57 Hoken 4 »Das Haus Mit Den Zwei Gesichtern« Gerhardt Knauer Erzählt
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20-Jahre-UNESCO-Layout2-neu-Dr_Layout 1 19.11.14 14:21 Seite 5 Sanierungsbeispiele: Hoken 4 Hoken 4 bauphase, Mitte des 19. Jh. Unser Anspruch »Das Haus mit den zwei Gesichtern« war immer der, das Haus wieder in seinen ur- sprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Durch Gerhardt Knauer erzählt: den Einsatz der alten Materialien wird eine »Es war Liebe auf den ersten Blick: Das Objekt Sanierung außerdem preiswerter. Eine histo - mach te einen jämmerlichen Eindruck, hatte aber rische Treppe muss nicht rausgerissen werden, etwas Außergewöhnliches – ein Haus mit ›zwei nur weil Stufen krumm sind.« Gesichtern‹.« Seit 2005 sind die Sanierungsarbeiten nun ab - geschlossen und Herr Knauer führt mittlerweile ein Geschäft für Inneneinrichtung im Erdge- schoss. Die weiteren Räume werden als Lager genutzt. Für interessierte Besucher nimmt er sich gern mal die Zeit und hat auch den ein oder an- deren Tipp für Sanierungsinteressierte parat: »Wenn man Sanierung betreibt, fängt das Haus an, Geschichten zu erzählen. Man sollte niemals versuchen, aus einem Foto: Rosi Radecke Foto: alten Haus etwas Neues zu machen, Im Jahr 1996 erwarb die Familie Knauer das denn durch oberflächliche, schlechte besondere Gebäude mit der doppelten Ausrich- Sanierung kann mehr Schaden entste- Abb. links: tung – sowohl zum Hoken als auch zur Markt- hen, als in 500 Jahren zusammen.« Der Hausherr wirbt straße – und sanierte es mit großem Elan, Fleiß Kunden und Ausdauer. Selbst die Kinder – eine Tochter studiert Architektur – packten tatkräftig mit an. Alten Handwerkern wurde über die Schulter geschaut und dabei viel gelernt und auf das Haus übertragen. Außer den Fenstern und den Elektroarbeiten machten Knauers alles selbst. »Es vergingen 7 Jahre und außer den Fenstern konnte von außen kein Baufortschritt erkannt werden. Bei einer zufälligen Begegnung mit un- serem Sanierungsträger vor dem Gebäude wur- de ich gefragt, wie lange man noch so einen hässlichen Anblick ertragen solle? Nach dem Be- treten des Gebäudes schlug die Stimmung aber sofort um: Unter 10 Schichten Farben und Tape- ten waren nicht nur intakte Wände zum Vor - schein gekommen, die einzelnen Räume hatten mittlerweile auch ihre alten Farbfassungen aus der Zeit des Jugendstils wieder erhalten. Kurze Zeit später wurden dann die beiden Fassaden Rosi Radecke Foto: entsprechend der verschiedenen Bauepochen gefasst. Besonders die Fassade zum Hoken er- hielt eine große Aufmerksamkeit. Während Denkmalpfleger, Sanierungsträger und Bauamt der Stadt stolz waren, mussten sich viele Qued - linburger erst an den ›neuen alten‹ Anblick ge - wöhnen.« Im Grunde wurde das Haus in vielen Bereichen lediglich auf seinen historischen Ursprung zu - rückversetzt. Die »BauBeCon« beauftragte hier- Radecke Foto: Rosi für sogar eine Farbstudie für das Gebäude, die Abb. rechts oben: wertvolle Hinweise für die Farbgebung der Außergewöhnliches Außenfassade gab. Angebot im Geschäft Abb. links unten: »Die farbliche Fassung der Fassade zum Hoken Die Treppe – Altes alt hin wurde an die Erbauungszeit, also den Ba- sein lassen rockbaustil, angepasst. Die Fassade zur Markt- Abb. rechts unten: straße erhielt ihre farbliche Fassung in Anleh- Der OB beim Fenster- nung an die Farbbefunde aus der letzten Um- Rosi Radecke Foto: gespräch 57 20-Jahre-UNESCO-Layout2-neu-Dr_Layout 1 19.11.14 14:21 Seite 6 Sanierungsbeispiele: Marktstraße 7 Marktstraße 7 tet. Ein Hausteil nach dem anderen wurde ange- »Das Quartier 7« gangen und nach und nach nicht nur instand gesetzt, sondern auch mit Nutzen gefüllt: Die Spinnstuben, im Rahmen einer Existenzförde - rung verwirklicht, waren dabei nur der Anfang. Um die Jahrtausendwende entstand das Kon - zept des »Quartier 7« als Sammelstätte für Kunst, Handwerk und Kultur. Heute befinden sich dort, neben der Filzmanufaktur, außerdem Werkstätten und Verkaufsflächen für Silber- schmuck, Modedesign und Keramik sowie eine Glasbläserei und die »Buchbar«. Dabei laden die Gewerke nicht nur zum Shoppen und Verweilen ein, sondern bieten dem Besucher mit diversen Workshop-Angeboten auch die Möglichkeit, das eigene Talent zu entdecken. Mit dem fortschrei - tenden Ausbau eines früheren Speichers ent- standen seit 2009 nach und nach weitere Räumlichkeiten für flexible Nutzungen, wie Tanz, Sport, Weiterbildung, Feiern sowie auch Theater- und Musikvorführungen. Bis etwa Foto: Rosi Radecke Foto: 2020/25 soll ein weiterer Seitenflügel ausgebaut Abb. links oben: Wie das Schicksal manchmal so spielt: Als Jan werden. Es bleibt also spannend zu beobachten, Marktstraße 7, Krüger und seine Familie sich 1996 auf die wie sich das »Quartier 7« weiterhin entwickeln Innenhof Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für eine wird. Abb. unten: Filzmanufaktur machten, ging es lediglich um Atelier und Kunst- ein Mietverhältnis. Rund 400m² schwebten Es hat sich also ausgezahlt, dass Jan Krüger auf gewerbe ihnen vor, als sie zufällig in der Marktstraße 7 sein Bauchgefühl gehört hat: Mit viel Geduld auf den alten Bürgerhof aus dem 16. Jh. stießen. und Mühen ist es ihm und seinen Mitstreitern Teile des Grundstücks waren etwa bis zur Wende gelungen, dieses Mammutprojekt zu stemmen noch als Möbelverkauf genutzt worden, bevor und aus diesem sanierungsbedürftigen Objekt es lange Zeit leer stand. Für den Eigentümer kam einen lebendigen Hof zu gestalten. Obwohl sein nur ein Verkauf infrage und somit musste die Angebot Touristen wie auch Einheimische glei - Familie eine große Entscheidung treffen. Im chermaßen anspricht, so würde er sich doch Dezember 1996 war diese dann gefallen und wünschen, noch mehr Interessenten auf seinen Jan Krüger erwarb das Grundstück mit einer idyllischen Hof locken zu können. Auch der Gesamtfläche von 2.000m². Doch was macht Stadt Quedlinburg käme dieser Umstand sehr zu man nun mit so viel Platz? Gute, ist das »Quartier 7« doch ein Ort, der die Attraktivität der Stadt zusätzlich unterstreicht. In den vergangenen 17 Jahren wurde die Hofan- lage Stück für Stück – wie bei einem Puzzle – saniert, ergänzt und liebevoll wiederhergerich - Foto: Rosi Radecke Foto: Rosi Foto: Rosi Radecke Foto: Rosi Foto: Rosi Radecke Foto: 58 20-Jahre-UNESCO-Layout2-neu-Dr_Layout 1 19.11.14 14:21 Seite 7 Sanierungsbeispiele: Neuendorf 21 Neuendorf 21 Die Familie Egging/Hensen hat den Schritt zum »Von der Ruine zum Traumhaus« eigensanierten Heim gewagt und genießt nun das Familienleben im 150m² großen Traumhaus. Am 11. Januar 1990 beschloss der »Runde Alle sind sich einig: Sie würden es jeder zeit Tisch« den Abrissstopp in der Altstadt Quedlin- wieder tun. burgs. Mitglieder des Kuratoriums »Hilfswerk Quedlinburg« und andere Bürger kümmerten sich fortan um den Fortbestand der geretteten Gebäude. Trotz allem schien das Gebäude im Neuendorf 21, das seit 1987 ohne Dachziegel auskommen musste, dem endgültigen Verfall geweiht. Der desolate Dachstuhl musste de- montiert und auf der Decke des 2.OG ein Not- dach errichtet werden. Jahrelang fand sich für das vorerst gerettete Gebäude kein Eigentümer. Im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaß- nahme musste um 1995 schließlich doch noch das 2.OG rückgebaut und erneut ein wider- standsfähiges Notdach montiert werden. Sta tische Sicherungsmaßnahmen wurden not- wen dig, um das Gebäude zu stützen. Weitere 10 Jahre sollten vergehen, bis mit Björn Egging und Annkatrin Hensen endlich passende Bauherren für das Grundstück gefun- den werden konnten. Bereits beim ersten Be- such verliebte sich das Paar in die Stadt und verlegte, u.a. auch aus beruflichen Gründen, umgehend ihren Wohnsitz nach Quedlinburg. Mit dem dritten Kind wurde es in der Mietswoh- nung jedoch schnell zu eng und so beschlossen Foto: Rosi Radecke Foto: sie, ihrem »Nestbautrieb« nachzugeben und unter die Bausanierer zu gehen. Mithilfe des »qbatur«-Planungsbüros wurden sie auch schnell fündig. Trotz eines »furchtbaren« Abb. links: ersten Eindrucks entschieden sich die Bauherren, Das Haus vor der das Haus vor einem Abriss zu bewahren und be- Sanierung gannen 2008 mit der Sanierung. Ihr Mut sollte Abb. rechts oben: belohnt werden: Von größeren Problemen, wie Nach der Sanierung Schwammbefall u.ä., blieb die Familie ver- schont. Auch das verloren geglaubte 2.OG Abb. rechts Mitte: Die Familie strahlt im konn te vollständig wiederhergestellt werden. neuen Zuhause Nachdem sie dann 2009 das Haus bezogen hat- ten, konnte die Sanierung schließlich 2010 für Abb. rechts unten: Foto: Rosi Radecke Foto: Kinderspielplatz abge schlossen erklärt werden. Eines steht je- doch fest: Ohne Fördermittel wäre es nicht möglich gewesen. 59 20-Jahre-UNESCO-Layout2-neu-Dr_Layout 1 19.11.14 14:21 Seite 8 Sanierungsbeispiele: Goldstraße 2 Goldstraße 2 »Mein Schlösschen« Thomas Deutscher, ein Vertreter der Sanierer der ersten Stunde, berichtet: »Am 9. November 1989 hat alles angefangen: Wir waren im Neuendorf denkmalpflegerische Vorreiter bei der Rettung der bereits zum Abriss freigegebenen Gebäude. Als Steinmetz hatte ich schon frühzeitig größtes Interesse für Denkmale und alte Häuser entwickelt. Quedlinburg war für mich mit seiner ruinösen Bausubstanz ein Eldo- rado, sodass ich immer wieder neue Objekte entdeckte, die ich retten wollte. Im Januar 1990 fand ich endlich unser Haus – mit Raumhöhen, die auch für einen Zweimeter- Mann ausreichend waren. Über den ›Runden Tisch‹ konnten wir das Grundstück erwerben. An der Fassade wurde ein Schild mit einer Kalligrafie platziert: ›wir bauen hier und werden hier wohnen‹ Der Zufall wollte es, dass ich beim Trampen von Radecke Foto: Rosi Blankenburg nach Quedlinburg Herrn Plate vom Sanierungsträger ›BauBeCon‹ stoppte. Während der kurzen Fahrt sprachen wir über