im Herbst kelterten aus den knackigen Früchten „sagardo“, Cidre. Die Flucht der Mönche Der Pyrenäenvertrag (Tratado de los Pireneos, 1659) beendete die endlosen Grenzkriege zwischen Frankreich und Kastilien. Und vertrieb die Mönche. Die Dörfler übernahmen die Rebhänge. Sie führen seitdem auf 230 Hektar Rebland in 15 Gemeinden den Weinbau fort. , , , Irouleguy, , , Ossés, Saint-Étienne-de-Baigorry, Saint- Martin-d’Arrossa – lauter winzige Winzerdörfer und doch groß im Kommen.

Bergwein der Basken Der einzige Wein aus den Bergen des Baskenlandes ist seit 1970 geschützt als AOC. Seit einigen Jahren erobert er Pariser Edellokale, begeistert den Präsidenten – und lässt Weinpäpste neugierig in den äußersten Südosten des Südwestens von Frankreich blicken. Jurançon bei Pau, ja, das war ihnen ein Begriff. Aber Iroléquy? Die Basken freut’s, und trinken am liebsten selbst ihre Tropfen. Für eine Weltkarriere ist das Terrain zu klein. Die Arbeit im Weinberg ist anstrengend. Und wie einst 100 Prozent manuell. 5.500 bis 6.000 Hektoliter ziehen die örtlichen Winzer jährlich auf Flasche. 70 Prozent sind Rotwein, 20 Prozent Roséwein und zehn Prozent Weißwein aus Hondarri Zuri (Corbu Blanc), Xuri Zerratu (Petit Courbu), Izhiriota (Gros Maseng) und Izkiriota Itipia (Petit Maseng). Spät, erst im Oktober, beginnt die Weinlese in Iroléquy. In Iroléquy ist der Weinbau noch 100 Prozent Handarbeit. Die Winzer von Irouléguy Domaine Abotia Ab 1895 züchteten die Errecarts Schweine und verkauften sie nach . Im frühen 20. Jahrhunderte sattelten sie auf Weinbau um, kehrten dann aber zur Tierzucht zurück. Milchkühe, Schweine – in den 1980er-Jahren war solch eine reine Tierzucht nicht mehr lukrativ. Jean-Claude und Louisette Errecart ersetzten die Kühe durch Reben, ergänzten die Schweinezucht mit Rebgärten. Ihre terrassierten Parzellen erstrecken sich auf zehn Hektar mit lehmigen, schluffigen und steinigen Böden im Schatten des Pic d’Arradoy. Ihr Sohn Peio, seit 2001 mit im Team, führte weiße Rebsorten in Sortiment ein. • 64220 Ispoure, Tel. 05 59 37 03 99 Domaine Améztia Die Costeras sind eigentlich Schafbauern. Ihr Ossau-Iraty ist ein großartiger AOC-Käse! Doch Wein können sie auch. 2001 vinifizierte Jean-Louis Costrea seinen ersten Jahrgang in der AOC Irouléguy. 2013 übergab er die Weinherstellung an seinen Neffen Gexan. Seit 2015 unterstützt ihn sein Bruder Eñau. Gemeinsam bauen sie heute auf acht Hektar in drei separaten Parzellen hauptsächlich Tannat und Gros Manseng an. Ein Drittel der Rotweine reift 18 Monate in alten Fässern aus französischer Eiche zur Vollendung. Die restlichen Rot- sowie alle Weißweine kommen in Edelstahltanks. • Guermiette, 64430 Saint-Étienne-de-Baïgorry, Tel. 06 73 01 27 58, https://domaine- ameztia.com Domaine Arretxea Michel Riouspeyrous hatte in den 1980er-Jahren Zweifel, ob Weinbauer wirklich ein sicherer Job sein würde. So hat er erst ein wenig studiert, ist viel zwischen Senegal und Argentinien umher gereist … und wurde schließlich Lehrer für Landwirtschaft. Doch das familiäre Erbe saß tief. Der Großvater war Winzer gewesen, seine Frau Thérèse Winzertochter aus dem Elsass. Michel hängt das Lehrerdasein an den Nagel. Er begann den Weinbau bei null. Und anders als die Vorfahren. Bewusst lokal und biodynamisch. Seit 1998 macht er das nun, und ziemlich erfolgreich. Inzwischen ist auch sein Sohn Iban ins Unternehmen eingestiegen. Auch als Trio sind sie innovativ. Gemeinsam mit der baskischen Töpferei Goicoechea haben die Riouspeyrous das „Dolium“ wieder in den baskischen Weinbau eingeführt und gären und lagern wie vor 3000 Jahren den Wein in der bauchigen Amphore. • 64220 Irouléguy, Tel. 05 59 37 33 67 Domaine Brana Die Wurzeln dieses Weinguts liegen in einem Weinhandel, den Pierre-Etienne Brana 1897 in begonnen hatte. Sein Sohn Jean fügte dem Handel den eigenen Weinberg hinzu: 19 ha bester Böden mit Sandstein, Kalkstein und Ton in den Gemeinden Ispoure und Bussunaritz. Sein Sohn Étienne hatte andere Pläne. Gemeinsam mit seiner Frau Adrienne gründete er die Destillerie, bepflanzte einen Obsthain mit Williamsbirnenbäumen, und stellt seitdem Gins, Liköre und Lebenswasser aus Früchten her. Inzwischen haben ihre Kinder Martine und Jean den Familienbetrieb übernommen. Martine zaubert beim Brennen mit Früchten, Gewürzen und Kräutern. Jean hat die Rebgärten zukunftsfit gemacht und für den Betrieb das höchste französische Siegel für Nachhaltigkeit und Umweltschutz erhalten (HVE/Haute Valeur Environnementale, Stufe 3). • 3 Bis, Avenue du Jaï-Alaï, 64220 Saint-Jean-Pied-de-Port, Tel. 05 59 37 00 44, www.brana.fr Domaine Etxegaraya Zu Füßen des Jara liegt das Etxegaraya-Gut. Seit 1850 betreibt die Familie Hillau heute in fünfter Generation Weinbau auf sieben Hektar. Auf den Terrassen wachsen ausschließlich Tannat, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc – und das an sehr alten Stöcken! • Marianne Hillau, Domaine Etxegaraya, 64430 Saint-Étienne-de-Baïgorry, Tel. 05 59 37 23 76, https://domaine-etxegaraya.fr Domaine Gutizia Das jüngste Weingut der Appellation ist – auch – eine touristische Attraktion. Sébastien Clauzel und seiner Partnerin Cécile Saba, die es 2011 gemeinsam gegründet haben, organisieren zweimal pro Woche interaktive Besichtigung für Erwachsene und Kinder. Wer mag, kann bei ihm im Mobil Home übernachten! • quartier Leisparz, 64430 Saint-Étienne-de-Baïgorry, Tel. 05 59 37 52 84, www.gutizia.fr Domaine Ilarria Im Dorfzentrum von Irouléguy fällt es euch bestimmt gleich auf, das alte, typische Haus der Basse-Navarre mit seinem weißen Putz, den grünen Fensterläden, Blumentöpfen vor der Fassade, Bottichraum und Keller voller Fässer. Sein Name Ilarria erinnert an eine Moorlandschaft: Iri (Ort) larria (Moore). Vom 30 ha großen Grundstück hat Peio Espil zehn Hektar mit Reben bepflanzt – zwei Hektar mit den weißen Trauben Petit Mangan und Courbu), acht in Rot (45% Tannat, 35% Cabernet Franc, 20% Cabernet Sauvignon). Alle Rebgärten sind natürlich begrünt. Einzig Schafe bearbeiten den Boden. Das sorgt zwar anfangs für niedrige Erträge (25 Hektoliter/Hektar), zeigt sich aber in späteren Jahren im Glas. Schwefel kommt nur bei der Füllung in den Wein, und das minimal. Oder gar nicht, wie beim Irouléguy Rouge sans sulfites ajoutés. • Bourg, 64220 Irouléguy, Tel. 05 59 37 23 38, http://domaine-ilarria.fr

Die Genossenschaftskellerei mit ihrer neu gestalteten espace découverte für Besucher findet ihr seit 1952 in Saint-Étienne-de-Baigorry. Rund 90 Weinbauern liefern ihre Lese dorthin, wo die Trauben verarbeitet, abgefüllt und verkauft werden. Wie, das verraten Führungen. Fast die gesamte Produktion von rund 650.000 Flaschen bleibt im Land. Nur fünf Prozent der Tropfen werden ins Ausland exportiert. • Route de Saint-Jean-Pied-de-Port, 64430 Saint-Etienne-de-Baïgorry, Tel. 04 68 32 46 34, www.cave-irouleguy.com