Sdg 05 Kap05 06-Kopie
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Band_5_5.-6.Kapitel A Version neu 12 (486-8) 24.06.2008 14:42 Uhr Seite 373 5. KAPITEL · DIE VRATYAS - UND ANDERE INDO-EUROPÄISCHE HUNDE- UND WOLFSKRIEGER 373 5. Die indischen Vratyas - und andere indo- europäische Hunde- und Wolfskrieger Rudra und Indra, Maruts und gesichtern dargestellt (D.G. White, 94). Der Vratyas - die Hunde-Krieger der Asura-Stamm in Chota-Nagpur in Zentral- indo-arischen Hirtenstämme Indien wird von Chattopadhyaya (56) zu den Nachfahren der Asuras der altindischen Literatur gerechnet: Asuras sind im Grunde In Nepal, aber auch in einigen Ge- die von den Indo-Ariern unterjochten Stäm- bieten in der südlichen Hälfte Indiens, be- me der Urbevölkerung Indiens, dann deren sonders in der Deccan-Region, wird der Gottheiten, die nach ihrer Niederlage dä- Hund verehrt, weil er Begleittier von Hindu- monisiert wurden. Auch der übers Land Gottheiten ist. Indra ist zwar der König der streifende Wind wird als göttlich-dämo- Hindu-Gottheiten, aber er ist zusammen mit nische Gruppe von Figuren vorgestellt, die dem Soma- bzw. Haoma-Ritual auch ein identifiziert wird mit der Meute Indras - in zentralasiatisches, schamanisches Substrat den vedischen Texten werden sie Vratyas, (> 154-5) und schon deshalb eng verbunden manchmal auch einfach Hunde genannt: In mit dem Hund, aber auch mit Hundefleisch- dieser mythischen Vorstellung ist die frühes- Essern. Im Rig-Veda empfängt Indra z.B. ein te Schicht der indischen Tradition des Hun- Opfer von hundert schwarzen Hunden. Eine demenschen aufbewahrt. Man glaubt, auch Erscheinungsform Indras ist der Çunahsakha in den Vratyas (~ Bruderschaft, Verband, (~ der Freund der Hunde): In dieser Form Gruppe; hier: kultischer, kriegerischer Män- wird Indra vorgestellt als kerngesund und nerbund des vorvedischen Indien) die vor- fettleibig (ein Urbild des späteren Budd- arische Bevölkerung Indiens erkennen zu ha?), und der Grund für diesen ausgezeich- können, die sich auf der Deccan-Halbinsel neten Zustand ist in der Tatsache zu suchen, und in den Randgebieten Indiens halten dass dieser Çunahsakha nicht-vedische Ri- konnte. Da diese Zuordnung aber von nicht- tuale praktiziert: Er erscheint als ein nicht- indo-arischen Indern als Diskriminierung brahmanischer Opferpriester im vedischen empfunden wurde, bemühte man sich um Wald, wie wir es bereits in der Çunaçepa- den Nachweis, dass die Vratyas noch in der Sage sahen (> 249-53). Indra-Çunahsakha ist Stammesorganisation mit totemistischen das intensivste Indiz für Indiens indische Clans lebten: vraata sei die Gruppe im Sinn Hundemenschen. Indra ist auch der Herr, je von Clan und vra(a)tyas seien die Mitglieder nach Quelltext manchmal auch der Sohn, dieser Gruppe - sie seien also „rückstän- der göttlichen Hündin Sarama, der Mutter dige“ Indo-Arier (Chattopadhyaya, 168) - der beiden Hunde Yamas. In den pura- und mithin eine extrem frühe Komponente nischen Mythen tritt Indra als Hund verklei- der vedischen, also doch indo-arischen Op- det auf, genauer: mit einem Hundegesicht. ferriten, die mit zunehmender Zentralisie- Auch andere mythische Figuren, die Asuras rung der Regierungsgewalt und gleichzeitig vor allem, die im indo-iranischen Bereich zunehmender Dominanz der brahma- stärker verbreitet sind, werden mit Hunde- nischen Opferpriester an Bedeutung verlor Band_5_5.-6.Kapitel A Version neu 12 (486-8) 24.06.2008 14:42 Uhr Seite 374 374 5. KAPITEL · DIE VRATYAS - UND ANDERE INDO-EUROPÄISCHE HUNDE- UND WOLFSKRIEGER - es ging um eine Entsolidarisierung der Das Fest der vedischen Vratyas ist besonders Clangesellschaft, damit die akephal organi- in seiner zwölftägigen Dauer eine Parallel- sierten Stämme beherrschbar wurden: Das erscheinung zu den römischen Lupercalien (> Reizvolle an dieser widersprüchlichen Her- VI) und zu den zwölf Winternächten des leitung der Vratyas ist die mögliche Er- Odin-Wodan, der mit seinem Totenheer kenntnis, dass sie eben nicht eine rein indo- schwarz (!) gekleideter Krieger zu Pferd durch europäische Erfindung darstellen, obwohl den tiefen germanischen Winterwald galop- sie (auch) in allen indo-europäischen Tradi- piert. Zwischen ihm und dem indischen Gott tionen nachweisbar sind. In der vedischen Rudra gibt es vielfältige Gemeinsamkeiten bis Epoche Indiens fand ein grundlegender kul- hin zur Kopfbedeckung: Als Anführer des tureller Wechsel statt: Die funktionale Tren- Totenheeres trägt Odin einen Schlapphut, nung der priesterlichen und kriegerischen Rudra einen Turban - diese Kopfbedeckung Funktionen in zwei getrennte Kasten. Mit zeigt den Anderen Zustand ihres Trägers an Zunahme des priesterlichen Einflusses wur- und verweist so wieder auf schamanische den blutige Opfer immer mehr verpönt. Die Modelle. Rudra und Odin bzw. Wodan stehen Vratyas waren zwar auch (noch) Priester in nicht nur auf indo-europäischer Ebene in Ver- der Zeit dieses kulturellen Umbruchs, be- bindung: Eine Parallelerscheinung zu Rudra hielten aber die Opfergabe für sich selbst, ist der saamisch-lappische Gott Ruto, der anstatt sie ordnungsgemäß einem Brahma- einen north-eurasian background (Ränk) hat nen zu übergeben. Während die frühve- und von vielen Jägervölkern Sibiriens verehrt dische Literatur (z.B. im 10. Buch des Rig- wird: Über die Rudra (~ Sirius; > 116: Bild- Veda) die Vratyas noch uneingeschränkt po- kommentar) und Ruto gemeinsame rote sitiv darstellt, verachten die späteren Erben Farbe sind beide verbunden auch mit paläoli- sowohl die frühvedische Literatur wie auch thischen Bestattungsritualen, bei denen die Vratyas, denn die Vratyas feierten ihren Ocker die zentrale Farbe war. Rudra (~ der geheimen Ritus in den Wäldern und nicht in Heuler, das schreiende Baby) war der Wilde der Nähe der Siedlungen. Ihre blutigen Op- Jäger im Forst des Atharva-Veda, der wie fer waren Rinder und sogar Menschen, wie Indra Chef der Maruts war, mit denen die ihre immer stärker werdenden brahma- Vratyas identifiziert werden können. nischen Gegner - ganz analog zu Zarathus- tra im Iran - behaupteten. Die Opferfeiern der Vratyas fanden statt im Winter, in der in- Die Maruts dischen Jahreszeit Sisira, also in der dunkels- ten Zeit des Jahres. Die Feiern dauerten sind eine als Junghirtenbund religiös zwölf oder 61 Tage und sollten der Natur überhöhte mobile Räuberbande, die als tan- wieder neue Kraft verleihen, der Hunger zende und singende, auf Instrumenten musi- und die Erschöpfung der Menschen sollten zierende junge Männer vor- und dargestellt vertrieben werden. Vratyas werden angeb- werden. Man bezeichnet sie als Begleiter des lich nur als weiße Hunde vorgestellt (D.G. kriegerischen Götterkönigs Indra - mit ihm White, 96), wie Falk aber nachweist, waren eint sie, dass sie als anonyme Horde und Indra sie und ihr Anführer fast immer schwarz ge- als Individuum die Einzigen sind, die im Rig- kleidet (> 386-7). Da in dem ebenfalls früh- Veda als Reiter auf Pferden bezeichnet wer- vedischen Relikt der „singenden Hunde“ im den; von Indra wird sogar gesagt, er habe sich 2.800 Jahre alten Chandogya Upanishad (> in einem Pferdeschwanz verkörpert (in: Rig- 463-82) ein weißer Hund die Gruppe an- Veda I, 32.12) - da Indra aus einem zentral- führt, wäre zu erwägen, ob nicht die Farbe asiatischen schamanischen Substrat stammt vom Anlass abhängt oder ob die verschiede- (man denke an das hobby horse des Schama- nen Quellen asynchron mit dem Wechsel in nen), wie Thompson belegt, darf man an- der Farbmetaphorik korreliert waren. nehmen, dass er vor der Domestikation des Band_5_5.-6.Kapitel A Version neu 12 (486-8) 24.06.2008 14:42 Uhr Seite 375 RUDRA, INDRA, MARUTS UND VRATYAS 375 Pferdes sich auch in einem Hundeschwanz Opferung verbindet, wie sie in Griechen- (oder in einem ganzen Hund) verkörpert hat: land der Göttin Hekate an Kreuzwegen dar- In beiden „Schwänzen“ ist offensichtlich das gebracht wurde (> III). Und auch am in- Wesentliche des Gottes repräsentiert - ob dischen Allerseelenfest, vergleichbar den bzw. wie die Çunaçepa-(~ Hundeschwanz)- Anthesterien Griechenlands (> 91-2), wird Sage in diesen Kontext gehört, ist eine span- nende Frage (249-54): Indra lenkt jedenfalls dem Rudra Tryambaka (~ Kuchenopfer!) als Pseudo-Brahmane im vedischen Wald Ro- an Kreuzungen geopfert ..., dem bevor- hita zu Çunaçepas Vater und ermöglicht so zugten Ort der Gespenster und der See- erst Rohitas Lösung aus Varunas Fessel und len der Abgeschiedenen (Kershaw, 108). Çunaçepas Aufstieg. Der Anführer der Maruts wird Hund genannt und gilt als Repräsentant Damit ist ein weiteres verbindendes Detail in des Gottes Indra - mithin ist meine These kei- der Opferung erkannt, das die Maruts und neswegs abwegig, der Gott dieser Junghir- Rudra mit der hündischen Hekate verbindet: tenbanden sei ein Hund(eschwanz) gewesen, Kreuz- und Dreiwege waren wohl lokalisiert bevor er als Indra reduktiv zum Pferde- an den Grenzen von Raum und Zeit, an de- schwanz mutierte. Mehr noch: Der nen wie Hekate auch Hermes, ein weiterer hündisch, aber auch wölfisch konnotierter chariot of the Maruts is pictured as one indo-europäischer Gott, geortet wird (der drawn by dogs (Hopkins, 155). diebische und meineidige Hehler Autolykos (gr. lykos ~ Wolf) gilt als ein Sohn des Hermes, Die Pferde konnten also die Hunde selbst so jedenfalls in der Odyssee (19, 395). Zu den aus pferdigster Funktion nicht verdrängen. Maruts gehören - wie zu ihren Kollegen im Die Autoren des Rig-Veda vereinseitigten Iran - auch Scharen weiblicher Dämonen, ein die ambivalenten Maruts zu lustigen Wet- weibliches Geisterheer, das Kershaw (111) tergeistern, aber die Maruts gelten auch als mit der Wilden Jagd der weiblichen Geister Gefolgsleute des düsteren