M. Heil School Shootings.Pdf
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3.2.3.1 Die Studie ADLERs (2000) 34 3.2.3.2 Die Studie LÜBBERTs (2002) 37 3.3.2.1 Die Studie ROBERTZ (2004) 43 3.3.2.2 Die Studie HOFFMANNs (2007) 44 3.3.2.3 Die Studie BONDÜS (2012) 45 4.1.1.1 Überblick über Identitätskonzeptionen 52 4.1.2.1 Herausbildung von Identität als zentrale Entwicklungsaufgabe 56 4.2.1.1 Der familiäre Kontext 73 4.2.1.2 Integration in Peer-Group und Schule 76 6.3.3.1 Wie sich die Botschaft vom Reich Gottes Gehör verschafft 132 6.3.3.2 Der Tod am Kreuz und die Basileia 134 6.3.3.3 Die Botschaft vom Reich Gottes: durch den Tod zum Scheitern verurteilt? 136 „Da ist viel Schlimmes, was wir teilen müssen: Einsamkeit. Leere. Sinnlosigkeit. Verzweiflung. Angst. Und auch Hass. Wir erschrecken vor uns selbst, wenn wir entdecken, was alles aufkam in der Lücke, die vor einem Jahr gerissen wurde. Und ich bin bei Ihnen, wenn ich mir vorstelle, was gerade die letzten Tage, die auf den Jahrestag zugeführt haben, in Ihnen ausgelöst haben müssen. Dieser Tag reißt Sie heraus aus der Ordnung, um die Sie seit einem Jahr so mühsam gekämpft haben, um weitermachen zu können. Alles, was verloren ging, kommt wieder: Gesichter, Stimmen, Namen. Ich will sie wieder nennen. Wir gedenken heute erneut der Opfer eines furchtbaren Verbrechens: Jacqueline Hahn, Ibrahim Halilaj, Franz Josef Just, Stefanie Tanja Kleisch, Michaela Köhler, Selina Marx, Nina Denise Mayer, Viktorija Minasenko, Nicole Elisabeth Nalepa, Denis Puljic, Chantal Schill, Jana Natascha Schober, Sabrina Schüle, Kristina Strobel, Sigurt Peter Gustav Wilk. Wir trauern um acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen der Albertville-Realschule in Winnenden. Wir trauern um drei Männer, die der Täter auf seiner Flucht tötete, ehe er sich selbst das Leben nahm. Und ich füge auch heute hinzu: Auch die Familie des Täters hat ein Kind verloren. Auch für sie ist eine Welt zusammengebrochen. Wir gedenken heute aller Opfer von Winnenden und Wendlingen. Aber heute dürfen wir auch des eigenen Schicksals gedenken. Der quälenden Fragen, wenn wir uns an dem Morgen jenes Tages nicht richtig von denen verabschiedet haben, die nie mehr wiederkamen. Und wir dürfen uns eingestehen, dass jeder Mensch ein anderes, sein eigenes Tempo hat, um zu verarbeiten, was geschehen ist. Es kann sein, dass Gemeinschaften zerbrochen sind. Es kann sein, dass Gemeinschaften wieder zueinander gefunden haben. Vielleicht gibt es Menschen, die durch das Geschehene zum Glauben gefunden haben. Vielleicht haben sich Gläubige von Gott abgewendet. Das alles dürfen wir uns heute eingestehen. Denn dieser Tag steht dafür, dass alles anders ist, als es vorher war. [Bundespräsident Horst Köhler]1 School Shootings werden in Deutschland spätestens seit den Ereig- nissen am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt 2002, bei dem ein 19-jähriger Schüler 16 Menschen und anschließend sich selbst tötete und an der Albert- ville-Realschule in Winnenden 2009, bei dem ein 17-jähriger Schüler 15 Menschen und danach sich ebenfalls selbst tötete, in der Öffentlichkeit be- wusst wahrgenommen. Viele Menschen sind mittelbar und unmittelbar von den Ereignissen betroffen. KÖHLER bringt dies mit seiner Rede anlässlich des ersten Jahrestages zum School Shooting in Winnenden zum Ausdruck: die Unsicherheit, wie mit den Erfahrungen und dem Erlebten umzugehen ist, versetzt in Unruhe. Viel wurde spekuliert: über Motive der Täter, deren 1 KÖHLER, H. (2010): Einstehen füreinander. Ansprache von Bundespräsident Horst Köhler bei der Gedenkfeier des Amoklaufes von Winnenden und Wendlingen am 11. März 2010, in: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst- Koehler/Reden/2010/03/20100311_Rede.html, Abruf am 08.08.2017 um 14.35 Uhr, siehe auch die Rede im Rahmen der Trauerfeier in Winnenden: http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst- koehler/Reden/2009/03/20090321_Rede_Anlage.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Abruf am 12.08.2017, 18:44 Uhr. Gründe und warum zielgerichtete Gewalt an Schulen stattfindet. Auch die Wissenschaft hat sich mit den Ereignissen in Erfurt und Winnenden be- schäftigt. „Egal, wie die Wissenschaft das Phänomen […] betrachtet, jeder stellt sich unter diesem Begriff ein potenziell tödliches Ereignis mit breiter Medienberichterstattung vor.“2 School Shootings als Form zielgerichteter Gewalt an Schulen haben neben der hohen Aufmerksamkeit in den Medien und der Einsetzung von Expertenkommissionen zur Präventionsforschung auch eine breite Diskus- sion unter Schülerinnen und Schülern3, Eltern, Lehrern, Politikern ausge- löst. Die mit School Shootings einhergehende Verbreitung von Angst und Schrecken war in der Zeit nach dem 11. März bei meinen Schülerinnen des St.-Agnes-Gymnasiums in Stuttgart4 deutlich spürbar, hatten manche von ihnen durch das School Shooting immerhin ihre beste Freundin verloren. Die Frage wurde laut, wie solche Taten verhindert werden könnten. „Die Gesellschaft ist gefordert, will sie weitere Taten mit furchtbaren Folgen für die Opfer, die Angehörigen, die Lehrer und Mitschüler in den betroffenen Schulen, aber auch für die Familien der Täter verhindern. Für die meisten ist das Leben nicht mehr so wie zuvor.“5 In dieser Arbeit geht es nicht um die Bewertung und Entwicklung präventiver Maßnahmen, sondern darum, angesichts des Erlebten (wieder) sprachfähig zu werden. Soziologische, entwicklungspsychologische sowie theologische, schulpastorale und religionspädagogische Reflexionen haben zum Ziel, Lehrerinnen und Lehrer dazu zu befähigen, verantwortungsvoll und fach- lich kompetent mit den Erfahrungen zielgerichteter Gewalt an Schulen um- gehen zu können. So richtet sich diese Arbeit an alle, welche mittelbar und unmittelbar durch ein School Shooting betroffen (worden) sind. In beson- derer Weise sind hier die Kolleginnen und Kollegen im Schuldienst im Blick, aber ebenso interessierte Eltern und Begleiter über den schulischen Kontext hinaus. Die Kolleginnen und Kollegen im Fach Religion sollen durch diese Arbeit Impulse für ihre Unterrichtspraxis und -realität erhalten, um sich den Fragen der Schüler, Eltern und Kollegen stellen zu können. Diese Arbeit richtet sich an alle, die gerne etwas „tun“ wollen angesichts des Leids, das unvermittelt ein Teil der Lebenswirklichkeit wird und oft ohnmächtig im Handeln und Sprechen macht. Die Arbeit will jenen helfen, 2 BANNENBERG, B. (2010): Amok. Ursachen erkennen – Warnsignale verstehen – Katastrophen verhindern, S. 11. 3 Es ist in dieser Arbeit nicht immer durchgängig die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen angewendet worden. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht. 4 Der Autor ist dort seit 2006 Lehrer für Katholische Religionslehre. Siehe hierzu auch den berufsbiografischen Entdeckungszusammenhang in Kapitel 2.1. 5 BANNENBERG, B. (2010): Amok, S. 12. die an die Erfahrung von zielgerichteter Gewalt anschlussfähige Themen- felder suchen. Sie will dabei helfen, verstehen zu lernen, warum es zu einem School Shooting kommt, indem über Verhaltensmuster und die Persönlich- keitsentwicklung von Tätern und deren Analyse Verstehenshorizonte eröff- net werden. Wer zu verstehen lernt, warum jemand zu zielgerichteter Ge- walt greift, kann mit anderen darüber sprechen. Nicht zuletzt will diese Arbeit mir selbst zu einer Vergewisserung und Überprüfung meines eigenen pädagogischen und schulpastoralen Handelns anlässlich des School Shootings in Winnenden und Wendlingen helfen und Handlungsoptionen für einen künftigen, professionellen Umgang mit ähn- lichen Erfahrungen eröffnen. Im Folgenden soll nun das Forschungsdesign methodologisch näher erläutert werden, weil es neben dem erkenntnisthe- oretischen Zugang auch zugleich die Struktur der vorliegenden Arbeit ver- deutlicht. Diese Arbeit basiert auf einem subjektorientierten, dialogischen Blickwinkel. Lernen, auch religiöses Lernen, versteht sich als ein dialogi- sches Lernen, das nicht nur in die Richtung des Lernenden verweist, son- dern auch immer ein Lernen des scheinbar Wissenden inkludiert. „Im Ide- alfall ist Lernen ein Suchprozess von Lehrenden und Lernenden, die sich zusammen um neue Erkenntnisse und Erfahrungen bemühen und eine Lerngemeinschaft bilden.“6 Es kann bei dieser Grundhaltung nicht nur da- rum gehen, Inhalte zu vermitteln, sondern es muss immer der Beziehungs- aspekt zwischen Lehrendem und Lernendem im Blick behalten werden7. Inhalte werden immer intentional gesehen, weil sie aus einem bestimmen Erfahrungshorizont des Lehrenden und in ein bestimmtes Aneignungspo- tenzial des Lernenden hinein gedeutet und vermittelt werden. Vermittlungs- hermeneutik, Aneignungshermeneutik und Beziehungshermeneutik gehö- ren in einer dialogischen subjektorientierten Religionsdidaktik deshalb aufs Engste zusammen8. BOSCHKI macht sich für diesen Ansatz in der Religi- onspädagogik stark und verdeutlicht dies anhand des Theologisierens mit Kindern: „Steht das Subjekt und seine Gottesbeziehung im Mittelpunkt, 6 BOSCHKI, R. (2007): Junge Wissenschaftstheorie der Religionspädagogik. Tübinger Perspektiven zur Pastoraltheologie und Religionspädagogik, S. 28. 7 Vgl.: BECKER, U. (1995): Aneignung und Vermittlung. Beiträge zur Theologie und Praxis einer religionspädagogischen Religionsdidaktik. 8 Vgl.: SCHKI, R. (2003): Beziehung als Leitbegriff der Religionspädagogik. Grundlegung einer dialogisch- kreativen Religionsdidaktik. ‚vermittelt‘ Religionspädagogik nicht nur die Wahrheiten der Glaubenstra- dition und die Erkenntnisse der Theologie an die Lernenden, sondern um- gekehrt auch die theologischen Eigenleistungen der Subjekte hinein in die Theologie und Kirche“9.