I. Schmidt: Der Herr Des Feuers
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Ina Schmidt. Der Herr des Feuers: Friedrich Hielscher und sein Kreis zwischen Heidentum, neuem Nationalismus und Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Köln: SH-Verlag, 2004. 335 S. ISBN 978-3-89498-135-8. Reviewed by Berthold Petzinna Published on H-Soz-u-Kult (July, 2004) Über herausragende Gestalten der rechtsin‐ auf dem schon ungebräuchlichen Frakturdruck – tellektuellen Szene der Weimarer Republik sind noch verstärkte. Hielscher, Friedrich, Fünfzig Jah‐ bereits verschiedene Arbeiten entstanden. Ihre re unter Deutschen, Hamburg 1954. Vollends in Biografen haben Oswald Spengler, Ernst Niekisch, mythischen Qualm gerückt wurde Hielschers Pro‐ Ernst v. Salomon, Friedrich Wilhelm Heinz und fil durch die phantasiereiche Schrift zweier fran‐ natürlich auch Ernst Jünger gefunden. Siehe zu zösischer Autoren, die ihm die Rolle des großen diesen u.a. Felken, Detlef, Oswald Spengler. Kon‐ Dirigenten in den Kulissen der SS andichteten. servativer Denker zwischen Kaiserreich und Dik‐ Vgl. Pauwels, Louis; Bergier, Jacques, Aufbruch tatur, München 1988; Rätsch-Langejürgen, Birgit, ins Dritte Jahrtausend, Bern 1962. Das deutlich re‐ Das Prinzip Widerstand. Leben und Wirken von servierte Urteil, das Michael H. Kater in seiner Ernst Niekisch, Bonn 1997; Klein, Markus Josef, großen Studie zum „Ahnenerbe“ der SS über Hiel‐ Ernst von Salomon. Eine politische Biographie, schers Wirken während des „Dritten Reiches“ fäll‐ Limburg an der Lahn 1994; Meinl, Susanne, Natio‐ te, tat wohl das ihrige dazu, dass das Thema nalsozialisten gegen Hitler. Die nationalrevolutio‐ „Friedrich Hielscher“ zunächst in den Hinter‐ näre Opposition um Friedrich Wilhelm Heinz, grund trat. Kater, Michael H., Das „Ahnenerbe“ Berlin 2000; Noack, Paul, Ernst Jünger. Eine Bio‐ der SS 1935 – 1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik graphie, Berlin 1998. Dass Friedrich Hielscher erst des Dritten Reiches, München 2001. jetzt eine Lebensbeschreibung gewidmet wurde, Mit dem Buch von Ina Schmidt, hervorgegan‐ ist eigentlich erstaunlich. gen aus einer Dissertation bei Stefan Breuer, ist Dazu mag beigetragen haben, dass Hielscher nun diese Lücke gefüllt. Die Verfasserin stützt sich als besonders bizarre Persönlichkeit erschien; ein in erster Linie auf die Nachlässe Hielschers und Eindruck, den er durch seine Selbstinszenierung der Angehörigen der von ihm gebildeten „Kreise“. bereits bei Zeitgenossen erweckte und durch sei‐ Hinzu tritt als zweiter großer Quellenbestand das ne recht frei gehaltene Autobiografie – er bestand umfangreiche publizierte Schrifttum Hielschers, H-Net Reviews seiner Gefolgsleute und nahe stehender oder kon‐ Interna der rechtsintellektuellen Publizistik und kurrierender Autoren. Insbesondere die akribi‐ Gruppenbildung wird durch Schmidt um manche sche Auswertung von Hielschers verstreuten Pu‐ Facette ergänzt. Der Charismatiker Hielscher ent‐ blikationen, die oft in heute nur schwer zugängli‐ faltete mit seinem religiös fundierten Ideenkon‐ chen Periodika der 1920er und 1930er-Jahre aus‐ glomerat aus Heidentum, Nationalbolschewismus gegraben werden mussten, erweisen sich als und eigenwillig verdrehter, eschatologisch aufge‐ wertvoll für den Nachvollzug seiner Entwicklung ladener Reichsmythologie offenbar recht bald be‐ und die Nuancierung seiner politischen und welt‐ trächtlichen Einfluss im entsprechend disponier‐ anschaulichen Positionen. ten Milieu von Autoren wie Ernst v. Salomon, Im methodischen Zugriff setzt sich die Auto‐ Friedrich Wilhelm Heinz, Franz Schauwecker und rin von dem durch Armin Mohler in die wissen‐ Ernst Jünger. schaftliche Debatte eingeführten Begriff der „Kon‐ Die Autorin weist nach, dass die Jüngers wei‐ servativen Revolution“ und Mohlers Binnendiffe‐ tere schriftstellerische Entwicklung fort von der renzierungen hierzu ab. Gerade die Ablehnung ei‐ Thematik des Ersten Weltkriegs und der politi‐ ner Schematisierung, um so die Fortentwicklung schen Publizistik prägenden Jahre um 1930 deut‐ der Positionen einzelner Autoren oder Gruppen lich den Einfluss von Gedankengängen Hielschers zwanglos verfolgen zu können, leuchtet im Ver‐ zeigen, der auch später in Jüngers Tagebüchern lauf der Darstellung zunehmend ein, ist doch im präsent blieb. Vgl. z.B. Jünger, Ernst, Siebzig ver‐ Kreis um Friedrich Hielscher eine deutliche Ak‐ weht V, Stuttgart 1997, S. 11, 143; auch Jünger, zentverschiebung in der Ideologie und eine gra‐ Ernst, Sämtliche Werke. Werkausgabe in 22 Bän‐ vierende Umorientierung in den politischen Ziel‐ den, komplett. Band 17: Eumeswil. Erzählende vorstellungen und Wertungen zu beobachten. Schriften III, Stuttgart 1980, S. 317. Mitlaufend richtet Schmidt ein Augenmerk immer Diese erste Phase der politischen und literari‐ wieder auf die Organisation der Geschlechterver‐ schen Wirksamkeit Hielschers, gipfelnd in dem hältnisse in Hielschers Bannkreis, ein Gesichts‐ Erscheinen seines bekenntnishaften Programm‐ punkt, der durch die unübliche Einbindung bise‐ werks „Das Reich“ 1931, war öffentlich wahr‐ xueller Praktiken in das Gruppenleben von beson‐ nehmbar und fand auch außerhalb der engen derem Belang ist. rechtsintellektuellen Szene Resonanz. Zu Hiel‐ Die Verfasserin erliegt nicht der nahe liegen‐ schers Bekanntenkreis gehörten u.a. Martin Bu‐ den Versuchung, ihre Darstellung zu stark auf den ber sowie die kommunistischen Nachwuchsintel‐ Protagonisten zu fokussieren, so dass über eine lektuellen Karl August Wittfogel und Alfred Kan‐ bloße Einzelbiografie Hielschers hinaus ein Grup‐ torowicz. Die Analyse bietet hier einen panorama‐ penportrait entsteht. Biografische Skizzen der tischen Überblick über die turbulente Szene der zentralen Kreismitglieder und Bezugspersonen, republikfeindlichen Berliner Intellektuellen der oft zu ausführlicheren Kurzbiografien ausgebaut, letzten Weimarer Jahre und bestimmt Hielschers erweitern den engeren Gegenstand der Analyse Position in diesem Feld. Ein Namenregister, mit zu einer Milieustudie. dessen Hilfe sich dieses Netzwerk personenorien‐ Hielscher, Jahrgang 1902, entstammte einer tiert erschließen ließe, fehlt leider. national orientierten Kaufmannsfamilie und Mit dem Jahr 1933 änderte sich dieses Bild. wuchs in Schlesien auf. Den Kontakt zur rechtsin‐ Hielscher ließ seine Zeitschrift „Das Reich“, die tellektuellen Szene vermittelte August Winnig, ihm neben seinen Vortragsreisen zu studenti‐ der als Rechtsabweichler von der SPD den Kapp- schem und bündischem Publikum auch als weite‐ Putsch unterstützte. Der Kenntnisstand über die res Instrument der Werbung von Gefolgsleuten 2 H-Net Reviews gedient hatte, einschlafen und verlegte sich auf Detailliert schildert Schmidt die Strategie der die klandestine Arbeit. Gruppe, ihre Aktivitäten und Verbindungen, die Hiermit nähert sich die Autorin dem umstrit‐ auch ins Ausland reichten, wie z.B. in der Koope‐ tensten Teil von Hielschers Wirksamkeit: seiner ration mit bretonischen Separatisten, mit Fritz Rolle im Rahmen des Widerstandes gegen den Na‐ Dietlof Graf v. d. Schulenburg und Adolf Reich‐ tionalsozialismus. Es kann mit dieser Untersu‐ wein. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, wie verbin‐ chung als erwiesen gelten, dass eine planvolle dend in der jüngeren Generation des bürgerli‐ und aktive Widerstandstätigkeit Hielschers und chen bzw. adligen Widerstandes der gemeinsame seines zweiten, vornehmlich aus den Reihen der Hintergrund einer wie auch immer vagen bündi‐ bündisch orientierten Studentenschaft rekrutier‐ schen Vorstellungswelt war. ten Kreises existiert hat. Hielschers religiöses Als aufgeklärt kann nunmehr auch die um‐ Sinnangebot – dessen Charakterisierung durch strittene Rolle des Wolfram Sievers gelten. Sievers Schmidt als „pantheistisch“ er widersprochen ha‐ hatte als Geschäftsführer des „Ahnenerbes“ durch ben würde – , seine dem bündischen Modell fol‐ den Auftrag Himmlers in der zweiten Kriegshälfte gende politische Vision, ein korrespondierender auch die medizinischen Menschenversuche an prophetischer Gestus sowie der elitäre Zuschnitt KZ-Häftlingen in seinem Verantwortungsbereich. seines Kreises entsprachen genau dem Suchver‐ Auf Initiative Hielschers hin blieb Sievers trotz halten seiner Zielgruppe und begründeten ein ho‐ dieser unvorhergesehenen Entwicklung weiter in hes Maß an Zusammenhalt. Anfänglich pro-natio‐ seinem Amt im Sinne der Gruppe tätig. Doch trug nalsozialistisches Engagement zahlreicher Mit‐ ihm das Verharren im Amt im so genanten „Ärzte‐ glieder dieses Kreises im Sinne einer „linken“ Les‐ prozess“ in Nürnberg das Todesurteil ein, das art des Nationalsozialismus und auch Hielschers auch vollstreckt wurde. Hielschers Taktik, Kreis‐ Affinität zu einzelnen NS-Zielen – sein füchtiger mitglieder für den Tag eines möglichen Umstur‐ Bekannter Ernst Bloch nannte ihn zeitgenössisch zes in Einflusspositionen des Systems vorzuschie‐ einen „Halb- und Edelnazi“ Vgl. Bloch, Ernst, Erb‐ ben, führte auch den Historiker Otto Ernst Schüd‐ schaft dieser Zeit, Frankfurt am Main 1981, S. 147. dekopf ins Reichssicherheitshauptamt. Sein Fall Bloch nahm auch nach 1945 noch Interesse an ging glimpflicher aus. Hielschers Ergehen, was bei dem Autor des „Prin‐ Licht fällt durch die Arbeit Schmidts auch auf zips Hoffnung“ nicht verwundert. – fallen nicht die Interna des Potsdamer Infanterieregiments 9, aus dem Rahmen bürgerlicher Widerstandskar‐ bekanntlich eine Hochburg des militärischen Wi‐ rieren. Der Hielscher-Kreis war kraft seiner religi‐ derstandes, und auf das Attentat vom 20. Juli ösen Bindung imstande, jene „Gegenutopie“ zu 1944. Durch Oberleutnant Paul Widany war der bieten, die – einer Bemerkung Hans Mommsens Hielscher-Kreis direkt in die Umsturzbestrebun‐