Operation Weißer Riese
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Unternehmen Siemens Operation Weißer Riese SIEMENS Sauber, schnell und hoch profitabel soll der skandalgeschüttelte Konzern in Zukunft agieren. Vorstandschef Peter Löscher will den radikalen Kulturwandel erzwingen – eine bei- spiellose Managementaufgabe. anchmal zeigen sich große heit. Sie werden jeweils von CEOs ope- telbau des Monsterkonzerns bringt es Veränderungen an kleinen rativ geführt. Der Vorstand schrumpft im Leisten passiven Widerstands zu MDingen – Stehtischen zum Bei- auf acht Mitglieder, fast alle neu. Auch wahrer Meisterschaft. spiel. Bei Siemens verdrängen die Kom- die Ebene darunter – die Chefs von 15 Längst haben sich Abertausende Mit- munikationsmöbel seit dem Amtsantritt Divisionen – tauschte Löscher nahezu arbeiter in Verwaltung, Vertrieb und Stä- von Vorstandschef Peter Löscher (50) vollständig aus (siehe Grafik Seite 66). ben, deren Positionen durch die Neuor- Anfang Juli 2007 zusehends die steife Die Runderneuerung hat ein hehres ganisation bedroht sind, „mit dreifachen Kinositzordnung der alten Zeiten. Ziel: „Höchstleistungen mit vorbild- Gurten an ihren Sitzen festgeschnallt“, Statt an traditionell festgesetzten Po- lichem ethischem Anspruch“, fordert wie ein Insider lästert. Im Vertrieb sitionen (der Finanzchef immer links, Löscher von dem Konzern, der seit herrscht häufig noch die felsenfeste der Personaldirektor stets rechts vom mehr als einem Jahr von einer der größ- Überzeugung, ohne Bestechung laufe bei Vorsitzenden) in wochenlanger Stabs- ten Korruptionsaffären der Wirtschafts- Geschäften in gewissen Ländern rein gar arbeit ausgefeilte Folien zu verlesen, geschichte erschüttert wird. Sauber, nichts. Und in den mächtigen Landesor- gruppieren sich die Topmanager des schnell und hoch profitabel soll Siemens ganisationen schert sich so mancher Fürst Elektrokonzerns bei ihren Quartalstref- in Zukunft agieren. wenig um die neuen Ideen aus der Zent- fen neuerdings zwanglos um die runden rale am Wittelsbacherplatz in München. Einbeiner. In munter wechselnder Be- OB DAS GELINGT, ist nicht eine Frage Löscher hört sich solche Argumente setzung diskutieren die Topmanager die von Managementtechniken, es geht ums geduldig an. Ab und an runzelt er besorgt in freier Rede vorgetragenen Pläne ihrer große Ganze. Der Konzern muss seine die Stirn. Doch schnell lächelt er wieder Kollegen, stellen Fragen, schlagen gar Kultur verändern, bis hinein in die letz- gelassen. Nein, für den neuen Vorstands- Änderungen vor. ten Verästelungen der Geschäftseinhei- chef steht zweifelsfrei fest, dass er Sie- Die lockeren Sitten wären noch bis ten und Regionalorganisationen. mens vom Saulus zum Paulus wandeln vor Kurzem undenkbar gewesen. Mitt- Mit einem Wort, Löscher installiert muss – mit konsequenter Führung. lerweile aber zählen Tabubrüche in das wohl größte Change-Management „Klare, einfache und durchgängige dem 160 Jahre alten Traditionshaus aller Zeiten in der deutschen Industrie. Verantwortung“, postuliert der sonst so zur Tagesordnung. Löscher, der erste Und das in einem der beharrungs- umgängliche Österreicher strikt seine Seiteneinsteiger an der Siemens-Spitze, freudigsten Konzerne überhaupt und oberste Maxime. Werte setzen, Ziele lässt bei dem 72-Milliarden-Euro-Kon- auf höchst unsicherer Basis. Denn ob er vorgeben, Ergebnisse prüfen, Konse- zern kaum einen Stein auf dem anderen. sich langfristig auf seine intern rekru- quenzen ziehen – nach dieser Methode Kein anderes deutsches Unterneh- tierte Führungsmannschaft verlassen wisse jeder einzelne Mitarbeiter, was men verändert sich derzeit so radikal kann, steht angesichts der laufenden Er- er zu tun und zu lassen habe. Und damit (6) DIETER MAYR FOTOS: wie das skandalumwitterte Konglome- mittlungen in dem Schmiergeldskandal ändere sich die Mentalität quasi von rat. Seit dem 1. Januar gilt eine völlig zu bezweifeln (siehe Kasten Seite 68). selbst zu einer „Hochleistungskultur“. neue Organisation. Die zuletzt zehn Be- Schon Löschers Vorgänger Klaus Derlei stringentes Management be- reiche verteilen sich auf drei große Sek- Kleinfeld (50) biss sich an den Siemen- dürfe allerdings der richtigen Leute, die toren: Industrie, Energie und Gesund- sianern die Zähne aus. Der massive Mit- korrektes Verhalten vorlebten, konze- 64 managermagazin 2/2008 Unternehmen Siemens Der Spielführer: Peter Löscher gibt dem Konzern die Richtung vor, sieht sich aber nicht als „Alphamensch“ FOTOS: FOTOS: managermagazin 2/2008 65 Unternehmen Siemens Löschers Leute Welche Probleme die neue Organisation lösen muss Vorstandsebene Bereichsebene Peter Löscher Vorstandsvorsitzender Heinrich Hiesinger Umsatz in Milliarden Euro Wolfgang Dehen Umsatz in Milliarden Euro Joe Kaeser Industrie Gesamt 37,2 Energie Gesamt 21,5 Finanzen Hermann Requardt Automatisierung 7,8 Energieerzeugung aus Technologie Anton Huber Der Boom der Branche fossilen Brennstoffen könnte bald zu Ende gehen und Michael Süß Dank eines enormen Peter Solmssen 10* die zweistelligen Margen gefährden. Bedarfs an neuen Kraftwerken Recht und Compliance Antriebstechnik 7,6 sind die Kapazitäten ausgelastet. Engpässe drohen. Klaus Helmrich Das Produktgeschäft Siegfried Russwurm dient zwar als Vorbild für den gesamten Kraftwerksdienste Personal Sektor, hängt allerdings stark von der Randy Zwirn Im nun operativ Konjunktur ab. abgetrennten Servicegeschäft entstehen Erich Reinhardt Umsatz in Milliarden Euro Gebäudetechnik 5,1 die dicken Gewinne im Geschäft mit konventionellen Kraftwerken. Gesundheit Gesamt 11,5** Johannes Milde Nachdem die Profi- tabilität halbwegs stimmt, sollen energie- Erneuerbare Energie 2 Bildgebende Systeme 7 sparende Techniken den Umsatz kräftig René Umlauft Weiter hohe Bernd Montag steigern. Nachfrage nach Windrädern, allerdings Das margenstarke Stammgeschäft hat im Hauptmarkt USA Osram 4,7 fehlt Siemens hier noch weitgehend der lukrative Service. mit regulatorischen Problemen und Martin Götzeler Der Leuchtenlieferant schwächerer Konjunktur zu kämpfen. erzielt seit Jahren Eins-a-Margen. Jetzt Öl- und Gasindustrie 1,8 Diagnostik muss der Wechsel ins Systemgeschäft Frank Stieler Die Branche läuft 3 Jim Reid-Andersen mit LED-Technik gelingen. angesichts weltweiter Energieknappheit Die aus erstklassig. Akquisitionen in Höhe von elf Milliarden Industrielösungen 6,8 Euro entstandene neue Division muss Joergen Ole Haslestad Das Projekt- Energieübertragung 4 integriert werden und bald ihre Kapital- management der Division gilt als exzel- Udo Niehage Trotz enormer kosten verdienen. lent, doch die Margen fallen immer noch Verbesserungen erreicht die Division Lösungsgeschäft 1,5 viel zu gering aus. noch nicht die beim Konkurrenten ABB Thomas Miller üblichen Margen. In den neu entstan- Mobilität 5,2 denen Zweig muss noch investiert Hans-Jörg Grundmann Die Nachfrage, Energieverteilung 3,7 werden, um umfangreiche Komplett- insbesondere nach Hochgeschwindig- Ralf Christian Noch nicht ausreichend angebote zu erstellen. keitszügen, wächst enorm, profitabel. aber der Gewinn ist zu gering. *Die Finanzdaten der beiden Divisionen werden gemeinsam erfasst; **inklusive Dade Behring. Quelle: Siemens; eigene Schätzung diert Löscher: „Führung funktioniert umzugehen, von der dem Konzern Mil- Am 19. Dezember versammelte Lö- über Persönlichkeiten.“ liardenstrafen drohen könnten. scher die neue Mannschaft einschließlich Von dieser raren Spezies glaubt er ge- Die frische Truppe soll den Wandel der Divisionsleiter und der wichtigsten nügend Vertreter in den eigenen Reihen nun auf vier Feldern vorexerzieren. Regionalchefs im Führungszentrum am gefunden zu haben. Fast sein gesamtes ^ Compliance. Um lebensbedrohliche Starnberger See. Bei der Kick-off-Veran- Spitzenteam inklusive der CEOs der Sanktionen der SEC zu verhindern, staltung schwor er die rund 80 Mann Divisionen rekrutierte der Vorstandschef muss der neue Vorstand sicherstellen, auf seine Maxime ein: Unternehmer- intern. Nach gut 100 Tagen im Unterneh- dass Siemens in Zukunft nur noch 150- geist und Eigenverantwortung. men wusste Löscher schon, wen er woll- prozentig saubere Geschäfte macht. Löscher ersann den gesamten organi- te – und wen nicht. Zur Sicherheit ein ^ Effizienz. Mit 17 Prozent vom Umsatz satorischen Umbau gemeinsam mit Vor- Gegencheck durch die Personalberatung liegen die Verwaltungs- und Vertriebs- ständen und Aufsichtsratschef Gerhard Egon Zehnder, die die Hausgewächse ausgaben deutlich höher als bei der Kon- Cromme (64). Strategieberater spielten mit externen Kandidaten verglich – Lö- kurrenz. Eine Schrumpfkur um 10 bis keine Rolle. Erst jetzt, bei der Um- scher entscheidet gern schnell. 20 Prozent ist geplant. setzung des „Zentralen-Projekts“, das Einzig der Vorstand für Recht und ^ Profitabilität. Die Margen im operati- die Verwaltung ausdünnen soll, hilft Compliance, Peter Solmssen (53), kommt ven Geschäft sollen auf das Niveau der McKinsey. Bis April soll der erste Zwi- von außen. Der ehemalige Chefjustiziar weltbesten Wettbewerber steigen. schenbericht vorliegen. von Siemens-Konkurrent General Elec- ^ Disziplin. Die mächtigen Länderfürs- „Wir suchen nicht mehr Konsens in tric (GE) weiß besser als jeder Siemen- ten müssen sich den Sektor-CEOs un- Gremien. Bei uns entscheiden Perso- sianer mit der US-Börsenaufsicht SEC terordnen. nen“, formuliert der Vorstandschef das 66 managermagazin 2/2008 Alles für die SEC Die Folgen der Affäre Wohlverhalten: Der Siemens-Vor- stand unterstützt die internen Ermittlun- gen der US-Kanzlei Debevoise & Plimpton nach Kräften. Dazu dient auch das Amnestieprogramm, das Täter zur Kooperation bei der Aufklärung der Bestechungsfälle ermuntert. Es brachte