Berner Zeitung
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Mittwoch 24 Showtime 29. Januar 2014 NeueCDs Vom Blues zur alpinen Glückseligkeit BLUES-ROCK Ganz oben in MUSIK AUS BERN 2014 ist das Jahr der vielfältigen Berner Musik: Während sich Fans von Kutti MC, Trummer und Ritschi noch ein wenig gedulden müssen, stehen Down Under Trauffer, Stefania Kaye, Bruno Dietrich und Juraya schon jetzt in den Startlöchern – vier Musiker, die ihre musikalische Nische gefunden haben. John Butler Trio: Flesh&Blood. Drei Nummer-1-Alben in der australischen Heimat zeigen den Status auf, den das John Butler TrioDownUndergeniesst.Längst spitzt auch der Rest der Welt die Ohren – ein Prozess, der sich mit dersechstenCDfortsetzendürfte: In nur zwanzig Tagen wurde «Flesh&Blood» eingespielt, der bluesige Sound ist trocken, roh, ungekünstelt. Da wird nichts durch zu ausgeklügelte Pro- duktion zugekleistert. Zum Auf- takt löst das leichtfüssige «Spring to Come» Frühlingsgefühle aus, später trumpft das Trio im knackigen «Livin’ in the City» mit Sprechgesang, Orgel und Gitarrensoli sowie in «Devil Woman» mit psychedelischem Bluesrock auf. Mal klingt Jack Johnson an, mal G. Love, mal die Chili Peppers. Der Albumtitel passt: Hier ist kein Retortenpro- jekt am Werk, sondern eine Band aus Fleisch und Blut. (Warner) ALTERNATIVE ROCK Erst Weybridge, dann die Welt Bilder zvg BRUNO DIETRICH JURAYA STEFANIA KAYE TRAUFFER You Me at Six: Cavalier Youth. Es gibt sicher coolere Herkunfts- ortefürRockbandsalsWeybridge, ein Kaff in Londons Pendlerbe- zirk. Was You Me at Six nicht da- vonabhielt,vondortausdieRock- welt auf den Kopf stellen zu Gepflegtes vom Bluesmann: «Music Rockiges von den Erdverbundenen: Melancholisches von der Globetrotte- Lüpfiges vom «Alpentainer»: Ein wollen. 500000 verkaufte Alben makes my Day», singt Bruno Dietrich im Mit «The Search is over» (K-Tel) präsentiert rin: Ihre Stimme ist sanft, verströmt Me- schmissiges Akkordeon, eine wummern- und ein Gig im proppenvollen gleichnamigen Song seines neuen Al- die Rockband Juraya ihr zweites Studio- lancholie und Fernweh. Stefania Kaye de Gitarre, ein peitschendes Schlagzeug Wembley beweisen: England ist bums «The Key» (kreaton.ch). Und man album – und überrascht mit schwitzigen widmet sich auf ihrem zweiten Album und Zeilen wie «Mir bringe d’Füdle zum dem Quintett bereits erlegen – glaubt ihm gerne. Denn der Sänger und Rocknummern, engagierten Gitarrensoli, «Pioneer» (Sound Service) den Optimisten Tanze» machen zu Beginn des neuen Al- mit CD Nummer vier soll der Rest Multiinstrumentalist – er spielte die eingängigen Melodien und emotionsge- dieser Welt, den Pionieren und Abenteu- bums von Marc A. Trauffer klar: Das ist keine der Welt folgen. Zurückhaltung Schlagzeug-, Piano- und einige Gitarren- ladenen Balladen. Damit brauchen sie sich rern. Dabei kann sie selbst aus dem Näh- Musik zum Grübeln oder Rumsitzen. Auf ist nicht das Ding von You Me parts selbst ein – singt mit Herzblut und vor den «grossen Brüdern» Gotthard, kästchen plaudern: Sie tingelte als Stras- «Alpentainer» (Universal) ist Schunkeln an- at Six: «Cavalier Youth» strotzt Hingabe. Musikalisch im Bluesrock veran- Shakra und Krokus nicht mehr zu verste- senmusikerin durch Frankreich, wanderte gesagt. Oft funktioniert das bestens («Ho- vor muskelbepackten Songs mit kert, überzeugt Dietrich, Sohn von Marc cken. Frontmann Peter Urfer überzeugt nach Spanien aus und weiss, wie es ist, von selupf»), hie und da wirkt die alpine Glück- wuchtigen Gitarrenwänden und «Cuco» Dietrich, mit Songs wie «Better mit warmer, kerniger Stimme (im Bild der der Hand in den Mund zu leben. Die elf seligkeit aber zu bemüht («Müeh mit de überlebensgrossen Refrains. Das Start Today» oder «Wherever The Wind». 2. von rechts) und Bühnenpräsenz. Das Lieder zwischen Folk, Rockabilly und Pop Chüeh», «Dä Momänt») und verliert sich ist Mainstreamrockmusik für die Keine musikalische Revolution, aber ein ist erdverbundene Rockmusik mit viel überzeugen mit luftigen Arrangements rockig plätschernd in der Belanglosigkeit. ganz grossen Arenen. Der Cool- gepflegtes Statement eines Musikbeseel- Herzblut. Live: 31.1., Mühle Hunziken, und charmanter Unaufgeregtheit. Live: Das schleckt keine Geiss weg. Live: 5.4., nessfaktor mag nicht sehr hoch ten. Live: 27.2., Les Amis, Bern. Rubigen. 28.2., Kulturhof Schloss Köniz. Snowpenair, Grindelwald. Maria Künzli sein – dafür sind die Ambitionen riesig. Übrigens: Erfolg und Weybridge, das passt durchaus, gehörten doch Tom Jones, John Lennon oder Fussballgoalie Petr Čech zu den Einwohnern der Kleinstadt. (BMG/TBA) Nach der Disco die Seligkeit Gehört INDIE-ROCK INDIE-POP Unwiderstehlich: Solos. Von wegen leerer Kopf, ho- Die Liebe und die Zeit danach Postkarte aus Danger Mouse und The-Shins- her Alkoholpegel, müde Beine: Frontmann James Mercer Spätestens hier wird der abge- Sie war verrückt vor Liebe. Und tötend. Doch der Erfolg war ihr Luzern frönen auf dem Zweitling ihres kämpfteste Tanzflächentiger schrieb lebhafte, tanzbare Songs gewiss: Eliza Doolittles erstes Projekts Broken Bells der wieder munter. Das dynamische, wie «Walk on Water». Doch dann Album wurde mit Platin ausge- retrofuturistischen Popmusik. verspielte «Holding on for Life» kam das böse Erwachen. Und die zeichnet. bietet in knapp vier Minuten als Songtitel verwendete Er- Mit dem Zweitling kommt der «After the Disco» nennt Produ- mehr Songideen, als andere Mu- kenntnis: «No Man Can». «Kein Druck, sich beweisen zu müssen. zent Danger Mouse das Album, Bärenstark: Danger Mouse alias siker in ihrer ganzen Karriere zu- Mann kann dir alles geben, was Und das gelingt Eliza Doolittle 7 Dollar Taxi: Anything Any- das er zusammen mit James Brian Burton und James Mercer. zvg stande kriegen. du als Mensch brauchst», sagt nur bedingt. Für jeden stim- thing. 7 Dollars für zehn Jahre: Merceraufgenommenhat.Klingt Nach gerade mal drei Liedern ElizaDoolittle,nachdemsiewäh- mungsvollen Popsong – das sou- Im Sommer feiert das Luzerner nach leerem Kopf, hohem Alko- ist klar: Broken Bells, deren Pro- rend der Arbeit an ihrem zweiten lige «Back Packing», das gut ge- Indie-Rock-Quartett 7 Dollar Ta- holpegel, müden Beinen. Und gleich mit einem Background- jekt zufällig an einem Festival in Album «In Your Hands» sämt- launte, nostalgisch-verklärte xi eine Dekade auf den hiesigen tatsächlich: Der allseits begehrte chor noch einen draufzusetzen, Dänemark entstanden ist, sorgen liche Gefühlsextreme durchlebt «Big When I Was Little» inklu- Bühnen. Und kredenzt den Fans Produzent – Gorillaz, The Black wird klar: Danger Mouse alias für eines der ersten grossen hat. Aber es gehe nicht nur um sive Erinnerungen an die Spice von erfrischender, quirliger Pop- Keys, Norah Jones – und der Brian Burton und James Mercer Highlights des Musikjahrgangs Männer: «Du musst etwas fin- Girls, Smirnoff Ice, «Malcolm musik schon jetzt die dritte CD Sänger der US-amerikanischen haben es wieder geschafft. War 2014. Und egal ob sie sich in psy- den, das dich erfüllt. Für mich in the Middle» – gibts ein leicht- «Anything Anything». Diese krie- Indie-Pop-Lieblinge The Shins schon das 2010 veröffentlichte chedelisch-folkige Gefilde bege- ist das die Musik.» gewichtiges Liedchen à la gen all jene gratis, die der Band beginnen ihr zweites Broken- Debüt der ungleichen zwei ein ben, kunstvollem Indie-Rock frö- Und diese wurde der heute 25- «Hush». Und besser als die be- analog zum herrlich dynami- Bells-Album mit sanften, kopf- Versprechen voll gewitzter Pop- nen oder Songs mit schmissigen Jährigen gemeinsam mit dem schwingte R ’n’B-Nummer schen Song «Postcard from Santa schmerzkompatiblen elektroni- musik, ist «Perfect World», das Bläsersamples aufpeppen: Die Bühnengen quasi in die Wiege «Waste of Time» steht ihr die Barbara» eine gute, echte alte schen Klängen. Doch dann setzt Auftaktstück zum Zweitling, Pace lässt in der Folge kaum gelegt: der Vater Theaterregis- über reduzierte elektronische Postkarte von der kalifornischen ein quicklebendiger Beat ein, ge- sechseinhalb Minuten pure Pop- nach. Danger Mouse und sein seur, die Mutter Musicaldarstel- Beats verbreitete Melancholie Riviera schicken. Die gewitzten, folgt von einem schmucken Syn- seligkeit. Partner präsentieren sich auf lerin, das Töchterchen schon als von «In Your Hands». Schlecht von Tizian von Arx’ zwischen thesizerriff und Mercers lako- Im gleichen Stil geht es im Ti- dem mit Abwechslungs- und 8-Jährige mit der Royal Shake- für Doolittle, stammt doch damit Lakonie und milder Hysterie nisch-unaufgeregtem Gesang. telstück mit hallendem Gesang Ideenreichtum reich gesegneten speare Company im Einsatz. der stimmungsvollste Song aus pendelndem Gesang geprägten Bald zucken die Füsse, nickt der über relaxten Beats und einem «After the Disco» schlichtweg bä- 2010 veröffentlichte die Londo- der Zeit nach der grossen Lie- Lieder à la «Daily Routine» wie- Kopf automatisch mit, zieht der Euphorieschub im Refrain wei- renstark. Michael Gurtner nerin ihre knackig-aufgestellte beseuphorie... Michael Gurtner derum bilden eine prächtige mu- Refrain richtig rein. Und spätes- ter: moderne Popmusik inklusive Debütsingle «Skinny Genes», sikalische Postkarte aus Luzern. tens wenn sie die Zügel scheinbar per Zeitmaschine direkt aus den Broken Bells: «After the inklusive Pfeifeinlage – ebenso Eliza Doolittle: «In Your (Irascible) Michael Gurtner kurz schleifen lassen, um so- 1980ern importierten Keyboard- Disco», Sony. eingängig wie mit der Zeit nerv- Hands», Parlophone/Warner..