P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien · Plus.Zeitung 08Z037896 P Einzelpreis € 2.90 · Dezember 2010/Jänner 2011

ILLUSTRIERTE

GEGRÜNDET 1897 VON THEODOR HERZL

AUS DEM INHALT Der Holocaust in der arabischen Welt 5 Lachen gegen Putin 7 Friedenspreis für David Grossmann 9 Der unvergängliche Zauber von „Kawana“ und hohem „C“ 10 Der israelische Kibbuz feiert 100 Jahre 12 „Il Postino“ im Theater an der Wien 18 Frida Kahlo und ihre jüdischen Förderer 19

Unser Titelbild von Jakov Bararon trägt den Titel Massada. Massada wurde zu einem Symbol der Entschlossenheit eines Volkes, in seinem eigenen Lande frei zu sein. Nach zweitausend Jahren bleibt das Opfer Eleazar ben-Ya'irs und seiner Kameraden für die jüdische Nation heute genau so wichtig wie es in jener vergangenen Zeit war. Viele Generationen hin- durch wurde die Geschichte von Massada als eine halb legendäre Erzählung betrachtet. Im Jahre 1963 wurde Massada von einer gro§en internationalen Expedition unter der Leitung von Prof. Yigael Yadin ausgegraben. Die zweijährigen Grabungsarbeiten forderten die „Legende" ans Licht der Geschichte und enthüllten bis dahin unbekannte Einzelheiten. Der in Belgrad geborene und seit 1992 in Wien lebende Künstler ist stark mit alten jüdischen Traditio- nen verwurzelt, seine Werke sind geprägt von romanti- scher Nostalgie und lebendiger Gegenwart.

ch wei§ nicht, ob es passend und richtig Die erste Frage geht an die Verhandlungs- ihrem unabhängigen Staat das Territorium kann es selbstverständlich multiple Identitä- war, im Rahmen der Friedensverhand- führer der Palästinenser. Ich hoffe, dass trotz des Staates Israel weiter als ãbesetzte Ge- ten geben (wer wüsste das besser als die Ju- Ilungen von den Palästinensern zu for- aller Hindernisse am Ende ein unabhängiger biete" betrachten, die zur palästinensischen den), aber die Sache ist doch alles andere als dern, Israel als den jüdischen Nationalstaat palästinensischer Staat an der Seite des Heimat gehören, wird dies den gegenseitigen einfach. anzuerkennen. Aber da die Frage nun einmal Staates Israel entstehen wird. Aber da der Versöhnungsprozess bestimmt nicht erleich- In einer von historischen Spannungen ge- aufgeworfen worden ist, kann man die ent- Begriff „Palästina" im arabischen Bewusst- tern. Eine zweite Frage richtet sich an die ladenen Atmosphäre könnten einige Klar- schieden und ausdrücklich negative Reak- sein das gesamte Gebiet zwischen dem Mit- arabischen Bürger Israels: Ein Teil ihrer poli- stellungen die Stellung der israelischen Ara- tion der palästinensischen Führung, von telmeer und dem Jordan umfasst und nicht tischen Führung zieht es vor, sich selbst als ber als gleichberechtigte Bürger unterstützen Mahmoud Abbas und Saeb Erekat sowie der lediglich das Westjordanland und den Gaza- „Palästinenser israelischer Staatsbürger- – eine Herausforderung, die nach Gründung Arabischen Liga, nicht ignorieren. Da die Streifen, ist den führenden Köpfen des schaft" zu bezeichnen, was selbstverständ- eines unabhängigen Palästinas noch dringli- Wurzel des Konflikts in der arabi- cher für Israel wird; werden doch schen Nichtbereitschaft liegt, das alle möglichen sicherheitsfixierten Selbstbestimmungsrecht des jüdi- PROVOKANTE FRAGEN israelischen Ausreden nicht mehr schen Volkes und überhaupt die dasselbe Gewicht und dieselbe Existenz eines jüdischen Volkes zu Von Shlomo Avineri Gültigkeit haben wie zuvor. Es sind akzeptieren, ist klar, dass hier ein nicht ein- zukünftigen palästinensischen Staates die lich ihr gutes Recht ist. Aber man kann nicht dies schwierige Fragen, und sie überhaupt zu faches Problem vorliegt. Wenn die palästi- Frage zu stellen, ob ihnen klar ist, dass das darüber hinwegsehen, dass diese Selbstdefi- stellen, könnte als Versuch der Verhand- nensische Seite Fragen aufwirft, die das We- Territorium Israels nicht Teil von Palästina nition mit der Gründung eines unabhängigen lungsbehinderung betrachtet werden. Aber sen des jüdischen Selbstbestimmungsrechts sein wird Ð und auch nicht als solches im Palästinas problematisch wird. Bedeutet ich bin überzeugt, dass das Gegenteil wahr berühren, darf man vielleicht auch der paläs- palästinensischen Narrativ und in Schul- diese Definition, dass sie Palästina – das ist: Gerade wer wie ich die Lösung von zwei tinensischen Seite einige Fragen stellen Ð so büchern dargestellt wird. So wie die meisten dann bereits ein unabhängiger Staat sein Staaten für zwei Völker unterstützt schwer und kompliziert sie auch sein mögen. jüdischen Bürger Israels klar zwischen dem wird Ð als ihren Staat und ihre Heimat be- und die volle rechtliche Gleichstellung Damit es keine Missverständnisse gibt: So ãStaat Israel" und dem ãLand Israel" unter- trachten? Bedeutet das gleichzeitig, dass sie der israelischen Araber will, sollte, ja wie die jüdische Selbstbestimmung Sache scheiden, muss auch Ð ihnen und uns Ð klar letztlich ihre Wohnorte – Galiläa, das ‚Drei- muss sie stellen. der Juden ist, ist die palästinensische Selbst- sein, dass Akko und Haifa und Yafo und eck‘, Akko, Haifa, Yafo Ð als Teil Palästinas bestimmung Sache der Palästinenser, und Ramle und Be’er Sheva nicht Teil von Paläs- betrachten, das bereits ein Staatswesen sein Shlomo Avineri ist Emeritus für Politische tina sind. Dies ist eine komplizierte Angele- wird und nicht nur ein geographischer Wissenschaften an der Hebräischen Universität nicht der Juden. Aber Juden dürfen in diesem Jerusalem. Zusammenhang doch einige Fragen stellen. genheit, aber wenn die Palästinenser in Raum? In der modernen und liberalen Welt

Schöne Feiertage unseren Lesern und Inserenten von Redaktion, Verwaltung und Druckerei Seite 2 Dezember 2010/Jänner 2011 Dezember 2010/Jänner 2011 Seite 3 Seite 4 Dezember 2010/Jänner 2011 POLITIK

RECHT AUF RÜCKKEHR ein Volk, kein Land. Kein Land, kennen müsste. Wie kann der Islam, der Ben S. Cohen, Associate Director of Communications des AJC, hat in seinem in kein Staat. Die fadenscheinige derzeit mehr denn je motiviert und der Huffington Post erschienen Artikel einen Skandal bei der UNWRA aufge- KDelegitimierung des jüdischen selbstbewusst geworden ist und sich auf deckt, dessen Opfer Andrew Whitley, der Direktor des New Yorker UNWRA Staates in einer kritischen Phase von einem Feldzug zur Eroberung der Welt Büros wurde. Karl Pfeifer hat ihn für die INW übersetzt und redigiert. Friedensgesprächen, die endlich in der befindet, ausgerechnet im Herzen seiner Zweistaatenlösung münden sollen, um Macht eine andere Zivilisation, die stark hitley sagte in einer Konferenz in mein aufrichtiges Bedauern aus und meine Ent- den langen Konflikt zu beenden, weist ist und sich als unbesiegbar erwiesen hat, Washington, dass das so genannte schuldigung für jeden Schaden, den meine auf seinen Kern und auf seine Ursache akzeptieren? Nur so ist der Konflikt mit W„Recht auf Rückkehr" wahrschein- Worte der Sache der palästinensischen Flücht- hin. Die muslimische Welt, ob radikal Israel zu verstehen, so haben ihn die Ju- lich niemals ausgeübt werden kann und dass linge verursacht haben und für jede Kränkung, oder moderat (was immer das hei§en den im Heiligen Land immer gesehen die Anstrengungen besser für die Integrierung die ich vielleicht verursacht habe." Der Brief möge), ist noch keinen Auenblick bereit und wahrgenommen, zusammen mit al- endet so: ãDie UNWRA ist frei, meine Er- der palästinensischen Flüchtlinge in den Län- gewesen, einen nicht-muslimischen Staat len Hürden, Hindernissen und Gefahren, klärung in jeder Weise zu benützen, wie sie es dern unternommen werden sollten, in denen sie in ihrer Mitte zu akzeptieren Ð und dort die der Aufbau ihrer alt-neuen Heimat seit Jahrzehnten leben. Zu bemerken sei, dass für richtig hält. Es gibt keine Notwendigkeit für wo sich andere Realitäten durchgesetzt impliziert hat. Im Westen war man nie- außerhalb dem beschränkten Wahrnehmungs- eine Antwort." haben, wie zum Beispiel am indischen mals bereit, die Lage Israels so zu be- horizont der UNWRA die Anmerkungen von Hätte die „Israel Lobby" sich eine solche Subkontinent, hat es noch nie Frieden greifen, oder wer sie begriff, wollte Israel Whitley kaum innovativ sind, weil die von ihm traurige Zurückweisung des Rechtes für freie behauptete Wahrheit seit Jahrzehnten bekannt Meinungsäußerung von einem Kritiker der isra- und Akzeptanz zwischen den muslimi- ganz einfach nicht, weil man ja, wie man ist, vor allem bei palästinensischen und arabi- elischen Politik beschafft, dann wäre ein Chor schen Staaten und ihren andersgläubigen heute so gut sieht, jedem Konflikt mit schen Führern. Nichtsdestoweniger kommend der „Ich habe es ja gesagt" von den Dächern er- Nachbarn gegeben. Das ist die Welt, in dem Islam ziemlich untertänig aus dem von einem UNWRA-Beamten waren diese Be- klungen. Aber über Whitleys Schicksal wurden der sich der Weg geht, so- merkungen von enormer Wichtigkeit. Sie hät- keine Beschuldigungen gegen ãZensur", Existenzkampf gar auf Kosten ten – und sollten – eine sehr benötigte Diskus- „Maulkorb„ oder „McCarthysm" erhoben… von Israel seit der eigenen sion auslösen, wie man die Palästinenser von UNWRA Ð es ist notwendig dies zu sagen Ð 1947 abspielt EINFACH Integrität und ihrer ãgrausamen Illusion" (von Whitley ge- hat Whitley nicht ohne von au§en kommenden und es ist eine Identität. An- prägt) befreien kann, dass sie eines Tages ein Druck entmannt. Zusätzlich zu den arabischen Illusion zu statt Israel als Heim in den Städten und Ortschaften Israels Regierungen (übrigens keine von diesen befin- meinen, dass REALISTISCH das Bollwerk beanspruchen können. det sich unter den zwanzig Spitzenspendern der die Politiker, der Abwehr im Das war bereits vor mehr als sechzig Jahren UNWRA) waren es islamistische Terroristen, die heute am Kampf um die eine Illusion, als diese Forderung zuerst erho- westliche Gruppen wie Al Awda, welche sich anderen Ende des Verhandlungstisches Errungenschaften der modernen und of- ben wurde bezüglich der 700.000 arabischen selbst als „die Koalition für das palästinensi- sitzen, die sogenannten gemäßigten Ara- fenen Gesellschaft zu unterstützen, Flüchtlingen des Krieges 1948 und es bleibt sche Recht auf Rückkehr" nennt und von Kali- ber, den Frieden wollen, bereit sind, ei- scheint es sicherer und einfacher, allerlei auch jetzt eine Illusion, wenn die Zahl der Palä- fornien für das Blut von Whitley bellt, deren nen jüdischen Staat wirklich anzuerken- Gründe zu erfinden, um sich gegen Israel stinenser, die von der UNWRA registriert sind, Anhänger bekannt sind und solche charmanten nen und zu partnerschaftlichen Bedin- zu stellen. Dazu ist jede Absurdität gut Lieder singen wie ãdie Juden sind unsere auf fast fünf Millionen gewachsen ist, aus dem gungen an seiner Seite zu existieren. Hät- genug. einfachen Grund, weil die Palästinenser im Ge- Hunde", welche die UNWRA unter Druck setz- ten sie diesen Wunsch ernsthaft gehegt gensatz zu anderen Flüchtlingsgruppen ten. Al Awda veröffentlicht triumphierend ein Unser Volk und unsere Freunde müs- und Friede wollen, wäre Arafat damals in genötigt werden, den Flüchtlingsstatus ihren e-mail von Sami Mshasha von der UNRWA, sen aber wissen: jetzt, wo der Druck zum Camp David, als er von israelischer Seite Nachkommen zu vererben. der dankbar die Rolle dieser Organisation aner- Abschluss eines Friedens immer stärker Whitleys realistische Analyse kostete ihm kennt, von Whitley eine Entschuldigung zu er- durch Barak die weitreichendsten Zuge- werden wird, geht der lange Kampf in seine Position bei der UNWRA und wie man halten. ständnisse und die allerbesten Bedingun- eine ganz gefährliche Runde. Kein An- sehen kann auch seine Würde. Zornig kritisiert Alles in allem ist die Affäre Whitley ent- gen für einen palästinensischen Staat wurf, keine Verleumdung, keine Lüge von Hamas und bis zur jordanischen Regierung schieden unerfreulich, mit keinen Gewinnern vorgelegt bekam, nicht vom Verhand- und Entstellung von Tatsachen werden wurde Whitley gezwungen, in einem Brief an außer den Fanatikern, deren Hass für Israel be- lungstisch ganz einfach weggegangen. ausgelassen werden, alle Feinde werden Christopher Gunness, Sprecher der UNWRA, deutet, dass sie ganz zufrieden sind, wenn auch Heute, so viele Jahre und Konflikte aus den Schlupflöchern treten, um den öffentlich zu widerrufen. zukünftige Generation von Palästinensern in ohne Ende später, ist es doch reine jüdischen Staat in die Ecke zu treiben, Sein Ton ist so kraftlos und demütig, dass arabischen Ländern leben werden mit dem min- Augenauswischerei, der Welt vorzuma- zu verleumden und schließendlich für der Leser gezwungen ist sich zu wundern, ob deren Status eines Flüchtlings, denen höhere chen, der Ausbau der jüdischen Siedlungen das Scheitern des Friedensprozesses wie diese Wörter wirklich die von Whitley sind, Bildung, Reisemöglichkeit und alle Zuwendun- muss gestoppt werden, denn das sei das bisher verantwortlich zu machen Ð und oder ob das, in der Manier des KGB, von je- gen, die ein freies Leben lebenswert machen, wahre Hindernis für die Erreichung von das Rad wird sich ohne Lösung weiter- mand anderen verfasst wurde. „Ich drücke nicht gestattet werden… Frieden und Versöhnung. Die Siedlungen drehen. Kein Wunder, dass die Israelis im Westjordanland und die Ausweitung das lange Ringen satt haben und sich von Jerusalem als Folge des Wachstums persönlich nur noch um ihr eigenes NOBELPREISTRÄGER GEGEN BOYKOTT einer Gro§stadt sind willkommene Aus- Wohl und Weiterkommen in dem schö- reden für die Sabotierung des Frieden- nen Land kümmern. Es gibt kein schö- oger Kornberg und Steven Weinberg belpreis für Chemie 2004), Ökonom Daniel sprozesses, den die Araber nie ab- neres Land, es gibt kein besseres Leben Rhatten genug. Die Universität von Jo- Kahneman, Hirnforscher Eric Kandel und hannesburg (Südafrika) hatte der Ben-Gu- Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel. Keines- schlie§en werden, weil sie nie und nim- für Juden als dort. Mögen sie es sich be- rion-Universität Ende September damit ge- wegs sind jedoch alle Unterzeichner Juden mer bereit sein werden, Israel als Staat wahren und lasst uns alle ihnen dabei droht, die Zusammenarbeit aufzukündigen, und/oder Israelis. völkerrechtlich anzuerkennen. Seit der helfen, jeder wie er kann, in Solidarität weil diese mit der israelischen Armee zusam- ãWir glauben“, heißt es in der Erklärung, Rückkehr der Juden in ihr Land, das ein und Liebe. Es geht dabei auch um uns menarbeite und damit angeblich am Tod von ãdass akademische und kulturelle Boykotte muslimisches Land geworden war, ist es selbst Ð um unsere geschichtliche Her- Palästinensern mitschuldig sei. Etwa 200 und Sanktionen unvereinbar sind mit den Prin- nie um etwas anderes gegangen. In der kunft, um unsere Identität, um die Zu- Mitarbeiter anderer Universitäten in Süd- zipien der Forschungs- und Meinungsfreiheit sekulären Welt ist es schwer, so etwas kunft des Judentums auf der ganzen afrika schlossen sich dieser Initiative an, die und durchaus den Tatbestand der Diskriminie- wahrzunehmen und zu begreifen, aber Welt, das nur in Verbundenheit mit Is- auch von Erzbischof Desmond Tutu aus- rung aufgrund der nationalen Herkunft er- das sind die Fakten, die man endlich er- rael überleben kann. Rita Koch drücklich gutgeheißen wurde. Zuvor hatte füllen könnten.“ bereits die Studentenvertretung der Univer- In dem Text, der am 1. November auf der sity of California in Berkeley gefordert, die Website der Initiative ãScholars for Peace in Zusammenarbeit mit israelischen Universitä- the Middle East“ (SPME) veröffentlicht ten aufzukündigen, um keine „Kriegsverbre- wurde, hei§t es weiter: ãWir, die unterzeich- chen“ zu unterstützen. nenden Nobelpreisträger, appelieren an Stu- Diese beiden Ereignisse der letzten Monate denten, Dozenten und Universitätsleitungen, waren nur die vorläufigen Endpunkte in einer Aufrufe und Kampagnen zu bekämpfen und langen Reihe von Boykottaufrufen und Sankti- zurückzuweisen, die zu Boykotten und Sank- onsforderungen gegen wissenschaftliche Ein- tionen gegen israelische Wissenschaftler, aka- richtungen in Israel Ð und somit der letzte demische Institutionen und Forschungszentren Tropfen, der das Fass für die beiden Wissen- aufrufen.“ schaftler zum Überlaufen brachte. Genfor- Derweil gibt es aus Südafrika Erfreuliches scher Roger Kornberg, Chemienobelpreisträ- zu berichten: Die Kapstädter Oper hörte nicht ger von 2006, und sein Kollege Steven Wein- auf Bischof Tutu. Dieser hatte das Ensemble berg, der 1979 den Nobelpreis für Physik er- aufgefordert, ein für November geplantes halten und sich schon früher gegen akademi- Gastspiel in Tel Aviv abzusagen, denn, so Tutu sche Israelboykotte ausgesprochen hatte, grif- laut Radio Vatikan: ãDie Oper von Tel Aviv fen zur Feder und verfassten eine Erklärung, in wird vom israelischen Staat subventioniert. der sie vehement die Boykottforderungen ge- Sie zieht internationale Künstler an und will genüber israelischen Wissenschaftlern und damit den trügerischen Eindruck erwecken, Forschungseinrichtungen kritisieren. Die Er- dass Israel eine zivilisierte Demokratie wäre.“ klärung wurde von 36 weiteren Nobelpreisträ- Der Direktor der Oper erklärte, man werde wie gern mitunterzeichnet Ð darunter Aaron geplant am 12. November in Tel Aviv Porgy Ciechanover vom israelischen Technion (No- and Bess aufführen. Ingo Way Dezember 2010/Jänner 2011 Seite 5

DER HOLOCAUST IN MILITÄRGEHEIM- DIENSTCHEF DER ARABISCHEN WELT AMOS YADLIN ZUR Die renommierte Historikerin Esther Webman forscht am Moshe Dayan SICHERHEITSLAGE Zentrum für Nahost- und afrikanische Studien und am Stephen Roth Der scheidende Leiter des israelischen Institut für das Studium des zeitgenössischen Antisemitismus an der Militärgeheimdienstes, Generalmajor Universität Tel Aviv. Sie ist Autorin mehrerer Bücher und vieler Artikel. Amos Yadlin, hat seine letzte Einschät- Das mit Meir Litwak 2009 publizierte Buch erhielt 2010 den ersten zung zur Sicherheitslage im Nahen Osten Preis des Washington Institute for Near East Policy. vor dem Au§en- und Sicherheitspoliti- schen Ausschuss der Knesset vorgetra- INW: In Ihrem Buch ãVon der Empathie bis in Palästina sogar mehr leiden werden als die gen. Yadlin geht nach fünfjähriger Amts- zur Leugnung / Arabische Reaktionen auf den Juden. zeit in den Ruhestand. ãDie ruhige Si- Holocaust (Koautor Meir Litwak) betonen INW: Wann begannen sie die Zionisten zu cherheitslage der jüngsten Zeit ist Sie, dass Sie „als Juden und Israelis” über beschuldigen, sie würden den Holocaust aus- beispiellos, aber man sollte sich von ihr dieses Thema schreiben und ãversuchten, nützen? Esther Webman nicht täuschen lassen; die Aufrüstungs- sich so leidenschaftslos wie möglich an- E. Webman: Wiederum, es ist erstaunlich, prozesse in der Region gehen weiter, und zunähern”. Das ist doch natürlich? bereits ganz am Anfang. Wir gingen bei un- Land und die hatten das Recht zur Selbstbe- wir werden es in der nächsten Kampf- E. Webman: Wir sind uns bewusst, dass wir serer Forschung zu diesem Thema von der stimmung. runde mit mehreren Fronten zu tun ha- als Israelis und Juden in diesem Konflikt in- jetzigen Lage aus und wir wussten, dass diese E. Webman: Genau, aber in ihren Augen wa- ben. Die Konfrontation wird schwerer volviert sind und man nimmt an, dass wir mit Themen ãdas Ausnützen des Holocausts ren das Neuankömmlinge. sein, mit mehr Opfern", so Yadlin. In Be- einem gewissen Gepäck kommen, das in den durch die Zionisten" und sogar ãdie Zusam- INW: Was denken Sie über Historiker und zug auf Syrien warnte der Militärgeheim- Augen von anderen befangen oder unausge- menarbeit der Zionisten bei der Vernichtung Journalisten, die sagen, wir müssen über ge- dienstchef vor den Raketensystemen, die wogen wirkt und trotzdem denke ich, haben der Juden"… wisse Themen schweigen, denn sie könnten Damaskus von Russland erworben habe: wir Ð so weit wir konnten Ð ein objektives INW: Dies wurde bereits vor der Errichtung die Möglichkeit eines palästinensisch-israeli- ãDie betreffenden Systeme sind hochent- und umfassendes Bild gegeben von dem was des Staates Israel thematisiert? schen Friedens beschädigen? Wir sollten wickelt, meist beweglich und in der geschah, mit einem aufrichtigen Versuch zu E. Webman: Ja, da gab es diejenigen, die nicht über Antisemitismus und Holocaust- Lage, Flugzeuge der Luftwaffe zu tref- verstehen, warum diese oder eine andere Po- das bereits 1944, 1947 und Anfang 1948 be- leugnung in der arabischen Welt sprechen. fen. Die effektiven, tödlichen Raketen sition im öffentlichen Diskurs oder von den tonten. Noch bevor Israel gegründet wurde, Hören Sie das auch? werden es schwieriger für die Luftwaffe arabischen Führern eingenommen wurde.Wir haben sie den Zionismus mit dem Nazismus E. Webman: Selbstverständlich höre ich das, machen, ihre Operationsfreiheit zu wah- ren. In der Vergangenheit schätzten wir, haben nie behauptet, dass diese oder eine an- verglichen und als wir das Material von doch das sollte nicht tabuisiert werden. Denn den Himmel über Syrien innerhalb von dere Auffassung die einzige ist, die existiert. 1945-1948 überprüften, fanden wir die sel- eines der Probleme des Friedensprozesses Ð 48 bis 72 Stunden unter unsere Kontrolle Wir versuchten aufzuzeigen, wie verschieden und ich habe sehr an Oslo geglaubt, trotz der ben Themen wie heute, die aber noch nicht so bringen zu können. Gegenwärtig geht die die Auffassungen sind, insbesondere seit den ausgefeilt waren wie heute. Im April 1948 Tatsache, dass es eine Vereinbarung der Füh- rer war und nicht von unten kam Ð war, dass Einschätzung dahin, dass es länger dau- 1990er Jahren. haben wir das Geschehen in Dir Yassin und ern wird und wir mehr Verlust haben es trotz des Vertrages zu einer Aufwiegelung INW: Sie haben in Ihrem Buch zwischen den wir finden sofort den Vergleich zwischen den werden." Yadlin kam auch auf den Stand gegen Israel und die Juden kam. verschiedenen Themen und Perioden unter- Naziverbrechen und den von Juden gegen des iranischen Atomprogramms zu spre- In den Schriften über Israel und über Juden schieden, schauen wir uns die erste Periode Palästinenser unternommenen Aktionen. chen, wobei er auf die 3000 bis 4000 1945-1948 an. Doch anders als später gab es allerlei Stel- und in allerlei Predigten von verschiedenen Zentrifugen hinwies, die momentan zur E. Webman: Tatsächlich ist das die interes- lungnahmen, es gab einen Versuch, das jüdi- Imame in der arabischen Welt wurde nicht Urananreicherung in Betrieb seien: ãEs santeste Periode. Denn da wurden die Grund- sche Leiden vom Palästinaproblem zu tren- der Frieden gefördert, sondern in sehr vielen ist nur eine Frage der Zeit und des konti- lagen der Annäherung an den Holocaust ge- nen; trotzdem, schon damals wurde das Aus- Fällen versucht Feindschaft zu erzeugen. nuierlichen Betriebs der Zentrifugen, bis legt. Wir bemerkten, dass es einen Konflikt ma§ und die historische Bedeutung des Holo- Man kann nicht Frieden haben wollen und sie (die Iraner) einen Anreicherungsgrad gab zwischen den Informationen, die in den caust verharmlost und man beschuldigte die auf der anderen Seite weitermachen mit der von 90% erreichen und das Material mi- Nahen Osten gelangten über das, was in Juden für ihr Schicksal verantwortlich zu Verleumdung desjenigen Volkes, mit dem litärisch nutzen können." Auch das be- Deutschland und den Konzentrations- und sein. ãWir sollen doch nicht diejenigen sein, man versucht Frieden zu machen. Wir hatten drohliche Erstarken der Hisbollah lie§ Vernichtungslagern mit den Juden geschah die den Preis für die Verbrechen anderer an dieses Problem auch mit der Palästinensi- der Generalmajor nicht unerwähnt. und die Araber sofort mit einem Dilemma einem anderen Ort zu bezahlen haben", diese schen Autonomiebehörde (PA), doch dort ist konfrontiert wurden, als sie realisierten, dass Argumentation wurde bereits ab Kriegsende die Lage ein bisschen anders und mehr und mehr ist diese Art von Antisemitismus vor al- ERHÖHTE die Sache der DPs (Displaced Persons) in benützt. lem bei Islamisten vorzufinden. Palästina geregelt werden sollte. Als sie INW: Nakba war eine selbst zugefügte SICHERHEITS- Doch unglücklicherweise sind Antisemitis- wahrnahmen, dass die Zionisten sich immer Tragödie und die Palästinenser mussten kei- VORKEHRUNGEN mus und gewisse Vorurteile, die den klassi- mehr für die Errichtung eines Staates einset- nen Preis bezahlen, sie hätten ja ihren eige- schen Antisemitismus charakterisieren Ð die AM BEN-GURION- zen, aber andererseits wussten sie, dass die nen arabischen Staat haben können? es so früher nicht gab – in die arabische öf- Juden in einer fürchterlichen Weise verfolgt E. Webman: Richtig, aber versuchen Sie FLUGHAFEN fentliche Meinung eingedrungen. Das gilt wurden und sie waren gezwungen einen Weg doch, die Sache von ihrem Standpunkt zu se- Aufgrund der jüngsten Sprengstoff- auch für Ägypten, mit dem wir seit 1979 ein zu finden, wie sie damit umgehen, wie sie hen. Sie wollten nicht teilen, was sie als ihr funde im internationalen Flugverkehr hat Friedensabkommen haben, aber das hat die eine Art Kompromiss finden. Denn sie ver- Eigentum betrachteten. Sie haben einen die Israel Airports Authority (IAA) die Wahrnehmung insbesondere der Mehrheit standen, dass diese DPs nach Palästina kom- Kompromiss vor und nach der Errichtung des Sicherheitsvorkehrungen am Ben-Gu- der Elite nicht geändert und sie lassen sogar men wollten, aber sie wollten Palästina nicht Staates Israel abgelehnt, unglücklicherweise rion-Flughafen erhöht. Wie aus Sicher- noch heute gewisse Filme über den Holo- verlieren beziehungsweise teilen. Diesen für uns alle. heitskreisen verlautet, hat Israels Allge- caust nicht zu. Konflikt gab es später nicht mehr, denn sie INW: Es gab 600.000 Juden im Heiligen meine Sicherheitsbehörde (SHABAK) in INW: Anne-Frank-Film wurde nie gezeigt. haben nicht nur dieses Wissen über das der letzten Zeit Übungen zum Umgang E. Webman: Unter keinen Umständen, sogar Schicksal der Juden beiseite geschoben, son- mit derartigen Szenarien durchgeführt. der letzte Benigni Film, der eine Diskussion dern haben auch verhindert, dass Wissen dar- ãWir überprüfen uns selbst nach jedem auslöste, „Das Leben ist wunderschön", über in die arabische Länder gelangt, nicht Vorfall, der auf der Welt stattfindet", wurde in der arabischen Welt nicht gezeigt. nur Wissen sondern Filme, Bücher, alles was LUNETTERIE sagte ein hochrangiger Offizieller, der Sie betrachten das als ãzionistische Propa- mit der Planung der Flughafensicherheit den Holocaust betrifft, weil sie Angst hatten, ganda". Sie haben Angst vor einer kulturellen befasst ist. ãWir üben auf Grundlage des- solche Informationen könnten ihre Kriegsan- PHILIPP WANEK israelischen oder westlichen Beherrschung. sen, was wir lernen, und nehmen mitun- strengungen gegen Israel, gegen die Zionis- INW: Wird Ihr Buch in andere Sprachen ter Änderungen vor. Generell bereiten ten beeinträchtigen. Sie verstanden, dass es übersetzt? Ich denke, viele deutschsprachige wir uns aber nicht auf den Anschlag vor, sich um eine delikate Angelegenheit handelt. TUCHLAUBEN 17 · 1010 WIEN Leser wären interessiert am Thema der passiert ist, sondern auf den nächsten Die arabischen Meinungsbildner wollten TEL. 533 95 79 · FAX 533 95 79 Holocaust und die Reaktion in der arabi- Anschlag, der passieren könnte." Man nicht, dass sich ihre Bevölkerung mit dem www.lunetterie.at schen Welt. verweist darauf, dass es in den vergange- schrecklichen Leid und mit den Opfern iden- E. Webman: Das Buch wird jetzt ins Hebräi- nen Jahren keinen Anschlag auf israeli- tifiziert. sche übersetzt und das Projekt Aladin*) wird sche Fluglinien gegeben, dennoch wei- INW: Wann begannen die Araber mit der wünscht vielleicht das Buch ins Arabische übersetzen terhin eine „reale Bedrohung" für die in- Opferkonkurrenz und mit dem Nakba Dis- und ich versuche französische Verlagshäuser ternationale und auch die israelische kurs? Luftfahrt existiere. „Es ist möglich, dass allen Kunden dafür zu interessieren. Karl Pfeifer E. Webman: Ganz vom Anfang an… Die unsere strengen Sicherheitsma§nahmen *) Das ãAladin-Projekt", übersetzt Werke zum Nakba ereignete sich erst 1948, doch wurde und Freunden Thema Holocaust in Arabisch, Farsi und Türkisch, eine Abschreckung geschaffen haben, die ich überrascht, als wir herausfanden, dass und verbreitet diese, damit sie überall in der Welt Terroristen davon abhält, irgendetwas zu dieses Wort bereits 1945 benützt wurde. Sie ein schönes und vor allem in Ländern mit muslimischer Bevöl- versuchen", sagte ein Offizieller. ãDas kerung gelesen werden können. Der „Minister” für bedeutet nicht, dass wir die Besten in der schauten in die Zukunft und behaupteten, religiöse Angelegenheiten des Hamas-Regimes in wenn dieses oder jenes geschehen sollte, Chanukka-Fest Gaza, Abdullah Abujarbou, betonte während einer Sicherheit sind, und wir müssen immer dann wird es eine schreckliche Nakba Hetzrede in einer Schule Ende Februar 2010, alle daran arbeiten, unser Sicherheitsniveau religiösen Führer und muslimische Gelehrten soll- zu halten.“ (Katastrophe). Sie behaupteten, bevor der ten sich dieser ãintellektuellen und kulturellen Of- Staat Israel gegründet wurde, dass die Araber fensive” entgegenstellen. Seite 6 Dezember 2010/Jänner 2011

CZERNOWITZ HEUTE s gibt wohl kein geschichtliches Ereignis, das Wer im postkommunistischen ukrainischen Cernivtsi dem mythenum- in vergleichbar vielen historischen Studien und wobenen Czernowitz der Habsburgermonarchie nachspüren möchte, Epersönlichen Erinnerungsberichten untersucht hat es schwer. Die Menschen, die diese ãStadt der Bücher" einst mit- und dokumentiert wurde, wie der nationalsozialistische prägten und berühmt gemacht haben, leben nicht mehr. Ein interna- Judenmord. Interessierte Zeitgenossen, die bereit waren, tionales Lyrikfestival, das erstmals im September in Cernivtsi statt- Max Schickler den Stimmen der Überlebenden zuzuhören, auch wenn fand, will die verschwundene Welt des jüdischen Dichters Paul Celan sie von kaum erträglichen Einzelheiten durchlittener Qua- wieder wachküssen. Verschüttetes Kulturerbe soll zum Dünger für Heute erinnert eine kitschige Bronzeta- len berichteten, glauben heute oftmals nichts Neues mehr fel am Eingang zu Celans Geburtshaus in erfahren zu können. neue, grenzübergreifende Begegnungen von Dichtern und Lyriklieb- der Saksaganskogostra§e an den in der Und doch gibt es noch immer, ein Menschenleben nach habern werden. kommunistischen Ukraine totgeschwiege- dem Geschehen, neue Zeugnisse, die auf einzigartige nen jüdischen Dichter. Seit 1992 gehört ie Kinokasse hat längst geschlos- die Veröffentlichung seines Erzählbandes auch eine mit österreichischer Finanzhilfe Weise verdeutlichen, was der nationalsozialistische Ras- sen und es regnet. Aber immer ãDos leben geit waiter " warten. errichtete Büste Celans zu den Pilgerstät- senwahn für einen einzelnen Menschen bedeutete. größere Menschentrauben lösen Igor Pomerantsev, der geistige Vater des D ten aller Czernowitz-Touristen. Zu ihnen gehört Senek Rosenblums später Erinnerungs- sich aus der Dunkelheit der umliegenden Poesiefestivals ãMeridian", erinnert sich Sidi Thal hatte weniger Glück. Von der bericht über seine Kindheit als jüdischer Junge im Polen Stra§en, um die Verwandlung des ãCzer- noch gut an diese Zeit. Sein Vater, ein rus- Gedenktafel für diese berühmte jüdische der Jahre 1939 bis 1945. Dank dem Mut und dem uner- nivtsi" in die prunkvolle Synagoge zu erle- sischer Militärjournalist, war Anfang der Schauspielerin der 1930er Jahre am Ein- schöpflichen Erfindungsreichtum seines Vaters überlebte ben, die sich in k.&k. Zeiten eine selbstbe- 1950er Jahre nach Czernowitz versetzt gang zur Czernowitzer Philharmonie ist wusste jüdische Gemeinde errichten ließ. worden und arbeitete hier bei einer Tages- er die Flucht aus seinem Heimatstädtchen Zychlin nach nur ein frischer Farbfleck geblieben. Ob- Weder den Hitlerdeutschen noch den sow- zeitung. „Ein Privileg, das mein jüdischer Warschau, das monatelange Versteck in einem Kleider- wohl sie eine der ganz wenigen Künstle- jetischen Eroberern ist es zwischen 1939 Vater nur seiner kommunistischen Gesin- schrank und schlie§lich nach dem Abzug der Deutschen rinnen war, die auch nach der Liquidierung und 1945 gelungen, dieses Gotteshaus zu aus Polen den drohenden Hungertod. Immer wieder ge- aller jüdischen Theater in der Sowjetunion sprengen. Die ukrainischen Kommunisten lang es dem Vater mit Menschenkenntnis, schauspieleri- Mitte der 1950er Jahre auftreten durfte gingen pragmatischer vor. Die Fenster scher Begabung und einem sicheren Gespür für drohende und den Titel ÇVerdiente Künstlerin der wurden zugemauert, die Kuppel abmon- UkraineÈ erhielt, wurde ihr Konterfei auf Gefahren in aussichtslos erscheinenden Situationen vor- tiert und das Gebäude zum Kino umfunk- die Rückseite des Gebäudes verbannt. läufige Rettung und damit Aufschub vor dem sicheren tioniert. Kein Zufall. Nach der ãOrangen Revo- Mehr als fünf Jahrzehnte später kehrt lution" hat sich das Leben für die letzten die Vergangenheit für einen kurzen, magi- Juden der Stadt abermals verschlechtert. schen Augenblick wieder zurück: als Vi- KINDHEITS- Der wiedererwachte ukrainische Nationa- deoprojektion tauchen hinter der dunklen lismus ging mit wachsender Einschüchte- Fassade des Kinos immer schärfer die Um- rung aller Minderheiten einher. Am stärks- risse der alten Synagoge auf. TRAUMA ten schrumpfte im ersten Jahrzehnt der Max Schickler hat den ãTempl" auch ukrainischen Unabhängigkeit die jüdische von innen gekannt. Er ist einundneunzig Tod zu organisieren. Dabei konnte er seinem kleinen Bevölkerung des Landes – von landesweit und zählt sich zu den letzten „echten Czer- Sohn, der erst fünf Jahre alt war, als ihr Leidensweg be- 15.600 auf 1300 Personen. nowitzern" im ukrainischen Cernivtsi. Der gann, nicht vor Schrecklichem bewahren, ihn weder vor Vater, k. und k. Unteroffizier im Ersten Paul Celan Da jedoch alles Jüdische, das der Ver- Hunger, Misshandlungen noch der allgegenwärtigen To- Weltkrieg, gehörte schon dem assimilier- nung verdankte.“ Während den Vater das klärung sprich Vermarktung der viel zitier- desangst schützen. Zu Beginn ihrer Flucht musste der Va- ten jüdischen Bürgertum an: ãDaheim antisemitische Klima in seinem Umfeld ten „Stadt der Bücher" Czernowitz dienlich ter die schwerwiegende Entscheidung treffen, seine wurde nur deutsch gesprochen, auch nach peinigte, war Czernowitz für Igor ein klei- sein kann, inzwischen gefördert wird, ist kranke Frau zurückzulassen und sie damit dem sicheren Hoffnung angebracht. Ein beredtes Beispiel dem Zusammenbruch der Monarchie, un- nes Israel, wie er in seinem Essay ãCzer- Tod auszuliefern. Nur ohne sie sah er eine Chance, sich nowitz. Erinnerungen eines Ertrunkenen" für Bemühungen um Wiedergutmachung: ter den Rumänen. Jiddisch sprachen die ar- und das Kind zu retten. Als die beiden nach wochenlanger men, ungebildeten Juden in der Vorstadt". beschreibt. Freilich hätten in dieser „jüdi- Mitte der 1990er Jahre wurden am Treppen- Odyssee das Warschauer Getto erreichten, erwies es sich Erst der zweite Weltkrieg, fährt Schick- schen Stadt im sowjetischen Imperium" zu geländer des Jüdischen Kulturhauses in nicht als rettender Hafen sondern als Todesfalle. Dem Va- ler in perfektem Deutsch fort, habe die alt- dieser Zeit nicht mehr die auffallend ele- Czernowitz ganz besondere Schwei§arbei- ter gelang es nach einiger Zeit, den Jungen aus dem österreichische Welt gant, aber altmodisch ten durchgeführt. Davidsterne, denen in zerstört, in der auf gekleideten, gebilde- kommunistischen Tagen zwei Zacken abge- Getto zu schmuggeln und ihn bei einer jungen Polin un- kleinstem Raum ne- Mehr als fünf Jahr- ten österreichischen schlagen wurden, haben durch An- terzubringen. Diese versteckte ihn in ihrer kleinen Woh- ben Rumänisch und Juden den Ton ange- schwei§en der fehlenden Zacken wieder nung. Da keiner der Mitbewohner oder Besucher die An- Deutsch auch Ru- zehnte später kehrt geben. Das Stra§en- ihre ursprüngliche Bedeutung zurück ge- wesenheit des jüdischen Kindes erfahren durfte, musste thenisch, Polnisch, bild prägten vielmehr wonnen. Aber zu Hoffnung geben auch die sich das Kind absolut ruhig verhalten, konnte das Ge- Armenisch und Jid- die Vergangenheit für aus Bessarabien zu- vielen jungen Menschen Anlass, die im meinschaftsklo nur aufsuchen, wenn niemand in der Nähe disch gesprochen einen kurzen, gewanderte jüdische Rahmen des Lyrikfestivals ins ãDeutsche war und wurde, sobald Gefahr drohte, in einen dunklen wurde und für alle ãMesserstecher, Nut- Haus" strömten, um die Paul Celan gewid- Verschlag in einem Wandschrank gesperrt. Rückblickend ten, Schwarzwechs- Glaubensbekennt- magischen Augen- mete Theatercollage ãDer Sand aus den Ur- schrieb er: ãIch glaube nicht, dass ich damals den Ernst nisse Platz war. ler und Wunderkna- nen" aus der Produktion des „unabhängigen der Lage richtig begriff Ð dass ich von nun an wie ein ge- Im Jahr 1938 ben". Ende der blick wieder zurück. ukrainischen Theaterlabors" zu sehen. Zu fangenes Tier für unzählige Stunden in diesem Holzver- wurde Max infolge 1960er Jahre gingen symbolstarken Bildern der Gewalt und des schlag im Schrank verschwinden würde. Dass für mich erstarkender faschi- auch sie weg Ð sie Grauens, die das europäische zwanzigste stischer Tendenzen im rumänischen Köni- wanderten nach Israel aus. ãNach und nach das Martyrium eines Kindes begann, dessen Bewegungs- Jahrhundert prägten, läuft eine gespensti- greich nicht mehr zum Hochschulstudium stieg das Bächlein an, verwandelte sich in drang gewaltsam unterdrückt wurde, dass diese schmerz- zugelassen, wenig später wurde den Juden einen breiten Strom und trat schlie§lich sche Klangspur: Celans erschütternde, von hafte und dunkle Enge Halluzinationen und Albträume in die rumänische Staatsbürgerschaft aber- endgültig über die Ufer", schreibt Pome- ihm selbst gelesenen Gedichte und Zitate mir hervorrufen würde." kannt. Nach Rumäniens Kriegseintritt an rantsev, der 1979 ebenfalls die Koffer aus seiner privaten Korrespondenz. Der Leidensweg des Jungen endete nicht in diesem Wand- der Seite Hitlerdeutschlands 1941 setzten packte und die Stadt seiner Kindheit erst Vielen Jugendlichen war die jüngste Ge- schrank. Als die Situation in der Wohnung unhaltbar Pogrome, Massenexekutionen und Depor- nach mehr als drei schichte von Czerno- wurde, musste der Vater neue Verstecke für seinen Sohn tationen nach Transnistrien ein. Schickler Jahrzehnten wieder witz als Folge jahr- finden, erst bei einem Bauern, dann wieder bei einer Frau blieb die Erfahrung rumänischer Arbeitsla- besuchte. Als gefei- Die meisten Über- zehntelanger sowje- in Warschau. Jedes Mal musste er sein Kind alleine frem- ger und nazideutscher KZs erspart. Er war erter Buchautor und tischer Indoktrina- den Menschen und neuen Bedrohungen überlassen. Die mit der Roten Armee nach Osten gezogen Radiojournalist bei lebenden der Shoah tion nur rudimen- letzten Monate des Krieges in Warschau, als erst die Bom- und überdauerte den Krieg als Übersetzer Radio Free Europe wanderten aus Ð viele tär bekannt. Dazu ben und dann der Hunger zur größten Gefahr für das Kind für deutsche Kriegsgefangene. Nach dem /Radio Liberty in kommt, dass die wurden, musste er sich allein durchschlagen. Als sein Va- meisten Zeitzeugen Krieg nahm er wieder seine alte Arbeit in London und Prag. in die Vereinigten ter nach der Besetzung Warschaus durch die Rote Armee Auch Max tot, vertrieben, oder einer Czernowitzer Strumpffabrik auf, schlie§lich zu seinem Sohn durchdringen konnte um ihn aber „nichts war mehr so wie früher". Schickler kam trotz Staaten oder nach vor Angst verstummt abzuholen, war dieser so krank und schwach, dass er ihn Die meisten Überlebenden der Shoah seiner schlechten waren. Aber dank en- Israel, aber auch nach kaum noch erkannte. wanderten aus Ð viele in die Vereinigten Augen und gagierter Historiker Senek Rosenbaum berichtet seine Geschichte mit dem Staaten oder nach Israel, aber auch nach Schmerzen im Bein Frankreich wie der und unermüdlicher Abstand von 63 Jahren Leben nach der Verfolgung ohne Frankreich wie der junge Dichter Paul Ce- zu Pomerantsevs Übersetzer wie Mark lan, den die Dämonen der Erinnerung an Lesung im Rahmen junge Dichter Belorusez, der Paul Sentimentalität mit Humor und großer Wärme für alle die Gräuel des Krieges im Jahr 1970 in den des Lyrikfestivals. Paul Celan. Celan auf abenteuer- Menschen, die zu seinem Überleben beigetragen haben. Selbstmord trieben. Dem als Paul Antschel Aber noch lieber lich-konspirative Den wichtigsten Platz nimmt dabei natürlich der Vater geborenen Lyriker war auch das erste in- hörte er den Auto- Weise schon in kom- ein, obwohl dieser, wie Senek Rosenblum schreibt, ãauch ternationale Lyrikfestival ãMeridian" in ren aus Deutschland, Österreich und der munistischen Tagen ins Russische über- mit mir hinterher nicht darüber sprach“. Es sind jedoch Cernivtsi Anfang September gewidmet. Schweiz zu: ãEs gibt keine Deutschen trug, werden mit der Zeit und unter Vor- die Schilderungen der Gedankenwelt eines, dem unbe- Die Juden, die ihre alte Heimat nicht mehr in Czernowitz, mit denen ich mich aussetzung stabiler demokratischer Bedin- kannten Schrecken ausgelieferten Kindes, die der Leser rechtzeitig verlassen hatten, wurden in der unterhalten könnte". Und ganz nebenbei gungen immer mehr Schichten der Vergan- nicht vergessen wird. Barbara Distel genheit freigelegt werden können. Die kommunistischen Ukraine abermals zu fügte er hinzu, dass er wie sein großer Senek Rosenblum: Der Junge im Schrank. Opfern Ð diesmal eines staatlich verordne- Landsmann Paul Celan das ãVierte Staats- oberste Schicht liegt buchstäblich auf der Eine Kindheit im Krieg ten Antisemitismus. Der im Vorjahr ver- gymnasium" in Czernowitz besucht habe. Straße: Die Kanaldeckel aus der öster- Taschenbuch, 432 Seiten, 2 s/w Abbildungen storbene jiddische Schriftsteller Josef Mehr konnte der alte Mann nicht mehr er- reichischen Kaiserzeit mit der Aufschrift: Verlag: btb, Random House, München 2010, Burg, der im Krieg nach Uzbekistan geflo- zählen, „Ich habe Celan nicht gekannt. Er ãStadtmagistrat Czernowitz" sind im ISBN: 978-3-442-74175-5 € € hen war und seit 1959 wieder in Czerno- war ein Jahr jünger als ich und damals ukrainischen Cernivtsi nicht zu übersehen. 10,99 (D), 11,30 (A) witz lebte, musste weitere vierzig Jahre auf noch nicht berühmt!" Joana Radzyner Dezember 2010/Jänner 2011 LACHEN GEGEN PUTIN Gruppe von unverwüstlich Couragierten JEWGENIA ALBATS IST wollte sich nicht mundtot machen lassen. Die CHEFREDAKTEURIN Geschäftsfrau Irena Lesnewskaja kaufte den alten Sowjettitel ãNowoje Wremija/The new EINES KRITISCHEN times“ und hauchte dem Wochenblatt neues WOCHENMAGAZINS. Leben ein: ãSie rief mich an und sagte: Ma- chen wir was! Wir brauchen einen Ort, an SIE HAT KEINE LUST, dem wir atmen können!“ Albats stimmte zu SICH UNTERKRIEGEN und zog mit einer Gruppe von Journalisten am Twerskoi-Boulevard im Zentrum von ZU LASSEN. Moskau in ein großzügiges Büro, um fortan ls Studentin schrubbte sie Böden mit den Machthabern kräftig auf die Nerven zu Anna Politkovskaja, um Windelgeld gehen. Afür Annas Tochter zu verdienen. Ihre Schon in der ersten Nummer brachte ãThe Freundschaft mit Politkovskaja blieb nicht new Times“ einen Artikel über die Ermor- Museum of Toleranz immer so nahe, aber bis zur Ermordung der dung von Alexander Litwinjenko in London. streitbaren Journalistin lebten die zwei Der Ex-KGB-Agent und Neo-Putin-Kritiker Frauen praktisch Tür an Tür. ãAm Abend des war Ð so glaubt die britische Justiz Ð von sei- 7. Oktober 2006 rief mich Dimitri Muratow, nem ehemaligen Kollegen Andrej Lugovoi in MUSEUM DER TOLERANZ der Chefredakteur der „Nowaja Gaseta“ an der Bar des Hotels Millenium mit radioakti- ormalerweise sind Meldungen, die Nachalat-Schiva-Viertel her. Die Verbindung und schrie: ,Sie haben Anna erschossen!’, er- vem Plutonium 210 vergiftet worden. ãThe aus dem Nahen Osten stammen und zu dem bei Touristen beliebten Quartier bil- innert sich Jewgenia Albats. ãIch rannte die new times“ erforschte Logistik und Hergang NBautätigkeiten der Israelis betreffen, det ein Hofhaus mit Buchhandlung und Bi- Lesnajastra§e hinunter, sie lebte ja nur ein dieses spektakulären Mordfalls. Vier Jahre gekennzeichnet durch Protest, Empörung, bliothek, das unterirdisch mit dem Museum Haus von mir entfernt. Dort war überall Poli- nach dieser ersten Titelgeschichte hat sich die Sprengstoff. Ausnahmsweise gibt es nun aus verbunden wird. In diesem befindet sich ne- zei. Und Annas Leiche lag mit einem Tuch Zeitung längst etabliert. „Selbst der Kreml Jerusalem eine Nachricht, die nicht über- ben Restaurant, Museumsshop ein Mehr- bedeckt auf einer Tragbahre.“ liest uns gerne“, grinst Albats, die erst vori- schattet ist vom Streit um Siedlungsbauten, zwecksaal und ein Theater mit 500 Plätzen. Jewgenia Albats erzählt ihre Geschichten ges Jahr zur Chefredakteurin befördert sondern den Mitteln avantgardistischer Ar- Das eigentliche Museum und ein Kinder- nicht ohne Emotion. Auch nach Jahrzehnten wurde. ãDie wollen schlie§lich auch wissen, chitektur zur Toleranz mahnt. Es handelt sich museum liegen im Untergeschoss. im journalistischen Geschäft empfindet sie was im Land wirklich passiert.“ Die Massen- um den Bau eines Museums der Toleranz, Natürlich gibt es eine Vorgeschichte, denn Mitgefühl, Symphatien und Antiphatien wie medien sind von Putin an die Kandare ge- das nicht nur durch seine Zweckbestimmung, wo kann man denn im 21. Jahrhundert auch am ersten Tag. Sie nommen worden. Im sondern noch mehr durch seine Dimension nur ein Regendach bauen oder zehn Meter nimmt sich kein Blatt Fernsehen gibt es seit und seinen spektakulären Baustil für Aufse- Fahrweg asphaltieren, ohne die politisch vor den Mund. Ob- Jahren kaum kritische hen sorgt. Zurückzuführen ist dies auf eine Korrekten auf den Plan und die Stra§e zu ru- wohl das für sie ge- Kommentare. Die Po- Anregung des Simon Wiesenthal Centers in fen? In diesem Fall waren es Muslime, die fährlich werden kann. pularitätswerte des Los Angeles vor zehn Jahren. eine Entweihung historischer Gräber be- ãFrage mich blo§ Machtduos Putin und Als es dann im Jahr 2005 als konkretes fürchteten oder jedenfalls so taten oder tun nicht, wie ich mit der seines Präsidentenad- Projekt präsentiert wurde, veranschlagte man mussten. Angst umgehe, das ist laten Dmitri Medwe- die Kosten auf nicht weniger als 250 Millio- Der Neubau soll nämlich auf einem Teil so eine blöde Frage!“, dew sind kremlge- nen $, also wahrlich keine Kleinigkeit. Ob des Friedhofs an der HilleI-Stra§e stehen. schimpft sie. Doch es nehm hoch. man es nun als Aus- Dieser Teil war aller- bleibt unverständlich, Den kleinen, kriti- druck eines US-ame- dings schon 1929 als wie Journalisten im schen Medien wie der rikanischen jüdischen Ausgewählt als Grablage aufgeho- autoritären Staat von ãThe new Times“ ãKulturimperialis- ben worden, und Wladimir Putin arbei- droht dagegen ständig mus" abzuqualifizie- Architekten wurde aus zwar auf Wunsch des ten können. Dutzende der Besuch der Sicher- ren versuchte, was einem Wettbewerb, an Muftis von Jerusa- Reporter haben ihr Jewgenia Albats heitsorgane. In diesem angesichts der Größe lem, der dort ein Pa- Leben in den vergan- Jahr haben sie schon nicht verwundert dem drei israelische lace Hotel bauen genen zehn Jahren wegen kritischer Bericht- zwei Mal die Redaktion durchsucht. Im Mai oder ob man eher die Anbieter teilnahmen, das wollte. 1945 plante erstattung über die Machthaber verloren. Und fand Albats in ihrem Autotank einen Radio- Kühnheit bewun- dann der Oberste trotzdem gibt es hunderte Journalisten, die transmitter. Sie will zwar nicht darüber spre- derte, die Finanzkrise renommierte Muslimische Rat nicht aufgeben und weiter für die Freiheit des chen, dass sie Angst um das Leben ihrer schob der Realisie- Architektenbüro den eine Überbauung des Wortes kämpfen. Tochter hat, die gerade ihr Studium an der rung jedenfalls einen gesamten Friedhof- Die Chefredakteurin der ãNowoje Wre- Brandeis-Universität beendet hat. Sie will Riegel vor. Vor Bracha und Michael areals und die Um- mija“ ist eine von ihnen. Sie studierte Journa- auch nicht darüber reden, dass sie sich für kurzem redimensio- Chyutin aus Tel Aviv. bettung der sterbli- lismus in Moskau, heuerte dann bei ãNowaja ihre Redakteure verantwortlich fühlt. Aber nierte man das Vorha- chen Überreste in ei- Gaseta“ und „Iswestija“ an. 1993 ging sie an sie erwähnt nebenbei, dass sie ihren 25-jähri- ben auf 100 Millio- nen anderen Fried- die Harvard Universität und hatte dort den gen stellvertretenden Chefredakteur Ilja Ba- nen $, die allerdings auch noch nicht aufge- hof. Der Unabhängigkeitskrieg stoppte dann Schock ihres Lebens. Sie fand in der unterir- rabanow am liebsten jeden Abend mit dem bracht sind. das Vorhaben. Seit den sechziger Jahren dischen Bibliothek einen gesamten Stock Auto nach Hause fährt. „Dann ist mir wohler, Ausgewählt als Architekten wurde aus ei- diente das Areal als Parkplatz, unterirdisch voller russischer Bücher und Manuskripte. wenn ich wei§, dass er dort wohlbehalten an- nem Wettbewerb, an dem drei israelische An- waren Strom- und Telefonkabel verlegt. Lauter Werke, die in ihrem Heimatland jahr- gekommen ist.“ bieter teilnahmen, das renommierte Architek- Als aber dann im Jahr 2000 die Pläne für zehntelang verboten gewesen waren, lagen In den letzten Jahren hat sich Albats ihrem tenbüro den Bracha und Michael Chyutin aus das Museum publik wurden, reichten Geg- hier für alle Interessierten zur Lektüre auf. Judentum geöffnet. Seit 2004 leitet sie im Je- Tel Aviv. Das Team hat sich mit Kulturbauten ner Ð darunter Rashid Khalidl, der als Pro- Sie schwor sich, nie wieder zuzulassen, dass wish Community Center in der Nikitskaja im Gro§raum Tel Aviv, mit Universitäten in fessor für arabische Studien an der New die Wahrheit in Russland nicht gedruckt wer- Stra§e die Thora-Diskussionsgruppe ãDwar Beerscheba, dem Bau eines Gerichtsgebäu- Yorker Columbia-Universität lehrt – beim den durfte. Tora“. Zu der hat sie sogar schon einmal den des in Haifa und dem Plan für eines in Jeru- UNO-Menschenrechtsrat in Genf eine Klage Zurück in Russland publizierte sie 1994 nicht-gläubigen Schachmeister Gary Kaspa- salem, sowie der dort im Bau befindlichen ein, in der berechtigten Erwartung, er werde neben ihren journalistischen Texten ein Buch, in ihrem Sinn intervenieren. Tatsächlich ver- row eingeladen. Albats ist auch Mitglied des Erweiterung des Van-Leer-Instituts beachtli- das bis heute zur Standardliteratur über die fügte der israelische Oberste Gerichtshof im „Russischen jüdischen Kongresses“, bei dem ches Renommee erworben. Geschichte des Geheimdienstes der Sowjet- Februar 2006 einen Stopp der Grabungsar- auch Michail Friedman auf der Mitgliederlis- Wie die angesehene Zürcher Zeitung, die union zählt: „The State within a State: The beiten. te steht. Sie bemüht sich zwar nicht beson- dem Projekt eine ganze Seite widmet, aus- KGB and its hold on Russia Ð Past Present Ende 2008 entschied der Oberste Gerichts- ders, ein führendes Mitglied der jüdische Ge- führt, wird sich auf einem s-förmigen Grund- and Future“. 1997 wurde sie von der „Iswes- hof, dass mit den Bauarbeiten fortgefahren meinde Russlands zu sein, dennoch ist sie riss ein mehrstöckiges Gebäude erheben, das tija“ gefeuert, weil sie einen kritischen Arti- werden könne. Eventuell zum Vorschein spürbar. Das liegt an ihrer Persönlichkeit. zu schweben scheint, vergleichbar mit der Vi- kel über den FSB, die Nachfolgeorganisation kommende sterbliche Überreste wären auf Jewgenija Albats ist keine, die man überse- sion des Propheten Elias von einer riesigen des KGB, geschrieben hatte. Damals wusste fliegenden Thora-Rolle. einen andern Friedhof umzubetten. hen kann. noch niemand, wie schnell und überaus effi- Der abgehobene Gebäudeteil rahmt einen In der Zwischenzeit hat der Oberste Ge- zient der KGB-Offizier Wladimir Putin mit- „Ich bin heute zweiundfünzig Jahre alt“, zur Hillel-Stra§e und zur Neustadt hin offe- richtshof grünes Licht gegeben, sodass 2011 hilfe der grauen Männer aus den Sicherheits- sagt die stattliche Frau mit einem Lachen. nen Platz, der sich zum tiefer liegenden ar- mit dem Baubeginn zu rechnen ist. Eine ge- strukturen Russland zu einem strikt zentral Für eine Russin schickt es sich eigentlich chäologischen Garten senkt: Dort sind die wisse Gigantomanie ist dem Projekt nicht ab- und vertikal regierten Staat umformen würde. nicht, über ihr Alter zu reden. Es ist immer Reste eines herodianischen Aquädukts zu se- zusprechen, und mag bei konservativen Be- Die Ermordung von Anna Politkowskaja noch ein Tabubruch. Jewgenia Albats aber hen, der während der Aushubarbeiten ent- trachtern die Befürchtungen aufkommen las- machte Albats schlie§lich klar, dass der lacht laut und scheint damit sagen zu wol- deckt worden war. Künftig wird man unter sen, andere, Jerusalem prägende, Bauten Staatsapparat vor nichts zurückschreckt. In len: ãWas soll ich denn sonst tun? Weinen, dem Gebäude durch eine Glasfassade darauf würden in den Hintergrund gedrängt. der demokratischen, unabhängigen Intellek- verzweifeln, verstummen?“ Tabubrüche blicken können. Richtung Hillel-Straße ist es Die Proponenten erwarten jedenfalls ein tuellenszene war der Winter 2006/2007 eine sind ein ganz normaler Bestandteil mit Jerusalem-Stein verkleidet und stellt so architektonisches Highlight wie das jüdische besonders düstere Zeit. Doch eine kleine ihres Lebens. Tessa Szyszkowitz den Obergang auf die Altbauten und das Museum in Yad Vashem. Heike Seite 8 Dezember 2010/Jänner 2011 PORTRÄT

GEBET FÜR DEN REGEN DIE GESCHICHTE EINES DEUTSCH- Im starken Kontrast zum üblichen Geze- ter stand eine kleine Kundgebung im Nie- IRANERS, DER ISRAELI WURDE mandsland zwischen Jerusalem und Bethlehem. In einer seltenen Demonstra- Arye Sharuz Shalicar wurde 1977 in Göttingen geboren und wuchs in tion ökumenischen Einvernehmens trafen Berlin auf. Nach Beginn eines Studiums der Politikwissenschaften, der trafen einander vor kurzem Imame, Rabbi- Jüdischen Studien und der Islamwissenschaften wanderte er 2001 nach ner und Priester mitten in den Bergen Ju- Israel aus und studierte Internationale Beziehungen, Nahostgeschichte, däas zu einem gemeinsamen Gebet, um Gott dazu zu bewegen, es im Nahen Osten Politik und European Studies. Shalicar arbeitet für The Jewish Agency endlich regnen zu lassen. Das Jahr 2010 for Israel, für das ARD Nahost Studio in Tel Aviv und ist seit 2008 Stell- droht zum siebten Dürrejahr in Folge zu vertretender Vorstandsvorsitzender der Organisation NOAM der Orga- werden. Sollte der Himmel nicht bald seine nisation junger deutschsprachiger Einwanderer in Israel. Das nachste- Schleusen öffnen, könnte der Wasserver- hende Interview führte Philipp Engel. sorgungsgau eintreten. Schon im vergange- nen Jahr warnten Hydrologen, man dürfe INW: Herr Shalicar, Ihre kürzlich erschie- reden wollte und jeden Tag neue Drohungen zwar dabei, aber ich war nie derjenige, der den Strahl, der aus dem Wasserhahn nene Autobiographie trägt den Titel ãEin kamen. Mein Vater sagte: ãSharuz, bevor ich ohne Grund zugeschlagen hätte. kommt, nicht mehr als Selbstverständlich- nasser Hund ist besser als ein trockener anfange, dir Geschichten zu erzählen, um dir INW: In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie keit betrachten. Spätestens wenn Luft statt Jude". Was hat es auf sich mit diesem Satz? verständlicher zu machen, wer oder was du Sie, um aus diesem Milieu auszubrechen, Wasser aus dem Hahn zischt, wird beiden Shalicar: Das ist eine gängige Redensart im bist, wer wir sind, musst du eins im Voraus Seiten der ein Jahrhundert alte Nachbar- nicht Zivildienst, sondern Wehrdienst leiste- streit zwischen Zionisten und Arabern ne- Iran. Juden werden dort in bestimmten Mi- wissen und es dein ganzes Leben zumindest ten. Und ausgerechnet bei der Deutschen bensächlich erscheinen. Um dem vorzu- lieus als Menschen zweiter Klasse betrachtet. im Hinterkopf behalten: Du bist Jude, und Bundeswehr fühlten Sie sich als Jude in beugen, stellten Juden, Christen und Mus- Meine Eltern können sich jedenfalls noch gut die ganze Welt hasst dich!" Es klingt ko- Deutschland zum ersten Mal seit Jahren an- lime sich Schulter an Schulter und beteten daran erinnern, wie ihnen dieser Satz im misch, aber bevor er mir das sagte, wusste gekommen. Wie kam das? zum selben Gott, nur um sich, falls es reg- Getto von Babol hinterhergerufen wurde. ich nicht so recht, dass wir Juden sind und Shalicar: Ich wurde glücklicherweise der net, im Namen desselben Gottes später Deshalb sind sie vor meiner Geburt nach was genau es bedeutet, jüdisch zu sein. Wir Sanitäter-Einheit zugeteilt, dort gab es nur wieder zu verleumden. Deutschland gezogen. Sie wollten in der haben zwar regelmäßig meine Großeltern in Abiturienten, die allesamt gut erzogen wa- Es ist nicht das erste Mal, dass traute Bundesrepublik ein besseres, von antisemiti- Israel besucht, aber meine Eltern haben mich ren. Für die Türken und Araber aus dem Verbundenheit zwischen den Vertretern der schen Anfeindungen freies Leben führen. nie mit etwas Jüdischem konfrontiert. Wedding wären es die klassischen „Opfer" monotheistischen Religionen herrscht. INW: Haben Ihre Eltern diese Entscheidung INW: Würden Sie sagen, dass die fort- gewesen. ãSchweinefleischfresser" eben, die Schon vor zwei Jahren hielten Kleriker rückblickend bereut? währenden Anfeindungen in Wedding Sie zur man abziehen kann, weil sie Schwächlinge eine gemeinsame Pressekonferenz, um ge- Shalicar: Nein, denn wir waren in Deutsch- Religiosität geführt haben? sind. Wäre ich nicht zur Bundeswehr gegan- gen das Vorhaben der homosexuellen Ge- land viele Jahre außerordentlich glücklich. Shalicar: Jedenfalls habe ich dadurch er- meinde zu wettern, die in Jerusalem eine gen, ich wüsste nicht, ob ich heute da wäre, Falsch aber war ihre Entscheidung, vom kannt, dass meine Hauptidentität das Jüdi- Love-Parade abhalten wollten. Orthodoxe wo ich jetzt stehe. friedlichen Berliner Multikulti-Stadtteil sche ist. Bis dahin habe ich mich immer als Juden, Muslime und Christen waren sich INW: Herr Shalicar, vom Gang-Mitglied in einig in ihrem Hass gegen Menschen, die Spandau in den Wedding zu ziehen. Dort Berliner gesehen, dessen Eltern aus dem Iran Berlin-Wedding bis zum Pressesprecher der ihre, zugegeben gleichgeschlechtliche, herrschen Zustände, die es in der Bundesre- stammen. Das war es dann auch schon. Für israelischen Armee: Hinter Ihnen liegt ein Liebe zueinander demonstrieren wollten. publik, rund sechseinhalb Jahrzehnte nach mich hatte das Jüdische zuvor schlicht und weiter Weg. Halten Sei manchmal inne und Hitler, nicht geben darf. einfach keine Rolle gespielt. Durch mein wundern sich, dass Sie ausgerechnet im von STRANDPROMENADE INW: Was genau änderte sich durch Umfeld und den Gesprächen mit meinen El- Feinden bedrohten Israel zur Ruhe gefunden den Umzug? tern habe ich gemerkt, dass ich mich geirrt haben? WIRD AUSGEBAUT Shalicar: Auf den ersten Blick nicht viel. hatte. Das Persische und das Berlinerische Shalicar: Ja und nein zugleich. Ich bin mir Nach dem Vorbild von Las Ramblas in Nur dass man auf den Stra§en auf einmal waren nebensächlich, vor allem anderen bin bewusst, dass Israel, wie jeder andere Staat Barcelona wird auch Tel Aviv demnächst keine Deutschen mehr sah, sondern nur noch ich Jude, das haben mir nicht zuletzt der Hass eine richtige Strandpromenade erhalten. Im auf der Welt auch, Probleme hat. Nur dass Türken und Araber. Weil ich aber aussah wie und die Wut meiner einstigen Freunde ge- Areal des Beckens am Strandabschnitt Gor- unsere Probleme eben weniger von innen als alle Jugendlichen in Wedding, habe ich zeigt. don soll ein Bohlenweg die Küstenlinie von au§en kommen. Gleichzeitig aber hatte schnell Anschluss gefunden. Ich war ein INW: Was glauben Sie, worin gründet dieser durchschneiden und direkt ins Meer führen. ich nie das Gefühl, dass Israel ein Land ist, ãSchwarzkopf" unter vielen. Alle nahmen an, ungemein stark ausgeprägte Judenhass bei Verantwortlich für das Bauprojekt zeichnet das permanent bedroht wird. Es gibt als Jude dass ich wie sie ein Muslim sei. nicht wenigen muslimischen Migranten in die von der Stadt Tel Aviv und dem Touris- nach wie vor keinen geeigneteren Ort als Is- INW: Bis Sie eines Tages mit einer goldenen Deutschland? musministerium gemeinschaftlich getragene rael. Meine Kinder sollten ohne antisemiti- Firma Atarim. Deren Vorstandsvorsitzen- Halskette zur Schule gingen, um mit Ihren Shalicar: Die Gründe sind vielfältig. Es gibt sche Vorurteile aufwachsen. In Israel habe der, Itamar Shimoni, teilt mit: ãDer Wellen- Kameraden mithalten zu können. Nur hingen gerade in diesen Problembezirken Islamisten, brecher, der damals in den 70ern gegenüber an Ihrer Kette keine arabischen Schriftzei- die den Antisemitismus schüren und den ich endlich meinen Frieden, meine Heimat dem Tel Aviver Jachthafen gebaut wurde, chen, sondern ein gro§er Davidstern. Nahostkonflikt nach Berlin importieren. gefunden. Arye Sharuz Shalicar: Ein nasser Hund wird eine neue Uferpromenade werden. Ich Shalicar: Ja, von dem Tag an hat mein bester Dann gibt es auch noch so etwas wie einen ist besser als ein trockener Jude. dtv. habe bereits einen Gesundheits- und Freund Mahavir, ein muslimischer Inder, Sog. Es ist Konsens in den arabischen Staa- 15,40 Euro Sicherheitscheck in Auftrag gegeben, um si- nicht mehr mit mir geredet. Weil alle Juden ten, dass Juden verabscheut werden, und so cherzustellen, dass die Qualität den Stan- Todfeinde von Muslimen seien und ver- schlie§t man sich einfach der Mehrheit an. dards entspricht und alles in Ordnung ist, so recken müssten, erklärten mich Mahavir und INW: Eine positive Ausnahme war Ihr liba- dass wir das Areal darauf einrichten können, Ð nachdem es sich im ganzen Wedding her- nesischer Freund Hussein. Von dem Zeit- Tel Avivs Strandpromenade fortzuführen." umgesprochen hatte, dass ich Jude bin Ð auch punkt an, wo Sie ihn kennenlernten, endeten Die geplante Promenade soll 150 m weit ins Meer hineinführen. alle anderen zu ihren Feind. Seitdem war die Übergriffe auf Sie. nichts mehr wie zuvor. Mein Leben wurde Shalicar: Absolut. Plötzlich grüßte mich mit MEHR TOURISTEN ALS von einem Tag auf den anderen zu einem gro§er Geste sogar jener Fadi, der mir die Spie§rutenlauf. Erdbeeren in den Mund gestopft hatte. Denn IM VORJAHR Ich wurde von den muslimischen Jungs ge- Hussein war nicht irgendwer, seine Familie Das Jahr 2010 ist noch nicht vorüber – quält, erniedrigt und gedemütigt. Sie ver- hatte damals in Wedding richtig was zu sa- doch bereits jetzt steht fest: Für die israe- suchten, mich systematisch fertigzumachen. gen, jeder hatte Respekt vor ihm und seinen lische Tourismusbranche wird es ein Am schlimmsten war eine Begegnung in ei- Leuten. Er hat mich vom ersten Tag an wie gutes Jahr gewesen sein. Wie das Statisti- ner U-Bahn-Station mit den sogenannten seinen Bruder behandelt. Ich wei§ bis heute sche Zentralamt mitteilt, sind in den Mo- „PLO-Boys", einer palästinensischen Gang. nicht, weshalb er mich im Gegensatz zu den naten Januar bis Oktober 2,87 Millionen Mit deren Anführer Fadi hatte ich vor mei- anderen nicht hasste. Vermutlich dachte er, Urlauber nach Israel gereist, mehr als im nem „Outing" öfters zusammen Basketball dass alle in diesem Drecksbezirk Wedding gesamten Jahr 2009. Nach Einschätzung des Tourismusministeriums werden bei gespielt, nun befahl er mir: ãJude, mach das zusammenhalten müssen – ganz gleich ob Jahresende etwa 3,3 Millionen Touristen Maul auf!", stopfte mir Erdbeeren in den Muslim, Christ oder Jude. Hätte ich ihn nicht zu verzeichnen sein. Damit wäre auch der Mund und ohrfeigte mich. In meiner Weddin- kennengelernt, wäre ich vermutlich heute bisherige Rekord des Jahres 2008 (3 Mil- ger Zeit wurde ich oft beschimpft, bespuckt noch davon überzeugt, dass es nur antisemiti- lionen Touristen) geschlagen. 2,3 der und geschlagen, aber das Maul im wahrsten sche Araber gibt. Durch Hussein jedenfalls Lesung mit 2,87 Millionen Urlauber haben sich für Sinne des Wortes gestopft zu bekommen hat hörte die Gewalt gegen mich auf. Ich fand mindestens eine Nacht in Israel aufgehal- mich, das erkenne ich im Abstand von eini- Anschluss und machte mir als Sprayer in der DAVID GROSSMAN ten, was in dieser Hinsicht einen Zu- gen Jahren umso klarer, mehr traumatisiert „Black-Panters"-Gang einen Namen. Später Burgtheater wachs von 22% bedeutet. Fast verdrei- als alles andere. dann war ich auch mit radikaleren Gangs un- facht hat sich mit 129.500 die Zahl der INW: Wie geht ein 13-Jähriger mit so einer terwegs. Dr. Karl Lueger-Ring 2 Touristen, die das Land von einem massiven körperlichen und seelischen Verlet- INW: Worum genau geht es in diesen Gangs? 1010 Wien Kreuzfahrtschiff aus besuchten. zung um? Shalicar: Es geht dort um Respekt. Jeder 12. April 2011 Die Einnahmen aus dem Tourismusge- Shalicar: Im Gespräch mit meinen Eltern versucht den starken Mann zu markieren. schäft werden im Ministerium allein für wollte ich unbedingt verstehen, warum ich Banken raubt man zwar nicht aus, aber es Beginn: 20.00 Uhr den Zeitraum Januar bis August auf um- auf einmal anders gesehen wurde. Ich war geht schon heftig zu. Da gibt es auch Abzie- gerechnet mehr als 1,6 Milliarden Euro Karten: +43 (0)1 514 44 41 40 veranschlagt. einfach nur fassungslos und wollte wissen, hereien, Klauereien und Schlägereien, teil- wie es sein kann, dass keiner mehr mit mir weise auch mit Messer. Bei all dem war ich Dezember 2010/Jänner 2011 PORTRÄT FRIEDENSPREIS FÜR DAVID GROSSMAN Mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wurde in diesem Jahr der renommierte und in 30 Sprachen übersetzte israelische Schriftsteller David Grossman geehrt. Im vergangenen Jahr hat der italienische Schriftstel- ler Claudio Magris den Friedenspreis erhalten. Frühere Preisträger waren unter anderen Anselm Kiefer, Saul Friedländer, Orhan Pamuk, Susan Sontag, Jürgen Habermas, Martin Walser, Amos Oz und Siegfried Lenz. 1954 in Jerusalem geboren, studierte Grossman Philosophie und Theaterwissenschaft. Au§erdem war er Re- dakteur und Hörspielautor beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sein erster Roman „Das Lächeln des Lam- mes" erscheint 1983. Sein Roman „Stichwort: Liebe" (1986) und Reportagen über das Verhältnis von Israel und Palästina machen ihn weltweit bekannt. 2006 stirbt sein zweiter Sohn Uri als Soldat im Südlibanon. 2008: Den Tod seines Sohns verarbeitet er in dem als bisheriges Hauptwerk gerühmten Roman „Eine Frau flieht vor einer Nachricht". 2009 wird Grossmans Kinderoper ãItamar Meets a Rabbit" vom Philharmonischen Orchester Is- raels uraufgeführt. Die Musik komponierte der israelische Musiker Yoni Rechter.

er Dachverband der Verleger und tenzieller Einsamkeit, vergehen, das jüdischen Menschen von seiner bitteren den Wünschen eines jungen Mannes. So Buchhändler dankte dem Preisträ- den jüdischen Menschen und das jüdische Grunderfahrung zu heilen: dem Gefühl, auf war er. Und so waren Tausende und Aber- Dger mit dieser Auszeichnung „für Volk unter den anderen Völkern immer be- der Welt heimatlos zu sein. Israel wurde er- tausende anderer Israelis, Palästinenser, Li- ein Werk, das von Hoffnung spricht, weil gleitet hat. richtet, damit der jüdische Mensch und das banesen, Syrer, Jordanier und Ägypter, die es sich weigert, dem Krieg in seinem Land, Wenn es Frieden gäbe, hätte Israel endlich jüdische Volk eine Heimstätte bekommen ihr Leben in diesem Konflikt verloren ha- dem Krieg in aller Welt und dem Krieg in Grenzen. Das ist nicht trivial, schon gar nicht sollten. Dies war die gro§e Vision, die zur ben und weiterhin verlieren. uns das letzte Wort zu überlassen", sagte für ein Volk, das die meiste Zeit seines Be- Schaffung des Staates Israel führte. Doch Einen Tag nach dem Ende der Trauerwo- der Vorsteher des Börsenvereins, Gottfried stehens verstreut unter anderen Völkern ge- so lange es keinen Frieden und keine aner- che kehrte ich an den Schreibtisch zurück Honnefelder. Die Laudation auf Grossman lebt hat, und die kannten festen und schrieb mein Buch weiter. Wenn einem hielt Joachim Gauck. Er würdigte Gros- meisten Katastro- Grenzen und kein Menschen ein Unglück widerfährt, hat er smans Bestreben, ãdem die Stirn zu bieten, phen in seiner Ge- Wer keine klaren wirkliches Gefühl das Gefühl, im Exil zu sein. Er wurde ver- was einen knebelt und in das Korsett der schichte eben auf- der Sicherheit gibt, trieben von allem, worauf er früher ver- Willkür zwingt. Menschen sind nicht dazu grund dieses Um- Grenzen hat, gleicht werden wir Israelis traute und baute, von allem, was er glaubte, verurteilt, Opfer ihrer Umstände zu sein. stands erleben mus- einem, in dessen Haus hier nicht das Zu- von der gesamten Geschichte seines Le- Menschen haben eine Wahl." Am Ende sei- ste. Stellen Sie sich hause haben, das bens. Plötzlich ist für ihn nichts mehr ner Laudatio rief er dem Friedenspreisträ- vor: Auch nach 62 die Wände sich uns gebührt und das selbstverständlich. Für mich war die Rück- ger zu: ãDu stehst vor deinem Goliath, dem Jahren hat Israel fortwährend bewegen; wir brauchen, so kehr zum Schreiben nach dem Unglück alltäglichen Hass – nicht einmal mit einer noch immer keine lange werden wir eine instinktive Reaktion. Ich hatte das Ge- Steinschleuder. Aber du bist David." festen Grenzen. einem, der keinen uns in der Welt nicht fühl, das Schreiben könnte der Weg sein, Seine Grenzen ver- beheimatet fühlen. auf dem ich Ð in gewissem Sinne Ð aus dem Auszüge aus seiner Dankesrede. festen Boden unter den schieben sich etwa (...) Exil zurückkehren würde. (...) „Friede" ist für mich nicht nur die Defi- alle zehn Jahre, wei- Füßen spürt. Einem, Ich sprach zu Anfang Wieder entdeckte ich, dass das Schreiben nition eines Zustands, in dem der Krieg mit ten sich aus oder der kein wirkliches meiner Rede von für mich der beste Weg ist, gegen Willkür all seinen Schrecken zu Ende sein und Is- werden zurückge- meinem Ausgangs- zu kämpfen – gegen jedwede Willkür – und rael umfassende und gute Beziehungen mit drängt, mal unseret- Zuhause hat. punkt beim Schrei- gegen das Gefühl, ihr hilflos, als Opfer aus- seinen Nachbarn haben wird. Wirklicher wegen, mal wegen ben des Buches geliefert zu sein. Ich habe gelernt: Es gibt Friede für Israel bedeutet die Aussicht, in unserer Nachbarn. Wer keine klaren Grenzen ãEine Frau flieht vor einer Nachricht". Viel- Situationen, in denen die einzige Freiheit, der Welt auf eine neue Art leben zu können. hat, gleicht einem, in dessen Haus die Wände leicht wissen Sie, es erzählt von einem isra- die einem bleibt, die des Beschreibens ist. Die Aussicht, dass Israel nach und nach sich fortwährend bewegen; einem, der kei- elischen Soldaten, der in den Krieg zieht, Die Freiheit, mit eigenen Worten das von den Verheerungen durch 2000 Jahre nen festen Boden unter den Füßen spürt. Ei- und dessen Mutter, gepackt von der Angst Schicksal zu beschreiben, das über einen Exil, Verfolgung und Dämonisierung gene- nem, der kein wirkliches Zuhause hat. um sein Schicksal, von Zuhause flieht, da- verhängt ist. Manchmal kann dies auch der sen wird. Vorausgesetzt, dieser zerbrechli- Trotz seiner großen militärischen Stärke mit die schreckliche Nachricht, falls sie Weg sein, aus seinem Opferdasein heraus- che Friede wird tatsächlich andauern, Is- ist es Israel noch immer nicht gelungen, denn kommt, sie nicht erreichen kann. zukommen. rael wird seine Existenz festigen und sein seinen Bürgern jenes natürliche, entspannte Drei Jahre und drei Monate nachdem ich Das trifft auf den einzelnen Menschen gro§es menschliches, geistiges und kultu- Gefühl zu geben, das ein Mensch hat, der mit dem Schreiben begonnen hatte, brach zu, aber auch auf Gesellschaften und Völ- relles Potenzial verwirklichen, dann würde sicher in seinem Land wohnt. Es ist Ð und der zweite Libanonkrieg aus. Er begann ker. Ich wünsche mir, dass mein Land Ð Is- jenes Gefühl existenzieller Fremdheit, exis- das ist tragisch Ð Israel nicht gelungen, den mit einem überraschenden Angriff der His- rael Ð die Kraft finden wird, seine Ge- bollah auf eine israelische Militärpatrouille schichte noch einmal neu zu schreiben. Das Lächeln des Lammes. Roman. Das Gedächtnis der Haut. Roman. auf israelischem Gebiet. Am Abend des 12. Dass es lernen wird, seiner Geschichte und Hanser, München 1988 Hanser, München 2004 August 2006, wenige Stunden vor dem seiner Tragödie auf eine neue Art und Der gelbe Wind. Die israelisch- Löwenhonig. Der Mythos von Samson. Ende des Krieges, starb mein Sohn Uri zu- Weise zu begegnen und sich aus ihr heraus palästinensische Tragödie. Kindler, Berlin Verlag, Berlin 2006 sammen mit den drei Männern seiner Pan- noch einmal neu zu erschaffen. Dass wir München 1988 Die Kraft zur Korrektur. Über Politik zerbesatzung durch eine Rakete der His- die erforderlichen Seelenkräfte finden, um ãMomik, das bin auch ich." und Literatur. Hanser, München 2008, bollah. (...) die wirklichen Gefahren, die auf uns lau- Hanser (Bogen 33), München 1990 ISBN 978-3-446-20998-5 Gerne würde ich Ihnen von Uri erzählen, ern, von dem gewaltigen Nachhall der Un- Ein spätes Duell. Carlsen, Eine Frau flieht vor einer Nachricht. aber das kann ich nicht. Nur so viel: Stellen glücke und Tragödien, die uns in der Ver- Hamburg 1990 Roman. Hanser, München 2009, Sie sich einen jungen Mann am Anfang sei- gangenheit heimsuchten, zu unterscheiden. Joram wünscht sich was. 2 Geschichten. ISBN 978-3-446-23397-3 nes Lebensweges vor, mit all seinen Hoff- Auf dass wir nicht mehr Opfer werden, Carlsen, Hamburg 1990 nungen, seinem Feuer, seiner Lebens- nicht unserer Feinde und nicht unserer ei- Auszeichnungen: Joram schreibt einen Brief. freude, mit der Arglosigkeit, dem Humor, genen Ängste. 2 Geschichten. Carlsen, 1991 Nelly-Sachs-Preis Hamburg 1991 1999 Mount Zion Award Stichwort: Liebe. Roman. Hanser, 2001 Buxtehuder Bulle für „Wohin du München 1991 mich führst“ Der geteilte Israeli. Über den Zwang, 2002 Jugendbuchpreis der Jury der den Nachbarn nicht zu verstehen. jungen Leser für „Wohin du mich Hanser, München 1992 führst“ Der Kindheitserfinder. Roman. Hanser, 2002 Manès-Sperber-Preis München 1994 2004 Wingate Literary Prize Zickzackkind. Roman. Hanser, 2007 EMET Prize München 1996 2008 Geschwister-Scholl-Preis für Joram und der Zauberhut. „Die Kraft zur Korrektur“ Gutenachtgeschichten. Hanser, 2009 Literaturpreis Albatros der München 1998 Günter-Grass-Stiftung Bremen für Sei du mir das Messer. Roman. Hanser, seinen Roman ãEine Frau flieht München 1999 vor einer Nachricht“ und die Eine offene Rechnung. Hanser, Übersetzung des Buchs aus dem München 2000 Hebräischen ins Deutsche von Wohin du mich führst. Roman. Hanser, Anne Birkenhauer München 2001 2010 Friedenspreis des Deutschen Diesen Krieg kann keiner gewinnen. Buchhandels für sein Eintreten Chronik eines angekündigten für den israelisch-palästinensischen Friedens. Hanser, München 2003 Dialog. Seite 10 Dezember 2010/Jänner 2011 POLITIK

heute etwa 175.000 Juden, in Damaskus ver- EXTEGRATION IN NAHOST bleiben weniger als 100. Im Libanon lebten UMWELTSCHÜTZER in den zwanziger Jahren mehr als 20.000 Ju- ãFaschismus, Rassismus!" wetterten arabische Oppositionspoliti- den. Die jüdische Präsenz im Land der Ze- SETZEN SICH DURCH ker in Israel gegen einen Gesetzentwurf, der den Treueeid für neue dern, die in biblischen Zeiten begann, ging Der Bürgermeister der Stadt Haifa, Yona Staatsbürger ändern soll. Künftig soll jeder Einwanderer dem Staat der Islamisierung Libanons um Jahrhunderte Yahav, und diverse Umweltschutzorganisa- Israel als „jüdischem und demokratischen Staat" die Treue voraus. Heute leben hier weniger als 200 Ju- tionen haben einen Sieg über die israelische schwören, bevor er den blauen Pass erhält. Zwei Gruppen stoßen den. Dasselbe gilt für Ägypten oder den Bahn davongetragen. Das Küstenschutzko- Irak: Hier lebten bis zu gro§en Pogromen in mitee der Nationalen Planungs- und Bau- sich an dieser Klausel: ultra-orthodoxe Juden und Araber. Erstere kommission verbot nun Israel Railways, den 40er Jahren hunderttausende Juden, halten die Idee eines demokratischen Staates für gotteslästerlich. Sie entlang einem nahe der Meeresküste gele- heute nur noch eine Handvoll. Saudi Ara- wollen einen Staat, in dem nicht die Wähler, sondern die Rabbiner genen Streckenabschnitt Überlandleitungen den Ton angeben. Muslimische Araber, heute 20% der israelischen bien ist das extremste Beispiel für Judenhass zu verlegen. Als Grund nannte die Kommis- in der arabischen Welt. Er geht hier noch auf sion den zu erwartenden ästhetischen Scha- Bevölkerung, können sich hingegen nicht mit der Idee anfreunden, die Lebzeiten des Religionsstifters Muham- Minderheit in einem jüdischen Staat zu sein. Beide Gruppen akzep- den für den Küstenblick. Bürgermeister Ya- mads zurück, der die reichen jüdischen hav zeigte sich erfreut über die Entschei- tieren Israel in seiner existierenden, mehrheitlich jüdischen und de- Stämme auf der Halbinsel ausrottete. Seither dung und teilte mit: ãDies ist ein histori- mokratischen Form also nicht. Den Befürwortern des Gesetzes be- gab es hier keine jüdische Präsenz, die Ein- scher Wendepunkt, der in Haifa zu einer Art stätigt der Aufschrei, dass eine Barriere notwendig ist, um den reise von Juden wird erschwert, wenn nicht von Entwicklung führen wird, wie sie keine Staatscharakter zu erhalten. verhindert. Jüdische Gebete sind in Saudi israelische Stadt bislang erlebt hat." Israel Arabien gesetzlich verboten, genau wie Railways lie§ verlauten, dass die Entschei- s ist nicht schwer, in Israel Beispiele von 1954 erklärte, dass Juden nicht Staats- Palästinenser Juden das Beten auf dem dung das Bahnelektrifizierungsprogramm für Araberfeindlichkeit zu finden. bürger werden können. Da hätte ihnen auch 144.000 m2 gro§en Tempelberg verbieten. im ganzen Land verzögern könnte und die Laut Umfragen will die Hälfte der kein Treueeid geholfen. Das 1973 erneuerte Doch wer diese Zustände mit Rassismus Elektrifizierung der Akko-Carmiel-Linie E gefährde, die 2015 in Betrieb genommen jüdischen Schüler arabischen Israelis nicht „Landgesetz" erklärte den Verkauf von Land im klassischen, europäischen Sinne erklären werden soll. dieselben Rechte zustehen. Vor kurzem an Juden oder Israelis zu einem ãVergehen will, missversteht die Region. Im Nahen erklärte ein wichtiger Rabbiner es für gegen die Staatssicherheit", die mit dem Tod Osten gibt es, anders als in Europa, keine OMAR SULEIMAN glaubenswidrig, Nicht-Juden Land zu ver- und Enteignung be- klare Trennung zwi- kaufen. Selbst für ein Land, in dem Juden straft wird. Ägypten, schen Religion, Volks- IN ISRAEL und Araber es meist vorziehen, in Parallel- das ebenso wie Jor- Im Nahen Osten gibt es, zugehörigkeit und Na- Israels Präsident Shimon Peres hat in Je- universen nebeneinander statt miteinander danien einen Frie- anders als in Europa, tionalität. Die Begriffe rusalem den Leiter des ägyptischen Ge- zu leben, war dieser Aufruf ungewöhnlich, densvertrag mit Is- sind hier noch unkla- heimdienstes, Omar Suleiman, getroffen. und heftig umstritten. rael unterschrieben keine klare Trennung rer als in Deutschland, Bei ihrem Gespräch berieten die beiden über mögliche Wege, die Friedensverhand- Arabische Knessetabgeordnete sehen im hat, bekräftigte im wo Multi-Kulti für tot zwischen Religion, lungen zwischen Israel und den Palästinen- Juni ein Gesetz, das neuen Gesetzesentwurf, der auf Einwanderer erklärt wurde. Sie sern wieder in Gang zu bringen, und wei- etwa 30.000 Ägyp- und nicht auf arabische Staatsbürger ange- Volkszugehörigkeit und greifen ineinander, tere die Region betreffende sicherheitspoli- wandt werden soll, aber nicht nur deshalb tern die Staatsbürger- Nationalität. und schlie§en sich aus. tische Fragen. Peres würdigte Ägyptens ein bedrohliches Menetekel. Sie kennen die schaft entziehen Juden werden kaum Rolle im Friedensprozess und betonte: ãSu- Gesetzgebung in Israels Nachbarstaaten, und könnte, wenn sie von Israelis unter- leiman ist nach Israel gekommen, um dabei fürchten Nachahmer in Israel, denn in arabi- eine Israelin geheiratet haben. Das Kabinett schieden, nicht als Religion wahrgenommen, zu helfen, die Schwierigkeiten zu überwin- schen Staaten wurden Juden mit einem ãEr- soll in Einzelfällen entscheiden, ob Milde denn als Volk. Dasselbe gilt für jüdische Is- den, die es bei den Verhandlungen gibt, und folg" ausgegrenzt, der Antisemiten in Eu- angebracht ist, falls die Braut nicht jüdisch raelis, denen es nach 130 Jahren Konflikt wird als Freund und jemand, der in den Pro- ropa vor Neid erblassen lassen würde. Erst sondern ãnur" Muslima ist. kaum noch gelingt, zwischen einem Araber zess involviert ist, empfangen." im September bestätigte die Palästinensische Syrien ist einer der wenigen Staaten, in und einem Hamasaktivisten zu unterschei- Autonomiebehörde (PA), die von arabischen denen Juden Anfang der neunziger Jahre den. Die Abgrenzung voneinander, eine NETANYAHU: Knessetabgeordneten beraten wird, die To- mehr Rechte erhielten und endlich Immobi- wahre Extegration, rührt weniger von Frem- FRIEDEN MÖGLICH desstrafe für Palästinenser, die Land an Ju- lien kaufen durften. Doch die Lockerung denhass als von Angst Ð nach elf Nahost- Israels Ministerpräsident Benjamin Ne- den oder Israelis verkaufen. Das Gesetz der war nur Schein: Syrien, wie fast allen arabi- kriegen und unzähligen Terrorangriffen und tanyahu hat sich in einem Interview mit PA lehnt an ein jordanisches Gesetz an. Jor- schen Staaten, ist es mittels Repressalien Vergeltungsma§nahmen vielleicht nach- dem US-Fernsehsender CNBC zu aktuellen danien war von Anfang an ãjudenrein" Ð Ar- und Pogromen gelungen, fast ãjudenrein" zu vollziehbar. politischen und wirtschaftlichen Fragen tikel 3(3) des jordanischen Zivilgesetzes 6 werden. Die syrische Exilgemeinde zählt Der Wille, sich vom Feind abzuschotten, geäußert. Dabei gab er sich zuversichtlich, rührt von einem Überlebensinstinkt, nicht dass ein Friedensabkommen mit den Paläs- TEL AVIV AUF PLATZ DREI DER RANGLISTE von Faschismus oder Rassismus her. Trotz- tinensern innerhalb eines Jahres erreicht dem birgt er eine tiefe Gefahr. Vor einem werden könnte. „Ich habe gesagt, wir soll- er international verbreitete Reiseführer tige Mittelmeermetropole des 21. Jahrhun- Jahrhundert lag keine der Grenzen in Nah- ten das kommende Jahr nehmen und versu- Lonely Planet hat Tel Aviv auf den derts. Bei weitem die internationalste Stadt D ost fest, weder staatliche noch ethnische: chen, dieses historische Friedensabkom- dritten Platz seiner Rangliste ãTop Cities for Israels, beherbergt Tel Aviv auch eine gro§e men zu gestalten, und die Leute haben ge- Ägyptische Juden waren Nationalisten und 2011" gewählt. Die Attraktivität Tel Avivs Schwulengemeinde, eine Art San Francisco sagt, Ð wie kannst du es in einem Jahr kämpften mit Muslimen gegen die britische wird von Lonely Planet wie folgt begründet: im Nahen Osten. Dank seiner Universität schaffen? Und ich habe gesagt, man kann ãTel Aviv ist die absolute Kehrseite von Je- und seiner Museen ist es auch das Treib- Besatzung, jüdische Händler sprachen Ara- es in einem Jahr schaffen Ð wenn es da rusalem, eine moderne Stadt der Sünde am haus von Israel wachsenden Kunst-, Film- bisch, arabische Kollegen Jiddisch oder He- draußen eine Übereinkunft gibt, wird es in Meer statt einer antiken heiligen Stadt auf und Musikszenen." Die weiteren neun Spit- bräisch. Die gegenseitige Vertrautheit ver- einem Jahr gelingen. Und wenn es da einem Hügel. Der Hedonismus ist die Reli- zenplätze verteilen sich auf die folgenden hinderte die Prägung simpler Stereotype. draußen keine Übereinkunft gibt, wird auch gion, die ihre Einwohner eint. Es gibt mehr Städte: 1. New York, 2. Tanger (Marokko), Die Brücken von einst sind hasserfüllten mehr Zeit nichts daran ändern. Darüber Bars als Synagogen. Gott ist ein DJ, und je- 4. Wellington (Neuseeland), 5. Valencia, 6. Gräben gewichen, Feindbilder setzen möchte ich mit Hillary Clinton sprechen, dermanns Körper ist ein Tempel. Sobald Iquitos (Peru), 7. Ghent (Belgien), 8. Dehli, sich fest und verzerren das Gegenüber. und dies ist, was ich glaube, was die Oba- man unter der Oberfläche schürft, entpuppt 9. Newcastle (Australien), 10. Chiang Mai Frieden rückt damit immer weiter in die ma-Administration erreichen will.“ sich Tel Aviv, oder TLV, als wirklich vielfäl- (Thailand). Ferne. Gil Yaron

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Dayan, Schriftsteller wie Amos Oz oder denen keine Autos fahren und Kinder und Arthur Koestler lebten zumindest zeit- Hunde unbekümmert bis spät in die weise im Kibbuz. Nacht drau§en spielen. Auf den Grund- Doch in den achtziger Jahren, nach der stücken der Kibbuzim sprießen Villen in Wahlniederlage der Arbeiterpartei, kürzte die Höhe. Yuppies wollen ihre Kinder in der Staat die Zuwendungen, die Ideologie die ausgezeichneten Kibbuzschulen und verblasste, junge Mitglieder drängten in am Nachmittag auf die Kibbuz-eigenen die weite Welt. ãNur drei Kameraden Sportplätze und Schwimmbäder meiner Klasse blieben in Deganiah", sagt schicken. In wohlhabenden Kibbuzim Ben Schalom. Die Bewegung stürzte in wie Deganiah ist es fast unmöglich, Mit- eine tiefe Krise. „Früher hatten wir 420 glied zu werden, nicht aus ideologischen Mitglieder, heute sind es nur noch 195, Gründen. „Den Mitgliedern gehört der mit einem Durchschnittsalter von 63 Jah- Gesamtbesitz. Jeder, der hier aufgenom- ren. Seit drei§ig Jahren wurde hier kein men würde, würde auf dem Papier sofort neues Haus gebaut", sagt Ben Schalom, zum Multimillionär", sagt Ben Schalom. der mit seinen vier Kindern auf 80 Qua- „Das müssen wir uns erst einmal gut dratmeter wohnt. überlegen." Mit den sozialistischen Idea- Die Krise erzwang Wandel. Die Mehrheit len der zwölf Pioniere hat das freilich nur der Kibbuzim führte harte Reformen durch. noch wenig zu tun. Gil Yaron Mitglieder bezahlen heute selbst für Strom, Wasser und Lebensmittel und erhalten Ge- er Kibbuz (Hebräisch für Ver- halt im Verhältnis zu ihrer Arbeit. Viele Dsammlung, Mehrzahl Kibbuzim) Kibbuzim begrenzen Einkommens- war ursprünglich eine nach marxisti- unterschiede jedoch auf 25%. Den ersten schen Idealen organisierte Kommune. Kuhstall von Deganiah B, in dem vor 80 Die meisten der insgesamt 273 Kib- Ländliche Idylle Jahren egalitäre Milch produziert wurde, buzim sind nahe der Grenzen ange- behaust jetzt eine Pralinenfabrik. Die siedelt. Obschon sie selbst zu ihren verbleibenden Kuhställe und die Dattel- Glanzzeiten nur knapp 7,5% der Be- und Bananenplantagen, auf denen einst völkerung stellten, galten sie lang als DER ISRAELISCHE KIBBUZ „hebräische Arbeit" gepredigt wurde, be- gesellschaftliche Elite. Kibbuzim wie schäftigen dreizehn thailändische Gastar- Deganiah im Norden oder Yad Mor- FEIERT HUNDERT JAHRE beiter. Längst schlafen die Kinder bei dechai im Süden leben von Helden- ihren Eltern. Viele Kibbuzim kehrten der mythos, nachdem ihre Mitglieder im DOCH DIE BEWEGUNG, DIE EINST mus. Sie wollte einen ãneuen Juden" schaf- Landarbeit den Rücken und errichteten Unabhängigkeitskrieg 1948 fast al- IDEOLOGISCHE SPEERSPITZE UND fen. Nach 2000 Jahren Exil sollten Juden Fabriken und Hotels. Deganiah Silicone lein die Angriffe der syrischen und SINNBILD DES DYNAMISCHEN, zur Scholle ihrer biblischen Heimat stellt medizinische Artikel her und be- ägyptischen Armeen aufhielten und JUNGEN UND ZIONISTISCHEN zurückkehren. Antireligiös und marxis- schäftigt 300 Angestellte, nur wenige da- so den Staat retteten. Heute leben nur ISRAEL WAR, IST ZU EINER tisch, interpretierten die Kibbuzim ihr Ju- von Kibbuzniks. rund 3,5% der Israelis in Kibbuzim, ALTERNDEN RANDERSCHEINUNG dentum als Volkszugehörigkeit und pre- Doch es wäre verfrüht, den Kibbuz für von denen viele hoch verschuldet digten eine Religion der Arbeit. In den tot zu erklären. Laut Angaben der Kib- GEWORDEN, DIE UM IHRE sind. Manche Kibbuzim sind dank ih- Kommunen gehörte dem Einzelnen nicht buzbewegung kamen in den vergangenen IDENTITÄT UND ZUKUNFT RINGT. rer günstigen Lage, großer Lände- einmal die eigene Unterhose. ãDer Ge- zwei Jahren 2500 neue Mitglieder hinzu. reien und schlauen Investitionen sehr dan Ben Schaloms Dienstfahrzeug ist meinschaft alles, dem Individuum Junge Israelis zieht der hohe Lebensstan- reich geworden. ein rostiges, klapperndes Fahrrad. nichts", so das Motto. Jeder sollte ãnach dard in die entlegenen grünen Dörfer, in ISeine staubigen Schuhe und das zer- seinen Fähigkeiten geben und nach sei- knitterte Hemd, das er auch bei 40 Grad nen Bedürfnissen bekommen." Kinder im Schatten trägt, lassen nicht erahnen, wurden fernab der Eltern im gemeinsa- dass der wortkarge Israeli theoretisch men Kinderhaus erzogen. Frauen waren über Güter im Wert gleichberechtigt, von zig Millionen Jahrzehnte bevor Euro verfügt. Ben sie in Europa Schalom ist Presse- wählen durften. sprecher und Ver- Entscheidungen walter im Kibbuz wurden in der Ver- Deganiah B. Dieser sammlung disku- Tage feiert nebenan tiert und per Ab- Deganiah A, der er- stimmung gefällt. ste Kibbuz der Der Einfluss der Welt, den hundert- Kibbuzim war sten Jahrestag sei- enorm. Auf dem na- In der Pralinenfabrik ner Gründung, für hen Friedhof Kin- Ben Schalom ein Grund zum Feiern. nereth zwischen Deganiah und dem See Aber das Jubiläum ist auch Anlass, Genezareth liegt ein Gro§teil der geisti- selbstkritisch mit einer Bewegung Bilanz gen Elite Israels begraben. In den siebzi- zu ziehen, die einst die Elite der Staats- ger Jahren war ein Viertel der israeli- führung stellte und heute eine Rander- schen Regierung Mitglied eines Kibbuz, scheinung in Dauerkrise ist: ãDie Idee viele Premiers und Minister hatten zu- des Kibbuz ist nicht tot", sagt Ben Scha- mindest für kurze Zeit in einem Kibbuz lom. „Sie hat sich verändert." gelebt. Kibbuzniks leiteten die Armee Im Jahr 1910 gründeten zwölf junge und gründeten die Friedensbewegung. Zionisten auf einem sumpfigen Acker den Führungspersönlichkeiten wie ersten Kibbuz. Die Kibbuzbewegung war Verteidigungsminister Ehud Barak oder die ideologische Speerspitze des Zionis- sein legendärer Vorgänger Mosche

Med. Univ. DR. ALEXANDER ZOLOTAR (Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe) DR. MEIRA ZOLOTAR (Facharzt für Chirurgie) TATJANA ZOLOTAR (Law LLB) sowie ELIAS und IDA ZOLOTAR

wünschen allen Bekannten und Freunden ein frohes Fest Dezember 2010/Jänner 2011 Seite 13 Seite 14 Dezember 2010/Jänner 2011 Dezember 2010/Jänner 2011 Seite 15 Seite 16 Dezember 2010/Jänner 2011 Dezember 2010/Jänner 2011 Seite 17 Seite 18 Dezember 2010/Jänner 2011 Dezember 2010/Jänner 2011

l Postino – (Der Briefträger) – ist eine niels, der in den USA zu den gefragtesten Re- Co-Produktion der Los Angeles Opera, gisseuren zählt. Es spielen die Wiener Sym- Iwo sie am 23. September 2010 zur Welt- phoniker, es singt der Arnold Schoenberg Uraufführung gelangte, dem Theater an der Chor. Wien, wo am 9. Dezember die europäische Obwohl es sich um eine zeitgenössische Erstaufführung stattfindet und dem Théatre Oper handelt und obwohl Catán bei Milton du Châtelet in Paris, wo sie nach Wien ge- Babbits studiert hat, ist seine Musik neo ro- zeigt wird. Das Libretto für diese Oper hat mantisch, sehr lyrisch und melodiös. Sie geht Daniel Catán selbst verfasst; es basiert auf leicht zu Herzen und erinnert an Puccini und Antonio Skármetas Roman „Ardiente Pacien- Debussy. cia” (Mit brennender Geduld) und dem italie- Daniel Catán ist 1949 in Mexico City gebo- nischen Film „Il Postino” von Michael Rad- ren und lebt derzeit in Los Angeles, Kalifor- KNOW HOPE ford, sowie auf Gedichten von Pablo Neruda. nien. Er ist sephardischer Jude mit russischen Dabei geht es um die ungewöhnliche Vorfahren, wuchs in Mexiko auf und begann Erkenne die Hoffnung: Know Hope, ein akkustisches Wortspiel mit: no Freundschaft zwischen dem exilierten chile- schon sehr früh mit dem Klavierspielen. Sein hope hat sich der aus Kalifornien stammende israelische Straßenkünst- nischen Schriftsteller Pablo Neruda und Ma- Vater, der Sänger war, wollte, dass seine bei- ler als Pseudonym zugelegt, um in urbaner Umgebung verlassenen Or- rio Ruoppolo, dem Briefträger des italieni- den Söhne ihn begleiten. Mit 14 Jahren kam ten, abgelebten Räumen und verfallenen Mauern seinen visuellenen schen Inseldorfes. Es ist die Geschichte von Catán nach England, wo er nach dem College Stempel aufzusetzen. Anders als in den späten achtziger Jahren besteht Mario, der kein Fischer werden wollte und in Sussex und Southhampton Philosophie und Stra§enkunst heute nicht mehr nur aus Graffiti und wird auch vom als Briefträger dem verehrten Dichter Pablo Musik studierte. Danach ging er in die USA Establishment nicht mehr nur als Schmiererei angesehen. Neruda die Post bringt. Fasziniert von dessen und erwarb an der Princeton University sein Dichtkunst beginnt er sich für Poesie und Po- Ph.D. 1977 kehrte er nach Mexico City In Wien konnte man heuer im September während des BLK River Fes- litik zu interessieren. Und als er um die zurück. tivals am Donauufer den Künstler bei der der Arbeit beobachten. schöne Beatrice wirbt, kann er sie mit Hilfe Um seine zweite Oper „Rappacini’s Die Werke von ãKnow Hope" sprengen die visuellen Konventionen des Stadtbildes. Im Konstrast zum Gewohnten und Überkommenen schockiert die Präsenz seiner Charakterfigur, deren Dimension und „IL POSTINO“ Farbe heftige Reaktionen hervorruft. Stra§enkunst verlangt vom Be- trachter die Auseinandersetzung, einen zweiten und dritten Blick. Hin- ter dieser Hürde entdeckt sich die Poesie von Know Hope, die er uns wie IM THEATER AN DER WIEN ein Logo zu jedem Werk mitteilt. Die Figur, die er ins Überdimensionale vergrößert am Donauufer entlang kriechen lässt, ist eine gebückte, be- drohte und verletzte Gestalt, die die meisten von uns aus der eigenen Ge- schichte kennen. Sein blutendes Herz ist verrückt und deplaziert, doch die beflügelten Seelen der ihn umwehenden Vögel wie auch seine kreati- ven Hände zeugen vom Wissen um die Hoffnung. ir treffen diese namenlose Figur könnten eines Tages zufällig auf sie stoßen, auch in Tel Aviv, New York und denn sie liegt unterirdisch im Netz der NY- WToronto. Sie zeigt sich uns in ver- Transportation Authority an einem verödeten schiedenen Momentaufnahmen gro§er Hoff- Streckenstück. Die einzige Möglichkeit sie nungslosigkeit, spiegelt eine empfindsame Re- zu sehen bieten Aufnahmen im Internet. aktion auf die Umgebung und reflektiert die Diese Kunst wird, wie einst, von einem ge- Begegnung mit dem Ort. Die Installationen und schlossenen Kreis der Insider goutiert. Sie Bilder, die jeweils entstehen, bleiben verwaist erst heben die Werke auf eine andere Dialog- am Ort zurück, während der Künstler weiter- ebene, in der Zuschauer und Künstler glei- geht, seinem normalen Leben nachgeht. Er cher Gesinnung sind. Zufallsbesucher und trifft also quasi zufällig sein Atelier im Dickicht Establishment sind ausgegrenzt. Später, als der Stadt, verankert in ihm visuell einen weite- weiterer Schaffensschritt, geben die Künstler ren Geisteszustand, der sich durch sein Wegge- diese Exklusivität auf und setzen Kopien ih- Israel Lonzano Daniel Catán hen Minuten später verflüchtigt. Diesen Augen- rer Werke ins Netz. Über allgemeine Suchbe- blick des Empfindens zwischen den Welten ist griffe wie ãGraffiti" und ãstreet art" findet seines Dichter-Freundes und dessen Versen Daughter” fertig zu stellen, ging er nach Ja- es, den die Kunst der Stra§e einfangen kann. man den Einstieg, um mit dem Terrain dieser für sich gewinnen. pan, wo er traditionelle japanische Musik Diese Kunst ist flüchtig, hinterlässt im intensi- Kunstrichtung vertraut zu werden Ð wie er- Durch das Zusammensein der beiden un- und Drama studierte. „Rappacini’s Daugh- ven Krach der Metropolen ein vages Echo. wartet finden sich vorwiegend internationale gleichen Charaktere macht nicht nur Mario ter” (mit Texten von Octavio Paz) wurde ãEvery now is then" Ð wie der Titel einer frühe- Seiten, die vage die Auftritte der einschlägi- eine tiefgehende Entwicklung durch, sondern 1994 an der San Diego Opera uraufgeführt. ren Arbeit von Know Hope verrät. gen Künstler ankündigen. Der Ort des Schaf- auch Neruda kann erkennen, welche Kraft ãFlorencia en el Amazonas”, seine populärs- Das Publikum für diese Kunst bildet eine fens selbst wird meist erst gezählte Stunden seinen Worten inneliegt. te Oper, zu der ihn der Roman ãDie Liebe in relativ geschlossene Gruppe, die sich ihren im Vorhinein preisgegeben, gerade, wie man Die Oper stellt eine Hommage an Pablo den Zeiten der Cholera" von Gabriel Garcia Weg zu den Werken ihrer Lieblingskünstler es vom Leben in der Unterwelt erwartet. Neruda, dem Dichter des Volkes und der Márquez, von dem es ebenfalls eine Verfil- irgendwie erkämpfen muss. Die zum Atelier Zur Zeit wird Know Hope in einer Grup- Liebe, dar und auch an die Macht und Kraft mung gibt, inspirierte, kam an der Houston gewordene Stadt ist großflächig und unüber- penausstellung gezeigt, die sich auf seine der Poesie. Ein weiteres wichtiges Thema für Grand Opera zur Uraufführung. Ebendort schaubar. Die Öffentlichkeit wird zum Hin- Studioarbeiten konzentriert. Sie trägt den Ti- Daniel Catán ist das Exil, von dem einige an seine Oper „Salsipuedes”, eine Geschichte dernis, hinter dem das Kunstwerk versteckt tel: ãSmall Acts of Resistance", kleine Hand- der Oper Beteiligten betroffen waren. Allen über Liebe, Krieg und Sardellen. „Florencia bleibt. Die urbane Kunst will eine Erlebnis- lungen des Widerstands, und wird bis zum voran Pablo Neruda, gefolgt von Antonio en el Amazonas” ist die erste Oper in spani- ebene abdecken, die vom Betrachter ver- 30. November in London gezeigt. Der tsche- Skármeta, der in Berlin Aufnahme fand, und scher Sprache, die in den USA in Auftrag ge- langt, sich einzubringen, sich zu engagieren. chische Schriftsteller und Dissident Vaclav der Sängerin der Mathilde Neruda, Cristina geben wurde. Dies ist zumeist der Preis für sein Entreebil- Havel erklärt diesen Arbeitstitel so: ãHeute Gallardo-Domás. Auch Plàcido Domingo Außer Opern schrieb Catán noch sympho- nische Musik, sowie Musik für Film („I’m lett. Gefunden wird der Zutritt nur von Su- leben Millionen Menschen in der Welt unter lebte mit seinen Eltern während des Franco Losing You") und TV. 1998 wurde er mit dem chenden, die in Hinterhöfen und an sozialen Bedingungen, in denen es scheinen könnte, Regimes in Mexiko. 1962 ging er mit seiner Plácido Domingo Award für seinen Beitrag Bruchstellen moderner Stadtlandschaften als werde sich nichts je ändern. Sie sollten Familie für drei Jahre nach Israel, wo er an der Israel National Oper Tel Aviv 280 Auf- für die Oper ausgezeichnet und 2000 erhielt nach visuellen Zeichen spähen, die dort in sich daran erinnern, dass Ende der achtziger führungen in 12 verschiedenen Opern sang er den Guggenheim Fellowship Award. Der der Illegalität entstanden sind. Jahre die Aufstände in ganz Osteuropa Folge und 1965 nach Amerika zurückkehrte. Musikprofessor Catán unterrichtet außerdem Vor kurzem gab es eine Dokumentation einer Reihe von Handlungen ganz normaler Für Daniel Catán ist nicht nur die musikali- Musik und schreibt und publiziert über Musik solch geheimen Kunstschaffens in New York Leute waren, deren Summe die Veränderung sche Reise, sondern auch die transformative und Kunst. unter dem Titel ãUnderbelly Project". Der unausweichlich werden lie§. In meinem Le- Reise seiner Charaktere enorm wichtig, wie Premiere von ãIl Postino" (The postman) Ausstellungsort, an dem 103 Künstler aus al- ben habe ich wiederholt beobachtet, dass ge- die, die Mario in seiner Entwicklung vom von Daniel Catán – 9. Dezember im Theater ler Welt während 18 Monaten ihre Werke di- rade die kleinen Handlungen des Wider- sprachlosen, einfachen Menschen zum Insel- an der Wien. Weitere Aufführungen folgen rekt auf die gro§en Galleriemauern installier- stands es waren, die einen unvergleichlich poeten erlebt. Von grundlegender Bedeutung am 11., 14., 18. und 21. Dezember 2010. Je- ten, ist nach wie vor unbekannt. Es war die größeren Einfluss/Impakt hatten, als es im ist dem Komponisten auch die Authentizität weils um 19.00 Uhr. Oper in drei Akten in größte Show ihrer Art, doch zur Eröffnung Augenblick der Tat irgendjemand vorausge- der latinamerikanischen Kultur und des, spanischer Sprache mit Übertiteln. Ein- konnten nur Einzelne kommen und wäre sehen hätte. Es geht bei den kleinen Hand- freien, offenen settings Ð im Gegensatz zur führungsmatinee: Sonntag, 28. November nicht ein Reporter der New York Times zur lungen des Widerstands nicht nur um Mo- europäischen Opernkultur. 2010, um 11.00 Uhr. Dokumentation eingeladen worden, hätten mente in der Gegenwart oder der Vergangen- Die Rollen der beiden Tenöre singen Plà- Zur Einstimmung empfiehlt es sich das wir vielleicht nie davon erfahren. Die Kunst- heit. Ich glaube, es geht in ihnen auch um die cido Domingo als Pablo Neruda und Israel kleine Meisterwerk, Antonio Skármetas No- werke verstecken sich an geheimen Ort und Zukunft." Lozano als Mario Ruopollo. Israel Lozano velle „Mit brennender Geduld“ (Zitat von der Zugang zu ihnen wäre illegal. Noch am Die Figur, die Know Hope zum Charakter war Preisträger des von Plàcido Domingo ins Arthur Rimbaud) zu lesen, mit dem er dem Tag der Eröffnung wurde sie wieder ge- entwickelt hat, können wir auf Know Hope`s Leben gerufenen „Operalia”-Gesangswettbe- gro§en chilenischen Dichter und Nobel- schlossen und mit ihr die Kunstwerke im InternetSite unter: http://www. thisislimbo.com werbes. Die musikalische Leitung hat Jesus preisträger Pablo Neruda und seinem Brief- Limbo versiegelt. Nur U-Bahn-Arbeiter näher kennen lernen. Barbara Kempinski López-Cobos inne, die Inszenierung Ron Da- träger ein Denkmal setzt. Mirjam Morad Preise und Auszeichnungen (Auswahl) LITERATUR 1980 Oldenburger Jugendbuchpreis für ãBitterschokolade" 1982 Janusz-Korczak-Medaille für „Wenn das Glück kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstellen" MIRJAM PRESSLER ERHÄLT 1995 Züricher Kinderbuchpreis „La vache qui lit" für „Wenn das Glück kommt,..." 1995 Deutscher Jugendliteraturpreis für DEN SONDERPREIS 2010 ãWenn das Glück kommt,..." 1998 Friedrich-Bödecker-Preis für ihr schrif- stellerisches Gesamtwerk Mirjam Pressler, 1940 in Darmstadt geboren, studierte an der 1994 Sonderpreis des Deutschen Jugend- Akademie für Bildende Kunst in Frankfurt und Sprachen in literaturpreises für ihr Werk als Übersetzerin 2000 Jugendbuchpreis der Jury der Jungen München und lebte für ein Jahr in einem Kibbuz in Israel. Seit Leser in Wien für „Shylocks Tochter" 1979 schreibt sie Kinder- und Jugendbücher und hat mit viel 2001 Carl-Zuckmayer-Medaille für ihre ãVerdienste um die deutsche Sprache" Erfolg über 60 Bücher publiziert und weit über 200 Bücher 2002 Deutscher Bücherpreis für „Malka Mai" für Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus dem Niederländi- 2008 Jane Scatcherd Preis für ihre Übersetzungen aus dem Hebräischen. schen, Flämischen, Afrikaans, Hebräischen, Jiddischen und 2009 CORINE für „Nathan und seine Kinder" Englischen übersetzt. Sie zählt zu den renommiertesten Kinder- 2010 Deutscher Jugendliteraturpreis für ihr Werk als Autorin und Jugendbuchautorinnen Deutschlands.

ür die Autorin und Übersetzerin Mir- die die Familie Frank zusammen mit vier an- Familiengeschichte. Dabei handelt es sich Spannung, die einem das Buch nicht aus jam Pressler ist dies nun schon der deren Verfolgten in ihrem Versteck verbrach- um zum Teil bereits veröffentlichte sowie der Hand legen lässt, ehe man es zu Ende Fzweite Sonderpreis des Deutschen Ju- ten und entwirft darin ein lebendiges Bild von zum Teil unveröffentlichte Briefe und gelesen hat. gendbuchpreises. Bereits 1994 erhielt sie den Annes widerspruchsvoller Persönlichkeit, Dokumente. Besonders hat sie sich für die Vermittlung Sonderpreis für das Gesamtwerk Übersetzung ihren Begabungen, Konflikten und Träume Zu ihren besten und interessantesten der Literatur aus Israel eingesetzt und war in Leipzig. Im Oktober 2010 auf der Buch- und spürt auch Themen nach, die für Anne Büchern zählen ihre akribisch recherchierten Herausgeberin der Reihe israelischer Kinder- messe Frankfurt wurde sie mit dem 10.000 selbst die wichtigsten waren: ihr Verhältnis zu Stoffe literarischer Vorlagen und Stoffe der und Jugendliteratur aus Israel für den Alibaba Euro dotierten Preis für das Gesamtwerk als den Eltern, zur Schwester, zur Liebe und zur Weltliteratur wie ãShylocks Tochter", ãGo- Verlag in Frankfurt. Mirjam Pressler ist eine Autorin ausgezeichnet. Ihre Romane zählen Sexualität. lem, stiller Bruder" und zuletzt ãNathan und unermüdliche Schaffende, der es zu verdan- zu den Klassikern der Jugendliteratur. Im Oktober 2009 erschien „Grüße und seine Kinder". Nie übernimmt sie nur eins zu ken ist, dass Literatur aus Israel Eingang in Mirjam Pressler geht der Ruf voraus, dass Küsse an alle". Die Geschichte der Familie eins die Handlung, sondern bringt Korrektu- den deutschsprachigen Raum gefunden hat, sie bereits sämtliche wichtigen Preise erhalten von Anne Frank, von Mirjam Pressler ren an, die total überraschen, irritieren, und und die sie zum Großteil übersetzt hat. hat, die es gibt. Nun kommt es eben zu Zweit- unter Mitarbeit von Gerti Elias, im S. Fischer dadurch realistisch sind. Mit gro§er Liebe Im März 2011 erscheint bei Beltz & Gel- vergaben. Gleich für ihr erstes Buch „Bitter- Verlag. zum Detail bettet sie die Geschichte in einen berg ihr neuer Roman „Ein Buch für Hanna", schokolade", erhielt sie 1980 den Oldenburger Auslöser für dieses Buch war der wunder- möglichen Alltag und eine soziale Realität ein, in dem sie sich erneut dem Holocaust-Thema Jugendbuchpreis. Weitere Bücher folgten bare Fund von mehreren tausend Briefen, und verleiht ihr Aktualität in der Gegenwart. widmet und die Geschichte eines 14-jährigen schneller, als der Verlag publizieren konnte: Dokumenten und Fotos der Familie Frank Immer stellt sie die Kinder in den Mittelpunkt, Mädchens schildert, das sich trotz ihrer zer- ãNun red doch endlich", ãKratzer im Lack", auf dem Dachboden des Basler Hauses von aus deren Sicht sie schreibt. Geschickt ver- störten Jugend zu einem lebensfrohen und ãStolperschritte", ãNovemberkatzen", ãZeit Buddy Elias, Anne Franks Cousin. Sie wur- wendet sie den Perspektivenwechsel und lässt glücklichen Menschen entwickelt. am Stiel", ãNickel Vogelpfeifer" und viele an- den von Gerti Elias, Buddys Frau, geordnet die Charaktere lebendig werden. Dazu kommt Mirjam Pressler lebt mit ihrem Mann in dere mehr. Jedes Buch ein Treffer. und ediert und bilden die Grundlage für die die wunderschöne Sprache und die aufgebaute Landshut bei München. Mirjam Morad Ihr Buch ãNovemberkatzen" ist weitgehend autobiographisch. Sie erzählt darin von den Schwierigkeiten, unter denen sie aufgewach- sen ist. Ein weiterer Kindheitsroman erschien 1994 unter dem Titel ãWenn das Glück VORKÄMPFERIN FÜR kommt, muss man ihm einen Stuhl hinstel- len". Mirjam Pressler schreibt in ihren Ju- FRAUENEMANZIPATION gendbüchern über „beschädigte Kindheiten" und geht dabei von ihren Erfahrungen und ih- Nächstes Jahr ist der 200. Geburtstag von Fanny Lewald, die es schaffte, sich als rer eigenen Biographie aus. ãWas ich schreibe, erfolgreiche Schriftstellerin in Deutschland durchzusetzen. Sie war eine der führenden muss stimmen, muss meiner Realität, meiner AutorInnen ihrer Zeit, ist aber heutzutage relativ unbekannt. Fanny Lewald wurde als sozialen Wirklichkeit entsprechen. 1940 ältestes von neun Kindern des jüdischen Kaufmanns David Marcus und seiner Frau Zipora am 24. Mai 1811 in Königsberg geboren. Obwohl die Familie ihren Glauben wurde ich als uneheliches Kind in Deutsch- nicht praktizierte, bekamen sie antisemitische Anfeindungen zu spüren. So durfte land geboren, wuchs bei Pflegeeltern im Oma- Fanny Lewald beispielsweise nicht mit ihren Freundinnen spielen, da deren Eltern sie und Opa-Alter auf, die selbst zur sozialen Un- nicht mit JüdInnen verkehren lie§en. Mit Zustimmung des Vaters traten die beiden terschicht gehörten. Ich bin geschieden und Söhne und Fanny Lewald zum protestantischen Glauben über, später wurde letztere habe meine drei, nun erwachsenen, Töchter Christin. 1831 lie§ der Vater seine Familie in Lewald umbenennen. allein großgezogen. Ich schreibe über das, was ich kenne, die Realität von Kindern, so wie anny Lewald besuchte bis zum 14. Le- gilt als der bedeutendste ãFrauenroman" des ziale Fragen beschäftigten sie immer wieder, ich sie selbst, bzw. vermittelt durch meine und bensjahr eine Privatschule, ein Uni- 19. Jahrhunderts in deutscher Sprache, ver- so in „Der dritte Stand” oder „Die Lage der andere Kinder, erlebt habe. Sicher kommen in Fversitätsstudium, das ihren Brüdern gleichbar mit dem zeitgleich entstandenen weiblichen Dienstboten”. Es entstanden aber meinen Büchern auch schwierige Themen selbstverständlich zustand, kam für sie da- Werken der Brontë-Schwestern in England. auch fantasievolle Erzählungen und Reisebil- wie Tod, Behinderung und Umwelt- mals aber nicht in Frage. In der Schule fiel Die Titelheldin trägt stark autobiografische der der Reisefreudigen. In ihrer Autobiogra- zerstörung vor." sie durch Flei§ und Wissensdrang auf, Eigen- Züge der Autorin: Sie entstammt einer rei- fie „Meine Lebensgeschichte” erzählt die Au- Ein weiterer Aspekt, für den sich Mirjam schaften, die zu jener Zeit Jungen zugeschrie- chen jüdischen Handelsfamilie und argumen- torin von ihrem selbstbestimmten Weg in ein Pressler einsetzt, ist der Kampf gegen Fa- ben wurden: ãAls ich bei Abschluss der tiert angesichts Antisemitismus und patriar- Leben als Schriftstellerin. schismus und die Erinnerung an den Faschis- Grundschule mein Zeugnis bekam, sagte der chaler Gesellschaftsstrukturen für die Not- 1848 fuhr sie nach Paris, um die Revolu- mus in Deutschland. Mit Beginn der 90er Lehrer zu mir: Fanny, dein Kopf hätte besser wendigkeit einer Emanzipation von Frauen tion mitzuerleben. Anschließend gründete sie Jahre erweiterte die Autorin ihr Schreiben zu einem Jungen gepasst! Aber wenn Du eine sowie JüdInnen. Die Romane verkauften sich einen politisch-literarischen Salon in Berlin. über jüdische Kindheiten während des Holo- brave Frau wirst, ist es auch gut!” In diesem so gut, dass Fanny Lewald 34-jährig, mit Zu- 1855 heiratete sie den Gymnasiallehrer, Kri- caust in Europa. Insbesondere fand sie im Le- Sinne dachte auch der Vater: ãEs gibt nichts stimmung des Vaters, endlich eine eigene tiker und nicht sehr erfolgreichen Schriftstel- ben und Werk der Anne Frank eine generati- Widerwärtigeres und was unbrauchbarer sei Wohnung in Berlin beziehen konnte. Mit 40 ler Adolf Stahr, wobei sie einen Ehevertrag onsübergreifende Symbolfigur. hatte sie einen festen Platz in der literari- als ein gelehrtes, unpraktisches Frauenzim- forderte. Stahr hatte sich ihretwegen von sei- mer.“ Lewald wurden damals für bürgerliche schen Szene erobert. „Mein gutes Fräulein", Im S. Fischer Verlag erschienen 1988 ãDie ner Frau und seinen fünf Kindern getrennt Frauen typische Tätigkeiten übertragen: schrieb der Verleger, „es läuft blendend. Bei Tagebücher der Anne Frank". Es ist dies die und brachte somit nur wenig in die Ehe mit. vollständige, textkritische, kommentierte, Handarbeiten, leichte Hausarbeiten, Klavier- uns muss ein guter Roman von Ihnen Deshalb bekundete Fanny vor dem Notar: über 800 Seiten starke Ausgabe mit 110 Ab- spiel und etwas Lektüre. In diesem Umfeld drei andere schlechte von anderen Autoren ãZwar finde ich in der Unterordnung unter bildungen und Dokumenten. Mirjam Pressler war es sicherlich sehr schwer als Frau sich zu mittragen." meinen verehrten Mann und in meinem häus- hat die wissenschaftliche Aufarbeitung der emanzipieren, autonom zu leben und sich In den folgenden Jahren nahm sie Stellung lichen und mütterlichen Berufe mein größtes kompletten Tagebücher und ihrer Entste- selbst zu ernähren. Ein neuer Lebensab- zur Ehescheidung und sie setzt sich für die hungsgeschichte übersetzt. Ihre intensive Aus- schnitt begann, als ihr Cousin August Le- Rechte der unteren Schichten ein. Lewald Glück, doch werde ich mein selbst erarbeite- einandersetzung mit der Person Anne Franks wald, der die Zeitschrift ãEuropa" leitete, war eine entschiedene Vorkämpferin der tes Vermögen auch weiterhin selbst behalten brachte sie darauf, eine Biographie über das ihre literarische Begabung entdeckte und sie Frauenemanzipation. Sie forderte das unein- und verwalten." Leben Anne Franks zu rekonstruieren, sowohl förderte. Es erschienen einige Artikel von ihr geschränkte Recht der Frauen auf Bildung Fanny Lewald starb 1889 in Dresden, wo das innere wie auch das äußere. In ihrem er- in dieser Publikation. In der Person Heinrich und auf Erwerbstätigkeit ebenso wie sie sich heute die Fanny-Lewald-Stra§e an sie erin- sten Sachbuch: ãIch sehne mich so. Die Le- Brockhaus fand sie einen Verleger ihrer gegen die Zwangsverheiratung junger Frauen nert. Von Witz und analytischem Sachver- bensgeschichte der Anne Frank" schreibt Mir- Werke. 1843 veröffentlichte sie ihren ersten einsetzte. Sie selbst hatte sich in ihrer Jugend stand geprägt, sind ihre Schriften auch für jam Pressler in ihrem Vorwort: ãEine Lebens- Roman „Clementine”, in dem sie die Unter- erfolgreich der Verheiratung mit einem unge- heutige LeserInnen eine interessante und gut beschreibung wie ich sie mir wünsche, sollte drückung der Juden zum Thema macht. In liebten Mann widersetzt. Auch war sie gegen lesbare Lektüre. In den 1990er-Jahren wurde zeigen, welches Leben gelebt wurde im Ver- ihrem zweiten Roman „Jenny” thematisiert das Scheidungsverbot und sprach sich in das Werk von Fanny Lewald im Ulrike Hel- gleich zu dem, das hätte gelebt werden kön- sie die Unterdrückung der Frauen. Die beiden ihrem dritten Roman „Die Lebensfrage” für mer Verlag wieder aufgelegt und wartet auf nen." Sie schildert darin beinahe zwei Jahre, Werke erschienen zunächst anonym. „Jenny” die Erleichterung der Ehescheidung aus. So- neugierige LeserInnen. Helene Maier Seite 21 ARGENTINIEN, GASTLAND AUF DER FRANKFURTER BUCHMESSE 2010 VOM REGEN IN DIE TRAUFE Ð BLICK AUFS JÜDISCHE LEBEN Im Oktober fand die 62. Frankfurter Buchmesse statt. Im Mittelpunkt stand dieses Mal Literatur aus Pizarnik (1936 Ð 1972) Ð ihr Werk erschien Argentinien. Aus jüdischem Blickwinkel fällt einem allerhand zu diesem Land ein: man denkt an ein Exil im leider aufgegebenen Amman Verlag Ð für Juden nach 1933 und einen Fluchtpunkt für Nazis nach 1945, man besinnt sich auf Adolf Eichmanns ruht auf dem jüdischen Friedhof von La spektakuläre „Überführung" 1960 nach Israel und den verheerenden Bombenanschlag 1994 in Buenos Tablada. Der Lektor und Autor Alberto Aires auf das jüdische Gemeindezentrum Asociación Mutual Israelita Argentina (AIMA), für den es erst Manguel, Jahrgang 1948, lebt inzwischen keine Tatverdächtigen gab und ein Jahrzehnt später einen Freispruch für fünf Angeklagte. Davon hauptsächlich in Paris. hat die Welt immerhin Kenntnis genommen. Wer aber hat schon von Moisesville gehört, das 1889 von Einer der bemerkenswertesten Romane jiddischsprachigen Einwanderern aus Osteuropa gegründete Schtetl mit seiner jüdischen über den „Schmutzigen Krieg", den die Mi- Gaucho-Kultur, die am Aussterben ist? Und wer wei§ schon, dass in Argentinien derzeit die größte litärjunta gegen die eigenen Bürger führte, spanischsprachige bzw. sechsgrößte jüdische Diaspora-Gemeinschaft lebt? stammt übrigens von dem New Yorker Schriftsteller Nathan Englander. 2008 er- atürlich bemüht man sich allenthal- zeichnete, für abgelöst. „Der Drang zur Auf- als Außenseiter und Sündenböcke definiert. schien bei Luchterhand sein Roman ãDas ben hervorzuheben, dass ãdie argen- arbeitung ist in Argentinien besonders stark", Alijah nach Israel war für einen Teil die ein- Ministerium für besondere Fälle". Der Blick Ntinischen Juden heute Ð 200 Jahre erklärte sie in einem Interview, ãdie Kinder zige Option. von außen, überbordende Phantasie, jüdi- nach der Staatsbildung Ð ein untrennbarer der Verschwundenen erheben die Stimme.“ Zwei, die Argentinien auf sehr unter- scher Witz und sichere Stilistik kommen ar- Bestandteil der pluralistischen und demokra- Erkenntnisse über das Leben für Juden in schiedliche Weise den Rücken kehrten: Die gentinischer Realität und jüdischer Spurensu- tischen Gesellschaft Argentiniens sind". So Argentinien liefern auf ihre ganz unterschied- Schriftstellerin und Dichterin Alejandra che bemerkenswert nahe. Ellen Presser hei§t es offiziell. liche Weise der 1923 in Fürth geborene und Kriminalromane haben im Klima Argentini- seit 1937 in Buenos Aires beheimatete ens besondere Konjunktur. Es sind meist mehr Robert Schopflocher sowie der eben dort oder weniger geglückte Versuche, die sieben 1966 geborene Marcelo Birmajer. Von EMIGRATION AUS ÖSTERREICH Jahre der Militärdiktatur vom Putsch am 24. Schopflocher zum Thema besonders lesens- hrengast bei der Frankfurter Buch- befreit worden. Rus‘ Hoffnung, im fernen März 1976 bis zum Beginn der Redemokrati- wert: „Fernes Beben. Erzählungen aus Ar- Emesse war heuer Argentinien, das sich Argentinien eine gute neue Heimat gefun- sierung im Herbst 1983 zu thematisieren. gentinien" (Suhrkamp Verlag, Frankfurt durch eine gro§e literarische Tradition aus- den zu haben – fern von Unterdrückung, Eine zaghafte juristische 2003) und ãWeit von zeichnet. Auch das Museum Judengasse, Folter, Mord – machte die Militärdiktatur Untersuchung der Verbre- wo. Mein Leben zwi- der Dependance des Jüdischen Museum zunichte: 1977 verschwand ihr Sohn Da- chen endete 1986/87 erst schen drei Welten" (Lan- Frankfurt, widmet bis 9. Jänner eine Aus- niel. Gemeinsam mit den Müttern der einmal mit einem gen Müller, München stellung ãJuden in Argentinien – Porträts Plaza de Mayo begann sie ihren Kampf für ãSchlusspunktgesetz". 2010). In dieser Auto- zum zweihundertjährigen Jubiläum". The- die Aufklärung der Schicksale von rund Später folgten weitere biographie wird deut- matisiert werden Einwanderung, Tango, In- 30.000 Verschwundenen und Ermordeten. Amnestiegesetze. Op- lich, wie schwer der tegration, neuer Exodus, Erinnerungskultur Wiederaufgelegt wurde im Deutschen ferangehörige, Menschen- Neuanfang für die und Militärdiktatur. Dazu steuerte der Man- Wissenschafts-Verlag Alfredo José rechtsgruppen, transnatio- Flüchtlinge war, in der delbaum Verlag zwei Bücher bei. Der Sam- Schwarczs vergriffenes Buch ãTrotz allem... nale Strafverfolgung von Landwirtschaft, als Ar- mel- und Bildband ãVerlorene Nachbar- Die deutschsprachigen Juden in Argenti- Menschenrechtsverlet- beiter Ð und dies alles schaft. Jüdische Emigration von der Donau nien”. Darin legt der in Buenos Aires le- zungen und damit interna- überschattet von laten- an den Rio de la Plata", herausgegeben von bende Psychologe und Gerontologe, Sohn tionaler Druck führten tem wie offenem Antise- Alexander und Barbara eines 1938 aus Wien schlie§lich 2005 zur Auf- mitismus. Entkommen Litsauer, dokumentiert vertriebenen Arztes hebung der Amnestiege- zu sein, überlebt zu ha- das Ergebnis eines Pro- und einer im Jahre setze in Argentinien. ben, war das eine, ak- jekts von 2008. Damals 1940 aus Berlin Der Roman ãDer Tote zeptiert zu werden, et- war es anlässlich des zwangsweise ausge- von der Plaza Once" von was ganz anderes. Bir- 70. Jahrestags der wanderten Mutter, Ernesto Mallo (Aufbau- majer publizierte zuletzt ãReichskristallnacht" seinen Schwerpunkt Verlag, Berlin 2010) ver- in Deutsch ãDas argenti- durch eine Wiener Ini- auf das persönliche sucht einen Rundum- nische Trio" (Verlag tiative zu einer zwei- Erleben deutsch-jüdi- schlag. Das Barrio Once C.H. Beck, München wöchigen Gedenkver- scher Emigranten und war und ist das jüdische Viertel in Buenos Ai- 2004). Sein Gro§vater war 1969 aus Polen anstaltung in Buenos ihrer Familien. Er res. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Argentinien geflüchtet. Aires gekommen. Ver- schildert u. a. den lebte dort die Hälfte der damals in Argenti- Eine Rarität von 1910 legt aktuell Hentrich sammelt sind Texte Terror des Nazismus, nien ansässigen 50.000 Juden. Übrigens ist & Hentrich auf, den argentinisch-jüdischen von ÖsterreicherInnen die Ängste infolge der auch AMIA, das jüdische Hilfswerk Asocia- Klassiker „Jüdische Gauchos", herausgege- und ArgentinierInnen, erzwungenen Emigra- ción Mutual Israelita Argentina seit jeher in ben von dem argentinischen Publizisten Al- wie Erich Hackl, tion, den Kultur- diesem Viertel angesiedelt. In dem Krimi berto Gerchunoff (1883 Ð 1950) und Liliana Doron Rabinovici, schock, die Integra- geht es jedenfalls um den Mord an einem Ju- Ruth Feierstein, die zur Buchmesse anreiste. Robert Schindel und tion im Aufnahme- den, die Verschleppung Missliebiger, die Dieser Text gilt sozusagen als „Gründungs- Hannah Lessing einer- land und die Bezie- Zwangsadoption der Kinder von Verschlepp- text" der jüdisch-lateinamerikanischen Lite- seits sowie Alfredo hungen zum Heimat- ten, die Kollaboration der Kirche mit der ratur und handelt von Immigranten, die von Schwarcz, Alfredo land. Die Betroffenen Junta, die Verstrickung der Justiz in alle diese Pogromen vertrieben in Argentiniens Pampa Bauer und Patricia Fränkel andererseits. kommen selbst zu Wort. In Einzel- und dunklen Machenschaften. ein neues Leben anfingen Ð nicht ahnend, Porträts von in Argentinien lebenden Ex(il)- Gruppengesprächen versuchte der Autor, Das Bonmot Ð es gebe drei Arten von Län- dass 1919 auch dort ein Pogrom möglich war. ÖsterreicherInnen geben tiefe Einblicke – die Lebensgeschichten der in Argentinien dern: Industrieländer, Entwicklungsländer 2001 steckte Argentinien in einer dramati- Aufsätze beschreiben deren Flucht, die lebenden deutschsprachigen Juden zu re- und Argentinien Ð gilt schon lange nicht schen Finanzkrise, die – wen wundert’s Ð schwierige Existenzgründung und das Le- konstruieren, ihre einmalige historische Er- mehr. War Argentinien 1910 achtreichstes wieder einmal zu heftigen Anfeindungen ge- ben in Argentinien heute. fahrung als Schicksalsgemeinschaft darzu- Land der Welt, so belegt es 2010 mit seinen gen die jüdische Bevölkerung führte. Ariel Nach Frankfurt war auch die argentini- stellen und die weitere Entwicklung dieser 41 Millionen Einwohnern nur mehr Platz 57 Magnus lebt in seinem Roman ãEin Chinese sche Autorin Eva Eisenstaedt eingeladen. besonderen Geschichte in der zweiten und (andere Quellen nennen Platz 49 Ð Spitze auf dem Fahrrad" (Kiepenheuer & Witsch, Sie zeichnet in ihrem Buch ãZweimal dritten Generation der schon in Argentinien sind beide nicht). Michi Strausfeld, die wohl Köln 2010) eine verdrehte antisemitische Überleben. Von Auschwitz zu den Müttern Geborenen zu verfolgen. beste Kennerin lateinamerikanischer Litera- Phantasie aus, wonach die argentinischen Ju- der Plaza de Mayo. Die Geschichte der Die jüdische Gemeinschaft in Argentinien tur im deutschsprachigen Raum und Heraus- den die argentinischen Chinesen einer Welt- Sara Rus" (ebenfalls Mandelbaum Verlag) ist die größte spanischsprechende und die geberin der Sammlung ãSchiffe aus Feuer. 36 verschwörung bezichtigen. In einem Land den Lebens- und Leidensweg einer polni- sechstgrößte der Diaspora – einer der Geschichten aus Lateinamerika" (S. Fischer der Einwanderer – zu den größten ethnischen schen Jüdin auf. Mit zwölf war diese ins Gründe, sich mit diesen interessanten Publi- Verlag, Frankfurt 2010) hält den magischen Minderheiten gehören neben den lateinameri- Getto Lodz geraten, von dort nach kationen auseinander zu setzen. Realismus, der die Generation von Jorge Luis kanischen Immigranten Italiener, Chinesen Auschwitz deportiert und in Mauthausen Helene Maier Borges und Gabriel Garcia Márquez aus- und Juden – wurden die jüdischen Mitbürger Seite 22 Dezember 2010/Jänner 2011 LITERATUR

Aber genau da hapert es immer wieder mal. einflussen und von ihnen beeinflusst werden. Das allerdings merkt man nur, wenn man DER FORTSCHRITT Wie lange bleibt ein Denkmal sichtbar Ð also sich auskennt oder sich aus seinem gemüt- DES ERINNERNS ein Ort des gar nicht Selbstverständlichen, lichen Sessel aufrappelt und auf Exkursion das an etwas erinnert, was schon einmal ver- geht. Dani Karavan, der am 7. Dezember seinen gessen war, in Akten kollektiver Anstrengung Nehmen wir mal das Beispiel München. 80. Geburtstag feiert, gehört zu den bedeu- oft auch nicht mehr erinnert werden sollte, Da entdeckt man so schöne Details wie, tendsten Bildhauern und Schöpfern von be- nicht an diesem Ort, nicht in dieser Zeit? Wie lange dauert es, bis ein Denkmal, vielbesucht

ECKE dass Roda-Roda hier von 1907 bis 1911 gehbaren, durchwanderbaren Kunstwerken BUCH lebte und Gerschom Scholem in der Tür- und vielbeschrieben, wieder so selbstver- der Gegenwart. 1994 wurde in der spani- kenstr. 98 und später Gabelsbergerstr. 51 schen Grenzstadt Portbou seine Denkmalsan- ständlich wird, dass es quasi unsichtbar, un- wohnte Ð einen Katzensprung von der lage für Walter Benjamin eröffnet. Sie erin- appellativ im Strom der wahrnehmenden Be- REISE OHNE Bayerischen Staatsbibliothek entfernt, wo nert an den Philosophen und Kulturtheoreti- sucher verschwindet? er für seine Promotion recherchierte. Zu ker, der sich im Jahre 1940, auf der Flucht „Der Fortschritt des Erinnerns“ erzählt BAHNKARTE besichtigen gibt es da an den Wohnadres- vor den Nazis und abgewiesen von den spa- spannend und genau, hellwach empfindend ãDie Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sen aber nichts. Denn die jüdische Ge- und reflektierend von der spezifischen Wech- sieht nur eine Seite davon." Dieser Satz schichte in München lässt sich häufig eher selwirkung, die sich zwischen Kunstwerken stammt von Aurelius Augustinus. Von über Leerstellen lehren, so gründlich wur- und ihrer Wahrnehmung ergibt, vor allem wenn die zu einem wesentlichen Teil aus Er- Egon Friedell dagegen ist überliefert: „Der den zwischen 1933 und 1945 die Orte jüdi- innerung gemacht sind, welche Perspektiven Hauptinhalt des Reisens ist Ru§, Staub, schen Lebens von der Stadtkarte Münchens im Raum und auch in der Zeit sich öffnen Wanzen, freche Kellner, grobe Mitpassa- getilgt. Das Dilemma jedes Rechercheurs und schließen können: Denkwege eben, die giere, unverschämte Hotelrechnungen und ist der knappe Platz und der Auftrag, doch mit Walter Benjamin durch Dani Karavan Magenkatarrh." So gro§ wie der Unter- soviel Information wie möglich zu bieten. immer wieder und immer wieder neu und an- schied der Aussagen ist der Abstand der Etwas kommt dabei immer zu kurz: Auf ders ergangen werden können, in fortschrei- Zeitalter, in denen die beiden lebten. Und S. 76 hei§t es zum Beispiel, die Wiedereröff- tender Erzählung. Herbert J. Wimmer Recht haben sie auch noch Ð alle beide. nung der Jüdischen Volksschule nach 1945 Aus dem Dilemma, wie man es denn mit scheiterte nach wenigen Jahren Ð kein Wort Sigrid Hauser: Der Fortschritt des Erin- dem Reisen nun halten soll, gibt es einen darüber, dass die Schülerzahlen ab 1946 so nerns Ð Mit Walter Benjamin und Dani Ka- bequemen, kostengünstigen Ausweg. Man hoch waren, dass zeitweise sogar ein jüdi- ravan in Portbou. Ernst Wasmuth Verlag Tübingen-Berlin, kann Reiseführer lesen. So wie es Zeitge- sches Gymnasium existierte. Bei der An- 2010, 190 Seiten, Euro 24,80 nossen gibt, die Kochbücher lesen und ge- schriftenliste scheinen Internet und Willkür die Feder ge- führt zu haben. EIN BERICHT FÜR Und wie sieht es mit einem DIE NACHKOMMEN meiner Traum- Anlässlich des 100. Geburtstages von Otto ziele Istanbul nischen Behörden, in einem Hotelzimmer das Binder (1910Ð2005) wurden seine Erinne- aus? Beim Leben nahm. rungen ãWien – retour” wieder neu aufgelegt Stichwort Sigrid Hauser, Professorin für Architektur- und bieten einen sehr persönlichen Blick auf „Universitä- theorie an der Technischen Universität Wien, das vergangene Jahrhundert. Es ist unglaub- ten" Ð eine gute hat dieses die ganze Stadt einbeziehende lich wie es Otto Binder, jahrelanger General- Doppelseite Ð Denkmal besucht, ergangen, fotografiert und direktor der Wiener Städtischen und Schwie- steht: ãIn den ein wunderbares Buch darüber geschrieben, gervater von Bundespräsident Heinz Fischer Jahren nach das in fünf großen Teilen fünf Wege gelingt, in dem relativen kurzen Text Ð 183 der Univer- durch Portbou zu den einzelnen Stationen Seiten Ð eine ergreifende aber auch eine his- sitätsreform des Denkmals als Text und Fotoserie rekons- torisch fundierte Analyse dieser Zeit zu lie- von 1933 stieg truiert. fern. Vom Rückblick auf seine Großeltern, die die Zahl der Mit einem Prolog über den Begriff des Er- aus Mähren stammen und in Wien begraben aus Deutsch- innerns, einem Zwischentext über Namenlo- sind, spinnt er den Faden über den Zusam- land, Öster- sigkeit, Berühmtheit und historische Kon- menbruch der Monarchie, der Arbeitslosig- reich, Polen struktionen und dem Epilog über Vergessen, keit in den Nachkriegsjahren, der Machter- und Ungarn öffnet das Buch den Blick auf die intensive greifung Hitlers, das Exil in Schweden bis zu Kommenden Auseinandersetzung Dani Karavans mit dem seiner Rückkehr nach Wien im Jahre 1949. nie§en, ohne ein Gramm zuzunehmen, auf mehr als 1.000." Dann folgt eine Werk Benjamins, seinem Schicksal als Opfer Otto Binder, der seinen Vater bereits 1914 im Krieg verlor, fand schon früh den Weg in die kann man Sehenswürdigkeiten abklappern, Auflistung der Namen und Fachbereiche. der Vertreibung der jüdischen Intelligenz aus Sozialistische Jugendbewegung, die für ihn ohne sich die Haken abzulaufen. Kein Wort über den Anlass des Exodus aus Deutschland, seinem Selbstmord, den topo- Familienersatz und Inbegriff der Solidarität Der Mandelbaum-Verlag in Wien leistet Mitteleuropa und in diesem Werk über das grafischen und politischen Verdichtungen des spanisch-französischen Grenzorts und Ver- wurde. Ab 1928 war er Obmann der SAJ In- da mit seiner Reihe ãcity guide" Ð was das jüdische Istanbul auch keine Differenzie- kehrsknotenpunkts und den Wandlungen des nere Stadt, nach seiner berufsbedingten Jüdische betrifft Ð Pionierarbeit. Auf dem rung zwischen jüdisch Verfolgten und poli- Erinnerns und Vergessens im Kontext von Übersiedlung nach Salzburg, als Angestellter standardisierten Cover kann man schon se- tischen Gegnern der Nationalsozialisten (z. Kunst- und Kulturtourismus. der Wiener Städtischen Versicherung, war er hen, welchen Städten im Laufe der Jahre B. Ernst Reuter). Wer kein Türkisch kann Wir gehen in einem Kunstwerk herum, das von 1931 bis 1934 Obmann der SAJ Salzburg verliert viel, weil türkische Begriffe und Aufmerksamkeit gewidmet wird: Frank- den Titel „Passagen“ trägt, durchqueren es, Stadt. Im April 1934 wurde er wegen Betäti- Eigennamen nie übersetzt sind. Querver- furt, Paris, London, Berlin, Krakau, Toledo, folgen seinen Stationen und Kraftlinien, wie gung für die bereits verbotene Sozialdemo- weise hätten gute Dienste leisten können. Istanbul, Warschau, Barcelona, Antwerpen, wir sie in der Erzählung der Autorin erfahren, kratische Arbeiterpartei vorübergehend ver- Wien, Prag, Budapest, Rom, Venedig und Die Eskapaden Schabbtai Zwis und die die uns all die konstruktiven, ästhetischen, haftet und von seinem Arbeitgeber entlassen. München. Entstehung der Dönmelik (zum Islam kon- historischen, theoretischen Implikationen Nach der Machtübernahme der Nationalso- Der Prototyp ist handlich, mit unemp- vertierte Kryptojuden, vergleichbar den eröffnet, die sie in der Gegenwart des Werks zialisten wurde Otto Binder neuerlich verhaf- findlichem Umschlag, meist mit Lesebänd- christlich gewordenen Marranen) muss realisiert findet. tet und zunächst in das Konzentrationslager chen (Istanbul, Wien) oder klappbarer man sich wie manch anderes zusammensu- Spannend auch die Notizen zur Entwick- Dachau, später nach Buchenwald gebracht. Einmerkhilfe und U-Bahnfahrplan (Buda- chen (S. 35 und 95). Die Situation der ca. lungsgeschichte der Stadt Portbou, zum Wan- Seine Erlebnisse in Dachau und Buchenwald pest) oder schmückendem Buchdeckelin- 24.000 heute in der Türkei lebenden Juden del ihrer Bedeutung und ihrer Interessen, werden sehr realistisch wiedergegeben und nenfutter (für München blauweißes Rau- (die meisten davon in Istanbul) wird kaum vom Eisenbahnknotenpunkt hin zum attrakti- legen Zeugnis von den unmenschlichen Be- tenmuster). Man merkt, hier steckt viel thematisiert. Die Anschläge von 1992 und ven Ort für Kultur- und möglicherweise auch dingungen in diesen Lagern ab, in denen er Liebe zum Detail drin. Zur Spurensuche 2003 auf die Neve-Salom-Synagoge wer- Massentourismus. Mit analytischer Schärfe aber auch Solidarität und Hilfsbereitschaft gehören alte Stadtpläne und viele Fotos, den gerade mal erwähnt – doch kein Wort zeigt Sigrid Hauser, was in einem Denkmal begegnete. Nach einjähriger Haft gelang es stets schwarz-wei§, Kurzessays, Glossar, über die Hintergründe. Ich werde das An- alles an städtebaulicher, politischer, touristi- dem sogenannten Matteotti-Komitee in Paris Adressen, Personenregister, Bildnach- gebot eines jüdischen Freundes annehmen, scher und mnemotechnischer Anstrengung eine Ausreisegenehmigung für Otto Binder konzentriert ist, welche ganz unterschiedli- weise, Quellenverzeichnis bzw. Literatur- anlässlich eines Familienbesuchs seine zu erlangen. Binder emigrierte nach Schwe- chen Hoffnungen und Erwartungen von Ein- den, wo er den Beruf eines Metallarbeiters hinweise. Heimatstadt Istanbul kennenzulernen. Und ich werde das Mandelbaum-Buch über Is- wohnern und Besuchern an die Existenz des erlernte und später als Angestellter der Wie erkenntnisreich die Lektüre ist, tanbul mitnehmen. Mit ein paar originellen Denkmals gebunden werden. schwedischen genossenschaftlichen Versi- hängt davon ab, wie gut der Rechercheur Momenten kann ich dann doch aufwarten. Die schöpferische Intervention Dani Kara- cherungsgesellschaft „Folksam" tätig war. sich vor Ort auskennt, wie sehr er oder sie Ellen Presser vans, von der Küste, über den Friedhof, auf Hier heiratete Binder auch seine langjährige bereit waren, sich tatsächlich die Haken ab- Alexander Kluy: Jüdisches München. Man- dem Walter Benjamins wirkliches Grab nicht Gefährtin Anni Pusterer und auch seine Toch- zulaufen und jeden Ort aufzusuchen(no-na, delbaum Verlag, Wien 2009, 222 Seiten, mehr gefunden werden konnte, bis zum Aus- ter Margit kam in Schweden zur Welt. mag sich der Leser dieser Zeilen denken), 15,80 Euro (D) sichtspunkt über Stadt und Meer, ist ein per- Au§ergewöhnlich an diesen Erinnerungen vom Verständnis für die jeweilige Lokal- Oksan Svastics: Jüdisches Istanbul. Aus manenter Diskurs über Entwicklungen des dem Türkischen von Monika Demirel. Man- ist die Hommage an die Freunde, die sein Le- wie Nationalgeschichte und vom Schreib- delbaum Verlag, Wien 2010, 19,90 Euro (D). Erinnerns und des Vergessens und wie Kunst- ben begleiteten und auch den weniger be- stil oder der Qualität der Übersetzung. www.mandelbaum.at werke in diese Prozesse eingreifen, sie be- kannten ein Denkmal setzte. In diesem Zu- Dezember 2010/Jänner 2011 Seite 23 LITERATUR

liche Defizit nicht 3 Prozent des Bruttoin- Karl-Kraus-Zitat: ãAm Chauvinismus ist landsproduktes (BIP) und der öffentliche nicht so sehr die Abneigung gegen die frem- Schuldenstand nicht 60 Prozent des BIP den Nationen als die Liebe zur eigenen un- übersteigen. sympathisch". Für solche „Spitzfindigkeiten" Er wirft auch einen kritischen Blick auf die haben die provinziell denkenden und han- Fidesznahen Medien, die, wie seinerzeit in delnden Elemente der Fidesz wenig Ver- den Volksdemokratien üblich, keine der ständnis. Denn in einem Land, in dem die gro§en kritischen Reportagen aus dem Wes- „mit Orbán persönlich befreundeten, weitaus ten abdrucken. ãNur in den im weinerlichen reichsten ungarischen Forintmilliardäre von oder empörten, spöttischen oder aggressiven Spitzenbankiers bis zu den Gro§industriellen Stil verfassten gelegentlichen Zusammenstel- und Ölbaronen fast alle Fäden in der Hand lungen werden einige Sätze aus dem Zusam- haben" kann man mit den „von Orbán und menhang gerissen und oft verzerrt zitiert." seinen Getreuen am laufenden Band verbrei- Abgesehen von den Diplomaten und den we- teten Phrasen eines völkischen Antikapitalis- nigen sprachkundigen Fachreferenten erfährt mus gegen die heimischen Oligarchen und die völkische Elite praktisch nichts davon, die fremden Spekulanten und über den wie die westlichen Medien Ungarn sehen. Schutz der ãflei§ig arbeitenden ungarischen Die Tatsache, dass in einigen Medien die der Menschen" diesen das Fell über die Ohren Fidesz nahe stehen, antisemitische Hetze be- ziehen“. trieben wird, stört diese Elite nicht, denn die Und so dürfen wir uns auch nicht wundern, Tageszeitung ãMagyar Hirlap", das Wochen- dass eine Präsentation dieses wichtigen Bu- gehen, dass in Ungarn Chauvinismus, Rassis- magazin ãMagyar Demokrata" und das ches über unser Nachbarland, das in der mus und ungehemmter Antisemitismus fröh- ãEcho TV" dienen Fidesz zur Einbindung österreichischen Botschaft in Berlin hätte liche Urständ feiern. Wir können gespannt von radikalen, extremistischen und rassisti- stattfinden sollen, kurzfristig abgesagt wurde. sammenhang sei auch Any Kohn Feuermann sein, ob wenigstens während dem halben Jahr schen Wählern. Anscheinend, ist dem der ÖVP angehören- zu erwähnen, an die sich vielleicht noch viele der ungarischen EU-Präsidentschaft diese Is- ãIn der verkehrten Welt der ungarischen den sympathischen Au§enminister Michael Leser erinnern könnten, die sich stets mit men Ð schon um das eigene Image zu verbes- Medien wäre ein Sender wie Radio Freies Spindelegger die Solidarität mit der vollem Einsatz für die Integration der jüdi- sern – zurückgedrängt werden. Europa (RFE), der Tag und Nacht die Ungarn völkischen Schwesterpartei wichtiger als schen Flüchtlinge einsetzte. Sehr berührend Das hoch aktuelle Buch soll in ungarischer (wie auch andere Osteuropäer) in ihrer Mut- die von ihm postulierte Betonung der auch die Briefe von seiner Mutter und Sprache im Februar 2011 in Budapest vorge- Schwester, die beide im KZ ermordet wur- tersprache informiert hatte, von gro§er Meinungsfreiheit. stellt werden. Karl Pfeifer Bedeutung." Doch gerade Paul Lendvai hat in seinem den, mit ihnen fast alle seine Verwandten. Paul Lendvai: Mein verspieltes Land. Un- Die Rückkehr nach Wien fiel ihm nicht Paul Lendvai beendet sein von Sorge um fundierten und gut lesbaren Buch auf die Ge- garn im Umbruch. Ecowin Verlag Salzburg, leicht, zumal er sich in Schweden bereits eine sein Geburtsland getragenes Buch mit dem fahren aufmerksam gemacht, die davon aus- 2010, Euro 23,60. Existenz aufbauen konnte. Das Angebot, wie- der für die Wiener Städtische Versicherung zu arbeiten, nahm er dennoch nach langen umso bemerkenswerter ist, wie wertung und Wiederverwer- sen Schicksal eine fast unmög- sie mit diesem Umstand umge- tung, und zwar im umfassenden lich scheinende Wandlung er- Überlegungen an und im Jahre 1959 folgte er hen. Elisabeth Jupiter, die ihre Sinn dessen, was ein Bild sein fahren hat. Die beiden Männer dem scheidenden Norbert Liebermann als Lieblingswitze nicht einfach kann: ein Gemälde und ein lehren Mitch Albom, die Welt Generaldirektor, eine Position, die er 22 nur aufgeschrieben, sondern Image, ein Porträt und eine Vor- und den Glauben mit neuen Jahre ausübte. Den Verlust seiner Freunde darüber hinaus eine tieferge- stellung, eine bewusste Setzung Augen zu sehen Ð und er und Mitstreiter traf ihn hart, aber ebenso der hende Analyse der Hinter- und ein Vorurteil. Christian nimmt aus den Gesprächen Zusammenbruch seiner geliebten Stadt Wien. gründe des jüdischen Witzes Ludwig Attersees öffentliche mit ihnen kostbare Anstöße eingebracht hat, überzeugt mit Existenz bewegt sich in der In- und Erkenntnisse mit, die sein In wenigen aber sehr prägnanten Worten persönlichen Erfahrungen und terferenzzone all dessen. Das Leben verändern. schildert Binder die Nachkriegszeit, was ihn Erkenntnissen, aus denen sie Buch will diese Zone ausloten. Mitch Albom: Damit ihr mich erschütterte war nicht nur die materielle Ar- schöpfen kann. Daniela Gregori/Rainer Metzger: nicht vergesst. Die wahre Ge- mut, vielmehr die geistige und moralische Elisabeth Jupiter: No, warum Christian Ludwig Attersee. Sein schichte eines letzten Wunsches, Leben. Seine Kunst. Seine Zeit. Aus dem Amerikanischen von Si- Verwahrlosung, die das nationalsozialistische nicht? Der jüdische Witz als Quelle der Lebenskunst, Picus Verlag, Christian Brandstätter Verlag, bylle Schmidt, Goldmann Verlag, Regime hinterlassen hat. Wien 2010, 116 Seiten, 16,90 Euro Wien 2010, 320 Seiten, 29,90 Euro München 2010, 288 Seiten, Die Wahl seines Schwiegersohns Heinz Fi- 18,50 Euro itch Albom ist über- scher zum Bundespräsidenten war für ihn ein uf einem Schloss in Frank- ganz besonderes Erlebnis. Dass der Schwie- Mrascht, als Albert Lewis, der betagte Rabbi seiner Hei- Areich, Zweiter Weltkrieg: gersohn eines politisch und ãrassisch" Ver- Gustav Schultz, ein deutscher s gibt die typischen Schen- matgemeinde in New Jersey, folgten in die Funktion des österreichischen ihn darum bittet, bei seinem Geiger, spielt vor Hitler und sei- Ekelklopferwitze, die meist nem engsten Kreis. Danach zer- Staatsoberhauptes gewählt wurde, hat Otto auf Kosten anderer Menschen Tod die Trauerrede für ihn zu halten. Er versteht nicht, wes- schmettert Hitler die Geige und Binder die letzten Zweifel an der Richtigkeit gehen. Aber kann da überhaupt lässt Schultz hinrichten. Ein klei- der Heimkehr genommen. Noch im Ruhe- noch von ãWitzen" die Rede halb der Rabbi ihn dafür aus- gewählt hat, denn den Bezug ner Junge wird Zeuge der stand nahm Otto Binder regen Anteil am po- sein? Wenn Nichtjuden über Ju- den Witze machen, bleibt der zum Glauben hat er schon litischen Leben. Als Zeitzeuge stellte er sich Antisemitismus selten ausge- lange verloren. Schlie§lich vielen Diskussionen und Gesprächen zur Ver- spart. Juden wissen Bescheid willigt er unter der Bedingung fügung. J. N. über die Vorurteile, denen sie ein, den Rabbi besser kennen- Otto Binder: Wien Ð retour. Bericht an ausgesetzt sind. Progressive lernen zu dürfen. Und so er- die Nachkommen, Salzburg Ð Buchen- und liberale Juden sind bemüht, fährt er Albert Lewis während wald Ð Stockholm, S. 188, Preis € 24.Ð mit Menschen anderer Religi- der kommenden acht Jahre bei 90 978-3-205-78534-7 Böhlau. onszugehörigkeit den Dialog zu ihren Treffen nicht nur als ei- suchen und zu erweitern. In den nen engagierten Mann der Kir- Medien werden immer wieder che, sondern auch als einen UNGARN IM fundamentalistische Juden ins ieses Buch ist eine Biogra- ebenso klugen wie humorvol- Bild gesetzt. Für Nichtjuden, Dfie, keine Monografie. Es len Menschen. In dieser Zeit UMBRUCH die gerne Vorurteile in sich auf- führt uns die Jahre und Jahr- begegnet Mitch Albom in De- bauen, ein gefundenes Fressen. zehnte sowie das Umfeld vor troit jedoch auch Henry Co- Der 1929 in Ungarn geborene Paul Lend- Durch die Gleichsetzung des Augen, in denen Christian Lud- vington, einem Pastor mit kri- vai ist vielleicht der österreichische Journa- Judentums mit Israel exis- wig, der sich 1966 den Namen mineller Vergangenheit, des- Attersee gab, das wurde, was er list, der die unmittelbare Nachbarschaft tiert ein weiterer unsinniger Aspekt, der das Verhältnis zwi- heute darstellt: einen der bedeu- Österreichs im Osten und Süd-Osten am be- tendsten österreichischen schen Nichtjuden und Juden sten kennt. Bereits in den frühen 70er Jahren Künstler der Gegenwart, aber stört. Das vorliegende Büch- auch eine öffentliche Gestalt hat er das Buch ãAntisemitismus ohne Ju- lein über den jüdischen Witz von hoher Prominenz, starkem Schreckenstat, deren Grund er den" verfasst, in dem er den von oben kom- setzt sich mit Vorurteilen aus- Einfluss und gro§er Verbrei- menden Antisemitismus in den Ländern des einander, allerdings von der nicht erfährt. Als er, inzwischen tung. hoher Würdenträger der Kirche in ãrealen Sozialismus" beschrieb, womit er „anderen Seite". Im jüdischen Natürlich ist das eine Prädi- Witz nämlich hat sich heraus- Rom, ein halbes Jahrhundert spä- sich in der Region nicht nur Freunde machte. kat vom anderen nicht zu tren- kristallisiert, dass der spieleri- ter den Violinvirtuosen Gal Kno- Auch sein jüngstes Buch „Mein verspieltes nen, und gerade bei Attersee ist bel das Stück von damals spielen sche Umgang mit den Vorurtei- die Einheit von Kunst und Le- Land / Ungarn im Umbruch" wird ihm nicht len, die Nichtjuden Juden ge- hört, will er mit ihm zusammen ben, die alte Obsession der das Rätsel lösen. Was hat Hitlers die Sympathien der jetzt regierenden völki- genüber in sich verankert ha- Avantgarde, angestrebt und ex- ben, eine befreiende Wirkung emplarisch vollzogen. Die Bio- Zorn damals so erregt? Ein schen Fidesz-Partei einbringen… packender Thriller, der in den Ar- Lendvai macht auf die verfehlte Wirt- hat. Der jüdische Witz macht grafie, die das Leben, und die sich nicht über Andersgläubige Monografie, die das Werk in chiven des Vatikan, in Venedig schaftspolitik der Regierungen Orbán und lustig, sondern setzt die eigenen den Mittelpunkt stellt, treffen und Paris spielt und um ein musi- Medgyessy sowie Gyurcsánys aufmerksam, Unzulänglichkeiten in den Fo- sich vielfältig. kalisches Geheimnis kreist. die dazu führte, dass Ungarn bis 2009 weit kus. Juden haben schon soviel In einer Moderne der Mas- Igal Shamir: Hitlers Violine, Aus senkultur sind die Bilder einge- dem Französischen von Anja Laza- davon entfernt blieb, die Maastricht-Kriterien in der Menschheitsgeschichte rowicz, Paul Zsolnay Verlag, Wien zu erfüllen, d.h. unter anderem nach diesem durchleiden müssen, dass es passt in den Kreislauf der Ver- 2010, 352 Seiten, 20,50 Euro 1992 geschlossenen Vertrag, darf das öffent- Seite 24 Dezember 2010/Jänner 2011 KULTUR DER UNVERGÄNGLICHE ZAUBER VON ãKAWANA“ UND HOHEM „C“ Die Geschichte von Joseph Schmidt müss- verloren, als er zehn Jahre alt war. Die gro§e te jeder Generation wiedererzählt werden. Karriere, die er 1933 in Berlin begann, Das kann Gottfried Cervenka meisterhaft konnte er später in Wien nur bis 1938 fort- tun: er liebt die Musik, ist ein echter Fach- setzen. Sein Leben endete 1942 im Neben- mann und vor allem liebt er von Herzen die raum eines Wirtshauses in der Schweiz, auf Sänger, die uns mit der Schönheit ihrer dem Weg zurück in das Lager, wo man ihn Stimmen, mit der Ausdruckskraft ihrer See- im Land der Eidgenossen, in einem Nazi- len immer wieder verzaubern. Und Joseph ähnlichen KZ gefangen hielt: die Tragik sei- Schmidt muss man nes kurzen Lebens, natürlich lieben. Er eine vom Schicksal war der erste, der die Der kleine Mann mit der verfasste Oper. Noten der gro§en Te- Joseph Schmidt norarien in mein gro§en Stimme und dem stammte aus einem kindliches Herz für gro§en Herzen kam zur kleinen Dorf neben alle Zeiten eingra- Czernowitz und vierte: mit dem falschesten Zeit auf die wuchs in diesem Joseph Schmidt Schmelz seiner Welt (1904): die k.u.k. großen jüdischen Shmuel Barzilai Stimme, mit der Zentrum auf, eine as einst so prächtige jüdische Wien, Wortdeutlichkeit sei- Monarchie, die gro§e Symbiose von Völ- war der damals noch sehr junge Tonfilm, der mit seinen wie Kathedralen in den ner sich einprägen- jüdische Heimat, ging kern und Religionen ihn bald über alle Maßen berühmt und be- DHimmel gewachsenen Synagogen, den Diktion, mit der im Vielvölkerstaat, liebt machte. Seine Lieder gingen wahrlich mit seinem unvergesslichen Reichtum an Einfachheit wahrer ihm verloren, als wo er sich als Junge um die Welt, bis nach Amerika, von wo er Kunst und Kultur, schöpft nicht nur aus der Noblesse, und wer er zehn Jahre alt war. einen Namen als aber aus Sorge um seine Mutter ausgerech- für immer zerstörten Vergangenheit: manch- singt nicht bis heute Kantor machte. Er net 1938 wieder nach Europa zurückkehrte. mal gibt es auch Gelegenheit, sich an den seine Lieder, die die aber wollte hinaus in Es begann für ihn eine lange Flucht durch Lichtblicken der Gegenwart zu laben. Radiowellen zum Schwingen brachten? Es die Welt, um die Opernhäuser zu erstürmen, viele Länder, bis er schlie§lich in einem La- Von den prächtigen Synagogen ist nur hat seit Entstehung des Musiktheaters viele was ihm ohne Mühe gelungen wäre. Sein Te- ger in der Schweiz endete, wo die Lebensbe- eine einzige zurückgeblieben: unser unver- große jüdische Sänger gegeben, aber keiner nor war mächtig und bestens bis in die höchs- dingungen für die Flüchtlinge so unmensch- gleichlicher Stadttempel, in dem einst Schu- brachte so sehr wie er die jüdische „Ne- ten Lagen ausgebildet, seine Diktion und lich waren, dass er mit nur 38 Jahren daran berts Freund, der gro§e Kantor Sulzer, wirkte schume", die Kawana, in die Opernarien ein. seine Musikalität konnten jeden begeistern, zugrunde ging. Man müsste diesem promi- und dessen Maßstäbe seither die Liturgie in Von Kind an sang Joseph Schmidt in der Sy- aber seiner Statur fehlte das, was seine nenten Opfer der Shoah, diesem au§erge- diesem Bethaus bestimmen. Und heute hat nagoge und war später ausgebildeter Kantor. Stimme reichlich besaß: die Höhe. Joseph wöhnlichen Künstler, diesem gro§en kleinen Sulzer im Oberkantor Shmuel Barzilai einen Der kleine Mann mit der gro§en Stimme Schmidt war ein sehr männlicher und schö- Mann, viel mehr Aufmerksamkeit und Erin- würdigen Nachfolger, zur Ehre Gottes und und dem gro§en Herzen kam zur falschesten ner Mensch, aber auch weniger als 1,60 m nerung widmen, zu unserer persönlichen zu unserer aller Freude. Glücklicherweise Zeit auf die Welt (1904): die k.u.k. Monar- groß. Die einzige Möglichkeit, die er hatte, Freude und Trauer über das, was uns und der hat der in Israel geborene Oberkantor die chie, die große jüdische Heimat, ging ihm sich der Kunst und dem Gesang zu widmen, Welt verloren ging. Rita Koch Melodien der Diasporatradition, das Herz des mitteleuropäischen, untergegangenen Judentums, veredelt durch die Musikalität enn ein Autor wie Ralph Giordano obachtet und feststellt: ãSofort ist in mir das Gewohnt klar und deutlich benennt er die des gro§en Sulzer, verinnerlicht. Der sein Tagebuch veröffentlicht, ist alte Grundgefühl da, stärker als alles andere: anti-emanzipatorischen und menschenrechts- Schmelz seiner Stimme und vor allem die Wman als potentieller Leser erst sie zu beschützen". Und weiter: „Ich sehe ih- feindlichen Elemente des politischen Islam. innige ãKawana", die seinem Vortrag zu- einmal hin- und hergerissen. Auf der einen nen nach und habe dabei nur einen, einen ein- Er selbst sieht dieses Eintreten für eine offene grunde liegt, sind ein Geschenk des Him- Seite würde man die Aufzeichnungen allein zigen Gedanken: Es soll ihnen gutgehen, es Gesellschaft als seinen persönlichen Beitrag mels für alle Anwesenden bei seinen Gebe- schon deshalb lieber gestern als heute zur soll ihnen, verdammt noch mal, gutgehen!" zur Verteidigung jener Staats- und Gesell- ten. Unser Oberkantor ist ein perfekt ausge- Hand nehmen, um mehr über die private Seite Wer also, wie etwa die vom Verfassungs- schaftsordnung, deren Untergang in der Wei- bildeter Sänger und die Schönheit des in al- jenes Schriftstellers zu erfahren, dessen schutz als rechtsextrem eingestufte Bürgerbe- marer Republik erst den Aufstieg der Natio- wegung „Pro Köln", in Giordano einen „Tür- len Lagen perfekt klingenden Organs macht Bücher man stets mit Begeisterung und nalsozialisten ermöglichte und somit auch das jede Andacht auch zu einer Lektion von Bel- gro§em Gewinn gelesen hat. Andererseits Schicksal des späteren Holocaustüberleben- aber ist die Lektüre des Tagebuchs eines ge- canto. In der hebräischen Sprache gibt es für WEIL NICHTS den Ralph Giordano und seiner Familie ma§- schätzten Autors immer auch ein gro§es Wag- die Sammlung und den Geist, die jedes Ge- VERGESSEN IST, WAS geblich bestimmte. nis. Denn nur allzu schnell kann so manches ãWeil nichts vergessen ist, was von damals bet motivieren sollen, die unübersetzliche bewunderte Werk seinen Zauber verlieren, VON DAMALS KOMMT kommt", kommen Giordano auch mehr als Bezeichnung ãKawana": Kawana ist ein wenn man sich seinem Autor zu stark nähert. sechs Jahrzehnte später unwillkürlich immer Seelenzustand, den der Mensch nicht immer In Giordanos Fall indes kann glücklicher- wieder die Erinnerungen an die NS-Zeit in erreichen kann. Ich denke mir, dass unsere weise Entwarnung gegeben werden. Der den Sinn. Deren letzte Monate überlebte er, in wichtigsten Gebete täglich mehrmals wie- 1923 in Hamburg geborene Publizist um- einem Keller vor den Nazis versteckt, mit derholt werden müssen, um den Menschen schifft in Mein Leben ist so sündhaft lang seine Eltern und seinen zwei Brüdern unter die Möglichkeit zu geben, wenigstens ein- spielend den schmalen Grat zwischen aus- unvorstellbaren Bedingungen. Dafür zu sor- mal zur echten Kawana zu gelangen: zum führlicher Beschreibung seines Alltags und gen, dass solches Unrecht nie wieder passiert, Abstreifen alles Irdischen im Streben nach selbstverliebter Nabelschau. Überhaupt ist ist und bleibt sein Lebensthema. Nur folge- voller Verinnerlichung der Heiligkeit Gottes das Tagebuch brillant geschrieben und von richtig beschäftigt er sich damit auch in sei- und seine Anrufung aus voller Seele und rei- bestechender Eindeutigkeit. Dabei hatte Gior- nem Tagebuch. Im September 2009, am Tag nem Herzen, mit tiefster Absicht. In der dano sich nach seiner vor drei Jahren erschie- der Bundestagswahl, notiert er: ãAuch an die- weltlichen Musik hat nur der Sänger uns nenen Autobiografie Erinnerungen eines Da- sem Tag oder gerade an ihm spüre ich, dass wirklich was zu sagen, dem die Noten hel- vongekommenen eigentlich vorgenommen, ich alles, was geschieht, daraufhin abklopfe, fen, den Worten die innerste Bedeutung ein- nie wieder ein Buch zu schreiben. ob es meinem Vertrauen in die Stabilität der zuhauchen und uns alle Gefühle der Seele Und doch hat nun Giordano für neues demokratischen Republik nützt oder scha- klarzumachen und zu vermitteln, bis zum Buch Nummer 21 genau ein Jahr lang, von det." Und immer wieder fragt er sich: ãWird triumphalen hohen ãC". seinem Geburtstag im März 2009 bis zu sei- es mal einen Tag geben, der mich nicht an die Man kann sagen: im liturgischen Gesang nem Geburtstag im März 2010, geschrieben Nazizeit erinnert?" ist die höchste Stufe der Kawana das hohe und sich und seine Zeit kritisch und selbstkri- Auch wenn man ihm es vom Herzen tisch unter die Lupe genommen. Ob es um die ãC" der Ausdruckkraft des Kantors. Zum Be- wünscht, wird sich dieser Wunsch angesichts dramatischen Aufstände der Oppositionsbe- neiden ist der Kantor Ð und seine Gemeinde Ð der Intensität und Dramatik seiner Überle- wegung in Iran, die Zunahme des Rechtsex- kenschreck" oder gar einen ãAntiislamguru" der, wie Shmuel Barzilai, nicht nur mit In- bensgeschichte vermutlich nicht erfüllen. tremismus in Ostdeutschland oder die tür- sieht, wird hier eines Besseren belehrt. Auch an Stattdessen wird Giordano ohne jeden Zwei- brunst den höchsten Grad der Kawana errei- kisch-muslimischen Parallelgesellschaften anderen Stellen des Buches wird deutlich, dass chen kann, sondern ebenso meisterhaft das fel weiterhin Buch um Buch veröffentlichen. geht Ð es sind Aufzeichnungen, die verdeutli- es stets die Anteilnahme am Schicksal von be- Bereits im kommenden Jahr soll ein Band mit hohe ãC". chen, wie eng sein Leben mit den gro§en nachteiligten und unterdrückten Menschen ist, einer Auswahl seiner Reden, Vorträge und Schmuel Barzilai wollte, dass die Vorstel- Strömungen und Bewegungen unserer Zeit die Giordano seine Stimme erheben lässt – Lesungen der vergangenen zehn Jahre er- lung seiner neuesten CD der Erinnerung ei- verbunden ist. ganz gleich, ob es sich um Christen, Roma, scheinen. Migration und Integration Ð Allah nes anderen Kantors, dem König des hohen Darüber hinaus zeigt das Tagebuch Gior- Sinti, Juden oder eben Muslime handelt. auf leisen Sohlen ist für den Herbst 2013 ge- ãC", Joseph Schmidt gewidmet sein sollte. In dano von einer Seite, die seinem – fälschli- Gleichwohl schaut Giordano genau hin, plant. Sein 21. Buch wird also noch lange einer total überfüllten Matinee im Jüdischen cherweise entstandenen Ð Image als notorisch was er unter dem Mikroskop seiner späten nicht sein letztes gewesen sein. Und das ist Museum stellte der allbekannte Opernfach- islamophoben Publizisten fundamental wi- Tage zu sehen bekommt. Er erteilt integrati- auch gut so. Philipp Engel mann und Sängerexperte Gottfried Cervenka derspricht. Geradezu ergreifend ist beispiels- onsabstinenten Migranten auf der einen Seite Ralph Giordano: Mein Leben ist so sünd- den unvergesslichen Filmstar und Sonder- weise die Szene, in der er im ICE von Berlin sowie deutschen Multikulti-Illusionisten auf haft lang. Ein Tagebuch. Kiepenheuer & klassetenor vor. nach Köln zwei kleine türkische Kinder be- der anderen Seite entschieden eine Absage. Witsch, Köln 2010, 304 S., 19,95 Euro. Dezember 2010/Jänner 2011 DIE FREIHEIT KAM IM MAI arf unübertreffbare Bestialität, die nehmen die Frauen der geflüchteten SSler, Menschen Menschen angetan haben, welche „Erziehungsmaßnahmen" für die Ein- Dkünstlerisch dargestellt werden? heimischen werden von den ehemaligen Viele sagen, dass der Ausdruck, der sich Häftlingen gesetzt, welche Racheakte unter- in der weltberühmten „Mauthausen Cantata" nommen? Das alles kommt in der einschlägi- manifestiert, den höchsten Ansprüchen ge- gen deutschsprachigen Literatur gar nicht recht wird. Lange Zeit war sie vergriffen, oder kaum zur Sprache, jedoch in Kambanel- jetzt ist sie, zusammen mit dem gerade er- lis’ Werk. In die Schilderung der Zeit nach schienenen Buch von Iakovos Kambanellis der Befreiung flicht er Rückblicke in die Zeit ãDie Freiheit kam im Mai", wieder vor der Befreiung. Er schildert das Leben der verfügbar. Iakovos Kambanellis hat die Ly- Spanier, der Italiener, der Russen und beson- rik, die Mikis Theodorakis vertont hat, ge- ders der Griechen im Lager, ihre Einstellun- dichtet. Kambanellis Buch ist der Schlüssel gen, ihre Lebensklugheit, ihre Dreistigkeit zur Cantata. und ihre Tricks, wie sie die SS überlisteten, Iakovos Kambanellis, er lebt 88-jährig in und die Bedeutung der Griechen insgesamt Athen, ist der berühmtes- für das KZ Mauthau- EHRUNG FÜR BARBARA PRAMMER te Bühnen- und Filmau- sen. Griechenland ie Österreichischen Freunde der Jeru- gegen das Aufkeimen rassistischer und tota- tor Griechenlands. Er schickte dreimal die Dsalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad litärer Tendenzen kämpfen. In besonderer war Häftling im Kon- Freiheit, auf dass sie Vashem haben die Erste Präsidentin des Na- Weise treffe das auf die Erste Präsidentin des zentrationslager Maut- an die Tür von Maut- tionalrates, Frau Mag.a Barbara Prammer, Nationalrates, Mag.a Barbara Prammer, zu. hausen, sein Buch dar- hausen klopfe. Das zur Ehrenpräsidentin der Gesellschaft er- Schuster hob in seiner Laudatio das uner- über, das in Griechen- erste Mal, als das La- nannt. Gastgeber des Abends war der Linzer müdliche Engagement Prammers für die Ver- land weit mehr als ger erfuhr, dass die Vizebürgermeister MMag. Klaus Luger. Er söhnung, für die Entschädigung der NS-Op- drei§ig Mal aufgelegt Griechen Mussolini bezeichnete es als Genugtuung, dass die Eh- fer, sowie gegen das Verharmlosen des wurde, und dort als Stan- besiegt hatten; das rung im Alten Linzer Rathaus stattfinde. Nationalsozialismus hervor. Nach der Über- dardwerk geschätzt zweite Mal, als Athe- 1938 sei von einem Balkon des Hauses der reichung der Ehrenurkunde durch den Vorsit- wird, liegt jetzt zum ers- ner eines Nachts die Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland zenden des österreichischen Freundeskreises ten Mal nach 45 Jahren Akropolis erklom- verkündet worden. Heute hätten hier die schilderte Nationalratspräsidentin Mag.a in deutscher Sprache men, die Hakenkreuz- Freunde von Yad Vashem das Sagen. Prammer ihr persönliches Schlüsselerlebnis in vor, wunderbar übersetzt fahne herunterholten Israels Botschafter Aviv Shir-On bezeich- der Auseinandersetzung mit dem Holocaust: von Elena Strubakis. und auf sie schissen; nete es als persönliche Freude, dass die öster- Während ihres Studiums habe sie eine Arbeit Das Buch unterschei- das dritte Mal, als An- reichische Parlamentspräsidentin zur Ehren- über Kinder in den Konzentrationslagern ge- det sich in vielerlei von donis, ein Grieche, im präsidentin der Freunde von Yad Vashem er- schrieben. Die Literatur zu diesem Thema der einschlägigen Litera- Graben des Stein- nannt werde. Sie vertrete nicht nur ihre habe sie als junge Mutter zweier Kinder zu- tur. Von einem Dichter verfasst, ist die Spra- bruchs den SSler durch seine Kühnheit, vor Wähler, sondern das ganze österreichische tiefst betroffen gemacht. Seither setze sie alles che besonders intensiv und eindringlich, der allem durch seine Menschlichkeit bezwang. Volk. Es gebe daher keine bessere Persön- daran, den nachfolgenden Generationen Ð und Aufbau des Buches klug. Das Buch beginnt Nach der Befreiung befanden sich unge- lichkeit, um hierzulande die Ziele der Jeru- auch ihrer eigenen Ð die Augen über den Holo- caust zu öffnen und nicht darüber zu schwei- mit dem Tag der Befreiung, dem 5. Mai fähr 200 Griechinnen im Lager, die nach salemer Gedenkstätte zu unterstützen und voranzubringen. Die Österreichischen gen. Das sei ihr zum Leitmotiv geworden. 1945, und schildert auf ungefähr der Hälfte Palästina wollten. Der amerikanische Kom- Freunde von Yad Vashem seien keine politi- Prammer dankte den Mitgliedern der seines Umfanges die Zeit im Lager nach der mandant war von seinen Vorgesetzten ange- sche Organisation, betonte Vorsitzender Freundesgesellschaft für ihr jahrelanges En- Befreiung und die Kontakte mit den Bauern halten, diese Reise zu verbieten. Als die Günther Schuster in seiner Rede. Es sei je- gagement. Die Ehrung nehme sie als Motiva- und Dorfbewohnern der umliegenden Re- Frauen Kambanellis baten, sie nicht alleine doch die Aufgabe des Vereines, jene Men- tion, dort weiterzumachen, worin sie sich gion. Ungezählte Häftlinge mussten nach der zurück zu lassen, versprach er ihnen spontan, schen in Österreich zu stärken, die vehement selbst seit Jahren engagiere. Befreiung monatelang im Lager ausharren, mit ihnen im Lager zu bleiben, bis sie abrei- weil sie eine Reise nicht überlebt hätten. Wie sen konnten. Dadurch gefährdete er die Be- schaut Normalität aus, wie entwickelt sich ziehung zu Jannina Ð zwischen den beiden ERFOLGREICHES FESTIVAL Alltag, wie begegnen einander Frauen und hatte sich Liebe eingestellt Ð, der einzigen Das 7th KlezMORE Festival fand Theater Akzent mit dem Zusammentreffen Person aus Litauen, die sich im Lager befand. Männer, die vorher rigoros separiert waren, zwischen 6. und 21. November statt. Der pro- des Ensemble Klesmer Wien und der Sänge- Der amerikanische Kommandant widersetzte wie suchen ehemalige Häftlinge im befreiten grammatische Bogen spannte sich dabei für rin Tini Kainrath fand sich eine Vielzahl von Lager das Leben? Zeigt die Bevölkerung den sich den Anordnungen seiner Oberen und das KlezMORE Festival typisch von zeit- Highlights. Im würdigen Rahmen der Kirche ehemaligen Häftlingen gegenüber Empathie lie§ schlie§lich die Menschen, die nach genössischen Interpretationen der Klezmer- am Gau§platz trat beispielsweise Timna oder belügen und betrügen sie sie, was unter- Palästina wollten, nach Italien abreisen. An Musik mit all ihren Möglichkeiten bis zur Brauer gemeinsam mit dem Elias Meiri En- dieser Fahrt nahm Kambanellis ein Stück Pflege der Vielfalt ihrer traditionellen For- semble auf. Amanda Rotter präsentierte mit Iakovos Kambanellis weit teil, weil er zum Rendezvous zu seiner men. Ergänzt wurde dieses Musik-Programm ihrer Band Mandys Mischpoche eine einzig- Jannina nach Italien wollte, die mit ihrem durch ein umfangreiches Rahmenprogramm artige Melange aus Wienerliedern, jiddischen Die Freiheit kam im Mai Ehemann, der sie in unzähligen KZs gesucht erstmals aus dem Griechischen ins mit Kabarett, Filmen, Vorträgen, einem und sephardischen Volksliedern, kroatischen hatte, vorausgereist war. Rundgang durch den Währinger Jüdischen Weisen, griechischen Tänzen, türkischen Deutsche übersetzt von Elena Strubakis Friedhof, Führungen und nicht zuletzt den Balladen, russischen Melodien und natürlich mit der So gut wie jeder Grieche und jede Grie- vom Wiener Musiker Fabian Pollack geleite- auch ausgewählten Klezmer-Stücken. Oy Di- CD „Mauthausen Cantata" chin wissen, dass Iakovos Kambanellis im KZ Mauthausen war, nicht alle haben sein ten Sessions im Tachles, die den MusikerIn- vision, bestehend aus fünf Musikern aus Tel Text: Iakovos Kambanellis Buch darüber gelesen, aber alle wissen da- nen des Festivals Gelegenheit gaben, sich Aviv, ließ den Geist jüdischer Musik, wie sie Musik: Mikis Theodorakis von. Der Autor dieses Beitrages hat wieder- über ihre Konzert-Programme hinaus musi- vor dem zweiten Weltkrieg gespielt wurde, Begleitende Worte: Simon Wiesenthal kalisch auszutauschen. Eingebettet zwischen lebendig werden. Jedes der vielen Konzerte, holt erlebt, dass sich in einer Taverne ir- Eröffnungsgala im Porgy & Bess mit einem jede Veranstaltung fügte sich in ein Mosaik, gendwo in Griechenland unvermittelt eine Anmerkung zum Zyklus ãMauthausen": Doppelkonzert von Otto Taussig & Clezmer das in seiner Gesamtheit eine Verortung und Stimme oder die Stimmen eines Tisches er- Der Zyklus „Mauthausen" entstand während Connection und dem argentinischen Lerner Y Bestandsaufnahme aktueller Klezmerkultur der Auseinandersetzung mit dem Werk ãMaut- hoben, und ein Lied aus der Mauthausen Mofuilevsky Duo und der Abschlussgala im ermöglichte. hausen" von Iakovos Kambanellis. Die Be- Cantata gesungen wurde und die Gespräche schäftigung mit dem Thema ãHolocaust" war Teil der Übersetzungsarbeit von Elena Stru- der anderen Gäste wurden leise oder ver- bakis während der letzten sieben Jahre. Die stummten. ãVerarbeitung" in Kunst half der Übersetzerin, dem gro§en Autor in seiner Ausdrucksweise Von der beigelegten CD ist die Live-Auf- gerecht zu werden. ãDer Schlot" stellt das nahme vom 7. Mai 1995 des Konzerts zu Grauen über die Massenmorde dar, ãHopeless hören, das Maria Farantouri im ehemaligen lost" die Leere und das Entsetzen, das das KZ KZ gesungen hatte. Mikis Theodorakis diri- evoziert. Elena Strubakis: ãDas dritte Werk ãDie Donau gierte, Iakovos Kambanellis sprach. Auf He- so blau" entstand, nachdem mir durch Iakovos bräisch singt die Cantata Elinoar Moav Ve- Kambanellis' Bericht klar wurde, dass die viel niadis, aufgenommen 1995 in Tel Aviv und besungene ãblaue Donau", nach der auch der dirigiert von Jossi Ben-Nun. Auf Englisch von mir geliebte, berühmte, wunderbare Walzer genannt wird, so vieler ermorderter Menschen wird sie von Nadia Weinberg gesungen und letzte ãTränenstation" ist. Das vierte Werk ãDie dirigiert von Alexandros Karozas, aufgenom- Freiheit kam im Mai" stellt die Befreiung des men 1995 und 1999 in Frankfurt am Main. KZs Mauthausen dar, aber auch meine Befrei- Das Schlusswort spricht Simon Wiesenthal. ung von der Bürde und Verantwortung Ð sym- bolisiert durch die blaue Blume Ð, die schreck- Rikardos lichen Ereignisse getreu und dem Stil des Ephelant Verlag, A Ð 1010 Wien, gro§en Dichters entsprechend, und nur ihn Plankengasse 7: +431 513 48 58; € sprechen lassend, zu übersetzen." ISBN:978-3-900766-17-7 22,00; ISBN: 978-3-900766-18-4 mit CD € 34,00 Seite 26 Dezember 2010/Jänner 2011

p Auf Einladung der Österreichischen Freunde von Yad Vashem in Linz hielt die vielfach preisgekrönte Autorin, Literaturwis- belauscht & senschaftlerin und Holocaust-Überlebende Ruth Klüger eine Lesung. Vor rund 150 beobachtet ZuhörerInnen trug sie in der Pädagogischen Botschafter Mag. Michael Rendi Hochschule der Diözese ausgewählte Texte und Moshe Ya’alon aus ihren Büchern vor. Ruth Klüger, 1931 in Wien geboren, erfuhr in ihrer Kindheit die p Im imperialen Rahmen der Wiener Hof- falls auf das ausgezeichnete Verhältnis zwi- systematische Ausgren- burg überreichte Bundespräsident Heinz Fi- schen den beiden Staaten hin. Die am Golan zung der JüdInnen aus scher das Gro§e Goldene Ehrenzeichen mit stationierte österreichische UNO Truppe war dem öffentlichen Le- dem Stern Oberrabbiner Chaim Paul Eisen- für das Kulinarische verantwortlich. Musika- ben. Als Elfjährige berg für seinen jahrelangen Einsatz gegen lisch betreut wurde der Abend von sechs Mu- wurde sie ins Konzen- Diskriminierung, Rassismus und Fremden- siker der Tiroler Militärmusik, die von allen trationslager Theresien- feindlichkeit. Danielle Spera unterstrich in Anwesenden mit viel Vergnügen aufgenom- stadt deportiert und ihrer Laudatio den Humor und die Humanität men wurde. überlebte auch die des Ausgezeichneten. Paul Chaim Eisenberg Gräuel in Auschwitz wurde am 26. Juni 1950 in Wien geboren, p Anlässlich des 90-jährigen Jubiläums und Christianstadt. sein Vater Akkiba überlebte die Shoah in Un- von WIZO luden die Damen zu WIZO Gala Nachdem sie 1947 mit Ruth Klüger in die Nationalbank ein. Im Jahre 1920 grün- ihrer Mutter in die USA CHARDONNAY 1999 dete Rebecca Sief, gerade aus einer Reise ausgewandert war, studierte sie dort Biblio- KOSHER von Palästina zurückgekehrt, in London die- thekswissenschaften und Germanistik. Ruth sen nun welt- Klüger war Professorin unter anderem an der ¨ weit aner- Princeton University sowie auch an der Uni- kannten und versität Göttingen, arbeitete als Literaturwis- äußerst effizi- senschaftlerin und schrieb mehrere Bücher, enten Frauen- wie „weiter leben. Eine Jugend”, „unterwegs verein, dessen verloren. Erinnerungen” oder das kürzlich er- Ziel es vor al- schienene ãWas Frauen schreiben”. In ihrer lem war, die Lesung nahm sie die ZuhörerInnen in ver- garn und war Oberrabbiner bis zu seinem Ausbildung schiedene Etappen ihres Lebens mit. In scho- Tode im Jahre 1983. Das Amt seines Vaters von Mädchen nungsloser Ehrlichkeit und Authentizität übte stets einen großen Einfluss auf sein Le- und jungen schilderte die zierliche Universitätsprofesso- ben aus und so unterbrach Paul Chaim sein Frauen zu för- rin, wie sie von der ãJauche der Vergangen- Mathematikstudium, um in die Fu§stapfen dern. Später heit" nicht loskomme. Ruth Klügers Lesung seines Vaters zu treten und ging in die Rabbi- kamen dann vermochte weit mehr, als den Anwesenden nerschule nach Jerusalem. Hervorzuheben ist Kinderheime nur einen Einblick in ihr Leben zu vermitteln. vor allem sein soziales Engagement im inter- und andere Die Kunst ihrer Sprache hinterlie§ viel- religiösen und gesellschaftlichen Bereich. SÜDSTEIRISCHES WEINGUT humanitäre Sonja Kato schichtige Bilder in den Köpfen, wie sie nicht Das ganz Besondere an ihm ist, dass er stets 8441 FRESING 24 - KITZECK Aufgaben hin- einmal ein Film vermitteln kann. die richtigen Worte findet und jeder, der sei- t 03456/2303 FAX 03456/2121 zu. WIZO hat maßgebend für die Gleichstel- nen Rat sucht, eine kluge und besonnene Ant- lung der Frauen gekämpft und erfolgreich ein p Im Jüdischen Museum und bei einem www.wohlmuth.at wort erhält. Seiner Überzeugung nach ist die Gesetz gegen Gewalt in den Familien durch- Symposium im alten AKH war der Zeitzeuge [email protected] Vielfalt der Menschen die Essenz unseres gesetzt. Heute betreut die WIZO über 800 In- Siegfried Ramler in Daseins und ihm ist es zu danken, dass die stitutionen in Israel und zählt über 200.000 Wien zu Gast. Der ge- Einheit der jüdischen Gemeinde in Wien ge- Mitglieder. Die Präsidentin von Wizo in bürtige Wiener und Si- wahrt ist. In seiner Dankesrede betonte Österreich, Frau Dr. Hava Bugajer, dankte multanübersetzer ist Chaim Paul Eisenberg, dass er den Stern im vor allem dem Gouverneur der Öster- einer der letzten Zeit- Gedenken an alle, die einmal einen anderen reichischen zeugen der Nürnberger Stern tragen mussten, widme. Er dankte auch Nationalbank, Prozesse. Die Verfah- seiner Frau, die im stets zur Seite gestanden Professor Dr. ren gegen die höchsten ist. Sein gro§er Traum wäre es, den Friedens- Ewald No- Mitglieder der NS- nobelpreis zu erhalten, damit es endlich zu votny, für das Führungsriege began- einem Frieden im Nahen Osten käme und historische nen vor 65 Jahren, am das jüdische Volk die ersehnte Ruhe Ambiente. 20. November 1945. genießen könnte. Festredner Aus zeitgeschichtli- Michael cher und juristischer Siegfried Ramler p Ihre gro§e Beliebtheit in Israel stellten der Friedmann Perspektive sind die Österreichische Botschafter Mag. Michael zeigte Re- Nürnberger Prozesse von herausragender Be- Rendi und seine Frau, Dr. Rendi-Wagner, spekt und deutung. Der Aufbau und Ablauf der Pro- wieder einmal unter Beweis. Anlässlich des Hochachtung zesse ist bis heute maßgebend für die Interna- österreichischen Nationalfeiertages folgten für die Akti- tionale Strafgerichtsbarkeit. Die Wiener der Einladung heuer so viele Menschen wie vitäten der SPÖ-Bildung lud Siegfried Ramler nach nie zuvor. Botschafter Rendi unterstrich in Damen, die Wien ein und bot so einem breiten Publikum seiner Ansprache die ausgezeichneten Bezie- Michael Friedmann wichtige poli- die Möglichkeit, seinen Ausführungen und hungen beider Staaten und erwähnte die im tische und so- Kommentaren zu folgen. Ramler war der zu- letzten Jahre stattgefundenen Staatsbesuche ziale Aufgaben erfüllen. Auch Botschafter ständige Übersetzer von Hermann Göring von Bundeskanzler Fayman, Vizekanzler Aviv Shir-On sowie der aus Israel angereiste und anderen hochrangigen Nationalsozialis- Pröll sowie anderer Bundesminister. Auch in Unterrichtsminister Gideon Sa’ar zollten den ten. Er ist ein wichtiger Zeitzeuge für eines der zweijährigen Amtszeit Österreichs als WIZO-Damen Respekt. Mit einer speziellen der wichtigsten Ereignisse der unmittelbaren nichtständiges Mitglied des Weltsicherheits- Ehrung wurde Frau Sonja Kato für ihr Enga- Nachkriegszeit, der juristischen Aufarbeitung rats der Vereinten Nationen hat es konsequent gement für WIZO bedacht. Souverän führte der Verbrechen des NS-Regimes, in Öster- die Sanktionen gegen den Iran Ð wegen des- die Präsidentin von Wizo Aviv, Sharon reich geboren und wuchs in der Wiener Leo- sen Nuklearprogramms unterstützt. Israels Turkhof Nuni, durch den Abend. Musikali- poldstadt auf. Er flüchtete mit einem der Kin- Ministerpräsidentenstellvertreter Mosche scher Höhepunkt – der hervorragende dertransporte bereits in frühen Jahren nach (ãBogey") Ya’alon wies in seiner Rede eben- Aliosha Biz mit seiner Violine. London. Während des Krieges lebte er in

Offenlegung nach ¤ 25 des Mediengesetzes: Ge- sellschaft nach ABGB. Geschäftsführer und Gesell- schafter: Dr. Joanna Nittenberg 60 Prozent und Mag. F. C. Bauer 30 Prozent, Dr. Ronald Nittenberg 10 Prozent. 1010 Wien, Judengasse 1a. Blattlinie: Unabhängige, internationale Zeitschrift für völker- verbindende Toleranz und interkonfessionelle Ver- ständigung. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Illustrierte Neue Welt, Dr. Joanna Nittenberg, Mag. F. C. Bauer. Chefredakteur Dr. Joanna Nittenberg, alle 1010 Wien, Judengasse 1a, Tel. 535 63 01. Konto Bank : 109 100 73 200. Druck: Koisser, 1070 Wien, Zieglergasse 77, Tel. 523 55 73. Dezember 2010/Jänner 2011 Seite 27

London und arbeitete in einer Waffenfabrik. fangreichen Wissens und seiner Erfahrungen Gegen Kriegsende schloss er sich freiwillig hat er in seinem Buch: „Die Nürnberger Pro- den alliierten Truppen als Dolmetscher an. zesse” niedergeschrieben. Für seine Als Siegfried Ramler von den Nürnberger Verdienste wurde Siegfried Ramler der Gol- Prozessen erfuhr, reiste er in Erkenntnis der dene Rathausmann verliehen. Auch Maximi- Bedeutung der Prozesse eigenständig nach lian Schell wurde geehrt, der für seine Rolle Nürnberg, anstatt Ð wie befohlen Ð nach Eng- in „Das Urteil von Nürnberg” (1961) den land zurück. Er wurde dem Team der ameri- Oscar erhielt. Der Film basiert unter anderem kanischen Anklage unterstellt und war über auf der Dokumentation des damaligen Pro- den gesamten Zeitraum der Prozesse in zessverlaufes, die unter Mitwirkung Ramlers Nürnberg anwesend. Einen Teil seines um- erstellt wurde.

p Heuer ging der Dr. Alexander Friedmann Preis, der damit Engagement für traumatisierte Flüchtlinge und MigrantInnen würdigt, an das Bildungs-, Beratungs- und Therapiezentrum für Immigrantinnen Peregrina in Wien und an das Interkulturelle Beratungs- und Therapiezentrum »Die Erinnerungen lesen sich trotz aller Zebra in Graz. Der Preis, der mit 10.000 dotiert ist, wurde durch das Psychosoziale Zentrum ESRA bereits zum zweiten Mal vergeben. Migration als solche stellt bereits eine Form der Gräuel und Gemeinheiten im Inferno einer Schwersttraumatisierung dar. Menschen, die ihr Land verlassen, müssen den Verlust ihrer Kul- einstürzenden Welt spannend, fast heiter, tur, ihrer Sprache, der vertrauten Umgebung und wichtiger Bezugspersonen bewältigen. Viele jedenfalls nie verbittert, bedrückend oder MigrantInnen haben zudem Krieg, Vertreibung, Verfolgung und Gewalt erlebt. Sie kommen in ein Land, in dem sie nicht willkommen sind und das wenig Verständnis für ihre Probleme hat. moralisierend. Man findet im Buch eine Art Mit Peregrina und Zebra wurden zwei Organisationen ausgezeichnet, die bereits seit mehr als von Würde, Witz und wacher humanistischer 20 Jahren auf diesem Gebiet tätig sind und mit einem vielfältigen Beratungs- und Bildungsan- gebot, vor allem aber mit Psychotherapie Unterstützung bieten. Die Festrede bei der Preisver- Weltsicht, die man an der Generation heute leihung hielt Mag. Heinz Patzelt, Generalsekretär von Österreich. schmerzlich vermisst.« Kurier Univ.Prof. Dr. Heinz Katschnig, Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Sozialpsychiatrie, und Mag. Gerda Netopil, Leiterin der Sozialen Arbeit in ESRA, würdigten die Arbeit der bei- den Preisträgerinnen. INW-Adabei

FLORIANIHOF MAG. NORA FRANKL und KARL MANDL A-3610 Wösendorf/Wachau Tel. +43 (0) 2715/22 12 á Fax +43 (0) 2715/22 12 -4 á E-Mail: [email protected] In einem ehemaligen Lesehof des Stiftes St. Florian aus dem 14. Jahrhundert genie§en Sie verfeinerte regionale Küche und Weine der besten Winzer der Wachau. RUHETAGE: Mittwoch und Donnerstag Seite 28 Dezember 2010/Jänner 2011