Originalveröffentlichung in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 62 (1999), S. 136-143

MISZELLE

PETER SEILER Das Lächeln des Cangrande della Scala

Unter den Skulpturen der ­Grabmäler in fassen4. Das Gesicht der Liegefigur, die den toten ist die Reiterstatue des Cangrande della Helden zeigt, stimmt jedoch mit dem der Reiter­ Scala (fi329) zweifellos die berühmteste'. Die statue motivisch überein (Abb. 2). Die heitere Faszination, die sie immer wieder auslöst, beruht Miene kann demzufolge nicht (oder zumindest in erster Linie auf ihrer effektvollen illusionisti­ nicht ausschließlich) als mimischer Ausdruck schen Ausrichtung auf den Betrachter: Cangran­ einer momentanen Gefühlslage verstanden wer­ de ist in Rüstung als paradierender Krieger ver­ den. Sie diente offenbar zur Charakterisierung gegenwärtigt und zwar so, als habe er gerade sein der Persönlichkeit des . Schlachtroß angehalten, um sich seinen Unter­ War Cangrande ein heiterer Mensch? Beruhte tanen zuzuwenden2. Das Erstaunliche dabei ist sein Charisma nicht nur auf kriegerischen Erfol­ sein Lächeln (Abb. i)3. Wie ist dieser bei mittel­ gen, sondern auch auf persönlichem Frohsinn? alterlichen Herrscherbildnissen ansonsten nicht Hat der Bildhauer versucht, die charmante aria anzutreffende Gesichtsausdruck zu verstehen? des Scaligers zu verewigen?5 Man hat tatsächlich Da der Dargestellte durch den narrativen Relief­ die Auffassung vertreten, es handele sich um ein zyklus des Sarkophags als Eroberer der Trevisa­ »ritratto dal vivo«, das Cangrande so darstelle, ner Mark kommemoriert wird, liegt es nahe, sein wie er aussah und wie er war6. Als man 1921 den Lächeln als triumphierendes Siegerlächeln aufzu­ Sarkophag öffnete, glaubte man, die Physiogno­

1 Zu den Grabmälern der Scaliger siehe Peter Seiler, la Scala, in: ibid., 64­94 und die in demselben Band Mittelalterliche Reitermonumente. Studien zu perso­ publizierten Ergebnisse technischer Untersuchungen. nalen Monumentsetzungen in den italienischen Kom­ Zur Entstehungsgeschichte des Grabmals von Can­ munen und Signorien des 13. und 14.Jahrkunderts, grande siehe Peter Seiler, Per un'identificazione del Phil. Diss., Universität Heidelberg 1989, Bd. I, 260­ sareofago a rilievo del Scpolcreto scaligero di Verona, 319 und Bd. II, 97­268; Ders., La trasformazione in: Bisanzio e l'Occidente: arte, archeologia, storia. gotica della magnificenza signorile: committenza vis­ Studi in onore di Fernanda de' Maffei, Rom 1996, contea e scaligera nei monumenti scpolcrali dal tardo 541­555 und ders., Untersuchungen zur Entste­ duecento alla metä dcl trecento, in: Presenze del Goti­ hungsgeschichte des Grabmals von Cangrande l. della co Europeo in Italia, hrsg. von Martina Bagnoli und Scala (im Druck). Valentino Pace, Neapel 1994, 119­140, bes. 132­134 3 Zum Lächeln des Cangrande gibt es zahlreiche kom­ und Ders., Residenz, Kirche, Grablege ­ Zur Entste­ mentierende Bemerkungen, Mutmaßungen und Deu­ hungsgeschichte des Residenzensembles der Scaliger tungsversuche, auf die ich hier nicht im Einzelnen in Verona, in: Architectural Studies in Memory of eingehen kann. Auf die wichtigsten Forschungsmei­ Richard Krautheimer, hrsg. von Cecil L. Striker, nungen wird in den folgenden Anmerkungen hinge­ Mainz 1996, 151 ­ 156. wiesen. 2 Die sicherlich erst in den vierziger Jahren des ^.Jahr­ 4 Zu den verschiedenen Anlässen und Varianten des hunderts entstandene Reiterstatue wurde 1910 durch Lächelns bzw. Lachens in kriegerischen Kontexten eine Kopie ersetzt. Das Original befindet sich im (Demonstration von Unerschrockenheit und Über­ Museo di Castelvecchio in Verona. Vgl. hierzu Gian legenheit vor dem Kampf, Frohlocken über besieg­ Maria Varanini, Cipolla, Simeoni, Da Lisca: la corris­ te Feinde) vgl. die der antiken und mittelalterlichen pondenza sulla statua equestre di Cangrande I, in: La Epik entnommenen Belege in Karl Richard Kremer, statua equestre di . Studi, Das Lachen in der deutschen Sprache und Literatur ricerche, restauro, a cura di Sergio Marinelli e Giulia des Mittelalters, Phil. Diss., Bonn 1961, 54, 61, 129, Tamanti, Verona 1995, 51­59. Zum Erhaltungszu­ 144, 15 5ff­, 175, 177. Zum »Gefahrverlachen« und stand der Statue siehe Giulia Tamanti, Le vicende zum »erlösenden Lachen« nach einer Gefahr vgl. conservative della statua equestre di Cangrande I del­ auch Martin J. Schubert, Z«r Theorie des Gebarens

136 i. Grabmal des Cangrande della Scala, Verona, Reiterstatue, Detail

im Mittelalter. Analyse von nichtsprachlicher Äuße­ Hochberg, Max Black, Kunst, Wahrnehmung, Wirk­ rung in mittelhochdeutscher Epik. Rolandslied, Ene­ lichkeit, Frankfurt/Main 1972, 17. asroman, Tristan (Kölner Germanistische Studien, 6 Carlo Cipolla, La statua equestre di Cangrande I a Ve­ Bd. 31), Köln­Wien 1991,92. rona, in: Arte e Storia, ser. IV, 29, 1910, 225­228; Fer­ 5 Der Begriff »aria« war nach dem Zeugnis Petrarcas nanda De Maffei, Le arche scaligere di Verona, Verona bei zeitgenössischen Malern in Gebrauch. Er soll von 1955, 52 und 54. Bettini versuchte mit der angenom­ diesen zur Kennzeichnung der für eine Person beson­ menen Portraitähnlichkeit sogar die Frühdatierung der ders charakteristischen Gesichtszüge verwandt wor­ Reiterstatue »um 1330« zu begründen, siehe Sergio den sein. Francesco Petrarca, Eamiliarum rerum, Lib. Bettini, La pittura gotica internazionale a Verona. Ap­ XXIII, 19, 78­94. Le Familiari, Edizione critica a cu­ punti dalle lezioni di Storia deU'Arte Medioevale, Isti­ ra di Vittorio Rossi, vol. IV per cura di Umberto Bos­ tuto di Storia dell'arte ­ Universitä di Padova, Anno co, Libri XX­XXIV, Florenz 1942, 206; vgl. hierzu Accademico 1973­74, 18: »(Mi) sembra incontestabile auch Ernst H. Gombrich, Maske und Gesicht. Die che (il Cangrande a cavallo) sia un autentico ritratto del Wahrnehmung physiognomischer Ähnlichkeit im Le­ >gran lombardos e un ritratto eseguito da vivo. E diffi­ ben und in der Kunst, in: Ernst H. Gombrich, Julian cile, quasi impossibile supporre che un artista, sia pure

r37 mie des Bildnisses in derjenigen des Leichnams gelangen können. Aber sind die physiognomi­ wiederzuerkennen (Abb. })7. In einem damals schen Details überhaupt von Bedeutung? Könnte abgefaßten Bericht ist sogar vom Lächeln des es nicht sein, daß der Bildhauer sich gar nicht Scaligers die Rede: »Cangrande (...), conserva darum bemühte, diese ganz präzise wiederzuge­ tutta la sua pelle che mostra la sua forte muscula­ ben, da es ihm in erster Linie darauf ankam, die tura; i suoi capelli ricciuti sono biondi castagni, la individuelle aria des Cangrande darzustellen? sua fronte e lisca e spaziosa, gli zigomi porgono Man zögerte immer wieder, den Glauben an die un poco, il volto e regolare e rotondo, gli occhi personale Authentizität der Heiterkeit des Scali­ guardano quasi con un'espressione di vita; egli gers in Frage zu stellen, da es für diesen Charak­ sembra ancora sorridere dalla sua bocca semia­ terzug einen schriftlichen Quellenbeleg zu geben perta che mostra i denti conservatissima«8. scheint: die in dem Serventese in morte di Can­ Ende der 30er Jahre äußerte Harald Keller eine grande enthaltene Personenbeschreibung. In ihr abweichende Meinung und er registrierte andere heißt es, Cangrandes Gesicht sei »pieno di alle­ Ubereinstimmungen: »Natürlich zeigte das Ge­ grezza« gewesen. Die Bedeutung dieses Zeugnis­ sicht nicht das archaische Lächeln der Reiter­ ses erschließt sich jedoch erst aus dem inhalt­ figur, aber die kleine Nase mit den Flügeln, die lichen Zusammenhang: etwas nach oben gezogen sind und die knappen Lippen waren ihm wirklich eigen ­ und gerade El nobele barun ingraciato das sind ja die Eigentümlichkeiten der Skulptur. Misser Can de la Scala era cla(mat)o; Auch der Schädel des Toten war so abnorm steil Per tutto lo mondo era disidrato De vedere. wie der des Standbildes«9. Versucht man die Angaben zu den einzelnen De soe prode^e asai sen poria dire physiognomischen Details zu überprüfen und Plu che de barun che may sia; berücksichtigt man dabei auch die Liegefigur Per tutto '1 mundo l'ä fatto florire La soa po­ (was z.B. Keller nicht tat), dann stellen sich Irri­ sana. tationen ein: Waren Kopf und Gesicht des Scali­ gers eher rund oder »steil«? Wie sah seine Nase Misser Can de la Scala, franca lanca aus? War sie »lievemente aquilino«10 oder gerade, (El plu le) al che sia de qui a Franca wie die beider Bildnisse? Hatte Cangrande tat­ (per) lo mondo ello porta nomennaca De pro­ sächlich Augenbrauenbögen, die so rund und de$e. hoch in die Stirn ragten wie diejenigen modisch geschminkter Madonnen der transalpinen Gotik? Franco barone e de gran gentile^e, Kann man wirklich davon ausgehen, daß der Largo e cortexe e nobil per $ertec,e, lebende Cangrande ebenso schmale Lippen hatte El so viso era pleno d'alegreca One staxone. wie sein ausgetrockneter Leichnam oder ist die Ubereinstimmung von Bildnissen und Leichnam Misser Can de la Scala, quel barone, hinsichtlich dieses Merkmals zufällig? Zu siche­ In la Vergene avea gran devocione; ren Antworten auf diese Fragen wird man kaum Fiolo de Deo, che soferi pasione, O Ii perdona".

di eccezionali virtü interpretative ed evocative, e maga­ un cosi eccezionale ritratto.« Vgl. auch Gian Lorenzo ri con l'ausilio di qualche ritratto in pittura o miniatura Mellini, Tracce di Giotto a Verona, in: Critica d'arte 8, (oggi tuttavia inesistente) abbia potuto conferire, a dis­ 1961, 17­26 und ders., Scultori veronesi del Trecento, tanza di almeno vent'anni dalla morte del principe, e Mailand o.J. (1971), 94­100, bes. 96. presumibilmente senza averlo mai veduto vivente, una 7 Siehe Augusto Ferrero, Ciö che resta di Can Grande caratterizzazione cosi incisamente icastica non solo dei Signore di Verona, in: Rassegna d'arte 22, 1922, 139. suoi lineamenti, ma dei suoi gesti del suo >umore< per­ 8 »Verona ­ Area di Cangrande: ­ Ricognizione delle culiari: giacche questo e appunto il dato piü vistoso di Spoglie«, Verona, Archiv der Soprintendcnza (unsig­

138 2. Grabmal des Cangrande della Scala, Verona, Liegefigur, Detail

Es verhält sich mit dieser Beschreibung ebenso sondern er stellte ihn als ideale Verkörperung wie mit vielen panegyrischen Herrscherdeskrip- des guten Herrschers dar. Die Charakterisierung tionen. Der Dichter bemühte sich nicht darum, konzentriert sich auf Persönlichkeitsmerkmale, Cangrande zu schildern, wie er wirklich war, die zum traditionellen Katalog der Eigenschaften

niertc maschinenschriftliche Kopie des Originals). 10 Antonio Avena, La salma e la tomba di Cangrande I 9 Harald Keller, Die Entstehung des Bildnisses am della Scala, in: Dante e Verona. Studi pubblicati a cura Ende des Hochmittelalters, in: Römisches Jahrbuch di Antonio Avena e Pieralvise Alighieri in occasione für Kunstgeschichte 3, 1939, 330. Keller stützte sich del seicentenario dantesco, Verona 1921, 402. auf die Ausführungen von Ferrero (wie Anm. 7) und 11 Carlo Cipolla/Flaminio Pellegrini, Poesie minori ri- auf eine von diesem publizierte Zeichnung, die Ange- guardanti gli Scaligeri, in: Bolletino dell'Istituto Stori- lo Dall'Oca Bianca 1921 während der Öffnung des co Italiano 24, 1902, 59 Nr. XXVI; vgl. die Hinweise Sarkophags angefertigt hatte. in Avena (wie Anm. 10), 417-418

!39 vorbildlicher Herrscher gehörten, wie vornehme Rede. So erwähnt zum Beispiel im 12.Jahrhun­ Geburt, Schönheit, Tapferkeit, Ruhm, Macht, dert Acerbo Morena nicht nur das heitere Freigiebigkeit, höfische Manieren und Frömmig­ Gesicht des Friedrich Barbarossa, sondern weist keit. Zwar findet man auch in konventionellen zusätzlich noch darauf hin, man hätte den Ein­ mittelalterlichen Herrscherbeschreibungen gele­ druck gehabt, als ob er immer lächeln wolle (ut gentlich Ansätze individueller Charakterisierung, Semper velle ridere)14. Ein ähnliches mimisches aber die heitere Miene des Cangrande ist nicht Gebaren soll im 14. Jahrhundert nach dem Zeug­ als individueller Wesenszug aufzufassen. Sie ist nis des Anonimo Romano auch dem Römer Cola ein traditionelles Attribut des tugendhaften di Rienzo eigen gewesen sein: »Era bello omo e Herrschers. So wie zum Beispiel in der Antike in soa vocca sempre riso appareva in qualche Sueton in seiner Vita des Augustus dessen heite­ muodo fantastico«'5. ren Gesichtsausdruck hervorhob12, so haben Hat man diese, durch traditionelle Herrscher­ auch im Mittelalter Dichter und Geschichts­ beschreibungen und höfische Tugendkataloge ge­ schreiber die hilaritas von Herrschern betont prägten Zeugnisse vor Augen, dann wird deut­ und ihnen ein frohes und freundliches Gesicht lich, daß Mutmaßungen über die charakterliche zugeschrieben'3. Gelegentlich ist hierbei auch Authentizität der heiteren Miene des Cangrande von einer besonderen Neigung zum Lächeln die von zweifelhaftem Wert sind'6. Man muß jedoch

12 Sueton, Augustus c. 79,1: »vultu erat vel in sermone hunderts. Studien über Denkart und Existenz im ein­ vel tacitus adeo tranquillo serenoque«, zit. nach C. stigen Karolingerreich, 1992, 53L und 88f.; zu »hilari­ Suetonius Tranquillus, Die Kaiserviten / De vita Cae- tas« und »iocunditas« als höfische Tugenden siehe sarum - Berühmte Männer I De viris illustribus, Lat.­ Paul Gerhard Schmidt, Curia und curialitas. Wort dt., hrsg. und übers, von Hans Martinet, Düssel­ und Bedeutung im Spiegel der lateinischen Quellen, dorf/Zürich, 274. Die heitere Miene des Königs ist in: Curialitas. Studien zu Grundfragen der höfisch­ auch im Alten Testament belegt: Prv 16,15 "in hilari­ ritterlichen Kultur, hrsg. von Josef Fleckenstein, Göt­ tate vultus regis vita et dementia eius quasi imber tingen 1990, 17; Sabine Krüger, »Verhöflichter Ritter« serotinus«, und 19,12 »sicut fremitus lconis ita et und miles illiteratus, in: ibid., 339; Thomas Zotz, Ur­ regis ira et sicut ros super herbam ita hilaritas eius«, banitas. Zur Bedeutung und Funktion einer antiken zit. nach Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem Wertvorstellung innerhalb der höfischen Kultur des hrsg. von Bonifatius Fischer und Robert Weber, hohen Mittelalters, in: ibid., 395, 402f., 405. Zu den Stuttgart '1984. vielfältigen Einstellungen zu Heiterkeit und Lachen 13 G. Pedrino, Cronica del suo tempo, Edita da G. Borg­ im Mittelalter siehe auch Ernst Robert Curtius, hezio e M. Vattasso, con note storiche di A. Pasini, II, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Rom 1934, 440 (zu Sinibaldo Ordclaffi, Signore von Bern und München ''1978, 419­434, Exkurs IV. Forli, gest. 1386): »homo molto aliegro«; zu Azzo Scherz und Ernst in mittelalterlicher Literatur; Kre­ Visconti siehe Pietro Azario, Liber gestorum in Lom­ mer, Das Lachen in deutscher Sprache und Literatur bardia, RIS XVI, 314: »Qui quamquam juvenis, senex des Mittelalters (wie in Anm.4); Philippe Menard, Le fuit in bonitate & in virtute, laetus facie, crinibus Can­ rire et le sourire dans le roman Courtois en France didus, gracilis corpore, scd pinguedine intcrmixtus, au Moyen Age (11 $0­1250), Geneve 1969; Gerhard affabilis, tractabilis, benignus«; Bernardo Corio, Sto­ Schmitz, ... quod rident homines, plorandum est. Der ria di Milano (1503), a cura di A. Morisi Guerra I, >Unwert< des Lachens in monastisch geprägten Vor­ Turin 1978, 746: »Fu Azo de commune statura, ro­ stellungen der Spätantike und des Mittelalters, in: tondo di faccia et alegro«; in einem von Francesco Franz Quarthal/Winfried Sctzler (Hrsg.), Stadtver­ Cognasso, I Visconti, Varese 1966, 279 zitierten Ge­ fassung ­ Verfassungsstaat ­ Pressepolitik. Festschrift dicht über Bernabö Visconti heißt es: »Che cosi ride e für Eberhard Naujoks, Sigmaringen 1980, 3­15; Gio­ sicuro esser crede / Quelgli e il milanese Barnabö«. vanni Ciappelh, Ridere nel Medioevo, in: Quaderni Zum Vorkommen von »hilari/hilari vultu« in spezi­ medievali 21, 1989, 120­127; Schubert (wie Anm.4), fischen Handlungszusammenhängen siehe Fernand bes. 89­93; Jacques Le Goff, Laughter in the Middle Vercauteren, Avec le sourire in: Melanges offerts ä Ages, in: J. Bremmer und H. Roodenburg (Hrsg.), A Rita Lejeune, Bd. 1, Gembloux 1969, 45­56 (anläß­ Cultural History of Humour from Antiquity to the lich von Schenkungen); Hatto Kaffelz, Das Standes­ Present Day, Cambridge 1997, 40­53. Zum Problem­ ethos des Adels im 10. und 11. Jahrhundert, Phil. Diss, feld »Lachen und Karneval« vgl. bes. Dietz­Rüdiger Würzburg 1961, 68ff. (bei Gastmälern). Vgl. auch Moser, Lachkultur des Mittelalters? Michael Bachtin Heinrich Fichtenau, Lebensordnungen des 10. Jahr­ und die Folgen seiner Theorie, in: Euphorion. Zeit­

140 3- Grabmal des Cangrandc dclla Scala, Sarkophag mit dem mumifizierten Leichnam

schrift für Literaturgeschichte 84, 1990, 89-111 und scripta a Donizio Presbytero qui in arce Canusina die mit diesem Aufsatz zusammenhängenden Diskus­ vixit, RIS n. Ed. V/2, hrsg. von Luigi Simeoni, Bolo­ sionsbeiträge von Elena Nährlich­Slateva, Aaron J. gna 1940, 56 und 118. Gurjcwitsch, Dietz­Rüdiger Moser und Heidy 15 Anonino Romano, Chronica, Edizione critica a cura Greco­Kaufmann in den beiden folgenden Jahrgän­ di Giuseppe Porta, Milano 1979, 143. gen dieser Zeitschrift. 16 Es ist aufgrund der zitierten Belege meines Erachtens 4 Annales Laudenses auctoritate Ottone et Acerho Mo- nicht angebracht, anhand vager Anhaltspunkte das renis a. 1153-1168, hrsg. von Philipp Jaffe, MGH SS Lächeln des Cangrande auf orientalische Einflüsse XVIII, 640; vgl. hierzu Herbert Grundmann, Der zurückführen zu wollen. Antonio Scolari hat Can­ Cappenberger Barbarossakopf und die Anfänge des grande eine auf seinem Namen basierende, ausgeklü­ Stiftes Cappenberg, Köln/Graz 1959, s 1 ff.; Zotz (wie gelte herrscherliche Selbstinszenierung unterstellt. Anm. 13), 395, 403. Die Formel »Semper facie hilaris« Der Veroneser Signore habe, inspiriert durch Berichte kennt auch Donizio, der Verfasser des panegyrischen über den Gran Kan dei Tartari, gezielt versucht, sich Gedichts auf die Markgräfin Mathilde, siehe Vita ein orientalisches Herrscherimage zu verschaffen. In Mathildis celeberrimae principis Italiae. Carmine Zusammenhang mit diesem Bestreben verwies Scolari

141 nicht notwendigerweise dem Lächeln des Sca­ spätmittelalterlichen Liste von Septem curialita­ ligers jeglichen historischen Realitätsgehalt ab­ tes17. sprechen. Es mag durchaus mehr als eine literari­ Mit dem Nachweis, daß das literarisch bezeug­ sche Fiktion gewesen sein. Möglicherweise hat te heitere Gesicht des Cangrande eine konventio­ Cangrande tatsächlich in der Öffentlichkeit häu­ nelle Maske war, ist das Rätsel der beiden läch­ fig demonstrativ gelächelt. Das öffentliche zur elnden Bildnisse des Signoren freilich noch nicht Schau tragen von Heiterkeit und Freundlichkeit vollständig gelöst. Schließlich war es im Bereich gehörte zu dem ritualisierten Gebaren, das man der mittelalterlichen Bildniskunst nicht üblich, von tugendhaften Herrschern wie auch von an­ weltliche (oder geistliche) Würdenträger mit deren Personen bei Hof erwartete. »In publico heiteren Gesichtszügen darzustellen1 s. Sicherlich hylaritas« lautet die zweite Verhaltensnorm einer muß man auch die Ausbreitung des »gothic

ohne nähere Begründung auch auf die Heiterkeit des zur Schau tragen einer heiteren Miene zum ritua­ Scaligers: »C'cra nel costumc di Can Grande, qualc lisierten Gebaren von Herrschern gehörte, ist bisher Dante lo vide, una calcolata ricerca di esotismo Orien­ nur ansatzweise erforscht. Es wurde auf Schenkungen tale, che si confaceva col suo volto dall'aperto sorri­ und Gastmälcrn verwiesen (vgl. hierzu Anm. 13). Zu so.« Antonio Scolari, Verona e gli Scaligeri nella vita berücksichtigen sind auch Gesandtschaftsempfänge. di Dante, in: Kat. Dante e Verona, Verona 1965, XXI. Der die Eroberung Trevisos und den Tod des Can­ Vgl. auch ders., // messia dantesco, 1913, grande schildernde lateinische Carmen berichtet zum 31 ff., 39, 40 Anra. 1, 5 5ff., logff. Scolaris suggestive Beispiel, der Veroneser Signore habe eine Trevisaner Mutmaßungen fungierten als Inspirationsquclle für Gesandtschaft »hilari vultu« empfangen. Siehe Anto­ eine Reihe weiterer Beiträge, in denen über orientali­ nio Medin, La resa di e la morte di Can Gran­ sche Einflüsse am Hof der Scaliger spekuliert wird, de I della Scala: cantare del secolo XIV, in: Archivio vgl. z.B. Gian Lorenzo Mellini, Verona, la Corte sve­ , ser. 2, 31, 1886, 374. Zum Bereich der demon­ va, rOrienta e lc origini del Gotico, in: Labyrinthos 9, strativ­rituellen Kommunikation in mittelalterlicher 1986, 3­49; Giorgio Battistoni, Dante, l'Islam e altre Öffentlichkeit vgl. Gerd Althoff, Spielregeln der Poli­ considerazioni, in: Labyrinthos 11, 1987, 26­65, Des­ tik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und 36 und 49ff.; ders., Simboli e mitografie intorno a Fehde, Darmstadt 1997, bes. 29, 206, 223, 279 (zu hi­ Can Grande della Scala 1 und 2, in: Labyrinthos 13/ laritas und tristitia). 16, 1988/89, 35­62, bes. 62 und 19/20, 1991, 59­103. 18 Im Zusammenhang mit dem Lächeln des Cangrande Den Vertretern der Orientthese ist bisher entgangen, wurde vielfach auf die Statue des hl. Zeno in San Zeno daß tatsächlich eine auf orientalischer Kunst basieren­ in Verona hingewiesen, die unter der volkstümlichen de Darstellung eines lächelnden Gran Khan überlie­ Bezeichnung »S.Zeno che ride« bekannt ist. Das fert ist. Es handelt sich um eine Miniatur, die in einer Lächeln ist bei dieser Thronfigur jedoch in anderer aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts stammen­ Weise dargestellt, so daß letztlich ungewiß bleibt, ob den Genueser Handschrift enthalten ist (London, irgendein Zusammenhang mit dem Lächeln des Can­ British Library: ms. Add. 27695, fol. 13r). Die Dar­ grande bestand. Das Lächeln des hl. Zeno dürfte in stellung zeigt den Gran Khan »alla turca« sitzend der »hilaritas« heiliger Bischöfe eine Erklärung fin­ während eines Banketts. Sic dient freilich nicht der den. Vgl. hierzu die von Vercauteren (wie Anm. 13), Vergegenwärtigung eines positiven Hcrrschervor­ i6f. zitierten hagiographischen Quellen. Von Interesse bilds, sondern der Veranschaulichung des »Vizio della ist in diesem Zusammenhang auch das sanfte Lächeln gola«. Siehe Wolfram Prinz, I Tartari nella Pittura Ita­ der Liegefigur des Grabmals von Giovanni DArago­ liana del Trecento, in: Studi di Storia dell'Arte sul Me- na (Tarragona, Cattedrale). Giovani d'Aragona, der dioevo e il Rinasciemento nel Centenario della Nas- Erzbischof von Tarragona war, starb 1334 »in odore ciatä di Mario Salmi (= Atti del Convegno Interna­ di santitä«. Siehe Giovanni Previtali, II sepolcro di zionale Arezzo­Firenze, 16­19 Novembre 198g), Fi­ Giovanni d'Aragona: un suggerimento, in: ders., Studi renze 1993, vol. I., 418, fig. 8. Zum Herrschcrimage sulla scultura gotica in Italia, Turin 1991, 92­99. des Cangrande vgl. zuletzt Andrea di Salvo, »Cele­ 19 Siehe hierzu Seiler, La traformazione gotica (wie brazioni politiche d'oecasione«: Ii Caso dei primi Anm. 1), 132. Zur Verbreitung des sog. gotischen Lä­ Scaligeri, in: Le forme della Propaganda politica nel chelns vgl. Jan Svanvcrg, The Gothic Smile, in: Künst­ due e nel trecento, hrsg. von Paolo Cammarosano lerischer Austausch ­ Artistic Change. Akten des (Collection de l'Ecole Franchise de Rome. 201), Rom XXVIII. Internationalen Kongresses für Kunstge­ 1994, 287­310 und Gian Maria Varanini, Propaganda schichte, Berlin, 15.­20. Juli 1992, hrsg. von Thomas dei regimi signorili: Le esperienze venete del Trecen­ W. Gaehtgens, Bd. 2, 357­370; Paul Binski, The to, in: ibid., 311­343, Des­ 3 i6ff. Angel Choir at Lindcoln and the Poetics of the Goth­ 17 Schmidt (wie Anm. 13), 17. Bei welchen Anlässen das ic Smile, in: Art History 20/3, 1997, 350­374.

142 smile« und die Gotikrezeption des sogenannten bringen? Wie es auch immer gewesen sein mag, Maestro delle Arche Scaligere als Voraussetzun­ willentlich oder nichtwillentlich hat er durch die gen einkalkulieren'9. Aber auch dann bleiben heitere Miene des Scaligers nicht unwesentlich noch Fragen offen: Warum hat der Bildhauer ge­ dazu beigetragen, daß dieser berühmter wurde rade Cangrande mit lächelnder Miene verewigt? und mehr Sympathien auf sich zog als sein ehrgei­ Warum nicht auch dessen Nachfolger Mastino? ziger Neffe Mastino. Vom Charme des steinernen Hat er auf Anweisung gehandelt oder aus eige­ Cangrande betört, hat man ­ alle Zweifel in den nem Antrieb? Wollte er womöglich eine persön­ Wind schlagend ­ nicht gezögert, dessen physio­ liche Sympathie für Cangrande zum Ausdruck gnomische Maske für ein Gesicht zu halten.

Bildnachweis: i Foto Alinari. ­ 2 Irifoto, Verona. ­ 3 Reproduktion nach einem Foto der Soprintendenza ai Monumenti, Verona.

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