Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie am Fachbereich III der Universität Trier

Ina Scherder

Kommunale Armenfürsorge in Galway. Eine Studie zum Zusammenhang der Entwicklung von Armenadministration und lokaler Verwaltung in Irland, 1838-1921

1. Berichterstatter: Prof. Dr. Andreas Gestrich 2. Berichterstatter: Prof. Dr. Lutz Raphael

Trier 2007 Tag der muendlichen Pruefung: 3. September 2007

Vorwort

Waehrend meiner Promotionsphase wurde ich von zahlreichen Freunden und Kollegen unterstuetzt, denen ich herzlich danke sagen moechte. Sie haben mich fachlich und persoenlich begleitet und mir mit zahlreichen inhaltlichen Hinweisen, Kommentaren und kritischen Anmerkungen geholfen. An erster Stelle ist hier Professor Dr. Andreas Gestrich zu nennen, der jederzeit „ein offenes Ohr“ fuer Fragen oder Schwierigkeiten hatte und der mich mit Hinweisen und Anmerkungen unterstuetzt und begleitet hat und mir dabei alle Freiheit fuer meine Forschungen gewaehrte. Herrn Professor Dr. Lutz Raphael danke ich fuer seine Bereitschaft, freundlicherweise die Arbeit als Zweitgutachter begleitet zu haben. Fuer die finanzielle Foerderung der Arbeit durch Stipendien geht mein Dank an das Deutsche Historische Institut London und die Oxford Brookes University sowie an den Sonderforschungsbereich 600 „Fremdheit und Armut. Wandel von Inklusions- und Exklusionsformen von der Antike bis zur Gegenwart“ an der Universitaet Trier. Weiterhin moechte ich den freundlichen Mitarbeitern der Archive und Bibliotheken danken, die mir bei der Archivrecherche und Literaturbeschaffung behilflich waren. Mein Dank geht besonders an Patria McWalter vom Galway County Archives. Fuer das Korrekturlesen der Doktorarbeit danke ich besonders meiner guten Freundin und Kollegin Reinhild Kreis von der LMU Muenchen sowie Katrin Marx- Jaskulski, Nicole Longen und Sonja Scherder. Meinen Eltern Anne und Helmut Brackmann und meinem Mann Dirk gebuehrt der groesste Dank fuer ihre Unterstuetzung und ihr Verstaendnis im privaten Bereich!

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 1.1. Kommunale Armenfürsorge in Irland – eine Einführung ...... 1 1.2. Abgrenzung des Themas, Fragestellungen und Thesen ...... 10 1.3. Methoden...... 17 1.4. Forschungsstand ...... 24 1.5. Quellen ...... 33

2. Die Grafschaft Galway: Ökonomische und soziale Rahmenbedingungen 2.1. Lage, Größe, Bevölkerung, Infrastruktur, Wirtschaft...... 38 2.2. Die Verwaltungsstruktur...... 49 2.2.1 Galway Poor Law Union...... 54 2.2.2 Gort Poor Law Union...... 57 2.3. Nicht-Kommunale Unterstützungsmaßnahmen in Galway...... 60

3. Gesetzliche Rahmenbedingungen, Akteure, Zuständigkeiten und Maßnahmen 3.1. Irish Poor Law Act 1838: seine Einführung und seine Elemente ...... 63 3.2. “Spezifische Ausprägung” irischer Institutionen der Armenverwaltung (im Vergleich zu England, Schottland)...... 67 3.3. Armenverwaltung auf lokaler und zentraler Ebene ...... 74 3.3.1 Die zentrale Behörde: Poor Law Commission und Local Government Board ...... 74 3.3.2 Die Verwaltungsbezirke ...... 76 3.3.3 Die lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung: Boards of Guardians ...... 79 3.3.4 Die Arbeitshäuser...... 88 3.4. Gesetzliche und administrative Neuerungen: Entwicklung des Poor Laws bis 1921...... 94

4. Die (Armen-)Steuerzahler in Galway und Gort 4.1 Einfluss der (Armen-)Steuerzahler ...... 115 4.2 Zusammenfassung: Das Verhältnis der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zu den Steuerzahlern ...... 140

5. Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung von Galway und Gort 5.1 Biographische Eckdaten der Mitglieder der Armenverwaltung und Anwesenheit bei den Sitzungen als Einflussfaktoren auf die Arbeitsweise der Aufsichtsgremien ...... 142 5.1.1 Soziale und religiöse Zusammensetzung der Aufsichtsgremien ...... 145 5.1.2 Das Amt des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter...... 153 5.1.3 Teilnehmerzahl und Anwesenheit der Mitglieder...... 161 5.1.4 Weibliche Poor Law Guardians...... 165 5.1.5 Zusammenfassung...... 167 5.2 Verhältnis zentrale – lokale Administrationsebene...... 169 5.2.1 Konflikte um Zuständigkeiten und Aufgabenwahrnehmung ...... 169 5.2.2 Religiöse Konflikte...... 187 5.2.3 Zusammenfassung...... 191 5.3 Politisierung der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung ...... 193 5.3.1 Rolle der Kommunikationsmedien und Ausweitung des Themenspektrums über die eigentliche Armenverwaltung hinaus ...... 198 5.3.2 Personelle Veränderungen ...... 210 5.3.3 Selbstverwaltung und Landfrage als beherrschende Themen ...... 219 5.3.4 Zwangsräumungen und Outdoor Relief ...... 237 5.3.5 Gegenreaktionen von konservativ-unionistischen Mitgliedern ...... 251 5.3.6 Irland auf dem Weg in die Unabhängigkeit ...... 266 5.3.7 Zusammenfassung...... 273 5.4 Kommunikationswege: Parlamentarier und Kooperationen zwischen den irischen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung ...... 276 5.5 „Vernetzung“ der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung ...... 290

6. Schlussbetrachtung, Ergebnisse, Zusammenfassung ...... 310

7. Quellen- und Literaturverzeichnis 7.1. Quellen und zeitgenössische Literatur...... 318 7.1.1. Archivalien ...... 318 7.1.2. Zeitungen...... 321 7.1.3. Gedruckte Quellen und zeitgenössische Literatur ...... 322 7.2. Forschungsliteratur ...... 327

8. Abkürzungsverzeichnis ...... 368

Anhang - Fotos - Karten - Abbildungen - Tabellen

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen:

- Abb. 1: Auszug Irish Poor Law Act, 1838 5

- Abb. 2: Steuerzahler Gort Union 230

- Abb. 3: Artikel zu Poor Law Wahlen, 1887 233

- Abb. 4: Arbeitshaus von Galway und Queen`s College Galway 299

- Abb. 5: Karte der irischen Poor Law Unions 370

- Abb. 6: Arbeitshaus von Galway 371

- Abb. 7 Fotos Galway Workhouse 372

- Abb. 8: Fotos Galway Workhouse 373

- Abb. 9: Wilkinson Modell Workhouse 374

- Abb. 10: Wahlpapiere Poor Law Wahlen 1839 375

- Abb. 11: Fragenkatalog Visiting Committee 376

- Abb. 12: Poor Law Unions der Grafschaft Galway 377

- Abb. 13: Poor Law Inquiry 1836: Interview 1 378

- Abb. 14: Poor Law Inquiry 1836: Interview 2 381

- Abb. 15: Karte Distressed Unions gesamt 384

- Abb. 16: Karte Dissolved Unions gesamt 385

- Abb. 17: Galway Finanzen 1840 386

- Abb. 18: Gort Finanzen 1840 387

- Abb. 19: Schlafquartiere nach Wilkinson 388

- Abb. 20: Auszüge Armengesetzerweiterung 1847 389

- Tab. 1: Lokale Verwaltung in der Grafschaft Galway 50

- Tab. 2: Lokale Verwaltung in der Grafschaft Galway Stadt 50

- Tab. 3: Lokale Verwaltung in der Stadt Galway 50

- Tab.4: Galway Union Wahlbezirke 1839 54

- Tab. 5: Galway Union Wahlbezirke 1899 55

- Tab. 6: Gort Union Wahlbezirke 1839 58

- Tab 7: Gort Union Wahlbezirke 1899 58

- Tab. 8: Stimmenanzahl Wahl 82

- Tab. 9: Unterstützungsempfänger 3.7.1847 99

- Tab. 10: Wettbewerb Wahlen Gort 1884 263

- Tab. 11: Zensusdaten Galway 390

- Tab. 12: Zensusdaten Gort 391

- Tab. 13: Unterstützungsempfänger Indoor + Outdoor Galway 1841-1921 392

- Tab. 14: Unterstützungsempfänger Indoor + Outdoor Gort 1843-1921 393

- Tab. 15: Insassen des Arbeitshauses von Galway 1901 394

- Tab. 16: Insassen des Arbeitshauses von Galway 1911 395

- Tab. 17: Insassen des Arbeitshauses von Gort 1901 396

- Tab. 18: Insassen des Arbeitshauses von Gort 1911 397

- Tab. 19: Nightlodgers Galway 1906 398

- Tab. 20: Vorsitzender und Stellvertreter des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway 399

- Tab. 21: Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway 401

- Tab. 22: Anwesenheit Galway Guardians 1847 426

- Tab. 23: Anwesenheit Galway Guardians 1891 427

- Tab. 24: Vorsitzender und Stellvertreter des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort 429

- Tab. 25: Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort 431

- Tab. 26: Kosten Armenunterstützung Grafschaft Galway 1873 443

- Tab. 27: Aufwendungen Galway Outdoor Relief 444

- Tab. 28: Aufwendungen Gort Outdoor Relief 447

- Tab. 29: Eingehende und ausgehende Schreiben Galway 1870-1921 448

- Tab. 30: Eingehende und ausgehende Schreiben Gort 1870-1921 449

1. Einleitung

1.1 Kommunale Armenfürsorge in Irland – eine Einführung

Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der kommunalen Armenfürsorge in den Städten Galway und Gort in der Grafschaft Galway, im Westen von Irland und ihrem Einfluss auf die Entwicklung der lokalen Verwaltung. Der zeitliche Rahmen der Untersuchung wird von der Einführung der irischen Armengesetzgebung im Jahr 1838 und der Unabhängigkeit Irlands im Jahr 1921 bestimmt. Die Grafschaft Galway wurde 1838 in zehn Poor Law Unions aufgeteilt, Verwaltungsbezirke der Armenfürsorge , in denen jeweils ein Arbeitshaus errichtet wurde. Die Studie untersucht zwei dieser Poor Law Unions, die eher städtische Galway Union und die eher ländliche Gort Union.

Es gibt mehrere vorwiegend ältere Studien zur irischen Armengesetzgebung. Sie fokussieren auf die Arbeitshäuser als zentralem Element des neuen Armengesetzes1. Die Geschichte der lokalen Verwaltung in Irland ist seit einigen

1 Zu den Arbeitshäusern in Irland siehe: Helen Burke, The People and the Poor Law in 19th Century (Littlehampton, Sussex: Women`s Education Bureau, 1987), Helen Burke, "The Poor Law in the Nineteenth Century with Particular Reference to the Social Services of the South Union" (Ph.D. Thesis, National University of Ireland, University College Dublin, 1976). John O`Connor, The Workhouses of Ireland. The Fate of Ireland's Poor (Dublin: Anvil, 1995). Sister Patricia Sister Kelly, "From Workhouse to Hospital: The Role of the Irish Workhouse in Medical Relief to 1921" (M.A., National University of Ireland, Galway, 1972). Eamonn Lonergan, A Workhouse Story: A History of St Patrick`S Hospital Cashel, 1842-1992 (Cashel, Tipperary: Sureprint Ltd, 1992). Michael H. Gould, The Workhouses of Ulster (Belfast: Ulster Architectural Heritage Society, 1983). Timothy Guinnane and Cormac O`Grada, "Mortality in the North Dublin Union During the Great Irish Famine," Economic History Review LV, no. 3 (2002), Christine Kinealy, "The Poor Law During the . An Administration in Crisis," in Famine. The Irish Experience, 900-1900. Subsistence Crises and Famines in Ireland, ed. E. Margaret Crawford (Edinburgh: John Donald, 1989), Christine Kinealy, "The Role of the Irish Poor Law During the Famine," in The Great Irish Famine, ed. Cathal Poirteir (Dublin: 1995), Christine Kinealy, This Great Calamity. The Irish Famine, 1845-52 (Dublin: Gill & Macmillan, 1994), Colman O`Mahony, Cork`S Poor Law Palace: Workhouse Life 1838-1890 (Cork: Rosmathun Press, 2005).; Padraic O`Laoi, "1847- Famine in Galway," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 3, no. Famine Edition (1995), Kathleen Villiers-Tuthill, Patient Endurance: The Great Famine in Connemara (Dublin: Connemara Girl Publications, 1997). Seamus O`Brien Famine and Community in Mullingar Poor Law Union, 1845-1849. Mud Cabins and Fat Bullocks, Maynooth Studies in Local History ; No. 21 (Dublin ; Portland, OR: Irish Academic Press, 1999).

1 Jahren kein Forschungsdesiderat mehr2. Die jüngere Forschung, vor allem von Virginia Crossman3, liefert wichtige Erkenntnisse, auf denen die vorliegende Studie aufbaut. Es gibt jedoch bisher keine systematische Analyse des Einflusses der irischen Armengesetzgebung auf die Entwicklung einer lokalen Verwaltung im gesamten Zeitraum ihres Bestehens.

Vor dem Erlaß des irischen Armengesetzes von 1838 gab es keine flächendeckende staatlich regulierte Armenunterstützung in Irland. Bei der Volkszählung von 1841 wies Irland, welches seit 1801 zum Vereinigten Königreich4 gehörte, eine Bevölkerung von etwas über acht Millionen Einwohnern auf5. Großbritannien, die etwa dreifach so große Nachbarinsel, hatte zur selben Zeit etwa 17 Millionen Einwohner. Zu Beginn der 1840er Jahre besaß Irland die höchste Bevölkerungsdichte in Europa6. 70 Prozent der irischen Bevölkerung waren in der Landwirtschaft beschäftigt7. Die irischen Bauern bearbeiteten als

2 Zur Geschichte der lokalen Verwaltung in Irland siehe: John Collins, "Local Government," Administration 1, no. 4 (1953), John Collins, Local Government, ed. Desmond Roche, 2. ed. (Dublin: Institute of Public Administration, 1963), Virginia Crossman, "Building the Nation: Local Administration in Rural Ireland 1850-1920," Journal of Modern European History 2 (2004), Virginia Crossman, Local Government in Nineteenth-Century Ireland (Belfast: Institute of Irish Studies, Queen's University, 1994), Virginia Crossman, "Local Government in Nineteenth-Century Ireland," in Was Ireland a Colony? Economics, Politics and Culture in 19th Century Ireland, ed. Terence McDonough, T. Boylan, and T. Foley (Dublin: Irish Academic Press, 2005), Virginia Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland (Manchester: Manchester University Press, 2006), Virginia Crossman, The Poor Law in Ireland 1838-1948, ed. The Economic and Social History Society of Ireland, 10 vols., vol. 10, The Economic and Social History Society of Ireland Series (Dundalk: Dundalgan Press, 2006), Mary E. Daly, ed., County and Town. One Hundred Years of Local Government in Ireland, Lectures on the Occasion of the 100th Anniversary of the Local Government Act, 1898 (Dublin: Institute of Public Administration, 2001), Brian Donnelly, "An Overview of the Development of Local Government in Ireland," Irish Archives. Journal of the Irish Society for Archives 3, no. 2 (1996), Richard Haslam, "The Origins of Irish Local Government," in Local Government in Ireland. Inside Out, ed. Mark Callanan and Justin F Keogan (Dublin: Institute of Public Administration, 2003).. 3 Crossman, "Building the Nation: Local Administration in Rural Ireland 1850-1920.", S. 188; Dies., Local Government in Nineteenth-Century Ireland (2005), S. 110ff; Dies., "Local Government in Nineteenth-Century Ireland." (1994), S. 43ff; Dies., Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland, S. 6-35; Dies., The Poor Law in Ireland 1838-1948, The Economic and Social History Society of Ireland Series, Vol 10 (Dundalk: Dundalgan Press, 2006), S. 26ff..

4 Mit dem Act of Union 1801 entstand das Vereinigte Königreich von Grossbritannien (England und Schottland) und Irland. 5 Siehe dazu Census of Ireland 1841, Abstract, S. 1. 6 K. Theodore Hoppen, Ireland since 1800. Conflict and Conformity, 2. Aufl. (1. Aufl. von 1989), Studies in Modern History (London, New York: Longman, 1999), S. 36ff; Cormac O`Grada, Black '47 and Beyond. The Great Irish Famine in History, Economy and Memory (Princeton: Princeton University Press, 1999), S. 24f. 7 Census of Ireland 1841, Appendix to Report of Commissioners, S. 440.

2 Pächter das Land, welches Großgrundbesitzern gehörte. Der Anbau von Getreide und die Viehhaltung dienten der Bezahlung der Pacht und wurden vorwiegend nach England exportiert. Kartoffeln, die einfach und billig auf einem relativ kleinem Stück Land anzubauen waren, dienten der Ernährung der irischen Bevölkerung8. Der Zensus von 1841 ergab, dass 63 Prozent der Bevölkerung Ackerflächen unter einer Größe von zwei Hektar bewirtschafteten oder gänzlich ohne Vermögen oder Landbesitz waren9. Weitere 32 Prozent waren Landwirte oder Handwerker mit einer Bewirtschaftungsfläche von zwei bis 20 Hektar. Durch geringe landwirtschaftliche Produktivität, eine sehr große Zahl an Kleinstpächtern, unstete wirtschaftliche Entwicklung und eine relative Überbevölkerung herrschte weitverbreitete Armut in Irland. Immer wieder gab es in Irland Ernteausfälle und Hungerkrisen. Bereits im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts kam es zu einer stetigen Emigration von Iren, die sich häufig in den neuen urbanen Zentren Englands und Schottlands ansiedelten.

Nach der Großen Hungersnot in der Mitte der 1840er Jahre, unmittelbar ausgelöst durch die Kartoffelfäule, verringerte sich die Bevölkerungszahl bis 1851 aufgrund von Emigration und Todesfällen um über 2 Millionen Menschen auf etwa 6,5 Millionen10. Auch in den nachfolgenden Jahrzehnten zeigte sich ein Abwärtstrend in der Einwohnerzahl, der erst im 20. Jahrhundert angehalten wurde.

Zur Zeit der Einführung der irischen Armengesetzgebung lebte ein großer Teil der irischen Bevölkerung in Armut. So betrug 1830 das Pro-Kopf-Einkommen in Irland nur etwa 40 Prozent des britischen Niveaus11. Während in England mit dem Poor Law von 1601 bereits ein Gesetz erlassen worden war, welches im gewissen Umfang staatliche Fürsorgemaßnahmen bereitstellte, waren die Armen Irlands bis 1838 allein auf private oder kirchliche Unterstützung angewiesen, die regional unterschiedlich organisiert war12. Der weit verbreiteten Armut in Irland wurde

8 Cormac O`Grada, Ireland. A New Economic History 1780-1939, 1. Aufl. ed. (Oxford New York: Clarendon Press Oxford University Press, 1995) S. 15f und 80-85. 9 Census of Ireland 1841, Appendix to Report of Commissioners, S. 452f. 10 Siehe hierzu etwa James S. Donnelly, The Great Irish Potato Famine (Stroud, Gloucestershire: Sutton, 2001) S. 170. 11 O`Grada, Ireland. A New Economic History 1780-1939 S. 97. 12 Helen Burke, The People and the Poor Law in 19th Century Ireland (Littlehampton, Sussex: Women`s Education Bureau, 1987), S. 1-16. O`Connor, The Workhouses of Ireland. The Fate of Ireland's Poor.

3 dieses System nicht gerecht. Die Sozialfürsorge war nur ein Teilgebiet der Reformierung des sozialen und politischen Systems Irlands nach der Union mit Großbritannien13, die zu einer Verbesserung der irischen Lebensverhältnisse führen und zugleich die britische Herrschaft in Irland durchsetzen und sichern sollte14. 1838 wurde daher in Irland ein Armengesetz nach Vorbild des englischen Systems der kommunalen Armenfürsorge erlassen, in dessen Zentrum überregionale Arbeitshäuser standen, in die jeder Arme, wenn er Unterstützung erhalten wollte, gehen musste.

Ein beträchtlicher Teil der irischen Bevölkerung war von Armut betroffen, und es stellt sich die Frage, welche Auffassung vom Charakter und den Ursachen von Armut sich im Poor Law von 1838 widerspiegelte. Wie das englische New Poor Law unterschied auch das irische zwischen „poverty“ und „pauperism“15. „Poverty“ wurde als unvermeidbarer Teil der Gesellschaft verstanden, der auch nicht ausgelöscht werden könnte oder sollte. Die davon betroffenen Armen, wie Witwen mit Kindern, Alte oder Kranke, Waisen sollten unterstützt werden (deserving poor). Daneben ging man von Armen aus, die für ihren Lebensunterhalt arbeiteten, doch zu bestimmten Zeiten im Jahr oder temporär begrenzten Abschnitten in ihrem Leben Unterstützung benötigten. Auch diese wurden als „deserving poor“ angesehen. Die Armenunterstützung sollte für diese Gruppen von Armen ein „Sicherheitsnetz“ bieten. „Pauperism“ dagegen basierte auf einer willentlichen Entscheidung des Individuums und es galt die davon Betroffenen, vor allem gesunde, arbeitsfähige junge Männer, durch abschreckende Maßnahmen von einer Unterstützung auszuschließen (non-deserving poor)16.

13 Daneben stand eine Reformierung von folgenden Teilgebieten an: Erziehungs- und Bildungspolitik, öffentliche Sicherheit, Steuer- und Abgabensystem und die Ebene der Kommunen. 14 K. Theodore Hoppen, "A Double Periphery: Ireland within the 1800-1921," in Europäische Innere Peripherien im 20. Jahrhundert (Historische Mitteilungen im Auftrag der Ranke- Gesellschaft, Beiheft 21,) S. 95ff. 15 Niall O`Ciosain, Boccoughs and God's poor: deserving and underserving poor in Irish popular culture, in: Tadgh Foley, Seàn Ryder, Ideology and Ireland in the nineteenth century, (Dublin: Four Courts Press, 1998), S. 93-99. 16 Siehe hierzu etwa Virginia Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland (Manchester: Manchester University Press, 2006) S. 7.

4 Das irische Armengesetz von 1838 gibt dazu folgende Informationen:

Abb. 1: Auszug Irish Poor Law Act, 1838, aus: An Act for the more effectual Relief of the destitute Poor in Ireland, Cap. LVI, in: a collection of the Public General Statutes 1838, 1. & 2. Victoriae, Dublin 1838

Das irische Armengesetz zählt Arme auf, die unterstützungsberechtigt sind und die die „klassische Armenfürsorgeklientel“, wie Alte oder Kranke, bilden. Zur Beurteilung der Unterstützungsberechtigung aller Personen überträgt der Irish Poor Law Act die Verantwortung an die kommunale Behörde. Das irische Armengesetz enthält keinen rechtlichen Anspruch auf Armenunterstützung. Über die Gewährung von Unterstützung in jedem Einzelfall entschieden die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung oder von ihnen autorisierte Angestellte (Relieving Officer) sowie der Leiter des Arbeitshauses.

Der Begriff „Arbeitshaus“ wird in dieser Studie als deutsche Übersetzung des englischen Begriffes „workhouse“ verwendet. Das irische Arbeitshaus unterschied sich jedoch in seiner Konzeption, seinen Funktionen und Aufgaben grundlegend von der deutschen Institution Arbeitshaus. Während das irische Arbeitshaus ein Versorgungshaus für von Armut betroffene Menschen bildete, dessen Unterstützung man auch ablehnen konnte, wurde man in die deutsche Institution Arbeitshaus als Straf- und/oder Korrektionsmaßnahme eingewiesen17. In dieser

17 Personen, die wegen „Landstreicherei, Bettelei, Obdachlosigkeit“ oder „Spiel, Trunk und Müßiggang“ oder „Arbeitsscheue“ per Gesetz kriminalisiert worden waren, konnten in das deutsche Arbeitshaus eingewiesen werden. Zu dem Unterschied von britischem und deutschem Arbeitshaus siehe auch Beate Althammer, "Functions and Developments of the Arbeitshaus in Germany: Brauweiler Workhouse in the Nineteenth and Early Twentieth Centuries," in Being Poor in Modern 5 Studie meint der Begriff „Arbeitshaus“ immer den irischen Typus18. Die Arbeitshäuser sind zu definieren als durch den Irish Poor Law Act von 1838 flächendeckend etablierte, zentrale Institutionen der Armenunterstützung. Sie lagen in bestimmten Verwaltungsbezirken, den sogenannten Poor Law Unions und wurden von diesen finanziert. Inzwischen waren die Arbeitshäuser im 19. Jahrhundert im englischen Kontext trotz der Freiwilligkeit der Einweisung einer scharfen Kritik ausgesetzt, da sie die Unterstützungsempfänger doch einer ganzen Reihe von neuartigen Disziplinierungen unterwarfen und vor allem Familien auseinandergerissen und nach Geschlecht getrennt unterbrachten. Diese Kritik an den Arbeitshäusern findet sich auch in der modernen Forschung. Timothy Guinnane deutet die Arbeitshäuser als „large, centralized institutions designed to make life psychologically unpleasant for their occupants.19 Im Gegensatz zu diesem bisher dominierenden Forschungsansatz20, die Arbeitshäuser vor allem als Institutionen der Sozialdisziplinierung der Armen zu interpretieren, versucht die vorliegende Studie ein komplexeres Bild zu zeichnen. Die Arbeitshäuser übernahmen vielfältige Aufgaben und Funktionen und waren eng vernetzt mit städtischen und ländlichen Institutionen auf allen Ebenen.

Durch die Einführung der irischen Armengesetzgebung wurde nicht nur auf lokaler Ebene eine völlig neue Verwaltungsstruktur in Irland etabliert, sondern auch neue Kommunikationsformen und –ebenen geschaffen: auf der einen Seite zwischen den einzelnen Boards of Guardians, den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung, auf der anderen Seite zwischen den lokalen Boards of Guardians und den Poor Law Commissioners beziehungsweise dem Local Government Board, also der zentralen Behörde.

Europe. Historical Perspectives 1800-1940, ed. Andreas Gestrich, Steven King, and Lutz Raphael (Oxford u.a.: Peter Lang, 2006), S. 273. 18 Hierzu siehe das Kapitel „Die Arbeitshäuser“. 19 Timothy W. Guinnane, The Vanishing Irish. Households, Migration and the Rural Economy in Ireland 1850-1914, The Princeton Economic History of the Western World (Princeton, NJ: Princeton University Press, 1997) S. 61. 20 So auch Dympna MacLoughlin, "Workhouses and Irish Female Paupers 1840-1870," in Women Surviving, ed. Maria Luddy (Dublin: 1990), S. 117., die die Arbeitshäuser als „physical manifestation on the landscape of the prevailing social doctrine with respect to the destitute poor“ und als “institutions of containment” definiert.

6 Aber nicht nur die Formen und Ebenen der Kommunikation haben sich verändert, sondern zum Teil auch die Inhalte. Virginia Crossman sieht einen durch die Politisierung in den 1870er Jahren einsetzenden Wandel in der (Selbst- )Beschreibung von nationalistischen Mitgliedern der Armenverwaltung. Während sich die Mitglieder der Armenverwaltung vorher als „Vertreter der Interessen der Steuerzahler“ und als „Repräsentanten ihrer Gemeinde“ verstanden, sahen sich nationalistische Mitglieder nun zudem als „Repräsentanten der irischen Nation“21. Unter Politisierung der Armenverwaltung wird im Folgenden das Aufkommen politischer Themen in Sitzungen ihrer Aufsichtsgremien verstanden22. Die vorliegende Studie untersucht neben den Inhalten dieser Debatten auch die Frage, inwieweit diese Politisierung eine Veränderung in der personellen Zusammensetzung der Boards zugunsten von irischen Nationalisten (Nationalisierung) in Galway und Gort brachte und wie dieser Prozeß ablief.

Irische Nationalisten im 19. Jahrhundert forderten Selbstverwaltung für Irland unter Belassung von Außenpolitik und Sicherheitspolitik bei Westminster (Home Rule) und wollten nach Feingold „a localization of control in the hands of nationalist partisans“23 erreichen24. Die Begriffe „Politisierung“ und „Nationalisierung“ beziehen sich in dieser Studie daher auch generell auf die politische Mobilisierung von Bevölkerungsteilen ab den 1870er Jahren in Irland, die zuvor von der politischen Partizipation ausgeschlossen waren und die sowohl auf lokaler als auch nationaler Ebene eine Beteiligung an politischem Handeln forderten und

21 Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland S. 48. 22 So auch Virginia Crossman: „meetings of local bodies increasingly became the scenes of party political conflict and manoeuvring.“, in: Virginia Crossman, Local Government in Nineteenth-Century Ireland (Belfast: Institute of Irish Studies, Queen's University, 1994) S. 1. 23 William L. Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886 (Boston: Northeastern University Press, 1984) S. xxviii. 24 Die Home-Rule-Bewegung seit 1870 nahm die Forderung nach der Zurücknahme des Unionsgesetzes von 1801 wieder auf, welches bereits die Bewegung des Young Ireland und Daniel O`Connell in den 1840er Jahren gefordert hatte, die dann aber nach der Großen Hungersnot in den Hintergrund getreten war. Siehe hierzu etwa K. Theodore Hoppen, "A Double Periphery: Ireland within the United Kingdom 1800-1921," in Europäische Innere Peripherien Im 20. Jahrhundert (Historische Mitteilungen Im Auftrag Der Ranke-Gesellschaft, Beiheft 21), ed. H.-H. Nolte (Stuttgart: 1997), K. Theodore Hoppen, Ireland since 1800. Conflict and Conformity, 2. (1. Aufl. von 1989) ed., Studies in Modern History (London, New York: Longman, 1999), K. Theodore Hoppen, "Nationalist Mobilisation and Governmental Attitutes: Geography, Politics and Nineteenth-Century Ireland," in A Union of Multiple Identities: The British Isles, C. 1750-C.1850, ed. L. Brockliss and D. Eastwood (Manchester: 1997).

7 durchzusetzen begannen25. Sie werden in dieser Studie nicht als generische Termini verwendet26, sondern beziehen sich immer auf den spezifisch irischen Kontext in einer bestimmten Zeit27.

Die Kernforderung irischer Nationalisten war dabei das Recht auf Selbstverwaltung in Irland und die Loslösung von der britischen Herrschaft. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass unter der Bezeichnung „Nationalisten“ oder „Nationalismus“ in Irland eine ganze Reihe unterschiedlicher Bewegungen oder Ausrichtungen zu verstehen sind, die auf unterschiedliche Weise28 und mit unterschiedlichen Argumentationen29 eine Änderung im politischen Status von Irland seit 1800 erreichen wollten30. Der Begriff „nationalist“ taucht im Kontext der lokalen Armenadministration erst ab den 1870er Jahren auf, seit den Auseinandersetzungen um die Landfrage und die „Home-Rule“ Bewegung. Feingold definiert in diesem Zusammenhang „nationalization“ als „the tenants` assault on the poor law boards“31. Die Auseinandersetzungen um die Landfrage als Protestbewegung von Pächtern gegen die Pachtbedingungen richtete sich gegen die Struktur der irischen Landwirtschaft und später auch gegen die Struktur

25 Die Begriffe einer „irischen Nation“ und eines „irischen Nationalismus“ werden bereits für politische Bewegungen im 18. Jahrhundert verwendet. Siehe dazu etwa Marian Richling, ""To Make All Irishmen - Citizens; All Citizens - Irishmen"? Die Genese Und Das Scheitern Des Republikanischen Nationalismus in Irland (1782-1798)" (ediss: PhD, Bielefeld, 2004). 26 Die Begriffe „Nation“ und „Nationalismus“ gehören zu den sematisch vieldeutigsten Begriffen des politischen und wissenschaftlichen Sprachgebrauchs, siehe dazu etwa Peter Alter, Nationalismus (Frankfurt: 1985), Anthony Smith, National Identity (Harmondsworth: 1991), Heinrich August Winkler, "Der Nationalismus Und Seine Funktionen," in Nationalismus, ed. Heinrich August Winkler (Königstein: 1985). 27 Siehe dazu etwa die Dissertation von Marian Richling, die sich mit dem Begriff des Nationalismus theoretisch auseinandersetzt und ebenfalls einen spezifisch irischen Nations und Nationalismus- Begriff verwendet, Richling, ""To Make All Irishmen - Citizens; All Citizens - Irishmen"? Die Genese Und Das Scheitern Des Republikanischen Nationalismus in Irland (1782-1798)" S. 426. 28 Das bedeutet auf konstitutionellem Weg oder durch revolutionäre Erhebung. 29 Hierbei gab es verschiedene „Identifikationskriterien“, die auch miteinander kombiniert wurden: konfessionell (protestantisch – katholisch), ökonomisch (privilegiert – unterprivilegiert), ethnisch (keltisch-angelsächsisch), politisch (republikanisch-unionistisch). 30 Siehe dazu etwa Tadgh; Foley and Sean (Hg) Ryder, Ideology and Ireland in the Nineteenth Century (Dublin: Four Courts Press, 1998) besonders Teil III: Ideologies of Nation and Identity. Und Hoppen, Ireland since 1800. Conflict and Conformity S. 116-55, Alvin Jackson, Home Rule. An Irish History, 1800-2000 (London: Weidenfeld & Nicolson, 2003) S. 28-44. 31 Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886 S. xxviii. 8 der politischen Machtverteilung32. Der Grundbesitz lag in den Händen von vorwiegend protestantischen großen Landbesitzern und war in ein komplexes System von Unterverpachtungen aufgesplittert. Die großen Landbesitzer (landlords) waren Personen, die ihr gesamtes oder große Teile ihres Einkommens aus Landbesitz durch Pachteinnahmen bestritten33. Die Auseinandersetzungen um die Landfrage erreichten ihren Höhepunkt in Unruhen und gewalttätigen Aktionen von 1879-1882 (Landwar)34.

32 Stephen Ball, "Crowd Activity During the Irish , 1879-90," in Crowds in Ireland, 1720- 1920, ed. Peter Jupp and Eoin Magennis (Basingstoke: 2000), Samuel Clark and James S. Donnelly, eds., Irish Peasants. Violence and Political Unrest, 1780-1914, paperback ed. Dublin 1983 ed. (Madison, Wis.Manchester: Manchester University Press, 1983), David S. Jones, Graziers, Land Reform and Political Conflict in Ireland (Washington D.C.: The Catholic University of America Press, 1995), Michael J. Winstanley, Ireland and the Land Question 1800-1922 (London New York: 1984). J. S. Donnelly, "Landlords and Tenants," in A New , Vol. 5, Ireland under the Union, ed. William Edward Vaughan (Oxford: Oxford University Press, 1989), Terence Dooley, "Landlords and the Land Question," in Famine, Land and Culture in Ireland, ed. Carla King (Dublin: University College Dublin Press, 2000), S. 116, 24, William Edward Vaughan, "Landlord and Tenant Relations in Ireland between the Famine and the Land War, 1850-1878," in Comparative Aspects of Scottish and Irish Economic and Social History 1600-1900, ed. L.M. and T.C. Smout Cullen (Edinburgh: John Donald Publishers LTD, 1977). Für Galway siehe Anne B. Finnegan, "The Land War in South-East Galway, 1879-1890" (M.A., NUI Galway, 1974). 33 Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886 S. 33. 34 Siehe hierzu etwa Hoppen, Ireland since 1800. Conflict and Conformity besonders Kapitel 4. mit weiteren Nachweisen. Auf die Auseinandersetzungen um die Landfrage geht das Kapitel „Politisierung“ in dieser Studie genauer ein.

9 1.2 Abgrenzung des Themas, Fragestellungen und Thesen

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Frage, welche Bedeutung der Armenverwaltung bei der generellen Ausbildung staatlicher Administration in Irland zukam. Vier Untersuchungsfelder scheinen für diese Fragestellung von besonderer Bedeutung:

1) Zusammensetzung der Boards of Guardians in Bezug auf die soziale, politische und konfessionelle Zugehörigkeit der Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung und die Zusammensetzung der Boards. Am Beispiel der Boards of Guardians von Galway und Gort wird der Frage nachgegangen, inwieweit die Zusammensetzung Auswirkungen auf die Arbeitsweise einer Union und deren Einflussmöglichkeiten hatte. Es gilt zu untersuchen, ob mit der Erweiterung ihrer Zuständigkeitsbereiche auch gesteigerte Einflussmöglichkeiten für die Guardians auf der lokalen Ebene oder im Verhältnis zur zentralen Administration verbunden waren.

Eine wichtige Frage innerhalb dieses Untersuchungsfeldes ist zudem, inwieweit sich übergreifende politische Prozesse auf die Armenverwaltung in Irland auswirkten. Dabei gilt es zu analysieren, ob „nationalist Guardians“ die Armengesetzgebung in spezifischer Weise zu verändern versuchten und ob sie eine andere Auffassung von Armut und damit auch vom Umgang mit derselben besaßen als es in dem Armutsbegriff, der beim Erlaß des irischen Armengesetzes von 1838 vorherrschte, zum Ausdruck kam. Hierbei ist die von William Feingold35 und Virginia Crossman36 vertretene These, es sei

35 William Feingold, "The Tenants` Movement to Capture the Irish Poor-Law Boards 1877-1886," Albion 7, no. 3 (1975), William L. Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881," in Irish Peasants. Violence and Political Unrest, 1780-1914, ed. Samuel Clark and James S. Donnelly (Manchester: Manchester University Press, 1983), Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886, William Leo Feingold, "The Irish Boards of Poor Law Guardians 1872-1886.A Revolution in Local Government" (Ph.D., University of Chicago, 1974). 36 Virginia Crossman, "Building the Nation: Local Administration in Rural Ireland 1850-1920," Journal of Modern European History 2 (2004), Virginia Crossman, "The Charm of Allowing People to Manage Their Own Affairs: Political Perspectives on Emergency Relief in Late Nineteenth Century Ireland," in Ireland in Transition 1867-1921, ed. D. G. Boyce and Alan O`Day (London: Routledge, 2004), Crossman, Local Government in Nineteenth-Century Ireland, Virginia Crossman, "Local Government in Nineteenth-Century Ireland," in Was Ireland a Colony? Economics, Politics and Culture in 19th Century Ireland, ed. Terence McDonough, T. Boylan, and T. Foley (Dublin: Irish 10 während der politischen Auseinandersetzungen um die Landfrage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem stärkeren Einfluss der Pächter in den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung gekommen, zu berücksichtigen.

2) Konfessionelle Auseinandersetzungen: Die Analyse konfessionell geprägter Konflikte um und in den Arbeitshäusern der Grafschaft Galway kann als exemplarischer Teilaspekt oder Indikator für die grundsätzliche Auseinandersetzung mit der protestantischen Verwaltung und deren Politik dienen. Sie kann zudem zeigen, inwieweit die Strukturen einer britischen Armengesetzgebung von den Guardians adaptiert wurden. Eine zentrale Frage dabei ist, inwieweit die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung bei der Umsetzung der britischen Armengesetzgebung von konfessionellen Gesichtspunkten geleitet wurden.

3) Das Verhältnis zwischen zentralen und lokalen Behörden: Es gilt systematisch zu untersuchen, wie Entscheidungen, die von der zentralen Behörde getroffen wurden, auf der lokalen Ebene in konkretes Handeln umgesetzt wurden. Hier ist zum einen nach den Zielen der zentralen Behörden zu fragen: Inwieweit wurde die Abgrenzung der einzelnen Arbeitshäuser voneinander durch die zentralen Stellen bewusst angelegt oder gefördert? Instrumentalisierte die britische Regierung die Armenverwaltung, um eine effektive Kontrolle der Iren zu erreichen und ihre Loyalität gegenüber der britischen Regierung zu erhöhen? Der allergrößte Teil der Finanzierung der Armenunterstützung wurde von den lokalen Kräften getragen, die Ebene der Kontrolle und Entscheidungen lag jedoch weitgehend bei den zentralen Organen. Zwar erlaubte der Irish Poor Law

Academic Press, 2005), Virginia Crossman, "The New Ross Workhouse Riot of 1887: Nationalism, Class and the Irish Poor Laws," Past & Present 179 (2003), Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland.

11 Act von 1838 der zentralen Behörde nicht Einzelfallentscheidungen zu treffen, doch wurde sie mit umfassenden Kontrollbefugnissen ausgestattet.

Die Studie behandelt diese Fragen zum anderen aus der Perspektive der lokalen Akteure. Die Praktiken der lokalen Armenverwaltung werden einerseits in bezug auf die Vorgaben durch gesetzliche Normen und die zentrale Behörde untersucht, andererseits in Bezug auf eigenständige Initiativen der Mitglieder der Aufsichtsgremien, die möglicherweise konträr zu den Vorschriften der Zentralbehörde lagen.

Einige Mitglieder der Board of Guardians in der Grafschaft Galway waren schließlich zugleich auch Abgeordnete im britischen Parlament. Es gilt zu untersuchen, ob und inwieweit diese Tatsache ihnen die Möglichkeit zur direkten Einflussnahme auf die zentrale Administrationsebene eröffnete und ihre Handlungsspielräume erweiterte.

4) Stadt-Land Gegensatz: Jedes der Arbeitshäuser in der Grafschaft Galway funktionierte weitgehend selbständig und unabhängig von den übrigen Arbeitshäusern im Untersuchungsgebiet. Zwar gab es eine rege Kommunikation, eine Kooperation war jedoch relativ selten37. Ein Aufsichtsgremium der kommunalen Armenfürsorge operierte in einem urbanen Umfeld, ein anderes Board in einer ländlichen Umgebung. Diese Tatsache gilt es umfassend zu analysieren und mit den übrigen Untersuchungsfeldern in Beziehung zu setzen. Welche Unterschiede gab es in der finanziellen und personellen Ausstattung der Boards und der konfessionellen Zusammensetzung? Verlief die Politisierung der Guardians in der ländlichen Umgebung ähnlich oder anders als in einer eher städtischen Union, besonders in bezug auf die Auseinandersetzungen um die Landfrage?

37 „Despite claims of centralization and uniform national working the fact is that each Poor Law district responded to the needs of its own micro-regional economy”. MacLoughlin, "Workhouses and Irish Female Paupers 1840-1870," S. 118.

12 Im ersten Teil der Arbeit werden zunächst die sozioökonomischen Rahmenbedingungen der Untersuchungsgebiete Galway und Gort vorgestellt. Die Lage und Größe, aber auch die wirtschaftliche Situation des Untersuchungsgebietes beeinflusste die Arbeitsweise der lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung. Von zentraler Bedeutung für die Studie ist der rechtliche Rahmen, innerhalb dessen die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung operierten. Um die „spezifische Ausprägung“ der irischen Institutionen der Armenverwaltung zu analysieren, wird der Vergleich zur englischen und schottischen Armengesetzgebung gezogen. Die vorliegende Studie untersucht jedoch nicht nur die normative Ebene der Armengesetzgebung zwischen 1838 und 1921, sondern beschäftigt sich vor allem mit der alltäglichen Praxis der Verwaltung vor Ort. Im Mittelpunkt stehen dabei die Akteure auf der lokalen und zentralen Ebene: die Board of Guardians und die Poor Law Commission beziehungsweise das Local Government Board. Andere lokale Verwaltungseinrichtungen, wie die Grand Juries oder die Town Commissioners, werden in die Betrachtung einbezogen, soweit sie mit den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Berührung kamen. Dabei werden besonders parallele und/oder konkurrierende Zuständigkeitsbereiche in den Blick genommen. Diese Analyse der Akteure ermöglicht die Untersuchung von Ausdifferenzierungs- und Veränderungsprozessen in der lokalen Verwaltung in Irland. Wie die lokale irische Armenverwaltung in Krisenzeiten, besonders während der Großen Hungersnot der 1840er Jahre, funktionierte, ist eine Frage, die es zu untersuchen gilt.

Der zweite Teil der Arbeit untersucht detailliert anhand der eingangs beschriebenen Fragestellungen die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung von Galway und Gort in vergleichender Perspektive. Zunächst wird die Armenadministration in der eher städtischen Galway Union in den Blick genommen, danach die eher ländliche Gort Union. Durch den Stadt-Land Vergleich sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der personellen Zusammensetzung und der Arbeitsweise der lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung herauspräpariert werden. Dabei werden zunächst die (Armen-) Steuerzahler analysiert. Sie wählten einen Teil der Mitglieder der lokalen Armenverwaltung und beeinflussten so die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien. Welche Kommunikationsebenen herrschten zwischen den

13 (Armen-)Steuerzahlern und den lokalen Aufsichtsgremien und wie wurden diese genutzt?

Wie wurden Konflikte mit der lokalen Armenadministration gelöst?

Ein Kapitel im zweiten Teil der Arbeit untersucht die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenadministration. Sozioökonomische, familiäre, religiöse und berufliche Hintergründe sowie Angaben zu anderen Ämtern dienen dazu, deren Auswirkungen auf die Arbeitsweise der Personen in der lokalen Armenadministration zu untersuchen. Wie regelmäßig nahmen die einzelnen Mitglieder an den Sitzungen teil? In diesem Kapitel können nicht alle der über 400 für Galway und über 200 für Gort erfassten Mitglieder in extenso behandelt werden, so dass besonders die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter analysiert werden. Weiterhin werden Mitglieder, die einflussreiche politische Funktionsträger waren, untersucht. Ein weiteres Kapitel widmet sich der Professionalisierung der Aufsichtsgremien der Armenadministration in der zeitlichen Entwicklung nach 1838. Es wird der Frage nachgegangen, ob mit der Aufgabenakkumulation über die eigentliche Armenadministration hinaus auch eine Zunahme des Einflusses der Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen im Hinblick auf ihr Verhältnis zur Dienststelle in Dublin einherging. Der Kontakt zur zentralen Behörde war sehr ausgeprägt und regelmäßig, so dass die Kommunikation mit der übergeordneten Verwaltungsebene als sehr wichtig angesehen werden kann. Wie wirkten sich die umfassenden Kontroll- und Weisungsbefugnisse auf die Arbeitsweise der lokalen Armenadministration aus und welchen Einfluß hatten diese Befugnisse auf das Kommunikationsverhältnis? Gelang es den Mitgliedern der Armenverwaltung ihren Handlungsspielraum zu erweitern, etwa durch die Nutzung alternativer Kommunikationswege oder in ihrer Aufgabe als politische Funktionsträger? Wie häufig war die Kommunikation mit anderen irischen lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung und gab es Kooperationen? Ein weiteres Kapitel im zweiten Teil der Arbeit untersucht den Stellenwert von politischen Themen in den Diskussionen der Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen, wobei insbesondere das Spektrum der Diskussionen innerhalb des Board of Guardians analysiert wird. Wie wirkten sich die Auseinandersetzungen um die Landfrage oder die Forderung nach Selbstverwaltung aus? Kam es zu personellen Veränderungen in den Aufsichtsgremien oder veränderten Arbeitsweisen der örtlichen Armenverwaltung?

14 Ein Paragraph dieser Studie geht der Frage nach, ob und inwieweit die Board of Guardians mit anderen lokalen Apparaten vernetzt waren, anhand des Beispiels der Verflechtungen von Medizin und Armenadministration. Diese Fragen werden an beide Untersuchungsgebiete gestellt und vergleichend analysiert.

Schaut man sich die bisherigen Untersuchungen zu den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Irland an und besonders zum Zusammenhang von Politik und Wohlfahrt, so kann man –überspitzt formuliert- den Eindruck bekommen, dass die Aufsichtsgremien vor den Auseinandersetzungen um die Landfrage von großen Landbesitzern dominiert wurden, die sich vorwiegend durch Desinteresse und Abwesenheit auszeichneten, um sich waehrend der 1880er Jahre dann in von Pächtern kontrollierte Fürsorgekomitees zu wandeln38. Die bisherige Forschung beschränkte sich dabei auf ländliche Fallstudien39. Dabei erscheint es gerade in einem städtischen Untersuchungsgebiet, in dem die Pächtervereinigung eine geringere Rolle spielte als auf dem Land, interessant die Politisierung der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zu untersuchen und die Hypothese ist, dass sich in einem urbanen Umfeld die Nationalisten nicht schon in den 1880er Jahren durchsetzen konnten. Sondern es gelang ihnen erst sehr viel später, als sich die nationalistischen Forderungen nicht mehr nur auf die Landfrage fokussierten, sondern auch auf Selbstverwaltung zielten, in die städtischen Armenfürsorgekomitees einzuziehen. Ein weiterer Punkt, der von der bisherigen Forschung weitgehend ignoriert wurde, ist die Reaktion von konservativ- unionistischen Mitgliedern der Armenverwaltung auf die politischen Entwicklungen seit den 1870er Jahren40. Die Antwort konservativer Kräfte soll sich dabei auf die Abwesenheit und Nicht-Teilnahme an den Sitzungen der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung beschränkt haben41. Die These der vorliegenden Studie ist dagegen, dass es nicht nur umfassendere Gegenreaktionen der konservativ- unionistischen Kräfte gab, sondern diese über einen gewissen Zeitraum auch durchaus erfolgreich sein konnten. Die sozioökonomische Zusammensetzung

38 „Poor law boards ceased to operate as a branch of landlord-dominated local government and became tenant- controlled assemblies committed to the achievement of Irish self-rule“, in: Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland., S. 36. 39 Ebenda und Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886. 40 In einem kurzen Abschnitt, der sich damit auseinandersetzt, schreibt Virginia Crossman, dass “having lost their hold on board offices, ex-officio guardians often responded by absenting themselves from meetings”, in: Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland., S. 41. 41 Ebenda. 15 eines städtischen Fürsorgekomitees bildete hierbei einen der Einflußfaktoren, so die Hypothese der vorliegenden Studie.

16 1.3 Methoden

Methodische Grundlage der Dissertation ist die Auswertung serieller Quellen (Protokollbücher der Armenverwaltung und Schrifttum der übergeordneten Behörden). Diese Quellen allein gewähren jedoch nur einen eingeschränkten Zugriff auf die alltägliche Verwaltungspraxis und werden daher durch weitere schriftliche Überlieferungen ergänzt. Zeitgenössische Zeitungsberichte ermöglichen die Rekonstruktion von Entscheidungs-, Aushandlungs- und Interaktionsprozessen, da sie häufig detaillierte Beschreibungen der wöchentlichen Sitzungen der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung enthalten. Sie werden mit den Verordnungen und dem Schriftverkehr der verschiedenen beteiligten Behörden und Institutionen verknüpft.

Anhand einer mikrohistorisch vergleichenden Analyse und Beschreibung der Besonderheiten der ausgewählten Fälle Galway und Gort sollen Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zwischen den Vergleichseinheiten identifiziert und herauspräpariert werden42.

Die vorliegende Studie will sich nicht ausschließlich auf „big structures, large processes, huge comparisons43“ konzentrieren, sondern kleinere Einheiten untersuchen, um so zu den Wirkungszusammenhängen, der Konstitution beziehungsweise Vielfalt der „historisch gesellschaftlichen Milieus oder Umwelten“, den Erfahrungen und dem Handeln der Subjekte im historischen Prozess vordringen zu können44. Dabei ist die Analyse auf der Ebene der einzelnen

42 Heinz-Gerhard Haupt, "Historischer Vergleich: Methoden, Aufgaben, Probleme. Eine Einleitung," in Geschichte Und Vergleich: Ansätze Und Ergebnisse Internationalvergleichender Geschichtsschreibung, ed. Heinz-Gerhard Haupt and Jürgen Kocka ( Frankfurt a.M.; New York: 1996). Die Perspektive einer vergleichenden Mikrostudie zur Untersuchung von lokaler Verwaltung wählte auch Christine Mayr in ihrer Dissertation. Christine Mayr, Zwischen Dorf Und Staat. Amtspraxis Und Amtsstil Französischer, Luxemburgischer Und Deutscher Landbürgermeister Im 19. Jahrhundert, ed. Lutz Raphael, Andreas Gestrich, and Helga Schnabel-Schüle, vol. 1, Promt. Trierer Studien Zur Neueren Und Neuesten Geschichte (Frankfurt/Main u.a.: Peter Lang, 2006). Mayr untersucht in ihrer Studie international vergleichend Amtspraxis und Amtsstil von Landbürgermeistern im 19. Jahrhundert. 43 Charles Tilly, Big Structures, Large Processes, Huge Comparisons (New York: 1984). 44 Hans Medick, "Miko-Historie," in Sozialgeschichte, Alltagsgeschichte, Mikro-Historie, ed. Winfried Schulze (Göttingen: 1994), Hans Medick, Weben Und Überleben in Laichingen 1650-1900: Lokalgeschichte Als Allgemeine Geschichte (Göttingen: 1996). Medick vergleicht seinen mikrohistorischen Ansatz mit der „Physik kleinster Teilchen“, ebenda, S. 23, und schafft durch „Kontextualisierung“ und „Dialogisierung der historischen Quellen“, ebenda, S. 28f., eine dichte, personenbezogene Datenbank, die durch den Blick auf die Details neue Kenntnisse zu 17 Teilnehmer des Geschehens angesiedelt und in räumlicher Hinsicht stark eingeschränkt. Es geht also um ortsgebundene Prozesse, um bestimmte soziale Akteure, in bestimmten Räumen, zu bestimmten Zeiten. Es geht nicht darum, eine Lokalgeschichte etwa im Sinne einer Ortschronik oder Heimatgeschichte zu schreiben. Die Arbeit verbindet dabei mikrohistorische Perspektiven45 im Sinne der italienischen „microstoria“46 mit makrohistorischen Ansätzen. Der mikrogeschichtliche Ansatz, wie er in den 1970er und 1980er Jahren von italienischen Historikern wie Giovanni Levi, Carlo Ginzburg und Edoardo Grendi eingeführt wurde47, reduzierte den Maßstab des Untersuchungsgegenstandes. Die „microstoria“ zeichnet sich durch eine Distanz zu allen großflächigen Theorieentwürfen aus und möchte eine Analyse eines „normalen Ausnahmefalls“48 vornehmen. Würde man Mikro- und Makroverläufe nicht zusammenbringen, so bestände die Gefahr eine endlose Zahl von nicht integrierbaren Einzelfallbefunden zu produzieren. Die Studie berücksichtigt daher immer auch überregionale politische und soziale Entwicklungen.

Der Zusammenhang der Entwicklung von Armenadministration und lokaler Verwaltung wird nicht institutionengeschichtlich, sondern akteurszentriert

übergreifenden Strukturen und Zusammenhängen gewinnen kann. Überträgt man diesen mikrohistorischen Ansatz auf andere Untersuchungsräume oder Zeiten, so können dieser Methode auf der einen Seite Überlieferungslücken oder –verluste entgegenstehen, auf der anderen Seite kann auch die Vielfalt und Masse der Überlieferungen problematisch werden. Auch makrohistorische Zusammenhänge und Fragestellungen werden dabei nicht ausreichend einbezogen. Zu mikrohistorischen Ansätzen siehe auch: Richard van Dülmen, Historische Anthropologie. Entwicklungen - Probleme - Aufgaben (Köln: 2000) S. 47-50. Sonja Häder, "Der Bildungsgang Des Subjekts: Thema - Kontext, Quellen - Methode -Theorie," Zeitschrift für Pädagogik 48 (2004): S. 8. 45 Es geht nicht um eine „Geschichte des Kleinen“, sondern um eine „Geschichte im Kleinen“ Medick, "Miko-Historie," S. 44. Zum Verhältnis von Mikro- und Makrogeschichte siehe auch Jürgen Schlumbohm, Mikrogeschichte - Makrogeschichte - Komplementär Oder Inkommensurabel?, Göttinger Gespräche Zur Geschichtswissenschaft, Bd 7 (Göttingen: 1998). Edwin Dillmann, "Sozialer Raum Zwischen Mikro- Und Makrohistorie. Versuch Methodischer Klärungen Aus Den Erfahrungen Regionalgeschichtlicher Arbeit," in Regionales Prisma Der Vergangenheit. Perspektiven Der Modernen Regionalgeschichte (19./20. Jahrhundert), ed. Edwin Dillmann (St Ingbert: 1996), Winfried Schulze, "Mikrohistorie Versus Makrohistorie? Anmerkungen Zu Einem Aktuellen Thema," in Historische Methode, ed. Christian Meier and Jörn Rüsen, Beiträge Zur Historik, Bd 5 (München: 1988). 46 Giovanni Levi, "The Origins of the Modern State and Microhistoric Perspective," in Mikrogeschichte - Makrogeschichte - Komplementär Oder Inkommensurabel?, ed. Jürgen Schlumbohm, Göttinger Gespräche Zur Geschichtswissenschaft, Bd 7 (Göttingen: 1998), S. 58. 47 Rund um die Quaderni Storici. Siehe auch Giovanni Levi, "On Microhistory," in New Perspectives on Historical Writing, ed. Peter Burke (Cambridge: 1991), Levi, "The Origins of the Modern State and Microhistoric Perspective.", S. 53ff. 48 Grendi führte diesen Begriff 1977 ein, in: Edoardo Grendi, "Microanalisi E Storia Sociale," Quaderni Storici 35, no. XII (2) (1977): S. 512.

18 untersucht. Zum ersten Mal werden damit für Irland nicht nur die Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen, sondern der Verwaltungsalltag und die Veränderungen in der lokalen Armenadministration sichtbar gemacht. Im Mittelpunkt stehen die komplexen Diskurse und Aushandlungsprozesse sowie die tatsächliche Umsetzung auf der lokalen Ebene für den gesamten Zeitraum der Existenz der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung. Das Handeln der Aufsichtsgremien wird in der Interaktion sowohl mit der übergeordneten Behörde als auch in der Poor Law Union selbst untersucht. Dabei werden jeweils zeitspezifische Problemlagen und Lösungsversuche beleuchtet.

Roche definiert lokale Verwaltung als „a system of administration in political subdivisions of the state, by elected bodies having substantial control of local affairs, including the power to impose taxes”49 und Callanan ergänzt “elected bodies, known as local authorities, operate within a specific geographical area within a state, are locally elected or selected, have some discretion and autonomy from central government and generally have the power to levy taxes (as a precondition for autonomy).”50 Haas beschreibt in seiner Studie, die den systemtheoretischen Ansätzen Luhmanns folgt, Organisieren und Verwalten als Formen „Wirklichkeit zu konstruieren, belebbar zu machen und als Lebenswelt einer Gesellschaft bzw. einer Kultur mit ihren Subsystemen zu etablieren“.51 Er wendet sich gegen den Ansatz, die Verwaltungsgeschichte als „kaum über die Beschreibung der vom politischen System vorgegebenen Arbeitsaufträge“52 hinauskommend aufzufassen. Stattdessen könne Verwaltungsgeschichte „als Organisationsgeschichte einen wesentlichen Beitrag zu einer Geschichte der soziokulturellen Wirklichkeitskonstruktionen“53 leisten und „als Kulturgeschichte“54

49 Desmond Roche, Local Government in Ireland (Dublin: Institute of Public Administration, 1982) S. 1. 50 Mark Callanan and Justin F Keogan, Local Government in Ireland. Inside Out (Dublin: Institute of Public Administration, 2003) S. 3. 51 Stefan Haas, Die Kultur Der Verwaltung. Die Umsetzung Der Preußischen Reformen 1800-1848 (Frankfurt: Campus Verlag, 2005) S. 12. In der Arbeit von Haase stehen allerdings nicht die Mitglieder der Organisation und ihre sozial determinierten Ziele im Vordergrund, sondern „die Organisations- und Ordnungsstrukturen, in denen Handlungen statttfinden und die Sinnhorizonte für konkrete Entscheidungen umschreiben“. Haas, Die Kultur Der Verwaltung. Die Umsetzung Der Preußischen Reformen 1800-1848 S. 40. 52 Haas, Die Kultur Der Verwaltung. Die Umsetzung Der Preußischen Reformen 1800-1848 S. 15. 53 Ebenda. 54 Siehe dazu: Haas, Die Kultur Der Verwaltung. Die Umsetzung Der Preußischen Reformen 1800- 1848. Haas untersucht anhand der preußischen Reformen des 19. Jahrhunderts mit einem 19 aufgefasst werden. Thomas Ellwein stellt in seiner Studie die Verwaltung als einen nicht nur „funktionierenden Apparat“ dar, sondern als ein „kreativ handelndes Subsystem“, welches in seiner tatsächlichen Tätigkeit von den Vorschriften durch den Gesetzgeber erheblich abweichen kann55.

Gerade in Irland ist die mikrohistorische Untersuchung der kommunalen Armenfürsorge wichtig, da auf dieser Ebene die lokalen Verwalter, die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung, ihre Entscheidungen trafen. Um einer regional oder lokal zu eng begrenzten Betrachtungsweise zu entgehen, wird zum einen die untersuchte Thematik immer wieder in epochen- und grenzüberschreitende Zusammenhänge gestellt und zum anderen das jeweilige Untersuchungsergebnis auf der Basis des Vergleichs eingeordnet und bewertet. Damit bieten sich Erkenntnismöglichkeiten, die bei einer auf eine Poor Law Union beschränkten Sichtweise ungenutzt bleiben würden.

Um die Aussagekraft der Studie über den Einzelfall hinaus zu erhöhen56, wurde als Untersuchungsgebiet eine eher städtische Poor Law Union, Galway, gewählt und eine eher ländliche, Gort. Der Vergleich geht nach Hans Medick „nicht über die Einzelfälle hinweg, sondern [nimmt] sie stets als Bezugspunkt, von dem her die Frage nach den Ähnlichkeiten, Gemeinsamkeiten und Unterschieden historischer Phänomene und deren Erklärung zu stellen ist“57. Für beide Untersuchungsgebiete galt der gemeinsame gesetzliche Rahmen, die irische Armengesetzgebung von systemtheoretischen Ansatz, wie sich Reformmaßnahmen im Alltag ihrer Umsetzung verändern. Im Mittelpunkt stehen die unmittelbare Kommunikation unter den Beamten ebenso wie die Veränderungen in der Kultur des Organisierens an der Schnittstelle von Verwaltung und Bevölkerung. Erst auf dieser Mikroebene zeigt sich: Im Zuge der Neustrukturierung wurden auch neue Verhaltensweisen der Beamten entwickelt, neue Formen, sich zu kleiden und im Alltag aufzutreten. All diese Maßnahmen zusammen führten zu einer neuen Kultur der Verwaltung, so Haas. 55 Thomas Ellwein, Das Dilemma Der Verwaltung. Verwaltungsstruktur Und Verwaltungsreformen in Deutschland (Mannnheim: 1994) S. 51. 56 Medick, "Miko-Historie," S. 47, Medick, Weben Und Überleben in Laichingen 1650-1900: Lokalgeschichte Als Allgemeine Geschichte. Levi, "On Microhistory," S. 108. Zum Ansatz einer vergleichenden Mikrostudie siehe auch die Dissertationen von Mayr, Zwischen Dorf Und Staat. Amtspraxis Und Amtsstil Französischer, Luxemburgischer Und Deutscher Landbürgermeister Im 19. Jahrhundert. Und Ruth Dörner, Staat Und Nation Im Dorf. Erfahrungen Im 19. Jahrhundert: Frankreich, Luxemburg, Deutschland, Forum Europäische Geschichte 1 (München: Martin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung, 2006). 57 Hans Medick, "Entlegene Geschichte? Sozialgeschichte Und Mikro-Historie Im Blickfeld Der Kulturanthropologie," in Zwischen Den Kulturen? Die Sozialwissenschaften Vor Dem Problem Des Kulturvergleichs, ed. Joachim Mattes (Göttingen: 1992), S. 174.

20 1838. Durch dieses Gesetz wurden beide Untersuchungsgebiete jeweils als Verwaltungseinheit neu geschaffen. Die Galway und Gort Poor Law Union werden als zu vergleichende Objekte getrennt voneinander betrachtet, um sie anschließend im Hinblick auf bestimmte Gesichtspunkte58, also auf ein „tertium comperationis“, miteinander zu vergleichen. Diese Vorgehensweise ermöglicht etwa bei der Frage nach der Politisierung der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung Erkenntnisse darüber, ob sich auch in einer eher städtischen Poor Law Union die Pächter durchsetzen konnten und die Dominanz der großen Landbesitzer ablösen konnten. Dabei bleibt diese Studie nicht bei einer Deskription von Unterschieden und Gemeinsamkeiten, denn „die Feststellung einer nicht erwarteten Besonderheit durch Vergleich drängt vielmehr meistens zur Frage nach deren Entstehungs-, Verlaufs- und Ausprägungsbedingungen“59. Der Vergleich kann zudem als „indirektes Experiment“ dienen und das „Testen von Hypothesen“ ermöglichen60. Dieses ermöglicht eine kritische Überprüfung der These von Feingold, der den Wechsel in der sozialen Zusammensetzung der irischen Board of Guardians von den großen Landbesitzern zu den Pächtern Mitte der 1880er Jahre als weitgehend abgeschlossen ansah61.

Beide Verwaltungsbezirke lagen innerhalb einer Grafschaft, die überwiegend landwirtschaftlich geprägt war. Der Westen Irlands und besonders die Grafschaft Galway wiesen die kleinsten Hofflächen von ganz Irland auf. Die völlige Abwesenheit von Industrie, die strukturschwache Landwirtschaft und die Abhängigkeit von der Kartoffel als Hauptnahrungsmittel kennzeichneten Galway als Armutsregion62. Die Galway und Gort Poor Law Union grenzten geographisch direkt aneinander, so dass es besonders interessant erscheint die Entwicklung der kommunalen Armenfürsorge beider Gebiete hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede vergleichend zu analysieren. Eine regional vergleichende

58 Die Fragestellungen zu beiden Untersuchungskapiteln werden im Kapitel „Fragestellungen, Thesen, Abgrenzung des Themas“ vorgestellt. 59 Haupt, "Historischer Vergleich: Methoden, Aufgaben, Probleme. Eine Einleitung," S. 13. 60 Ibid. 61 William Feingold, "The Tenants` Movement to Capture the Irish Poor-Law Boards 1877-1886," Albion 7, no. 3 (1975), Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886. 62 Liam Kennedy et al., Mapping the Great Irish Famine. A Survey of the Famine Decades (Dublin: Four Courts Press, 1999) S. 36. mit vielen Statistiken zur Großen Hungersnot in Irland, die die regionalen Auswirkungen auf Irland differenziert darstellen. Zu den sozioökonomischen Rahmenbedingungen siehe das gleichnamige Kapitel.

21 Untersuchung der kommunalen Armenfürsorge liegt für Irland bisher noch nicht vor63.

In beiden Untersuchungsgebieten wurden biographische Daten über die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen im gesamten Untersuchungszeitraum gesammelt, um so Rückschlüsse auf die Arbeit in den Aufsichtsgremien ziehen zu können64. Da die irische Armengesetzgebung von 1838 eine völlig neue Administrationsstruktur in beiden Untersuchungsgebieten etablierte, sollen durch den Vergleich Unterschiede und Gemeinsamkeiten im

63 Es liegen einige international vergleichende Studien zu Irland vor: R. C. Allen and Cormac O`Gráda, "On the Road Again with Arthur Young. English, Irish, and French Agriculture During the Industrial Revolution," Journal of Economic History 48, no. 1 (1988), Clare M. Boucher, "Working the Land: Land and Politics in Ireland, England and Wales in the 1880`S" (M.Phil., Wales University, 1999), Paul Butel, ed., Cities and Merchants. French and Irish Perspectives on Urban Development, 1500 - 1900. Proceedings of the Fourth Franco-Irish Seminar of Social and Economic Historians (Dublin: 1986), Sean J. Connolly, R.A. Houston, and R. J. Morris, Conflict, Identity and Economic Development: Ireland and Scotland 1600-1939 (Edinburgh: Donald, 1994), Louis Michael Cullen and Francois Furet, eds., Ireland and France 17th-20th Centuries. Towards a Comparative Study of Rural History. Proceedings of the First Franco-Irish Symposium on Social and Economic History in Dublin, Recherches D'histoire Et De Sciences Sociales; 1 (Paris: Éditions de l'École des Hautes Études en Sciences Sociales, 1980), Louis Michael Cullen and T. C. Smout, Comparative Aspects of Scottish and Irish Economic and Social History, 1600-1900 (Edinburgh: Donald, 1977), T.A. Devine and D. Dickson, Ireland and Scotland: Parallels and Contrasts in Economic and Social Development (Edinburgh: John Donald, 1983), Jacques Dupaquier, "Les Aventures Demographiques Comparees De La France Et De L`Irlande (Xviiie-Xx Siecle)," Annales E.S.C. 33, no. 1 (1978), Paul Harding, "Social and Economic Connections between Scotland and Ireland in the Later 19th Century" (M. Lit., Aberdeen, 1994), Joseph Melling and Bill Forsythe, eds., Insanity, Institutions and Society 1800-1914. A Social History of Madness in Comparative Perspective (London New York: Routledge, 1999), Rosalind M. Mitchison and Peter Roebuck, eds., Economy and Society in Scotland and Ireland, 1500-1939 (Edinburgh: Donald, 1988), Joel Mokyr, "Industrialization and Poverty in Ireland and the Netherlands: Some Notes Towards a Comparative Case Study," Journal of Interdisciplinary History 10, no. 3 (1981), Cormac O`Grada and Niall Duffy, Fertility Control in Ireland and Scotland, C. 1880-1930 (Dublin: University College Dublin, 1989), Felician Prill, Ireland, Britain and Germany 1871 - 1914. Problems of Nationalism and Religion in Nineteenth-Century Europe (Dublin: Gill and Macmillan, 1975), W. T. R. Pryce and Ian Donnachie, "Aspects of English, Welsh, Scottish and Irish Migrations," in From Family to Community History, ed. W. T. R. Pryce (Cambridge: Cambridge University Press, 1994), June Sklar, "Marriage and Nonmarital Fertility: A Comparison of Ireland and Sweden," Population and Development Review 3, no. 4 (1977), P. M. Solar and M. Goossens, "Agricultural Productivity in Belgium and Ireland in the Early Nineteenth Century," in Land, Labour and Livestock: Historical Studies in European Agricultural Productivity, ed. M. S. Campbell Bruce and Mark Overton (Manchester: 1991), Kevin Whelan, "Catholic Mobilisation 1750-1850," in Culture Et Practiques Politiques En France Et En Irlande Xvi-Xviii Siecle: Actes Du Colloque De Marseille 28 Septembre - 2 Octobre 1988, ed. P. Bergeron and L.M. Cullen (Paris: CRH, 1991), Jeffrey G. Williamson, "Economic Convergence. Placing Post-Famine Ireland in Comparative Perspective," Irish Economic and Social History 21 (1994). Der Schwerpunkt der international vergleichenden Studien beschäftigt sich mit dem Vergleich Schottland – Irland. 64 Hierbei geht es weniger um die Erstellung einer Kollektivbiographie, sondern vielmehr um die Einbeziehung biographischer Daten für die Klärung der Fragestellungen dieser Studie. Die Quellenlage und die Größe der untersuchten Personengruppe von nahezu 700 Personen ließen eine detailliertere biographische Untersuchung nicht zu.

22 gesamten Zeitraum der Existenz der Board of Guardians herausgearbeitet werden65. In der Studie soll dargestellt werden, wie sich die tatsächliche Verwaltungspraxis innerhalb des gemeinsamen rechtlichen Rahmens im städtischen und im ländlichen Untersuchungsgebiet entwickelte. Dabei gilt es auch zu untersuchen, inwieweit es eine Kommunikation oder eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Untersuchungsgebieten gab. Hierbei spielt die Frage eine Rolle, ob der gemeinsame gesetzliche Rahmen ein eher verbindendes Element darstellte oder von seiner Anlage eher eine Abgrenzung der einzelnen Poor Law Unions förderte. Die Studie bietet keine Erfassung der vielschichtigen Totalität der Geschichte des Untersuchungsgebietes, sondern arbeitet mit bestimmten Fragestellungen zur Untersuchung eines Teilaspektes, nämlich des Zusammenhangs der Entwicklung von Armenadministration und lokaler Verwaltung in Irland von 1838 bis 192166.

65 Nach Kocka/ Haupt dient der historische Vergleich der „Beschreibung und Erklärung von Aussagen über Ähnlichkeiten und Unterschiede bezüglich geschichtlicher Handlungen, Erfahrungen, Prozessen und Strukturen, Wechselwirkungen zwischen den zu vergleichenden Einheiten. Haupt, "Historischer Vergleich: Methoden, Aufgaben, Probleme. Eine Einleitung.", S. 9ff. 66 Ibid., S. 23.

23 1.4 Forschungsstand

Der allgemeine Forschungsstand zum breiten Themenkomplex Armut, Armenpolitik und Sozialstaatsentwicklung in Großbritannien im 19. und frühen 20. Jahrhundert ist durch zahlreiche Neuerscheinungen in der jüngsten Zeit weiter differenziert worden67. Armut und Armenpolitik in britischen Städten ist seit einigen Jahren ein Thema der sozialwissenschaftlichen und sozialhistorischen Forschung. Es gibt inzwischen zahlreiche Veröffentlichungen, besonders zu größeren englischen Städten wie London, Liverpool oder Manchester. Aber auch zu irischen Orten liegen einige Arbeiten vor. Hierbei handelt es sich entweder um Überblicksdarstellungen zur Entwicklung der Armenfürsorge in Irland, oft vergleichend zu England oder Schottland angelegt, oder um kleinere Lokalstudien, die sich mit dem Leben in Armut und den Armen als Untersuchungsgruppe befassen68.

Es existieren nur vereinzelte, regional, thematisch und zeitlich begrenzte historische Untersuchungen zum Thema der irischen Arbeitshäuser und der Armenverwaltung, mit Schwerpunkt in der Zeit der großen Hungersnot in Irland69.

67 Neue Beispiele für Studien zum Wohlfahrtswesen in Großbritannien sind u.a. Steven King, Welfare and the Economy of Makeshifts in Early and Modern Europe (Cambridge: 1999), Steven King, Women, Welfare and Local Politics 1880-1920: "We Might Be Trusted" (Sussex: Sussex Academic Press, 2006), Steven King, ed., Poverty and Welfare in England, 1700-1850. A Regional Perspective, Manchester Studies in Modern History (Manchester u.a.: Manchester University Press, 2000), Lynn Hollen Lees, The Solidarities of Strangers. The English Poor Laws and the People, 1700-1948 (Cambridge: 1998). George Davey-Smith, Daniel Dorling, and Mary Shaw, eds., Poverty, Inequality and Health in Britain 1800-2000. A Reader (Bristol: Policy, 2001), Bernard Harris, The Origins of the British Welfare State: Social Welfare in England and Wales 1800-1945 (Basingstoke: 2004). Zur europäischen Perspektive siehe unter anderem Andreas Gestrich, Steven King, and Lutz Raphael, eds., Being Poor in Modern Europe. Historical Perspectives 1800-1940 (Bern u.a.: Peter Lang, 2006). Andreas Gestrich, Elizabeth T. Hurren, and Steven King, eds., Narratives of Sickness and Poverty (Rodopi, 2007). 68 Siehe beispielsweise Ned McHugh, Drogheda before the Famine: Urban Poverty in the Shadow of Privilege 1826-45, ed. Raymond Gillespie, Maynooth Studies in Local History (Dublin: Irish Academic Press, 1998). Richard Reid and Cheryl Mongan, A Decent Set of Girls. The Irish Famine Orphans of the Thomas Arbuthnot 1849-1850 (Yass: Yass Heritage Project, 1997). Geraldine Candon, Headford, County Galway, 1775-1901, ed. Raymond Gillespie, vol. 51, Maynooth Studies in Local History (Dublin: Four Courts Press, 2003), Christine Kinealy and Gerard MacAtasney, The Hidden Famine. Poverty, Hunger, and Sectarianism in Belfast, 1840-50 (London, Sterling, Va.: Pluto Press, 2000), Michelle O`Mahony, Famine in Cork City: Famine Life at Cork Union Workhouse (Cork: Mercier Press, 2005). 69 Siehe beispielsweise Sister Kelly, "From Workhouse to Hospital: The Role of the Irish Workhouse in Medical Relief to 1921". Lonergan, A Workhouse Story: A History of St Patrick`S Hospital Cashel, 1842-1992. Gould, The Workhouses of Ulster. Guinnane and O`Grada, "Mortality in the North Dublin Union During the Great Irish Famine.", Kinealy, "The Poor Law During the Great Famine. An Administration in Crisis.", Kinealy, "The Role of the Irish Poor Law During the Famine.", Kinealy, 24 Hier sind beispielsweise die Studien von Kennedy und anderen sowie Timothy Guinnane und Cormac O’Grada zu nennen, die eine Reihe von statistischen Untersuchungen zu den sozio-ökonomischen Bedingungen während der grossen Hungersnot in Irland präsentieren70. Christine Kinealy beschäftigt sich in mehreren Aufsätzen und Monographien mit der irischen Armenverwaltung, beschränkt sich dabei aber auf die Zeit der grossen Hungersnot71. Mitbehandelt wird die irische Armengesetzgebung auch in Studien zur irischen Emigration72. Dympna MacLoughlin untersucht in einem Beitrag für einen Sammelband die weiblichen Insassen der irischen Arbeitshäuser und greift damit einen Teilaspekt ihrer Dissertation auf, in der sie die Emigration von Frauen aus irischen Arbeitshäusern untersucht73.

This Great Calamity. The Irish Famine, 1845-52, O`Mahony, Cork`S Poor Law Palace: Workhouse Life 1838-1890.; O`Laoi, "1847- Famine in Galway.", Villiers-Tuthill, Patient Endurance: The Great Famine in Connemara. O`Brien Famine and Community in Mullingar Poor Law Union, 1845-1849. Mud Cabins and Fat Bullocks. 70Kennedy et al., Mapping the Great Irish Famine. A Survey of the Famine Decades, S 15ff. Timothy Guinnane und Cormac O`Grada, "Mortality in the North Dublin Union During the Great Irish Famine," Economic History Review LV, no. 3 (2002), S. 487-506; Timothy Guinnane and Cormac O`Grada, "The Workhouses and Irish Famine Mortality," in The Demography of Famines: Perspectives from the Past and the Present, ed. Cormac O`Grada and Tim Dyson (Oxford: Oxford University Press, 2002).

71 Christine Kinealy, "The Poor Law During the Great Famine. An Administration in Crisis," in Famine. The Irish Experience, 900-1900. Subsistence Crises and Famines in Ireland, E. Margaret Crawford (Hg) (Edinburgh: John Donald, 1989), S. 157ff; Dies., "The Role of the Irish Poor Law During the Famine," in The Great Irish Famine, Cathal Poirteir (Hg) (Dublin: 1995), S. 104ff; Dies., This Great Calamity. The Irish Famine, 1845-52 (Dublin: Gill & Macmillan, 1994); Christine Kinealy, The Great Irish Famine. Impact, Ideology, and Rebellion (Hampshire, New York: 2002), Kinealy, "The Role of the Irish Poor Law During the Famine." 72 Siehe dazu etwa: Trevor McClaughlin, Barefoot and Pregnant? Irish Famine Orphans in Australia (Melbourne: The Genealogical Society of Victoria Inc., 1991). Judy Collingwood, "Irish Work-House Children in Australia," in The Irish Emigrant Experience in Australia, ed. John O´Brien and Pauric Travers (London: Poolbeg, 1991). Patrick Hickey, "Famine, Mortality and Emigration: A Profile of Six Parishes in the Poor Law Union of Skibbereen, 1846-47," in Cork: History and Society, ed. Patrick O`Flanagan and Cornelius Buttimer (Dublin: Geography Publications, 1993). Gerard Moran, "James Hack Tuke and Assisted Emigration from Mayo and Galway in the 1880`S," in The Emigrant Experience. Papers Presented at the 2nd Annual Mary Murray Weekend Seminar, Galway, 30.3.- 1.4.1990, ed. Mary Clancy and Galway Labour History Group (Galway: 1991). Frank Neal, "Lancashire, the Famine Irish and the Poor Laws: A Study in Crisis Management," Irish Economic and Social History 22 (1995). Cormac O`Grada and Kevin O`Rourke, "Mass Migration as Disaster Relief: Lessons from the Great Irish Famine," European Review of Economic History 1 (1997). Richard Reid, "Aspects of Irish Assisted Emigration to New South Wales 1848-1870" (Ph.D. thesis, Australian National University, 1992). Joseph Robins, "The Emigration of Irish Work-House Children to Australia in the Nineteenth Century," in The Irish Emigrant Experience in Australia, ed. John O´Brien and Pauric Travers (Dublin: Poolbeg, 1991). 73 Dympna MacLoughlin, "Shovelling out Paupers. Female Emigration from Irish Workhouses, 1840- 1870" (PhD, Syracuse University, 1988), MacLoughlin, "Workhouses and Irish Female Paupers 1840-1870.", S. 117ff. Dympna MacLoughlin, "Superfluous and Unwanted Deadweight: The 25 Über die Akteure auf der lokalen Ebene ist nur wenig bekannt und das Zusammenspiel verschiedener Institutionen mit der kommunalen Armenfürsorge ist, trotz mancher wichtiger Einzelstudien74, weiterhin mangelhaft erforscht. Ein Defizit besteht auch bei der Untersuchung des Innenlebens von einzelnen Fürsorgeeinrichtungen, wie den Arbeitshäusern oder auch den Asylums75. Margaret Crawford etwa untersucht die Ernährung der Arbeitshausinsassen und Michelle O’Mahony analysiert in einer Lokalstudie die Lebensbedingungen der Arbeitshausinsassen von Cork während der Grossen Hungersnot76.

Die bisherige Forschung setzt ihren Schwerpunkt vor allem auf den abschreckenden und disziplinierenden Charakter der Arbeitshäuser77, so auch die Monographien von Helen Burke und John O`Connor. Untersuchungen, die sich mit den Board of Guardians und der lokalen Verwaltungsebene befassen, wurden von William Feingold78 und Virginia Crossman79 vorgenommen. Feingolds Kernthese

Emigration of Nineteenth-Century Irish Pauper Women," in Irish Women and Irish Migration, ed. Patrick O`Sullivan (Leicester: 1995). 74 Siehe hier beispielsweise Joseph Robins, The Lost Children. A Study of Charity Children in Ireland, 1700-1900 (Dublin: Institute of Public Administration, 1980). Maria Luddy and Cliona Murphy, eds., Women Surviving. Studies in Irish Women's History in the Nineteenth and Twentieth Centuries (Dublin: Poolbeg Press Ltd, 1989), Sharon C. Skehill, "The Residuum Children: Infanticide and Abandonment in Ireland 1880-1914" (M.A., National University of Ireland, Galway, 1999). 75 E. Margaret Crawford, "The Irish Workhouse Diet, 1840-90," in Food, Diet and Economic Change, Past and Present, ed. Catherine Geissler and Derek J. Oddy (Leicester: Leicester University Press, 1993), Rosaline Delargy, "History of the Belfast District Lunatic Asylum, 1829- 1921" (Ph.D., Ulster University, 2002), Lonergan, A Workhouse Story: A History of St Patrick`S Hospital Cashel, 1842-1992, MacLoughlin, "Workhouses and Irish Female Paupers 1840-1870.", Ann O`Hare, "Hungry Years. An Account of the Milford Workhouse 1841-1923," (Ramelton Community Heritage Project, 1989), O`Mahony, Famine in Cork City: Famine Life at Cork Union Workhouse. 76 E. Margaret Crawford, "The Irish Workhouse Diet, 1840-90," in Food, Diet and Economic Change, Past and Present, Catherine Geissler and Derek J. Oddy (Hg) (Leicester: Leicester University Press, 1993), S. 83-100; O`Mahony, Famine in Cork City: Famine Life at Cork Union Workhouse, S. 20ff..

26 lautet, dass es den Pächtern und deren politischer Vertretung, der Land League, gelang, in „a systematic campaign to seize control of poor-law boards throughout the country“80. In seiner Studie sieht Feingold eine Phase der Nationalisierung der irischen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung von 1872 bis 1886.

Crossman untersucht in mehreren Studien verschiedene Teilaspekte der irischen Armengesetzgebung mit Schwerpunkt im späten 19. Jahrhundert. So erforscht sie die Aufsichtsgremien als Teil der irischen Lokalverwaltung im ländlichen Raum81, die Politisierung irischer Aufsichtsgremien in den 1880er und 1890er Jahren82 oder den Einfluss von kolonialen83 oder gender Aspekten84 auf die irische Armengesetzgebung. Virginia Crossman spricht von den Board of Guardians in den 1880er Jahren und den personellen Veränderungen als einem „more politicized and polarized system“85, in dem gewählte Mitglieder für die Rechte der

77 Dazu etwa: F. Driver, Power and Pauperism. The Workhouse System, 1834-1884 (Cambridge: CUP, 1993) S. 87, Guinnane, The Vanishing Irish. Households, Migration and the Rural Economy in Ireland 1850-1914 S. 61. M. Longmate, The Workhouse (Temple Smith: 1974). David Englander, Poverty and Poor Law Reform in Britain. From Chadwick to Booth, 1834-1914, Seminar Studies in History (London, New York: Addison Wesley Longman, 1998). 78 Feingold, "The Tenants` Movement to Capture the Irish Poor-Law Boards 1877-1886.", William L. Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881," in Irish Peasants. Violence and Political Unrest, 1780-1914, ed. Samuel Clark and James S. Donnelly (Manchester: Manchester University Press, 1983), Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886, William Leo Feingold, "The Irish Boards of Poor Law Guardians 1872-1886. A Revolution in Local Government" (Ph.D., University of Chicago, 1974). 79 Crossman, "Building the Nation: Local Administration in Rural Ireland 1850-1920.", Crossman, "The Charm of Allowing People to Manage Their Own Affairs: Political Perspectives on Emergency Relief in Late Nineteenth Century Ireland.", Crossman, Local Government in Nineteenth-Century Ireland, Crossman, "Local Government in Nineteenth-Century Ireland.", Crossman, "The New Ross Workhouse Riot of 1887: Nationalism, Class and the Irish Poor Laws.", Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland, Virginia Crossman, "With the Experience of 1846 and 1847 before Them: The Politics of Emergency Relief in 1879-84," in Victoria`S Ireland: Irishness and Britishness, 1837-1901, ed. Peter Gray (Dublin: Four Courts Press, 2004). Virginia Crossman, The Poor Law in Ireland 1838-1948, ed. The Economic and Social History Society of Ireland, 10 vols., vol. 10, The Economic and Social History Society of Ireland Series (Dundalk: Dundalgan Press, 2006). 80 Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881," S. 286. 81 Crossman, Local Government in Nineteenth-Century Ireland S. 43-63. Crossman, "Building the Nation: Local Administration in Rural Ireland 1850-1920.", S. 188. 82 Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland. 83 Crossman, "Local Government in Nineteenth-Century Ireland." (1994), S. 43-64. 84 Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland Kapitel 6. Virginia Crossman, "Viewing Women, Family and Sexuality through the Prism of the Irish Poor Laws," Women's History Review 15, no. 4 (2006). 85 Crossman, "The New Ross Workhouse Riot of 1887: Nationalism, Class and the Irish Poor Laws," S. 139. 27 Pächter und den irischen Nationalismus eintraten und ex-officio Guardians die Interessen der großen Landbesitzer repräsentierten und die Union mit Großbritannien beibehalten wollten. Feingold legte den Schwerpunkt seiner Untersuchung auf die sozioökonomische Herkunft der Guardians mit der Unterscheidung zwischen Landbesitzern und Pächtern, sowie auf die jährlichen Poor Law Wahlen und die Anzahl der anwesenden Mitglieder der Armenverwaltung bei den wöchentlichen Treffen86. Aus der Herkunft und Zugehörigkeit der Guardians zur landbesitzenden Gruppe beziehungsweise zur Pächtergruppe schloss er auf die politische Zugehörigkeit (konservativ-unionistisch versus nationalistisch) und den Einfluss der entsprechenden Gruppen. Diese simplifizierende Untersuchungsweise kritisiert auch Virginia Crossman87. Nach Feingold fielen der Anteil und damit der Einfluss der Landbesitzer von 88 Prozent im Jahr 1877 auf 51 Prozent im Jahr 188688. Diesen Abfall des prozentualen Anteils der Landbesitzer interpretierte Feingold als einen „Machtwechsel“ in den Board of Guardians von den Landbesitzern zu den Pächtern.

Feingold analysierte weiterhin den Einfluss von Land League Ortsvereinen auf die jährlichen Poor Law Wahlen. Dabei stellte er fest, dass die Führer der Pächtervereinigung auf der nationalen Ebene kaum Interesse an der Armenverwaltung zeigten, auf der lokalen Ebene dagegen seien die Bemühungen und Aktivitäten der Pächtervereinigung groß gewesen89. Feingold kommt zu dem Ergebnis, dass die lokalen Armenverwaltungen den Pächtern Erfahrungen in lokaler Verwaltung und Politik brachten, die eine wichtige Vorbereitung für die Selbstverwaltung in Irland darstellten90. Er schreibt, dass die Angriffe auf die Macht der Landbesitzer und die Erfolge der Pächter und der Pächtervereinigung in den Provinzen Munster und Connaught besonders erfolgreich waren. Das Jahr 1886

86 Feingold, "The Tenants` Movement to Capture the Irish Poor-Law Boards 1877-1886.", Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881.", Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886, Feingold, "The Irish Boards of Poor Law Guardians 1872-1886. A Revolution in Local Government". 87 Crossman, Local Government in Nineteenth-Century Ireland S. 53. 88 Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886 S. 218. 89 Ibid. S. 168-9. Crossman hingegen weicht in ihrer Untersuchung deutlich von Feingold ab. Siehe dazu Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland., S. 71ff.. 90 Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886 S. 234.

28 stellt nach Feingold den wesentlichen Abschluss der „Nationalisierung“ der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung dar. Auch Virginia Crossman stellt einen Wechsel in der Zusammensetzung der Armenfürsorgekomitees in den 1880er Jahren von der Dominierung durch die großen Landbesitzer hin zu einer Übernahme durch nationalistische Pächter fest. Beide Forscher untersuchen dabei ausschließlich ländliche Poor Law Unions. Die Fallstudie von Feingold beschäftigt sich mit Tralee, im Südwesten Irlands gelegen, und Crossman analysiert Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in den Grafschaften Mayo, Cork, Wexford und Fermanagh. Die Untersuchungen suggerieren einen linearen Prozessverlauf der Nationalisierung der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung, der in der Mitte der 1880er Jahre als weitgehend abgeschlossen angesehen werden kann. Dieses erscheint jedoch fraglich. Eine regional vergleichende Studie erscheint daher notwendig, die auch ein städtisches Aufsichtsgremium der Armenverwaltung untersucht, welches sich nicht primär durch den Gegensatz von großen Landbesitzern und Pächtern auszeichnete und in der die Pächtervereinigung möglicherweise eine geringere Rolle spielte als im ländlichen Raum.

Eine Untersuchung zur lokalen Verwaltungsebene über den gesamten Zeitraum der Existenz der Arbeitshäuser, wie sie in dieser Studie stattfindet, steht für Irland in der Forschungsliteratur bisher noch aus91. Auch Studien zur Geschichte der beiden Untersuchungsgebiete, Galway und Gort, liegen bisher nur vereinzelt vor. Für die vorliegende Arbeit ist vor allem die 2004 publizierte Dissertation von John Cunningham zur Stadt Galway wichtig92. Diese sozialgeschichtliche Monographie beleuchtet die Stadt Galway von 1790 bis 1914 und deckt somit fast den gesamten Untersuchungszeitraum der vorliegenden Studie ab. Zwei Kapitel des Buches widmen sich der Wohltätigkeit und der Wohlfahrt und behandeln dort auch das Arbeitshaus der Stadt Galway und die irische Armengesetzgebung kurz mit. Zum Stadtjubiläum erschien ein Sammelband zur Geschichte der Stadt Galway von 1484-1984, von dem besonders der Aufsatz von Gearoid O`Tuathaigh zum 19.

91 Zur Zeit entsteht im SFB 600 an der Universität Trier auch eine Dissertation zu „Armut und lokale Netzwerke der Fürsorge in Nordwestirland und südlicher Rheinprovinz zwischen 1890 und 1933“ (Inga Brandes). 92 John Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea (Dublin: Geography Publications, 2004), John Francis Cunningham, "Patterns of Social Changes in a Provincial Capital: Galway, C. 1800-1914" (Ph.D., NUI Galway, 2001). Für die Publikation wurde bis auf die Einleitung die Dissertation nicht abgeändert.

29 Jahrhundert beachtet werden muss93 und der Beitrag von James P. Murray zur Gesundheit und Medizin in Galway94. James P. Murray veröffentlichte 1992 eine „medico-social History“ von Galway95. In dieser Monographie behandelt ein Kapitel die Arbeitshäuser der Grafschaft Galway96. Zu Hungersnöten in Galway im Untersuchungszeitraum liegen mehrere Aufsätze vor97. Hierbei ist besonders der Aufsatz von Christine Kinealy zu beachten, der sich mit den lokalen

93 Gearoid O`Tuathaigh, "The Air of a Place of Importance. Aspects of Nineteenth Century Galway," in Galway. Town and Gown 1484-1984, ed. Diarmuid O`Cearbhaill (Dublin: 1984). O`Tuathaigh veröffentlichte weitere Aufsätze zur Geschichte Galways: Gearoid O`Tuathaigh, "The Establishment of the Queen`S Colleges: Ideological and Political Background," in From Queen`S College to National University. Essays on the Academic History of Qcg/Ucg/Nui, Galway, ed. Tadgh Foley (Dublin: Four Courts Press, 1999), Gearoid O`Tuathaigh, "Galway in the Modern Period: Survival and Revival," in Irish Cities, ed. Howard Clarke (Dublin: Mercier Press, 1995), Gearoid O`Tuathaigh, "The Great Famine and Social Change in Ireland," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 3, no. Famine Edition (1995). 94 James P. Murray, "Health and Medicine in Galway," in Galway. Town and Gown 1484-1984, ed. O`Cearbhaill (Dublin: 1984). Weitere Aufsätze von Murray zu Galway: James P. Murray, "The Great Famine in Galway," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 3, no. Famine Edition (1995), James P. Murray, "A Lesser Known Famine Crisis in Galway, 1879/80," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 4 (1996). 95 James P. Murray, Galway: A Medico-Social History (Galway: Kenny`s Bookshop & Art Galleries Ltd Galway, 1992). 96 James P. Murray, "The Galway Workhouses," in Galway: A Medico-Social History, ed. James P. Murray (Galway: 1992). 97 John Joe Conwell, Galway Landlord and the Famine. Ulick John De Burgh (Dublin: Four Courts Press, 2003), Geraldine Curtin, "Records from the Gort Union 1844-54," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 3, no. Famine Edition (1995), Barbara Friling, "The Impact of the Great Famine on the Social and Economic Role of Women in Connaught" (M.A., NUI Galway, 1991), Catherine Jennings, "1880: A Most Distressful Year in Connemara," Journal of the Clifden and Connemara heritage group 1, no. 1 (1993), Christine Kinealy, "The Response of the Poor Law to the Great Famine in County Galway," in Galway: History and Society, ed. Gerard Moran and Raymond Gillespie (Dublin: Geography Publications, 1996), Margaret Langan Egan, "Some Aspects of the Great Famine in Galway," Journal of the Galway Archeological and Historical Society 51 (1999), Michael MacMahon, "The Famine in Loughrea Poor Law Union," in A Forgotten Campaign, ed. Woodford Heritage Group (Galway: Woodford Heritage Group, 1986), Marie Mannion, "The Work of the Quakers in Galway During Famine Times," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 3, no. Famine Edition (1995), Murray, "The Great Famine in Galway.", James P. Murray, "The Great Famine in Galway City and County," in Galway: A Medico- Social History, ed. James P. Murray (Galway: Kenny`s Bookshop & Art Galleries Ltd Galway, 1992), Murray, "A Lesser Known Famine Crisis in Galway, 1879/80.", Thomas Sean O`Conaola, "The Great Famine in Connemara: Impact and Assessment" (NUI Galway, 1995), Peadar O`Dowd, "The Great Famine and the Clergy in Galway City," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 3, no. Famine Edition (1995), O`Laoi, "1847- Famine in Galway.", Donall O`Luanaigh, "Popular Outbreaks in Galway, September-October, 1846," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 3, no. Famine Edition (1995), Timothy P. O`Neill, "Minor Famines and Relief in Galway, 1815-1925," in Galway: History and Society, ed. Gerard Moran and Raymond Gillespie (Dublin: Geography Publications, 1996), Tim Robinson, Corville Scott, Thomas, Connemara after the Famine: Journal of a Survey of the Martin Estate, 1853 (Dublin: Lilliput Press, 1995), Stephen A. Royle, "Irish Famine Relief in the Early Nineteenth Century: The 1822 Famine on the Aran Islands," Irish Economic and Social History Journal 11 (1984). Timothy P. O`Neill, "The Food Crisis of the 1890`S," in Famine: The Irish Experience 900-1900, ed. E. Margaret Crawford (Edinburgh: John Donald, 1989).

30 Armenfürsorgekomitees in der Grafschaft Galway während der grossen Hungersnot befasst98. Auch die politische Situation in Galway im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde in einzelnen, überwiegend unveröffentlichten Studien behandelt99. Dabei beschäftigen sich die Untersuchungen von Murtagh und Kerrigan jedoch vorwiegend mit den politischen Verhältnissen in der Zeit vor dem Erlass des irischen Armengesetzes, während die Arbeit von Keane die Lokalpolitik von Galway zum Ende des Untersuchungszeitraumes dieser Studie analysiert. Besonders die Arbeit von Murtagh liefert einen ausführlichen Überblick der Verwaltungsstrukturen in Galway in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und zeigt dabei auch strukturelle und personelle Veränderungen und Kontinuitäten in der lokalen Administration auf.

Wichtig für diese Studie ist vor allem die Monographie von Fergus Campbell, der den Einfluss der Nationalisten im Westen Irlands von 1891 bis 1921 untersucht. Dabei analysiert Campbell verschiedene nationalistische politische Vereinigungen in der Grafschaft Galway. Er beschraenkt sich nicht darauf, Aktionen und Ziele dieser Gruppen zu beschreiben, sondern rekonstruiert detailliert mit Hilfe einer Vielzahl von unterschiedlichen Quellen die soziale und ökonomische Herkunft einzelner Mitglieder in Galway und liefert damit einen wichtigen sozialgeschichtlichen Beitrag zur Geschichte der Nationalisten in Galway vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Unabhängigkeit Irlands.

Im Jahr 2000 erschien eine lokalgeschichtliche Studie zu Gort100. Informationen zu einzelnen Mitgliedern und führenden Familien aus der Grafschaft Galway konnten

98 Christine Kinealy, "The Response of the Poor Law to the Great Famine in County Galway," in Galway: History and Society, Gerard Moran and Raymond Gillespie (Hg) (Dublin: Geography Publications, 1996), S. 375ff 99 Fergus Campbell, Land and Revolution. Nationalist Politics in the West of Ireland, 1891-1921 (Oxford: Oxford University Press, 2005), Daniel Francis Keane, "The Concerns of Local Politics: A Study of Galway 1918-1928" (M.A., NUI Galway, 1998), Colm Kerrigan, "Temperance and Politics in Pre-Famine Galway," Journal of the Galway Archeological and Historical Society (1991), Thomas Murtagh, "Power and Politics in Galway, 1770-1830" (M.A., NUI Galway, 1982). 100 Marguerite Grey and Marie McNamara, Gort Inse Guaire. A Journey through Time (Gort: Gort Heritage Trust, 2000). Christine Mayr (mit weiteren Nachweisen) und Ruth Dörner plädieren in ihren Arbeiten auch für eine Einbeziehung von ortsgeschichtlicher Literatur beim Betreiben von mikrohistorischer Verwaltungsgeschichte. Mayr, Zwischen Dorf Und Staat. Amtspraxis Und Amtsstil Französischer, Luxemburgischer Und Deutscher Landbürgermeister Im 19. Jahrhundert S. 15. Dörner, Staat Und Nation Im Dorf. Erfahrungen Im 19. Jahrhundert: Frankreich, Luxemburg, Deutschland S. 29.

31 durch verschiedene Monographien und Aufsätze gewonnen werden101. Zur Geschichte der lokalen Verwaltung in Galway liegen zwei unveröffentlichte Studien zum Beginn des 19. Jahrhunderts vor, mit Schwerpunkt auf den Aufgaben der Grand Jury102 sowie Studien zur lokalen Verwaltung zum Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts103. Die Grand Juries und das County Council werden somit in einzelnen, wenn auch überwiegend unveröffentlichten Studien, behandelt, Untersuchungen zu den lokalen Armenverwaltungen in Galway stehen noch aus. Damit deckt die Studie ein Forschungsdesiderat ab, denn detaillierte Untersuchungen zur lokalen Verwaltung und Armenadministration von 1838 bis 1921 in Galway fanden noch nicht statt.

101 Brian Jenkins, Sir William Gregory of Coole: The Biography of an Anglo Irishman, ed. Colin Smythe (Gerrard`s Cross, 1986), Thomas P. O`Neill, The Tribes and Other Galway Families (Galway: Connacht Tribune, 1984). Terence Dooley, The Decline of the Big House in Ireland. A Study of Irish Landed Families 1860-1960 (Dublin: Wolfhound Press, 2001), Edward MacLysaght, Guide to Irish Families (Dublin: 1964), Edward MacLysaght, Irish Families: Their Names, Arms, and Origines, 2. Aufl. von 1985 ed. (Dublin: Blackrock, 1957), Edward MacLysaght, More Irish Families (Galway, Dublin: 1960), Edward MacLysaght, Supplement to Irish Families (Dublin: 1969), Edward MacLysaght, The Surnames of Ireland, 6. ed. (Dublin, Portland: Irish Academic Press, 1985), Joseph Murphy, The Redingtons of Clarinbridge. Leading Catholic Landlords in the 19th Century (Dublin: Colour Books, 1999), Edward Walford, The County Families of the United Kingdom or Royal Manual of the Titled and Untitled Aristocracy of England, Wales, Scotland and Ireland (London: 1892). U.H. Hussey de Burgh, The Landowners of Ireland. An Alphabetical List of the Owners of Estates of 500 Acres or 500pound Valuation and Upwards, in Ireland, with the Acreage and Valuation in Each County (Dublin: Hodges, Foster, and Figgis, 1878), "Landowners in Ireland. Return of Owners of Land of One Acre and Upwards, in the Several Counties, Counties of Cities, and Counties of Towns in Ireland," (Dublin: Alexander Thom, 1876), Marie McNamara and Maura Madden, "Lords and Lore of Lough Cutra," in Beagh. A History and Heritage, ed. Marie McNamara and Maura Madden (Athlone: 1995). Mary Sister de Lourdes Fahy, Kiltartan. Many Leaves One Root. A History of the Parish of Kiltartan (Gort: The Kiltartan Gregory Cultural Society, 2004). J. B. Burke, The Landed Gentry of Ireland, with revisions 1871, 1899, 1904, 1912, 1958 ed. (London: 1858). Patrick Melvin, "The Composition of the Galway Gentry," Irish Genealogist 7, no. 1 (1986), Patrick Melvin, "The Galway Tribes as Landowners and Gentry," in Galway: History and Society, ed. Gerard Moran and Raymond Gillespie (Dublin: Geography Publications, 1996). Jim Higgins and Susanne Heringklee, Monuments of St Nicholas Collegiate Church Galway. A Historical Genealogical and Archeological Record (Galway: Crow`s Rock Press Galway, 1992), Patrick Melvin, "The Landed Gentry of Galway, 1820-1880" (PhD, Trinity College Dublin, 1991). 102 Padraic Flynn, "A Study of Local Government in Galway in the Early Nineteenth Century" (M.A., NUI Galway, 1981), Murtagh, "Power and Politics in Galway, 1770-1830". 103 Gabriel O`Connor, A History of Galway County Council (Galway: Galway County Council, 1999), Michael P Ryan, "From Grand Jury to County Council. A Study of the Application of the Local Government (Ireland) Act 1898 to County Galway" (M. Ed. (Minor), NUI Galway, 1977).

32 1.5 Quellen

Die Studie stützt sich vor allem auf Verwaltungsschrifttum des County Archive Galway und des National Archive in Dublin. Von besonderer Bedeutung für diese Studie sind die im County Archive Galway vorhandenen vollständig erhaltenen 143 Bände umfassenden Minute Books der Mitglieder der Armenverwaltung der Galway Poor Law Union104, in denen handschriftlich die wöchentlichen Sitzungsprotokolle der Guardians aufgezeichnet sind, ebenso wie die Korrespondenzen der Guardians mit übergeordneten Instanzen (Poor Law Commission, Petitionen an das britische Parlament etc.), Rundbriefe, Bilanzen usw. aus dem gesamten Untersuchungszeitraum. Hieraus können detaillierte Informationen zur inneren Organisation und Verwaltung, zur Handhabung der Disziplin und auch statistisches Material gewonnen werden. Die Korrespondenzen und Rundbriefe erlauben gute Einblicke in die Wahrnehmungen und Beurteilungen seitens der beteiligten Instanzen. Weiterhin lässt sich aus den Minute Books die Kommunikation mit anderen Arbeitshäusern analysieren, da in jedem Minute Book die ein- und ausgehenden Briefe und Nachrichten dokumentiert sind. Die Akten auf der kommunalen Verwaltungsebene sind überwiegend allgemeiner Art, enthalten aber eingestreut auch immer wieder ausführlich dokumentierte Einzelfälle, namentliche Verzeichnisse sowie Beschwerden von Arbeitshausinsassen105. Für das zweite Untersuchungsgebiet, die Gort Poor Law Union, sind 91 Bände der Protokollbücher überliefert106. Einige wenige Bände sind aufgrund ihres schlechten Zustandes (starker Schimmelbefall) gesperrt.

Für die ländliche Union Gort sind auch noch 24 Bände von sogenannten Rough Minute Books überliefert. Diese Mitschriften wurden während der Sitzungen der Board of Guardians angefertigt und dokumentieren im Unterschied zu den Minute

104 Archivsignatur GCCA G01. Im Folgenden werden diese als Galway Minute Book bezeichnet. 105 Da die Anträge auf Unterstützung für die Untersuchungsgebiete nicht erhalten sind und die Protokollbücher darüber keine Informationen enthalten, können zu den Kriterien, die den Entscheidungen zugrunde lagen, ob jemand unterstützt wurde oder nicht, keine Aussagen getroffen werden. Auch die Outdoor Relief Registers führen zwar die Höhe der Unterstützung an und die unterstützten Personen, geben jedoch keine weiteren Informationen zu den Personen oder den Unterstützungsanträgen. Daher können in dieser Studie keine Angaben zu den Arbeitshausinsassen oder den außerhalb des Arbeitshauses unterstützen Armen getroffen werden. 106 Archivsignatur: GCCA G01/12. Im Folgenden werden diese Protokollbücher als Gort Minute Book bezeichnet.

33 Books, die die offizielle und behördlich kontrollierte „Reinschrift“ bildeten, umfassend die Gespräche und Diskussionen innerhalb des Boards. Auch Prozesse der Entscheidungsfindung sind ausführlicher dargestellt, so dass diese Quelle ein einzigartiges, bisher völlig ungenutztes Potential darstellt. Leider liegen diese nicht für den gesamten Zeitraum, sondern nur für die Jahre 1844 bis 1859 vor. Das heißt also, dass damit genau die Krisenjahre des Poor Laws, also die Zeit der Great Famine, abgedeckt ist. Weitere Quellen stammen aus der Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel die Incoming Letter Books, die Akten der Rural District Councils und des Galway County Councils, sowie Indoor und Outdoor Relief Lists.

Die British Parliamentary Papers dokumentieren das offizielle Denken über die Arbeitshäuser auf der zentralen Administrationsebene im gesamten Untersuchungszeitraum vor allem in den Annual Reports der Poor Law Commission und des Local Government Board. Diese wurden vor allem herangezogen, um bestimmte Sachverhalte weiter zu beleuchten.

Artikel der lokalen Presse, in denen die wöchentlichen Berichte über die Sitzungen der Board of Guardians abgedruckt sind, bilden ein weiteres Quellenkorpus. Außerdem lässt sich aus der lokalen Presse auch die Tätigkeit der Mitglieder der Armenverwaltung als Parlamentarier in London erfassen. Die lokale Presse diente zudem als Kommunikationsmedium107, beispielsweise für (Armen-)Steuerzahler, die sich regelmäßig in Leserbriefen über die Armenverwaltung äußerten. Weiterhin veröffentlichten die lokalen Zeitungen wöchentlich detaillierte Berichte über die Sitzungen der Galway Guardians, in denen Prozesse der Entscheidungsfindung und Diskussionen innerhalb des Boards breit dokumentiert sind. Oft finden sich daneben auch gesonderte Artikel über bestimmte Ereignisse oder Kommentare von Reportern zu Entscheidungen der Guardians. Besonders viele Berichte finden sich vor und nach den jährlichen Wahlen in den lokalen Armenverwaltungen, in denen Kandidaten vorgestellt oder Aufstellungen in Wahlbezirken, besonders in der Stadt Galway, beleuchtet werden.

107 Siehe dazu auch: Marie-Lou Legg, Newspapers and Nationalism. Irish Provincial Press, 1850-92 (Dublin: Four Courts Press, 1998).

34 Im Einzelnen wurden folgende lokale Zeitungen ausgewertet:

Der Galway Advertiser erschien von 1823 bis 1843 und vertrat eine protestantische Sichtweise. Die beiden wichtigsten Zeitungen in Galway während des untersuchten Zeitraums waren zum einen der Galway Express, der von 1853 bis 1920 erschien und der Galway Vindicator, der von 1841 bis 1899 herauskam. Der einmal wöchentlich erscheinende Express repräsentierte eine protestantisch- unionistische, konservative Sichtweise108. Die Verbreitung des Galway Express reichte von der Grafschaft Galway über Mayo, Roscommon, Clare und Limerick bis in Teile Großbritanniens109. Der zweimal wöchentlich erscheinende Vindicator hingegen vertrat einen katholisch-nationalistischen Standpunkt. Er zirkulierte in der Grafschaft Galway, wurde aber auch in Mayo, Roscommon, Clare, Limerick und Cork gelesen sowie in englischen Großstädten110. Alle vorgenannten Zeitungen berichteten vorwiegend über die Stadt Galway. Zur Berichterstattung über das ländliche Untersuchungsgebiet und die ganze Grafschaft Galway wurde der Tuam Herald herangezogen, der ab 1837 einmal pro Woche erschien und eine katholische Sichtweise hatte. Sein Verbreitungsgebiet war auf die Gegend um Tuam und Teile der Grafschaft Mayo beschränkt. Eine katholisch-nationalistische Zeitung war auch die einmal wöchentlich erscheinende Tuam News, die von 1871 bis 1904 herauskam und ebenfalls über das ländliche Untersuchungsgebiet berichtete. Ihr Verbreitungsgebiet lag ebenso in der Gegend um Tuam. Ab 1909 erschien der Connacht Tribune, der über die ganze Grafschaft Galway berichtete.

An weiteren Quellen wurden irische Adressbücher und Branchenverzeichnisse für Galway und Gort herangezogen. Dies waren „Thom`s Directories“ für den gesamten Untersuchungszeitraum sowie „Slater`s Directory“ von 1846, 1856, 1870, 1881 und 1894 und das „Galway Year Book and Directory“ für 1905 und 1907. Hierin finden sich bedeutende lokale Persönlichkeiten, Vertreter öffentlicher Ämter, Inhaber religiöser Ämter und namentliche Verzeichnisse zu allen Branchen aufgeführt.

108 Ibid. S. 195. Sean Spellissy, The History of Galway. City and County (Limerick: Celtic Bookshop, 1999) S. 9. 109 Legg, Newspapers and Nationalism. Irish Provincial Press, 1850-92 S. 195. 110 Ibid. S. 196.

35

Die alle zehn Jahre erstellten Zensuslisten bilden eine weitere Quellengrundlage für allgemeine statistische Informationen. Die Volkszählungen von 1901 und 1911111 bieten umfassende statistische Informationen zu Anzahl und Zusammensetzung der Insassen der Arbeitshäuser, aber auch zur sozialen und konfessionellen Herkunft der Steuerzahler und Mitglieder der Armenverwaltung112. Informationen zu einzelnen Mitgliedern der beiden Untersuchungsgebiete wurden auch mithilfe von Griffith`s Valuation113 für die Grafschaft Galway von 1853-1856 gewonnen114. Weitere zeitgenössische Berichte zu Eigentums- und

111 Census of Ireland 1901, Returns for Co. Galway (Mikrofilm), 53 Rollen, Dublin PRO 1971; General Index to the townlands and towns of Ireland 1901, 11 mikrofiches, Dublin 1904. Census of Ireland 1911, Returns for Co. Galway (Mikrofilm), 137 Rollen, Dublin PRO 1971. Für Irland sind die Volkszählungen von 1901 und 1911 die frühesten komplett vorhandenen Originalüberlieferungen. Zwar liegen von früheren Zensuserfassungen für einige Regionen noch Teile vor, doch nicht für die Grafschaft Galway. Zensusdaten vor 1901 liegen nur in aggregierter Form vor. Siehe dazu: E. Margaret Crawford, Counting the people. A guide to the Censuses of Ireland 1831-1911 (Dublin: Four Courts, 2002). Die gesamten Zensusdaten von Irland 1831-1911 stehen auch online zur Verfügung auf der Histpop - The Online Historical Population Reports Website (www.histpop.org). 112 Zur Verwendung von Zensusdaten siehe Lutz K. Berkner, "The Use and Misuse of Census Data for the Historical Analysis of Family Structure," Journal of Interdisciplinary History 5, no. 4 (1975), P.M. Austin Bourke, "The Agricultural Statistics of the 1841 Census of Ireland: A Critical Review," Economic Historical Review 18, no. 2 (1965), Garrett Fitzgerald, "Irish-Speaking in the Pre-Famine Period: A Study Based on the 1911 Census Data for People Born before 1851 and Still Alive in 1911," Proceedings of the Royal Irish Academy 103C, no. 5 (2003), Thomas E. Jordan, The Census of Ireland, 1821-1911, vol. Volume 1: General Reports and Extracts (Lewiston, New York: 1998), J. Lee, "On the Accuracy of Pre-Famine Censuses," in Irish Population, Economy and Society: Essays in Memory of K.H. Connell, ed. J. Max Goldstrom and L. A. Clarkson (Oxford: Oxford University Press, 1981), Malcolm P. A. Macourt, "The Religious Inquiry in the Irish Census of 1861," Irish Historical Studies 21, no. 82 (1978), Stephen A. Royle, "Irish Manuscipt Census Records: A Neglected Source of Information," Irish Geography 11 (1978). 113 Die seit 1842 vorgenommene Einschätzung des Wertes von Ländereien und Gebäuden unter der Leitung von Richard Griffith wurde landesweit durchgeführt, um eine Basis für die Erhebung der Armensteuer (Poor Rate) festzusetzen. Die Bewertung wurde auf der Grundlage der irischen “baronies” vorgenommen und weiter unterteilt in „townlands, civil parishes“ und die Wahlbezirke der „Poor Law Unions“. Griffith`s Valuation enthält eine Beschreibung der Art und Größe von Gebäuden und Ländereien, der Pachthöhe, der fixen Unterhaltungskosten sowie die Namen des Bewohners (landholder and householder) und des unmittelbaren Verpächters (immediate lessor). Daraus wurde eine Einschätzung des Wertes vorgenommen, um die Höhe der Armensteuer, die zu entrichten war, festlegen zu können. Insgesamt sind etwa 1,25 Millionen Personen namentlich aufgeführt. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse zwischen 1848 und 1864, siehe dazu James R Reilly, Richard Griffith and his Valuations of Ireland: with, An inventory of the books of the General valuation of rateable property in Ireland, (Baltimore: Genealogical Publications, 2000). 114 Richard Griffith, General Valuation of Rateable Property in Ireland. County of Galway. Union of Galway and Union of Gort, Dublin 1855. Griffith`s Valuation liegt auch auf CDRom vor: Griffith`s Valuation. General Valuation of Rateable Property in Ireland (7 CDRom`s), Disc 3: County Galway, Irish Microforms Media 1998. Siehe dazu auch Mary P. Donnellan, "Griffith`S Primary Valuation of Ireland," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 2 (1994), P. J. O`Keefe, "Richard Griffith: Planner and Builder of Roads," in Richard Griffith, 1784-1878: Papers Presented at the Centenary Symposium Organised by the Royal Dublin Society, ed. G.L. Herris Davies and R.C. Mollan (Dublin: RDS, 1980).

36 Besitzverhältnissen mit namentlichen Angaben wurden ausgewertet115. Informationen zur religösen Zusammensetzung der beiden Aufsichtsgremien konnten vor allem durch Parish Registers gewonnen werden116. Auch Wählerverzeichnisse von Galway für Parlamentswahlen, welche Vermögensangaben sowie Adressangaben enthalten, wurden ausgewertet117.

Diese Angaben werden ergänzt durch Berichte in den British Parliamentary Papers, die biographische Informationen enthalten118.

Vor allem die Protokollbücher und lokalen Zeitungen erwiesen sich als sehr ergiebig für die Ermittlung von biographischen Daten und zur Gewinnung von Informationen zur sozialen und religiösen Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung der beiden Untersuchungsgebiete. Die vorgestellten Quellen werden für Galway und Gort im Rahmen des Dissertationsprojektes zum ersten Mal systematisch analysiert.

115 Hussey de Burgh, The Landowners of Ireland. An Alphabetical List of the Owners of Estates of 500 Acres or 500pound Valuation and Upwards, in Ireland, with the Acreage and Valuation in Each County, "Landowners in Ireland. Return of Owners of Land of One Acre and Upwards, in the Several Counties, Counties of Cities, and Counties of Towns in Ireland.", S. 1ff. 116 Die große Mehrheit an Church of Ireland und Roman Catholic Parish Registers für die Untersuchungsgebiete wurden von zwei Heritage Zentren in Galway, der East Galway Family History Society und der Galway Family History Society West, digitalisiert und indiziert und können dort eingesehen werden. 117 "Parliamentary Voter`S Lists, for the Year 1895: Borough of Galway," (1895). NUIG Strong Room, Special Collections; Voter`s lists for County Galway 1856-1857, NAI M. 2433; 2782-2784; 3446-3448; Electoral Lists 1856-57 District of Galway, Gort, NAI M6935 (22 and 23); Electoral Lists Galway Town 1835, NAI M6935 (11), and 1850, NAI M6935 (19), 1859, NAI M6935 (35); County Galway Voter`s Registers 1889-1913, NAI-C&P. 118 British Parliamentary Papers 1837 „List of those made Freeman of Galway since 1831, 2(1): Appendix B1; 1837/38, 13 (2): Appendix 3; British Parliamentary Papers 1837, “Occupants of Galway, arranged by street, giving property values”, 11 (1), Appendix G, S. 206-210;

37 2. Die Grafschaft Galway: Ökonomische und soziale Rahmenbedingungen

2.1. Lage, Größe, Bevölkerung, Infrastruktur, Wirtschaft

Die Grafschaft Galway mit der gleichnamigen Hauptstadt im Westen Irlands gelegen, umfasst ein Gebiet von etwa 6.335 Quadratkilometern. Diese Grafschaft bildet einen Teil der Provinz Connaught und ist die zweitgrößte Grafschaft Irlands119. Im Osten dieser Grafschaft befindet sich fruchtbares Ackerland, während der Westen, bekannt als Connemara, von kargem, felsigem Boden geprägt ist. Zu der Grafschaft gehörden auch die in der Galway Bay gelegenen Aran Inseln. Besonders in Connemara und auf den Aran Inseln wird auch heute noch irisch-gälisch gesprochen. Die Stadt Galway – „this significant regional capital“120 - besitzt einen internationalen Hafen, eine Universität, und bildet das administrative und kommerzielle Zentrum der Grafschaft. Galway war im 19. Jahrhundert nach Dublin, Belfast, Cork und Limerick die fünftgrößte Stadt der Insel.

Im Jahr 1841 lag die Bevölkerung der Grafschaft Galway nach offiziellen Angaben bei 441.000 Personen121 Der Zensus von 1851 gab nur noch 322.000 in der Grafschaft lebende Menschen an122. Auch in den nachfolgenden Jahrzehnten sanken die Zahlen kontinuierlich ab. Vor allem die ländlichen Gebieten Irlands erlebten nach der Großen Hungersnot einen demographischen Wandel. Viele Menschen emigrierten oder zogen in die großen Städte. Besonders stark war der Bevölkerungsrückgang in der Provinz Connaught. Während die städtische Einwohnerzahl dort zwischen 1841 und 1911 um 28 Prozent sank, erfuhren die

119 Die Provinz Connaught umfasst die Grafschaften Galway, Leitrim, Mayo, Roscommon und Sligo. Siehe Anhang Abb. 5: Karte der irischen Poor Law Unions. 120 O`Tuathaigh, "The Air of a Place of Importance. Aspects of Nineteenth Century Galway," S. 129. 121 Alle Angaben beziehen sich auf das County Galway, exklusive des County of the Town of Galway. 122 Dieser starke Abfall der Bevölkerung ist durch die Auswirkungen (Tod, Emigration) der Hungersnot von 1845-47 zu erklären.

38 ländlichen Gebiete Connaughts im selben Zeitraum einen Rückgang ihrer Bevölkerung von 59 Prozent123. Die Volkszählung der Grafschaft Galway aus dem Jahr 1891 ergab eine Bevölkerung von 215.000 Personen. Im Jahr 1911 lag die offizielle Bevölkerungsangabe der Grafschaft Galway bei 182.000 Personen124.

Der größte Teil der Grafschaft war agrarisch geprägt. Während der Untersuchung einer parlamentarischen Kommission zur Armut in Irland aus dem Jahr 1836 wurden verschiedene ortsansässige Personen aus allen Teilen Irlands befragt. Die Ergebnisse dieser Befragung geben einen guten Einblick in die sozio- ökonomischen Verhältnisse. Einer der Befragten, ein großer Landbesitzer aus der Nähe von Gort, gab an, dass der durchschnittliche Lohn eines landwirtschaftlichen Arbeiters im Sommer etwa 10 Pence pro Tag betrug125. Auch ein Geistlicher, der aus der Nähe von Gort stammte, gab diese Einkommenshöhe an126. Die Verdienstmöglichkeiten von Frauen und Kindern waren saisonal auf die Erntezeit beschränkt und lagen unter den Löhnen der Männer127. Die jährliche Pacht einer Hütte (cabin) ohne Land gab der Klerikale mit ₤1 an, die einer Behausung mit einem acre Land mit ₤2 bis ₤3 pro Jahr128. Die Löhne variierten saisonal und waren im Winter geringer als in den Erntemonaten. Das Einkommen konnte durch Fischfang oder Spinnen und Weben aufgebessert werden. Im landesweiten Vergleich waren die Löhne in der Provinz Connaught im Untersuchungszeitraum

123 Cormac O`Grada, Ireland. A New Economic History 1780-1939, S. 213.

124 Siehe Anhang Tabelle 11, 12: Zensusdaten Galway – Gort. 125 Siehe dazu als Beispiel den Landbesitzer Walter Butler aus der Nähe von Gort, siehe Anhang Abb. 14 Poor Law Inquiry Interview 2. Zur Höhe der durchschnittlichen Löhne in Irland siehe auch O`Grada, Ireland. A New Economic History 1780-1939 S. 237. und William Edward Vaughan, Agricultural Output, Rent and Wages in Ireland, 1850-1880, in: L.M. Cullen, Francois Furet, Ireland and France 17th -20th Centuries: Towards a Comparative Study of Rural History (Paris 1980), S. 85-97. Die Löhne eines landwritschaftlichen Arbeiters in Irland schwankten nicht nur saisonal, sondern auch regional stark. Durchschnittlich waren die Löhne in der Provinz Connaught am niedrigsten im nationalen Vergleich. Siehe dazu O`Grada, Ebenda, S. 237ff. Zur zeitlichen Entwicklung und besonders zum Einflussfaktor Emigration siehe auch: George R. Boyer, Timothy J. Hatton, Kevin J. O`Rourke, The Impact of Emigration on Real Wages in Ireland, 1850-1914, in: Timothy J. Hatton, Jeffrey G. Williamson, Migration and the International Labour Market, 1850-1939 (Routledge: London 1994), S. 221-239. Allgemein siehe dazu auch: George R. Boyer und Timothy J. Hatton, Wage Trends in the Region of the United Kingdom, 1860-1913, in: J S. Connolly, Kingdoms United? Great Britain and Ireland since 1500 (Dublin: Four Courts Press, 1999), S. 135- 152. 126 Siehe Anhang Abb. 13: Poor Law Inquiry Interview 1. 127 Siehe Anhang Abb. 13 und 14. 128 1Pfund (₤) entsprechen 240 Pence (d) oder 20 Shilling (s). 39 am geringsten129. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen betrug 1840 in Irland nur Zwei Fünftel des Pro-Kopf-Einkommens des übrigen Großbritannien130.

Im Jahr 1851 gab es in der Galway Poor Law Union nach offiziellen Angaben insgesamt 4.479 „Holdings“131. Davon hatten 305 eine Größe von unter einem acre. Der überwiegende Teil der landwirtschaftlichen Betriebe (1.334) hatte eine Größe von 5 bis 15 acres. 1.043 holdings lagen zwischen 15 und 30 acres. In der gesamten Galway Poor Law Union gab es nur 23 Betriebe, die mehr als 500 acres hatten. Auf den kleinsten Flächen wurden nahezu ausschließlich Kartoffeln angebaut. Auf den größeren landwirtschaftlichen Betrieben wurde neben Kartoffeln hauptsächlich Getreide gepflanzt. In der Gort Poor Law Union gab es 1851 insgesamt 3.066 Holdings, von denen 193 eine Größe von weniger als einen acre hatten. Auch in diesem Untersuchungsgebiet entfiel der größte Anteil (933) auf die Betriebe mit einer Größe zwischen 5 und 15 acres, gefolgt von 713 holdings mit einer Größe zwischen 15 und 30 acres. In der Gort Poor Law Union befanden sich 10 Betriebe mit einer Größe von mehr als 500 acres.

Wie sah die Beschäftigungsstruktur in diesem Zeitraum in den Untersuchungsgebieten aus? 1851 gab es in der Grafschaft Galway (ohne die Stadt Galway) insgesamt 125.403 Erwerbstätige132. Davon waren mehr als 85.000 Menschen im Bereich „Food“ beschäftigt. Der weitaus größte Teil dieser Personen, nämlich 60.048 waren als landwirtschaftliche Arbeiter tätig, gefolgt von 17.836 Farmern. Das bedeutete, dass etwa 48 Prozent aller Erwerbstätigen in Galway als Arbeiter in der Landwirtschaft beschäftigt waren. Den Beruf Land Agent oder Land Steward übten 272 Personen aus. Im Beschäftigungssektor „Clothing“ waren 17.722 Personen tätig. Den höchsten Anteil dabei machten vor allem weibliche Spinner aus mit mehr als 9.500 Personen. Das Spinnen wurde vor allem von Frauen zur Einkommensverbesserung betrieben, wenn die Flächen zu klein waren, um davon allein eine Familie ernähren zu können oder saisonal bedingt das Einkommen des Mannes nicht ausreichte. Durch die Lage der Grafschaft Galway

129 Cormac O`Grada, Ireland-A New Economic History 1780-1939, S. 96. 130 Joel Mokyr, Why Ireland starved. A quantitative and analytical history of the Irish economy 1800-1850, 2. Aufl. 1985 (London: Allen and Unwin: 1983), S. 10f. 131 Census 1851: Agricultural Returns Ireland: Union of Galway, S. 275. 132 Census 1851: Appendix to General Report: County Galway: Occupations of Males and Females, S. 555.

40 am Meer gab es 456 Fischer und 337 Fischhändler sowie 543 „Boatmen“, die vorwiegend Güter transportierten. Ein wichtiger neuer Arbeitgeber in Galway war seit 1851 die Eisenbahn, in der mehr als 250 Personen als Arbeiter oder Angestellte tätig waren133. Als „Domestic Servant“ arbeiteten 8.052 Personen, vorwiegend Frauen. Es gab 717 männliche Arbeiter, die nicht in der Landwirtschaft tätig waren. Im Jahr 1851 waren die Auswirkungen der Großen Hungersnot noch stark spürbar. So wurden 3.625 Personen offiziell als „beggar“ registriert134. In der Grafschaft Galway wurden 1851 18 Personen als „Merchant“ geführt sowie mehr als 600 „Dealer“ oder „Shopkeeper“. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung der Grafschaft Galway wurde von 17 Ärzten, 24 Chirurgen, 2 „Quacks“, 18 Apothekern und 22 Hebammen übernommen. Einen Zahnarzt gab es in der Grafschaft Galway nicht.

Auch in der Stadt Galway waren 1851 mehr als ein Drittel aller Beschäftigten im Sektor „Nahrungsmittel“ beschäftigt135. Die landwirtschaftlichen Arbeiter machten hier den weitaus größten Anteil aus mit 59 Prozent. Die Lage der Hafenstadt Galway spiegelt sich auch im Beschäftigungssektor wider. So übten mehr als 500 Personen den Beruf des Fischers aus. Daneben gab es 248 Fischhändler, 55 Boatmen und 23 Schiffbauer. 356 Personen waren zudem als „Netmaker“ tätig, von denen bis auf eine Ausnahme alle Personen weiblich waren. Offiziell wurden 29 „Merchants“ aufgeführt sowie mehr als 150 Händler und Ladenbesitzer. 1.440 Personen, vor allem Frauen, waren als „Domestic Servants“ tätig und 690 Personen, vorwiegend Männer, waren als nicht-landwirtschaftliche Arbeiter beschäftigt. Die medizinische Versorgung in der Stadt wurde von 7 Ärzten, 4 Chirurgen, 5 Apothekern und 2 Zahnärzten übernommen. Eine Hebamme ist nicht aufgeführt. 1851 wurden offiziell 131 „Beggars“ geführt.

Aufgrund seiner überwiegend agrarischen Prägung und Abhängigkeit von der Kartoffel als Hauptnahrungsmittel trafen Hungersnöte die Grafschaft besonders

133 1851 wurde das Eisenbahnnetz in der Grafschaft Galway aufgebaut und die Beschäftigtenzahlen in diesem Bereich aus den nachfolgenden Volkszählungen sind viel niedriger. 1881 waren in der Poor Law Union von Galway 30 Personen bei der Eisenbahn beschäftigt, in der Gort Poor Law Union waren es 9 Personen. 1911 waren in Galway Urban und Rural 54 Menschen im Schienenverkehr tätig, in Gort waren es 13 Personen. 134 Im Jahr 1841 lag der Anteil der offiziell als Pauper geführten Personen bei 2.531. Census of Ireland 1841, Appendix General Report, S. 386. 135 Zu dieser und den folgenden Zahlen siehe: Census of Ireland 1851, Appendix General Report, Galway Town, S. 536.

41 stark136. Nach der Großen Hungersnot in der Mitte der 1840er Jahre waren viele große Landbesitzer überschuldet und verkauften ihre Ländereien137 in Galway häufig an reiche Kaufleute und Händler aus der gleichnamigen Stadt oder Personen aus anderen Grafschaften Irlands sowie aus England. So erwarb ein Kaufmann aus der Stadt Galway und Mitglied der Armenverwaltung von Galway 1852 einen großen Landbesitz in der Grafschaft Galway für die Summe von ₤40.000138. Die großen Landbesitzer Lord Gort und Francis Butler, beide Mitglieder der Armenverwaltung von Gort, verkauften ihre Besitzungen nach der Großen Hungersnot139. Die Besitzerwechsel waren häufig mit Zwangsräumungen säumiger Pächter (evictions) verbunden. Darüber berichtete die lokale Zeitung, der Galway Vindicator am 21.2.1852 „A systematic and sweeping course of extermination is going on in the North West of Galway, on the one side, and in the South East on the other. On Monday, Tuesday and Wednesday 440 individuals were evicted in the neighbourhood of Gort by recent purchasers in the Encumbered Estates Court.140”

Auch gegen Ende des 19. Jahrhunderts galten große Teile der Grafschaft Galway noch als sehr arm und infrastrukturell und ökonomisch unterentwickelt141. In der

136 Zu Hungersnöten in Galway, abgesehen von der Großen Hungersnot der 1840er Jahre, siehe etwa: Jennings, "1880: A Most Distressful Year in Connemara.", S. 37ff; Mannion, "The Work of the Quakers in Galway During Famine Times.", S. 147; Murray, "A Lesser Known Famine Crisis in Galway, 1879/80.", S. 95; O`Neill, "Minor Famines and Relief in Galway, 1815-1925.", S. 445ff; Royle, "Irish Famine Relief in the Early Nineteenth Century: The 1822 Famine on the Aran Islands.", S. 44ff. Siehe auch Artikel in der Illustrated London News vom 25.6.1842 über „the Galway Starvation Riots“. 137 Padraig G. Lane, "The Encumbered Estates Court, Irland, 1848-49," Economic & Social Review 3 (1972), Padraig G. Lane, "The General Impact of the Encumbered Estates Act of 1849 on Counties Galway and Mayo," Journal of the Galway Archeological and Historical Society 33 (1972), Padraig G. Lane, "The Impact of the Encumbered Estates Court Upon the Landlords of Galway and Mayo," Journal of the Galway Archeological and Historical Society 38 (1981-82), Padraig G. Lane, "Purchasers of Land in Counties Galway and Mayo in the Encumbered Estates Court, 1849-1858," Journal of the Galway Archeological and Historical Society 43 (1991), Padraig G. Lane, "The Social Impact of the Encumbered Estates Court on Counties Galway and Mayo" (M.A. thesis, University College Dublin U.C.D., 1969), Mary C. Lyons, Illustrated Encumbered Estates, Ireland, 1850-1905: Lithographic and Other Illustrative Material in the Incumbered Estates Rentals (Whitegate, Co. Clare: Ballinakella Press, 1993). 138 Dublin Evening Post 10.7.1852; Lane, "Purchasers of Land in Counties Galway and Mayo in the Encumbered Estates Court, 1849-1858," S. 96. 139 Marie McNamara and Maura Madden, "Bliain Na Speire," in Beagh. A History and Heritage, ed. Marie McNamara and Maura Madden (Athlone: 1995), S. 106. 140 Galway Vindicator 21.2.1852. 141 Siehe hierzu etwa: Base Line Reports County Galway, Reports of the Congested Districts Boards, 1894, S. 517-556.

42 Galway Poor Law Union waren 1881 mehr als 25 Prozent aller Erwerbstätigen als Farmer oder „Farmer`s Son“ tätig und weitere sieben Prozent als landwirtschaftliche Arbeiter142. Als Dienstboten arbeiteten weitere 6 Prozent. Ein wichtiger Erwerbszweig in der Galway Poor Law Union 1881 war die Fischerei. In der Textilbranche waren vorwiegend Frauen tätig, die als Näherin oder Spinnerin arbeiteten. Insgesamt waren in diesem Bereich jedoch nur etwa 3,2 Prozent aller Erwerbstätigen beschäftigt. Der Handel hatte eine hohe Bedeutung in der Galway Poor Law Union und mehr als 200 Personen waren 1881 als Merchants oder Shopkeeper tätig. 1911 waren 20,2 Prozent aller Erwerbstätigen in Galway Urban und Rural in der Landwirtschaft beschäftigt, wobei der Anteil der Farmer und dessen Söhne weitaus höher war als der der Arbeiter143. In der Fischerei arbeiteten 1911 mehr als 500 Personen und der Anteil der in der Textilbranche tätigen Personen lag bei 1,4 Prozent. Allerdings waren fast 53 Prozent aller Erwerbstätigen in Galway Urban und Rural nicht mit einer spezifischen Berufsangabe registriert144.

In der Gort Poor Law Union waren 1881 etwa 40 Prozent aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft beschäftigt145. 2.755 Personen waren als Farmer oder deren Söhne geführt und 648 Personen als landwirtschaftliche Arbeiter. 1881 registrierten sich somit mehr Personen als Farmer, denn als landwirtschaftliche Arbeiter. Vergleicht man diese Zahlen mit denen von 1851, so zeigt sich, dass die Bedeutung des landwirtschaftlichen Sektors in der Grafschaft Galway immer noch hoch war, doch waren nun weniger Menschen als landlose Arbeiter beschäftigt. Die Mehrheit wurde als Farmer klassifiziert. Die Fischerei spielt in der Gort Poor Law Union kaum eine Rolle. Lediglich acht Personen gaben 1881 an, dass sie diesen Beruf ausübten. In der Gort Poor Law Union betrug der Anteil der in der Textilbranche tätigen Personen 1881 etwa 3,2 Prozent und zeichnete sich durch einen hohen Frauenanteil aus. 33 Prozent wurden keiner spezifischen Berufsangabe zugeordnet. Im Jahr 1911 lag der Anteil der in der Landwirtschaft

142 Zu diesen und den folgenden Zahlen siehe Census of Ireland 1881, Vol. IV, County of Galway, Occupations of Males and Females in each Poor Law Union, S. 136-149. 143 Zu diesen und den folgenden Zahlen siehe Census of Ireland 1911, Area, Houses and Population Connaught, County Galway, S. 139-149. 144 Sie alle waren der Kategorie „indefinite and non-productive class“ zugeordnet und zusammengefasst als: “Persons, not returned as following any specified occupation”, die nicht näher differenziert werden. Census of Ireland 1911, Ebenda. 145 Census of Ireland 1881, Vol. IV, County of Galway, S. 136-149.

43 tätigen Personen in der Gort Poor Law Union bei etwa 29 Prozent146. 12 Prozent davon waren landwirtschaftliche Arbeiter. Der Anteil der im Textilbereich beschäftigten Personen war auf etwa 0,8 Prozent gesunken. Diese Zahlen können aber allenfalls grobe Tendenzen aufzeigen, da 65 Prozent aller Erwerbstätigen in der Gort Poor Law Union im Jahr 1911 keinen spezifizierten Berufsangaben zugeordnet wurden.

Der Handel bestimmte das wirtschaftliche Leben der Stadt Galway im gesamten Untersuchungszeitraum147. Industrie gab es kaum. Einige kleinere Fabriken und Betriebe existierten in der Mitte des 19. Jahrhunderts am Fluß Corrib, der die Stadt durchfließt, die hauptsächlich den lokalen Markt bedienten. Hierzu gehörten etwa mehrere Kornmühlen, eine Papierfabrik, eine Brauerei und Schnapsbrennerei. Ein wichtiger Wirtschaftszweig war die Fischerei, die sich im 19. Jahrhundert gänzlich unter der Kontrolle der Claddagh148 Fischer befand. In den späten 1830er Jahren schlossen sich die führenden Kaufleute und Händler in Galway in einer „Chamber of Commerce“ zusammen149. In ihr waren nicht nur die sogenannten „Tribes of Galway“ 150, 14 Händlerfamilien, vertreten, sondern auch andere wohlhabende

146 Census of Ireland 1911, Area, Houses and Population Connaught, County Galway, S. 139-149. 147 Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea, John Cunningham, Labour in the West of Ireland. Working Life and Struggle, 1890-1914 (Belfast: Athol, 1995), Hely Dutton, A Statistical and Agricultural Survey of the County of Galway (London: for RDS Dublin, 1824), James Hardiman, The History of the Town and County of Galway (Dublin: 1820), Mary Catherine Langan Egan, "Lives of Women in Galway in Mid-Nineteenth Century Ireland" (Ph D, Fairfax University, USA, 1996), Maureen Langan Egan, Galway Women in the Nineteenth Century (Dublin: 1999), Columba R.D. Leahy, "The Social and Political Structure of the Galway Sea Fishing Industry: From the Union to the Famine" (M.A., NUI Galway, 1964), Samuel Lewis, Topographical Dictionary of Ireland, 2 vols. (1837), Gerard Moran, Raymond Gillespie, and William Nolan, Galway History and Society: Interdisciplinary Essays on the History of an Irish County (Dublin: Geography Publications, 1996), Peadar O`Dowd, History of County Galway (Dublin: Gill and Macmillan, 2004), O`Neill, The Tribes and Other Galway Families, O`Tuathaigh, "The Air of a Place of Importance. Aspects of Nineteenth Century Galway.", O`Tuathaigh, "Galway in the Modern Period: Survival and Revival.", W.S. Sanderlin, "Galway as a Transatlantic Port in the Nineteenth-Century," Eire-Ireland 5, no. 3 (1970), Spellissy, The History of Galway. City and County, Kieran Woodman, Tribes to Tigers. A History of Galway Chamber of Commerce & Industry (Galway: Galway Chamber of Commerce and Industry, 2000). 148 Das Claddagh war ein Fischerdorf vor den Toren Galways. 149 Woodman, Tribes to Tigers. A History of Galway Chamber of Commerce & Industry. 150 O`Neill, The Tribes and Other Galway Families, Woodman, Tribes to Tigers. A History of Galway Chamber of Commerce & Industry besonders Kapitel 1. Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea S. 23. O`Tuathaigh, "The Air of a Place of Importance. Aspects of Nineteenth Century Galway," S. 133. Die Tribes of Galway waren die Familien Athy, Blake, Bodkin, Browne, Darcy, Deane, Font, French, Joyce, Kirwan, Lynch, Martin, Morris, Skerrett. 12 dieser Familien waren anglo-normannischen Ursprungs, die Familien Kirwan und D`Arcy stammten aus 44 Kaufleute. Die „Tribes“ spielten in der Wirtschaft und Verwaltung Galways seit dem Mittelalter eine dominierende Rolle. Seit dem frühen 19. Jahrhundert begann sich in der Grafschaft Galway und in der am Meer gelegenen Stadt Galway Tourismus zu entwickeln, dessen Bedeutung seit Beginn der Eisenbahnanbindung anstieg. Viele Besucher von Galway schildern in Reisebeschreibungen ihre Eindrücke der Gegend151. Henry Inglis, ein schottischer Reiseschriftsteller, der Irland im Jahr 1834 bereiste, berichtet über die Stadt Galway, dass ein Arbeiter dort für einen 14- Stunden Tag etwa 5 bis 6 Pence Lohn erhielt, ein Hafenarbeiter konnte bis zu 10 Pence am Tag verdienen152.

Lewis beschreibt 1849 die Stadt Galway in seinem “Topographical Dictionary of Ireland”:

„the town is most advantageously situated at the head of the spacious bay to which it gives name, and at the mouth of a river which, after a winding course from Lough Corrib through the town, falls into the bay. It consists of several streets, in general narrow….A gas company has been formed to light the town….The total number of houses, in 1841, was 2.504. The Castle or Upper Citadel barracks, near William`s Gate, are a handsome range of building for 6 officers and 136 non- commissioned officers and privates, with a hospital for 60 patients; the Shambles barracks, near the River, which are also well built, are for 15 officers and 326 non-commissioned officers and privates….Several flour-mills have been erected on the banks of the river, which has a very rapid fall, and great quantities of flour are made here from the wheat

Irland. Sie waren seit dem 12. Jahrhundert in Galway zu finden. Die Tribes waren katholisch. Die einzelnen Familien waren miteinander verwandt, da sie nahezu ausschließlich untereinander heirateten. Mitglieder dieser Familien waren auch im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway vertreten. 151 Siehe dazu etwa Andreas Oehlke, Irland Und Die Iren in Deutschen Reisebeschreibungen Des 18. Und 19. Jahrhunderts (Frankfurt a.M.: 1992), Rainer Söcknick-Scholz, Reisen in Irland Im Spiegel Älterer Reisebeschreibungen (Oldenburg: 1996). John Barrow, A Tour Round Ireland in 1835 (London: 1836), H.D. Inglis, A Journey Throughout Ireland, During the Spring, Summer, and Autumn of 1834, Parts I and Ii, 5 ed. (London: 1838). 152 Inglis gibt auch die Preise für Lebensmittel im Jahr 1834 an. So kostete 1 stone Kartoffeln, welches 6,35kg entspricht, 3 ½ Pence, Rindfleisch etwa 5 Pence pro Pfund, ein Dutzend Eier 4 Pence Inglis, A Journey Throughout Ireland, During the Spring, Summer, and Autumn of 1834, Parts I and Ii., zitiert in: O`Tuathaigh, "The Air of a Place of Importance. Aspects of Nineteenth Century Galway," S. 138f.

45 grown in the neighbourhood, which is of very fine quality. The manufacture of paper is extensively carried on; the works are partly impelled by water, and a steam engine has been erected for greater efficiency. A portion of the fine black marble found in the vicinity is made into mantel-pieces, and a turning and polishing mashine and a patent saw-wheel have been constructed, which are set in motion by the treadmill in the county gaol: a large brewery and three distilleries are in full operation, and near the town is a bleach mill. The curing of bacon was commenced about 12 years since, and 1.000 pigs are now killed weekly. The linen manufacture was introduced here, but never flourished here. …A branch of the Provincial bank was opened in 1826, of the Bank of Ireland in 1830, and of the National Bank in 1836. The salmon-fishery …has been a source of great profit from an early period, and since 1800 has frequently produced more than ₤500 per annum. The fishery in the bay, which is still more lucatrive, is wholly under the direction of the fishermen of Claddagh. …The markets are on Wednesday and Saturday, the former principally for corn, the latter also for corn, provisions of every kind and for pigs.153”

Die Beschreibung Galway`s durch Lewis gibt nicht an, dass sich die Stadt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs befand154. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts nahm insbesondere die Bedeutung des Hafens ab155. Die Betriebe, die Lewis erwähnt, produzierten hauptsächlich für den lokalen Bedarf und waren kleine und mittelständische Unternehmen.

Seit dem 1. August 1851 besaß die Stadt Galway eine direkte Eisenbahnanbindung nach Dublin. Dieses machte einen schnellen Transport von

153 Samuel Lewis, Topographical Dictionary of Ireland, Comprising the Several Counties; Cities; Boroughs; Corporate, Market and Post Towns; Parishes; and Principal Villages; with Historical and Statistical Descriptions, 2 (1. von 1837) ed., 2 vols., vol. 1 (A-Ju) (London: 1849) S. 632-37. 154 Siehe hierzu Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea S. 16. 155 Im Jahr 1911 liefen nur 0,6 Prozent der auf dem Seeweg transportierten Güter Irlands über den Hafen von Galway. Die Gründe für eine abnehmende Bedeutung des Hafens seit dem 19. Jahrhundert waren vor allem, dass der Zustand des Hafenbeckens und des Kais sehr schlecht war und kaum verbessert wurde, es gab hohe Hafenzölle und immer mehr konkurrierende Häfen in Süden und Norden von Galway sowie eine schlechte Infrastruktur rund um Galway. Ibid. S. 2, 16- 17.

46 Personen und Waren möglich156. In der Nachbarschaft des Arbeitshauses von Galway lag das Gefängnis der Grafschaft157 sowie das Gerichtsgebäude. Im Jahr 1911 gab es in Galway zwei wollverarbeitende Betriebe, zwei Sägewerke, eine Getreidemühle, eine Fabrik, die Bürsten herstellte, eine Gießerei, sowie weitere kleinere Betriebe, die verschiedene Gebrauchsgegenstände herstellten158. 1912 eröffnete Thomas McDonagh und Söhne, führende Kaufleute und Händler aus Galway, in der Stadt eine Düngemittelfabrik.

Die Stadt Gort und ihre Umgebung war nahezu ausschließlich landwirtschaftlich geprägt. Durch Gort verlief die Hauptstrasse von Galway nach Limerick. Vor dem 19. Jahrhundert galt Gort als ein relativ armer Marktflecken, bevor Lord Gort, ein großer Landbesitzer, im 19. Jahrhundert die Stadt Gort neu gründete. Im Jahr 1800 siedelte sich eine Brauerei in Gort an und seit 1805 gab es in Gort eine Mühle. Mehrere weitere Kornmühlen existierten in der Umgebung von Gort. Das größte Geschäft in der Stadt wurde von der Familie Glynn geführt. Sie waren Kaufleute und Landbesitzer, Besitzer einer Tabakfabrik in Gort, die importierten Tabak aus Amerika weiterverarbeitete; sie handelten mit Möbeln und besaßen eine Fabrik für Wollwaren.

Lewis beschreibt Gort in seinem “Topographical Dictionary of Ireland” von 1849 als eine Stadt mit

“521 houses, most of which are neat stone buildings, three or four stories high, held under perpetual leases from Viscount Gort. It is built on an eminence on the main road from Connaught to Munster, with a square in the centre, and is in a healthy situation: on the bank of the river is a very large flour-mill built in 1806, and enlarged in 1836, in

156 So schreibt Kevin B. Nowlan dazu: “The problems involved in the pre-railway age are well illustrated by the fact that it could take four to five days to convey bulk goods overland from Galway to Dublin. In 1851 the train took only ten hours.” In: Kevin B. Nowlan, Travel and (Dublin: 1973) S. 107. 157 Niamh D`Arcy, "A History of Galway Gaol" (Diploma in Heritage studies, Galway Mayo Institute of Technology, 1998), Paul Duffy, "Galway`S Gaols," Dli - The Western Law Gazette 8 (1993). Caitriona Clear, "Homelessness, Crime, Punishment, and Poor Relief in Galway 1850-1914," Journal of the Galway Archeological and Historical Society 50 (1998), Geraldine Curtin, The Women of Galway Jail (Galway: 2001). 158 Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea S. 3.

47 which 7,000 barrels of flour may be annually made. There is a market on Saturday for agricultural produce, at which much business is transacted;….Here are an hotel, a revenue police station, and a chief constabulary police station….Petty sessions are held every Saturday and the October quarter-sessions for the County are held annually, in the court house, which was erected in the square in 1815…Here is also a bridewell, originally built in 1814, and containing, when so erected, two cells, a magistrates` room…Barracks have existed at Gort for a very long period…, the whole will now accommodate 8 officers, 88 men, and 116 horses. The church here, which is the parish church of Kilmacduagh, was erected in 1810…A Roman Catholic chapel was built in 1825….The infirmary in the town, recently built, contains two wards, a keeper`s room, and a surgery. The union workhouse, on a site of 7 ¼ acres rented at ₤32, was completed in 1841….The chief seat is Loughcooter Castle, the residence of Viscount Gort, proprietor of the town…Besides this magnificent residence, there are many other seats near the town”159.

Nach einem Bericht der von der britischen Regierung eingesetzten Devon Komission160 von 1844 wurde die Hälfte einer Fläche von 12.000 acres (das entspricht 48,5 Quadratkilometern) um Gort von sogenannten „cottier farmer“ mit je durchschnittlich 4 bis 5 acres großen Farmen bewirtschaft. Diese Größe wurde von der Komission als zu klein eingestuft, um davon eine Familie ernähren zu können161. Die Pacht für diese Besitzungen war lokal unterschiedlich. So betrug die Pacht in der direkten Nähe zu Gort in der Mitte des 19. Jahrhunderts ₤8 pro acre, während sie weiter von Gort entfernt nur etwa die Hälfte betrug, je nach Güte des Bodens.

159 Lewis, Topographical Dictionary of Ireland, Comprising the Several Counties; Cities; Boroughs; Corporate, Market and Post Towns; Parishes; and Principal Villages; with Historical and Statistical Descriptions S. 654-55. 160 Der offizielle Titel lautete “Digest of Evidence taken before Her Majesty's Commissioners of Inquiry into the state of the Law and Practice in respect to the Occupation of Land in Ireland. H.M.S.O. 1847” (Devon Commission), Kopie in James Hardiman Library, National University of Ireland Galway, Special Collections 338.109415GRE. 1844 hatte Sir Robert Peel eine Kommission ins Leben gerufen, die die ländliche Situation in Irland untersuchen sollte, unter dem Vorsitz des Earl of Devon. 161 Die Devon-Kommission errechnete, dass zur Versorgung einer fünfköpfigen Familie die Erträge einer 4,2 Hektar, welches 10,38 acres entspricht, großen landwirtschaftlichen Fläche notwendig seien. 48 2.2 Die Verwaltungsstruktur

Die Grafschaft Galway gliedert sich in zwei Verwaltungsbezirke: das „County of Galway“ und das „County of the Town of Galway“. Die Stadt Galway bildet somit einen eigenen Verwaltungsbezirk und eine eigene politische Einheit. Das eigentliche Stadtgebiet umfasst Angaben von 1891 zufolge eine Fläche von 21,48 Quadratkilometern und das gesamte County of the Town of Galway hatte eine Größe von 91 Quadratkilometern. Für deren Verwaltung waren zwei Grand Juries zuständig. Die Stadt Galway wurde von Town Commissioners verwaltet. Die lokale Verwaltung von Galway im 19. Jahrhundert war daher gekennzeichnet von „a complex patchwork of interlocking and overlapping agencies“162.

Im County of the Town of Galway lebten 1841 32.511 Personen, davon 17.275 in der Stadt Galway163 und 15.236 im sogenannten rural district164. Im Jahr 1891 lagen die Bevölkerungszahlen im Stadtgebiet bei 13.801 Personen und im County of the Town of Galway bei 16.959 Personen.

Die Bevölkerung der Stadt Gort, des zweiten Untersuchungsgebietes der Studie, lag 1841 bei 3.056 Personen. Im Jahr 1891 lebten 1.498 Menschen in Gort.

Die Grafschaft Galway entsandte zwischen 1832 und 1884, also dem ersten und dritten Reform Act, vier Abgeordnete in das britische Parlament, zwei Vertreter für das County of Galway und zwei Repräsentanten des County of the Town of Galway. Nach dem 1884 Reform Act gab es einen parlamentarischen Vertreter für die Stadt Galway und je einen für Galway Connemara, Galway Nord, Ost und Süd. Die gewählten Abgeordneten der Stadt Galway im 19. Jahrhundert zeigen nach O`Tuathaigh deutlich „the tenacity of the old families in holding on to their monopoly of parliamentary representation up to the last quarter of the century, and even during that last quarter…The tenacity and resilience of pedigree is evident in the names, even when the established families temporarily have to change party

162 Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea S.14. 163 Das Stadtgebiet wurde im Galway Town Improvement Act 1853 festgelegt. 164 Siehe Anhang Tabelle 11 und 12: Zensusdaten Galway – Gort.

49 labels to accommodate the passing mood.165” Noch im Jahr 1900 konnte sich der Unionist M.H.F. Morris, der spätere Lord Killanin, gegen einen nationalistischen Gegenkandidaten bei Parlamentswahlen durchsetzen166.

Der Aufbau der lokalen Verwaltung der Grafschaft Galway gestaltete sich im Untersuchungszeitraum folgendermaßen:

County Galway County of the Town of Galway Town Galway Lord-Lieutenant Lord-Lieutenant 24 Town Commissioners (alle drei Jahre gewählt) Vice-Lieutenant Vice-Lieutenant 63 Harbour and Port Commissioners (gewählt auf Lebenszeit) High Sheriff High Sheriff Chamber of Commerce (principal merchants and traders)

24 Deputy Lieutenants 3 Deputy Lieutenants Grand Jury (jährlich Grand Jury (jährlich ernannt) ernannt) 4 coroners 1 coroner

Tab. 1-3: Lokale Verwaltung in der Grafschaft Galway

Im 19. Jahrhundert gab es in jeder Grafschaft eine Grand Jury, deren Mitglieder vom High Sheriff (Repräsentant der zentralen Verwaltung in jeder Grafschaft) ernannt wurden. Die höchste Instanz jeder Grafschaft war der Lord-Lieutenant, der für das Militär und die öffentliche Sicherheit zuständig war sowie an die britische Regierung Bericht über jede Grafschaft erstattete167. Er wurde auf Lebenszeit

165 O`Tuathaigh, "The Air of a Place of Importance. Aspects of Nineteenth Century Galway," S. 144f. Siehe dazu auch: K. Theodore Hoppen, Elections, Politics, and Society in Ireland, 1832-1885 (Oxford: Clarendon Press, 1984), B. M. Walker, Parliamentary Elections Results in Ireland, 1801- 1922 (Dublin: Royal Irish Academy, 1978), J. H. Whyte, "Landlord Influence at Elections in Ireland, 1760-1885," E. H. R. LXXX, 317 (1965). Siehe auch Anhang Tabelle 11: Zensusdaten Galway. 166 Walker, Parliamentary Elections Results in Ireland, 1801-1922. 167 Crossman, Local Government (1994), S. 17f..

50 ernannt und war in der Regel ein Angehöriger des Landadels. Seine Aufgabe war auch die Benennung des High Sheriffs und der Deputy-Lieutenants, die für bestimmte Bezirke einer Grafschaft zuständig waren. Deren Hauptaufgabe war die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und die Berichterstattung über die lokalen Verhältnisse. Die Coroners waren nicht nur für die Untersuchung ungeklärter Todesfälle zuständig, sondern hatten weitere adminstrative Aufgaben, wie das Erscheinen von Zeugen vor Gericht sicherzustellen168.

Die 23 Mitglieder der Grand Jury setzten sich aus den größten Landbesitzern in der Grafschaft zusammen. Die wichtigste Funktion der Grand Juries war, dass sie eine „county cess“ erheben konnten. Das war eine Steuer für den Bau und Erhalt von Strassen und Brücken. Sie waren aber auch für verschiedene Bereiche der sozialen Wohlfahrt zuständig, so für die „County Infirmaries“ und „lunatic asylums“, außerdem für juristische Belange169.

In der Grafschaft Galway gab es zwei Grand Juries, diejenige vom „County at large“ und diejenige vom „County of the town“. Beide Grand Juries kamen je zweimal jährlich in der Stadt Galway zusammen, um über alle lokalen Belange, für die sie zuständig waren, zu entscheiden170.

In den 1830er Jahren erlebte Galway eine Reihe von Veränderungen in der lokalen Verwaltung. 1830 wurde auf Initiative führender Kaufleute der Stadt und der Unterstützung der parlamentarischen Vertreter Galways ein Board of Harbour and Port Commissioners geschaffen171, welches für eine bessere Verwaltung des

168 Joseph Byrne, Byrne`s Dictionary of Irish Local History, (Mercier Press: Cork 2004), S. 83. 169 John Collins, Local Government, ed. Desmond Roche, 2. ed. (Dublin: Institute of Public Administration, 1963) S. 21-22. Crossman, Local Government in Nineteenth-Century Ireland. Crossman, "Local Government in Nineteenth-Century Ireland."(2005), S. 102; P.J. Meghen, "The Administrative Work of the Grand Jury," Administration 6 (1958-59). Brian Donnelly, "From Grand Jury to County Council: An Overview of Local Administration in Wicklow, 1605-1898," in Wicklow. History and Society: Interdisciplinary Essays on the History of an Irish County, ed. Ken Hannigan and William Nolan (Dublin: Geography Publications, 1994), P.J. Meghen, "The Development of Irish Local Government," Administration VIII, no. 4 (1960). Speziell zu Galway siehe: Flynn, "A Study of Local Government in Galway in the Early Nineteenth Century". Murtagh, "Power and Politics in Galway, 1770-1830". Ryan, "From Grand Jury to County Council. A Study of the Application of the Local Government (Ireland) Act 1898 to County Galway". O`Connor, A History of Galway County Council Kapitel 1. 170 Einige Bücher der County Grand Jury aus dem Ende des 18. Jahrhunderts für Galway sind erhalten geblieben und zeigen die Ausgaben für Brücken und Wege, county infirmary, county jail, aber auch die Gebühren und Gehälter von Angestellten. Siehe dazu County Galway Grand Jury Books and Receipts, received Spring Assizes 1794, 1795, 1796, 1799, National Library of Ireland, MSS 19803. 171 Galway Docks and Canal Bill von 1830.

51 Hafens sorgen sollte. Mitglied in diesem Gremium konnte werden, wer ein Vermögen von mehr als ₤3000 besaß172. Das Board of Harbour and Port Commissioners setzte sich aus den führenden Kaufleuten der Stadt Galway zusammen. 1836 richtete man durch einen Parlamentsbeschluß ein Board of Town Commissioners ein173, welches die vorher abgeschaffte Galway Corporation174 als Stadtverwaltung ersetzte. Die Town Commissioners (gewählt von allen ₤10 occupiers, also allen Personen, deren Vermögen gleich oder über diesem Betrag valutiert worden war), hatten innerhalb der Grenzen der Stadt (municipal borough) ebenfalls das Recht, eine Steuer zu erheben, um damit Strassen, Brücken, Kanalisation und Licht in der Stadt zu unterhalten. Außerdem waren sie für die Aufrechterhaltung der „öffentlichen Ordnung“ zuständig sowie seit 1878 als „urban sanitary authority“ für die sanitären Bedingungen in der Stadt175. Zwar setzte sich die Stadtverwaltung von Galway nach 1836 nicht mehr nur aus Protestanten, sondern in der Mehrheit aus Katholiken zusammen, doch dominierte auch hier die städtische Elite Galways, und Korruptionsvorwürfe waren häufig176.

Bis zum Local Government Act von 1898 gab es mehrere lokale Steuern zur Finanzierung der lokalen Verwaltung: die Poor Rate, die Grand Jury cess und verschiedene Steuern, die von den Städten für unterschiedliche Zwecke erhoben werden konnten. Zum Erscheinungsbild lokaler Verwaltung vor 1898 äußert sich Collins: „the picture that local government presented was a picture of authorities operating independently of one another and operating in overlapping areas.177“ Mit dem Local Government Act von 1898 traten weitreichende Veränderungen in der

172 Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea S. 35. 173 Galway Improvements Bill, 1836. 174 Die Galway Corporation war ein nahezu ausschließlich protestantisches, nicht gewähltes Gremium dominiert von einigen wenigen Familien. Im Zuge von parlamentarischen Reformen der städtischen Verwaltung in den 1830er Jahren [Burgh Reform Act 1833 (Scotland), Municipal Corporations Act 1835 (England, Wales) und Municipal Reform Act (Ireland) 1840] wurde auch die Verwaltung von irischen Städten neu geregelt. Vor Erlaß dieses Gesetzes konstituierten sich städtische Verwaltungen sowohl in England, Schottland als auch in Irland je nach individueller „Royal Charter“, die Mitglieder wurden in vielen Fällen nicht gewählt, sondern auf Lebenszeit ernannt und setzten sich aus einem exklusiven Kreis zusammen. Häufig gab es Vorwürfe von Korruption und InkompetenzCunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea S. 35. O`Tuathaigh, "The Air of a Place of Importance. Aspects of Nineteenth Century Galway," S. 130f. 175 Collins, Local Government S. 48-49. 176 Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea S. 38. 177 Collins, Local Government S. 25.

52 lokalen Verwaltung in Kraft178. Die Grafschaft Galway wurde von einem Grafschaftsrat (County Council) regiert, sowie Urban District Councils und Rural District Councils. Die administrativen und fiskalischen Zuständigkeiten der Grand Juries wurden auf diese Councils übertragen.

178 Auf den Local Government Act von 1898 und seine Bedeutung wird näher im Kapitel „Gesetzliche Neuerungen“ eingegangen. Siehe Kapitel 3.4 Gesetzliche und administrative Neuerungen

53 2.2.1 Galway Poor Law Union

Mit der Einführung der irischen Armengesetzgebung erlebte Galway die dritte Veränderung in der lokalen Verwaltungsstruktur in einem Jahrzehnt. Die Galway Poor Law Union wurde am 1.6.1839 formell gegründet und umfasste ein Gebiet von 678,32 Quadratkilometern, plus den Aran Inseln. Die Galway Union war 1839 in zwölf Wahlbezirke unterteilt. Insgesamt 37 gewählte Mitglieder repräsentierten die verschiedenen Wahlbezirke.

Bezirk Anzahl Guardians Annaghdown 1 Arran Islands 2 Athenry 1 Ballynacourty 2 Claregalway 2 Claddagh (Galway City) 3 Gaol Ward (Galway City) 3 Newtownsmith (Galway City) 3 College (Galway City) 3 Merchants (Galway City) 3 Killanin 3 Lackagh 2 Moycullen 3 Oranmore 2 Oughterard 3 Stradbally 1 Gesamt 37

Tab. 4: Galway Union Wahlbezirke 1839

Die Anzahl und Größe der Wahlbezirke wurden allerdings im Verlauf des Untersuchungszeitraumes mehrmals geändert, da sie als zu groß empfunden wurden, die Anzahl der gewählten Mitglieder blieb jedoch im Untersuchungszeitraum gleich179. Zusammen mit zunächst zehn ex-officio Mitgliedern bildeten die gewählten Mitglieder das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung. Der Anteil der ex-officio Mitglieder stieg im Verlauf des Untersuchungszeitraumes an und lag ab 1847 bei etwa 30, so dass diese bis 1898 nominell fast die Hälfte des gesamten Aufsichtsgremiums ausmachten. Ab 1899

179 J. Burke, "National Archives: Report by J. Burke on Formation of Galway Unions," in Letter books of J. Burke (1839, 1837, 1846), George B Handran, Townlands in Poor Law Unions. A Reprint of Poor Law Union Pamphlets of the General Registrar`S Office (Salem, Massachusetts: Higginson Book Company, 1997), Gerard O`Brien "The Establishment of Poor-Law Unions in Ireland, 1838- 43," Irish Historical Studies 23, no. 90 (1982-3).

54 hatte das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Galway 61 gewählte Mitglieder180.

Bezirk Anzahl Guardians Annaghdown 1 Aughrim 1 Ballintemple 2 Ballynacourty 2 Barna 2 Carenmore 2 Carrabrowne 2 Claregalway 2 Clarenbridge 1 Deerpark 2 Furbough 2 Galway Rural 2 Galway North Ward 4 South Ward 4 East Ward 4 West Ward 4 Inishmore 1 Islands of Aran 2 Killannin 1 Lackaghbeg 2 Liscananaun 2 Lisheenavalla 2 Moycullen 2 Oranmore 2 Selerna 2 Slievaneena 2 Spiddal 2 Stradbally 2 Tullokyn 2 Gesamt 61

Tab. 5: Galway Union Wahlbezirke 1899 (Rural Districts und urban PLGuardians)

Die Galway Poor Law Union hatte im Jahr 1841 offiziell 73.527 Einwohner, wobei der kleinste Wahlbezirk Stradbally 1.063 Einwohner hatte und der Wahlbezirk Galway City 33.120 Einwohner. Zehn Jahre später lebten offiziell 61.578 Personen in der Galway Poor Law Union. In den folgenden Jahrzehnten sanken die Zahlen kontinuierlich ab. 1891 hatte die gesamte Galway Union 38.715 Einwohner und im Jahr 1911 lag die Zahl bei 35.083 Personen.

180 45 Rural District Councillors und 16 Urban Poor Law Guardians.

55 Das Arbeitshaus der Galway Union wurde, wie jedes Arbeitshaus, in der lokalen Marktstadt errichtet, also in der Stadt Galway. Der Erwerb von Land und der Bau des Arbeitshauses wurden finanziert durch einen Kredit der Bank of Ireland in Höhe von 11.300£, mit einer Bürgschaft der Poor Law Commission181. Die Institution befand sich auf einem 32.000 Quardratmeter großen Gelände in der Nähe der später (1845) errichteten Universität Galways an der Newcastle Road182. Im Dezember 1841 wurde das Arbeitshaus der Galway Union, bestehend aus Eingangsgebäude, Hauptgebäude, Küche, Wäscherei, Büros und Krankenhaus, für die Summe von 10.000 £ versichert183. Die ganze Anlage des Galway Arbeitshauses entsprach dem von Wilkinson entworfenen Modell184. Der erste Insasse wurde am 2.3.1842 in das Arbeitshaus von Galway aufgenommen.

Das Galway Workhouse wurde 1956 beim Bau eines neuen Krankenhauses abgerissen185.

181 Galway Minute Book, 12.2.1840. Siehe dazu Anhang Abb. 17 Galway Baukosten. 182 Siehe Anhang Abb. 6 bis 8: Karte Galway Workhouse und Fotos. 183 Galway Minute Book, 12.12.1841. 184 Der britische Architekt George Wilkinson hatte bereits mehrere Arbeitshäuser in Großbritannien entworfen, als ihm die Poor Law Commission 1839 den Auftrag erteilte alle irischen Arbeitshäuser zu planen. Zum Modell von Wilkinson siehe Kapitel „Die Arbeitshäuser“ und siehe Anhang Abb. 9: Modell eines Arbeitshauses nach Wilkinson. P.J. Meghen, "Building the Workhouses," Administration III, no. 1 (1955). William Raftery, "Wilkinson the Workhouse Builder 1839-1854," Journal of the Galway Archeological and Historical Society 3, no. Famine Edition (1995). Anna Dickens, "The Architect and the Workhouse," Architectural Review CLX, no. 958 (1976), Kathryn Morrison, The Workhouse: A History of Poor Law Buildings in England (English Heritage, 1999). S. Maguire, "The Early Workhouses in Galway," Galway Reader 4, no. 2+3 (1954). 185 Siehe Abb. 8: Fotos Galway Workhouse.

56 2.2.2 Gort Poor Law Union

Die Gort Poor Law Union grenzt südlich direkt an die Galway Union. Gort liegt etwa 30 Kilometer südöstlich der Stadt Galway. Der Ort liegt an der Hauptstrasse von Galway nach Ennis und besaß seit 1869 eine Bahnanbindung. 1841 hatte die Stadt Gort 3.056 Einwohner, 1851 betrug diese Zahl 2.392 Einwohner und sank bis 1891 auf 1.498 Personen. Im Untersuchungszeitraum gab es keine Industrie in Gort. Die Landwirtschaft bestimmte die Wirtschaft des Ortes und seiner Umgebung186.

Die Gort Poor Law Union wurde im August 1839 eingeführt und umfasste ein Gebiet von etwa 363 Quadratkilometern187. Die Gort Poor Law Union hatte bei ihrer Gründung 38.342 Einwohner, wobei der kleinste Wahlbezirk Killeenan 2.892 Einwohner hatte und der größte Wahlbezirk Kinvarra 5.430 Einwohner. 1851 waren die Einwohnerzahlen auf 26.325 Personen gesunken. Im Jahr 1891 lebten 14.201 Personen in der Gort Poor Law Union188. Und im Jahr 1911 betrug die Einwohnerzahl der Gort Union 11.382 Personen.

Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung setzte sich bei seiner Einführung aus 18 gewählten Mitgliedern zusammen, die 10 Wahlbezirke repräsentierten sowie sechs ex-officio Mitgliedern.

186 Grey, Gort Inse Guaire, S. 1ff; Lewis, Topographical Dictionary of Ireland, Spellissy, The History of Galway. City and County. 187 Curtin, "Records from the Gort Union 1844-54." 188 Siehe Anhang Tabelle 11 und 12: Zensusdaten Galway – Gort.

57 Bezirk Anzahl Guardians Ardrahan 2 Beagh 2 Kilbeakanty 2 Killeenavara 2 Killeenan 2 Kilmacdooagh 2 Kiltartan 1 Kilthomas 1 Kinvarra 3 Kilkeedy 1 Gesamt 18

Tab. 6: Gort Union Wahlbezirke 1839

Die Größe und Anzahl dieser Wahlbezirke wurde im Verlauf des Untersuchungszeitraumes geändert. Die Anzahl der ex-officio Mitglieder erhöhte sich und machte ab 1847 etwa die Hälfte des gesamten Aufsichtsgremiums aus. Ab 1899 betrug die Anzahl der gewählten Mitglieder 41 Personen.

Bezirk Anzahl Guardians Ardamullivan 2 Ardrahan 2 Ballycahalan 2 Beagh 2 Cahermore 2 Cappard 2 Castletaylor 2 Doorus 2 Drumacoo 2 Gort 5 Kilbeacanty 2 Killeely 2 Killeenavara 2 Killinny 2 Kiltartan 2 Kilthomas 2 Kinvarra 2 Rahasane 2 Skehanagh 2 Gesamt 41

Tab. 7: Gort Union Wahlbezirke 1899

58 Das Arbeitshaus wurde im Süden der Stadt Gort errichtet und im Dezember 1841 fertiggestellt189. Die Baukosten betrugen 6.500₤, finanziert über einen Kredit. Es war das erste fertiggestellte Arbeitshaus in der Grafschaft Galway und war für 500 Personen ausgelegt. In den 1940er Jahren wurden Teile des Arbeitshauses abgerissen und als Baumaterial verwendet. Einige Teile blieben jedoch stehen und wurden an den ehemaligen Leiter des Arbeitshauses vermietet. Dieser wohnte dort bis zu seinem Tod 1957. Heutzutage werden diese Teile als Lagerhaus genutzt.

189 Das Arbeitshaus von Gort öffnete am 11.12.1841 seine Tore. Siehe Anhang Abb. 18: Gort Finanzen.

59 2.3 Nicht-kommunale Unterstützungsmassnahmen in Galway

Vor Einführung des Poor Law im Jahr 1838 war eine flächendeckende und staatlich regulierte Armenunterstützung in Irland unbekannt. Lokale Hilfseinrichtungen von Privatleuten, Wohltätigkeitsorganisationen oder den Kirchen sollten für das materielle, vor allem aber auch für das moralische und spirituelle Wohlergehen der Armen sorgen. Die Hauptzielgruppe dieser Einrichtungen bildeten vor allem Witwen mit Kindern und „ältere ehrbare, mittellose Frauen“190. Daneben bestanden für weibliche Arme sogenannte „Magdalenenhäuser“ für unverheiratete Mütter sowie Wohnheime für arbeitslose Dienstmädchen. In Galway wurde im Jahr 1821 ein "Magdalen Asylum" errichtet191. Diese Institutionen wurden oft von Nonnen geleitet, etwa den Sisters of Mercy192.

An weiteren Einrichtungen zur Armenfürsorge existierte in Galway bereits seit dem 18. Jahrhundert das St Nicholas Poor House, ein Armenhaus unter protestantischer Leitung mit angeschlossenem Kinderheim. Außerdem öffnete im Jahr 1824 ein sogenanntes „Mendicity Institute“ für Bettler, welches bis zu 200 Personen aufnehmen konnte. Es wurde über lokale Wohltätigkeitsspenden finanziert und schloss erst im Jahr 1842 seine Tore, als das Arbeitshaus in Galway eröffnet wurde193. Schließlich hinterließen wohlhabende Katholiken und Protestanten in Galway Geld zur Errichtung und Unterhaltung von weiteren Unterstützungsinstitutionen für die Armen. Gegen Ende der 1830er Jahre wurde aufgrund solcher Initiativen ein „Widows and Orphans Asylum“ und ein Protestant Poor House gegründet.

Alle diese Einrichtungen besaßen allerdings eine eingeschränkte Kapazität. Die meisten richteten sich auch an klar begrenzte Zielgruppen wie etwa blinde oder taubstumme Arme, Prostituierte oder Witwen – häufig nur der eigenen Konfession. Zudem stellten sie oft hohe Ansprüche an den „guten Charakter“ der

190 Caitriona Clear, Nuns in Nineteenth-Century Ireland (Dublin, Washington, D. C.: Gill and Macmillan, 1987) S. 5. 191 James Mitchell, "Father Peter Daly, C. 1788-1868," Journal of the Galway Archeological and Historical Society 39 (1987): S. 28. 192 MARIA LUDDY, WOMEN IN IRELAND 1800-1918: A DOCUMENTARY HISTORY (CORK: CORK UP, 1995) S. 58. 193 James P. Murray, "Pre-Famine Galway," in Galway: A Medico-Social History, ed. James P. Murray (Galway: 1992), S. 54.

60 Antragsteller194. Die kirchliche und wohltätige Hilfe betonte außerdem, dass die gewährte Unterstützung kein natürliches Recht, sondern eine „besondere Gunst“ sei, für die ein entsprechendes Verhalten sowie Dankbarkeit erwartet werden könne. Die meisten dieser Hilfsmaßnahmen unterlagen somit lokalen, zeitlichen, gruppenspezifischen, religiösen oder kapazitätsbedingten Aufnahmebeschränkungen. Das irische Armengesetz von 1838 sollte im Prinzip alle älteren Unterstützungsformen ersetzen. Zum Teil existierten und unterstützten konfessionelle und private Hilfsorganisationen de facto jedoch weiter. Sie waren auch den vielfältigen Restriktionen der neuen, staatlich regulierten kommunalen Armenhilfe nicht unterworfen. Dies ermöglichte ihnen während der Hungersnot von 1845-49 und auch darüber hinaus eine flexiblere Hilfe und hob auch aus der Sicht der Armen ihre Bedeutung gegenüber der staatlich geregelten Unterstützung hervor.

194 Luddy, Women in Ireland 1800-1918: A Documentary History S. 55. Maria Luddy, Women and Philanthropy in Nineteenth-Century Ireland (Cambridge: Cambridge University Press, 1995) S. 27.

61 3. Gesetzliche Rahmenbedingungen, Akteure, Zuständigkeiten und Maßnahmen

Im folgenden Kapitel werden die zentralen Elemente des irischen Armengesetzes von 1838 dargestellt. Warum wurde die Armengesetzgebung in der Form von 1838 in Irland eingeführt? Um diese Frage zu beantworten, wird in einem kurzen Überblick dargestellt, welche zentralen Entwicklungen der Einführung vorangingen. Das irische Armengesetz von 1838 basierte wesentlich auf dem englischen New Poor Law. In einem Exkurs werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der irischen im Vergleich mit der englischen und schottischen Armengesetzgebung aufgezeigt, um so die „spezifische Ausprägung“ irischer Institutionen der Armenverwaltung darzustellen. Anschliessend wird ein Überblick über die zentralen Elemente des Irish Poor Law Act von 1838 geliefert. Durch dieses Gesetz wurden die wesentlichen Aufgaben der kommunalen Armenfürsorge geregelt und Handlungsspielräume der Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung auf lokaler Ebene festgeschrieben. Wie konstituierten sich die lokalen Aufsichtsgremien und welche Zuständigkeiten übten sie aus? Welche Stellung hatte die übergeordnete Verwaltungsebene, die zentrale Behörde in Dublin, und welche Entscheidungs- und Weisungsbefugnis wurde ihr zugestanden. Dieses ist wesentlich für das Verhältnis von lokaler und zentraler Administrationsebene. Wie wurde die Armengesetzgebung finanziert? Die Arbeitshäuser standen im Zentrum der Regelungen der kommunalen Armenfürsorge in Irland. Diese Institution wird in einem kurzen Überblick dargestellt.

62 3.1 Irish Poor Law Act 1838: seine Einführung und seine Elemente

Flächendeckende staatliche Armenunterstützung war vor Einführung des Poor Law 1838 in Irland unbekannt. Die britische Regierung hatte zwischen 1800 und 1840 insgesamt 114 „Royal Commissions“ und 61 „Special Committees of Enquiry“ für Irland zusammengestellt, die die Lage der Armen in Irland untersuchen sollten195. Im Jahr 1833 wurde eine Kommission unter dem Vorsitz des protestantischen Dubliner Erzbischofs Richard Whately organisiert, um die Lage der Armen Irlands und die verschiedenen Institutionen zur Unterstützung der Armen zu untersuchen und Vorschläge für Hilfsmaßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen zu erarbeiten196. Diese sehr detaillierte Untersuchung dauerte drei Jahre. In ihrem abschließenden Report von 1836 für die Regierung kam die Whately-Kommission zu dem Ergebnis, dass „in Kenntnis des Ausmaßes der Mittellosigkeit und Armut, die in Irland herrscht, das englische System der Arbeitshäuser unpassend und unangebracht197“ für Irland sei. Das englische Arbeitshaus sei auf die „faulen“ und „untätigen“ Armen ausgerichtet, die zur Arbeitssuche angehalten werden sollen. In Irland jedoch seien die gesunden und arbeitsfähigen Armen bereit und sogar bestrebt eine Arbeit zu finden. Selbst zu sehr geringen Löhnen seien die irischen Arbeiter geneigt zu arbeiten, würden jedoch keinerlei Arbeit bekommen. Weiterhin äußerte die Kommission die Überzeugung, dass „the able-bodied in general and their families would endure any misery rather than make a workhouse their domicile. ....If it [the workhouse system] were established, we are persuaded that it would be regarded by the bulk of the population as a stratagem for debarring them of that right of employment and support with which the law professed to invest them.198”

Nachdem die Kommission die Institution der Arbeitshäuser für Irland abgelehnt hatte, präsentierte sie eine Abhandlung über die ökonomische Situation Irlands, in der sie verschiedene Strukturverbesserungen empfahl, die die Lage der Armen

195 O`Connor, The Workhouses of Ireland. The Fate of Ireland's Poor S. 48. Siehe dazu auch: T.G. Conway, "The Approach to an Irish Poor Law, 1828-33," Eire-Ireland VI, 1 (1971). 196 Burke, The People and the Poor Law in 19th Century Ireland S. 17-20, 24-37. 197 Reports of Commissioners for enquiring into the conditions of the poorer classes in Ireland, HC 1836 (43) S. 21. 198 Reports of the Commissioners, HC 1836 (43).

63 langfristig verbessern sollten199. Dazu zählten: die Kultivierung von Ödland, die Drainage zur Entwässerung vieler Flächen, verbesserte Wohnsituation durch staatliche Programme zum Häuserbau, die Unterweisung der bäuerlichen Bevölkerung in verbesserten Anbautechniken, eine Änderung im irischen Pachtwesen zur Verbesserung der Lage der irischen Pächter, mehr staatliche Arbeitsprogramme, wie der Bau von Strassen, die Förderung und Entwicklung von Handel, Industrie und Fischereiwesen, das Schließen der Pubs an Sonntagen und das Verbot des Verkaufes berauschender Getränke und Lebensmittel in einem Laden200.

Die Probleme der praktischen Umsetzung dieser Vorschläge sowie ihre Finanzierung wurden von den Commissioners nicht behandelt. Auch wurde kein zeitlicher Rahmen vorgegeben. Doch setzten diese Vorschläge der Kommissions- Mitglieder an den Ursachen der Armut an und bildeten den Versuch, eine langfristige Verbesserung der Situation der Mittellosen Irlands zu erreichen. Kaum einer der vorgeschlagenen Punkte hatte die Linderung der unmittelbaren Erscheinungen und Folgen der Armut zum Inhalt, sondern bot langfristige Problemlösungen und infrastrukturelle Verbesserungsvorschläge, die allerdings auf einem starken Eingriff und der Finanzierung durch den britischen Staat beruhten. Genau diese langfristigen Problemlösungsstrategien waren für die Regierung auch der Grund, die Vorschläge der Whately-Kommission abzulehnen. Aus Sicht der britischen Regierung waren die Lösungsmöglichkeiten dieses Reports nicht relevant für die Behebung der unmittelbaren Armut und Mittellosigkeit Irlands und lagen außerhalb des Aufgabenbereichs der Commissioners201.

Daraufhin beauftragte die Regierung Sir George Nicholls, einen der englischen Poor Law Commissioners, sich mit der Situation der Armen in Irland auseinanderzusetzen und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. Nach nur sechs Wochen Aufenthalt in Irland, welches auch sein erster Besuch überhaupt dort war, präsentierte er die Ergebnisse seiner gewonnenen Eindrücke: Er bewertete die

199 Christine Kinealy, "The Irish Poor Law 1838-1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government" (PhD, Trinity College Dublin, 1984) S. 5. 200 Reports of the Commissioners 1836, S. 17. 201 O`Connor, The Workhouses of Ireland. The Fate of Ireland's Poor S. 56-57. Auch George Nicholls geht in seinem Buch auf den Report ein und präsentiert dabei die den Report ablehnende Position: George Nicholls, A History of the Irish Poor Law (New York,: A. M. Kelley, 1967) S. 131- 52.

64 Armen in Irland folgendermaßen: „They seem to feel no pride, no emulation; to be heedless of the present, and reckless of the future. They do not strive to improve their appearance or add to their comforts.202” Seine Haltung gegenüber Bettlern, denen er auf seiner Reise begegnet war, war noch ablehnender: “One of the circumstances that first arrests attention in Ireland, is the almost universal prevalence of mendicancy. It is not perhaps the actual amount of misery existing among the mendicant class, …, but the falsehood, the trickery, and fraud, which becomes a part of their profession…”203. Um einen Missbrauch von Armenunterstützung zu vermeiden, sah Nicholls als Lösung einen „test of destitution“204.

Als Problemlösung für diese Manifestationen der Armut empfahl Nicholls die Etablierung von Arbeitshäusern in Irland und die Anlehnung an das englische New Poor Law als „a first step, towards effecting an improvement in the character, habits and social conditions of the people.205“ Nicholls war auch für Irland vehement gegen die Gewährung von Unterstützung außerhalb eines Arbeitshauses206. Seine Überzeugung war, dass die Armengesetzgebung in Irland dem Land durch eine „Übergangsperiode“ 207 helfen würde. Das Poor Law würde zusammen mit anderen Entwicklungen, den Wechsel von einer Gesellschaft der small-holder zu einer der wage-earners ermöglichen. Genauer erläuterte er diesen Zusammenhang aber nicht208. Staatliche Intervention sollte sich seiner Meinung nach auf das Minimum der Etablierung der Arbeitshäuser beschränken. Arbeitsbeschaffungsmassnahmen oder Strukturverbesserungen, wie sie die Whately-Kommission empfohlen hatte, lehnte Nicholls ab. Er ließ sie höchstens in gewissem Umfang als begleitende Maßnahmen zum Poor Law zu209. So kam George Nicholls zu dem Schluss, dass das Arbeitshaus-System „may be safely

202 George Nicholls, First Report on Poor Laws, Ireland, London 1836, S. 5. 203 Nicholls, First Report, S. 5. 204 Nicholls, First Report, S. 7. 205 Nicholls, First Report, S. 11f.. 206 Nicholls, ebenda, S. 14.. 207 Nicholls, ebenda, S. 9. 208 Nicholls, ebenda, S. 9. 209 Nicholls, ebenda, S. 11f..

65 and efficiently applied, as a medium for relief, to diminish the amount of misery in Ireland.210”

Die britische Regierung folgte den Empfehlungen Nicholls. Am 31. Juli 1838 trat das Poor Law als „Act for the more effectual relief of the destitute poor in Ireland211“ in Kraft. Die Hauptinhalte waren:

- Die Etablierung einer zentralen Behörde – der Poor Law Commission212.

- Die Aufteilung des Landes in Unions213.

- Die Formierung von Board of Guardians für jede Union214.

- Die Etablierung von Arbeitshäusern in jeder Union215.

- Die Erhebung einer Poor Rate zur Finanzierung des Systems216.

- Die begrenzte Bereitstellung von Hilfe für emigrationswillige Menschen217.

Durch die Einführung des Poor Law in Irland wurde die kommunale Armenversorgung auf ein strikt konfessionsneutrales System umgestellt.

210 Nicholls, ebenda, S. 15. 211 An Act for the more effectual relief of the destitute poor in Ireland, in: a collection of the Public General Statutes 1838, 1&2 Vict, cap 56, Dublin 1838. 212 Ebenda, §3. 213 Ebenda, §15. 214 Ebenda, §17. 215 Ebenda, §35. 216 Ebenda, §54. 217 Ebenda, §46.

66 3.2 „Spezifische Ausprägung“ irischer Institutionen der Armenverwaltung (im Vergleich zu England, Schottland)

Die irische Armengesetzgebung baute wesentlich auf dem englischen New Poor Law218 von 1834 auf und etablierte ein rigides administratives System, welches

218 Zum englischen New Poor Law existiert eine umfangreiche Forschungsliteratur. Zum Vergleich mit Irland siehe: O`Connor, The Workhouses of Ireland. The Fate of Ireland's Poor besonders Kapitel 4. Burke, The People and the Poor Law in 19th Century Ireland besonders Kapitel 2. An neuerer englischer Forschungsliteratur siehe etwa: King, ed., Poverty and Welfare in England, 1700-1850. A Regional Perspective. Ders., Women, Welfare and Local Politics 1880-1920: "we might be trusted" (Sussex, Sussex Academic Press 2006); Keith D. M. Snell, Parish and Belonging. Community, Identity and Welfare in England and Wales 1700-1950 (Cambridge: Cambridge University Press 2006), besonders Kapitel 5 und 6M.W. Flinn, "Medical Services under the New Poor Law," in The New Poor Law in the Nineteenth Century, ed. Derek Fraser (London: 1976), Bill Forsythe, Joseph Melling, and Richard Adair, "The New Poor Law and the Country Pauper Lunatic Asylum. The Devon Experience 1834-1884," Social History of Medicine 9 (1996). Philip Harling, "The Power of Persuasion. Central Authority, Local Bureaucracy and the New Poor Law," The English Historical Review 107 (1992), S. 30-53. G. Oxley, Poor Relief in England and Wales 1601- 1834 (Newton Abbot: David and Charles, 1974), Michael E. Rose, The English Poor Law, 1780- 1930 (New York,: Barnes & Noble, 1971), Michael E. Rose, "Settlement, Removal, and the New Poor Law," in The New Poor Law in the Nineteenth Century, ed. Derek Fraser (London: 1976), Michael E. Rose, ed., The Poor and the City: The English Poor Law in Its Urban Context, 1834- 1914. (New York: St. Martin's Press, 1985), Keith D.M. Snell, "Settlement, Poor Law and the Rural Historian: New Approaches and Opportunities," Rural History. Economy, society, culture 3,2 (1992), Rachel Vorspan, "Vagrancy and the New Poor Law in Late Victorian and Edwardian England," English Historical Review 92 (1977), Sidney Webb and Beatrice Potter Webb, English Poor Law Policy (London, New York,: Longmans Green, 1910), Bernd Weisbrod, ""Neue Armut": Markt Und Moral Unter Dem Neuen Armenrecht, ["New Poverty": Mercet and Morality in the New Poor Law]," in Victorian Values: Arm Und Reich in Viktorianischen England [Poor and Rich in Victorian England], ed. Bernd Weisbrod (Bochum: Brockmeyer, 1988), J. A. Yelling, "Driver, F. Power and Pauperism: The Workhouse System 1834-1884. Cambridge Studies in Historical Geography 19," Progress in Human Geography 18, no. 2 (1994). Robert Humphreys, Sin, Organized Charity, and the Poor Law in Victorian England (New York, N.Y. Basingstoke: St. Martin's Press Macmillan, 1995Timothy Guinnane, Timothy Besley, and Stephen C Coate, "Incentives, Information, and Welfare: England`S New Poor Law and the Workhouse Test," in History Matters: Essays on Economic Growth, Technology, and Demographic Change, ed. Timothy Guinnane, William A Sundstrom, and Warren C Whatley (Stanford: Stanford University Press, 2003). Elizabeth Hurren, Poor Law versus Public Health: Diphtheria, Sanitary Reform, and the ‘Crusade’ against Outdoor Relief, 1870–1900, in: Social History of Medicine 18 (2005), S. 399-418; Joanna Innes, "The Distinctiveness of the English Poor Laws, 1750-1850," in The Political Economy of British Historical Experience, 1688-1914, Donald Winch and Patrick K. O`Brien (Hg) (Oxford: Oxford University Press, 2002), S. 381-408. Grundlegend auch: D. Ashforth and Derek Fraser, eds., The New Poor Law in the 19th Century (Basingstoke: Macmillan, 1976), Margaret Anne Crowther, The Workhouse System 1834-1929. 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Dickens, "Architects and the Union Workhouse of the New Poor Law" (Ph.D., CNAA, 1983), Anne Digby, "The Rural Poor Law," in The New Poor Law in the Nineteenth Century, ed. Derek Fraser (London: Macmillan, 1976), P. Dunkley, "The 'Hungry Forties' and the 67 das alte System der Caritas ersetzte219. Wie im englischen New Poor Law von 1834 standen auch in Irland die Arbeitshäuser, in die jeder Arme, wenn er Unterstützung bekommen wollte, gehen musste, im Zentrum der Regelungen220. Das neue irische Armengesetz fasste die Maßnahmen jedoch noch weitaus schärfer als das englische und erlaubte bei seiner Einführung keinerlei finanzielle und materielle Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses (Outdoor Relief). Erst nach der Großen Hungersnot wurde dies unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich. Arme, die das Arbeitshaus in persona nicht erreichen konnten, erhielten also bis 1847 keine kommunale Armenunterstützung.

Die Arbeitshäuser sollten als „test of destitution“ die Ausnützung des Systems verhindern. Den Arbeitshausinsassen sollte es schlechter gehen als dem „unabhängigen Arbeiter“ außerhalb desselben („less eligibility“). Das sollte dem Missbrauch des Arbeitshaussystems vorbeugen und gleichzeitig für die sogenannten „able-bodied poor“ einen Stimulus darstellen sich außerhalb des Arbeitshauses eine Tätigkeit zu suchen. Diese Sichtweise fasste Armut als eine „willentliche“, und daher auch umkehrbare Bedingung, auf. Sie richtete sich vor allem gegen gesunde, arbeitslose Männer, denn das Finden von Arbeit wurde als

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68 Sache des Willens aufgefasst. Die Armengesetzgebung nahm keine Rücksicht auf ungewollte Arbeitslosigkeit, verursacht etwa durch strukturelle Veränderungen in Industrie und Landwirtschaft. Stattdessen wurde von dem Vorhandensein von Arbeit für jedermann, der danach suchte, ausgegangen.

Als weiterer Unterschied zum englischen New Poor Law kommt hinzu, dass in das irische Gesetz kein „Law of Settlement“ aufgenommen wurde. Außerdem gab es keinen rechtlichen Anspruch auf Unterstützung. In der alltäglichen Verwaltungspraxis auf der kommunalen Ebene wurde allerdings versucht, keine „fremden Armen“ zu unterstützen und diese an ihren Herkunftsort zurückzuverweisen, damit die lokalen Steuerzahler „fremde Arme“ nicht mitunterstützen müssten. So finden sich vor allem in der eher städtischen Galway Union Fälle, in denen Armen die Aufnahme in das Arbeitshaus verweigert wurde, wie das folgende Beispiel zeigt: „A smart looking girl …. applied. The Guardians rejected her and directed her to go to Castlebar the place of her nativity, although she was over two years resident in Galway.221” Ein weiterer Unterschied der irischen Armengesetzgebung gegenüber dem englischen New Poor Law lag in der bezirklichen Erhebung der Poor Rate in Irland, wohingegen in England das sogenannte „union rating“ herrschte222.

Bei der Einführung der neuen Gesetzgebung war das irische Armenwesen nicht vollständig vom englischen getrennt, da es eine gemeinsame zentrale Behörde gab. Die englische Poor Law Commission kontrollierte bis 1847 die irischen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung mit. Die irische zentrale Behörde hatte dann nach ihrer Einrichtung 1847 umfassendere Kontroll- und Weisungsbefugnisse gegenüber den lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung als das englische Gegenstück. Im Unterschied zur englischen zentralen Behörde konnte die irische Poor Law Commission die Geistlichen der einzelnen Arbeitshäuser berufen und die Gottesdienste im Arbeitshaus regeln223. Die zentrale irische Behörde konnte

221 Galway Advertiser 21.5.1842, S. 3. Dass dieses Mädchen schon lange in Galway lebte, wurde auch von einem der anwesenden Guardians bestätigt, der sie als Dienstmädchen kannte. 222 Für Erklärungen und nähere Ausführungen siehe den Unterpunkt „die Unions“. In Irland wurde das „Union rating“ nach dem Local Government Act 1898 auch eingeführt. 223 An Act for the more effectual relief of the destitute poor in Ireland, in: a collection of the Public General Statutes 1838, 1&2 Vict, cap 56, Dublin 1838, § XLVIIII: “And be it enacted, that the Commissioners shall take Order for the due Performance of Religious Service in such Workhouses, and for appointing fit Persons to be Chaplains for that Purpose, to hold their respective Offices, during the Pleasure of the Commissioners…”

69 Bezirke zur Erhebung der Armensteuer verkleinern oder vergrößern224 und die lokalen Armenverwaltungen benötigten das Einverständnis der Poor Law Commission, bevor sie Gelder zur Unterstützung von Emigration verwenden konnten225. Während in England die lokalen Armenverwaltungen für den Bau der Arbeitshäuser zuständig waren, lag dieses in Irland in den Händen der zentralen Behörde226. Die irische Poor Law Commission hatte das Recht, einzelne lokale Armenverwaltungen aufzulösen227, die englische zentrale Behörde konnte dieses nicht228. Die zentrale Behörde in Irland ernannte seit 1838 außerdem bezahlte Prüfer, die die Finanzen der einzelnen Poor Law Unions überprüften229. Im englischen Fall ernannten die einzelnen kommunalen Aufsichtsgremien eigene Prüfer. Erst 1868 wurde die Ernennung von Finanzprüfern auf die zentrale Behörde in England übertragen.

Der Anteil von 1/3 ex-officio und 2/3 gewählten Mitgliedern der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung war in der irischen Armengesetzgebung festgeschrieben230, im englischen Fall dagegen war jeder Justice of the Peace einer Poor Law Union berechtigt, einen Platz im Aufsichtsgremium einzunehmen231. Dieses wurde als nötig angesehen, da die irischen Unions flächenmäßig größer als die englischen Unions waren und es somit in Irland durchschnittlich im Verhältnis zur Fläche mehr richterliche Beamte gab232. Um eine Dominanz von ex-officio Mitgliedern über die gewählten Mitglieder zu vermeiden, legte man diese Beschränkung fest. 1847 wurde sie allerdings geändert und der Anteil der ex-officio Mitglieder wurde etwa

224 An Act for the more effectual relief of the destitute poor in Ireland, in: a collection of the Public General Statutes 1838, 1&2 Vict, cap 56, Dublin 1838, § XVI. 225 Ebenda, § LI. 226 Ebenda, § XXXV und English New Poor Law Act 1834, § 21. 227 Ebenda, § XXV. 228 Kinealy, "The Irish Poor Law 1838-1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government" S. 16-17. O`Brien "The Establishment of Poor-Law Unions in Ireland, 1838- 43.", S. 110, English New Poor Law Act 1834, § 32. 229 An Act for the more effectual relief of the destitute poor in Ireland, in: a collection of the Public General Statutes 1838, 1&2 Vict, cap 56, Dublin 1838, § XCV. 230 Ebenda, § XCV. 231 Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886 S. 18., English New Poor Law Act 1834, §§ 38, 39. 232 Nicholls, A History of the Irish Poor Law, in Connexion with the Condition of the People S. 173- 74, 208.

70 gleichgesetzt mit dem der gewählten Mitglieder233. Der Grund hierfür war, dass seit 1843 die Armensteuer von Besitzungen, deren Valuation unter ₤4 lag, ganz vom Eigentümer (owner) und nicht vom Bewohner (occupier) übernommen werden musste. Um für die Belastung, die dadurch den großen Landbesitzern entstand, einen Ausgleich zu schaffen, erhöhte man den ex-officio234 Anteil in den Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen in Irland. In der englischen kommunalen Armenfürsorge konnten Geistliche Mitglieder in den Aufsichtsgremien der Armenadministration werden, in Irland waren sie explizit von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen235.

Trotz legaler und administrativer Ähnlichkeiten entwickelten sich die englische und irische Armengesetzgebung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts völlig unterschiedlich. In England nahm sowohl die Unterstützung innerhalb als auch außerhalb des Arbeitshauses sehr stark ab. So gab es in England eine Bewegung gegen die Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses (Crusade against Outrelief)236, wozu es in Irland kein Gegenstück gab237.

1845 kam es auch in Schottland zu einer Reform des bisher vor allem in kirchlicher Hand gebliebenen und von den „kirk sessions“ der kalvinistischen Staatskirche bzw. auch den großen Landbesitzern als den hauptsächlichen Beitragszahlern kontrollierten Systems der Armenfürsorge. Diese Reform orientierte sich ebenfalls am englischen New Poor Law von 1834238. Das schottische Armengesetz beließ

233 Ibid. S. 290f. 234 Der größte Teil der Justices of the Peace entstammte dem Landadel. 235 An Act for the more effectual relief of the destitute poor in Ireland, in: a collection of the Public General Statutes 1838, 1&2 Vict, cap 56, Dublin 1838, §XIX: “Provided always, that no Person, being in Holy Orders, or being a regular Minister of any Religious Denomination, shall be eligible as a Guardian.” 236 Elizabeth T. Hurren, Agricultural trade unionism and the crusade against outdoor relief in the Brixworth union Northhamptonshire, 1870-75, in: Agricultural History Review 48, 2 (2000), S. 200- 222; Dies., Poor Law versus Public Health: Diphtheria, Sanitary Reform, and the ‘Crusade’ against Outdoor Relief, 1870–1900, in: Social History of Medicine 18, 3 (2005), S. 399-418. 237 Guinnane, The Vanishing Irish. Households, Migration and the Rural Economy in Ireland 1850- 1914 S. 62. Timothy Guinnane, "The Poor Law and Pensions in Ireland," Journal of Interdisciplinary History 34, no. 2 (1993): Tabelle 3. O`Grada, Ireland. A New Economic History 1780-1939 S. 98. 238 Andreas Gestrich and Jens Gründler, "Iren in Glasgow in Den Versorgungskrisen Von 1846-48 Und 1878/79 - Aspekte Von Inklusion Und Exklusion," in Inklusion/Exklusion. Studien Zu Fremdheit Und Armut Von Der Antike Bis Zur Gegenwart, ed. Andreas Gestrich and Lutz Raphael (Frankfurt/Main: Peter Lang, 2004), S. 340f. Englander, Poverty and Poor Law Reform in Britain. 71 den Fürsorgekomitees (parochial boards) der neuen Poor Law Unions allerdings einen relativ weiten Entscheidungsspielraum in zwei wesentlichen Punkten: Zum einen blieb es den lokalen Komitees überlassen, ob sie das Geld über eine allgemeine Abgabe (Gemeindesteuer) oder über freiwillige Beiträge aufbrachten, solange gewährleistet blieb, dass die Armen versorgt werden konnten. Zum anderen konnten die Komitees zunächst selber entscheiden, wie sie die Armen unterstützten und ob und wie arbeitsfähige Arme unterstützt werden sollten. Erst ein Gerichtsurteil im Jahr 1859 schloss die Unterstützung der able-bodied poor explizit aus, beziehungsweise band sie an die Einweisung in das Armenhaus.

Zwar gab es – genau wie im irischen Armengesetz – auch im schottischen System keinen Rechtsanspruch auf Unterstützung, aber finanzielle und materielle Unterstützung konnte auch außerhalb des Armenhauses gewährt werden.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal des schottischen im Vergleich zum irischen Armengesetz bildete die prinzipielle Verantwortlichkeit der Heimatgemeinde bei der Armenunterstützung. So konnten alle Antragsteller, die seit weniger als fünf Jahren239 in der entsprechenden Poor Law Union wohnten und somit nach britischem Recht kein „settlement“ erworben hatten, an ihre Heimatgemeinde verwiesen werden. Befanden sich die Personen in einer akuten Notlage, so durfte die zuständige Gemeinde die Hilfe nicht ablehnen, doch die Kosten vor allem für eine längerfristige, reguläre Unterstützung konnten an die Heimatgemeinde weitergegeben werden. Das irische Armengesetz hingegen kannte kein „law of settlement“, so dass Geldforderungen aus Schottland in der Regel nicht akzeptiert wurden. Irische Einwanderer nach Schottland konnten aber dann durch

From Chadwick to Booth, 1834-1914 S. 47ff. Ian Levitt, Poverty and Welfare in Scotland 1890- 1948 (Edinburgh: 1988) S. 7ff. Edwin Chadwick, The Comparative Results of the Chief Principles of the Poor Law Administration in England and Ireland, as Compared with That of Scotland (London: 1864). Peter Gray, "Famine Relief Policy in Comparative Perspective: Ireland, Scotland and North- Western Europe, 1845-9," Eire-Ireland 32, no. 1 (1997). Neilson W. Hancock, "The Aberdeen Industrial Schools Contrasted with Irish Workhouses, 1860," Journal of the statistical and social inquiry society of Ireland iii (1860 ?). Rosalind Mitchison, "Permissive Poor Laws: The Irish and Scottish Systems Considered Together," in Conflict, Identity and Economic Development. Ireland and Scotland, 1600-1939, ed. J. S. Connolly, Houston, R.A. and Morris R.J. (Preston: Carnegie, 1995), Gerard O`Brien "A Question of Attitude: Responses to the New Poor Law in Ireland and Scotland," in Economy and Society in Scotland and Ireland, 1500-1939, ed. Rosalind Mitchison (Edinburgh: John Donald, 1988). 239 Seit 1898 erwarb man das settlement nach drei Jahren.

72 sogenannte Rückführungen (removals) in ihre irische Heimatgemeinde ausgewiesen werden240.

L. H. Lees schreibt zu den verschiedenen Systemen der Armenfürsorge in Großbritannien „Welfare constituted a dividing line between English and Welsh on the one hand, and Scottish and Irish on the other. …Whatever sense of Britishness might have been fostered by common loyalties to monarchy, army, and nation, welfare systems remained resolutely local, reinforcing ethnic differences until the twentieth century.241”

240 Gestrich and Gründler, "Iren in Glasgow in Den Versorgungskrisen Von 1846-48 Und 1878/79 - Aspekte Von Inklusion Und Exklusion," S. 342. Der im Oktober 1847 erlassene Poor Removal Act erleichterte die Rückführung von irischen Immigranten, die noch kein settlement in England oder Schottland besaßen. 241 Lees, The Solidarities of Strangers. The English Poor Laws and the People, 1700-1948 S. 12.

73 3.3 Armenverwaltung auf lokaler und zentraler Ebene

3.3.1 Die zentrale Behörde: Poor Law Commission und Local Government Board

Alle Poor Law Unions in Irland befand sich unter der Kontrolle einer zentralen Behörde, der Poor Law Commission. Die Poor Law Commission für Irland setzte sich zunächst aus den drei Poor Law Commissioners für England und Wales zusammen, die wiederum irische Assistant Commissioners ernennen konnten. Sie waren zuständig für die Umsetzung des Armengesetzes in Irland. Die Assistant Commissioners wurden vor Beginn ihrer Arbeit nach England geschickt, um das Arbeitshaussystem kennen zulernen. In seinem frühen Stadium war das Irish Poor Law somit dominiert von Männern, die im englischen System „trainiert“ wurden, während die Chief Commissioners beides waren, Engländer und Protestanten.

Im Juli 1847 wurden das britische und irische System der Armenfürsorge aber gänzlich getrennt. Fortan unterstand die Verwaltung der Armengesetzgebung einer irischen Kommission, bestehend aus dem Chief Commissioner, dem Chief Secretary und dem Assistant Chief Secretary. Assistant Commissioners und Inspectors repräsentierten die zentrale Behörde in den einzelnen Poor Law Unions. Sie unterstanden dem Lord Lieutenant of Ireland. 1851 wurde ein weiterer Commissioner ernannt, der für die medizinische Versorgung und Überwachung zuständig war. In Irland gab es 16 Poor Law Inspektoren, von denen jeder für 6 bis 18 Unions zuständig war. Im Jahr 1860 wurde die Zahl der Inspektoren auf 13 reduziert.

Im Rahmen ihrer Aufgabenstellung durften die Poor Law Commissioners generelle Regeln aufstellen, die Aufteilung in Unions und die Konstituierung der Boards of Guardians vornehmen sowie die Anzahl der zu wählenden Guardians festlegen. Die Poor Law Commissioners konnten bei Bedarf auch Board of Guardians entlassen und durch zwei normalerweise bezahlte Inspektoren (Vice-Guardians) ersetzen242. Durch dieses Sanktionsmittel waren die Kontrollbefugnisse der Poor

242 Act for the more effectual relief, 1&2 Vict, cap 56, § 3, 26. Nach dem irischen Armengesetz von 1838 hatte die zentrale Behörde nach einer Entlassung einer lokalen Armenverwaltung Neuwahlen anzuordnen. Erst wenn das neugewählte Aufsichtsgremium seine Arbeit auch nicht 74 Law Commissioners sehr weitreichend. Diese Befugnis wurde jedoch als „letztes Mittel“ betrachtet und im Verlauf der Existenz der Arbeitshäuser nur selten tatsächlich eingesetzt. Dieses geschah während der Großen Hungersnot in Irland, als es vielen lokalen Armenverwaltungen nicht mehr gelang, die Armensteuer einsammeln zu lassen, und in den 1880er Jahren, als politische Auseinandersetzungen in einigen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung die Arbeit der Boards vollständig lahm legten. In den beiden Untersuchungsgebieten dieser Studie wurden die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zwar während der Großen Hungersnot aufgelöst243, nicht aber in den 1880er Jahren. Die zentrale Behörde setzte die Androhung der Auflösung jedoch häufig bei Auseinandersetzungen mit der lokalen Administrationsebene als wirkungsvolles Druckmittel ein.

Jeder Angestellte, der von den Guardians für das Arbeitshaus beschäftigt werden sollte, musste von der zentralen Behörde genehmigt werden, bevor er eingestellt werden durfte. Die Commissioners kontrollierten die Gewährung der Unterstützungsleistungen in jedem Arbeitshaus, durften jedoch nicht in individuelle Fälle intervenieren. Eine weitere Aufgabe betraf die Religionsausübung der Insassen des Arbeitshauses. Die zentrale Behörde hatte dafür zu sorgen, dass für jedes Arbeitshaus ein Geistlicher der Established Church of Ireland, sowie ein Protestant Dissenter und ein römisch-katholischer Geistlicher zur Verfügung standen. Kein Insasse war verpflichtet, an einem Gottesdienst teilzunehmen, der nicht seinem Glauben entsprach, und kein Kind sollte in einem anderen Glauben erzogen werden als dem seiner Eltern.

Die Kontrollbefugnisse der zentralen Behörde reichten so weit, dass die Protokollbücher der lokalen Armenverwaltung nach jedem wöchentlichem Treffen nach Dublin geschickt wurden, um von den Poor Law Commissioners durchgesehen zu werden. Wenn der zentralen Behörde Entscheidungen missfielen, so verlangte sie von den Guardians eine erneute Untersuchung der betreffenden Resolution. In regelmäßigen Abständen kontrollierte ein Buchprüfer

zufriedenstellend erledigte, konnte die zentrale Behörde dieses durch bezahlte Angestellte ersetzen lassen. Der Poor Law Amendment Act von 1847 erlaubte der zentralen Behörde nach einer Entlassung des Boards die direkte Ernennung bezahlter Angestellter. 10&11 Vict, cap 31, §18. Siehe dazu auch: Kinealy, This Great Calamity. The Irish Famine, 1845-52 S. 211. 243 Siehe Anhang Abbildung 16.

75 der Poor Law Commissioners die gesamte Buchhaltung der Guardians. Einmal jährlich legte die zentrale Behörde dem britischen Parlament einen Bericht über die lokale Verwaltung in Irland vor.

Im Jahr 1872 wurde die Poor Law Commission in Local Government Board umbenannt. Diese Einrichtung setzte sich zusammen aus dem Irish Chief Secretary, dem Under-Secretary, einem Vizepräsidenten und zwei Commissioners. Sie übernahm als zentrale Behörde die Kontrolle über die Armenverwaltung und das öffentliche Gesundheitssystem. Die zentrale Behörde ernannte und bezahlte Inspektoren und Buchprüfer, die die Tätigkeiten der einzelnen lokalen Armenverwaltungen überwachten und über sie an die zentrale Behörde Bericht erstatteten.

3.3.2 Die Verwaltungsbezirke

Die irischen Unions entsprachen prinzipiell der Einteilung der englischen. Standort des Arbeitshauses war jeweils die regionale Marktstadt, an die die umliegenden ländlichen Gebiete angeschlossen wurden. Jede Union sollte einen Durchmesser von ungefähr 20 Meilen haben. Die irischen Poor Law Unions waren generell weitaus größer als die mehr als 600 englischen und walisischen Unions. Die zentrale Behörde, die die Grenzen der einzelnen Unions für Irland festlegte, sah aufgrund des wirtschaftlich armen Irlands die Notwendigkeit größerer Verwaltungsbezirke gegeben, um die Armensteuer breit zu verteilen244. Aufgrund der ökonomischen und topographischen Unterschiede in Irland gab es verschieden große Unions. Größere Städte mit einer hohen Bevölkerungsdichte formten flächenmäßig kleinere Einheiten und dünnbesiedelte, ökonomisch ärmere Teile bildeten größere Unions, wie es in weiten Teilen der Provinz Connaught der Fall war.

244 Kinealy, The Irish Poor Law 1838-1862, S. 20; Burke, The People and the Poor Law, S. 44-46.

76

Die Grundeinheit der Organisation der Unions bildeten die townlands245, zu denen es keine englische Entsprechung gab. Verschiedene townlands wurden zusammengefasst zu sogenannten „electoral divisions“. Bei der Einführung der irischen Armengesetzgebung gab es 2.049 dieser Wahlbezirke, deren Zahl 1848 auf 3.438 erhöht wurde.

Mehrere dieser Wahlbezirke formten dann die Union. Diese Bezirke waren die Grundlage für die Erhebung der Poor Rate. Jeder Wahlbezirk musste für die Armen, die dort gewohnt hatten, bevor sie Unterstützung beantragt hatten, finanziell aufkommen (division rating). Man hoffte bei Einführung dieser bezirklichen Poor Rate, dass die Steuerzahler auf diese Weise eher den Armen Arbeit geben würden als sie ins Arbeitshaus gehen zu lassen, da sich dadurch die Kosten für die Armensteuer erhöhen würden. Dieses Konzept ging jedoch nicht auf. Zum einen gab es nicht genügend Arbeit und zum anderen wanderten viele Arme aus den ländlichen Bezirken in die Stadt, in der Hoffnung, dort eher eine Beschäftigung zu finden. In der Stadt konnten sie oft eine Zeitlang leben, bevor sie doch in das Arbeitshaus gehen mussten, da es auch im urbanen Umfeld nicht genügend Arbeitsplätze gab. Diese Armen gingen dann jedoch zu Lasten der städtischen electoral divison.

Die Poor Rate für jeden Bezirk wurde festgesetzt nach dem Anteil der Armen im Arbeitshaus, die zuvor in dem jeweiligen Distrikt gewohnt hatten. Kam beispielsweise jemand aus der Grafschaft Galway in die Stadt Galway, lebte dort einige Zeit und kam danach in das Arbeitshaus von Galway, so wurde er dort mit dem Wohnort Galway Stadt registriert und fiel zu Lasten der städtischen Galway electoral division. Dieses System führte dazu, dass die ländlichen Bezirke gegenüber den städtischen relativ entlastet wurden246. Die städtischen Rate Payers bevorzugten deshalb immer das englische System des Union Rating

245 Diese Einheit war seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Irland gebräuchlich und entsprach ungefähr der Fläche, die in einem Jahr mit einem 6-Pferde-Pflug bearbeitet werden konnte, welches etwa 120 acres entsprach. Oftmals waren die genauen Grenzen eines townlands jedoch unklar oder es gab auch nicht überall in Irland dieses townlands. 246 Richard O`Shaughnessy, "Local Government and Taxation in Ireland," in Local Government and Taxation in the United Kingdom, ed. J.W. Probyn (London: 1882), S. 326. Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886 S. 16.

77 gegenüber dem irischen Division Rating247. Die Kosten der Armen, die nicht aus der Union stammten und dennoch im Arbeitshaus untergebracht waren, legte man um auf die Union als ganze, so dass sich die Poor Rate für jeden Bezirk aus dem proportionalen Anteil seiner Armen und dem Anteil an den sogenannten „non-union paupers“ zusammensetzte248.

Bei den Galway Guardians bildete die Poor Rate ein häufiges Diskussionsthema während des gesamten Untersuchungszeitraumes, und es gab viele Eingaben städtischer Rate Payers an die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung, die das Union Rating forderten. Sie wurden von den städtischen Guardians immer unterstützt. Die Galway Guardians verfassten mehrere Petitionen an die Commissioners, an das Parlament und an andere Poor Law Unions, konnten jedoch keine Änderung bewirken249. Auch wurden in Galway mehrmals Arme, die nicht aus Galway stammten und Unterstützung beantragten, abgewiesen und an ihre Heimatgemeinde verwiesen250. In der eher ländlichen Gort Union sind solche Fälle nicht dokumentiert. Auch Änderungen in der bezirklichen Erhebung der Armensteuer wurden in Gort nicht gefordert. Diskussionen über die bezirkliche Festsetzung der Armensteuer finden sich somit nur in der eher städtischen Union, da auch nur diese mit den Problemen, die solch ein Erhebungsmodus mit sich brachte, konfrontiert war.

Jeder Wahlbezirk sollte mit mindestens einem Guardian im Aufsichtsgremium repräsentiert sein, in Galway und Gort kam es jedoch regelmäßig vor, dass sich in einem Bezirk kein Kandidat aufstellen ließ. Ein oder zwei Bezirke waren häufig nicht im Board vertreten. Schaut man sich diese Bezirke an, so sind es diejenigen, die in der Galway und Gort Union die geringste Poor Rate entrichteten, das heißt in ihnen lebten, von der Anzahl her betrachtet, die wenigsten Rate Payers, die zudem oft auch nur geringen Besitz hatten. Die städtischen Bezirke waren dagegen mit mehreren Guardians vertreten. In ihnen gab es oft mehr Kandidaten als zur Verfügung stehende Plätze.

247 Feingold, "The Irish Boards of Poor Law Guardians 1872-1886. A Revolution in Local Government" S. 22. 248 O`Brien, "The New Poor Law in Pre-Famine Ireland: A Case History," S. 40-1. 249 Galway Minute Book, 5.3.1844, 1.4.1855, 23.11.1867. 250 Galway Minute Book 10.3.1847; 13.3.1860; 15.5.1863; 13.1.1865; 12.4.1871

78 Ende 1840 existierten 130 dieser Verwaltungseinheiten in Irland. Nach einigen Jahren stellte man fest, dass die Gebiete einiger Unions zu groß für eine effektive Armenfürsorge waren, so dass die Zahl auf 163 Unions erhöht wurde. In der Grafschaft Galway bestanden im Jahr 1839 zunächst sechs dieser Verwaltungsbezirke: Galway, Gort, Ballinasloe, Tuam, Clifden und Loughrea. 1849 wurden einige als zu groß empfundene Unions in der Grafschaft Galway neu aufgeteilt und vier weitere Unions etabliert: Oughterard, Portumna, Mountbellew, Glenamaddy.

3.3.3 Die lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung: Boards of Guardians

Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung, die sogenannten Boards of Guardians, bildeten eine völlig neue Form lokaler Verwaltung in Irland. Das Board of Guardians setzte sich zusammen aus 2/3 gewählten und 1/3 ex-officio Mitgliedern. Nach 1847 machte der Anteil der ex-officio Mitglieder die Hälfte der Mitglieder aus. Die ex-officio Mitglieder der Armenverwaltung setzten sich zusammen aus den Justices of the Peace, die Land innerhalb der Poor Law Union besaßen251. Gab es mehr Justices of the Peace in der Union als zur Verfügung stehende Plätze, so wurden diejenigen, die die höchste (Armen-)Steuer

251 Siehe: Collins, Local Government S. 17-19. W.F. Bailey, Local and Centralised Government in Ireland: A Sketch of the Existing System (London: 1888), J. Collins, "Origin and Development of Local Government," Administration 1, no. 4 (1953-54). Crossman, Local Government in Nineteenth- Century Ireland. Brian Donnelly, "An Overview of the Development of Local Government in Ireland," Irish Archives. Journal of the Irish Society for Archives 3, no. 2 (1996). Richard Haslam, "The Origins of Irish Local Government," in Local Government in Ireland. Inside Out, ed. Mark Callanan and Justin F Keogan (Dublin: Institute of Public Administration, 2003), Kinealy, "The Irish Poor Law 1838-1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government", Meghen, "The Development of Irish Local Government.", Robert Staples, "Local Government in Ireland," The Fortnightly Review XLVI (1886). Die Friedensrichter entstammten vor allem der landbesitzenden Oberschicht, wurden ernannt und entschieden in lokalen Verwaltungs- und Justizangelegenheiten. Siehe dazu auch: Lutz Raphael, Recht Und Ordnung. Herrschaft Durch Verwaltung Im 19. Jahrhundert, ed. Wolfgang Benz, Europäische Geschichte (Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2000) S. 61-62.

79 entrichteten, ex-officio Mitglieder. War die Anzahl zu gering, so konnten Justices of the Peace, die keinen Besitz in der Union hatten, auch aus umliegenden Verwaltungsbezirken berufen werden. In Galway und Gort kam dieses allerdings nicht vor.

Ausgeschlossen von der Wahl als Guardians waren Geistliche sowie, bis 1896, Frauen252. Die Anzahl der gewählten Mitglieder sollte sich zwischen mindestens 16 und höchstens 24 bewegen, so dass das gesamte Aufsichtsgremium einer Union zwischen 21 und 32 Mitgliedern hatte. Die Größe der jeweiligen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung war in jedem Verwaltungsbezirk unterschiedlich und richtete sich zum einen nach der Fläche der Union und zum anderen nach den für eine Wahl zur Verfügung stehenden Steuerzahlern. Auch die Anzahl der Justices of the Peace in jedem Verwaltungsbezirk variierte. Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung waren die einzigen lokalen Verwaltungsorganisationen, deren Vertreter mit relativ geringen Vermögensqualifikationen (teilweise) gewählt wurden. Feingold bezeichnet dieses als „quasi-representative“253. Da die Armensteuer eine neue Art von Steuer war, die in Irland zusätzlich zu bereits existierenden Steuern eingeführt wurde, sollten diejenigen, die diese zu entrichten hatten, auch in den Aufsichtsgremien vertreten sein. George Nicholls sagte dazu: „The raising and disbursing of a poor rate involves nothing political, but it is to be regarded rather in the light of mutual assurance, in which the community joins for the purpose of being protected against the effects of pauperism, and each member contributing in proportion to his means, and each having an interest according to the amount of his contribution. If, therefore, the amount contributed be the measure of each ratepayer`s interest, it ought in justice, also, within certain convenient limitations, to be the measure of his influence.254” Nicholls verband damit die Höhe des Einsatzes, die Armensteuer, mit dem Einfluß in den Aufsichtsgremien. Er spiegelte damit eine Auffassung zeitgenössischer politischer Wirtschaftstheorie wider, bei der das „Principle of contribution and reward” im Fokus stand.

252 Poor Law Guardians (Ireland) (Women) Act, Public General Acts, 59 Vict, Ch. 5; Siehe auch: Luddy, Women in Ireland 1800-1918: A Documentary History S. 202. 253 Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881," S. 287. 254 Nicholls, A History of the Irish Poor Law, in Connexion with the Condition of the People S. 207.

80 Die Wahlen fanden jedes Jahr am 25. März statt255. Wählen durften nur die (Armen-)Steuerzahler einer Union, und auch nur sie konnten sich aufstellen lassen für die lokale Armenverwaltung. Allerdings musste jedes Mitglied der Armenverwaltung auch gewisse Vermögenskriterien erfüllen, die jedoch von Union zu Union verschieden waren. In der Galway Union lagen diese bei 20₤ aus Besitz. Über die Höhe der Vermögensqualifikation gab es seit den 1880er Jahren Diskussionen, als nationalistische Mitglieder der Armenverwaltung versuchten, diesen Betrag herabzusetzen, um einer größeren Anzahl von Personen zu ermöglichen in die lokale Armenverwaltung gewählt zu werden256. Dazu schrieb die zentrale Behörde in Dublin 1886, dass in den städtischen Wahlbezirken der Galway Union 283 Personen die 20₤ Qualifikation einhielten oder darüber lagen, in den zur Galway Union gehörenden Wahlbezirken Ballintemple und Ballinacourty je 25 Personen, in Barna 12, in Clarinbridge 27 Personen, in Lackaghbeg 14, in Oranmore 15 und in Tullokyne 16. Diese Anzahl an wählbaren Personen sei ausreichend und solle deshalb nicht herabgesetzt werden. In den anderen 18 Wahlbezirken der Galway Union wurde diese Grenze jedoch herabgesetzt auf 12₤, da dort weniger als zehn Personen die ₤20 Qualifikation erfüllten257. 1894 schickte die zentrale Behörde eine Anweisung, in der die Qualifikation für das aktive Wahlrecht, wo sie vorher höher lag, in allen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Irland auf ₤8 herabgesetzt wurde258.

Die Poor Rate war eine lokale Besitzsteuer, deren Höhe die Mitglieder der Armenverwaltung nach Valutieren des Besitzes in der Union festzulegen und einzutreiben hatten (bis 1898). Dieser Erhebungsmodus der Armensteuer brachte mit sich, dass sie für jeden Verwaltungsbezirk unterschiedlich war, und es somit reiche und arme Unions gab. Nachdem die Wertschätzung durch Landvermesser vorgenommen worden war, bedurfte die vorgeschlagene Valuation und daraus zu errechnende Höhe der Poor Rate der Zustimmung der Mitglieder der

255 bis zur Einführung des Local Government Act 1898, ab dann wurde die Wahlperiode und der Wahltag geändert. Die Wahlen fanden ab 1899 alle drei Jahre statt. Gewählt wurde ab diesem Zeitpunkt im Juni. 256 Gort Minute Book 3.2.1894. 257 Galway Minute Book 24.11.1886. 258 General Order Local Government Board vom 29.1.1894.

81 Armenverwaltung. Akzeptierten sie die vorgeschlagene Höhe nicht, mussten die Landvermesser erneut beginnen und eine andere Valuation vorschlagen. Allerdings wurden diese Landvermesser vom Aufsichtsgremium der Armenverwaltung eingesetzt und bezahlt (bis 1898), so dass hierüber eine gewisse Steuerung und Einflussnahme möglich war.

Jeder, dessen Besitz £4 oder mehr betrug, musste seit 1843 die Armensteuer entrichten259. Dabei fiel die Armensteuer zu gleichen Teilen auf den Eigentümer und den Bewohner des Landes260. Auch Pächter, deren Land das Kriterium von mindestens 4£ erfüllte, besaßen somit das passive Wahlrecht. Lag die Valuation unter ₤4, so trug der Besitzer des Landes allein, und nicht der Bewohner, die Armensteuer. Dieses führte dazu, dass die Landbesitzer etwa 85 Prozent der Armensteuer in Irland entrichteten261.

Die Anzahl der Stimmen bei einer Wahl richtete sich nach der Größe des Besitzes und umfasste mindestens eine Stimme:

Schätzwert in £ Stimmenanteil 4-19 1 20-49 2 50-99 3 100-149 4 150-199 5 Über 200 6

Tab. 8: An Act for the more effectual relief of the destitute Poor in Ireland, 1838, 1&2 Vict., cap. 56, § LXXXI.

Der Eigentümer und der Bewohner des Landes teilten nicht nur die Besitzsteuer, sondern hatten auch die gleiche Anzahl Stimmen. Wenn eine Person beides zugleich war, also owner und occupier, so verdoppelte sich die Anzahl seiner Stimmen bei gleicher Steuerhöhe. Hatte nun jemand mehrere Besitzungen, so

259 An Act to make further provision for the Destitute Poor in Ireland, 1843. Vorher mussten alle Personen die Armensteuer entrichten. Dieses hatte jedoch zu einer heftigen Opposition kleiner Farmer und landwirtschaftlicher Arbeiter bei der Bezahlung der Armensteuer geführt und führte zu Massenprotesten. 260 Es wird unterschieden zwischen occupier und owner. Der owner ist der Eigentümer des Besitzes, der occupier ist zu definieren als der Bewohner, „the person who is in the immediate use or enjoyment of the property.“ Collins, Local Government S. 125. 261 Staples, "Local Government in Ireland," S. 108. Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886 S. 16.

82 konnte er die einzelnen Stimmenanteile akkumulieren, wobei jedoch die Obergrenze eines einzelnen Steuerzahlers bei 18 Stimmen insgesamt lag262. Jeder Landbesitzer musste allerdings für jeden seiner Pächter, der mit weniger als £4 bewertet worden war, die volle Steuer entrichten. Hatte nun ein Landbesitzer, wie es in der Grafschaft Galway sehr häufig vorkam, sehr viele arme Pächter auf seinem Land, so bedeutete dieses, dass er eine sehr hohe (Armen-)Steuer aufzubringen hatte.

Im Jahr 1849 gab es in 20 Poor Law Unions in den Grafschaften Clare, Galway (ohne Clifden, Tuam), Leitrim und Mayo 129.012 dieser kleinen Flächen unter £4, für die der Landbesitzer voll zu zahlen hatte263. Diese kleinen Holdings machten etwa 30 Prozent der gesamten ratable land area aus. In einigen dieser Verwaltungsbezirke hatten die Landbesitzer die volle Armensteuer bei über 40 Prozent der verpachteten Fläche zu zahlen. Zum Vergleich musste ein Landbesitzer in den östlichen Poor Law Unions von Irland die gesamte Poor Rate bei weniger als zwei Prozent der verpachteten Fläche entrichten264.

Die Besitzer des Landes (owner), aber nicht die Bewohner (occupier), hatten außerdem das Recht sich bei Wahlen durch einen Bevollmächtigten (voting by proxy) vertreten zu lassen265. Die jährlichen Wahlen wurden mit „open voting papers“ durchgeführt. Am Wahltag brachte der Returning Officer, oft zugleich der Büroangestellte der Union, die Wahlunterlagen zu den Wahlberechtigten266.

Die Wahlunterlagen enthielten die Namen von Kandidaten für den Wahlbezirk, in dem die Wahlberechtigten wohnten. Diese hatten dann Zeit, die Unterlagen auszufüllen, zu unterschreiben und der Returning Officer holte die Unterlagen schließlich, in der Regel am folgenden Tag, wieder ab. Die Stimmen wurden durch den Returning Officer ausgezählt. Dabei konnte jeder (Armen-) Steuerzahler Einsicht in die Unterlagen nehmen.

262 Bailey, Local and Centralised Government in Ireland: A Sketch of the Existing System S. 29-30. 263 David S. Jones, "The Transfer of Land and the Emergence of the Graziers During the Famine Period," in The Great Famine and the in America, ed. Arthur Gribben (Massachussetts UP: 1999), S. 91. 264 6th Report of the Poor Law Commissioners (1849), App. 145, S. 507-11. 265 An Act for the more effectual relief of the destitute Poor in Ireland, 1838, 1&2 Vict., cap. 56, § LXXXIV. 266 Siehe Anhang Abb. 10: Wahlunterlagen Poor Law Election 1839. 83 Die Art des Wahlsystems bevorzugte eindeutig die großen Landbesitzer durch die Möglichkeiten, Stimmen zu kumulieren (bis zu 18), durch einen Bevollmächtigten wählen zu lassen und durch nicht geheime Wahlen. Hinzu kamen bestimmte Eigentumsqualifikationen für die Mitglieder der Armenverwaltung und das Vorhandensein des ex-officio Elementes.

Die Aufgabe der Mitglieder der Armenverwaltung war die Verwaltung des Arbeitshauses ihrer Poor Law Union. Weiterhin waren sie für die Erhebung, Festsetzung und Einsammlung der Armensteuer verantwortlich, ebenso wie für den Einsatz dieser Steuer für die Armenunterstützung. Diese Aufgaben der Mitglieder der Armenverwaltung brachten ihnen sehr großen lokalen Einfluss. Da die Guardians oft zugleich Inhaber oder Verwalter größerer Ländereien waren, war die Wahl in das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung sehr angestrebt, da man so über die Armensteuer mitentscheiden konnte.

Die Mitglieder der Armenverwaltung waren außerdem verantwortlich für die Angestellten der Arbeitshäuser. Sie waren zuständig für die Definition der für das jeweilige Amt notwendigen Qualifikationen, sie legten die Aufgabengebiete fest und waren verantwortlich für die Auswahl der Mitarbeiter, hatten sie zu kontrollieren und gegebenenfalls auch zu verwarnen oder zu entlassen.

Einer der ersten Arbeitsschritte nach der erstmaligen Konstitution des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung war die Besetzung folgender Stellen im Arbeitshaus:

1. ein Büroangestellter für das Aufsichtsgremium

2. ein Kassenmeister für die Union267

3. ein Mediziner für das Arbeitshaus

4. ein Leiter des Arbeitshauses, der „Master““

5. eine „Matron“, als Stellvertreterin des Masters

6. ein Pförtner

7. ein Lehrer für die Jungen im Arbeitshaus

267 Dieses Amt wurde in beiden Untersuchungsgebieten vom Büroangestellten mit übernommen.

84 8. eine Lehrerin für die Mädchen im Arbeitshaus

9. ein protestantischer und ein katholischer Geistlicher.

Ein weiteres Amt war das des sogenannten „Relieving Officer“. Dieser war ein vom Board of Guardians autorisierter Aufseher, der für die Armen in einem bestimmten Gebiet innerhalb der Poor Law Union zuständig war. Er war die Ansprechperson für alle Fälle, in denen Personen medizinische Hilfe oder Armenunterstützung beantragten. Der Relieving Officer entschied darüber, ob einer Person ein Ticket ausgestellt wurde, mit dem sie medizinische Hilfe bekommen konnte und gab den Guardians Auskunft über die Wohn- und Lebensbedingungen einer Person, die Aufnahme in das Arbeitshaus oder Outdoor Relief (nach 1847) beantragt hatte. In Fällen akuter Not und Bedürftigkeit konnte der Relieving Officer außerdem Tickets ausstellen, die die sofortige Aufnahme in das Arbeitshaus gestatteten. Außerdem hatte er in regelmäßigen Abständen alle Personen, die nach 1847 Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses erhielten zu besuchen, um zu überwachen, ob sie bedürftig waren. Eine weitere Aufgabe war die wöchentliche Verteilung dieser Outdoor Relief an die Empfänger. Außerdem waren die Relieving Officers für die Einsammlung der Poor Rate verantwortlich, beziehungsweise betrauten die ihnen unterstehenden Rate Collectors mit dieser Aufgabe. Die Beschäftigung dieser Rate Collectors war notwendig, denn es finden sich viele Berichte darüber, dass es immer wieder starken Widerstand gegen die Kollektion der Poor Rate gab268.

Zusätzlich zu den oben erwähnten Angestellten konnten bei Bedarf weitere Stellen besetzt werden, wie etwa Krankenschwestern, Aufseher und Dienstboten. Diese Funktionen übten in Galway und Gort jedoch Insassen des Arbeitshauses aus.

Nach den Regeln des Arbeitshauses war es generell erlaubt, die Insassen zu beschäftigen, so dass die Anzahl der bezahlten Angestellten sehr gering blieb. Die Insassen erhielten für ihre Arbeiten keinen Lohn, da ihre Tätigkeit als Ausgleich für die Kosten der Unterbringung gesehen wurde. Erst in der Zeit von 1897-1901 verabschiedete die zentrale Behörde verschiedene Erlasse, die die Pflege der Patienten durch ausgebildete Krankenschwestern vorschrieb269.

268 Galway Minute Book, 12.3.1852; 8.11.1879. 269 Local Government Board Report XXXVIII (1909), S. 265.

85 Vakante Stellen für das Arbeitshaus wurden in der lokalen Zeitung ausgeschrieben. Gab es mehrere Kandidaten für eine Stelle, so wurde per Mehrheitswahl durch die Mitglieder der Armenverwaltung entschieden. Das Mindestalter für alle Arbeitsstellen lag bei 21 Jahren, jedoch gab es bestimmte Ausnahmen, die dem Aufsichtsgremium erlaubten, auch jüngere Bewerber einzustellen. Dies hatte zur Folge, dass manchmal sehr junge und unerfahrene Personen im Arbeitshaus Dienst taten. Eine weitere Grundvoraussetzung war die Lese- und Schreibfähigkeit, da jeder Angestellte schriftliche Berichte zu verfassen hatte. Diese Regelung erschwerte es für die Mitglieder der Armenverwaltung, relativ gering bezahlte Stellen wie die des Pförtners mit geeigneten Bewerbern zu besetzen. Besonders in der Zeit vor 1900 finden sich in beiden Untersuchungsgebieten häufige Beschwerden über die mangelnde Lese- und Schreibfähigkeit einiger Angestellter, einschließlich der Lehrpersonen270. Insgesamt war die Entlassungsrate unter den Angestellten sehr hoch. Es gab häufige Beschwerden über Inkompetenz, Trunkenheit, Streitsucht oder „unmoralisches Verhalten“ der Angestellten. Die Mitglieder der Armenverwaltung in Galway und Gort vergaben viele Stellen, wie die des Arztes oder der Relieving Officers, an Verwandte einzelner Mitglieder.

Der Routineablauf der wöchentlichen Zusammenkünfte war im Wesentlichen folgender:

- das Protokoll der letzten Sitzung wurde verlesen

- die Insassenzahlen wurden vorgetragen, ebenso die Aufnahmen und Entlassungen

- Berichte der verschiedenen Angestellten des Arbeitshauses wurden referiert und eventuell zu erfolgende Maßnahmen festgelegt

- Einnahmen und Ausgaben wurden besprochen

- Briefe, die die lokale Armenverwaltung im Laufe der Woche erreichten, wurden vorgelesen und die Antworten oder Maßnahmen besprochen

270 Galway Minute Book, 5.9.1843; 26.4.1865; 27.2.1887.

86 - Anträge auf Aufnahme in das Arbeitshaus oder Outdoor Relief (nach 1847) wurden verhandelt.

- Ausgehende Briefe, Beschlüsse und Resolutionen wurden verabschiedet.

Treffen fanden nur statt, wenn mindestens drei Mitglieder der Armenverwaltung vor Ort waren.

Neben dem Aufsichtsgremium gab es mehrere Komitees, die sich mit speziellen Teilgebieten der Verwaltung des Arbeitshauses oder der Union befassten, etwa mit der Kontrolle der sanitären und hygienischen Wohnbedingungen in dem Verwaltungsbezirk oder den medizinischen Aspekten. Diese Komitees wurden von Mitgliedern der Armenverwaltung gebildet und zum Teil durch Steuerzahler aus der jeweiligen Poor Law Union ergänzt. Eines dieser Komitees war das sogenannte „Visiting Committee“, welches dem Arbeitshaus einmal in der Woche einen Besuch abstatten sollte und die dortigen Bedingungen nach einem festgelegten Fragenkatalog schriftlich festhielt271. Der Bericht sollte bei jedem Treffen des Aufsichtsgremiums vorgelesen werden. In den beiden Untersuchungsgebieten gab es dieses „Visiting Committee“, aber die Besuche im Arbeitshaus und Berichte darüber fanden nur sehr sporadisch statt.

271 Siehe Anhang Abb. 11: Fragenkatalog Visiting Committee.

87 3.3.4 Die Arbeitshäuser

Zuständig für die Errichtung der Arbeitshäuser war der englische Architekt George Wilkinson, der auch schon in England mehrere dieser Arbeitshäuser gebaut hatte. Im Zeitraum von nur vier Jahren, von 1839 bis 1843, stellte Wilkinson 112 Arbeitshäuser in ganz Irland fertig272. O`Tuathaigh schreibt dazu, dass der landesweite Bau der Arbeitshäuser in den 1840erJahren das Symbol britischer, staatlicher Herrschaft in Irland gewesen sei273. Zehn dieser Arbeitshäuser gab es schließlich in der Grafschaft Galway274. George Wilkinson hatte drei unterschiedliche Typen von Arbeitshäusern entwickelt, das einstöckige „small workhouse“, das zweigeschossige „medium workhouse“ und den Typus „large workhouse“ mit drei Stockwerken, je nach Bedarf der einzelnen Poor Law Unions275.

Das Arbeitshaus von Galway entsprach dem größten Modell und war für 1.000 Personen ausgelegt276. Zur Straßenseite hin befand sich das Eingangsgebäude mit Büroräumen für den Angestellten der Galway Union und den Master. Ebenso lag hier der Boardroom, in dem die wöchentlichen Treffen der Guardians stattfanden, ein Raum für den Pförtner und zwei Warteräume für die Armen, nach Geschlechtern getrennt. Zwischen dem Eingangsbereich und dem Hauptgebäude gab es zwei separate Höfe, die ebenfalls nach Geschlechtern getrennt waren. Hier befanden sich außerdem je ein Schulraum für Mädchen und Jungen, daran angegliedert waren ein Kindergarten sowie ein Werkraum für die praktische Ausbildung der Jungen. Weiterhin befanden sich spezielle Stationen für ältere Männer und Frauen im Erdgeschoss der Anlage und Schlafsäle für Arme und ein Lagerraum im oberen Stockwerk. Das Hauptgebäude besaß die Form eines „H“

272 Gould, The Workhouses of Ulster S. 6. Raftery, "Wilkinson the Workhouse Builder 1839-1854.", S. 127; Meghen, "Building the Workhouses.", S. 42. 273 „One of the most significant features of nineteenth-century Ireland was the ever-increasing intrusion of the state into the lives of the people, a development reflected in the architecture of the cities and towns (large and small) of Ireland, and even to a limited degree in the countryside. …the workhouses were the main institutional buildings of the following decades [from the 1830`s onwards].” In: O`Tuathaigh, "The Air of a Place of Importance. Aspects of Nineteenth Century Galway," S. 132. 274 Siehe Anhang Abb. 5 und 12: Poor Law Unions der Grafschaft Galway. 275 Meghen, "Building the Workhouses," S. 45. 276 Das Arbeitshaus von Galway öffnete am 2.3.1842 seine Tore.

88 und in ihm befand sich das Haus für den Master sowie Unterkünfte für die Matron. Die Küche, die Wäscherei und die Aborte waren in einem Flügel des Hautgebäudes untergebracht. In einem anderem Teil des Arbeitshauses gab es spezielle Stationen für sogenannte „idiots and lunatics“. Im nur eingeschossigen Verbindungsgang zwischen den beiden Flügeln des Hauptgebäudes befanden sich die Kapelle und der Speisesaal. Auf beiden Seiten gab es je einen Innenhof für Männer und Frauen277. Nur in den Krankenstationen, die sich im hinteren Flügel des Arbeitshauses befanden, gab es Betten. In den übrigen Schlafsälen waren an den Wänden hölzerne Plattformen in einer Höhe von etwa 30cm über dem Boden angebracht, ausgelegt mit Strohsäcken, auf denen die Armen schliefen278. In den Schlafsälen gab es keine Sanitäranlagen. Zwar gab es sogenannte „night buckets“, die jedoch für so eine große Anzahl von Menschen völlig unzureichend waren. Da Krankheiten wie die Ruhr sehr verbreitet waren, flossen sie ständig über und verschmutzten die Böden279. Das gesamte Gelände des Arbeitshauses, welches eine Fläche von über 32.000 Quadratmetern hatte, war von einer hohen Steinmauer umgeben280. Das Arbeitshaus von Gort entsprach dem Wilkinson`schen Modell eines „medium Workhouse“. Die Anlage und Aufteilung war analog der des Arbeitshauses von Galway.

Um in das Arbeitshaus aufgenommen zu werden, gab es folgende Möglichkeiten:

- Durch eine schriftliche Anweisung des Board of Guardians

- Durch eine schriftliche Anweisung eines vom Board of Guardians autorisierten Aufsehers, des Relieving Officers, der für die Armen in einem bestimmten Gebiet innerhalb der Poor Law Union zuständig war

277 Noel Kissane, ed., The Irish Famine. A Documentary History (Dublin: Leabharlann Náisiúnta Na hÉireann National Library of Ireland, 1995) S. 92-3. 278 Siehe Anhang Abb. 19: Schlafquartiere nach Wilkinson. 279 Galway Minute Book, 4.11.1845. 280 Siehe Anhang Abb. 7: Fotos Galway Workhouse.

89 - Durch den Leiter des Arbeitshauses im Falle plötzlicher und dringender Notwendigkeit.

Eine zentrale Rolle in der irischen Armengesetzgebung spielte der Grundsatz, dass „no individual capable of exertion must ever be permitted to be idle in a workhouse and to allow none who are capable of employment to be idle at any time”.281

Bei der Auswahl der Arbeitsmöglichkeiten sahen sich die Guardians mit zwei Problemen konfrontiert. Zum einen mussten sie genügend Arbeitsmöglichkeiten für alle Insassen innerhalb des beschränkten Geländes des Arbeitshauses finden, zum anderen musste die angebotene Arbeit so unattraktiv sein, dass es das Ziel der Armen blieb, das Arbeitshaus zu verlassen und außerhalb zu arbeiten282. Zudem durfte die im Arbeitshaus geleistete Arbeit keine Konkurrenz zu den Arbeitenden außerhalb dieser Institution darstellen. Die im Arbeitshaus produzierten Güter sollten vorrangig für den eigenen Gebrauch verwendet werden und nicht für den Verkauf bestimmt sein.

Auf diesen Grundsatz aufbauend, wurden alle gesunden Erwachsenen zur Arbeit angehalten. Die Männer mussten vorwiegend Steine brechen, die als Straßenbelag verwendet wurden. Diese Steine waren eines der wenigen Erzeugnisse des Arbeitshauses, welche für außerhalb bestimmt waren. Eine weitere vor allem von Männern ausgeübte Tätigkeit war das sogenannte „bone crushing“. Dabei wurden Tierknochen zu Knochenmehl gemahlen und dieses wurde dann als Düngemittel vom Leiter des Arbeitshauses verkauft.

Eine andere Aufgabe war, Korn in Handmühlen zu mahlen oder auf den Feldern, die zum Arbeitshaus gehörten, zu arbeiten. Einige Insassen arbeiteten auch als Schuhmacher, Schneider oder übernahmen andere handwerkliche Tätigkeiten, die im Arbeitshaus anfielen. Bei Bedarf führten sie auch außerhalb des Arbeitshauses Straßenbauarbeiten oder Ausbesserungstätigkeiten aus. Die männlichen Insassen des Arbeitshauses hatten auch die Strassen Galways freizuhalten und zu fegen.

281 O`Connor, The Workhouses of Ireland. The Fate of Ireland's Poor S. 102.. 282 Robins, The Lost Children. A Study of Charity Children in Ireland, 1700-1900 S. 234.

90 Eine weitere Aufgabe der Männer war es, die Toten des Arbeitshauses zum Friedhof zu bringen und zu begraben.

Die weiblichen Armen verrichteten vor allem die Arbeiten im Haus, wie Zubereitung der Speisen, Waschen, Mangeln, Ausbessern der Kleidung, Putzen des Arbeitshauses283. Einige der Frauen kümmerten sich um die Kranken und die Kinder. Auch das Brechen von Steinen oder das Mahlen von Knochen wurde von Frauen verrichtet, dieses scheint jedoch vor allem als Strafmaßnahme gedacht gewesen zu sein und nicht zu den regulären Aufgabengebieten gehört zu haben. Eine weitere vorwiegend von Frauen ausgeübte Tätigkeit war das sogenannte „oakum picking“. Dabei wurden aus alten Seilen und Tauen einzelne Fäden gewonnen, indem man diese in ihre Einzelfasern aufdrehte, die dann an Schiffsbauer verkauft wurden und mit Teer vermischt zum Abdichten der Schiffe dienten. Diese Arbeit wurde, wie die meisten Tätigkeiten, ohne Hilfsmittel oder Schutzmittel wie Handschuhe ausgeübt.

Es gab auch Fälle, in denen sich die Armen bei den Guardians über die Arbeitsbedingungen beschwerten, jedoch finden sich Hinweise darauf erst in den späteren Jahren des Arbeitshauses, etwa ab den 1900er Jahren. So erreichte die Mitglieder der Armenverwaltung in Galway im Jahr 1909 folgender Brief eines Insassen des Arbeitshauses:

„I wish to lay my case before you. I am a native of Galway, and a tradesman, but cannot get any employment. I do not wish to go, through laziness, into the Union, but it is no great catch. I have been in five days; each day I have to break six barrows of granite stones without eye-guards - very dangerous for the eyes. I would be thankful if you would look further into the matter.”284

Die Guardians sahen offenbar keinen Handlungsbedarf und der Brief findet sich kommentiert mit: „No order was made on the letter“. Ein Jahr später finden sich erneut Beschwerden zweier Insassen des Arbeitshauses von Galway, die sich weigerten, weiter Steine zu brechen, bevor sie nicht einen Augenschutz bekämen285. Diesmal erklärten sich die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der

283 MacLoughlin, "Shovelling out Paupers. Female Emigration from Irish Workhouses, 1840-1870", MacLoughlin, "Workhouses and Irish Female Paupers 1840-1870.", S. 117ff. 284 The Connaught Tribune, 16.10.1909. 285 Galway Minute Book, 26.11.1910.

91 Armenverwaltung bereit, ein halbes Dutzend Schutzbrillen für die Insassen zu ordern. Auf die Frage des Leiters des Arbeitshauses, was er mit den beiden Männern tun solle, bis der Augenschutz eingetroffen sei, antworteten die Guardians: „Make them work“. Der Master fragte daraufhin noch einmal nach, ob auch ohne die Schutzbrillen, woraufhin der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums nur antwortete: „certainly.286“ Diese Einstellung macht deutlich, dass die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung sich zwar bereit erklärten, einen Schutz für die Augen zu besorgen, allerdings nicht vorrangig um das Verletzungsrisiko der Armen zu senken, sondern um anhaltender Beschwerden und einer andauernden Arbeitsverweigerung ein Ende zu bereiten.

Über die Armen selber und ihr Leben im Arbeitshaus ist sehr wenig bekannt. Informationen über Individuen erhält man etwa durch das sogenannte Punishment Book des Arbeitshauses. Dort finden sich Einträge über die erfassten Personen, deren Vergehen und die darauf erfolgte Strafmaßnahme. Zuweilen finden sich außerdem weitere Informationen, etwa die Motivation für das bestrafte Verhalten. Allerdings wurde das Punishment Book vom Master des Arbeitshauses geführt, so dass darin die Perspektive der Armen nicht zur Sprache kommt. Dennoch geben die Einträge der Punishment Books einen Einblick und zeigen, dass körperliche Gewalt der Armen untereinander häufig vorkam. Nach Ausbrüchen körperlicher Gewalt wurden von den Guardians Strafen, wie die Unterbringung im sogenannten „lock up“ verhängt, einer Zelle, in der die Bestraften einige Stunden bis einige Tage verbleiben mussten. Eine andere häufig verhängte Strafe war „hard labour“. Bei schweren Vergehen wurden die Täter an die Polizei überstellt. Es finden sich jedoch nur wenige Fälle, in denen körperliche Gewalt gegenüber den Angestellten des Arbeitshauses angewandt wurde.

Sehr häufig aber waren Beschwerden der Angestellten des Arbeitshauses, die sich über „the most indecent, improper, and impertinent language“287 oder „insubordinate behaviour“288 der Armen äußern. Besonders häufig werden Mädchen und Frauen erwähnt, denen dieses Vergehen angelastet wurde. Die Strafen hierfür reichten von der Verminderung oder dem Entzug von Nahrung, über

286 Galway Minute Book, 26.11.1910. 287 Galway Minute Book, 20.1.1847, 15.12.1847 288 Galway Minute Book, 27.4.1866.

92 das Verhängen körperlicher Strafen bis hin zur Verurteilung zu schwerer körperlicher Arbeit, wie Steine klopfen. Eine häufige Reaktion auf gemeldete Vergehen war außerdem die sofortige Ausweisung aus dem Arbeitshaus.

In den Aufzeichnungen der Galway und Gort Guardians finden sich allerdings auch immer wieder Berichte über verbale und körperliche Attacken der Angestellten des Arbeitshauses gegen die Insassen. Besonders häufig richteten sich derartige Vorwürfe gegen den Lehrer oder die Lehrerin. Vereinzelt finden sich in den Protokollbüchern auch Einträge über Briefe von Insassen an die Mitglieder der Armenverwaltung oder an die zentrale Behörde. Es handelt sich zumeist um Beschwerdebriefe über die Art der Unterbringung im Arbeitshaus oder über die Behandlung durch Angestellte des Arbeitshauses.

93 3.4 Gesetzliche und administrative Neuerungen: Entwicklung des Poor Laws bis 1921

Die rechtlichen Grundlagen der irischen Armengesetzgebung im Untersuchungszeitraum steckten die Handlungsspielräume der Mitglieder der Aufsichtsgremium der Armenverwaltung ab und legten die wesentlichen Grundlagen für die Ausübung der kommunalen Armenfürsorge fest. Welche Aufgabenbereiche über die eigentliche Armenverwaltung hinaus wurden von den Mitgliedern der Armenverwaltung versehen und warum fand eine Aufgabenausweitung statt? Kam es zu einer Ausdifferenzierung in der lokalen Verwaltung im Untersuchungszeiraum? Welchen Einfluss übte die übergeordnete Verwaltungsebene, die zentrale Behörde in Dublin, aus und gab es dabei Veränderungen in der Stellung im Untersuchungszeitraum? Das folgende Kapitel liefert einen Überblick über die gesetzlichen und administrativen Neuerungen nach der Einführung der irischen Armengesetzgebung 1838 im Untersuchungszeitraum bis 1921.

Vor der Großen Hungersnot blieben die Insassenzahlen in den Arbeitshäusern von Galway und Gort weit hinter den Aufnahmemöglichkeiten zurück289. In der ersten Aprilwoche 1844 befanden sich 140 Personen im Arbeitshaus von Gort, in Galway waren es 197 Personen290. Während die Auslastung des Arbeitshauses von Galway damit weniger als 20 Prozent betrug, lag die Belegungsrate in Gort bei 28 Prozent. Wenige Jahre nach der Einführung der irischen Armengesetzgebung und noch bevor alle Arbeitshäuser eröffnet worden waren, löste die Kartoffelfäule eine Hungersnot in Irland aus. Seit der zweiten Jahreshälfte 1845 tauchten Meldungen über Kartoffel-Missernten im ganzen Land auf und es kursierten auch in der Grafschaft Galway erste Berichte über Hungersnöte291. So kamen Ende Oktober

289 Auch die anderen Arbeitshäuser der Grafschaft Galway waren nicht ausgelastet. Zwei Arbeitshäuser, Tuam und Clifden, blieben bis 1846 (Tuam) beziehungsweise 1847 (Clifden) ungeöffnet, da es dort starke Schwierigkeiten gab, die Poor Rate einzusammeln und man auch keinen akuten Bedarf sah. 290 Siehe Anhang Tab. 13 und 14: Insassen Galway und Gort 1841-1921. 291 Zur Großen Hungersnot in Irland gibt es unzählige Literatur, so daß hier nur eine Auswahl an neuerer Literatur erwähnt werden kann: Mary E. Daly, The Famine in Ireland, 2 (1. Aufl. von 1986) ed. (Dundalk: Dublin Historical Association, 1994).; E. Margaret Crawford, Famine: The Irish 94 die Mitglieder des Aufsichtsgremiums von Gort zusammen: „the clerk do summon a full Board fort his day week to take into consideration the alarm of the Country caused by the disease in the Potatoes crop.“292 Die Auswirkungen der Kartoffelfäule waren zunächst lokal unterschiedlich, und man reagierte daher nur mit temporären und lokalen Hilfsmaßnahmen, die außerhalb des irischen Armengesetzes durchgeführt wurden, vor allem mit „öffentlichen Arbeiten“ (Public Works)293 und Nahrungsmittelimporten. Im Rahmen der Public Works Programme

Experience 900-1900. Subsistence Crises and Famines in Ireland, ed. ed. by E. Margaret Crawford, Queen`s University Belfast, and Economic and Social History Society of Ireland (Edinburgh: John Donald, 1989). P. M. Austin-Bourke, Cormac O`Grada, and Jacqueline (Hgs) Hill, The Visitation of God? The Potato and the Great Irish Famine (Dublin: 1993)., Austin Bourke and Hubert Lamb, The Spread of the Potato Blight in Europe in 1845-46 and the Accompanying Wind and Weather Patterns (Dublin: Meteorological Office, 1993). Ann M. G. Bray, "Famines in Ireland, 1822-49: Changing Attitudes to Charity and Relief in Ireland and the North West of England During the First Half of the 19th Century" (M. Phil., Manchester University, 1998), E. Margaret Crawford, "The Great Irish Famine: Image Versus Reality," in Ireland: Art into History, ed. Raymond Gillespie and B. Kennedy (Dublin: Townhouse Press, 1994), Virginia Crossman and Scott Brewster, "Re-Writing the Famine: Witnessing in Crisis," in Ireland in Proximity: History, Gender, Space, ed. Scott Brewster, et al. (London: Routledge, 1999), Mary E. Daly, "The Operation of Famine Relief, 1845-47," in The Great Irish Famine, ed. Cathal Poirteir (Cork: Mercier, 1995), Thomas Martin Devine, "Why the Highlands Did Not Starve. Ireland and Highland Scotland During the Potato Famine," in Conflict, Identity and Economic Development: Ireland and Scotland, 1600-1939, ed. S. James Connolly, R.A. Houston, and R. J. Morris (Preston: Carnegie, 1995), Peter Gray, The Irish Famine (London New York: Thames and Hudson Harry N. Abrams, 1995), Peter Gray, "National Humiliation and the Great Hunger: Fast and Famine in 1847," Irish Historical Studies 32, no. 126 (2000), Peter Gray and Kendrick Oliver, The Memory of Catastrophe (Manchester: Manchester UP, 2003), Kennedy et al., Mapping the Great Irish Famine. A Survey of the Famine Decades, Kinealy, The Great Irish Famine. Impact, Ideology, and Rebellion, Carla King, Famine, Land and Culture in Ireland (Dublin: 2000), Kissane, ed., The Irish Famine. A Documentary History, Cormac O`Grada, Black '47 and Beyond. The Great Irish Famine in History, Economy and Memory (Princeton: Princeton University Press, 1999), Cormac O`Grada, The Great Irish Famine, 2 (1. Aufl. von 1989) ed., New Studies in Economic and Social History; 7 (Cambridge u.a. Hampshire: Macmillan, 1997), Cormac O`Grada, ed., Famine 150. Commemorative Lecture Series: The Teagasc/Ucd Lectures (Dublin: Teagasc, 1997), Colm Toibin and Diarmaid Ferriter, The Irish Famine : A Documentary (London: Profile 2001, 2001). Donnelly, The Great Irish Potato Famine. Speziell zur Hungersnot in der Grafschaft Galway siehe etwa: Conwell, Galway Landlord and the Famine. Ulick John De Burgh, Curtin, "Records from the Gort Union 1844-54.", Friling, "The Impact of the Great Famine on the Social and Economic Role of Women in Connaught", Kinealy, "The Response of the Poor Law to the Great Famine in County Galway.", Langan Egan, "Some Aspects of the Great Famine in Galway.", MacMahon, "The Famine in Loughrea Poor Law Union.", Mannion, "The Work of the Quakers in Galway During Famine Times.", Murray, "The Great Famine in Galway.", Murray, "The Great Famine in Galway City and County.", O`Conaola, "The Great Famine in Connemara: Impact and Assessment", O`Dowd, "The Great Famine and the Clergy in Galway City.", O`Laoi, "1847- Famine in Galway.", O`Luanaigh, "Popular Outbreaks in Galway, September- October, 1846.", O`Neill, "Minor Famines and Relief in Galway, 1815-1925.", Villiers-Tuthill, Patient Endurance: The Great Famine in Connemara. 292 Gort Minute Book 24.10.1845. 293 Hierzu zählten vor allem der Bau oder die Instandhaltung von Strassen und Wegen. Im Zuge dieser Public Works Maßnahmen wurden in Galway auch der Hafen ausgebaut sowie die Universität errichtet.

95 erhielt man Lohn oder Nahrungsmittel für die geleistete Arbeit. Diese Hilfsmaßnahmen sprachen aber zum größten Teil nur gesunde Männer an, Frauen, Ältere und Kranke konnten daran nicht teilnehmen. Außerdem waren die gezahlten Löhne, um nicht mit dem lokalen Arbeitsmarkt zu konkurrieren, viel zu niedrig. Das irische Armengesetz selbst mit seiner Begrenzung der Hilfeleistungen auf Indoor Relief sollte nicht geändert werden, denn man ging davon aus, dass die Hungersnot relativ schnell vorübergehen würde. Das war nicht der Fall, und die Grafschaft Galway war von Anfang an von den Missernten besonders hart betroffen294. Die Preise für Kartoffeln, aber auch anderer Lebensmittel verteuerten sich sehr stark im Jahr 1846 und waren für viele Personen nicht mehr bezahlbar295. Dazu kam ein sehr strenger Winter 1846/47, der die Lage weiter verschärfte. Auch die Guardians bekamen die Preisanstiege der Lebensmittel zu spüren und mussten sich von den Poor Law Commissioners Geld leihen, um Nahrungsmittel kaufen zu können296, sowie die Ernährung im Arbeitshaus umstellen. Die Zahl der Personen, die Aufnahme im Arbeitshaus suchten, stieg sprunghaft an297.

Die irische Armengesetzgebung und ihr Arbeitshaus-System waren auf die sich anbahnende Katastrophe in keiner Weise vorbereitet. Die Anforderungen, die nun an die Arbeitshäuser gestellt wurden, zeigten die Unzulänglichkeiten des Armengesetzes von 1838. Das generelle Verbot der Gewährung von Hilfe außerhalb des Arbeitshauses und der explizite Ausschluss eines „right to relief“ aus dem Armengesetz implizierten, dass die Zuständigkeit und Verantwortung des Armengesetzes für das Gewähren von Unterstützung im Prinzip endete, sobald ein

294 Kinealy, "The Poor Law During the Great Famine. An Administration in Crisis," S. 157.; O`Laoi, "1847- Famine in Galway," S. 17. Conwell, Galway Landlord and the Famine. Ulick John De Burgh, Curtin, "Records from the Gort Union 1844-54.", Friling, "The Impact of the Great Famine on the Social and Economic Role of Women in Connaught", Kinealy, "The Response of the Poor Law to the Great Famine in County Galway.", Langan Egan, "Some Aspects of the Great Famine in Galway.", MacMahon, "The Famine in Loughrea Poor Law Union.", Mannion, "The Work of the Quakers in Galway During Famine Times.", Murray, "The Great Famine in Galway.", Murray, "The Great Famine in Galway City and County.", O`Conaola, "The Great Famine in Connemara: Impact and Assessment", O`Dowd, "The Great Famine and the Clergy in Galway City.", O`Luanaigh, "Popular Outbreaks in Galway, September-October, 1846.", Villiers-Tuthill, Patient Endurance: The Great Famine in Connemara. 295 O`Grada, Black '47 and Beyond. The Great Irish Famine in History, Economy and Memory, O`Grada, Ireland. A New Economic History 1780-1939 S. 199, Villiers-Tuthill, Patient Endurance: The Great Famine in Connemara S. 18. 296 Minute Book, 24.3.1847. 297 Siehe Anhang Tabellen 13 und 14: Insassen Galway und Gort 1841-1921.

96 Arbeitshaus voll war.298 Eine derartig dogmatische Auslegung wurde auch durchaus vom obersten Poor Law Commissioner für Irland vertreten:

„I confess that it does not appear to me that the responsibility of deaths from starvation outside the workhouse rests either with the Board of Guardians or the Commissioners.”299

Aufgrund der begrenzten Kapazitäten der Arbeitshäuser konnte das öffentliche Fürsorgesystem in Krisenzeiten gar keine ausreichende Unterstützung gewährleisten. Innerhalb eines Zeitraumes von weniger als einem Jahr waren sämtliche Arbeitshäuser Galways vollkommen überlastet und überfüllt300. Daher wandten sich die Galway Guardians direkt an die britische Regierung und baten um weitere Unterstützungsmassnahmen: „In so general a calamity, the state should contribute its fair proportion of the General Burden, a principle recognised by Sir Robert Peel last year.”301

Im Dezember 1846 wies die zentrale Behörde die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung an, zusätzliche Unterkünfte für die vielen Armen bereitzustellen und zu errichten. In Galway und Gort errichtete man temporäre Außenstellen, sogenannte Auxiliary Workhouses, zur Unterbringung der Armen. Dazu mieteten die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung Lagerhäuser oder leerstehende Gebäude an, die in den meisten Fällen über völlig unzureichende sanitäre Bedingungen verfügten, kaum beheizbar und nur schlecht belüftet waren.

Nachdem die neue liberale Regierung Russell zunächst die humanitäre Unterstützung der Hungernden in Irland sehr restriktiv gehandhabt hatte, musste sie im Februar 1847 aufgrund der Zuspitzung der Situation zur Politik der Notversorgung mit fremdfinanzierten Lebensmitteln zurückkehren. Im Frühjahr 1847 wurde durch die Regierung Russell der „Temporary Relief of Destitute Persons (Ireland) Act302“, auch Soup Kitchens Act genannt, erlassen, durch den

298 Kinealy, "The Role of the Irish Poor Law During the Famine," S. 111. Guinnane, The Vanishing Irish. Households, Migration and the Rural Economy in Ireland 1850-1914 S. 61. Kinealy, "The Poor Law During the Great Famine. An Administration in Crisis." 299 Edward Twistleton to Sir George Grey, in: Copies of extracts of Correspondence relating to Union workhouses in Ireland, 1847, LV, S. 13. 300 Siehe Tabellen 13 und 14: Insassen Gort und Galway 1841-1921. 301 Galway Minute Book, 30.9.1846. 302 Temporary Relief of destitute persons (Ireland) Act, British Parliamentary Papers 1847 (19), I, S. 243.

97 temporäre Relief Committees in den einzelnen Unions geschaffen wurden, die Nahrung bereitstellten für diejenigen, die keinen Platz im Arbeitshaus erhielten. Hierdurch wurde somit die Möglichkeit für Outdoor Relief ohne Arbeitsverpflichtung der Unterstützungsempfänger eingeräumt. In dem Gesetz wurde ausdrücklich geregelt, dass diese Hilfe jedem Bedürftigen „attending in person303“ gewährt werden und dass es dabei „no preference on religious ground“ geben solle304.

Die drei Gruppen, die diese kostenlose Nahrung erhalten durften, waren:

1. destitute helpless persons

2. destitute able-bodied persons not holding land

3. destitute able-bodied persons holding small portions of land305.

Die Komitees bestanden aus lokalen Landlords, Geistlichen und anderen einflussreichen Vertretern des Ortes bzw. der Region, die dieses Amt unbezahlt und ehrenamtlich ausübten. Seit der Mitte des Jahres 1846 waren außerdem die Vorsitzenden der jeweiligen Poor Law Guardians Mitglieder dieses Komitees sowie seit Beginn des Jahres 1847 auch die drei größten Beiträger zur lokalen Armensteuer. Die Hauptaufgabe der Komitees bestand im Sammeln von Spenden und Regierungsgeldern, mit denen sie Nahrungsmittel erwarben, die dann an die notleidende Bevölkerung verkauft oder kostenlos abgegeben wurden, sowie in der Kontrolle der Unterstützungswürdigkeit der Empfänger306.

Die dadurch möglichen Unterstützungsaktionen wurden von der britischen Regierung mit 2.225.000 ₤ unterstützt, wovon allerdings die Hälfte über die lokalen poor rates rückzahlbar sein sollte. Wie notwendig diese Öffnung der öffentlichen Armenfürsorge für Maßnahmen der outdoor relief war, zeigt die Tatsache, dass in manchen Teilen Galways fast drei Viertel der Bevölkerung auf Unterstützung

303 Von der persönlichen Anwesenheitspflicht bei der Antragstellung waren nur Kinder und Kranke ausgenommen. 304 O`Connor, The Workhouses of Ireland. The Fate of Ireland's Poor S. 136. 305 1st Report of the Irish Poor Law Commissioners 1848, S. 440. 306 Seit dem Jahr 1847 sollten diese relief committees ihre Finanzierung auch über die lokale Poor Rate vornehmen. Bis zum Juli 1846 hatten die 600 bis 700 landesweit (vor allem im Süden und Westen) bis dahin gegründeten Komitees insgesamt etwa 98.000 ₤ gesammelt, wobei der Anteil, den die britische Regierung gab, bei etwa 66.000 ₤ lag. Vgl. Kinealy, "The Irish Poor Law 1838- 1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government" S. 77f.

98 angewiesen waren. Am 3. Juli 1847 wurden durch die Suppenküchen der lokalen relief committees insgesamt 218.294 Menschen in der Grafschaft Galway unterstützt und damit mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung Galways.

Union In absoluten Zahlen Gesamtbevölkerung der Union Ballinasloe 30.876 99.026 Clifden 24.403 33.465 Galway 56.003 88.973 Gort 32.523 43.543 Loughrea 24.625 71.774 Tuam 49.864 74.974 GESAMT 218.294 411.755

Tab. 9: Unterstützungsempfänger 3.7.1847, aus: Appendix to seventh report of relief commissioners, H.C. 1847-48 (956), xxix, S.18-20.

Außerdem startete und förderte die britische Regierung weitere “public works” Programme, vor allem im Strassen- und Hafenbau. Der ganze Temporary Relief of Destitute Persons (Ireland) Act nützte somit nicht das System der Arbeitshäuser oder die durch die Armengesetzgebung etablierte Administration, sondern führte ein spezielles System an Unterstützung neben dem bestehenden Poor Law ein, das auf die Relief Committees und public work Maßnahmen setzte. Diese Hilfsprogramme waren jedoch mit hohen Kosten verbunden, erforderten einen hohen administrativen Aufwand und benötigten oft eine längere Anlaufzeit307. Zudem sprachen die Unterstützungsmaßnahmen zum größten Teil nur gesunde Männer an; Frauen, Ältere und Kranke konnten daran nicht teilnehmen. Außerdem waren die gezahlten Löhne, um nicht mit dem lokalen Arbeitsmarkt zu konkurrieren, viel zu niedrig.

Dieser Erlass war nur eine Interims-Maßnahme und im Sommer 1847 schuf man durch den Poor Relief Extension Act eine dauerhafte Lösung308. Die lokalen Board of Guardians waren berechtigt, Unterstützung nach ihrem eigenen Ermessen

307 Kinealy, The Great Irish Famine. Impact, Ideology, and Rebellion S. 42. 308 Dieses Gesetz führte keine radikale Neuerung in die irische Armengesetzgebung ein, sondern legalisierte bestehende Maßnahmen, die von den lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung (auch Galway und Gort) zur Unterstützung der Armen während der großen Hungersnot durchgeführt worden waren. Spätestens als die Kapazitäten der Arbeitshäuser erschöpft gewesen waren, führten die lokalen Armenverwaltungen Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses ein. So auch: Kinealy, "The Irish Poor Law 1838-1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government" S. 132.

99 außerhalb der Arbeitshäuser an die alten oder kranken Armen sowie an Witwen mit zwei oder mehr abhängigen Kindern zu gewähren309. Auch sogenannte able- bodied paupers konnten Unterstützung außerhalb der Arbeitshäuser für begrenzte Zeitperioden erhalten beim Vorliegen von „sudden and urgent necessity“. Allerdings war diese Ausweitung der irischen Armengesetzgebung an starke Kontrollen und Vorschriften gebunden. Die Outdoor Relief sollte auf Zeiträume beschränkt bleiben, in denen allergrößte Not herrschte und die Arbeitshäuser keine freien Kapazitäten mehr hatten310. Die sogenannten able-bodied paupers sollten auch beim Empfang von Outdoor Relief acht Stunden täglich arbeiten.

Die am stärksten umstrittene Regelung dieses Gesetzes aus dem Jahr 1847 war aber die sogenannte „Gregory Klausel“311. Sie besagte, dass jede Familie, die mehr als einen Quarter of an acre Land besaß, keinen Anspruch auf Unterstützung hatte, weder im Arbeitshaus, noch außerhalb. So waren viele Pächter gezwungen, ihr Land aufzugeben, wenn sie Unterstützung erhalten wollten. Dieser Paragraph wurde initiiert von William Gregory, einem großen irischen Landbesitzer aus der Grafschaft Galway. Gregory war Mitglied der Armenverwaltung von Gort und mehrere Jahre deren Vorsitzender. Die Aufnahme dieser Klausel wurde vom britischen Parlament befürwortet „as a weapon necessary for forcing the pace of transition to an anglicised social and economic structure“312. In Irland wurde diese Regelung mit geteiltem Echo aufgenommen. Einige sahen in ihr die Lösung für die Landfrage und die Möglichkeit, zersplitterte, kleine Flächen auflösen zu können. Andere wiederum betrachteten sie als zu drakonisch und harsch313. Diese gespaltene Meinung lief sogar durch die zentrale Behörde. Der oberste irische Poor Law Commissioner, Edward Twistleton, war gegen die quarter acre Klausel und betrachtete sie als zu hart, wohingegen der Poor Law Commissioner Alfred

309 Siehe auch Anhang Abb. 20: Auszüge Armengesetzerweiterung 1847. 310 British Parliamentary Papers 1849, XXV (118), second annual report of the Poor Law Commission, S.120. 311 2nd Annual Report of the Poor Law Commission 1849, S. 105; Thomas C. Hansard, "Parliamentary Debates. Official Report. Parliament of the United Kingdom of Great Britain and Ireland," (London), 3rd series, Vol XCI, 1273-8.. Siehe dazu auch: Maguire, "The Early Workhouses in Galway," S. 73-76. Siehe auch Anhang Abb. 20: Auszüge Armengesetzerweiterung 1847. 312 Peter Gray, "The Triumph of Dogma: The Ideology of Famine Relief," History Ireland 3, no. 2 (1995). 313 Kinealy, "The Irish Poor Law 1838-1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government" S. 162.

100 Power ihre Einführung als notwendig ansah, um dem Missbrauch der Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses vorzubeugen314. Erst im Jahr 1862 wurde diese Regelung für die Unterstützung innerhalb des Arbeitshauses aufgehoben und galt nur noch für Outdoor Relief.

1848 erhielten über 1,4 Millionen Menschen in ganz Irland Outdoor Relief, im Jahr 1849 sank die Zahl derjenigen, die Unterstützung außerhalb der Arbeitshäuser erhielten, auf etwa 1,2 Millionen315. Die Zahl der Personen, die innerhalb der Arbeitshäuser Unterstützung erhielten, lag 1848 bei etwa 610.000 und ein Jahr später bei etwa 932.000316.

Immer mehr Menschen suchten während der Großen Hungersnot Unterstützung in den Arbeitshäusern. Daher wurde eine höhere Poor Rate benötigt, um die gestiegenen Kosten zu decken. Von der Famine waren auch die Rate Payers stark betroffen und an eine Einsammlung auch nur eines geringen Anteils der Poor Rate war nicht mehr zu denken. Um die Arbeitshäuser weiter geöffnet halten zu können, sowie die Outdoor Relief und andere Hilfsmaßnahmen aufrechtzuerhalten, verschuldeten sich viele Unions in Irland bei den Banken und erhielten finanzielle Unterstützung von der britischen Regierung. 1847 wurden sehr hoch verschuldete Verwaltungsbezirke von der zentralen Behörde als „distressed“ eingestuft317. In der Grafschaft Galway fielen besonders viele Poor Law Unions unter diese Kategorie. Im Juni 1847 standen die Galway Guardians mit über 5000₤ im Soll. Diese Schulden verblieben noch nach Aufnahme von Krediten über 3000₤ bei der

314 Dublin Evening Post, 15.1.1848, 10.2.1848. Diese katholische Zeitung beschrieb die Gregory Klausel als grausam und befürchtete einen Missbrauch durch irische große Landbesitzer, um sich kleiner, zersplitterter Flächen zu entledigen, 10.2.1848. Andere Zeitungen, wie die protestantische Evening Mail, betrachteten die Einführung dieser Klausel als notwendiger Paragraph gegen Missbräuche der Outdoor Relief und als noch zu liberal, 17.2.1848. 315 Kinealy, "The Role of the Irish Poor Law During the Famine," S. 118. Kinealy, "The Irish Poor Law 1838-1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government" S. 161. British Parliamentary Papers 1849, XXV (118), second annual report of the Poor Law Commission, S. 163-64; British Parliamentary Papers 1849, XVI (192), Reports and minutes of evidence from the Select Committee of the House of Lords on the Irish Poor Law, S. 487; British Parliamentary Papers 1849, XV (356), Report on Poor Laws (Ireland), Part Two, S. 433. 316 Kinealy, "The Irish Poor Law 1838-1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government" S. 251. 317 Siehe Anhang Abb. 15: Distressed Unions. In einem Brief von Twistleton an den irischen Lord Lieutenant Clarendon vom 14.8.1847 schreibt er, dass „the western unions were largely insolvent“, abgedruckt in: R.J. Montague, "Relief and Reconstruction in Ireland, 1845-49. A Study in Public Policy During the Great Famine" (DPhil, Oxford, 1976) S. 161., Siehe dazu auch einen Bericht der Times über die „distressed unions“ vom 12.10.1847.

101 National Bank of Ireland und Geld von den Poor Law Commissioners318. Auch die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort hatten im Sommer 1847 Schulden in Höhe von fast 4000₤. Am Ende des Jahres erhielt das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort 25.683₤ von der britischen Regierung zur Unterstützung Armer außerhalb des Arbeitshauses. Damit bekamen sie von der Staatsmacht eine der höchsten Summen für diesen Zweck in ganz Irland319.

Die Poor Law Commissioners wiesen die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung verstärkt an, die Einsammlung der Poor Rate nachhaltig voranzutreiben. In einigen Unions der Grafschaft Galway kam es danach zu Angriffen auf die Personen, die die Poor Rate einsammeln sollten320. Von Dezember 1847 bis Januar 1848 entließ die zentrale Behörde mehrere lokale Armenverwaltungen, nachdem weiterhin keine ausreichende Poor Rate eingesammelt wurde321. Auch die Board of Guardians der beiden Untersuchungsgebiete Galway und Gort wurden aufgelöst und durch bezahlte Beamte ersetzt322. Die zentrale Behörde versprach sich hiervon mehrere Vorteile. Die bezahlten Beamten konnten sich in Vollzeit mit der lokalen Armenverwaltung beschäftigen, wodurch Entscheidungen schneller getroffen werden konnten, sie waren nicht eingebunden und unabhängiger von lokalen Gegebenheiten und sie waren der zentralen Behörde direkter verantwortlich323. Twistleton bemerkte hierzu, dass „the principle of local government is excellent, but it seems to be of less importance for the present year than to protect the national finances.324”

In der ersten Aprilwoche 1848 befanden sich im Arbeitshaus von Galway 1.158 Personen, während 24.678 Menschen Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses erhielten. In Gort lebten im selben Zeitraum 817 Personen im Arbeitshaus und 10.454 Arme erhielten outdoor relief. Während sich die Zahl der

318 Galway Minute Book,16.6.1847. 319 Grey and McNamara, Gort Inse Guaire. A Journey through Time S. 147. 320 Villiers-Tuthill, Patient Endurance: The Great Famine in Connemara S. 65. 321 Siehe Anhang Abb. 16: Dissolved Unions. British Parliamentary Papers 1849, XVI (58), S. 334: Twistleton on Vice-Guardians. 322 Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway wurde im Januar 1848 aufgelöst und im November 1849 wieder eingesetzt, in Gort gab es bezahlte Beamte von Februar 1848 bis November 1849. 323 British Parliamentary Papers, First Annual Report Poor Law Commission 1848, S. 9f; British Parliamentary Papers, Second Annual Report Poor Law Commission 1849, S. 15. 324 Brief von Twistleton an Trevelyan vom 3.2.1848, Public Record Office, T.64.370.C/4.

102 Arbeitshausinsassen in Gort ein Jahr später nahezu verdoppelt hatte, hatte sich die Zahl der outdoor relief Empfänger etwa halbiert. In Galway hingegen lebten im April 1849 nahezu dreimal so viele Personen im Arbeitshaus, und auch die Anzahl der Unterstützungsempfänger außerhalb des Arbeitshauses war etwa doppelt so hoch wie noch ein Jahr zuvor. Der Grund für den Rückgang der Anzahl der Outdoor Relief Empfänger in Gort bildete vor allem die ablehnende Haltung und restriktive Handhabung der outdoor relief der bezahlten Beamten. Sie gewährten Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses nur dann, wenn das Arbeitshaus keine Kapazitäten zur Aufnahme mehr hatte325. Auch in Galway agierten bezahlte Beamte. In Galway hingegen argumentierten sie, dass Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses angesichts der noch herrschenden Not zu gewähren sei, da sowohl das Arbeitshaus als auch die temporären Außenstellen alle überfüllt seien326.

Im Verlauf des Jahres 1849 ließen die Hungersnot und die Epidemien zwar etwas nach, doch die Auswirkungen davon blieben weiterhin spürbar. Im Mai 1849 entschied die britische Regierung, eine weitere Steuer einzuführen, die sogenannte „rate-in-aid“. Hierdurch sollten die reicheren irischen Unions den ärmeren, verschuldeten Verwaltungsbezirken helfen. Die finanzielle Verantwortung für die Armenunterstützung wurde somit teilweise auf nationale statt lokale Steuern umgelagert, lag aber gänzlich auf irischen Ressourcen. Widerstand gegen diese neue Steuer regte sich nicht nur in den reicheren Unions, sondern auch bei den irischen Poor Law Commissioners, die in Zeiten der Hungersnot eine Unterstützung der britischen Regierung für nötig hielten327. Edward Twistleton, der oberste irische Poor Law Commissioner, trat aus Protest gegen diesen Erlass sogar von seinem Amt zurück328. Auch George Nicholls äußerte Kritik an dieser rate-in-aid und hielt staatliche Hilfe für notwendig329.

325 Gort Minute Book 29.12.1848, 30.3.1849. 326 Galway Minute Book 11.1.1848, 31.8.1849. 327 Kinealy, The Great Irish Famine. Impact, Ideology, and Rebellion S. 54. Kinealy, "The Poor Law During the Great Famine. An Administration in Crisis," S. 167. 328 Kinealy, "The Irish Poor Law 1838-1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government" S. 238. Zu Edward Twistleton siehe auch: Montague, "Relief and Reconstruction in Ireland, 1845-49. A Study in Public Policy During the Great Famine" S. 155, 59f. 329 Nicholls, A History of the Irish Poor Law, in Connexion with the Condition of the People S. 309,57.

103

Nach dem Ende der großen Hungersnot kann man bei der Indoor Relief einen stetigen Abfall der absoluten Zahlen feststellen330. Allerdings zeigt sich, dass die Zahlen der Insassen saisonal sehr unterschiedlich waren. In jedem Jahr seit Beginn der großen Hungersnot bis zum Jahr 1851 findet man die höchsten Zahlen in den Sommermonaten. Interessanterweise ist im Folgejahr 1851-52 das Maximum mit landesweit 196.966 Insassen in den Arbeitshäusern und 3.473 Outdoor Armen im Februar festzustellen. Ein stetiges Abfallen dieser Zahlen zeigt sich von Ende Februar bis zur Mitte des Sommers sowie vom Beginn der Erntezeit bis zum Herbst. Auch im Jahr 1852-53 ist ein Maximum wieder im Februar feststellbar331. Die Gründe für das zunächst in den Sommermonaten vorherrschende Maximum sind in der vergleichsweisen Knappheit an Nahrungsmitteln und Arbeitsangeboten, besonders im agrarischen Sektor, zu sehen. Eine Verschiebung des Maximums kann damit begründet werden, dass die Zahlen der höchsten Erkrankungen, besonders von Fieber- und Lungenkrankheiten, zu Beginn des Jahres festzustellen sind. Da diese Zahlen nach Ende der Großen Hungersnot mit den höchsten Insassenzahlen zusammenfallen, kann dieses auf einen Wechsel in der Funktion des Arbeitshauses hindeuten: Das Arbeitshaus wurde nun mehr und mehr als Krankenhaus für die Armen genutzt. Darauf deuteten auch das Absinken der Zahlen von sogenannten able-bodied persons in den Arbeitshäusern hin sowie die Verbindung des Board of Guardians mit dem Medical Charities Act von 1851332. Dieser teilte Irland in 723 sogenannte Dispensary Districts auf, denen je ein Arzt zugeteilt wurde, der von der Poor Rate bezahlt wurde333. Die Aufsicht über diese Dispensaries wurde den Board of Guardians zugeteilt334. Hierdurch wurde zum

330 Siehe dazu auch Anhang Tab. 13 und 14: Insassen Galway – Gort 1841-1921. 331 Alle Zahlen aus: Sixth Annual Report, Dublin 1853, S. 4. 332 Greta Jones and Elisabeth Malcolm, eds., Medicine, Disease and the State in Ireland, 1650- 1940 (Cork: Cork Univ. Press, 1999), Kelly, "From Workhouse to Hospital: The Role of the Irish Workhouse in Medical Relief to 1921", Murray, Galway: A Medico-Social History. Ronald Drake Cassell, Medical Charities, Medical Politics. The Irish Dispensary System and the Poor Law, 1836- 1872, Royal Historical Society Studies in History. New Series (London et al.: Royal Historical Society Boydell Press, 1997). 333 95 Dispensary Districts gab es in der Provinz Connaught. 334 Medical Charities Act, §10 Vic., cap. 31. Bis zu diesem Datum hatten die Grand Juries die Aufsicht über die Dispensaries in Irland.

104 einen ein flächendeckendes System medizinischer Versorgung etabliert und zum anderen medizinische Hilfe für Arme auch außerhalb der Arbeitshäuser geschaffen. Die Pflicht des Arztes war hierbei „to duly and punctually attend upon every destitute person, being sick, whom he shall be required to attend by a direction of the Board of Guardians.335” Die Guardians gaben diese Verantwortung weiter an den Relieving Officer, so dass nicht der Arzt, sondern ein Nicht-Mediziner über die Notwendigkeit medizinischer Behandlung entschied.

Bereits seit 1822 gab es in Galway eine City Dispensary, Räumlichkeiten, in denen Ärzte den Armen Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Visitation anboten und Medikamente zur Verteilung bereitstanden. Im Jahr 1865 wurde die Galway City Dispensary aus Platzgründen verlegt und man errichtete eine neue auf dem Gelände des Arbeitshauses, welche dort auch bis 1922 verblieb336. Den Antrag der Galway Guardians, auch im Dispensary die Möglichkeit stationärer Behandlung zu geben, wurde von den Poor Law Commissioners abgelehnt, da nur im Krankenhaus des Arbeitshauses derartige stationäre Aufnahme erlaubt sei. Auch ein erneuter Antrag der Guardians von 1871, dieselbe Sache betreffend, wurde abgelehnt.

Seit 1851 durften in diesen „Dispensaries" unter Kontrolle der Poor Law Guardians auch kranke Personen behandelt und mit Medikamenten versorgt werden, die zwar arm, aber nicht „destitute“ waren337. Da die Bereitstellung auch über die lokalen Poor Rates finanziert wurde, bedeutete es, dass hierüber nicht nur die bloße Armenunterstützung, sondern auch essentielle medizinische Hilfe für die Umgebung gewährleistet wurde338. Das stellte besonders auf dem Land eine rudimentäre medizinische Versorgung sicher. In der Gort Union stellten das Krankenhaus des Arbeitshauses die einzige stationäre Behandlungsmöglichkeit für Arme dar. Vor der Errichtung des Arbeitshauses mussten sich Patienten aus Gort an das County Dispensary in Galway wenden.

335 4th Annual Report of the Poor Law Commissioners 1851, S. 567. 336 Murray, "Pre-Famine Galway," S. 47. 337 Kelly, "From Workhouse to Hospital: The Role of the Irish Workhouse in Medical Relief to 1921" S. 10. 338 Kinealy, "The Role of the Irish Poor Law During the Famine," S. 109.

105 Der Poor Law Relief Amendment Act von 1862 erlaubte das sogenannte boarding- out, also die temporäre Unterbringung von Kindern des Arbeitshauses bei Pflegeeltern339. Weiter schuf er die Möglichkeit, dass Mitglieder der Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung die Aufwendungen für die Unterbringung illegitimer Kinder unter bestimmten Voraussetzungen bei Gericht von den Vätern einklagen konnten. Auch schaffte man durch diese Erweiterung des Poor Laws die sogenannte “quarter acre clause“ für die Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses ab340. Seit 1862 konnte eine kranke Person im Krankenhaus des Arbeitshauses behandelt werden, ohne dass die ganze Familie in das Arbeitshaus aufgenommen werden musste. Weiterhin wurden von nun an auch Personen, die nicht „destitute“ waren, im Krankenhaus des Arbeitshauses kuriert341. Außerdem vermochten die Guardians nun Kranke in andere Hospitäler verlegen zu lassen und gegebenenfalls Geld für die Dauer und Art der Behandlung zu verlangen. In Galway lag die durchschnittliche Anzahl der Insassen im Arbeitshaus von 1870 bis 1921 bei 369 Personen, während im Krankenhaus des Arbeitshauses durchschnittlich etwa 100 bis 120 Patienten aufgenommen waren342. Das Arbeitshaus von Gort wies von 1870 bis 1921 durchschnittlich 162 Personen auf. Die Krankenstation des Arbeitshauses hatte im selben Zeitraum durchschnittlich zwischen 30 und 50 Patienten.

Seit dem Sewage Utilization Act von 1865 waren die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung auch zuständig für die Kanalisation in jeder Stadt und jedem Dorf innerhalb der Poor Law Union, die nicht einer städtischen oder kommunalen Behörde (municipal authority) unterstand. Verschiedene weitere Gesetze die öffentliche Hygiene und Gesundheit betreffend folgten mit erweiterten Zuständigkeiten der Mitglieder der Armenverwaltung343. Darüber hinaus übernahmen sie weitere lokale Verwaltungsaufgaben, etwa die Geburten- und

339 Report of the Select Committee 1861, S. IV. 340 Report of the Select Committee 1861, S. V. 341 Report of the Select Committee 1861, S. III. 342 Siehe Anhang Tab 13 und 14: Galway und Gort Insassen 1841-1921. 343 1866: Sanitary Act: Vorsorge und Behandlung von ansteckenden Krankheiten, wie Cholera unter Aufsicht der Guardians; 1874: Public Health Act: Guardians werden rural sanitary authorities; Public Health Act 1878: erweitert und konsolidiert weitere Hygiene und öffentliche Gesundheitsmassnahmen unter Zuständigkeit der Guardians

106 Sterberegistrierung seit 1863344 oder die Unterbringung von landwirtschaftlichen Arbeitern seit 1883345.

Zu Beginn der 1870er Jahre hatten die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung eine Vielzahl von Aufgaben und Pflichten zu erfüllen, die weit über die eigentliche Armenverwaltung hinausgingen. Die Boards of Guardians wurden nicht mehr nur als zuständig für die Armenunterstützung angesehen, sondern als eine voll entwickelte Institution lokaler Verwaltung. Durch ein Gesetz von 1872 wurde das Local Government Board etabliert und alle Zuständigkeiten der Poor Law Commission wurden auf die neu geschaffene Einrichtung übertragen346. Allerdings blieben die Commissioners in ihrem Amt und bildeten nun das Local Government Board. Damit wurde der Entwicklung Rechnung getragen, dass die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung ein voll ausgebildeter Zweig der lokalen Verwaltung waren, über das die zentrale Behörde, das Local Government Board, die Aufsicht hatte. So schreibt Feingold: „the 1872 Local Government Act which converted the Poor Law Commission into the Local Government Board and assigned it the responsibilty for overseeing all local government in Ireland, merely confirmed legally that what had already become a fact.347“

Viele Arbeitshäuser hatten einen großen Teil ihres Platzes für Arme bereitgestellt, wogegen die Krankenstationen oft relativ klein ausgefallen waren, da man nach dem Gesetz von 1838 lediglich diejenigen Personen, die im Arbeitshaus krank wurden und behandelt werden mussten, einberechnet hatte. Besonders der Anteil der arbeitsfähigen Männer, der in den Arbeitshäusern Irlands im Januar 1851 noch 10,7 Prozent aller Insassen ausmachte, fiel kontinuierlich bis zum Januar 1874 auf 4,6 Prozent ab. Der prozentuale Insassenanteil der gesunden Frauen bewegte sich im selben Zeitraum von 24,1 Prozent im Januar 1851 auf 10,7 Prozent im Januar 1874. Der Anteil der Alten und Kranken und als „unabled“ eingestuften Erwachsenen stieg dagegen von 6,8 Prozent (Jan. 1851) auf 26,0 Prozent

344 Births and Deaths Registration Act 1863. 345 Labourers (Ireland) Act 1883. 346 Bill for constituting Local Government Board in Ireland, British Parl. Papers 1872 (90), II, S. 685. 347 Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886 S. 13.

107 (Jan.1874). Ebenso erfuhr der prozentuale Anteil derjenigen, die im Krankenhaus lagen, eine Steigerung von 14,0% Prozent auf 33,9 Prozent348.

In den Jahren 1879, 1890/1, 1894/5 und 1897/8 kam es in der Grafschaft Galway zu mehreren Hungersnöten nach Kartoffelmissernten349. Sie wurden durch public works Programme und Nahrungsmittelimporte bekämpft. Ebenso erlaubte der 1890 verabschiedete Seed Potatoes Supply Act den Guardians, Saatgut an Bedürftige zu verteilen, allerdings nur in den Fällen, in denen das Local Government Board diese Notwendigkeit als gegeben ansah. Auch war das von der britischen Regierung bereitgestellte Saatgut ein Darlehen an die Board of Guardians. Im Jahr 1891 machten davon jedoch alle Poor Law Unions der Grafschaft Galway Gebrauch.

Das 1891 geschaffenene Congested Districts Board350 förderte eine Reihe von Infrastrukturmassnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in den als „congested“, also extrem arm, eingestuften Gebieten Irlands. Diese umfassten ursprünglich ein Sechstel der Fläche Irlands und etwa ein Neuntel der Bevölkerung und lagen vor allem im Westen Irlands351. Auch Galway und Gort zählten zu den Congested Districts und erlebten seit 1891 eine Reihe von Wohnungsbauprogrammen und anderen Infrastrukturmassnahmen, die die Lebensbedingungen auf dem Land verbessern sollten.

Der Local Government (Ireland) Act von 1898 regelte die lokale Verwaltung in Irland durch County Councils, Urban District Councils und Rural District Councils neu352. Die Zuständigkeiten der Grand Juries353 wurden nun auf diese Councils

348 Annual Report Local Government Board 1874, British Parl. Papers, XXVI, C. 967, S. 18. 349 Connaught Telegraph, 2., 9., 16.10.1897; Galway Express, 2.10.1897; O`Neill, "The Food Crisis of the 1890`S," S. 177, 84. Virginia Crossman, "With the Experience of 1846 and 1847 before Them: The Politics of Emergency Relief in 1879-84," in Victoria`S Ireland: Irishness and Britishness, 1837-1901, ed. Peter Gray (Dublin: Four Courts Press, 2004), S. 167. 350 Ciara Breathnach, The Congested Districts Board of Ireland, 1891-1923. Poverty and Development in the West of Ireland (Dublin: Four Courts Press, 2005). 351 James Morissey, ed., On the Verge of Want. A Unique Insight into Living Conditions Along Ireland's Western Seaboard in the Late 19th Century (Dublin: Crannóg Books, 2001). Guinnane, The Vanishing Irish. Households, Migration and the Rural Economy in Ireland 1850-1914 S. 66. 352 Collins, Local Government, Crossman, "Building the Nation: Local Administration in Rural Ireland 1850-1920.", Crossman, Local Government in Nineteenth-Century Ireland, Crossman, "Local Government in Nineteenth-Century Ireland.", Mary E. Daly, ed., County and Town. One Hundred Years of Local Government in Ireland, Lectures on the Occasion of the 100th Anniversary of the 108 übertragen. Die Boards of Guardians, die weiterhin im Amt blieben, bildeten von den Mitgliedern her, aber mit unterschiedlichen Funktionen, auch die Rural District Councils, da die Wahlbezirke der Union deckungsgleich mit den Rural Districts waren354. Bei der Galway Union etwa waren die Poor Law Guardians auch Rural District Councillers der Vororte und Umgebung der Stadt Galway. Die Stadt selber wurde allerdings vom Urban District Council verwaltet. Bei der Galway und Gort Union, den beiden Untersuchungsgebieten dieser Studie, fanden die Treffen der Guardians direkt im Anschluss an die Treffen der Rural District Councillors statt. Der Vorsitzende des Rural District Councils war automatisch Mitglied im County Council. Seit diesem Zeitpunkt fanden alle drei Jahre Wahlen für die Rural District Councils statt, die auch zugleich Mitglieder der Armenverwaltung waren. Nur in den Städten, so auch in Galway, fanden alle drei Jahre noch separate Poor Law Wahlen statt.

Eine weitere wichtige Änderung war, dass seit 1898 alle Mitglieder der Board of Guardians gewählt wurden, es also keine ex-officio Teilnehmer mehr gab. Die Poor Law Guardians waren auch nicht mehr zuständig für die sanitären Bedingungen der Unions. Die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung hatten nur noch das Poor Law selber zu verwalten, sowie die Dispensaries. Sie wurden durch dieses Gesetz auch ihrer Macht enthoben, die Poor Rate auszuhandeln und einzusammeln. Seit 1898 wurde dies alleine von den County Councils übernommen, welche dann das Geld den Guardians zur Aufrechterhaltung der

Local Government Act, 1898 (Dublin: Institute of Public Administration, 2001), Donnelly, "An Overview of the Development of Local Government in Ireland.", Local Authority Members` Association (LAMA), The First One Hundred Years 1899-1999 (Dublin: 1999). Tom Boyle, Kilkenny County Council. A Century of Local Government (Kilkenny: Kilkenny County Council, 1999), Brian Donnelly, For the Betterment of the People. A History of Wicklow Co. Council (Wicklow: Wicklow County Council, 1999), Diarmaid Ferriter, Cuimhnigh Ar Luimneach. A History of Limerick County Council, 1898-1998 (Limerick: Limerick County Council, 1998), Grainne Mary Ryan, "Politics and Administration in Ennis 1898-1920" (unpublished M.A. theses, BED (???), 1984), J.D. Williams, Donegal County Council. 75 Years (Lifford: Donegal County Council, 1974)., speziell zu Galway siehe Ryan, "From Grand Jury to County Council. A Study of the Application of the Local Government (Ireland) Act 1898 to County Galway". O`Connor, A History of Galway County Council. Bereits 1888 war ein Local Government Act für England und Wales erlassen worden, der die lokale Verwaltung durch gewählte County Councils neu regelte. Diese übernahmen wichtige Verwaltungsaufgaben von den Justices of Peace und den Quarter Sessions. Die Aufgaben der County Councils umfassten unter anderem die Kontrolle der pauper lunatic asylums, der reformatory and industrial schools und die Zuständigkeit für Strassen und Brücken. Ein ähnliches Gesetz, welches County Councils einrichtete, wurde 1889 für Schottland erlassen. 353 Wie etwa baronial presentment sessions, district share of roads and public works. 354 Meghen, "The Administrative Work of the Grand Jury.", P.J. Meghen, "Central-Local Relationships in Ireland," Administration XIII (1965), Meghen, "The Development of Irish Local Government," S. 339. Collins, Local Government S. 39.

109 Arbeitshäuser, der Outdoor Relief und der Dispensaries zur Verfügung stellten. Von diesem Geld ging auch ein Teil an die Rural District Councils als sanitary und housing authorities. Für die neu geschaffenen Councils gab es keine property qualifications mehr, und das „plural voting“ [je höher die Valuation, desto mehr Stimmen hatte jemand inne] wurde abgeschafft. H. A. Robinson, seit 1898 der Vizepräsident des irischen Local Government Board, bezeichnete dieses Gesetz als „a complete revolution, wiping out the ex-officio and nominated element on all public bodies and substituting county and district councils elected on a parliamentary franchise.355“ Das Hauptanliegen des Local Government Acts war es, die Struktur der lokalen Verwaltung zu vereinheitlichen und zu vereinfachen, um „duplication and overlapping“ auszuräumen356.

Die County Councils waren die wichtigste Entscheidungsebene. Sie legten die Poor Rate fest, sie übernahmen die Aufgaben der Grand Jury, waren also für den Bau und den Erhalt der Straßen zuständig und übernahmen weitere Aufgaben aus dem public health Sektor. Die Urban und Rural District Councils führten zusammen mit den Board of Guardians die eigentliche lokale Verwaltungsarbeit aus. Die District Councils hatten jährlich ihre benötigten Kosten zu kalkulieren und mussten dann einen Antrag an das County Council stellen. Nach 1898 wurde die Armensteuer durch union-rating erhoben, das heißt das vorherige division-rating einer individuellen Armensteuer für jeden Wahlbezirk wurde abgeschafft.

Im Zuge des Local Government Acts mussten nun auch verschiedene Wahlbezirke für die Wahlen zu den District Councils verändert werden, da sichergestellt sein sollte, dass ein Wahlbezirk nur innerhalb einer Grafschaft lag und nicht durch County-Grenzen geteilt wurde. Im gesamten County Galway betraf dieses sechs Poor Law electoral divisions. Alle Poor Law electoral divisions bildeten nun auch die Wahlbezirke für die district councils. In der gesamten Grafschaft Galway gab es also 10 rural district councils, genauso viele wie Board of Guardians.

Für die Wahl der County Councils wurde jede Grafschaft in Irland (außer Dublin und Cork) in 20 Wahlbezirke aufgeteilt, von denen je ein Kandidat in das County Council entsandt wurde. In der Grafschaft Galway, einem der größten Counties in

355 H. Robinson, Memories: Wise and Otherwise (London: 1923) S. 126. 356 J. Lee, The Modernisation of Irish Society 1848-1918 (Dublin: Gill and Macmillan, 1973) S. 127. Collins, Local Government S. 25. Ryan, "From Grand Jury to County Council. A Study of the Application of the Local Government (Ireland) Act 1898 to County Galway" S. 83.

110 Irland, lag die durchschnittliche Wahlberechtigtenzahl pro Wahlbezirk für das County Council bei 9.627357. Nicht wählbar für das County Council waren unter anderem Frauen (obwohl sie Poor Law Guardians oder District Councillors werden konnten), Geistliche, paid officers of the council und Personen, die im vergangenen Jahr poor relief erhalten hatten.

Das Galway City Urban District Council hatte 24 Mitglieder und die Stadt wurde für die Wahl in vier Bezirke aufgeteilt (Galway North, South, East, West). Galway Ost bildete den größten Bezirk mit 3.887 Personen358. Der Süden war der kleinste Wahlbezirk mit 2.889 Wahlberechtigten359.

Um die Jahrhundertwende sah die Unterstützung durch das Poor Law folgendermaßen aus:

- „able bodied“: nur im Arbeitshaus

- „old and infirm“: im Arbeitshaus oder gegebenenfalls Outdoor Relief

- „sick“: Krankenhaus des Arbeitshauses, externes Hospital oder gegebenenfalls Outdoor Relief

- „deaf, dumb, blind“, „disabled“: Arbeitshaus oder gegebenenfalls spezielle Institutionen

- „widows with two or more legitimate children“: im Arbeitshaus oder Outdoor Relief, Witwen ohne oder nur mit einem Kind nur im Arbeitshaus

- „unmarried mothers, orphans and deserted children under 15 years of age“: Arbeitshaus oder bei Kindern “boarding-out”.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einer öffentlichen Diskussion um eine Reform der Armengesetzgebung in Irland360, und im Jahr 1903 setzte die Regierung eine Kommission ein, die überprüfen sollte, inwieweit eine Einsparung

357 Siehe dazu Census of Ireland 1901, County of Galway, Area, Houses and Population, Vol IV; S. 9ff. 358 Census of Ireland 1901, County of Galway, Area, Houses and Population, Vol. IV, S. 29. 359 Census of Ireland 1901, County of Galway, Area, Houses and Population, Vol. IV, S. 31. 360 O`Connor, The Workhouses of Ireland. The Fate of Ireland's Poor S. 194.

111 der Kosten des Poor Laws bei hoher Effizienz möglich sei. In ihrem Bericht 1906 kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass das System der Arbeitshäuser abgeschafft werden sollte, da der Armut in Irland nur durch Strukturverbesserungsmaßnahmen entgegengewirkt werden könne361. Weiterhin schlugen sie vor, dass die verschiedenen Gruppen an Insassen der Arbeitshäuser in jeweils gruppenspezifischen Institutionen untergebracht werden sollten362. Eine weitere Kommission im Jahr 1909 kam zu einem ähnlichen Ergebnis363. Die Hauptempfehlung dieser Kommission war ebenfalls, dass jede Gruppe der Armen separiert werden müsse, aber nicht innerhalb einer einzigen Institution, sondern in gruppenspezifischen Einrichtungen. Die Regierung sah aber keinen dringenden Handlungsbedarf, und die Arbeitshäuser blieben unverändert364.

Ein Gesetz aus den folgenden Jahren war der Old Age Pensions Act von 1908, der jeder Person ab 70 eine bestimmte Rente zugestand365. Diese wurde beitragsfrei, aber vermögensabhängig ausgezahlt, wobei das Maximum bei 5 Shillingen pro Woche lag. Vor Inkrafttreten dieses Erlasses hatte es für ältere Menschen oft keine andere Möglichkeit als das Arbeitshaus gegeben, durch die Einführung einer allgemeinen Rente gab es nun eine alternative staatliche Versorgung für ältere Personen. Dadurch fiel besonders die Anzahl älterer Personen, die bisher

361 British Parliamentary Papers 1906, Poor Law Reform in Ireland, Report, Minutes of Evidence, LI (3202), S. 441f. 362 Ebenda. 363 Royal Commission on the Poor Laws and Relief of Distress in Ireland, Report, British Parliamentary Papers 1909, xxxviii (4630), S. 1ff. 364 O`Connor, The Workhouses of Ireland. The Fate of Ireland's Poor S. 195. 365 Guinnane, "The Poor Law and Pensions in Ireland," S. 272. Cormac O`Grada, "'the Greatest Blessing of All': The Old Age Pension in Ireland," Past & Present 175 (2002). Timothy Guinnane, "Coming of Age in Rural Ireland at the Turn of the Twentieth Century," Continuity and Change 5, no. 3 (1990), Guinnane, The Vanishing Irish. Households, Migration and the Rural Economy in Ireland 1850-1914 S. 63ff. Pat Thane, Foundations of the Welfare State, 2. Aufl. 1996 ed. (Longman House u. a.: Longman Group Limited, 1982) S. 55-77. John W. Budd and Timothy W. Guinnane, "Intentional Age-Misreporting, Age-Heaping, and the 1908 Old Age Pensions Act in Ireland," Population Studies 45, no. 3 (1991). Pat Thane, The Origins of British Social Policy (London Totowa, N.J.: Croom Helm ; Rowman and Littlefield, 1978). Marion Mannion, "The 1908 Old Age Pension Claims," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 4 (1996). Timothy Guinnane, "Family, State Support, and Generational Relations in Ireland at the Turn of the Twentieth Century," in Aging and Generational Relations over the Life Course: A Historical and Cross-Cultural Perspective, ed. Tamara K. Hareven (New York: Walter de Gruyter and Company, 1996).

112 Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses erhalten hatte, von 13 per Tausend 1907/08 auf 8,7 per Tausend im Jahr 1913/14366.

Nach diesem Zeitraum wurden einige wichtige Verordnungen erlassen, die die Sozialgesetzgebung verbesserten, etwa der National Insurance (Health) Act und der National Insurance (Unemployment) Act 1911367. Allerdings blieb das System der Arbeitshäuser mit ihren Unions und den Board of Guardians prinzipiell unverändert bestehen. Im gesamten Zeitraum von 1850 bis 1914 schlossen nur fünf Arbeitshäuser und zwischen 1914 und 1921 noch einmal vier weitere. Das heißt, dass in ganz Irland 1921 noch 154 Arbeitshäuser operierten.

Die Anzahl der Insassen im Arbeitshaus von Galway fiel von 345 im April 1900 bis auf 68 Insassen bei Schließung des Arbeitshauses im August 1921. Im Juni 1916 befanden sich nur noch 1.124 Insassen in allen 10 Arbeitshäusern der Grafschaft Galway368. In Gort befanden sich im April 1900 166 Personen im Arbeitshaus, im April 1921 waren es noch 99 Insassen. In Gort befanden sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Schließung des Arbeitshauses fast nur noch Langzeitbewohner im Arbeitshaus, vor allem Kranke und ältere Menschen369.

Nach der General Election vom Dezember 1918 und dem großen Erfolg von Sinn Fein370 trat das irische Parlament erstmals im Januar 1919 zusammen. Dieses erklärte 1919, dass „the realises the necessity of abolishing the present odious, degrading and foreign poor-law system, substituting therefore a sympathetic native scheme.371” Während der blutigen Auseinandersetzungen zwischen Großbritannien und Irland von 1919 und 1921 blieb das Local Government Board in Dublin unter britischer Autorität. Alle Board of Guardians im

366 Guinnane, "The Poor Law and Pensions in Ireland," Tabelle 4. 367 Guinnane, The Vanishing Irish. Households, Migration and the Rural Economy in Ireland 1850- 1914 S. 63. 368 James P. Murray, "Health Care Improvements 1900-1922," in Galway: A Medico-Social History, ed. James P. Murray (Galway: 1992), S. 133. 369 Siehe Anhang Tabelle 17 und 18: Gort Arbeitshaus Census 1901 und 1911. 370 Sinn Fein erlangte 73 Sitze, die Unionisten 26 und die Parliamentary Party 6. Sinn Fein boykottierte das britische Parlament allerdings und kam als „Dáil Éireann“ in Dublin als irisches Parlament erstmals zusammen. 371 zitiert in Ruth Barrington, Health, Medicine and Politics in Ireland 1900-1970 (Dublin: Institute of Public Administration Ireland, 1987) S. 91.

113 County Galway erklärten allerdings bereits im Jahr 1919 ihre uneingeschränkte Loyalität gegenüber dem ersten irischen Parlament und unterstellten sich dem Provisional Department of Local Government, das mit Zusammenkunft des Parlaments gegründet worden war372.

Während dieser Zeit wurden viele Arbeitshäuser zumindest teilweise von britischen oder irischen Truppen okkupiert. Teile des Arbeitshauses von Galway wurden im August 1921 von britischen Truppen besetzt und im Januar 1922 der irischen Armee übergeben, die das Arbeitshaus am 14.2.1922 endgültig verließ.

Nach Unterzeichnung des anglo-irischen Vertrages vom 6.12.1921 wurden die Boards of Guardians abgeschafft und ersetzt durch die Council Boards of Health oder die County Boards of Public Assistance. Das System der Arbeitshäuser wurde abgeschafft. Viele Arbeitshäuser schlossen nun, andere wurden weiterhin genutzt, etwa diente das Arbeitshaus von Galway als Krankenhaus bis zu seinem Abriss im Jahr 1956.

372 Keane, "The Concerns of Local Politics: A Study of Galway 1918-1928" S. 81.

114 4. Die (Armen-)Steuerzahler

Die (Armen-)Steuerzahler wählten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung und nur sie konnten sich als Kandidaten für die Wahlen aufstellen lassen. Die Verwalter der kommunalen Armenfürsorge definierten sich in den ersten Jahrzehnten nach Einführung des irischen Armengesetzes von 1838 primär als „Repräsentanten der Steuerzahler“ ihrer Poor Law Union. In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die Steuerzahler auf Entscheidungen der Board of Guardians und die Arbeit der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung hatten. Wie sie gegebenenfalls ihren Einfluß ausübten und welche Kommunikationswege sie benutzten, ist ein weiterer Untersuchungsgegenstand des folgenden Kapitels. Anhand von Fallbeispielen wird dargestellt, welche Punkte die Steuerzahler im Untersuchungszeitraum besonders beschäftigten und ob sich diese im Verlauf der Zeit änderten. Da die Einträge im Protokollbuch oder die Leserbriefe in den Zeitungen nur selten die Namen der Steuerzahler verraten, die sich an die Vertreter der kommunalen Armenfürsorge wandten, ist die individuelle Zuordnung zu einer einzelnen Person kaum möglich.

4.1 Einfluss der (Armen-)Steuerzahler

Schon bald nach der Eröffnung des Arbeitshauses von Galway nutzte ein Steuerzahler die Möglichkeit der Kommunikation durch die lokale Presse und schrieb einen Brief an den Herausgeber des „Galway Advertiser“ zum Arbeitshaus in Galway373. In seinem Brief schildert er die mangelhafte Ernährung der Insassen und äußert sich kritisch zur Separierung der Insassen nach Geschlecht und Alter. Der Kern des Briefes ist jedoch die Forderung eines Steuerzahlers, dass nur die „deserving poor“ Armenunterstützung erhalten und auch nur diese durch Steuern unterstützt werden sollten. Der Briefschreiber kritisierte die in seinen Augen zu freigiebige Vergabe von Armenunterstützung an Personen, die das System der staatlichen Sozialfürsorge nur ausnützen würden. Weiterhin wird eine angeblich zu

373 Galway Advertiser 2.4.1842, S. 2f..

115 hohe Bezahlung der Angestellten des Arbeitshauses kritisiert, da ein großer Teil der Steuern für diesen Teil verbraucht würde und für die „deserving poor“ kaum etwas davon übrig bliebe. Schreiben diesen Inhalts, entweder direkt an die Guardians oder als Leserbriefe in der Zeitung, finden sich für den gesamten Untersuchungszeitraum. Briefe von Steuerzahlern aus den ersten Jahrzehnten der kommunalen Armenfürsorge spiegeln einen Begriff von Armut wider, der lediglich eine Unterstützung von sogenannten „deserving poor“, wie Kranken, Älteren, oder auch Witwen mit Kindern vorsah. Die Steuerzahler zeigten sich besorgt, dass ihre Gelder für Personen, die in ihren Augen nicht berechtigt waren, ausgegeben würden. Hierzu zählten vor allem gesunde, arbeitsfähige junge Männer, die in das Arbeitshaus aufgenommen worden waren. Vielfach kritisiert wurde auch die Versorgung von ledigen Müttern oder Prostituierten über die kommunale Armenfürsorge. Viele Schreiben und Leserbriefe fordern eine strenge Separierung dieser Armen von den übrigen Insassen und äußern sich besorgt über den schlechten Einfluss dieser Armen auf die „deserving poor“374. Die Steuerzahler schlugen dabei auch konkrete Massnahmen vor, mit denen eine Separierung erreicht werden könne und forderten eine strikte Überwachung durch den Leiter oder die Leiterin des Arbeitshauses375. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung unterstützten die Steuerzahler dabei.

Besonders in den ersten Jahren nach Einführung der Armengesetzgebung finden sich regelmäßig Beschwerdebriefe von Steuerzahlern aus Galway über die Unterstützung von “fremden Armen”, die Aufnahme in die Protokollbücher fanden oder in der lokalen Presse abgedruckt wurden. Die Steuerzahler wollten diese „ortsfremden Armen“ nicht mit ihrem Steuerbeitrag mitfinanzieren. In der irischen Armengesetzgebung gab es kein „settlement“, doch die Mitglieder des

374 Diese Auffassung vertrat auch die zentrale Behörde, die eine Separierung der Insassen nach „moralischen Klassifikationen“ forderte. Siehe dazu etw: Annual Report of the Poor Law Commission, British Parliamentary Papers 1862, App. A, S. IV und Annual Report of the Poor Law Commission 1854/55, S. XXIV: “miscreants became inmates of the workhouses for the sole purpose of seducing young girls of tender years to leave the house and enter on a life of infamy; and in many instances they have been successful.” 375 Siehe dazu beispielsweise Galway Minute Book, 7.11.1855 und Gort Minute Book 13.5.1855: „Ordered that the Master make arrangements for the permanent separation of Prostitutes both Infirm and Convalescent from the rest of the inmates.” In beiden hier angeführten Beispielen handelten die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung, nachdem Steuerzahler die gemeinsame Unterbringung kritisiert hatten und eine Änderung forderten.

116 Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway waren bestrebt, nur „ortsansässige Arme“ aufzunehmen und wiesen mehrmals „fremde Arme“ ab376. George Nicholls sprach sich in den 1830er Jahren gegen die Aufnahme eines “law of settlement“ in Irland aus: „Without a law of settlement, it is true, vagrants from other districts may congegrate in particular unions, and may claim relief, or be sent to the workhouse; but if the workhouses are all regulated upon the same scale of diet and discipline, there would be no inducement for the vagrant classes to prefer one union to another, and they would probably remain scattered throughout the country, in much the same proportion as at present. If such a preference was in any instance shown by them, it might be taken as a proof of inefficient management or lax discipline on the part of the favoured union, and would be a signal for the central authority to interfere.377” Nicholls verknüpfte in seiner Aussage die effiziente Verwaltung der Arbeitshäuser durch die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung mit der Häufigkeit der Aufnahme von nicht ortsansässigen Armen. Zudem sprach sich Nicholls, der selber der Poor Law Commission angehörte, für ein starkes Zentrum und möglichst einheitlich geführter Arbeitshäuser aus. Unterschiedlichte lokale Gegebenheiten, wie den Arbeitsmarkt vor Ort oder die Infrastruktur berücksichtigte er nicht. Die Aufnahme von ortsfremden Armen war besonders in den irischen Städten ein Problem, da arbeitslose Personen vom Land in die Städte zogen, wo sie auf eine Anstellung hofften. Aufgrund des Prinzips des „division rating“ fielen diese Armen dann zu Lasten der städtischen Wahlbezirke. Städtische Steuerzahler beschwerten sich daher über diese „ortsfremden Armen“378. So finden sich auch ausschließlich Beschwerden von Steuerzahlern aus der Stadt Galway. Für das ländliche Untersuchungsgebiet Gort gibt es keine Briefe von Steuerzahlern, die sich mit „ortsfremden Armen“ auseinandersetzen.

Viele Schreiben der Steuerzahler aus Galway widmen sich dem Thema der „Landstreicherei“ und des Bettelns und fordern das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung auf, diese Gruppe der Armen nicht zu unterstützen und nur

376 Für Nachweise siehe S. 66. 377 Nicholls, A History of the Irish Poor Law, in Connexion with the Condition of the People S. 181. 378 O`Brien "The Establishment of Poor-Law Unions in Ireland, 1838- 43," S. 103. Gerard O`Brien, "The Administration of the Poor Law in Ireland, 1838-53" (M.A. Thesis, National University of Ireland, University College Cork, 1980) S. 91-92.

117 „deserving poor“ mit ihren Steuern zu unterstützen. Umherziehende Bettler suchten vorwiegend die irischen Städte auf. Für Nichtsesshafte beiderlei Geschlechts war die Unterbringung in den Arbeitshäusern zunächst gänzlich untersagt, und erst ab 1862 wurde es ihnen gestattet, als sogenannte „Night- Lodgers“ in den Arbeitshäusern zu übernachten. Auch in Galway ist die Unterbringung von Nichtsesshaften erst seit diesem Zeitpunkt in den Quellen zu finden379. Die Behandlung dieser Personengruppe bot jedoch schon seit Eröffnung des Arbeitshauses von Galway immer wieder Anlass zu Diskussionen380, da im selben Jahr der Eröffnung des Arbeitshauses das in Galway seit 1824 bestehende „Mendicity Institute“ schloss. Somit gab es keine Stelle mehr, die dieser signifikanten Gruppe von Armen Unterstützung bot381. Der Poor Relief Extension Act von 1847 hatte das Umherziehen von einer Union zur nächsten, um überall Unterstützung zu erhalten, sogar zu einem Vergehen erklärt382. Jeder, der umherziehend gefunden wurde ohne sichtbare Zeichen des Unterhalts, also Geld oder zu verkaufende Waren, jeder der bettelte, der sich bei den Docks und Lagerhäusern herumtrieb, sowie jedermann, der den Eindruck einer „idle and disorderly person“ machte, konnte als „vagrant“ verhaftet werden383.

Im Gefängnis von Galway ist in den Jahren vor 1862 bei 44 Prozent der Fälle Landstreicherei als Grund der Inhaftierung angegeben384. Wie die Zahlen des Galway County Gaol für das Jahr 1852 zeigen, befanden sich besonders viele junge Erwachsene und Kinder in dieser Gruppe. In 34 Prozent aller Fälle von „Landstreicherei“ waren die Personen jünger als 15 Jahre sowie zum größten Teil männlich385. Die Zahlen derjenigen, die nicht verhaftet, sondern bei der Polizei als „suspected persons“ registriert wurden, zeigen für Galway ein ähnliches Bild. Die Gruppe der unter 16jährigen „Bettler“ bildete in Galway East mit 30 Prozent den höchsten Anteil in ganz Irland 386. Galway West stellte mit 27,2 Prozent

379 Galway Minute Book, 3.1.1863. 380 Galway Minute Book, 23.5.1843; 5.6.1849. 381 Clear, "Homelessness, Crime, Punishment, and Poor Relief in Galway 1850-1914," S. 123. 382 Ebenda. 383 Caitriona Clear, "The Homeless Young in 19th Century Ireland," in Growing up Poor, ed. Galway Labour History Group (Galway: 1993), S. 8. 384 Clear, "Homelessness, Crime, Punishment, and Poor Relief in Galway 1850-1914," S. 124. 385 Clear, "The Homeless Young in 19th Century Ireland," S. 9. 386 Ibid., S. 17.

118 Jugendlichen unter 16 Jahren landesweit den dritthöchsten Anteil. Seit Beginn der 1860er Jahre finden sich jedoch verstärkt Männer und Frauen über 40 sowie junge Mütter mit Kindern in dieser Gruppe.

Während die Zahlen für Jugendliche und Kinder im Jahresverlauf relativ konstant waren, unterlagen die Zahlen für Erwachsene saisonalen Schwankungen. Nach Ende des Säens und Pflanzens im Frühjahr und vor Beginn der Erntezeit waren die Zahlen der männlichen Nichtsesshaften besonders hoch. Viele Frauen mit Kindern waren dagegen oft gezwungen, die saisonale Abwesenheit ihres Mannes zu nutzen, um sich den Lebensunterhalt zu erbetteln. Diese Zahlen spiegeln nicht nur das Ausmaß der „Landstreicherei“ wider, sondern auch das der polizeilichen Beschäftigung mit diesem Thema.

Die Galway Guardians weigerten sich nicht nur, Bettler aufzunehmen, sondern auch, ihnen in anderer Weise zu helfen, wie eine Anfrage des Relief Committees zu folgendem Punkt zeigt: “... requesting permission to have the clothes of the strange beggars washed in the workhouse and of appointing some of the able bodied paupers to assist the authorities in removing them from the streets.

Resolved: we are the opinion that it would be dangerous to permit the admission of such persons into the workhouse for the purpose required. Nor do we feel willing in acceding to the latter part of the resolution.387”

Die Galway Guardians wollten also keinesfalls irgendetwas mit den Bettlern zu tun haben. Sie bildeten ihrer Meinung nach eine Gruppe, für die das Arbeitshaus nicht zuständig war. Es sollte keine „Durchgangsstation“ für umherwandernde Arme bilden, die oftmals nicht einmal zur Gruppe der Union-eigenen Armen gehörten. Die Anzahl der bettelnden Personen, die Unterstützung suchten, stellte aber ein offensichtliches soziales Problem dar. Deshalb gestattete man schließlich ab 1862 deren temporäre Unterbringung in den Arbeitshäusern. Unterstützt wurden jedoch nur diejenigen Nichtsesshaften und Bettler, die aufgrund der Abwesenheit des Familienvaters bettelten, sowie Kranke oder Behinderte oder Personen, die auf der Suche nach Arbeit von Ort zu Ort zogen.

Seit 1862 finden sich auch in Galway Quellenbelege über die Aufnahme von umherziehenden Armen. Dabei nahmen die Galway Guardians vor allem kranke

387 Galway Minute Book, 21.7.1847.

119 Bettler und Frauen mit Kindern temporär und abgesondert von anderen Armen auf, wie der folgende Eintrag aus dem Jahr 1863 zeigt: “Catherine Broderick, aged 40, swelled feet. No fixed residence, admitted for a month”388. In Gort wurden zwar vereinzelt seit diesem Zeitpunkt auch sogenannte Nightlodgers aufgenommen, das Ausmaß war aber weit geringer als in Galway. Auch finden sich für Gort keine Diskussionen über dieses Thema. Die Aufnahme und Unterbringung von Bettlern und Nichtsesshaften scheint also eher ein städtisches Phänomen gewesen zu sein. Die Mitglieder der Armenverwaltung von Galway äußerten häufig Bedenken, dass jene umherziehenden Armen den Steuerzahlern der Union zur Last fallen. Einer der Guardians formulierte sogar, dass „Tramps were a nuisance to every Union in Ireland“389.

Insgesamt stieg die Zahl der sogenannten Night-Lodgers in den Folgejahren aber kontinuierlich an. So waren 1874 durchschnittlich drei Night-Lodgers pro Woche im Galway Workhouse, 1894 durchschnittlich 18 dieser Personen. Erst ab etwa 1905 sanken die Zahlen wieder. 1906 waren durchschnittlich sieben Night-Lodgers pro Woche registriert. Dabei bildeten erwachsene Männer den größten Anteil unter dieser Gruppe390.

Die Aufgabenerfüllung und die Kompetenz der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung bildeten weitere Themen, die die Steuerzahler beschäftigten. Wenn das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort ihre Aufgaben in den Augen der Steuerzahler nicht erfüllte, so umgingen sie die lokale Verwaltung und wandten sich direkt an die zentrale Behörde, besonders in Krisenzeiten. Die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort sahen sich während der Großen Hungersnot mit starken Protesten der hungernden Bevölkerung konfrontiert. 22 Steuerzahler des Wahlbezirkes Killeeneen schickten im April 1846 einen Brief an die zentrale Behörde in Dublin, in dem sie darum baten „to send an immediate supply of Indian Corn Meal to this District and sold to us at prices our wages can reach.391“ Das bedeutet, dass die Personen, die das Schreiben formulierten, zu

388 Galway Minute Book, 13.2.1863. 389 The Connaught Tribune, 16.10.1909. 390 Siehe Anhang Tab. 19: Nightlodgers Galway 1906. 391 Gort Minute Book 13.6.1846.

120 den ärmsten Steuerzahlern gehörten und selber potentielle Empfänger von öffentlicher Unterstützung waren. Einen ähnlich lautenden Brief adressierten diese Personen im Oktober 1847 noch einmal an die zentrale Behörde392. Die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort wurden nach diesem zweiten Brief von der zentralen Behörde aufgefordert, das Ausmaß der Armut in diesem Wahlbezirk zu untersuchen und zu dem Brief Stellung zu nehmen. Als Ergebnis der Untersuchung teilten sie der zentralen Behörde mit, dass „no such distress as represented exists“393. Dieser Appell zeigt, dass sich bereits in den Anfangsjahren der Existenz der Armengesetzgebung nicht nur die höchsten Steuerzahler äußerten, sondern auch mittlere Farmer ihre Anliegen artikulierten. Die agrarisch geprägte Gort Union war von der Kartoffelmissernte stark getroffen und die lokale Armenverwaltung konnte allein die nötigen Hilfs- und Unterstützungleistungen nicht gewährleisten. 1846 stand ihnen als einzige Möglichkeit der staatlichen Armenunterstützung die Aufnahme in das Arbeitshaus zur Verfügung. Weitere staatliche Hilfsmaßnahmen, wie Lebensmittellieferungen, waren 1846 in Gort noch völlig unzureichend und auch 1847 war der Bedarf an Lebensmitteln hoch und die Große Hungersnot erreichte in diesem Jahr ihren Höhepunkt. Auch das Gewähren von Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses, welches seit 1847 möglich war, konnte die Not nicht lindern. Davon zeugt auch der zweite Brief, den die Steuerzahler an die zentrale Behörde verfassten394. Die Antwort der Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung erscheint unverständlich, denn 1847 herrschten in der gesamten Gort Poor Law Union Hunger und Not und viele Landwirte konnten selbst die verbilligten Lebensmittel, wie Mais, nicht mehr bezahlen. Auf dem Höhepunkt der Großen Hungersnot, im Frühjahr 1847, kam es auch zu gewalttägen Protesten der Bevölkerung in der Grafschaft Galway, von denen auch Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung direkt betroffen waren. So berichtet der Galway Vindicator im April 1847, dass „about four thousand labourers entered the town of Gort, demanding employment from the Officers of the Board of Works. Great excitement prevailed, and every moment some outrage was apprehended. No employment being available, the party proceeded to the lands of James Lahiff Esq. and killed, as we are informed, about

392 Gort Minute Book 12.10. 1847. 393 Gort Minute Book 12.10. 1847. 394 Ebenda.

121 150 of his sheep.395” James Lahiff war ein Mitglied des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung in Gort und ein großer Landbesitzer. Nach diesem Ereignis sprach Lord Gort in der Sitzung der Mitglieder der Armenverwaltung am 24.4.1847 von: „the ingratitude of the people towards Mr Lahiff, who had given his money, his time, and his best exertions for them, and yet a wholesale robbery was committed to do him an injury, and his sheep slaughtered in the open day”396.

Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort leugnete das Ausmaß der ökonomischen Notlage gegenüber der zentralen Behörde, da diese zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Verwarnungen an das Gort Board of Guardians verschickt hatte. Man warf dem Aufsichtsgremium in Gort eine unzureichende Erhebung der Armensteuer vor, wodurch sie eine effiziente Verwaltung der Union verhindern würden. Der Brief der Steuerzahler diente der zentralen Behörde als weiterer Punkt, eine Auflösung des Aufsichtsgremiums anzudrohen, die dann auch im Februar 1848 durchgeführt wurde. In der eher städtischen Galway Union gibt es kaum Schreiben von Steuerzahler in den Anfangsjahren der Armengesetzgebung, die die „Kompetenz“ oder die Durchsetzungsfähigkeit des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung anzweifeln oder sich direkt an die zentrale Behörde wandten. Hierbei könnte eine wichtige Rolle gespielt haben, dass viele Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung in Galway bereits über Erfahrungen in der lokalen Verwaltung verfügten und/oder auch speziell in der Armenfürsorge tätig waren, etwa als Mitglieder im City Dispensary, dem Mendicity Institute oder in philantropischen Gesellschaften.

Im Jahr 1871 gründeten die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort ein spezielles Komitee „to meet the ratepayers of the town“397, welches bis in die 1890er Jahre bestand. Dadurch kamen führende Steuerzahler aus Gort regelmäßig mit einigen Mitgliedern der Armenverwaltung zusammen. Die Steuerzahler konnten bei diesen Treffen ihre Wahrnehmung der Armenverwaltung darlegen und gegen

395 Tuam Herald 10.4.1847; Galway Vindicator, 11.4.1847. 396 Galway Vindicator 24.4.1847. 397 Gort Minute Book 9.9.1871.

122 Entscheidungen des Aufsichtsgremiums protestieren398. In Galway finden sich keine Belege für ein solches Komitee. Dieser spezielle Ausschuss in Gort könnte ein wichtiger Grund dafür sein, dass die Zahl der Briefe an das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Galway und die Menge der Leserbriefe in Galway größer sind als in Gort. In Gort konnten die Steuerzahler direkt in dem Komitee mit den Mitgliedern der kommunalen Armenfürsorge kommunizieren und mussten weniger auf alternative Kommunikationswege zurückgreifen als in Galway.

Regelmäßig erschienen Steuerzahler eines Bezirkes vor dem Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort und legten ihre wirtschaftliche Situation dar, um Hilfe und Unterstützung der Armenverwaltung zu bekommen. So kam im November 1891 eine Abordnung von Steuerzahlern des Bezirkes Killeeneen vor das Aufsichtsgremium, und dieses entschied daraufhin einstimmig: „The Board of Guardians of Gort Union again wish to bring under the notice of the Government the poverty of the people of the Townland of Killeeneen owing to the great losses they have sustained by disease amongst their stock, and the Guardians earnestly trust some relief may be afforded them by way of compensation for their serious losses”399. Eine Abschrift dieser Resolution schickten sie an den Irlandminister und die parlamentarischen Abgeordneten des Bezirkes Galway. Einer der Abgeordneten, W P Lambert, war zugleich auch ex-officio Mitglied der Armenverwaltung in Galway, bei den Sitzungen jedoch nur selten anwesend. In mehreren Fällen, besonders in Zeiten von Hungersnöten und wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Gort, schienen die Mitglieder der Armenverwaltung erst unter dem Druck der Steuerzahler, der Armen selber oder anderer Personen zu reagieren und sich mit Unterstützungsgesuchen an die zentrale Behörde oder die Regierung zu wenden. So verabschiedeten sie 1895 eine Resolution: „It appearing to the Guardians of the Gort Union from representations made to them by the local Clergy and the Hon Sec of the private Relief Committee, and from a deputation of about 300 persons who came before us this day seeking for employment, that considerable destitution prevails at the present time amongst that class of persons who cannot legally be relieved from the Rates; it was resolved this day at a

398 Siehe dazu etwa Gort Minute Book 4.1.1879: Dort findet sich solch eine Protestresolution führender Steuerzahler aus Gort, die sich gegen den Bau einer Kanalisation ausspricht, da sie diese zu kostenintensiv finden. 399 Gort Minute Book 28.11.1891.

123 meeting of the said Board that the Local Government Board be strongly urged to send down an Inspector to inquire into the condition of the persons herein indicated with a view of obtaining from the Government a free grant to relieve said distress”400. Die zentrale Behörde reagierte auf dieses Schreiben und gestattete dem Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort „to extend the outdoor relief to destitute persons, when necessary, whether in the occupation of land or not, for a period of two months from this date”401. Die Form der Unterstützung wurde aber nicht, wie die Mitglieder der Armenverwaltung gefordert hatten, als Zuschuss gewährt, sondern „be charged in the same manner as if it had been Indoor relief under the Poor Law Acts“402.

Das Einsparen von Kosten und Ausgaben war während des gesamten Untersuchungszeitraumes in beiden Gebieten ein wichtiges Thema, welches die Steuerzahler beschäftigte. In den Schreiben machten sie auch immer wieder konkrete Vorschläge zur Verringerung der Kosten, vor allem durch eine Verringerung der Lohnkosten der Angestellten. Es gab aber auch Fälle, in denen ein Einsparpotential von den Steuerzahlern abgelehnt wurde, weil daduch die Versorgung der Armen verschlechtert worden wäre. Im Juli 1915 erhielten die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort ein Schreiben aus Loughrea in der Grafschaft Galway, in dem das dortige Aufsichtsgremium der Armenverwaltung ihnen eine Zusammenlegung ihrer Union mit der von Gort und Portumna vorschlug, um Kosten zu sparen403. Die Gort Guardians begrüßten diesen Vorschlag als „sehr vorteilig für die (Armen-)Steuerzahler404“ und schrieben an die zentrale Behörde, damit diese eine Untersuchung einleiten möge, ob eine Zusammenlegung finanziell und administrativ sinnvoll sei. Die Frage der Zusammenlegung mehrerer Unions taucht in den Protokollbüchern von Gort immer wieder auf, und im Jahr 1917 sprachen sich die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort für eine Zusammenlegung ihrer Poor Law Union mit der von Loughrea in der Grafschaft Galway aus, um nur noch ein Arbeitshaus und Krankenhaus unterhalten

400 Gort Minute Book 2.3.1895. 401 Gort Minute Book 16.3.1895. 402 Ebenda. 403 Gort Minute Book 24.7.1915. 404 Ebenda.

124 zu müssen und so Kosten sparen zu können405. Die Steuerzahler der Gort Poor Law Union protestierten jedoch heftig gegen diesen Vorsatz406, woraufhin die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort ihre Meinung änderten und folgenden Beschluss verabschiedeten: „whereas the vast majority of the ratepayers of the Gort Union whom we represent are opposed to amalgamation with the Loughrea Union and as public opinion is strong on the subject, we the Guardians of the Gort poor are convinced that amalgamation of Gort with Loughrea Union would be disastrous to the interests of the indigent poor resident within the Union and would prejudicially effect the ratepayers of the Union, we hereby declare that we are determinendly opposed to any amalgamation of our Union with Loughrea and we hereby rescind any resolution, order, or minute to the contrary previously made thereon”407. Die Steuerzahler waren gegen eine Verschmelzung, da sie das Krankenhaus des Arbeitshauses als sehr wichtig für die medizinische Versorgung der Region erachteten und den Standort in Gort beibehalten wollten.

Nur einen Tag später fand eine Untersuchung durch die zentrale Behörde statt, die ergab, dass durch eine Zusammenlegung Gorts mit Loughrea über ₤900 pro Jahr eingespart werden könnten und ein Arbeitshaus genug Platz für beide Bezirke bieten könnte408. Die zentrale Behörde riet den Mitgliedern der Armenverwaltung in Gort daraufhin, ihre ursprüngliche Entscheidung, sich für eine Zusammenlegung auszusprechen, wieder aufzugreifen und hoffte, dass der Widerstand der Steuerzahler gegen die Fusion der beiden Unions verschwinden würde409. Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort sprach sich allerdings weiter gegen eine Verschmelzung aus und stand hinter der Mehrheit der lokalen Steuerzahler gegen den Wunsch der zentralen Behörde410. Die zentrale Behörde beugte sich dieser Entscheidung: „having regard to the understanding that in the face of any considerable opposition to the scheme, it would not, at present be

405 Gort Minute Book 14.4.1917. 406 Gort Minute Book 23.6.1917. 407 Gort Minute Book 2.7.1917. 408 Gort Minute Book 3.7.1917. 409 Gort Minute Book 8.9.1917. 410 Ebenda.

125 proceed with,…, but this must not be regarded as in any way confirming the objections to amalgamation411”.

Der Einfluß der Steuerzahler auf die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung im gesamten Untersuchungszeitraum war somit hoch und die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung revidierten in manchen Fällen ihre Entscheidungen, wenn diese auf breiten Widerstand der Steuerzahler stießen.

Für die Steuerzahler spielten auch religiöse Themen eine große Rolle. Es war allen Steuerzahlern gestattet, die Insassen des Arbeitshauses von Galway zu besuchen, doch scheinen sich die Mitglieder der Armenverwaltung Sorgen gemacht zu haben wegen „Proselyten“ unter diesen Besuchern. So wurde bei einem wöchentlichen Treffen der Galway Guardians im April 1842 der Leiter des Arbeitshauses instruiert, niemandem zu erlauben „to attend the paupers on religious business save the respective Chaplains or persons deputed by them“412. Und weiter ordneten die Guardians an: „to admit all lay rate-payers at seasonable hours, but to be present [the Master] at any conversation between them and the inmates, and not to suffer anyone to make use of improper expressions or words calculated to excite them – such as finding fault with the discipline or victuals of the house in their hearing”.413 Dies zeigt, dass sich die Befürchtungen der Guardians nicht nur auf mögliche religiöse Beeinflussung der Insassen beschränkten, sondern auch auf allgemeine kritische Äußerungen zur Ordnung und Versorgung der Insassen. Der Vorwurf des Proselytismus meint die Verbindung „religionspolitischer“ Ziele mit der konkreten Hilfeleistung414. Darunter verstand man in Irland den Versuch pietistisch- evangelikaler Missionare der anglikanischen Church of Ireland oder auch der reformierten Kirchen in Schottland oder anderer Denominationen, Hilfeleistungen für Katholiken an deren Bereitschaft zu binden, den Gottesdienst und andere Formen religiöser Unterweisung protestantische Hilfsorganisationen zu besuchen.

411 Gort Minute Book 13.10.1917. 412 Galway Minute Book 27.4.1842; dazu auch: Galway Advertiser 30.4.1842, S. 3. 413 Ebenda. 414 Vergleiche dazu allgemein Desmond Bowen, Souperism. Myth or Reality - a Study of Catholics and Protestants During the Great Famine (Cork: 1970). Irene Whelan, "The Stigma of Souperism," in The Great Irish Famine, ed. Cathal Poirteir (Cork: Mercier, 1995), S. 135-54.

126 Diese Politik war Teil breiterer antikatholischer Strömungen in evangelikalen Gruppen Großbritanniens, die bereits in den 1830er Jahren gerade Westirland zum Ziel ihrer Mission auserkoren hatten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte dies zu einer massive katholischen Gegenreaktion und zu einer Verschärfung der konfessionellen Konflikte in Irland.

Im Jahr 1866 taucht das Thema „Proselytismus“ wieder auf. Der katholische Bischof von Galway wandte sich in einem Brief an den Priester des Arbeitshauses von Galway und fragte: „is it allowed according to the rules of the workhouse to admit Bible Readers into the Hospital, and in a loud declamatory tone address a single pauper in a tone calculated to excite the feeling of all the other patients? This taken place within the last eight or ten days.415” Der katholische Priester des Arbeitshauses brachte diese Angelegenheit beim wöchentlichen Treffen der Galway Guardians vor und erklärte: „I beg to state that …a layman in the employment of the “Church Mission Society” assisted at the dying bed of a Protestant pauper. …I was informed he was so in a manner offensive and annoying to the Catholic patients in the same ward in Hospital. I beg respectfully to request the Guardians will establish a rule excluding such persons in future… I beg further to state that in imparting instruction and administering the Sacrament of the , I always take especial care not to be perceived or heard, if possible, by Protestants, should there be any in the Hospital – a similar regard for religious belief I would expect from persons of a different persuasion.416” Die Mitglieder der Armenverwaltung erklärten dazu, die Person sei bedauerlicherweise durch den Pförtner des Arbeitshauses “versehentlich“417 eingelassen worden. Weitere Erklärungen seitens der Guardians finden sich nicht. Im Februar 1893 verabschiedeten die Mitglieder der Armenverwaltung eine Resolution, in der sie „the action of any person no matter of what religious persuasion who endeavours to take children from poor parents for the purposes of proselytism” verurteilten418. Es kam zu diesem Beschluss, da ein katholisches Mitglied der Armenverwaltung in Galway Aktivitäten eines Protestanten beobachtete, der, so sein Bericht, gezielt

415 Galway Minute Book 22.6.1866. 416 Ebenda. 417 Ebenda. 418 Galway Minute Book 8.2.1893.

127 Kinder ansprach und ihnen zu essen gab419. Zu welcher religiösen Vereinigung diese Person gehörte, wird nicht erwähnt; er wird als „organizer of souperism“ bezeichnet. Das katholische Mitglied, Thomas O`Sullivan, forderte die anderen Mitglieder auf, eine Resolution zu verabschieden: „We should call upon the Government and ask to have a stop put to this system of proselytising in the only Catholic town in the country“420. Obwohl die Vorgänge in der Stadt Galway nichts mit der eigentlichen Armenverwaltung zu tun hatten und einige Mitglieder auch Zweifel äußerten, ob die Guardians dazu eine Resolution verabschieden sollten, stimmte die Mehrheit der Mitglieder dafür. Die Tatsache, dass dieser Beschluss von Thomas O`Sullivan, einem nationalistischen Mitglied der Armenverwaltung eingebracht wurde, zeigt die politische Dimension solcher religiöser Themen auf. Die Verbindung von protestantischer Regierung und Proselyten durch die Aufforderung, die Regierung solle diese Proselyten stoppen, kann stellvertretend für die prinzipielle Auseinandersetzung der nationalistischen, katholischen Guardians mit der protestantischen Kolonialverwaltung gedeutet werden. Die britisch-protestantische Herrschaft über das katholische Irland war ein wichtiges Argument in den Forderungen der Nationalisten nach Selbstverwaltung in Irland. Die Auseinandersetzungen zeigen aber auch die enge Verbindung von (irischer) Nationalität und katholischer Kirche.

Nicht nur die Forderung der Nationalisten, sondern auch die Bedenken über eine Zuständigkeit der Guardians deuten darauf hin, dass Religionsfragen als politisches Mittel in der Auseinandersetzung mit der britischen Regierung eingesetzt wurden. Die Bedenken der Guardians wurden federführend formuliert von dem Vorsitzenden der Mitglieder der Armenverwaltung, Major J Wilson Lynch, einem katholischen Landbesitzer421. Major Lynch war zwar Katholik, aber auch Unionist, der strikt gegen eine Selbstverwaltung Irlands war.

Bei dem jährlichen Treffen der Galway Protestant Orphan Society 1897 unter Vorsitz von Lord Clonbrock äußerte dieser angesichts der Gefahr, nicht ausreichend Gelder zur Aufnahme und Versorgung von protestantischen Waisenkindern aufbringen zu können: „He would ask would it not be a calamity

419 Galway Express, 11.2.1893, S. 4. 420 Ebenda. 421 Zu Wilson Lynch und dessen Besitzungen siehe Geraldine Curtin, "The Wilson Lynch Estate Papers," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 5 (1995).

128 and a disgrace if the Committee refused to admit deserving cases under the care of the Society – if they sat with folded arms and allowed those children to enter the workhouse, where the faith of their fathers would be in peril.”422 Lord Clonbrock war selber ex-officio Mitglied in drei Armenverwaltungen in der Grafschaft Galway und in einer Union, Mountbellew, sogar Vorsitzender. Obwohl er kein Mitglied der Galway Union war, äußerten sich die Galway Guardians zu dieser Aussage, da „this [Galway] being the principal union in the county, it is our duty to be the first to take action in the matter.423” Von den 16 bei diesem Treffen anwesenden Mitgliedern der Armenverwaltung in Galway waren alle Guardians katholisch und sie wehrten sich gegen die Aussage Lord Clonbrocks: „If there were any complaints at all, it was the Catholics that should make them against those missionary societies which were proselytising …“424.

Bei den Poor Law Wahlen 1871 spielte die Religion in Galway ebenfalls eine große Rolle. Im städtischen Wahlbezirk Galway Nord war einer der Kandidaten von einem katholischen Priester und „anderen einflussreichen Steuerzahlern425“ nominiert worden. Der Priester war katholischer Geistlicher des Arbeitshauses von Galway. Der Gegenkandidat war ein einflussreicher Landlord in der Grafschaft Galway. Beide Kandidaten ließen sich zum ersten Mal zu den Poor Law Wahlen aufstellen. Der Galway Vindicator berichtet darüber, dass die Wahlen in diesem Bezirk von der Frage beherrscht wurden, ob „territorial or clerical influence426“ sich in der lokalen Verwaltung durchsetzen könne. Territorialen Einfluss, wie die Zeitung titelte, in einem städtischen Wahlbezirk geltend zu machen, schien nicht so einfach zu sein, und der Kandidat, der von dem katholischen Priester unterstützt wurde, wurde in das Board of Guardians gewählt, wo er bis 1896 jedes Jahr als Mitglied der Armenverwaltung tätig war. Der katholisch orientierte Vindicator versucht dagegen in einem langen Artikel offensichtlich vorhandene Bedenken in Galway über „the interference of Priests in politics“ zu zerstreuen427. Die irische

422 Galway Express 30.10.1897, S. 4. 423 Galway Express 13.11.1897, S. 4. 424 Ebenda. 425 Galway Vindicator 25.3.1871, S. 3. 426 Ebenda. 427 Galway Vindicator, 25.3.1871, S. 3.

129 Armengesetzgebung schloss die Wahl von Geistlichen in die lokale Armenverwaltung explizit aus, da man religiöse Einflussnahme auf die Armenverwaltung vermeiden wollte428. Die Nominierung und Unterstützung von bestimmten Kandidaten durch Geistliche kam in Galway jedoch durchaus vor. Dies verdeutlicht, dass die Einflußnahme von Geistlichen auf die staatliche Armenfürsorge in Galway auf verschiedenen Wegen vorhanden war. Wie die Wahlen aus dem Jahr 1871 zeigen, wurde auch explizit ein Antagonismus von protestantischem Landlord und katholischem Kaufmann betont429. Der erfolglose Landlord trat nie wieder als Kandidat für das Galway Board of Guardians auf. Der von dem katholischen Geistlichen des Arbeitshauses unterstützte Guardian, Mr. Kirwan, vertrat bei religiösen Fragen auch immer einen eindeutig katholischen Standpunkt, wie das folgende Beispiel verdeutlicht. 1881 gestatteten die Galway Guardians, die als „Burial Board“ auch für die Friedhöfe in der Union zuständig waren, einem Friedhofswärter auf dem protestantischen Teil eines Friedhofes in Galway einen Gemüsegarten anzulegen430. Der Beschluss wurde nicht einstimmig gefasst, sondern per Mehrheitsentscheid. Alle sechs Guardians, die dafür gestimmt hatten, waren Katholiken. Gegen diese Resolution legte der zuständige protestantische Geistliche bei den Mitgliedern der Armenverwaltung Beschwerde ein. Eine Vielzahl von Leserbriefen zu diesem Thema wurde sowohl von Protestanten, als auch von Katholiken verfasst, die sich einhellig gegen eine solche Nutzung aussprachen. Daraufhin wurde der Beschluss erneut diskutiert und im Verlauf der Diskussion äußerte sich Mr. Kirwan, dass „he had opposed it strongly, and the Catholic Clergy were quite as much opposed to having a ‚cabbage garden’ at the cemetery as the Reverend Mr O`Sullivan [protestantischer Geistlicher] was.431” Mr Kirwan präsentierte bei dieser Entscheidung auch die Sichtweise der katholischen Geistlichen mit. Mehrere andere katholische Mitglieder der Armenverwaltung hatten für die ursprüngliche Resolution, die den Gemüsegarten erlaubte, gestimmt, nach der Diskussion stimmte man eindeutig für

428 An Act for the more effectual relief of the destitute Poor in Ireland, aus: A collection of the Public General Statutes 1838, 1&2 Vict., Dublin 1838, Cap. 56, § XIX: “…no person, being in Holy Orders, or being a regular Minister of any Religious Denomination, shall be eligible as a Guardian.” 429 Galway Vindicator 25.3.1871, S. 3. 430 Galway Vindicator 18.6.1881, S. 2, 3. 431 Ebenda, S. 3.

130 eine Aufhebung des ersten Beschlusses und verbot eine gärtnerische Nutzung des Friedhofes durch den Friedhofswärter432.

In Gort tauchen religiöse Konflikte seltener in den Protokollbüchern auf als in Galway. Im Arbeitshaus von Gort gab es in vielen Jahren gar keine protestantischen Insassen. Aus diesem Grund hatte das Arbeitshaus von Gort bis 1853 keinen eigenen protestantischen Geistlichen im Arbeitshaus beschäftigt. Waren Protestanten im Arbeitshaus untergebracht, so hatten sie die Möglichkeit den Gottesdienst in der protestantischen Kirche von Gort zu besuchen433. Erst 1853 wurde ein protestantischer Geistlicher für das Arbeitshaus angestellt, nachdem sich mehrere protestantische Steuerzahler gegen einen Gottesdienstbesuch der Insassen ausgesprochen hatten434. Doch ein Jahr später diskutierten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums von Gort eine Weiterbeschäftigung des protestantischen Geistlichen und verabschiedeten: „Resolved that this Board continues to be unanimously of opinion that the salary of the Protestant Chaplain to the Gort Workhouse ought to be altogether discontinued especially as at present there is no occasion for his services. The two Protestant paupers now in the House being well able to attend the Church on all Sundays, Holidays and other occasions set apart for religious exercises435”. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums in Gort kehrten wieder dazu zurück, dass die Insassen, die der Church of Ireland angehörten, die protestantische Kirche in Gort besuchen konnten. Reaktionen von Steuerzahlern auf diese Entscheidung sind nicht dokumentiert. Allerdings betont das Aufsichtsgremium in seiner Begründung der Verfügung besonders, dass dadurch hohe Lohnkosten eingespart werden könnten, welches sich positiv auf die Armensteuer auswirken würde436.

Die Religion spielte in der Geschichte der Arbeitshäuser immer wieder eine große Rolle und sorgte häufig für Konfliktstoff. Die Steuerzahler der Galway und Gort

432 Galway Vindicator 2.7.1881, S. 3. 433 Gort Minute Book 12.6.1850: „ …Refusing to appoint a Protestant Chaplain for the workhouse. The Board will make arrangements that the few protestant inmates of the workhouse shall be enabled to attend the Gort Church on Sunday and Holidays.“ 434 Die Steuerzahler gaben an, dass sie sich durch das „Verhalten“, das Erscheinungsbild und den „Geruch“ der Insassen gestört fühlten. Gort Minute Book 31.10.1853. 435 Gort Minute Book 23.10.1854. 436 Ebenda.

131 Poor Law Union waren mehrheitlich katholisch437. Der Anteil der Katholiken in der Stadt Galway lag bei 97 Prozent438, und auch in den übrigen Teilen des Untersuchungsgebietes waren über 90 Prozent der Bevölkerung katholisch. Auch die Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway war im gesamten Untersuchungszeitraum katholisch439. Angehörige der protestantischen Church of Ireland gehörten zu den größten Steuerzahlern der Galway Union und waren große Landbesitzer oder stammten aus landbesitzenden Familien. Da jedoch der Besitz von Land keine Voraussetzung für das Wahlrecht zu den Poor Law Boards war, konnten weite Teile der überwiegend katholischen Mittelschichten Irlands wählen. Jeder, dessen Land über ₤4 valutiert worden war, besass das aktive Wahlrecht440. Damit setzten sich die Steuerzahler der Grafschaft Galway aus Pächtern und Landbesitzern zusammen. Die Pächter waren den großen Landbesitzern zahlenmässig weit überlegen, dennoch war ihr Einfluss im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung gering. In der Galway Poor Law Union wählten die Pächter ihren Landbesitzer in das Aufsichtsgremium oder den von ihm unterstützen Kandidaten. Erst im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Landfrage finden sich Belege über Forderungen von Pächtern nach Beteiligung an der lokalen Verwaltung. Seit den 1880er Jahren versuchten sie, diese auch durchzusetzen, welches im folgenden Kapitel dieser Studie eingehender analysiert werden wird.

Seit der Mitte der 1870er Jahre finden sich weniger Briefe, die sich mit grundsätzlichen Fragestellungen beschäftigen, etwa welche Gruppen von Armen unterstützungsberechtigt seien, sondern vor allem Briefe, die sich auf eine oder mehrere konkrete Personen und deren individuelle Fälle beziehen. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung erhielten Schreiben von Steuerzahlern, die die Unterstützung einer bestimmten Person forderten, die Höhe der Armenfürsorge in einem bestimmten Fall kritisierten oder die Berechtigung der

437 Im Untersuchungsgebiet liegen keine Quellen vor, die exakte Zahlenangaben zu den Steuerzahlern liefern würden. Daher können nur generelle Angaben gemacht werden. 438 Zensusdaten Galway 1851-1911. 439 Siehe dazu auch: O`Grada, Ireland. A New Economic History 1780-1939 S. 204. „many of the Guardians …were middle-class Repealers – generally Catholics in favour of repealing the 1801 Act of Union – not Protestant Landlords.” 440 Die Valutierung für das passive Wahlrecht lag höher und variierte je nach Union.

132 Unterstützung anzweifelten. Während sich in den ersten Jahrzehnten nach Einführung der irischen Armengesetzgebung vor allem die führenden Steuerzahler aus Galway und Gort äußerten, zeigte sich seit der zweiten Hälfte der 1870er Jahre ein größeres soziales Spektrum bei Eingaben der Steuerzahler. In den Anfangsjahren stellten sie in ihren Briefen oft heraus, dass sie die höchsten Steuersätze zu entrichten hätten und daraus ein Mitspracherecht ableiteten. Mit dem Aufkommen der Auseinandersetzungen um die Landfrage und den Forderungen nach Selbstverwaltung in Irland treten nun vermehrt Steuerzahler auf, die der Mittelschicht entstammten441 oder sogar zu den ärmsten Steuerzahlern zählten. Seit dem Ende der 1870er Jahre und der Zunahme von politischen Diskussionen um die Landfrage und das Recht auf Selbstverwaltung in Irland ändert sich auch der Tenor der Eingaben der Steuerzahler beider Untersuchungsgebiete. Äußerungen zur Wahl bestimmter Kandidaten in das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung oder zwangsvertriebene Pächter sind häufig als Leserbriefe in den Zeitungen zu finden.

Die Briefe enthalten oft mehrere Forderungen oder Themen, wie ein Eintrag im Protokollbuch der Galway Guardians aus dem Jahr 1877 zeigt: “Read letter from several ratepayers of the Spiddal District requesting that certain inmates of the workhouse be sent to Ballinasloe Asylum. Complaining of the High Rates lately assessed on the Western Division and expressing their wish that Mr Thomas Lyon be elected as Guardian for Selerna E.D. [Electoral Division] and that the rating qualification of a Guardian be reduced to ₤ 18 for that Division442.”

Insassen, die im Arbeitshaus als sogenannte “harmless lunatics or idiots” in einer speziellen Abteilung lebten, blieben oft für eine sehr lange Zeit im Arbeitshaus. Solange sich ihr Zustand nicht gravierend änderte, sie z.B. gewalttätig wurden, wurden solche Insassen in der Regel nicht in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Aufgrund des Systems der bezirklichen Erhebung der Armensteuer hatten die Steuerzahler ein besonderes Interesse daran, dass Langzeitinsassen, bei denen kaum die Chance bestand, dass sie jemals wieder aus dem Arbeitshaus entlassen würden oder für die Kosten ihres Aufenthalts arbeiten könnten, nicht

441 Dieses lässt sich aus der Schilderung der eigenen wirtschaftlichen und sozialen Situation ableiten, die in vielen Fällen in den Eingaben enthalten ist. 442 Galway Minute Book 12.10.1877.

133 mehr zu ihren Lasten berechnet würden443. Die Bitte der Steuerzahler, die Qualifikation für das Amt des Guardians herabzusenken, drückt aus, dass sich bei einer Senkung dieser Qualifikation mehr Personen für das Amt des Guardians aufstellen lassen konnten. Zeitlich einzuordnen ist diese Forderung der Steuerzahler aus dem Jahr 1877 in eine Zeit, in der Partizipationsansprüche von Gruppen aufkamen, die bisher in Irland von der Beteiligung an der lokalen Verwaltung ausgeschlossen waren. Der Wahlbezirk Selerna war ein armer Bezirk innerhalb der Galway Union und in vielen Jahren des Untersuchungszeitraumes wurde das Amt des Guardians für diesen Bezirk gar nicht besetzt, da es keine Nominierungen gab. Auch in den beiden Jahren 1875 und 1876 war der Sitz in der lokalen Armenverwaltung für Selerna vakant geblieben444. Diese Vakanz war die einzige in der gesamten Galway Union zu dem Zeitpunkt. Im Jahr 1877 wurde Michael Hennessy für diesen Bezirk als einziger aufgestellter Kandidat in das Board of Guardians gewählt445. Hennessy hatte zwar Besitz in diesem Wahlbezirk, wohnte aber eigentlich in der Stadt Galway, wo er als Kaufmann tätig war. Über den von den Steuerzahlern vorgeschlagenen Anwärter für eine Mitgliedschaft in der lokalen Armenverwaltung konnten keine Informationen ermittelt werden, doch bei den Wahlen 1878 war Michael Hennessy wiederum der einzig nominierte und danach gewählte Kandidat.

Die Galway Guardians reagierten auf keine der Forderungen der Steuerzahler aus Selerna. Die kommunalen Armenverwaltungen sahen sich in dieser Zeit mit Steuerzahlern konfrontiert, die eine andere Auffassung von Armut hatten als die Mehrheit der Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Galway und Gort. So gibt es Leserbriefe, die eine höhere Unterstützung von zwangsgeräumten Pächtern forderten oder mehr Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses für Kleinstpächter. Politische Themen wurden also nicht nur innerhalb des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung der beiden Untersuchungsgebiete diskutiert, sondern auch mit und unter den Steuerzahlern. Die Eingaben der Steuerzahler repräsentierten dabei ein breites Spektrum an politischen Meinungen. Es finden sich sowohl konservativ-unionistische Meinungsäußerungen als auch nationalistische Stimmen. Nur wenige Briefe wurden direkt an die Aufsichtsgremien

443 Prinzip des irischen “division rating” gegenüber dem englischen “union rating”. 444 Siehe dafür Galway Vindicator 1.4.1876, S. 3; 3.4.1875, S. 3. 445 Galway Vindicator 4.4.1877, S. 3.

134 geschrieben, der Großteil der Schreiber wandte sich an die lokalen Zeitungen, wo durch eine Veröffentlichung eine größere Öffentlichkeit erreicht werden konnte. Es sind jedoch auch Briefe überliefert, die direkt an einzelne Mitglieder geschrieben wurden und die dann in den Sitzungen zur Vorlage gebracht wurden. Einzelne Mitglieder veröffentlichten ebenfalls Leserbriefe in den Zeitungen und reagierten so auf die Veröffentlichungen von Steuerzahlern. Hierbei handelte es sich vorwiegend um politische Themen, in denen unterschiedliche Ansichten artikuliert wurden. Es finden sich sowohl konservativ-unionistische Steuerzahler, gegen die sich nationalistische Mitglieder wandten als auch vice versa. Dabei sind lokale Unterschiede feststellbar. So gibt es in Galway sowohl eine größere Anzahl von Briefen direkt an die Aufsichtsgremien, als auch mehr Veröffentlichungen in den Zeitungen, als in Gort. Zwangsgeräumte Pächter und die Landfrage betrafen das ländliche Untersuchungsgebiet, die Gort Poor Law Union, stärker als die Galway Union. Dennoch finden sich in Galway mehr Quellenbelege zu politischen Diskussionen als in Gort. Die Gründe hierfür könnten sein, dass in Gort alternative Kommunikationswege zur Meinungsartikulation genutzt wurden, etwa über das oben erwähnte seit Anfang der 1870er Jahre bestehende Komitee der Steuerzahler. Zudem war der Einfluss der nationalistischen Mitglieder innerhalb der Aufsichtsgremien lokal unterschiedlich446. Dies führte dazu, dass die Steuerzahler in Gort seit Anfang der 1880er Jahre die nationalistische Dominanz des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung unterstützten. Reaktionen von konservativ-unionistischen Steuerzahlern finden sich für Gort kaum dokumentiert. In Galway jedoch, wo Anfang der 1880er Jahre eine konservativ-unionistische Mehrheit im Aufsichtsgremium regierte, war die Bandbreite der politischen Meinungsäußerungen größer.

Kurz vor den Wahlen im Jahr 1883 findet sich in der nationalistischen Zeitung Tuam News ein Leserbrief abgedruckt, der mit „a ratepayer“ unterschrieben ist447. Die Intention des Schreibers ist es, anlässlich der bevorstehenden Poor Law Wahlen Ende März alle Wahlberechtigten der Gort Union aufzurufen, „suitable candidates professing national principles“ zu wählen448. Dabei solle man zunächst überprüfen, ob die nationalistischen Mitglieder im Aufsichtsgremium der

446 Siehe hierzu das Kapitel „Politisierung“. 447 Tuam News 2.3.1883, S. 3. 448 Ebenda.

135 Armenverwaltung in Gort „ihre Sache auch gut gemacht hätten“, und zum zweiten solle man in allen Wahlbezirken versuchen, konservativ-unionistische Mitglieder durch nationalistische Kandidaten zu ersetzen. Einige nationalistische Steuerzahler nahmen aktiv am „Wahlkampf“ der jährlichen Poor Law Wahlen teil und artikulierten bestimmte politische Meinungen.

Nach den jährlichen Wahlen der Mitglieder der Armenverwaltung finden sich häufig Leserbriefe von Steuerzahlern an die Guardians in den lokalen Zeitungen, die eine ordentliche Durchführung der Wahlen bezweifelten449 oder die Wahl bestimmter Personen anzweifelten450. Oftmals sind die Leserbriefe mit Pseudonymen unterschrieben, etwa „a ratepayer“, „vox populi“ oder „humanitas“451. Zum einen erschwert dieses eine namentliche Zuordnung, zum anderen vermitteln solche Namen auch den Eindruck, dass dadurch beabsichtigt war, nicht als einzelnes Individuum, sondern im Namen vieler zu sprechen. Die Leserbriefe, die die Wahlen anzweifelten, blieben jedoch folgenlos. Zwar wurden die Vorwürfe in den Sitzungen der Armenverwaltung diskutiert, und teilweise finden sich auch Gegendarstellungen von den angesprochenen Mitgliedern in der Presse, die auf die Vorwürfe eingehen, doch gibt es keine Quellenbelege, dass die Briefe von Steuerzahlern etwa Neuwahlen oder Rücktritte auslösten. Allerdings konnten sie möglicherweise Wiederwahlen verhindern. Es finden sich Belege, dass bei der erneuten Kandidatur eines amtierenden Mitgliedes der Armenverwaltung aus dem Jahr 1885 Bestechungsvorwürfe, die von Seiten der Steuerzahler geäußert wurden, vor der Wahl diskutiert wurden452. Der Kandidat wurde nicht wiedergewählt. Dieser Einfluss aller Steuerzahler auf die Wahlen wurde jedoch erst seit dem Ende der 1870er Jahre wirklich spürbar453.

449 Siehe beispielsweise Galway Advertiser 1.4.1843, S. 3: Protest von zwei Steuerzahlern, “that voting papers were not left with all the rate payers in the said Ward [Newtownsmith], and some that were left were not called for again by the Police.” 450 Siehe beispielsweise Galway Advertiser 1.4.1843, S. 3: Protest von einem Steuerzahler „against the return of Mr Harrison, as a Poor Law Guardian, for the Electoral division of Lackagh, on the grounds of his being a Contractor“. The Clerk stated that Mr Harrison was not now a Contractor. Normalerweise wurden keine Personen, die Verträge mit dem Arbeitshaus hatten in das Board of Guardians gewählt, obwohl dieses in mindestens einem Fall in Galway vorkam. Siehe auch Gort Minute Book 14.4.1860: „An allegation [eines Steuerzahlers] regarding irregular voting procedures relating to the election of John Rochford as Guardian for the Electoral Division of Ardamullivan included: there is every reason to infer at present that votes have been improperly allowed….”. 451 Siehe beispielsweise Galway Vindicator 8.5.1878, S. 3; Galway Express 12.7.1890, S.4. 452 Galway Vindicator 10.3.1885, S. 4. 453 Zu den Wahlen und dem Einfluss der Steuerzahler siehe Kapitel „Politisierung“. 136

Die Steuerzahler waren seit dem Medical Charities Act von 1851 direkt in die Arbeit der Armenverwaltung integriert. Einige Steuerzahler waren Mitglieder in verschiedenen Komitees der Armenverwaltung, etwa dem Dispensary Committee. Die Steuerzahler, die in diesen Gremien tätig waren, zählten in der Regel zu den höchsten Steuerzahlern in der Galway und Gort Union454. Weiterhin waren viele Geistliche Mitglieder in diesem Komitee. Das Dispensary Committee kümmerte sich um die Dispensary Districts in der Poor Law Union. Es setzte einen Arzt ein, der sich um die medizinische Versorgung der Armen in diesem Bezirk kümmerte, und hatte die Aufsicht und Kontrolle über das Ausstellen von sogenannten medical tickets, die einen Antragsteller zur medizinischen Behandlung berechtigten.

Die Aufsichtsgremien versuchten auf verschiedenen Wegen die Ausgaben zu senken. So experimentierten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung in den 1840er Jahren mit verschiedenen Substituten für Milch, da ihnen diese zu teuer erschien und man die Ausgaben möglichst gering halten wollte455. Sie ersetzten Milch zeitweise durch eine Mischung aus Melasse und Haferschleim oder Wasser und Kakaopulver. Auch in der Gort Poor Law Union folgte man den Empfehlungen solcher Substitute durch die Galway Guardians456. Die Substitute wurden jedoch auf Anraten des Arztes des Arbeitshauses von Galway wieder vom Speiseplan gestrichen, und auch in Gort kehrte man zur Verwendung von Milch zurück. In Gort geschah dieses, nachdem sich mehrere Insassen des Arbeitshauses diesbezüglich beschwert hatten457.

Es finden sich weniger Beschwerden der Steuerzahler die Ausgaben für die Ernährung der Insassen des Arbeitshauses betreffend, sondern die große Mehrheit der Eingaben betrifft das Krankenhaus des Arbeitshauses. So gibt es eine Vielzahl von Briefen, die sich mit der Ernährung der Patienten des Krankenhauses beschäftigen oder mit der medikamentösen Versorgung. Die Patienten des

454 Siehe dazu beispielsweise: Galway Minute Book 3.4.1868; Galway Vindicator 4.4.1868, S. 3. 455 Galway Minute Book 24.6.1843. 456 British Parliamentary Papers, 8th Annual Report, Appendix D, Nr. 4. 457 Gort Minute Book 8.11.1844: „Many of the paupers having entered the Boardroom, and complained that the constant use of molasses has caused a bowel complaint amongst them. An enquiry having been made of the Medical Officer, who stated that it would be well to try a change of milk for a month.”

137 Krankenhauses erhielten im Vergleich zu den Insassen des Arbeitshauses eine vielseitigere und damit kostenintensivere Ernährung. Auch Alkohol, wie Wein, Bier oder Whiskey, wurde im Krankenhaus zur Behandlung eingesetzt. Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen wurde regelmäßig von Steuerzahlern angezweifelt. Die Erweiterung der Zuständigkeiten der Aufsichtsgremien der Armenadministration in den Jahrzehnten nach der Einführung der irischen Armengesetzgebung von 1838 implizierte, dass über die Armensteuer eine Vielzahl verschiedener Bereiche finanziert wurde. Ebenso sollten sämtliche Ausgaben allein über die lokale Armensteuer gedeckt werden. Dieses führte dazu, dass die Art und Höhe der Ausgaben und die Höhe der Armensteuer einen permanenten Diskussionsgegenstand bildeten.

Die Steuerzahler nutzten verschiedene Wege und Arten der Kommunikation mit der lokalen Armenadministration. Sie wandten sich direkt an das Mitglied, welches ihren Wahlbezirk repräsentierte, oder schrieben einen Brief an das gesamte Aufsichtsgremium der Armenverwaltung. Zudem wurde die lokale Presse als Kommunikationsmedium genutzt, indem sie Leserbriefe veröffentlichte. Es gibt außerdem regelmäßig Berichte, in denen sich Steuerzahler direkt an die zentrale Behörde wandten und dieser von Vorgängen im Aufsichtsgremium der Armenadministration von Galway und Gort berichteten und eine Untersuchung der Vorgänge forderten. Durch regelmäßige Veröffentlichungen der wöchentlichen Sitzungen der Mitglieder der Armenverwaltungen in Galway und Gort, in denen auch die aktuellen Insassenzahlen der Arbeitshäuser und des Krankenhauses wiedergegeben wurden, waren die Steuerzahler detailliert über die Vorgänge, Diskussionen und Entwicklungen in den Sitzungen der Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen in Galway und Gort informiert. Die Eingaben der Steuerzahler betrafen ein reiches Themenspektrum. Sie beschäftigten sich beispielsweise mit der Ernährung der Arbeitshausbewohner, der Art oder Dauer der Unterbringung der Insassen, aber auch mit generellen Fragen, etwa ob gewisse Gruppen von Armen überhaupt „unterstützungsberechtigt“ seien. Zudem äußerten sich die Steuerzahler immer wieder zur Arbeitsweise der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung oder stellten Entscheidungen dieses Gremiums in Frage. Dabei wandten sie sich in einigen Fällen auch direkt an die zentrale Behörde in Dublin,

138 wenn sie mit Entscheidungen des lokalen Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung nicht einverstanden waren und eine Untersuchung forderten.

139 4.2 Zusammenfassung: Das Verhältnis der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zu den (Armen-)Steuerzahlern in Galway und Gort

Wie standen die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Galway und Gort dem Einfluss der Steuerzahler gegenüber?

Die Eingaben der Steuerzahler in beiden Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen wurden in den Sitzungen erörtert, wie die Berichte in den lokalen Zeitungen zeigen. Allerdings wurden nicht alle Eingaben der Steuerzahler auch in den Protokollbüchern der Galway und Gort Union erwähnt. Wenn Briefe der Steuerzahler direkt an einzelne Mitglieder oder an das gesamte Aufsichtsgremium gingen, so wird in den Protokollbüchern meistens nur erwähnt, dass solch ein Schreiben eingegangen war und es verlesen wurde. Die Briefe wurden dann in den sogenannten „Incoming Letter Books“ archiviert. Gesamte Briefe wurden nur dann in den Protokollbüchern wiedergegeben, wenn sie als direkt relevant für eine darauf folgende Entscheidung angesehen wurden. Eine vollständige Abschrift der Briefe in den Protokollbüchern erfolgte auch dann, wenn die zentrale Behörde Schreiben von Steuerzahlern erhalten hatte und diese dann den Sachverhalt den lokalen Aufsichtsgremien mit der Bitte um Stellungnahme vorlegte. Gab es Briefe von Steuerzahlern zu den ihrer Meinung nach zu hohen Kosten, etwa bei der medizinischen Versorgung der Armen, so leiteten die Mitglieder der Aufsichtsgremien diese in der Regel an den Mediziner des Arbeitshauses weiter und baten ihn um eine Stellungnahme. In einigen Fragen wurde auch der Leiter des Arbeitshauses oder die Geistlichen des Arbeitshauses von den Guardians um ihre fachliche Meinung gebeten. Weiterhin äußerten sich auch die einzelnen Gremien, etwa der Finanzausschuss oder das Visiting Committee“ der kommunalen Armenfürsorge zu den Eingaben. Gab es Eingaben einiger Steuerzahler zu den Wahlbezirken, aus denen sie stammten, so wurde dazu oft das Mitglied, welches diesen Bezirk repräsentierte, befragt. Seit die Mitglieder der Armenverwaltung auch Briefe zu politischen Themen erreichten, waren diese oft der Auslöser zu Auseinandersetzungen innerhalb des Aufsichtsgremiums, worauf im nächsten Kapitel en detail eingegangen wird. Die Steuerzahler machten die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in einer Vielzahl von Fällen auf lokale Missstände oder Probleme aufmerksam und baten die

140 Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen um Abhilfe. Oftmals waren es die Steuerzahler und nicht die Guardians als Repräsentanten der einzelnen Wahlbezirke, die lokale Probleme anbrachten. Ein Grund hierbei ist sicherlich, dass in einer Vielzahl von Fällen die Guardians einzelner Wahlbezirke nur unregelmäßig und selten an den Sitzungen teilnahmen. Die Steuerzahler gewährleisteten in gewissem Maße zudem eine Kontrolle der kommunalen Armenfürsorge, indem sie sich in einigen Fällen direkt an die zentrale Behörde wandten. Allerdings zeigt sich auch, dass einige Eingaben der Steuerzahler auch „politisch“ genutzt wurden. So scheinen einige Leserbriefe auch für „Wahlkampfzwecke“ und Artikulation der politischen Meinung gedient zu haben.

Die Steuerzahler beider Untersuchungsgebiete besaßen durchaus Möglichkeiten, um auf das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung Einfluss nehmen zu können. Sie konnten durch ihre Wahl die Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums mitentscheiden, sie waren zumindest im medizinischen Bereich direkt an der Arbeit der Armenadministration beteiligt und kommunizierten auf verschiedenen Ebenen und Wegen mit der kommunalen Armenfürsorge. Die jährlichen Wahlen waren keinesfalls die einzige Möglichkeit, bei der die Steuerzahler ihre Meinung artikulierten. Sie kommunizierten regelmäßig mit den Aufsichtsgremien und äußerten vielfach ihre Ansichten.

Während sich in den ersten Jahrzehnten der Existenz der irischen Armengesetzgebung vorwiegend die höchsten Steuerzahler äußerten, ist ab den späten 1870er Jahren eine Ausweitung des sozialen Spektrums feststellbar. Es finden sich vermehrt Schreiben von mittleren und kleinen Steuerzahlern, die zu einer Vielzahl von Themen ihre Meinung artikulierten und ihren Einfluß deutlich machten. Mehr noch, gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich das Bild gewandelt, und es kommunizierten fast nur noch kleine und mittlere Steuerzahler mit den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung.

141 5. Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung von Galway und Gort

5.1 Biographische Eckdaten der Mitglieder der Armenverwaltung und Anwesenheit bei den Sitzungen als Einflussfaktoren auf die Arbeitsweise der Aufsichtsgremien

Die Arbeitsweise der lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung wurde in entscheidender Weise von den Personen geprägt, die diese Ämter ausübten. Für den gesamten Untersuchungszeitraum konnten für das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway von 1839 bis 1920 insgesamt 441 Mitglieder458 (sowohl ex-officio als auch gewählt) ausgemacht werden. Zu der weitaus überwiegenden Mehrheit dieser Personen konnten biographische Informationen gesammelt werden. Für den gleichen Untersuchungszeitraum konnten für Gort insgesamt 270 ex-officio und gewählte Mitglieder459 des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung unterschieden werden, wobei die Ermittlung biographischer Daten schwieriger war als für Galway.

In den Protokollbüchern oder in der Presseberichterstattung während der Wahlen finden sich nur in seltenen Fällen Informationen zur sozioökonomischen Stellung der Kandidaten und Mitglieder, die aber durch andere Quellen, beispielsweise Adressverzeichnisse oder Besitzverzeichnisse, erschlossen werden konnten. Hierbei geht es jedoch nicht darum, jedes individuelle Mitglied in extenso darzustellen, sondern vielmehr darum, Tendenzen und Veränderungen in der sozioökonomischen oder konfessionellen Zusammensetzung aufzuzeigen. Deshalb werden zeitliche und personelle Schwerpunkte der Untersuchung gewählt. Neben der Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung in einem Zeitraum von fünf Jahren werden die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter vertieft betrachtet. Ihre sozioökonomische Herkunft und Stellung, Familie, Beruf, Konfession und die Erfüllung anderer Ämter und Funktionen sind relevant, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Arbeitsweise einzelner Mitglieder der

458 Siehe Anhang Tab. 21: Galway Guardians gesamt. 459 Siehe Anhang Tab. 25: Gort Guardians gesamt.

142 lokalen Armenadministration herauszuarbeiten. Dabei spielen folgende Fragestellungen eine Rolle:

1. Stammten die Mitglieder der Armenverwaltung von Galway eher aus der Stadt und übten sie „städtische Berufe“ aus oder kamen sie aus der ländlichen Umgebung der Stadt Galway und übten sie eher „ländliche Berufe“ aus? Waren bestimmte Berufsgruppen besonders häufig vertreten und warum? Eine These der Forschung460 ist, dass die Board of Guardians in Irland vor den Auseinandersetzungen um die Landfrage ausschließlich von großen Landbesitzern und deren Vertretern dominiert waren. Traf dieses auch in einer eher städtischen Poor Law Union zu? Änderten sich das Berufsspektrum im Verlauf des Untersuchungszeitraums und auch die sozioökonomische Stellung?

2. Wie hoch war die personelle Fluktuation innerhalb des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung und wie lange betrug die durchschnittliche Tätigkeitsdauer? Die Untersuchung dieser Fragen wird verknüpft mit dem ersten Fragekomplex, um so Aussagen über die Dominanz von individuellen Mitgliedern oder sozialen Gruppen innerhalb des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway treffen zu können.

3. Hatten die Mitglieder der Armenverwaltung vorher, gleichzeitig oder später auch noch andere Verwaltungs- oder politische Ämter inne? Es wird davon ausgegangen, dass philantropische oder humanitäre Motive nicht der Hauptgrund für eine Mitgliedschaft in den Aufsichtsgremien der kommunalen Armenfürsorge waren, sondern die Möglichkeit, über die Mitgliedschaft in einem Board auf eine Vielzahl von verschiedenen Bereichen der lokalen Verwaltung Einfluss nehmen zu können.

4. Wie regelmäßig nahmen die Mitglieder an den Sitzungen teil? Wurde durch die tatsächliche Anwesenheit die nominelle Dominanz bestimmter sozialer Gruppen möglicherweise relativiert? Diese Untersuchung erscheint besonders in Zeiten der politischen Auseinandersetzungen um

460 So etwa Feingold, "The Tenants` Movement to Capture the Irish Poor-Law Boards 1877-1886.", Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886. Und Crossman, "Building the Nation: Local Administration in Rural Ireland 1850-1920.", Crossman, Local Government in Nineteenth-Century Ireland, Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland.

143 Selbstverwaltung in Irland und den Konflikten um die Landfrage entscheidend.

5. Wie sah die religiöse Zugehörigkeit der Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung aus? Die zentrale Behörde in Dublin und die britische Regierung waren protestantisch, der weitaus überwiegende Teil der Bevölkerung von Galway war katholisch. Wurde die lokale Verwaltung ebenfalls von Protestanten dominiert?

Es sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Galway und Gort herausgearbeitet werden. Welche Unterschiede gab es in der personellen Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung der beiden Untersuchungsgebiete? Hatte dieses Auswirkung auf die Arbeitsweise und Aufgabenwahrnehmung der kommunalen Armenfürsorge in Gort? Es wird der Frage nachgegangen, wann und warum es personelle Änderungen gab und ob es ähnliche oder unterschiedliche Entwicklungen im Vergleich zu Galway gab.

144 5.1.1 Soziale und religiöse Zusammensetzung der Aufsichtsgremien

Im Juni 1839 konstituierte sich das erste Board of Guardians in Galway. Von den zwölf Wahlbezirken lagen fünf im Stadtgebiet, die übrigen im Umland. Jeder städtische Bezirk konnte drei Guardians entsenden. Die übrigen Bezirke konnten je nach Größe zwischen einem bis drei Kandidaten wählen.

Das erste Armenfuersorgekomitee von Galway setzte sich aus Angehoerigen der fuehrenden staedtischen und laendlichen Familien zusammen, die zudem in vielen Faellen miteinander verwandt waren461. Zwei Drittel der Guardians waren katholisch und diese Dominanz von katholischen Mitgliedern der Armenverwaltung in Galway blieb bis 1898 erhalten, danach stieg der Anteil von Katholiken sogar noch an. Eine Dominanz von Angehörigen der Church of Ireland war in Galway zu keiner Zeit festzustellen. Der Grund hierfuer ist, dass viele staedtische Mitglieder den sogenannten „Tribes of Galway“462 entstammten. Dieses waren 14 maßgebliche Händlerfamilien, die oft zudem auch ausgedehnten Landbesitz in der Grafschaft Galway hatten. Sie waren nahezu ausschließlich katholisch und nur zehn Jahre nach der Aufhebung der war es ihnen gelungen, in allen städtischen Verwaltungsorganen die Mehrheit zu stellen und dauerhaft zu sichern. Kurz vor Einführung der irischen Armengesetzgebung war die Galway Corporation, ein rein protestantisch dominiertes Gremium der Stadtverwaltung, abgeschafft worden und stattdessen die Town Commission eingerichtet worden, die ebenfalls eine katholische Mehrheit besass463. Ein aehnliches Bild der sozio-oekonomischen Zusammensetzung zeigt sich bei den ex-officio Mitgliedern464. Auch in den

461 Von den 15 Guardians aus den städtischen Bezirken war die Mehrzahl als Kaufleute taetig oder Angehoerige der „Professional Classes“ beziehungsweise gab keinen Beruf an, sondern werden als „Householder“ aufgeführt461. In den Wahlbezirken, die das eigentliche Stadtgebiet Galways umgaben, zeigt sich ein anderes Bild. Die Mehrheit der 15 Mitglieder kann in vielen Fällen großen landbesitzenden Familien der Grafschaft Galway zugeordnet werden. Unter den insgesamt dreißig Guardians gab es vier Brüderpaare, und 18 Guardians waren miteinander verwandt. 462 O`Neill, The Tribes and Other Galway Families, Woodman, Tribes to Tigers. A History of Galway Chamber of Commerce & Industry. Die Tribes of Galway waren die Familien Athy, Blake, Bodkin, Browne, Darcy, Deane, Font, French, Joyce, Kirwan, Lynch, Martin, Morris, Skerrett. 463 Flynn, a study of local Government in Galway in the early 19th century, S. 254; Minutes Town Commissioners 1836-1921, NUIGSpecialCollections, 6 volumes. 464 Von den zehn ex-officio Mitgliedern werden drei als „Kaufleute“ aufgeführt, drei weitere Personen als große Landbesitzer und zwei Vertreter werden als Bank Manager bezeichnet. Die übrigen gaben keine Berufsbezeichnung an. Sechs ex-officio Mitglieder waren verwandtschaftlich mit den gewählten Guardians verbunden. 145 folgenden Jahren und Jahrzehnten waren die Mitglieder durch verwandtschaftliche oder geschäftliche Beziehungen verknüpft. Oft gab es eine „Familientradition“ der Mitgliedschaft in der Armenverwaltung in Galway, bei der zunächst die Väter dem Armenfuersorgekomitee angehoerten und später auch einer oder mehrere Söhne ihrem Vater nachfolgten. Viele gewählte Mitglieder der Armenverwaltung von Galway erfüllten zugleich die formalen Voraussetzungen für eine ex-officio Mitgliedschaft, waren also Justices of the Peace in der Galway Poor Law Union. 1843 waren von den 47 Mitgliedern der Armenverwaltung von Galway 22 richterliche Beamte. Dieser Anteil von Justices of the Peace bildete 1843 einen der höchsten in ganz Irland465.

In den ersten beiden Jahren 1839 und 1840 fanden in Galway gar keine Wahlen durch die Steuerzahler statt466. Die nominierten Kandidaten trafen sich und wählten intern unter sich, wobei diejenigen mit den meisten Stimmen gewannen. Dieses geschah auf Vorschlag von zwei Assistant Poor Law Commissioners, die bei einem Besuch in Galway im Juni 1839 empfahlen: „to put due respect to economy, to avoid, if possible, the expense of contested elections“467. Eine lokale Zeitung, die darüber berichtete, stellte die Frage nach der Rechtmäßigkeit eines solchen Verfahrens: „we must in justice quarrel with such an extraordinary and novel mode of nullifying man`s dearest privilege, the power of electing a representative to tax himself. It is the policy of the present day to substitute tyranny for liberty under the delusive cry of economy. We are no advocates for extravagance, or an unnecessary expenditure of the public money, but we maintain that before so important a matter, would be clandestinely disposed of the sense of the electors should be taken upon it”468. Der Artikel hatte jedoch offensichtlich keinen Einfluss, denn auch im folgenden Jahr fanden wiederum keine Wahlen statt.

465 British Parliamentary Papers, A return of the number of magistrates, elected and ex-officio, on each board of guardians…in Ireland, 1843 (347), xlvi, S. 583. 466 Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea S. 67. 467 Galway Advertiser, 8.6.1839, S.2. 468 Ebenda.

146 1841 wurden dann das erste Mal Wahlen zum Board of Guardians durchgeführt, und es gab in einigen Wahlbezirken auch mehr Kandidaten als zur Verfügung stehende Plätze. Für die zwei Posten der Aran Inseln gab es keine Kandidaten. Von den 32 gewählten Mitgliedern469 waren sieben Protestanten (Church of Ireland), die übrigen Repräsentanten waren römisch-katholisch. Bei dieser ersten regulären Wahl gab es acht neue Mitglieder, ansonsten wurden die amtierenden Vertreter wiedergewählt. Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway (ex-officio und gewählt) setzte sich auch 1841 zur Hälfte aus der „städtischen Elite“ zusammen, also den führenden Händlern und Angehörigen der „Professional Classes“, die andere Hälfte konstituierte sich aus dem Landadel oder Personen, die für diesen tätig waren470.

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten gab es vor allem in den städtischen Wahlbezirken durchaus mehr Kandidaten als offene Posten, aber alle Kandidaten gehörten zur städtischen Elite471. Die Mehrheit der Mitglieder waren Kaufleute und Händler. Aber auch Juristen oder Ärzte, Bankmanager, Hotelbesitzer, Zeitungsverleger, Buchhändler sowie Professoren der Universität gehörten zu den Guardians. Viele der großen Kaufleute und Händler waren zugleich auch Landbesitzer in der Grafschaft Galway. Eine Mitgliedschaft im Armenfuersorgekomitee wurde als wichtig und vorteilhaft angesehen, wie der durchaus existierende Wettbewerb um Kandidatenplaetze zeigt. Mitglieder der Aufsichtsgremien nutzten ihre Tätigkeit oft für den eigenen Beruf. Das irische Armengesetz verbot zwar eine Vorteilsnahme der Mitglieder472, doch wurden viele

469 Für zwei Plätze gab es keine Kandidaten, in drei Fällen hatten sich Kandidaten in mehreren Bezirken aufstellen lassen und wurden mehrmals gewählt. Für diese Vakanzen wurden später Nachwahlen durchgeführt. 470 Von den acht neuen Mitgliedern waren zwei große Landbesitzer, einer war Land Agent, einer Kaufmann, einer Pächter und drei ohne Angabe eines Berufes. Das erste gewählte Aufsichtsgremium der Armenverwaltung setzte sich somit zusammen aus einem Besitzer einer Schnapsbrennerei, einem Besitzer einer Mühle, sieben Kaufleuten, einem Notar, zwei Anwälten, einem Herausgeber einer katholischen Zeitung, zwei Land Agents, sieben großen Landbesitzern und einem „Householder“. Zwei Mitglieder wurden als Pächter bezeichnet. Einer davon war Farmer und schon seit 1839 Mitglied des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung. Die andere Person wurde als „tenant of 4 houses“ aufgeführt. Sieben weitere gewählte Repräsentanten gaben keinen Beruf an. Von den 13 ex-offico Guardians waren sechs große Landbesitzer, drei Kaufleute, zwei Bank Manager und zwei ohne Berufsangabe. 471 Donnelly, "An Overview of the Development of Local Government in Ireland," S. 8. 472 Irish Poor Law Act 1838, 1&2Vict., § XCIII.

147 Lieferantenverträge oder auch Angestelltenposten an Verwandte vergeben. Die Person von Nicholas Killian, seit den 1840er Jahren bis zur Mitte der 1860er Jahre im Armenfuersorgekomitee vertreten, ist ein Beispiel fuer solch eine Vorteilsnahme. In Slater`s Directory von 1856 wird er als „emigration agent“ für Galway geführt. Seit der Großen Hungersnot der zweiten Hälfte der 1840er Jahre nahm die Emigration von Iren stark zu, und viele arme Personen und auch Insassen der Arbeitshäuser verließen Irland473. Killian, der seit 1842 Mitglied des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway war, verkaufte Schiffspassagen und organisierte alle Emigrationen für Galway. Direkte Verträge mit dem Arbeitshaus über die Organisation von Emigrationen hatte Killian zwar offiziell nicht, er war in Galway jedoch der einzige „Emigration Agent“ in dieser Zeit. Mehrmals in der Geschichte der Armenverwaltung von Galway gab es Untersuchungen der zentralen Behörde wegen unerlaubter Vorteilsnahme der Mitglieder der Armenverwaltung oder „Vetternwirtschaft“474. 1853 etwa lieferte der Kornhändler und Mühlenbesitzer und Mitglied der Armenverwaltung von Galway, Ambrose Rush, sämtliches Mehl an das Arbeitshaus von Galway, musste dieses jedoch nach der Untersuchung des Falles einstellen475. Mitglieder der Armenverwaltung beschäftigten zudem immer wieder Insassen des Arbeitshauses zu landwirtschaftlichen Arbeiten auf ihren Besitzungen.

Waehrend es vor allem in den staedtischen Bezirken immer wieder zu einem Wettbewerb um zur Verfuegung stehende Plaetze kam, zeigt sich in den Wahlbezirken aus dem Umland der Stadt Galway ein anderes Bild. Hier gab es oft Schwierigkeiten Kandidaten zu finden und Sitze im Board of Guardians blieben

473 Robin F. Haines, Emigration and the Labouring Poor. Australian Recruitment in Britain and Ireland 1831-1860 (London: 1997), Timothy J. Hatton and Jeffrey G. Williamson, "After the Famine: Emigration from Ireland 1850-1913," Journal of Economic History 53, no. 3 (1993), James H. Johnson, "The Context of Migration. The Example of Ireland in the Nineteenth Century," Transactions of the Institute of British Geographers 15 (new ser.) (1990), MacLoughlin, "Superfluous and Unwanted Deadweight: The Emigration of Nineteenth-Century Irish Pauper Women.", Cormac O`Grada, "Across the Briny Ocean: Some Thoughts on Irish Emigration to America, 1800-1850," in Ireland and Scotland 1600-1850, ed. T.M. Devine and D. Dickson (Edinburgh: 1983), Reid and Mongan, A Decent Set of Girls. The Irish Famine Orphans of the Thomas Arbuthnot 1849-1850, J.A. Robins, "Irish Orphan Emigration to Australia, 1848-50," Studies LVII, no. 228 (1968), Robins, "The Emigration of Irish Work-House Children to Australia in the Nineteenth Century.", S. 29ff. 474 Siehe dazu etwa: Galway Advertiser 1.4.1843; Galway Minute Book 23.5.1851, 1.4.1874. 475 Galway Express 1.10.1853.

148 vakant. In den betroffenen Bezirken gab es nur wenige Personen, die die formalen Voraussetzungen für eine Kandidatur erfüllten und einige potentielle Kandidaten aus diesen Bezirken waren bereits als ex-officio Mitglieder im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway vertreten. In den die Stadt Galway umgebenden Wahlbezirken wählten die Steuerzahler, die Pächter waren, in den ersten Jahrzehnten wie ihr Landlord es wünschte476. Einige Wahlbezirke hatten zwar das Recht, zwei Mitglieder in das Aufsichtsgremium zu entsenden, aber nur einen Kandidaten, in allen Fällen der größte Landbesitzer aus dem Wahlbezirk, so dass diese Person auf alle Fälle gesichert im Aufsichtsgremien vertreten war und keine Konkurrenz zu befürchten hatte.

Seit Beginn der 1850er Jahre konnten die Angehörigen des Landadels die Mehrheit in den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Galway stellen, nachdem der Anteil der ex-officio Mitglieder nicht mehr per Gesetz auf ein Drittel festgeschrieben war. Dieses löste jedoch keinen Widerstand unter den Mitgliedern, die der städtischen Elite angehörten, aus, da oft enge familiäre oder berufliche Beziehungen zu den großen Landbesitzern bestanden.

Es herrschte eine hohe personelle Kontinuitaet und lange Amtsdauer in der Zusammensetzung des Armenfuersorgekomitees. Viele gewaehlte Mitglieder waren 10 Jahre oder mehr ununterbrochen im Gremium der Armenverwaltung vertreten. Im Jahr 1881 waren von den gewählten Mitgliedern zwei seit den 1840er Jahren Mitglied des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung. Sechs Mitglieder waren seit den 1850er Jahren vertreten, zehn weitere Personen hatten ihren Platz seit den 1860er Jahren inne, und 15 Mitglieder waren seit den 1870er Jahren Mitglied. Vier Personen waren das erste Mal 1881 gewählt worden.

Bis Anfang der 1880er Jahre zeigt sich kaum eine Veränderung in der sozialen Zusammensetzung, wobei 1881 allerdings der Anteil der Kaufleute gegenüber den vorherigen Wahlen angestiegen war. Während sich unter den gewählten Mitgliedern das Verhältnis von ländlichen und städtischen Berufen etwa die Waage hielt, dominierten die großen Landbesitzer und ihre Vertreter immer noch die Gesamtanzahl der Mitglieder, da sie die eindeutige Mehrheit der ex-officio Mitglieder stellten.

476 Siehe dafür beispielsweise Galway Vindicator 25.3.1871, S. 3. So auch Feingold, „Land League Power. The Tralee Poor-Law-Election of 1881“, S. 288.

149 Im Jahr 1886 ergaben sich jedoch signifikante Veränderungen bei den gewählten Mitgliedern. In dieser Zeit dominierten die Auseinandersetzungen um die Landfrage sowie die Forderung nach einer Selbstverwaltung die irische Politik. Gruppen, die bisher von der politischen Partizipation ausgeschlossen waren, forderten Mitsprache. Das schlug sich auf der lokalen Ebene nieder. Es gab nach den Wahlen nur noch zwei große Landbesitzer und einen Land Agent. Auffällig ist auch, dass 17 der 37 gewählten Personen erst seit den 1880er Jahren Mitglieder im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway waren. Drei waren zum ersten Mal gewählt worden. Betrachtet man nur die gewählten Mitglieder, so zeigt sich eine Veränderung in der sozialen Zusammensetzung. Angehörige der katholischen, städtischen Mittelschicht stellten die Mehrheit der Mitglieder. In Galway gab es also weniger einen Gegensatz zwischen Pächtern und Landbesitzern, wie es etwa Feingold477 oder Crossman478 für andere Teile Irlands konstatieren, sondern vielmehr einen Stadt-Land Gegensatz. „Städtische Berufsgruppen“, wie Ladenbesitzer und Handwerker, entschieden in vielen Bezirken die Wahl für sich und die großen Landbesitzer unterlagen. Entscheidend dabei war sicherlich, dass in der Stadt Galway weniger von den großen Landbesitzern abhängige Pächter lebten, sondern Steuerzahler, die ebenfalls städtischen Berufsgruppen zuzuordnen sind. Die Dominanz der großen Landbesitzer unter den ex-officio Mitgliedern blieb allerdings unverändert. Wichtig ist aber auch, dass nicht nur die großen Landbesitzer bei den Wahlen unterlagen, sonder auch in den städtischen Wahlbezirken eine Veränderung stattfand. Die Angehörigen der Wirtschaftselite Galways, die führenden Kaufmannsfamilien, die jahrzehntelang die gesamte lokale Verwaltung der Stadt dominiert hatten, mussten in den Poor Law Wahlen mit Ladeninhabern, Händlern und Handwerkern um Plätze konkurrieren. Doch nicht nur um die Kandidatenplaetze gab es Wettbewerb, auch in den woechentlichen Sitzungen waren nun Mitglieder vertreten, die nicht mehr einem eng verwobenen Netz von Familien- und Geschaeftsbeziehungen entstammten und die eigene Vorstellungen und Interessen von der lokalen Verwaltung Galways einbrachten.

477 Siehe dafür Feingold, The Revolt of the Tenantry. 478 Siehe dafür Crossman, Politics, pauperism and power in late nineteenth-century Ireland

150 Seit Beginn der 1890er Jahre findet sich ein erweitertes Berufsspektrum in der Armenverwaltung von Galway. Nun sind vermehrt auch handwerkliche Berufe, wie Bäcker, Fleischer, Böttcher oder Steinmetz, vertreten. Schaut man sich die Lage der Geschäfte in der Stadt Galway an, so werden sie im Zensus von 1901 als 1st class oder 2nd class Häuser identifiziert. Jene Personen gehörten somit zu den führenden Handwerkern der Stadt Galway. Auch die große Mehrheit der Kaufleute, die Mitglied der Armenverwaltung waren, wohnte in Häusern dieser Kategorien. Dieses zeigt, dass führende Handwerker und Kaufleute ein Mitspracherecht in der lokalen Verwaltung suchten und sie aktiv mitgestalten wollten. Die Kaufleute und Handwerker waren keine Angehörigen der „Tribes of Galway“ mehr, die als kleine, geschlossene Wirtschaftselite die lokale Verwaltung in den ersten Jahrzehnten der Armengesetzgebung noch dominiert hatte, sondern Teil einer katholischen Mittelschicht, die in der lokalen Ökonomie erfolgreich war und vorwiegend mittlere Betriebe in Galway führte.

Nach dem Erlass des Local Government Act trat das erste vollständig gewählte Board of Guardians 1899 zusammen. In diesem Aufsichtsgremium waren nur noch zwei große Landbesitzer vertreten, sowie ein Land Agent. Daneben finden sich Farmer, Söhne von Farmern und Pächter als Mitglieder sowie Shopkeeper und Kaufleute. Weitere vertretene Berufsgruppen sind Fleischer, Bäcker, Tischler, Bank Manager, Hotelbesitzer und Besitzer einer Baufirma. Sechs Personen haben keine Berufsbezeichnungen, sondern bezeichnen sich als „Gentleman“ und werden zu den „leading citizens of Galway“ gerechnet. Dieses zeigt, dass die zahlenmäßige Dominanz der großen Landlords erst nach dem Local Government Act endete. Ab diesem Zeitpunkt setzte sich das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway vorwiegend aus Farmern, Handwerkern und Ladenbesitzern zusammen. 1899 wurden in vielen Bezirken die Guardians aus dem letzten Jahr allesamt wiedergewählt. Schaut man sich die Wahl an, so ist interessant, dass diejenigen ex-officio Guardians, die sich nun zur Wahl stellten und auch vorher schon aktiv an den Sitzungen der Guardians teilgenommen hatten, erfolgreich wiedergewählt wurden. Große Landbesitzer, die sich zu den Wahlen von 1899 stellten, warben vor allem mit ihren langjährigen Erfahrungen in der lokalen Verwaltung und sprachen kaum „nationalpolitische“ Ereignisse an, sondern verwiesen stärker auf lokale Belange. Ebenso versprachen einige der Landbesitzer bestimmte „nationalist issues“ zu unterstützen, wie das „Catholic

151 University Movement“. Dieses gelang auf der Ebene der District Councils und der Poor Law Guardians mit viel kleineren Wahlbezirken auch durchaus, auf der County Council Ebene jedoch nicht.

In Gort setzte sich das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in den ersten Jahrzehnten der Existenz der Armengesetzgebung in Irland nahezu ausschliesslich aus „ländlichen Berufsgruppen“ zusammen479. Die großen Landbesitzer und Personen, die für diese als Land Agent, Stewards oder Middleman tätig waren, dominierten dabei das Aufsichtsgremium in Gort. So waren 1844 von 18 gewählten Mitgliedern acht große Landbesitzer, zwei Personen waren Land Agents, drei waren Kaufleute oder Händler und die übrigen gaben keinen Beruf an, sondern lebten von Vermögen. Die ex-officio Mitglieder waren alle große Landbesitzer. Elf der gewählten Mitglieder waren katholisch. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten änderte sich die soziale und religiöse Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort nicht wesentlich. Viele der Mitglieder waren miteinander verwandt.

Mitte der 1880er Jahre hatte sich die soziale Zusammensetzung in Gort geändert. Von den 18 gewählten Mitgliedern waren drei große Landbesitzer, sieben Pächter, sechs Farmer und zwei waren Ladenbesitzer und Händler. Bis auf zwei Personen waren alle Katholiken. Die ex-officio Mitglieder waren alle große Landbesitzer. Bis zu den ersten Poor Law Wahlen nach dem Local Government Act änderte sich die soziale Zusammensetzung auch nicht wesentlich. Nach 1899 gehörte die weitaus größte Mehrheit der Mitglieder den Farmern an. Große Landbesitzer waren nicht mehr im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort vertreten. Alle Mitglieder nach 1899 waren katholisch. Im Unterschied zu Galway finden sich in Gort kaum verschiedene Berufsgruppen vertreten. Bereits in der Mitte der 1880er Jahre gelang es den katholischen Pächtern und Farmern dauerhaft die Mehrheit der Mitglieder im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung zu sichern. Auch nachdem sich die soziale Zusammensetzung geändert hatte, waren weiterhin viele der Mitglieder in Gort miteinander verwandt. So gab es mehrere Brüderpaare und Vater-Sohn Mitglieder. Das zeigt, dass auch nachdem sich die soziale Zusammensetzung in Gort geaendert hat, weiterhin durch verwandtschaftliche

479 Zu den Mitgliedern siehe Anhang Tabelle 25: Gort Guardians Gesamt.

152 Beziehungen verknuepfte Personen die lokale Armenverwaltung von Gort dominierten. Diese engen familiaeren Bindungen scheinen auch eine wichtige Rolle bei Entscheidungsfindungen des Armenfuersorgekomitees gespielt zu haben, denn die Verwandtschaftsgrade werden in vielen Diskussionen des Komitees angefuehrt, oftmals als Begruendung dafuer, warum eine bestimmte Position eingenommen wird480.

5.1.2 Das Amt des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter

Feingold schreibt in seiner Untersuchung, dass „for the first forty years the elected guardians generally deferred to the ex-officios in all matters.481“ Er macht die Dominanz der großen Landbesitzer in den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung an verschiedenen Punkten fest. Dieses sind die Besetzung des Vorsitzenden und seiner zwei Stellvertreter mit großen Landbesitzern, vorzugsweise ex-officio Mitgliedern sowie die Kontrolle der Poor Law Wahlen durch direkte oder indirekte Beeinflussung der Wähler, um damit Interessenvertreter der großen Landbesitzer als gewählte Mitglieder in die Aufsichtsgremien zu entsenden482.

Der Vorsitzende hatte eine Reihe von Aufgaben. Er kontrollierte und unterschrieb die Protokollbücher der Union sowie alle weiteren Bücher von Angestellten des Arbeitshauses, er setzte den Ablauf der Tagesordnungspunkte bei der Sitzung fest und er entschied über die Annahme oder Ablehnung von Anträgen von Seiten der Mitglieder. Diese Funktionen machten das Amt des Vorsitzenden zu einem

480 Gort Minute Book, 20.11.1897. 481 Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881," S. 289. 482 Feingold, "The Irish Boards of Poor Law Guardians 1872-1886. A Revolution in Local Government" S. 50-52. Feingold, "The Tenants` Movement to Capture the Irish Poor-Law Boards 1877-1886," S. 224. Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881," S. 289.

153 einflussreichen Posten. Indem er die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte anordnete, legte er auch die Priorität fest, mit der bestimmte Themen behandelt wurden. Die Eingabe von Anträgen durch Mitglieder konnte er ablehnen (rule it out of order), oder er legte, wenn über Anträge diskutiert wurde, die Diskussionsdauer fest. Der Vorsitzende entschied über die Annahme von Gegenanträgen oder Erweiterungsvorschlägen zu Resolutionen der Mitglieder der Armenverwaltung. Er war allerdings dazu verpflichtet, Anträge, die den Mitgliedern der Armenverwaltung zwei Wochen im Voraus zur Abstimmung angekündigt worden waren, anzunehmen und zur Abstimmung zu bringen. War der in der ersten Sitzung des Aufsichtsgremiums jeder neuen Wahlperiode gewählte Vorsitzende nicht anwesend, so wurde dieses Amt vom ebenfalls dann gewählten ersten oder zweiten Stellvertreter übernommen. War keiner dieser drei Personen bei einer Sitzung anwesend, wurde ein Vorsitzender von den anwesenden Mitgliedern für diese eine Sitzung gewählt.

Noch im Jahr 1877 waren 99 Prozent der 163 Vorsitzenden der Armenverwaltungen in Irland ex-officio Mitglieder, 93 Prozent des ersten Vorsitzenden und 69 Prozent des zweiten Stellvertreters waren nicht gewählte Mitglieder483. In Galway wurde das Amt des Vorsitzenden sogar bis zum Local Government Act von 1898, in dem das ex-officio Element in der irischen Armengesetzgebung abgeschafft wurde, fast ausschließlich von ex-officio Mitgliedern ausgefüllt484. Es gab jedoch drei Ausnahmejahre. Dieses waren die Jahre 1861 und 1862 und das Jahr 1886.

1861 und 1862 wurde die Position des Vorsitzenden von dem katholischen Landbesitzer Anthony O`Flaherty übernommen. Dieser war bereits 1844, 1847 und seit 1849 Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung in Galway, während dieser Jahre aber als ex-officio Mitglied. 1861 und 1862 ließ er sich für den Wahlbezirk Slievaneena aufstellen und wurde gewählt. O`Flaherty erfüllte auch als gewähltes Mitglied die formalen Voraussetzungen für eine ex-officio Mitgliedschaft und war als Justice of the Peace zudem mehrere Jahre im Aufsichtsgremium vertreten. Auch 1863 bis 1866 übernahm er den Vorsitz der Armenverwaltung in Galway, diesmal wieder als ex-officio Mitglied. 1886 gelang es

483 Feingold, "The Tenants` Movement to Capture the Irish Poor-Law Boards 1877-1886," S. 224. Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881," S. 289. 484 Siehe dazu Anhang Tab. 20: Chairman Galway.

154 den Nationalisten, den Posten des Vorsitzenden zu besetzen, und Michael A Lynch übernahm den Vorsitz. Im Folgejahr konnten die konservativ-unionistischen Kräfte innerhalb des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung in Galway aber den Vorsitz wieder erlangen. Major J Wilson Lynch, ein katholischer Landbesitzer, übernahm dieses Amt, welches er schon 1884 und 1885 und dann wieder von 1887 bis 1892 ausübte. In allen anderen Jahren (bis 1899) wurde das Amt in Galway von einem ex-officio Mitglied übernommen.

Die ersten beiden Jahre nach Inkrafttreten des irischen Armengesetzes, 1839 und 1840, waren die einzigen Jahre, in denen ein Protestant, Lachlan MacLachlan, den Vorsitz innehatte. In allen anderen Jahren im gesamten Untersuchungszeitraum war der Vorsitzende in Galway römisch-katholisch. In den Jahren von 1841 bis 1843 und von 1845 bis 1846 übernahm der katholische Landbesitzer Thomas N Redington den Posten des Sitzungsleiters für diese Wahlperioden. Redington, der der Schwiegervater von Major J Wilson Lynch war, wurde 1847 als einer der irischen Poor Law Commissioners Mitglied der zentralen Behörde in Dublin485.

Von 1867 bis 1883 wurde das Amt des Vorsitzenden von Pierce Joyce, einem katholischen Landbesitzer, ausgeübt. 1893 übernahm Thomas MacDonagh, ein gemäßigt nationalistischer katholischer Kaufmann aus Galway und ebenfalls ex- officio Mitglied, diesen Posten und übte ihn bis 1901 aus486. Feingold setzt in seiner Untersuchung die ex-officio Tätigkeit von Mitgliedern der Armenverwaltung mit ihrer politischen Orientierung als konservativ-unionistisch gleich und stellt den politischen und sozialen Gegensatz von ex-officio Mitgliedern und gewählten Vertretern heraus487. Dieses Vorgehen erscheint zu simplifizierend. Die Annahmen Feingolds treffen auf die Person MacDonagh`s nicht zu488. Er war Nationalist und zugleich ex-officio Mitglied. Zudem war er kein großer Landbesitzer, sondern Kaufmann in der Stadt Galway. MacDonagh besaß ein großes Handelsgeschäft und war Produzent einiger Waren. Das Geschäft von Thomas MacDonagh and Sons galt als einer der größten Arbeitgeber in Galway. Bis auf eine Ausnahme

485 Kinealy, "The Irish Poor Law 1838-1862: A Study of the Relationship between the Local and Central Government" S. 131. 486 Die Ereignisse, die zu diesem Wechsel führten, werden im Unterpunkt Politisierung en detail behandelt. 487 Feingold, The Revolt of the Tenantry, S. 26. 488 Gegen diese Annahme spricht auch, dass es in Galway Mitglieder gab, die in einigen Sitzungsperioden als ex-officio Vertreter tätig waren, in anderen als gewählte Vertreter.

155 waren alle Vorsitzenden vor Thomas MacDonagh große Landbesitzer. 1886 wurde ebenfalls ein Kaufmann aus Galway gewählt. Obwohl sich eine Veränderung in der sozialen Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums bereits in der Mitte der 1880er Jahre vollzog, stellten die großen Landbesitzer den Vorsitzenden (bis auf das Jahr 1886) bis 1893. Bis zum Jahr 1886 hatte es bei der Wahl des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter kaum Wettbewerb gegeben. In den ersten Jahrzehnten der Armengesetzgebung wurde die Aufgabe des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter vorwiegend als Sitzungsleiter definiert, der die Tagesordnungspunkte abhandelte, die Berichte der Angestellten kontrollierte und die Protokollbücher abzeichnete. Wer diese Rolle übernahm, wurde nicht als entscheidend angesehen. Erst mit dem Aufkommen politischer Themen in den Sitzungen der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung gewannen Befugnisse des Amtes, wie eingangs dieses Unterpunktes geschildert, an Wichtigkeit. Damit erhielt auch die Wahl des Vorsitzenden eine neue Bedeutung: sie wurde als prinzipielle Auseinandersetzung zwischen zwei politischen Lagern angesehen und war hart umkämpft. Dieser Symbolwert wurde allerdings relativiert durch die tatsächliche Anwesenheit des Vorsitzenden in der Sitzungsperiode und die jeweiligen Mehrheitsverhältnisse bei den wöchentlichen Zusammenkünften. Auch wenn konservativ-unionistische Kräfte in Galway bis in die 1890er Jahre die Posten besetzten, so waren die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter häufig abwesend und die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse sprachen zugunsten der Nationalisten. Die weiteren Sitzungsleiter, Patrick Curran (1905-1917, 1921) und Martin J Cooke, waren katholische Kaufleute aus Galway und Nationalisten. Patrick Cannon, Vorsitzender von 1902 bis 1904, stammte aus der ländlichen Umgebung von Galway und war Farmer. Martin J Cooke, der dieses Amt 1918 versah, war Sinn Feiner.

Der Posten des ersten Stellvertreters wurde im Zeitraum 1839 bis 1899 zu 44 Prozent von ex-officio Mitgliedern und zu 56 Prozent von gewählten Mitgliedern ausgeübt. Von 1839 bis 1841 und 1845 übernahm der Katholik Richard M Lynch dieses Amt. R. M. Lynch besaß eine Branntweinbrennerei in Galway und war gewähltes Mitglied der Armenverwaltung von Galway. Robert Bodkin, der in der Wahlperiode 1847 als erster Stellvertreter bestimmt worden war, war gewähltes Mitglied und hatte einen sehr großen Landbesitz in der Grafschaft Galway. John Ireland, der diesen Posten 1849 und 1850 innehatte, stammte aus einer bedeutenden Brauerei- und Händlerfamilie in Galway. Er war ex-officio Mitglied der

156 Armenverwaltung von Galway. Richard A H Kirwan, der dieses Amt 1851 übernahm, war ein protestantischer Landbesitzer und ex-officio Mitglied. Lange Jahre, von 1853 bis 1856 und von 1858 bis 1870, versah John Redington dieses Amt. John Redington war der land agent von Thomas N Redington und gewähltes Mitglied der Armenverwaltung von Galway. 1884 und 1885 wurde der Sohn von John Redington zum ersten Stellvertreter gewählt. Richard N Somerville war ein Kaufmann aus Galway und gewähltes Mitglied und 1857 erster Stellvertreter. George Morris, der zweite Stellvertreter von 1860 bis 1870 und der erste Stellvertreter von 1871 bis 1880, war ein katholischer land agent und ex-officio Mitglied. 1880 wurde er Commissioner des Local Government Boards, der zentralen Behörde in Dublin, und später dessen Vizepräsident489. James Campbell, der zweite Stellvertreter von 1875 bis 1880 und erste Stellvertreter von 1881 bis 1883, war ein protestantisches ex-officio Mitglied und land agent. 1886 wurde Charles J Kaine, ein katholischer Pächter und Nationalist, in dieses Amt gewählt. Nur ein Jahr später erlangte der konservative große Landbesitzer, Marcus Lynch, den Posten des ersten Stellvertreters, den er auch 1888 und dann von 1891 bis 1893 versah. Marcus Lynch war ex-officio Mitglied. Myles J Keaven, von 1893 bis 1899 in diesem Amt tätig, war ein katholischer land agent und gewähltes Mitglied. Michael Murphy, der den Posten des ersten Stellvertreters in der Sitzungsperiode 1900, von 1905 bis 1914 und von 1916 bis 1918 bekleidete, war ein katholischer Pächter. Die beiden Stellvertreterposten wurden sowohl von Personen aus der ländlichen Umgebung von Galway, als auch von Mitgliedern städtischer Provenienz versehen. Nach dem Erlass des Local Government Act kamen die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway überein, dass im Fall der Wahl einer Person aus der Stadt Galway zum Vorsitzenden das Amt des ersten Stellvertreters von einer Person aus dem ländlichen Umfeld von Galway übernommen werden sollte490, um so eventuellen Konflikten zwischen Stadt und Umland vorzubeugen. Diese Vereinbarung wurde bis 1920 auch eingehalten. 1900 wurde eine Person aus der Stadt Galway gewählt und eine Person aus der ländlichen Umgebung von Galway war der erste Vorsitzende. Von 1902 bis 1905 übernahm eine Person aus der ländlichen

489 Er blieb bis 1898 in diesem Amt, bis er es aus Altersgründen niederlegte. 490 Galway Express 9.6.1900, S. 4: Some time ago, when the new boards were formed, it was agreed by all members that if a townsman were elected as chairman, that a countryman be elected as vice chairman. Therefore Mr Murphy was elected and not Mr Burke.

157 Umgebung den Vorsitz und ein Mitglied aus der Stadt Galway den Posten des ersten Stellvertreters. Ab 1905 bis 1920 führte ein Mitglied aus der Stadt den Vorsitz und eine Person vom Land übernahm das Amt des ersten Stellvertreters.

Das Amt des zweiten Stellvertreters wurde in Galway im Zeitraum 1839 bis 1899 von 62,5 Prozent ex-officio Mitgliedern ausgeübt und von 37,5 Prozent gewählten Guardians. Viele Mitglieder, die dieses Amt ausübten, hatten auch eines der anderen beiden Ämter innegehabt. Die personelle Überschneidung der drei Ämter war sehr groß. Die drei Posten wurden lange Jahre von denselben Personen ausgeübt und der personelle Wechsel war sehr gering. So wurde die Stelle des Vorsitzenden in Galway im Zeitraum von 1838 bis 1921 von insgesamt zehn verschiedenen Personen ausgeübt, das Amt des ersten Stellvertreters von 18 verschiedenen Individuen und das Amt des zweiten Stellvertreters von 21 Mitgliedern der Armenverwaltung von Galway. Da sich diese untereinander noch personell überschnitten, gab es im gesamten Untersuchungszeitraum 37 verschiedene Personen, die einen der drei Posten innehatten491.

Schaut man sich den Posten des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter in Gort an, so kann beim Sitzungsleiter und seinem ersten Stellvertreter eine starke Zweiteilung festgestellt werden492. Der Posten des Vorsitzenden wurde bis 1882, von zwei Ausnahmen abgesehen, immer von einem ex-officio Mitglied, welches ein großer Landbesitzer war, besetzt. Die eine Ausnahme bildete Captain F M Shaw Taylor, der als gewähltes Mitglied den Wahlbezirk Castle Taylor repräsentierte. Er stammte aus einer großen protestantischen landbesitzenden Familie. Allerdings war er auch mehrere Jahre als ex-officio Mitglied im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort tätig. Die andere Ausnahme war Arthur Alexander, ein Jurist und Landbesitzer, der lange Jahre in der Armenverwaltung als gewähltes Mitglied tätig war. Alle Vorsitzenden bis zum Jahr 1882 hatten bedeutenden Landbesitz und zählten in der Grafschaft Galway zu den führenden Grundbesitzern. Der Vorsitzende von 1862 bis 1864, Lord George S Gough, stammte von Loughcooter Castle in Gort und war der Eigentümer der Stadt Gort,

491 Siehe Anhang Tab. 20: Chairman Galway. 492 Siehe Anhang Tab. 24: Chairman Gort.

158 einschließlich des Geländes, auf dem das Arbeitshaus von Gort stand493. Die Mitglieder der Armenverwaltung bezahlten während des gesamten Untersuchungszeitraumes eine halbjährliche Pacht an Lord Gough. Ein langjähriger Vorsitzender der Armenverwaltung in Gort war auch William H Gregory494. Er bekleidete dieses Amt 1855, 1868-1870 und 1878-1881. William Gregory war Mitglied der Armenverwaltung von Gort von 1850 bis zu seinem Tod 1892, mit Unterbrechung wegen Abwesenheit im Ausland in den Jahren 1872 bis 1878. William H Gregory war Abgeordneter im britischen Parlament für Dublin von 1842 bis 1847 und Initiator der Quarter Acre Klausel im Armengesetz von 1847. Er war ein Landbesitzer aus der Nähe der Stadt Gort, Coole Park. In den 1850er Jahren musste er Teile seines Landbesitzes verkaufen, um hohe Spielschulden zu begleichen. Von 1857 bis 1871 war er wiederum Abgeordneter im britischen Parlament und seit 1865 Mitglied der Liberalen Partei. Von 1872 bis 1878 war er Gouverneur von Ceylon. Seit 1880 war er mit Lady Augusta Gregory verheiratet, einer irischen Schriftstellerin und Mitbegründerin des Abbey Theaters in Dublin. Lady Gregory besuchte häufig das Arbeitshaus in Gort und lud Kinder und ältere Bewohner einmal pro Jahr nach Coole Park ein, wo sie Veranstaltungen organisierte. Lady Gregory war Autorin des Theaterstückes „The Workhouse Ward“, welches 1908 uraufgeführt wurde. In ihrem Tagebuch gibt Lady Gregory an, dass die Idee für dieses Stück von einem ihrer Besuche im Arbeitshaus von Gort stammte495.

Ab dem Jahr 1882 wurden ausschließlich gewählte Mitglieder zum Sitzungsleiter des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort gewählt. Von 1882 bis 1893 besetzten nationalistische Kandidaten den Posten des Vorsitzenden in Gort. Dieses waren die Pächter Patrick Corbett, Michael Devany, Thomas Sweeney und James Keane. 1893 allerdings wurde ein land agent, Michael Connolly, zum Vorsitzenden der Armenverwaltung gewählt, der das Amt bis zu seinem Tod im Juni 1896 innehatte. Michael Connolly war land agent für den großen Landbesitzer

493 McNamara and Madden, "Lords and Lore of Lough Cutra," S. 84. 494 C Cooke, Sir William Gregory. Politician, Colonial Governor, Patron of the Arts, 1817-1892 (Yale: 1980), Lady Gregory, Sir William Gregory (1894), Jenkins, Sir William Gregory of Coole: The Biography of an Anglo Irishman. 495 Lady Gregory, Selected Writings, ed. Lucy McDiarmid and Maureen Waters, Penguin Twentieth- Century Classics (London: Penguin, 1995) S. 542. Lady Gregory, The Workhouse Ward. A Farce (London: Samuel French, 1909). James Pethica, Lady Gregories Diaries 1892-1902 (Gerrards Cross: Colin Smythe, 1996) S. 38, 105-08, 20, 98-99, 310.

159 und das ex-officio Mitglied der Armenverwaltung von Gort, John L Bagot. Die Posten des ersten und zweiten Stellvertreters dieser Periode wurden jedoch von nationalistischen Mitgliedern besetzt. Nachfolger von Connolly wurde Patrick F Nilan, ein gemäßigter Nationalist. Patrick F Nilan war ein Justice of the Peace, saß allerdings als gewähltes Mitglied im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort. Der Posten des ersten Stellvertreters war von 1839 bis 1899 zu 52 Prozent von ex-officio Mitgliedern besetzt. Auch hier ist wieder eine deutliche Zweiteilung feststellbar. Vor 1882 wurde dieses Amt überwiegend von ex-officio Mitgliedern versehen, nach 1882 ausschließlich von gewählten Mitgliedern der Armenverwaltung von Gort. Vor 1882 ist eine hohe personelle Überschneidung der Ämter des Vorsitzenden und seiner zwei Stellvertreter feststellbar. Auch ist auffällig, dass mehrere Mitglieder derselben Familie oder verwandter Familien diese drei Posten besetzten. Dominierten vor 1882 Angehörige landbesitzender Familien die drei Leitungsposten, so finden sich nach 1882 Pächter und kleinere Kaufleute aus Gort in diesen Ämtern. Allerdings gab es auch nach 1882 noch verwandtschaftliche Verbindungen zwischen Amtsinhabern. So war der erste Stellvertreter von 1886 und 1887, John Nolan, der Schwager des Vorsitzenden von 1882 bis 1886, Patrick Corbett. Der Posten des zweiten Vorsitzenden wurde im Zeitraum von 1839 bis 1899 zu 78 Prozent von gewählten Mitgliedern ausgeübt. Hierbei ist jedoch wiederum ein deutlicher sozialer Unterschied zwischen den zweiten Stellvertretern vor und nach 1882 feststellbar. Die Personen, die diesen Posten vor 1882 bekleideten, stammten mit großer Mehrheit aus landbesitzenden Familien und waren unionistisch-konservativ. Nach 1882 setzte auch bei diesem Amt ein kompletter personeller Austausch ein, hin zu nationalistischen gewählten Mitgliedern, die überwiegend Pächter und Farmer waren. In Gort gab es insgesamt im gesamten Untersuchungszeitraum 50 verschiedene Personen, die das Amt des Vorsitzenden oder seiner beiden Stellvertreter übernahmen. Das Amt des Vorsitzenden wurde insgesamt von 24 verschiedenen Personen ausgeübt, das Amt des ersten Stellvertreters wurde von 21 unterschiedlichen Mitgliedern der Armenverwaltung und das Amt des zweiten Stellvertreters von insgesamt 25 Guardians besetzt. Damit zeigt sich eine höhere Fluktuation als in der Galway Union, und auch die Amtdauer der einzelnen Personen war nicht so lang wie in Galway.

160

5.1.3 Teilnehmerzahl und Anwesenheit der Mitglieder

Betrachtet man die Teilnehmerzahl der einzelnen Sitzungen in beiden Untersuchungsgebieten, so ist auffällig, dass viele der Sitzungen, besonders in den ersten Jahrzehnten der irischen Armengesetzgebung, kaum besucht waren. 1847 mussten beispielsweise mehrmals Sitzungen in Galway ausfallen, weil zu wenig oder gar keine Teilnehmer erschienen waren496. Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway bestand zu diesem Zeitpunkt aus zehn ex-officio Mitgliedern und 32 gewählten Mitgliedern, in fünf Wahlbezirken hatten sich keine Kandidaten aufstellen lassen. Im Jahr 1847 herrschte in Irland immer noch große Hungersnot und das Arbeitshaus in Galway war überfüllt. Trotzdem waren viele Sitzungen kaum besucht. Eine hohe Teilnehmerzahl herrschte meist nur dann, wenn Resolutionen verabschiedet werden sollten, die eine Änderung im Erhebungsmodus der Armensteuer forderten oder bei denen die Vorsitzendenwahlen anstanden. In diesem Jahr gelang es den Mitgliedern der Armenverwaltung in Galway nicht, aufgrund der Hungersnot beziehungsweise der landwirtschaftlichen Not, eine ausreichende Armensteuer einzusammeln, um die durch die Hungersnot entstandenen hohen Ausgaben zu decken. Mehrmals wurde das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung deswegen von der zentralen Behörde verwarnt, und im Januar 1848 wurde das Aufsichtsgremium infolgedessen aufgelöst und durch zwei bezahlte Beamte ersetzt. Gegen Ende des Jahres 1847 waren daher bei fast jeder Sitzung Repräsentanten der zentralen Behörde anwesend. Der Mittelwert der Teilnehmerzahl während des Jahres 1847 lag bei 12, 52. Insgesamt bestand das Aufsichtsgremium aus 42 Mitgliedern. Bei zehn Sitzungen von insgesamt 48 stattgefundenen Treffen war keiner der gewählten Vorsitzenden oder seiner Stellvertreter anwesend, und der Vorsitz wurde von einem anderen Mitglied übernommen.

Häufig fielen Sitzungen ganz aus, da kein Mitglied der Armenverwaltung erschienen war. Besonders die sogenannten ex-officio Guardians nahmen nur

496 Siehe Anhang Tabelle 22: Anwesenheit Galway Guardians 1847.

161 selten an den Sitzungen teil. Vor allem Treffen, die sich mit der „alltäglichen Routine“ der Verwaltung des Arbeitshauses beschäftigten, waren sehr viel weniger besucht, als Sitzungen, in denen es beispielsweise um die Poor Rate ging. Dieses ist im gesamten Untersuchungszeitraum zu beobachten. Betrachtet man beispielsweise das Jahr 1891 in Galway497, so nahmen von 39 gewählten Mitgliedern der Armenverwaltung in Galway drei an keiner einzigen Sitzung teil. Fünf Guardians waren nur bei einem Treffen während dieses Jahres anwesend, zehn Mitglieder waren bei zwei bis fünf Treffen präsent. Neun Guardians nahmen an sechs bis elf Sitzungen teil. Fünf gewählte Mitglieder der Armenverwaltung waren bei 20 bis 30 wöchentlichen Zusammenkünften gegenwärtig. Weitere fünf Poor Law Guardians nahmen an 31 bis 40 Treffen teil. Ein Mitglied brachte es auf 42 Sitzungen, und ein Guardian war bei sämtlichen 50 Treffen des Jahres 1891 präsent. Bei allen Sitzungen anwesend war lediglich John J Kirwan, ein katholischer Landbesitzer. Er war zugleich einer der Stellvertreter des Vorsitzenden für die Wahlperiode 1890/91 und 1891/92. Kirwan, der zunächst eine vehement unionistisch-konservative Position vertreten hatte, wandelte seine Meinung Anfang der 1890er zu einer gemäßigt nationalistischen Sichtweise, die eine Selbstverwaltung in Irland unter ganz bestimmten Voraussetzungen vertrat. Kirwan war ein Mitglied, das sowohl unionistische als auch nationalistische Kräfte im Board of Guardians anerkannten. Thomas O`Sullivan, ein nationalistisches Mitglied, der wegen seiner politischen Überzeugung auch eine Haftstrafe verbüßen musste, war bei 42 Sitzungen anwesend. Bei allen Mitgliedern der Armenverwaltung, die an 20 bis 40 Treffen teilnahmen, findet sich nur ein konservativ-unionistisches Mitglied, alle anderen waren nationalistische Guardians.

Bei den 34 ex-officio Mitgliedern zeigt sich ein anderes Bild. Es gab einen Guardian, der bei 19 Treffen und damit am häufigsten von allen ex-officio Mitgliedern anwesend war. Ein weiteres ex-officio Mitglied nahm an zwölf Sitzungen teil, und zwei weitere dieser Mitglieder waren bei insgesamt sechs Zusammenkünften präsent. Alle diese bisher aufgezählten ex-officio Guardians vertraten eine konservativ-unionistische Sichtweise. 14 ex-officio Mitglieder waren bei einer bis fünf Versammlungen gegenwärtig und weitere 16 nahmen an keiner einzigen Sitzung des Jahres 1891 teil. Diese Zahlen zeigen eine generelle

497 Siehe Anhang Tab 23: Anwesenheit Galway Guardians 1891.

162 Tendenz auf, die seit dem Beginn der Politisierung der Mitglieder der Armenverwaltung Gültigkeit hat. Gewählte Mitglieder der lokalen Armenverwaltung nahmen weitaus häufiger an den Treffen teil als ex-officio Mitglieder. Nationalistische Mitglieder waren weitaus regelmäßiger anwesend als konservativ- unionistische Kräfte. Viele Guardians, die nur bei einem Treffen anwesend waren, kamen lediglich zur Wahl des Vorsitzenden sowie seiner zwei Stellvertreter. Mehrmals pro Jahr mussten in den Jahrzehnten von 1838 bis zur Mitte der 1870er Jahre Sitzungen ausfallen, da zu wenig Guardians anwesend waren. Ab Mitte der 1870er Jahre war dieses nur noch selten der Fall. In vielen der Sitzungen, bei denen eine große Zahl von Guardians498 anwesend waren, ging es um administrative und finanzielle Fragen, etwa um Personalentscheidungen. Die Verwaltung des Arbeitshauses scheint kaum der Grund für eine Mitgliedschaft im Board of Guardians gewesen zu sein, sondern das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung wurde von den Mitgliedern vielmehr als wichtiges lokales Organ betrachtet, an dessen Entscheidungen man beteiligt sein wollte.

Noch 1880 erhielten die Mitglieder der Armenverwaltung in Galway eine Anfrage der zentralen Behörde in Dublin, ob die Guardians für einen vakanten Guardianposten im Wahlbezirk Inishmore, einer der vor Galway gelegenen Aran- Inseln, eine Nachwahl abhalten wollten, um diese Vakanz eventuell zu beseitigen499. Die Guardians hielten das nicht für nötig, da “none of the previously elected Guardians for that Division had ever attended a meeting of the Board”500. Das Mitglied der Armenverwaltung für diesen Wahlbezirk war seit 1860 Robert Stephens. Er hatte zwar Besitz auf den Aran-Inseln, lebte und arbeitete jedoch in der Stadt Galway als Anwalt und Notar. Seit Beginn seiner Mitgliedschaft im Poor Law Board nahm Stephens in der Tat an nur sehr wenigen Sitzungen teil, in der Regel nur einmal pro Jahr, bei der ersten Zusammenkunft des Aufsichtsgremiums nach den jährlichen Poor Law Wahlen, in der der Vorsitzende sowie zwei Vertreter desselben gewählt wurden.

498 Durchschnittlich waren das in Galway mehr als 25 Guardians. 499 Galway Minute Book 20.8.1880. 500 Ebenda.

163 In Gort war die Teilnahme an vielen Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung ebenfalls gering. Besonders in den ersten Jahrzehnten fielen viele Zusammenkünfte immer wieder aus, da zu wenig oder überhaupt keine Mitglieder erschienen waren. Die Anwesenheit der ex-officio Mitglieder war besonders gering. Von 50 abgehaltenen Sitzungen zwischen 1882 und 1883 nahmen von 18 ex-officio Mitgliedern elf an keiner einzigen Sitzung teil. Weitere fünf dieser Justices of the Peace waren bei weniger als fünf Treffen anwesend. Ein Abgeordneter war bei neun Zusammenkünften dabei, und ein weiterer nahm an 24 Sitzungen teil. Dieses war Viscount Walter Shawe Taylor, ein großer Landbesitzer. Er vertrat eine politisch gemäßigte Position und wurde von den nationalistischen Mitgliedern immer positiv dargestellt. Von den 18 gewählten Guardians in Gort nahmen nur zwei Mitglieder an weniger als fünf Sitzungen teil. Einer davon, Owen Sweeney, legte im Februar 1883 seinen Posten „aus gesundheitlichen Gründen“501 nieder, welches als Grund für seine geringe Beteiligung an Sitzungen des Zeitraumes 1882/83 angenommen werden kann. Zwei weitere Mitglieder nahmen an fünf beziehungsweise neun Treffen teil. Ein weiteres Mitglied war bei 13 Zusammenkünften anwesend, vier Guardians waren bei 15-20 Sitzungen vertreten und einer bei 21 Treffen. Drei Vertreter nahmen an 25-30 Treffen teil, und fünf Guardians waren bei mehr als 30 Sitzungen anwesend. Der Vorsitzende der Armenverwaltung, Patrick Corbett, hatte an nur 13 Sitzungen teilgenommen. Am häufigsten anwesend in den zwölf untersuchten Monaten waren P C Spelman, ein konservativ-unionistisches Mitglied, und John Nolan, ein Nationalist und Schwager von Patrick Corbett, mit je 38 besuchten Sitzungen. Spelman war allerdings nach dem März 1883 nicht mehr im Aufsichtsgremium vertreten.

Schaut man sich die Anwesenheit der Mitglieder der Armenverwaltung in der Sitzungsperiode von 1895 bis 1896 an502, so ergibt sich ein ähnliches Bild wie 1882/83. 15 der 18 ex-officio Mitglieder erschienen zu keinem einzigen Treffen der Armenverwaltung in dieser Zeit. Ein Guardian nahm an einer Sitzung teil, ein weiteres ex-officio Mitglied war bei drei Zusammenkünften dabei. Lediglich ein ex- officio Mitglied nahm an zehn Treffen teil. Die gewählten Mitglieder nahmen weitaus regelmäßiger teil. Allerdings gab es auch bei ihnen nur ein Mitglied,

501 Gort Minute Book 24.2.1883. 502 Tuam News 3.4.1896, S. 3.

164 welches mit 24 Teilnahmen die höchste Anwesenheitsquote erzielte, und damit nur bei etwa der Hälfte der insgesamt stattgefundenen Sitzungen anwesend gewesen war. Es gab kein gewähltes Mitglied, das bei keinem Treffen anwesend war, die niedrigste Teilnahme lag mit vier Treffen bei dem ehemaligen Vorsitzenden, Pat Corbett. Fünf Mitglieder waren bei fünf bis zehn Sitzungen dabei, sechs weitere gewählte Guardians brachten es auf 11 bis 15 Teilnahmen. Eine Person nahm an 16 Zusammenkünften teil, und vier weitere Mitglieder waren bei 20 bis 25 Sitzungen anwesend.

5.1.4 Weibliche Poor Law Guardians

Im April 1899 wurden die County Councillors, die Rural District Councillors und die Poor Law Guardians für die urban districts gewählt. Galway City war der einzige urban district in der Grafschaft Galway, und hier wurden 16 Guardians gewählt. Bei dieser Wahl wurden überwiegend die amtierenden Guardians wiedergewählt. Erstmals stellten sich bei dieser Wahl auch zwei Frauen zur Wahl der Poor Law Guardians. Die eine Kandidatin, Sarah H. Persse, stammte aus einer einflussreichen Fabrikantenfamilie. Zwei Brüder dieser Frau waren Mitglieder der Galway Guardians gewesen. Die andere Kandidatin, Esther Jesson, war die Frau eines Grand Jurors. Beide Frauen waren Protestantinnen und mit Unionisten verheiratet. Beide Kandidatinnen waren aktiv in wohltätigen Organisationen tätig, und Mrs Persse leitete eine protestantische Organisation wohltätiger Damen503.

Dass sich zwei Frauen zur Wahl stellten, wurde von den lokalen Zeitungen mit großem Interesse aufgenommen504. In einem Artikel findet sich folgendes: „There

503 Mary Clancy, ""On the Western Outpost": Local Government and Women`S Suffrage in County Galway, 1898-1918," in History and Society: Interdisciplinary Essays on the History of an Irish County, ed. Gerard Moran (Dublin: Geography Publications, 1996), S. 558. Michael Kavanagh, "The Protestant Community in Galway, 1900-1926, a Town Not Theirs?" (M.A. thesis, NUIGalway, 2004) S. 73. 504 Siehe dazu etwa: Galway Express 11.3.1899, S.3; 18.3.1899, S. 3, Galway Pilot, 25., 30.3.1899, Galway Vindicator 1.4.1899.

165 were many women and children in the workhouses and they could best be helped by other women. As well as there were many women ratepayers. If elected she promised to watch over the interests of the poor and to give special attention to the domestic questions upon which the well being of the workhouse depended”505. Mehrere Zeitungsberichte betonten, dass viele Aspekte der Arbeit der Guardians mit “domestic matters, like cooking for example” zu tun hätten und deshalb besonders für Frauen geeignet seien. Eine katholische Zeitung aus Galway äußerte dagegen Bedenken, da der Frauenbereich und das Krankenhaus im Arbeitshaus von Galway von Nonnen geleitet wurden und es möglicherweise zu Spannungen kommen könnte, wenn nun protestantische Frauen sich um dieses kümmern würden506. Beiden Kandidatinnen gelang es am Wahltag jedoch nicht, in das Poor Law Board of Guardians gewählt zu werden. Im Bezirk Galway West, in dem eine Kandidatin aufgestellt worden war, gab es nur fünf Kandidaten für vier Plätze, doch die weibliche Kandidatin bekam mit Abstand die wenigsten Stimmen. Allerdings waren alle anderen Kandidaten schon langjährige Mitglieder der kommunalen Armenfürsorge gewesen und wurden wiedergewählt. Die andere Kandidatin stellte sich im Bezirk Galway Süd zur Wahl und wurde bei acht Kandidaten für vier Plätze Vorletzte. Keine der Kandidatinnen trat noch einmal bei einer Wahl an. Frauen gestattete man in Irland im Jahr 1896, als Poor Law Guardians zu agieren. Damit hatten Frauen die Möglichkeit, sich direkt an einem wichtigen Teil der lokalen Verwaltung zu beteiligen507. Gefordert hatten dies Frauen in Irland und England508 unter anderem mit der Begründung, dass sie durch eine lange Tradition im wohltätigen Bereich bestens vorbereitet für die Arbeit als Guardian seien509. Auch gerade die Tatsache, dass sie Frauen seien, und damit von der Gesellschaft als mit speziellen moralischen und spirituellen Eigenschaften ausgestattet angesehen wurden, diente als Argumentationshilfe. So

505 Galway Vindicator 1.4.1899. 506 Galway Pilot 25.3.1899, 30.3.1899. Siehe dazu auch einen Leserbrief von “a Galway Woman” gegen die beiden Artikel im Pilot, in: Galway Express 1.4.1899, S.3. 507 Luddy, Women in Ireland 1800-1918: A Documentary History S. 202. Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland S. 196-97. 508 In England gab es bereits seit 1875 weibliche Poor Law Guardians. Siehe dazu etwa: King, Women, Welfare and Local Politics 1880-1920: "We Might Be Trusted". Steven King, "“We Might Be Trusted”: Female Poor Law Guardians and the Development of the New Poor Law: The Case of Bolton, England, 1880–1906," International Review for Social History 49, no. 1 (2004). 509 Luddy, Women in Ireland 1800-1918: A Documentary History S. 200.

166 sprach etwa Emily Dickson im Jahr 1895 davon, dass Frauen gerade aufgrund ihrer „domestic capabilities“ ideale Kandidaten für die Poor Law Boards seien510. Ein Jahr nachdem es Frauen gestattet war, in die Poor Law Boards gewählt zu werden, gab es in ganz Irland 13 weibliche Guardians of the Poor. 1898 war die Anzahl auf 22 Frauen gestiegen, und 1899 schließlich gab es schon mehr als 80 Frauen landesweit. Weibliche Guardians stellten eine Minorität dar bei etwa 8.000 Guardians insgesamt landesweit. Auch in der Grafschaft Galway gab es vereinzelt weibliche Guardians, nicht jedoch in den Untersuchungsgebieten Galway und Gort. In Gort gab es im gesamten Untersuchungszeitraum keine einzige weibliche Kandidatin. Nach dem Misserfolg der Kandidatinnen bei den Wahlen von 1899 gab es bis 1920 keine weiteren Anwärterinnen auf das Amt des Poor Law Guardians. In der Galway Poor Law Union kam es im gesamten Untersuchungszeitraum lediglich einmal vor, dass eine Frau Mitglied im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung wurde. Im Jahr 1920 wurde Edith Young, eine Katholikin und aktive Frauenrechtlerin511, in das Board of Guardians gewählt.

5.1.5 Zusammenfassung

Die Untersuchung der sozialen Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung zeigt, dass dieses bis weit in die 1880er Jahre und teilweise noch darüber hinaus bis zum Local Government Act von 1898 von einer kooperationswilligen Eliteschicht dominiert war, die an der Erhaltung des Status

510 Emily Winifred Dickson, The need for women as Poor Law Guardians, in: Dublin Journal of Medical Science 99 (April 1895), abgedruckt in: Ibid. S. 201. 511 Mary Clancy, ""...It Was Our Joy to Keep the Flag Flying": A Study of the Women`S Suffrage Campaign in County Galway," UCG Women`s Studies Centre Review 3 (1995): S. 99. Keane, "The Concerns of Local Politics: A Study of Galway 1918-1928" S. 75.

167 Quo interessiert war512. Die irische Armengesetzgebung mit ihrer flächendeckenden Einrichtung einer völlig neuen Form lokaler Verwaltung und deren Konstitution diente dem Ausbau und der Sicherung der Herrschaft Englands über Irland mittels dieser Eliteschicht. Institutionelle Regelungen, wie die enge Anbindung und Kontrolle der lokalen Armenverwaltungen an eine zentrale Behörde in Dublin, forcierten dies. Auch das Wahlrecht bevorzugte diese Elitenschicht deutlich. Die großen Landbesitzer und ihre Vertreter stellten bis zum Local Government Act die Mehrheit der Mitglieder. Wie die Analyse der Teilnehmerzahl der einzelnen Sitzungen jedoch gezeigt hat, nahmen viele der Landbesitzer, besonders als ex-officio Mitglieder, nur unregelmäßig und seltener an den Sitzungen teil als die gewählten Mitglieder. Die gewählten Mitglieder konstituierten sich in den ersten Jahrzehnten vorwiegend aus dem Landadel und in Galway aus der städtischen Eliteschicht der mächtigen Kaufmannsfamilien. Dieses begann sich ab der Mitte der 1880er Jahre aufzulösen, als vermehrt Farmer und kleinere Ladenbesitzer, aber auch andere Berufsgruppen, wie Handwerker, in die Aufsichtsgremien gewählt wurden. Nach 1899 setzte sich das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Galway vorwiegend aus Farmern und Ladenbesitzern zusammen. Es waren aber immer noch vereinzelt Landbesitzer und Angehörige der mächtigen Kaufmannsfamilien aus Galway vertreten. Die Veränderung bedeutete, dass nun vorwiegend gemäßigt nationalistische Personen die lokale Verwaltung dominierten, die für eine Selbstverwaltung Irlands eintraten und der britischen Regierung kritisch gegenüberstanden.

In Gort hatte sich die soziale Zusammensetzung seit Mitte der 1880er Jahre dauerhaft geändert. Die gewählten Mitglieder waren fast ausschließlich Pächter und/oder Farmer. Zwar waren die ex-officio Mitglieder bis 1899 noch große Landbesitzer, sie nahmen jedoch kaum oder gar nicht an den Treffen teil.

512 So auch Martin Schaffner, "Das Verhältnis Von Irland Zu England Zwischen 1800 Und 1850. Modellfall Oder Abhängigkeit? Überlegungen Zur "Grossen Hungersnot" (1845- 1849)," Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 33 (1983): S. 308.

168 5.2 Verhältnis zentrale-lokale Administrationsebene

Die zentrale Behörde besaß umfangreiche Weisungs- und Kontrollbefugnisse über die lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Irland. Virginia Crossman bezeichnet dieses als „tutelary function“513. Die zentrale Behörde sollte die lokalen Armenverwaltungen führen und beraten, aber auch kontrollieren und eine ökonomische, effiziente und objektive Arbeitsweise der lokalen Gremien sicherstellen. Um das Verhältnis von zentraler und lokaler Administrationsebene aufzuzeigen und in ihrer zeitlichen Entwicklung zu betrachten, werden Konflikte zwischen den beiden Ebenen ausgewertet. Gefragt wird auch, ob mit der Erweiterung des Aufgabenspektrums über die eigentliche Armenadministration hinaus auch eine Einflussakkumulation des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort einsetzte. Auch in diesem Kapitel werden dabei Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Entwicklung mit der Galway Poor Law Union herausgearbeitet.

5.2.1 Konflikte um Zuständigkeiten

Eine der wichtigsten Befugnisse der zentralen Behörde war die Ernennung der bezahlten Beamten der Union. Die Auswahl dieser Angestellten war die Aufgabe der Guardians, die Einstellung war jedoch abhängig von der Zustimmung der zentralen Behörde. Die Regelung führte zuweilen zu Auseinandersetzungen mit den Poor Law Commissioners. Zwischen der zentralen Behörde und dem Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Galway bestand ein enger persönlicher Kontakt. Der für Galway zuständige Vertreter der zentralen Behörde, der Poor Law

513 Crossman, "The New Ross Workhouse Riot of 1887: Nationalism, Class and the Irish Poor Laws," S. 139.

169 Inspector Dr. Brodie, stammte gebürtig aus Galway und wohnte dort514. Er war bis zum März 1879 für mehrere Poor Law Unions im Westen Irlands verantwortlich. Dr. Brodie nahm an sehr vielen Sitzungen der Galway Guardians teil. Dem Aufsichtsgremium von Gort stattete Brodie zwischen zwei bis fünfmal pro Jahr einen Besuch ab. In Gort war er also in weitaus geringerem Ausmaß präsent als in Galway. Die häufige Anwesenheit des Vertreters der zentralen Behörde bedeutete für Galway auf der einen Seite eine stärkere Überwachung und Kontrolle der Aufgabenwahrnehmung des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung, auf der anderen Seite konnten so Fragen oder Unklarheiten direkt beseitigt werden, ohne dass mit der zentralen Behörde in Dublin korrespondiert werden musste. Sowohl das Aufsichtsgremium in Galway, als auch in Gort, versuchten von Anfang an, den weitreichenden Weisungs- und Kontrollbefugnissen, die der zentralen Behörde im irischen Armengesetz von 1838 eingeräumt wurden, entgegenzuwirken und ihren eigenen Einfluß zu stärken. Im Jahr 1845 erklärte das Aufsichtsgremium in Gort: „That deeming it consistent with reason and justice, that these who have the appointment and payment of their Officers, should alone exercice control over them. We consider the power claimed in the 41st article of the General regulations of the Commissioners515 both arbitrary and oppressive ….strongly protest against the assumption of such arbitrary power by the Commissioners, as being calculated to render the Poor Law (already unpopular) still more odious and detestable to the people of Ireland”516. Die Guardians in Gort protestierten in diesem Beschluss nicht nur gegen die umfassenden Machtbefugnisse der zentralen Behörde, sondern auch gegen die gesamte Armengesetzgebung. Gleichzeitig forderten sie für die lokalen Armenverwaltungen größere Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse. In dem Protokollbuch findet sich kein Antwortschreiben der zentralen Behörde vermerkt. Zu Beginn des Jahres 1848 machte die zentrale Behörde von genau diesem Recht der Auflösung des Aufsichtsgremiums Gebrauch, nachdem es den Mitgliedern in Gort über einen längeren Zeitraum nicht gelungen war die Armensteuer einzusammeln aufgrund der herrschenden Hungersnot. Die Aufsicht der lokalen Armenverwaltung wurde von bezahlten Guardians übernommen, und

514 Galway Vindicator, 25.3.1865, S. 2, 26.3.1879, S. 3. Jeder Poor Law Inspector hatte zwischen 6 und 18 Poor Law Unions in seinem Zuständigkeitsbereich. 515 Dieser Artikel erlaubte der zentralen Behörde die Ernennung von bezahlten Guardians nach einer Auflösung des Board of Guardians. 516 Gort Minute Book 8.6.1844-5.7.1845, S. 258f..

170 das Board of Guardians wurde wegen der finanziellen Schwierigkeiten der Union aufgelöst517. Seit dem Jahr 1850 gab es wieder reguläre Poor Law Wahlen.

Die finanzielle Situation der Gort Union bildete bis zum Erlaß des Local Government Acts eine ständige Konfliktquelle mit der zentralen Behörde. Die monetäre Lage von Gort befand sich in einem konstant schlechten Zustand, da es nur selten gelang, die vollständige Höhe der Armensteuer einzusammeln. Weite Teile der Gort Union waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wirtschaftlich stark unterentwickelt. Auch in der Galway Union gab es permanente Schwierigkeiten die Armensteuer einzusammeln, vor allem in besonders strukturschwachen Wahlbezirken aus dem Umland von Galway, wie etwa den Aran Inseln. Dieses führte ebenfalls zu regelmässigen Auseinandersetzungen mit der zentralen Behörde, die ein harscheres Vorgehen der Aufsichtsgremien zur Erhebung der Armensteuer forderte. Am stärksten spiegelte sich dieser Konflikt in regelmässigen Aufforderungen der zentralen Behörde wider, die Rate Collectors, also die Personen, die die Armensteuer einsammelten, zu entlassen. Die lokalen Aufsichtsgremien wehrten sich entschieden gegen solche Aufforderungen, konnten sich in den meisten Fällen jedoch nicht gegen die zentrale Behörde durchsetzen. Den Argumenten der Aufsichtsgremien, dass die lokale Behörde lediglich allgemeine Kontroll- und Weisungsbefugnisse habe und auf keine Einzelfallentscheidungen Einfluß nehmen dürfe, standen die Darlegungen der zentralen Behörde entgegen, die eine Aufgabenvernachlässigung als gegeben sah, die von den Aufsichtsgremien nicht beseitigt würde. Auseinandersetzungen zwischen der zentralen und lokalen Behörde über den Verbleib oder die Entlassung von Angestellten waren häufig.

In einem Fall von 1866/67518 hatten sich Auseinandersetzungen zwischen der lokalen Armenverwaltung in Gort und der zentralen Behörde um den Posten des Apothekers des Arbeitshauses über mehrere Monate hingezogen. Die zentrale Behörde hatte die Entlassung des Apothekers angeordnet wegen „Vernachlässigung seiner Aufgaben“, was die Guardians zunächst nicht akzeptierten, aber sich nach einer Anweisung der zentralen Behörde (order under seal) doch beugten. Es gelang den Mitgliedern der Armenverwaltung nicht, einen

517 Gort Minute Book 18.2.1848. 518 Siehe dazu etwa Gort Minute Book 26.3.1867:

171 neuen Kandidaten für diesen Posten zu finden, so dass sie schließlich den alten Apotheker wieder einsetzten519. Die zentrale Behörde akzeptierte diese Entscheidung. Das Beispiel zeigt, dass die zentrale Behörde auf nahezu alle Entscheidungen und Zuständigkeitsbereiche der lokalen Armenverwaltung Einfluss zu nehmen versuchte. Wenn die zentrale Behörde die „Vernachlässigung von Pflichten“ als gegeben ansah, entweder indem sie in den Protokollbüchern dazu etwas las oder durch den Repräsentanten der zentralen Behörde, den Poor Law Inspector, der regelmäßig an den Sitzungen der lokalen Armenverwaltung teilnahm, informiert wurde, forderte sie die Mitglieder der Armenverwaltung auf, den Angestellten zu entlassen. In den meisten Fällen untersuchten die Mitglieder der Armenverwaltung den Einzelfall näher und legten der zentralen Behörde dann ihre Entscheidung dar. Entweder entließen die Guardians den Angestellten oder kamen zu dem Ergebnis, dass eine „Vernachlässigung“ in ihren Augen nicht gegeben oder entschuldbar sei. In den meisten Fällen beschlossen die Mitglieder der Armenverwaltung, dem betreffenden Angestellten „noch eine zweite Chance“ einzuräumen. Die zentrale Behörde widersprach allerdings in den meisten Fällen den Entscheidungen der Mitglieder der Armenverwaltung. Sie verlangte weitere Begründungen vom Aufsichtsgremium oder leitete eine Untersuchung durch den Repräsentanten der zentralen Behörde, den regionalen Poor Law Inspector, ein. Je nach Ausgang dieser Untersuchungen und Reaktion der Mitglieder der Armenverwaltung, konnte die zentrale Behörde mit einer „order under seal“ die Mitglieder der Armenverwaltung dazu anweisen, dem Erlass der zentralen Behörde Folge zu leisten. Weitreichende Kontrollbefugnisse über die Angestellten der lokalen Armenverwaltung waren der zentralen Behörde in der irischen Armengesetzgebung von 1838 zugestanden520. Weigerten sich die Mitglieder der Armenverwaltung dann immer noch den Anweisungen nachzukommen, so konnten

519 Dieses Verhalten der Mitglieder der Armenverwaltung könnte auch als “Taktieren” gedeutet werden, d.h. sie suchten gar nicht aktiv nach einem Nachfolger. Dem steht jedoch entgegen, dass sie mehrmals Anzeigen in der lokalen Presse aufgaben, die sie als Beweis für die zentrale Behörde auch in das Protokollbuch einklebten. Das Vorgehen unterschied sich in diesem Fall nicht von dem bei anderen Stellenangeboten der Union. Zudem zeigt die Analyse der Zensusdaten von 1861 und 1871, dass es in Gort und in ganz Connaught nur sehr wenig Apotheker gab. 1861 gab es in der gesamten Provinz Connaught 31 Apotheker und Apothekergehilfen. 1871 gab es 15 Apotheker in der Grafschaft Galway, inklusive der Stadt Galway. Dieses erklärt die Schwierigkeiten die Stelle neu zu besetzen. Siehe dazu: Census 1861, Province of Connaught, Vol. II, S. 713; Census 1871, County and County of the town of Galway, Vol. IV, S. 126. 520 Siehe dazu: Irish Poor Law Act 1838, § 3, 6, in: A Collection of the Public General Statutes 1838, 1.&2. Victoria, Dublin 1838, S. 318f..

172 Geldstrafen verhängt oder sogar das Aufsichtsgremium aufgelöst und durch bezahlte Angestellte der zentralen Behörde ersetzt werden521. Den Mitgliedern der Armenverwaltung von Gort gelang es in dem oben geschilderten Beispiel zwar, den entlassenen Apotheker wieder in sein Amt einzusetzen, doch nur, weil sie in einem längeren Zeitraum keinen anderen Kandidaten für diesen Posten finden konnten - auch dann nicht, als die zentrale Behörde für diesen Posten ein höheres Gehalt genehmigte. Als der ursprüngliche Amtsinhaber wieder eingesetzt wurde, gelang es den Mitgliedern der lokalen Armenverwaltung allerdings, dass dieser auch zu dem höheren Gehalt eingestellt wurde, welches die zentrale Behörde zuvor für einen neuen Kandidaten genehmigt hatte522.

Ein Beispiel für einen Konflikt über die Entlassung von Angestellten aus Galway ist das von Mr Flynn, der von den Guardians als Relieving Officer für die Stadt Galway beschäftigt wurde. Über diesen Relieving Officer beschwerte sich ein Mitglied der Guardians und warf ihm Beleidigung vor523. Sofort nach Anhörung von Mr. Flynn vor dem Board of Guardians erklärte er den Rücktritt von seinem Amt. Nur wenige Tage später widerrief er seinen Rücktritt, und die Guardians akzeptierten seinen Verbleib im Amt524. Für das lokale Aufsichtsgremium war der Fall damit erledigt. Daraufhin schalteten sich aber die Poor Law Commissioners ein und wiesen die Guardians an Mr. Flynn zu entlassen, da er sein Amt - ihrer Meinung nach - nicht zur Zufriedenheit der Commissioners ausgefüllt habe. Sie nahmen die Beleidigung als Anlaß eine Entlassung von Flynn zu fordern: „the Comm [issioners] think that under the circumstances described in the Guardians Minute of 26th, namely the unbecoming language used by Relieving Officer Flynn to a member of the Board of Guardians, and having regard to the very inefficient manner in which he has hitherto discharged the duties of his office, the Guardians should not have permitted Mr. Flynn to withdraw his resignation and requesting that the Guardians will be good enough to reconsider the matter with a view of

521 Siehe dazu: Irish Poor Law Act 1838, § 26, 102, in A Collection of the Public General Statutes 1838, 1.&2. Victoria, Dublin 1838, S. 345. 522 Gort Minute Book 26.3.1867. 523 Galway Minute Book, 26.7.1872. 524 Galway Minute Book, 2.8.1872.

173 appointing a suitable person in this place.525” Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums von Galway berieten über die Aufforderung der zentralen Behörde, kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass Flynn in seinem Amt verbleiben sollte526. Die Commissioners wandten sich erneut an die Guardians und wiesen sie wiederum an, Mr. Flynn zu entlassen „without further delay“527. Die Guardians weigerten sich erneut, woraufhin sie von den Poor Law Commissioners mit einer „order under seal“ dazu angewiesen wurden528. Die Guardians mussten sich dieser Entscheidung fügen, wenn sie keine Auflösung des Boards riskieren wollten, schrieben aber an die zentrale Behörde:

„The decision of the Commissioners in removing by sealed order we have learned with anxiety and regret as it conveys a want of due courtesy to repeatedly expressed wishes of this Board and very planily seeks to transfer one of their most important functions of our office vz. the control of our officers from this body to themselves. A Circumstance very much aggravated in this instance by the fact that the case against Mr. Flynn at present rests entirely on unsupported charges.529” Der Fall des Relieving Officers Flynn erregte auch überregionales Aufsehen und das Freeman`s Journal berichtete darüber in einem Artikel „The Poor Laws in the West“530. Der Artikel forderte: „an immediate change in the law, guaranteeing to the local boards the control of their own officers in whose efficiency and character they have a far more vital interest, and should be better judges than three gentlemen sitting in Dublin“531. Nur wenige Monate zuvor war der Local Government Act in Kraft getreten, der eine Stärkung der Position der zentralen Administrationsebene zum Inhalt hatte. Die zentrale Behörde beaufsichtigte nun die gesamte lokale Verwaltung in Irland. Dieses könnte also eine erste Demonstration der Stärke gewesen sein.

525 Galway Minute Book, 16.8.1872. 526 Ebenda. 527 Galway Minute Book, 30.8.1872. 528 Galway Minute Book, 6.9.1872. 529 Ebenda. 530 Freeman`s Journal, 13.9.1872. 531 Ebenda.

174 Auch grundsätzliche Entscheidungen, die Größe und Aufteilung der Verwaltungsbezirke betreffend, konnte zu Auseinandersetzungen führen. Im September 1871 wurden die zwei „Dispensary Districts“, aus denen die Gort Poor Law Union vorher bestanden hatte, in drei Bezirke aufgeteilt532 „in compliance with the intimation of the Commissioners and the unanimous feeling of the Board533“. Im Jahr 1885 allerdings gab es im Gort Board of Guardians Diskussionen darüber, und die Mitglieder der Armenverwaltung beschlossen, wieder zu zwei Bezirken zurückzukehren534, um Kosten bei der Verwaltung einzusparen. Die zentrale Behörde stimmte nicht mit dem Wunsch der Mitglieder der Armenverwaltung überein, woraufhin das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort erklärte, wie sie sich von der zentralen Behörde behandelt fühlten: „with the greatest disrespect in not giving its sanction to the frequently expressed wish of the Board in having the union divided into two instead of three Dispensary Disctricts“535. Weiter erklärten die Mitglieder der Armenverwaltung gegenüber der zentralen Behörde, dass „it is contrary to fact that the Dispensary District of the Union would be larger in area and in population than any of the Dispensary Districts in the Country. This Board consider that they are the best judges of what is necessary for the welfare of the Ratepayers and poor of the Union and will not for a moment abate one little of their authority as Guardians of the poor nor recede one step from the position they had taken on this subject, let the consequences be what they may”536. Die Aussagen des zu diesem Zeitpunkt nationalistisch dominierten Aufsichtsgremiums in Gort sind sehr selbstbewußt gehalten und zweifeln die Kompetenz der zentralen Behörde an, in solch einem Fall zu entscheiden. Das Aufsichtsgremium in Gort sieht sich in Kenntnis der lokalen Gegebenheiten als die allein zuständige Stelle an, die in diesem Fall zu entscheiden habe und kündigt der zentralen Behörde direkt an, keine Konsequenzen, vor allem die Auflösung des Aufsichtsgremiums, nicht zu fürchten. Das negative Sanktionsmittel der Entlassung des Boards wirkte nun nicht mehr so abschreckend auf die lokalen Aufsichtsgremien, dass die zentrale Behörde damit alle Konflikte im Zweifelsfall für

532 Galway Minute Book 9.9.1871. Dieses waren der Bezirk Gort, Ballindereen und neu: Ardrahan. 533 Ebenda. 534 Gort Minute Book 13.11. 1885. 535 Gort Minute Book, 13.11. 1885. 536 Gort Minute Book, November 1885.

175 sich entscheiden konnte. Die nationalistischen Aufsichtsgremien in Irland stellten zunehmend die Autorität der zentralen Behörde in Frage und versuchten den eigenen Entscheidungs- und Handlungsspielraum zu erweitern. Das lokale Aufsichtsgremium in Gort beanspruchte die alleinige Zuständigkeit in seinem Verwaltungsbezirk. Im Dezember 1885 ernannte die zentrale Behörde einen Arzt für den dritten Dispensary District, den die Mitglieder der Armenverwaltung auflösen wollten537. Das lokale Aufsichtsgremium in Gort erkannte diese Ernennung nicht an538. Die Auseinandersetzung zwischen der zentralen Behörde und der lokalen Armenverwaltung über diesen Dispensary District zog sich noch ein weiteres dreiviertel Jahr hin, bis im Oktober 1886 die Mitglieder der lokalen Armenverwaltung den dritten Dispensary District und den dort eingesetzten Arzt anerkannten539. Obwohl die lokale Armenverwaltung vehement gegen die Entscheidung der zentralen Behörde protestierte und durchaus selbstbewusst auftrat, war das Aufsichtsgremium in Gort nicht bereit eine Auflösung des Boards zu riskieren. Als die Warnungen der zentralen Behörde schärfer wurden, beugten sich die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort der zentralen Behörde. Ein weiteres Beispiel demonstriert das selbstbewusste Auftreten der Armenverwaltung von Gort gegenüber der zentralen Behörde und die politischen Implikationen von Konflikten.

Im Jahr 1882 schrieb ein Mitglied der Armenverwaltung von Gort, P C Spelman, einen Brief an die zentrale Behörde, in dem er sich über die unzureichende Einsammlung der Armensteuer, die Amtsführung eines Rate Collectors und den Umgang des Aufsichtsgremiums mit diesem Fall beschwerte540. Er warf dem Rate Collector Corbett vor, die Armensteuer nur sporadisch und in unzureichendem Maße einzusammeln. Zu diesem Zeitpunkt standen insgesamt ₤209 Armensteuer in der Gort Poor Law Union aus, davon entfielen auf den Bezirk vom Rate Collector Corbett ₤163541. Der Vorsitzende der Armenverwaltung Patrick Corbett, war der Bruder des Rate Collectors, und dieser verhindere, zusammen mit anderen Mitgliedern der Armenverwaltung, Diskussionen über und Maßnahmen gegen den

537 Gort Minute Book, 12.12.1885. 538 Ebenda. 539 Gort Minute Book Oktober 1886. 540 Tuam News 27.10.1882, S. 3. 541 Tuam News 17.11.1882, S. 3.

176 Rate Collector, so der Vorwurf Spelmans. Spelman fragte die zentrale Behörde, ob Corbett seines Amtes als Vorsitzender enthoben werden könne. Bei dieser Angelegenheit spielten auch politische Faktoren eine Rolle. Spelman war ein konservativ-unionistisches Mitglied der Gort Guardians und wollte durch diesen Brief auch den nationalistischen Vorsitzenden Corbett seines Amtes entheben. Spelman schreibt in seinem Brief über den Vorsitzenden Corbett „who has qualified for the position as ‘suspect’“, und fährt fort, dass der Rate Collector innerhalb des Aufsichtsgremiums „fortified by the presence and support of a coterie who give special attention to him”542. Die zentrale Behörde erbat von den Mitgliedern der Armenverwaltung ihre Meinung in dieser Angelegenheit, die dann in einer Sitzung am 17.11.1882 heftig diskutiert wurde543. Die nationalistische Zeitung Tuam News berichtete in einem fast dreispaltigen Artikel darüber und druckte die Diskussionen ab. Dabei drehte sich die Auseinandersetzung weniger um die Sache an sich, sondern um prinzipielle politische Haltungen. So warfen einige nationalistische Mitglieder Spelman vor, sich des Vorsitzenden „entledigen“ zu wollen. Sie beschuldigten Spelman sogar, er habe den Brief an die zentrale Behörde geschrieben, um eine Auflösung des Aufsichtsgremiums zu erreichen: „you expecting to have paid Guardians and yourself to be one of them“544. Nachdem, so ein Bericht der Tuam News, „the heat of the discussion had cooled down to the normal degree“545, machte man sich an eine Überprüfung der Gründe für die noch ausstehende Armensteuer in Corbett`s Bezirk. Dabei kamen die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort zu dem Ergebnis, dass der Bezirk von Corbett besonders arm sei und in Teilen des Bezirks seit 1846 permanent Armensteuer ausstünde. Die Mehrheit der acht anwesenden Mitglieder der Armenverwaltung546 beschloss daher: „That the Guardians of the Gort Union having considered Mr Spelman`s letter relative to the rate collector, No 2 district, which is a very poor one, the Guardians do not wish to urge the collector to take legal proceedings at once against the ratepayers…. They are willing but unable to

542 Ebenda. 543 Tuam News 17.11.1882, S. 3. 544 Ebenda. 545 Ebenda. 546 Von den acht anwesenden Mitgliedern waren 2 unionistisch-konservativ, die übrigen sechs Mitglieder waren Nationalisten. Der Verfasser des Briefes, Spelman, war anwesend, der Vorsitzende, Corbett, nahm nicht an dem Treffen teil.

177 pay until they dispose of their crops. The Guardians wish to state that the rate collector has not asked any of them to attend on his account, nor are the Guardians in the habit of attending special specially to shield any officer. The Board have the fullest confidence in the capacity and integrity of the chairman”547. Die zentrale Behörde gab sich mit diesem Schreiben der Mitglieder der Armenverwaltung von Gort zufrieden. Dieser Fall zeigt deutlich, dass prinzipielle politische Auseinandersetzungen in den Sitzungen diskutiert wurden. Die Unionisten versuchten mit verschiedenen Mitteln, den Einfluss der Nationalisten im Board of Guardians zurückzudrängen.

Gegen Ende des Jahres 1897 kam es erneut zu einer Auseinandersetzung der Gort Guardians mit der zentralen Behörde über den Rate Collector Corbett548. Die zentrale Behörde befahl dem Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort die Entlassung des Rate Collectors. Auch in diesem Fall unterstellte die zentrale Behörde ihm eine „Vernachlässigung seines Amtes“. Unbestreitbar gelang es Corbett nicht, die vollständige Armensteuer einzusammeln, die Gründe hierfür schienen dabei jedoch kaum eine Rolle zu spielen, was auch von den Mitgliedern der Armenverwaltung in der Antwort auf die Anweisung der zentralen Behörde angeführt wurde: „The Board of Guardians regret to find the LGB [Local Government Board] have issued an order for the removal of Mr Corbett [Relieving Officer]. They consider the LGB action somewhat hasty (in error they have no doubt)…The Guardians further desire to add that there are circumstances connected with the collection of the rates which always have, and will continue to influence the state of his collection as compared with other Districts.549 Of these circumstances the LGB cannot have the intimate knowledge which the Guardians possess. A comparison of the figures on the following table will show that Mr Corbett`s collection is now actually better than any of the years 1891-6:

25th Nov 1897: ₤186 outstanding

21st Nov 1896: ₤196 outstanding

23rd Nov 1895: ₤220 outstanding

547 Tuam News 17.11.1882, S. 3. 548 Gort Minute Book 20.11.1897. 549 Der Bezirk, in dem Corbett tätig war, galt innerhalb der Gort Union als ein besonders armer Bezirk.

178 24th Nov 1894: ₤226 outstanding

25th Nov 1893: ₤222 outstanding

26th Nov 1892: ₤307 outstanding

14th Nov 1891: ₤334 outstanding

In addition it must be remembered that the total amount to be collected is this year higher than previous years. …

Under all these circumstances the Guardians are unanimous in respectfully asking the LGB to reconsider their decision, and permit Mr Corbett to continue as Collector – a position which he has held for 18 years.

Mr Corbett`s Books were submitted to the Clerk for examination and found correct.550”

In diesem Schreiben stellen die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort insbesondere ihren “Wissensvorsprung” als Aufsichtsgremium vor Ort heraus und baten die zentrale Behörde, die Entscheidung zu revidieren. Außerdem heben sie die langjährige Tätigkeitsdauer des Rate Collectors für die lokale Armenverwaltung in Gort und damit seine Erfahrung hervor. Die zentrale Behörde wies das Aufsichtsgremium zwei Wochen nach dem Schreiben der Gort Guardians jedoch erneut an, Corbett zu entlassen, wogegen die Mitglieder der Armenverwaltung wiederum protestierten551. Mehrere solcher Schreiben zwischen der zentralen Behörde und der lokalen Armenverwaltung folgten552, und die Auseinandersetzung zog sich bis zu Beginn des Jahres 1898 hin. Ende Januar 1898 beschlossen die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort eine Abordnung, bestehend aus dem Vorsitzenden der Armenverwaltung, einem Geistlichen und dem Büroangestellten der Union, nach Dublin zu entsenden, um persönlich mit Vertretern der zentralen Behörde zu sprechen, und ersuchten die zentrale Behörde um einen Termin553. Diese lehnte das Ersuchen jedoch ab mit der Begründung „that having finally decided this question they feel that no useful purpose would be saved by

550 Gort Minute Book 20.11.1897. 551 Gort Minute Book 4.12.1897. 552 Gort Minute Book 18.12.1897, 15.1.1898. 553 Gort Minute Book 29.1.1898.

179 discussing the matter with the Guardians”554. Auf Anweisung der zentralen Behörde hatten die Mitglieder der Armenverwaltung die Stelle des Rate Collectors erneut in der lokalen Presse ausgeschrieben555. Als die Weigerung der zentralen Behörde, eine Delegation der lokalen Armenverwaltung zu empfangen, eintraf, waren auch die vier Kandidaten, die sich auf die inserierte Stelle gemeldet hatten, bei der Sitzung anwesend556. Drei dieser Anwärter wurden jedoch von keinem der anwesenden Mitglieder vorgeschlagen, der vierte Kandidat, Thomas Corbett, der entlassene Rate Collector, wurde vorgeschlagen und einstimmig gewählt. Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort sah, nachdem auch die erbetene persönliche Unterredung mit der zentralen Behörde abgelehnt worden war, anscheinend keine andere Möglichkeit mehr, die Entscheidung über die Entlassung Corbetts rückgängig zu machen. Die zentrale Behörde reagierte auf diesen Versuch der Guardians ablehnend und drohte, ihnen die Entscheidungsgewalt darüber zu entziehen: „they [the Local Government Board] consider the Guardians are trifling with them in submitting Mr Thomas Corbett`s name as a suitable person to fill the vacant office of Rate Collector. The Guardians must be well aware that an Officer who has been dismissed for habitual negligence is not eligible for re-election to the same position.

The Guardian´s act is calculated to place the Union in a seriously embarrassed position and they must call upon them without further delay to appoint a Collector or the matter will be taken out of their hands forthwith”557. Die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort hatten aufgrund der umfangreichen Befugnisse der zentralen Behörde keine Möglichkeit, gegen deren Entscheidung anzugehen, und fügten sich der Anweisung. Ende März stellten sie eine andere Person als Rate Collector ein558. Im Juli 1898 tauchte der Fall Corbett erneut in den Protokollbüchern auf, als die Mitglieder der Armenverwaltung beschlossen, ihm eine jährliche Pension von ₤17 zu gewähren559. Auch dies wurde von der zentralen Behörde mit dem Argument abgelehnt, Corbett sei aufgrund von

554 Gort Minute Book 12.2.1898. 555 Gort Minute Book 29.1.1898. 556 Gort Minute Book 12.2.1898. 557 Gort Minute Book 26.2.1898. 558 Gort Minute Book 26.3.1898. 559 Gort Minute Book 2.7.1898.

180 „Vernachlässigung seines Dienstes“ entlassen worden und habe damit kein Anrecht auf eine Pension560. Dieser Fall des Angestellten Corbett zeigte deutlich, dass die lokalen Armenverwaltungen keine Mittel und Möglichkeiten besaßen, um sich gegen Entscheidungen der zentralen Behörde durchsetzen zu können. Zwar verwiesen die lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung immer auf ihr Expertenwissen durch ihre Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten und ihrer langjährigen Erfahrung, sie konnten sich jedoch aufgrund der umfassenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse der zentralen Behörde nicht gegen deren Entscheidungen durchsetzen.

Vergleichbare Auseinandersetzungen gab es in Galway zu der Zeit nicht. Auch in Galway kam es im gesamten Untersuchungszeitraum immer wieder zu Konflikten mit der zentralen Behörde. Dort stellten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung jedoch nicht die grundsätzliche Autorität der zentralen Behörde in Frage. Hierbei scheinen die politischen Mehrheitsverhältnisse in den Aufsichtsgremien eine tragende Rolle gespielt zu haben. In Gort gab es bereits seit Beginn der 1880er Jahre ein nationalistisches Board of Guardians, welches die britische Herrschaft in Irland und deren zentrale Verwaltungseinrichtungen kritisierte561. Auf der lokalen Ebene sahen sie sich als entscheidende Autorität an und versuchten diese Macht auszubauen. Allerdings demonstriert das obige Beispiel auch, dass es ihnen kaum gelang ihren Einfluß gegenüber der zentralen Behörde zu vergrößern. In Galway hingegen war der Einfluß konservativ- unionistischer Kräfte, die an einer Erhaltung des Status Quo interessiert waren, innerhalb des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung in den 1880er Jahren noch stark. In Galway kritisierte das Aufsichtsgremium einzelne Entscheidungen aus Dublin, stellte jedoch die grundsätzliche Autorität der zentralen Behörde nicht in Frage.

560 Gort Minute Book 13.8.1898. 561 Siehe dazu auch den Unterpunkt „politische Konflikte und das Kapitel Politisierung.

181 Wie wurde der Local Government Act 1898 im Galway und Gort Board of Guardians aufgenommen?

Schon vor Inkrafttreten des Local Government Acts im August 1898 gab es häufige Diskussionen um dieses Gesetz und seine Folgen. Die Guardians verfassten eine Vielzahl von Resolutionen zu diesem Thema, die auch alle in der lokalen Presse veröffentlicht wurden. Bereits im Dezember 1897 verabschiedeten die Mitglieder der Armenverwaltung in Galway eine Resolution gegen den Local Government Act, in der sie ihr Expertenwissen über die verschiedenen Gesetze und Verordnungen und die vielfältigen Aufgabenbereiche der Guardians, erworben durch jahrzehntelange Praxis, herausstellten. Daher kamen sie zu dem Schluss: „We, the Board of Guardians of the Galway Union, consider that it would be inconsistent with the spirit of Local Government, injurious to the interests of the Public Service, and unfair to the Poor Law Officers, to have the administration of the Acts…taken out of the hands of a trained body of Officials and handed over to new Officers wholly unacquainted with their provisions and working.562” Eine Resolution vom März 1898 lautete: “We are of the opinion that there is too much business taken by the bill from the Guardians and given to the County Councils. We believe that the Guardians from their local knowledge, more frequent meetings, regular attendance, experience, etc., ought to be more competent to do the business than the County Councillors…”563. Weiter sprachen sie davon, dass die bisherigen Zuständigkeiten der Guardians erhalten bleiben sollten, und vor allem die Festsetzung und Sammlung der Poor Rate weiter bei den Guardians verbleiben sollte564. Der häufigste Diskussionspunkt im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Galway im Zusammenhang mit dem Local Government Act bildete die Frage, ob die Stadt Galway unter dem neuen Gesetz ein eigenes County bilden sollte oder nicht. Im Gesetzesentwurf waren nur sechs irische Städte als County boroughs vorgesehen565. Nur Orte mit mehr als 25.000 Einwohnern sollten diesen Status erlangen. Diese Städte würden von einem eigenen County Borough Council regiert, welches über den Borough Bezirk die selbe Autorität wie die County Councils für die Grafschaft hätte. Jede andere Stadt würde einen urban district

562 Galway Minute Book 8.12.1897. 563 Tuam Herald 19.3.1898. 564 Galway Minute Book 20.4.1898, 25.5.1898. 565 Die sechs Städte waren Dublin, Cork, Belfast, Limerick, Derry, Waterford.

182 formen. Galway mit seinen zu dem Zeitpunkt 13.000 Einwohnern war nicht als County Borough vorgesehen566. Galway hatte als County of the town bisher immer eine eigene Verwaltungseinheit gebildet567. Das Galway Board of Guardians und die Town Commissioners argumentierten intensiv für eine Beibehaltung des County Status für die Stadt Galway568. Die Hauptargumente der Mitglieder der Armenverwaltung dabei waren, dass Galway die Hauptstadt der Provinz Connaught sei, die größte Stadt dieser Provinz mit der einzigen Universität im Westen Irlands und dass die gesamte Provinz Connaught sonst keine County Borough mehr hätte. Ein weiteres Argument lautete, dass die geforderte Einwohnerzahl von 25.000 für irische Verhältnisse zu hoch sei. Immer wieder führten die Mitglieder der Armenverwaltung auch die „history and tradition“ von Galway an. Es gab allerdings auch Gegenargumente. So kam es im Juni 1898 zu einer Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der Armenverwaltung. Ein Mitglied, J C MacDonnell, brachte eine Resolution zur Vorlage, die besagte, „that we are decidedly of opinion in the interests of the ratepayers of Galway under the Local Government Bill, it will be much more advantageous to have Galway made an Urban Disctrict rather than to have it created a County Borough“569. Die Resolution fuhr fort, dass die Verwaltung des County of the town of Galway sehr kostenintensiv sei und diese Kosten wegfallen würden, wenn Galway ein urban district wäre. Das Protokollbuch berichtet dann, dass ein „negative amendment to this motion was proposed by E J Lee but it was not seconded.570“ Die nationalistische Zeitung Galway Vindicator schrieb über dieses Treffen der Armenverwaltung, dass es eine „lively discussion“ gegeben habe571. Der unionistische Galway Express berichtete sogar, dass es zu einem Faustkampf zwischen dem Befürworter der Resolution MacDonnell und dem Gegner E J Lee

566 Unter den nicht als County Boroughs qualifizierten Städten war Galway allerdings die Stadt mit den meisten Einwohnern. 567 Patrick J. Kennedy, "The County of the Town of Galway, Its Establishment, Extent and Function," Journal of the Galway Archeological and Historical Society 30, no. III and IV (1963): S. 90. 568 Diese Frage bildete die Hauptbeschäftigung in den Monaten März bis Juni 1898 und wurde in fast jeder Sitzung der Armenverwaltung erörtert. 569 Galway Minute Book 29.6.1898. 570 Ebenda. 571 Galway Vindicator 29.6.1898.

183 gekommen sei572. Nachdem E J Lee aber niemanden fand, der bereit war, ihn zu unterstützen, wurde die ursprüngliche Resolution verabschiedet und an den Irlandminister, die parlamentarischen Vertreter Galways im Unterhaus und das Oberhausmitglied Lord Morris geschickt. Lord Morris antwortete den Mitgliedern der Armenverwaltung daraufhin, dass er von den Town Commissioners aus Galway ebenfalls eine Resolution erhalten habe, die sich genau für das Gegenteil, nämlich den County Borough Status für Galway, aussprach573. Bei diesem Treffen zwei Wochen nach der Verabschiedung der Resolution äußerten mehrere Mitglieder, dass die anwesenden elf Vertreter solch eine Resolution nicht hätten verabschieden dürfen, sondern es vorher eine Benachrichtigung aller Mitglieder hätte geben müssen, um eine höhere Anwesenheit bei solch einer Resolution gewährleisten zu können574. Der nationalistische Vindicator argumentierte, dass die Anwesenheit der Mitglieder bei der Sitzung Ende Juni sehr gering gewesen und bei einer höheren Teilnehmerzahl ein anderes Ergebnis herausgekommen wäre575. Die Anwesenheit von elf Mitgliedern stellt jedoch keineswegs eine außergewöhnlich geringe Teilnehmerzahl dar, sondern ist eher als durchschnittlich anzusehen. Bei vielen Sitzungen dieser Wahlperiode waren sogar weitaus weniger Mitglieder anwesend. Der Galway Vindicator berichtete über MacDonnell, den Initiator der Resolution außerdem: „He is not a Galwayman. He has no sympathy with national aspirations. Why such fellows are listened to is a puzzle. …Let our ancient city take its legitimate place amongst the leading cities of the Empire.576” und bedauerte die “humiliation of our ancient city to the level of a village”577. Wenige Tage nach diesen Berichten druckte der Galway Express einen ausführlichen Brief von MacDonnell ab, in dem er noch einmal extensiv gegen einen County Borough Status für Galway argumentierte, um Kosten für die Ratepayers zu sparen578. Der Vindicator druckte den Brief nicht ab, kommentierte ihn aber als „very absurd“579 und argumentierte vor allem für einen größere

572 Galway Express 2.7.1898. 573 Galway Minute Book 13.7.1898. 574 Galway Minute Book 13.7.1898; Galway Vindicator 13.7.1898. 575 Galway Vindicator 13.7.1898. 576 Galway Vindicator 9.7.1898. 577 Galway Vindicator 13.7.1898. 578 Galway Express 13.7.1898. 579 Galway Vindicator 30.7.1898.

184 Unabhängigkeit Galways als County Borough vom County Council der gesamten Grafschaft und sprach sich dafür aus, dass man in dieser kleineren, unabhängigeren Einheit eine bessere und effektivere Kostenkontrolle gewährleisten könne. Während in Galway noch heftig diskutiert wurde, reichte Lord Morris im britischen Oberhaus einen Erweiterungsvorschlag des Gesetzentwurfes ein, der eine Aufnahme von Galway in die Liste der County Boroughs befürwortete580. Bei der Abstimmung über diesen Erweiterungsvorschlag konnte sich Lord Morris mit 67 zu 62 Stimmen durchsetzen. Die Armenverwaltung von Galway verabschiedete daraufhin eine Resoltion „that the House of Lords having placed Galway on the list of County Boroughs under the Local Government Bill for Ireland, a position to which it is justly entitled, we heartily concur in their lordships` action and trust that it may receive no opposition when sent to the lower house.581” Im Unterhaus wurde der Erweiterungsvorschlag allerdings wegen eines Formfehlers abgelehnt582.

Die nationalistischen Guardians beider Boards begrüßten vor allem die Abschaffung der Grand Juries und der ex-officio Mitglieder. Vielfach ging ihnen der Local Government Act jedoch nicht weit genug und die Forderungen nach „Home Rule“ blieben bestehen. In der ersten Sitzung des neu gewählten Board of Guardians unter dem Local Government Act im April 1899, verabschiedeten die Mitglieder der Armenverwaltung auch gleich eine Resolution, in der sie Selbstverwaltung für Irland forderten583. Die unionistischen Guardians betrachteten den Local Government Act nach den Erfahrungen der Auseinandersetzungen um die Landfrage als Alternative zu „Home Rule“, und große Landlords erhielten verschiedene Zugeständnisse, die ihnen im Local Government Act gewährt wurden, vor allem im Bereich der Poor Rate584.

Auch nach Inkrafttreten des Local Government Acts versuchten die Mitglieder der Armenverwaltung immer wieder, ihre Entscheidungsgewalt auf der lokalen Ebene

580 Thomas C. Hansard, ed., Parliamentary Debates. Official Report. Parliament of the United Kingdom of Great Britain and Ireland, 182 vols., vol. 4th series vol lxii, S. 992-93. 581 Galway Minute Book 27.7.1898. 582 Hansard, ed., Parliamentary Debates. Official Report. Parliament of the United Kingdom of Great Britain and Ireland vol lxiii, S. 1041. 583 Galway Minute Book 15.4.1899; Galway Express 22.4.1899, S. 4. 584 Die Armensteuer nach 1898 wurde vom „occupier of land“ entrichtet, vorher wurde sie halb vom „occupier“, halb vom „owner of land“ finanziert. 185 zu behaupten. Im Dezember 1899 wandte sich ein Vertreter der zentralen Behörde, der Loval Government Board Inspector, an den Leiter des Arbeitshauses und wies ihn an, Brot zur Analyse der Qualität nach Dublin zu schicken585. Als der Leiter den Mitgliedern der Armenverwaltung davon berichtete, verabschiedeten sie den Beschluss, dass diese in Zukunft immer erst vom Vertreter der zentralen Behörde informiert werden sollten586. Dieses leiteten sie an die zentrale Behörde und den Leiter des Arbeitshauses weiter, und es wurde ihnen auch zugestanden587.

Die Tatsache, dass die Poor Rate nun im County Council in Galway festgelegt wurde und nicht mehr von den einzelnen Board of Guardians, empfanden die Guardians in Gort, einer ländlichen Poor Law Union, als Verlust ihrer Befugnisse und Unabhängigkeit und als „centralising move“588. Die kommunale Armenfürsorge bildete in Gort die einzige Institution lokaler Verwaltung, die dort angesiedelt war und deshalb protestierten sie gegen die rechtliche Veränderung durch den Local Government Act, erreichten damit jedoch nichts. Zum einen bedeutete das Gesetz von 1898, dass ihnen nun finanzielle Entscheidungsbefugnisse abgenommen wurden und an eine andere lokale Behörde in Galway verlagert wurden, andererseits wurde aber auch „finanzieller Druck“ von ihnen genommen. Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort wandte sich mit seinen Finanzforderungen seit 1898 an das County Council in Galway, das ihnen die Mittel zur Verfügung stellte. Die Zuständigkeit für die Aufbringung der Armensteuer lag nun nicht mehr in der Verantwortung des Gort Board of Guardians. Mit der Einführung des Local Government Act von 1898 wurde nun also auch die Verantwortung für die bis dahin permanenten finanziellen Beschaffungsnöte aus seinem Aufgabenbereich herausgenommen. Damit wurde auch ein wesentlicher Konfliktgegenstand mit der zentralen Behörde beseitigt, denn Diskussionen und Auseinandersetzungen mit Dublin über die Armensteuer und ihre Erhebung kamen bis 1899 häufig vor.

585 Galway Minute Book 20.12.1899. 586 Ebenda. 587 Galway Express 23.12.1899, S. 3. 588 Gort Minute Book 3.1.1898.

186 5.2.2 Religiöse Konflikte

Im Arbeitshaus von Galway gab es seit seiner Eröffnung immer wieder Konflikte zwischen dem katholischen Priester des Arbeitshauses, Peter Daly, den Poor Law Commissioners und auch den Galway Guardians. Peter Daly war seit Eröffnung des Arbeitshauses in Galway der zuständige Priester. Bereits im Jahr 1847 geriet Daly in eine Auseinandersetzung mit dem protestantischen Pfarrer des Arbeitshauses. Dieser warf ihm vor, ein 12jähriges protestantisches Mädchen, das sich im Arbeitshaus befand, römisch-katholisch getauft zu haben589. Daly leugnete dies auch nicht und sagte, es sei auf Wunsch des Mädchens geschehen. Das Mädchen wurde vor das Board zitiert, und sagte aus, da sie eine der ganz wenigen Protestantinnen im Arbeitshaus sei, habe sie den Wunsch verspürt, Katholikin zu werden. Als sie Daly angesprochen habe, habe er sie sofort katholisch getauft. Daly wurde daraufhin ermahnt, künftig mehr Bedenkzeit verstreichen zu lassen. Das 12 jährige Mädchen solle zunächst allerdings, so entschieden die Guardians, "registered as a Protestant" bleiben und seine Entscheidung überdenken590.

Im Jahr 1858 gab es erneut eine Auseinandersetzung um Daly. Dabei sorgte die Frage, in welchem Glauben die Findelkinder und jungen Waisen getauft und erzogen werden sollten, für Konfliktstoff. Das irische Armengesetz schrieb vor, sie in der Religion, zu der "the guardian or guardians, godfather or godmother of such orphan" gehörten, zu erziehen591. Diese Formulierung war unklar, und die Poor Law Commissioners wiesen die Guardians an, dass sie in der Established Church of Ireland, also protestantisch getauft werden sollten, außer wenn bekannt war, dass sie schon vor ihrer Aufnahme in das Arbeitshaus getauft worden waren592. Father Peter Daly argumentierte dagegen, die Wahrscheinlichkeit sei sehr viel höher, dass diese Kinder katholische Eltern hätten. Daly hatte Recht in diesem Punkt, denn im Westen Irlands war die große Mehrheit der irischen Einwohner, besonders der ärmeren Bevölkerung, katholisch. Auch die Insassen des Arbeitshauses von Galway waren oftmals alle katholisch. In der Grafschaft Galway

589 Galway Minute Book 26.5.1847. 590 Galway Minute Book, 2.6.1847. 591 Act for the more effectual relief 1838, §44. 592 Robins, The Lost Children. A Study of Charity Children in Ireland, 1700-1900 S. 246f.

187 lag der Anteil der Katholiken im Jahr 1861593 bei 96,8 Prozent gegenüber 2,9 Prozent Angehörigen der Church of Ireland. In der Stadt Galway sahen die Zahlen ähnlich aus mit einem Anteil der Katholiken von 91,9 Prozent gegenüber 5,0 Prozent Angehörigen der Established Church. Daly setzte sich deshalb über die rechtlichen Vorgaben hinweg und taufte mehrere solcher Findelkinder katholisch. Im Dezember 1858 berichtete ein protestantischer Guardian darüber an die Poor Law Commissioners594. Die Commissioners schrieben Daly daraufhin vor, dass diese Kinder protestantisch getauft und registriert werden sollten. Daly weigerte sich: „I repudiate such a doctrine: it is the doctrine of the infamous times of Charles II. The child was saved by a Catholic from death, it was brought to the house by a Catholic, it was found at the door of a Catholic and in the whole workhouse there are only two Protestants. I have it published that, if another unfortunate be found, it be brought to the Catholic Church and baptised and then admitted to the workhouse as a Catholic.595” Die Kontroverse erhitzte sich so sehr, dass Daly schließlich seines Postens enthoben wurde. Die Mehrheit der Guardians, die katholisch waren, stimmte allerdings mit Daly überein596. Die Galway Guardians baten Daly, trotzdem weiter seinen Dienst als Priester des Arbeitshauses zu versehen und bestanden sogar darauf, ihm weiter seinen Lohn zu zahlen. Daraufhin wurden sie mehrmals von den Commissioners verwarnt. Am 20. April schließlich leiteten die Poor Law Commissioners rechtliche Schritte gegen das Board und Daly ein und drohten mit der Auflösung des Galway Board of Guardians597. Schließlich mussten sich die Guardians fügen, denn eine Auflösung wollten sie auf keinen Fall provozieren. Daly wurde nicht nur endgültig seines Amtes im Arbeitshaus enthoben, sondern die Galway Guardians mussten auch den Betrag, den sie Daly als Lohn weitergezahlt hatten, zurückzahlen598. Auch der katholische Bischof von Galway, John MacEvilly, schaltete sich in den Fall um Daly ein und bat die zentrale Behörde, die Entlassung von Daly noch einmal zu

593 Census 1861, zitiert nach William Edward Vaughan and A.J. Fitzpatrick, eds., Irish Historical Statistics. Population 1821-1971, A New History of Ireland (Dublin: 1978) S. 53. Diese Zahlen veränderten sich im gesamten Untersuchungszeitraum nicht wesentlich. 594 Galway Minute Book, 3.12.1858. 595 Galway Minute Book, 3.12.1858; M. Powell, "The Workhouses of Ireland," University review 3, no. 7 (1965): S. 14f. 596 Galway Minute Book, 24.1.1859, 28.1.1859. 597 Galway Minute Book,3. 2.1859, 20.4.1859. 598 Galway Mercury 15.10.1859.

188 überdenken und rückgängig zu machen599. Die zentrale Behörde beschuldigte den Bischof „of using his position in spirital affairs to interfere with an exercise of authority in secular matters.600“ Die daraufhin ausgelöste Debatte zwischen dem katholischem Bischof und der zentralen Behörde drehte sich im Kern um die Rolle und Zuständigkeiten von Staat und Kirche in religiösen Fragen der Armengesetzgebung. Der katholische Bischof weigerte sich zunächst einen neuen Geistlichen in das Arbeitshaus von Galway zu berufen, bis er im Frühjahr 1860 schließlich „for the protection of the poor“ einen neuen Pfarrer benannte601. Nach Ende dieser Auseinandersetzung, die mit einer Niederlage für die Guardians und Daly endete, reichte William H. Gregory, ein Mitglied der Gort Guardians und Abgeordneter für die Grafschaft Galway im britischen Parlament, ein Gesuch an das Parlament ein, eine adäquate Lösung für solche Fälle zu finden602. Auch der katholische Bischof schrieb Gregory mit der Bitte um Reformen in der Armengesetzgebung und zeigte sich besorgt wegen Proselytismus in den Arbeitshäusern603. Drei Jahre später wurde schließlich verabschiedet, dass ein Findelkind, das vor seiner Aufnahme in das Arbeitshaus getauft wurde, in der Religion seiner Taufpaten registriert werden solle604.

In Gort finden sich größere religiöse Konflikte nicht dokumentiert. Hierbei spielt sicherlich die Tatsache eine Rolle, dass es in Gort keinen eigenen protestantischen Geistlichen im Arbeitshaus gab605. Die wenigen protestantischen Insassen besuchten die Gottesdienste in der protestantischen Kirche in Gort. Auch Aktivitäten von Proselyten im Arbeitshaus sind nicht überliefert. In vielen Jahren gab es aber auch keine protestantischen Insassen im Arbeitshaus von Gort.

599 Liam Bane, "John Macevilly, 1816-1902" (M.A., NUI Galway, 1979) S. 322-25. 600 Galway Mercury 15.10.1859. 601 Galway Mercury 3.3.1860. 602 Bill to amend Acts for Relief of Destitute Poor in Ireland by removing doubts as to religious registration in workhouses of deserted children, British Parliamentary Papers 1859, Session 1 (65) II, S. 455. 603 Bane, "John Macevilly, 1816-1902" S. 328. 604 Poor Law Amendment Act 1862, 25 & 26 Vic. c. 83, S. 11; House of Commons Parliamentary Papers, 1859, Session 1, II, 455, XXIV, 659; Robins, The Lost Children. A Study of Charity Children in Ireland, 1700-1900 S. 248-9. Mitchell, "Father Peter Daly, C. 1788-1868," S. 76. 605 In Gort gab es nur 1853 bis 1854 einen eigenen protestantischen Geistlichen, der im Arbeitshaus Gottesdienste abhielt.

189 Die oben angeführten Beispiele sind nur eine kleine Auswahl an Fällen in Galway, in denen die Frage der Religion für Konfliktstoff sorgte. Die Verfügung der Poor Law Commissioners, die eindeutig die protestantische Religion bevorzugten, rief bei den katholischen Guardians und dem katholischen Geistlichen starken Unmut hervor. Sie waren darauf bedacht, jede Einflussnahme des Protestantismus zu verhindern. Die eindeutige legale Benachteiligung der Katholiken durch die britische, protestantische Politik, die Daly ebenfalls ansprach, und deren Aufhebung noch nicht lange zurücklag606, vergrößerte das Konfliktpotential. Auch die protestantischen Vertreter in den Boards of Guardians, die sich um die fast ausschließlich katholischen Insassen kümmerten, sorgten für Streitigkeiten. Allerdings zeigen viele Konflikte auch, dass die Guardians zwar je nach Religion einen festen Standpunkt in den Auseinandersetzungen vertraten, die Religion aber doch keine so große Rolle spielte, dass sie bereit waren, dafür eine Auflösung des Boards in Kauf zu nehmen und ihres Amtes enthoben zu werden. Auch findet sich kein Fall dokumentiert, bei dem die Frage der Religion zu einer Spaltung des Boards führte. Möglicherweise müssen so auch Entscheidungen und Vorschriften der britischen Regierung und der Poor Law Commissioners eher vor einem kolonialen Hintergrund denn einem primär religiösen gesehen werden. Die irische Verwaltung war abhängig von Spitzenbeamten, die durch die Regierung in London eingesetzt wurden607. Diese höchsten Vertreter waren zum einen der Vizekönig als Repräsentant der Krone und der Chief Secretary, der Irlandminister, dem die Verwaltung unterstand. Wichtige Verwaltungszweige waren direkt von englischen Ministerien abhängig, z.B. vom englischen Schatzamt. Dieses betraf auch die Armenverwaltung insofern, dass das Schatzamt für Anträge der zentralen Behörde in Dublin zur Gewährung von Geldern zur Unterstützung in Notzeiten zuständig war.

606 Die Aufhebung der Penal Laws geschah 1829. 607 Schaffner, "Das Verhältnis Von Irland Zu England Zwischen 1800 Und 1850. Modellfall Oder Abhängigkeit? Überlegungen Zur "Grossen Hungersnot" (1845- 1849)," S. 306. In diesem Aufsatz stellt Schaffner vielfache politische, ökonomische und „ideologische“ Abhängigkeiten Irlands von England zwischen 1800 und 1850 fest.

190 5.2.3 Zusammenfassung

Die zentrale Behörde nahm in der Praxis jedoch starken Einfluss auf Verfügungen der Guardians, denn sie hatte alle Entscheidungen der Guardians zu genehmigen. Das führte zu vielen Auseinandersetzungen, denn die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung wollten diesen starken Eingriff in ihre Kompetenz und Autorität nicht hinnehmen. Umgekehrt versuchten die Poor Law Commissioners immer, sich einen großen Einfluss auf die Boards zu bewahren, in den meisten Fällen erfolgreich. Die umfassenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse der zentralen Behörde führten zu einem asymmetrischen Verhältnis zwischen der Poor Law Commission bzw. dem Local Government Board in Dublin und den lokalen Aufsichtsgremien der Armenadministration. Die irische Armengesetzgebung von 1838 hatte der zentralen Behörde umfassende Weisungs- und Kontrollbefugnisse eingeräumt, die durch nachfolgende Gesetze eher noch erweitert wurden, wie es eingangs im Kapitel über die zentrale Behörde bereits umfassend dargestellt wurde. Besonders entscheidend ist, dass die zentrale Behörde ein negatives Sanktionsmittel besaß, indem sie die lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung auflösen konnte. Dieses negative Sanktionsmittel der zentralen Behörde wurde sogar noch ausgebaut, indem die Verpflichtung zu Neuwahlen aufgehoben wurde und die zentrale Behörde direkt nach der Auflösung der lokalen Aufsichtsgremien diese durch bezahlte Beamte ersetzen konnte. Die Asymmetrie der Beziehungen der lokalen und zentralen Behörde bestand somit zu Ungunsten der lokalen Armenadministration. Allerdings war das Verhältnis der beiden Behörden zueinander nicht einseitig abhängig608. Die lokale Armenadministration versuchte immer wieder, ihre Handlungsspielräume zu erweitern. So konnte etwa durch den Aufbau von alternativen Kommunikationswegen solch eine Erweiterung des Handlungsspielraumes vorgenommen werden. Auch die Möglichkeit des Informationsentzuges gegenüber der zentralen Behörde konnte solch ein Gegengewicht zur Abhängigkeit gegenüber der übergeordneten Verwaltungsinstitution in Dublin darstellen. Innerhalb des

608 Siehe hierzu etwa die Ausführungen von Christine Mayr zum (Macht-)Verhältnis von lokaler und zentraler Administration, in: Mayr, Zwischen Dorf Und Staat. Amtspraxis Und Amtsstil Französischer, Luxemburgischer Und Deutscher Landbürgermeister Im 19. Jahrhundert S. 31-32.

191 Untersuchungszeitraumes finden sich mehrere Beispiele, in denen Entscheidungen nicht in die Protokollbücher aufgenommen wurden, die aber in der lokalen Presse dokumentiert sind. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass diese Möglichkeit durch das regelmäßige Erscheinen der Poor Law Inspectors als Vertreter der zentralen Behörde zumindest als eingeschränkt betrachtet werden muss.

192 5.3 Politisierung der Board of Guardians

Eine wichtige Frage ist, inwieweit politische Entwicklungen ihren Eingang in die Armenverwaltung in Irland fanden. Eine These der Forschung609 ist, dass sich im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Landfrage und die Forderung nach Selbstverwaltung in Irland die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung wesentlich änderte und die Kontrolle der Boards von großen Landbesitzern zu Pächtern wechselte. In den vorangegangenen Kapiteln konnte gezeigt werden, dass in Gort bereits 1882 ein Wandel in der sozioökonomischen Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung einsetzte, während in Galway bis in die 1890er Jahre hinein die konservativ-unionistischen Kräfte innerhalb des Boards stark blieben.

Die „nationalistischen Mitglieder“ vertraten eine andere Auffassung der Ursachen von Armut, so Feingold, was sich unter anderem in der Arbeitsweise der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung spiegelte610. Diese These soll kritisch überprüft werden. Fand die Politisierung611 der Boards in den 1880er Jahren, wie Feingold und Crossman für einige irische Poor Law Unions zeigen konnten, auch in einem eher städtischen Aufsichtsgremium statt? Und verlief die Entwicklung in einem quasi-linearen Prozeß, wie sie Feingold in seiner Untersuchung darstellt? Auch die Gleichsetzung von sozioökonomischem Status und politischer Orientierung muss überprüft werden. Es gilt zu untersuchen, ob „nationalistische Mitglieder“ die Armengesetzgebung zu verändern versuchten. Feingold zufolge war die Entwicklung hin zu nationalistisch beeinflussten Aufsichtsgremien um das Jahr 1886 im Wesentlichen beendet. Es erscheint jedoch notwendig, den

609 Siehe hierzu Feingold, "The Tenants` Movement to Capture the Irish Poor-Law Boards 1877- 1886.", Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881.", Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886. An neuerer Forschung siehe Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland, Crossman, The Poor Law in Ireland 1838-1948. 610 Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886 Nachweis. Nach Feingold äußert sich dieses wesentlich im Ansteigen der Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses und in der breiteren Gewährung von Unterstützung besonders für zwangsgeräumte Pächter. 611 Donnelly schreibt hierzu: „The poor law played a major role in the democratisation and politicisation of the Irish countryman by introducing him to representative local government for the first time and establishing the conditions whereby he could become involved in politics either as a poor law guardian or as a voter”. Donnelly, "An Overview of the Development of Local Government in Ireland," S. 8. 193 Untersuchungszeitraum deutlich auszuweiten: Bis zum Local Government Act von 1898 machte die Anzahl der ex-officio Mitglieder, die tendenziell eher dem Landadel zuzuordnen sind, nominell die Hälfte der Mitglieder aus. Gab es Widerstand seitens der konservativ-unionistischen Mitglieder gegen die Bestrebungen von nationalistischen Guardians die Dominanz in den Aufsichtsgremien zu erringen und wie äußerte er sich? Gab es Konflikte in den Sitzungen zwischen konservativ-unionistischen Mitgliedern und nationalistischen Repräsentanten in der kommunalen Armenfürsorge? Wurden diese Konflikte lokal gelöst oder griff die zentrale Verwaltungsebene ein? Das Spektrum an politischen Diskussionen innerhalb der Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung wird analysiert. Es wird der Frage nachgegangen, ob es Spannungen innerhalb einer politischen Orientierung gab. Konnten sich radikalere oder gemäßigtere Kräfte in den Boards durchsetzen? Dieser Frage wird im folgenden Kapitel bis zur Unabhängigkeit Irlands 1921 nachgegangen, so dass auch der Osteraufstand von 1916, der politische Erfolg von Sinn Fein und der nachfolgende Unabhängigkeitskampf Irlands gegen die britische Herrschaft Beachtung findet.

Bei der Einführung der irischen Armengesetzgebung hatten englische Politiker und die zentrale Behörde gehofft, dass die Zusammenarbeit von gewählten und ex- officio Mitgliedern in Irland, als „some kind of social and political cement knitting Irish society together into a stable and integrated organism612“ funktionieren würde613. In den vorangegangenen Kapiteln konnte aufgezeigt werden, dass sich

612 Crossman, "Local Government in Nineteenth-Century Ireland," S. 108. So auch Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886 S. 14. 613 British Parliamentary Papers, Sixth Annual Report PLC 1840 (245), XVII, S.424; Seventh Annual Report PLC 1841 (327), xi, S 352-360. George Nicholls drückte dieses folgendermaßen aus: “Each individual member will fell that his influence depends upon the opinion that his colleagues entertain of him; and hence will arise an interchange of good offices, and a cultivation of good will, beginning with the boards of guardians, and extending throughout the entire union, and eventually, it may be hoped throughout the country; and thus the union system may become the means of healing 194 die beiden untersuchten Aufsichtsgremien bis in die 1870er Jahre hinein aus einer ländlichen beziehungsweisen städtischen Elite konstituierten, die an einer Erhaltung des Status Quo interessiert war. In den 1870er Jahren fand eine Ausweitung des Themenspektrums, mit dem sich die Kommuniques der Guardians beschäftigten, über die eigentliche Armenverwaltung hinaus statt. Die Guardians äußerten sich vermehrt zu politischen Themen. Ab Anfang der 1870er Jahre erhielten die Galway und Gort Guardians erste Rundschreiben von anderen irischen Poor Law Boards zu Themen, die nicht die eigentliche Armenverwaltung betrafen. So bekamen die Mitglieder der Armenverwaltung von Galway im Mai 1871 eine Petition des Millstreet Board of Guardians an das britische Parlament, die „Home Rule“ für Irland forderte614. Die Galway Guardians selber verfassten zu diesem Zeitpunkt noch keine politischen Rundschreiben, und im Juli 1872 forderte ein Mitglied der Armenverwaltung während einer Sitzung, dass „no political matter be entertained by the Board“615.

Dies änderte sich Mitte der 1870er Jahre, als aktuelle politische Themen innerhalb des Boards zunehmend diskutiert wurden und sich die Guardians zur Selbstverwaltung in Irland oder der Landfrage616 äußerten. Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung „reflected the divisions and tensions of Irish society as a

dissentions, and reconciling jarring interests in Ireland.”, in: Nicholls, A History of the Irish Poor Law, in Connexion with the Condition of the People S. 208. 614 Galway Minute Book 17.5.1871. Dieses ist das erste Rundschreiben politischen Inhalts, welches das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway erhielt. 615 Galway Minute Book 10.7.1872. 616 Siehe dazu etwa: Rosa Congost, "Property Rights and Historical Analysis: What Rights? What History?," Past & Present 181, no. 181 (2003): S. 103-05. Winstanley, Ireland and the Land Question 1800-1922. P.J. Drudy, ed., Ireland. Land, Politics and People, Irish Studies; 2 (Cambridge: CUP, 1982). Clark and Donnelly, eds., Irish Peasants. Violence and Political Unrest, 1780-1914. C.H.E. Philpin, ed., Nationalism and Popular Protest in Ireland (Cambridge, New York: CUP, 1987). Peter Alter, Die Irische Nationalbewegung Zwischen Parlament Und Revolution: Der Konstitutionelle Nationalismus in Irland 1880-1918 (München: 1971), Paul Bew, Conflict and Conciliation in Ireland, 1890-1910: Parnellites and Radical Agrarians (Oxford: 1987), Paul Bew, Land and the National Question in Ireland, 1858-82 (Dublin: 1979), Paul Bew, "The National Question, Land, And "Revisionism"," in The Making of Modern Irish History. Revisionism and the Revisionist Controversy, ed. D. George Boyce and Alan O´Day (London New York: Routlege, 1996), Clark, Social Origins of the Irish Land War (Princeton: Princeton University Press, 1979). Anton J. J. Großmann, Irische Nationalbewegungen 1884-1915 (München: 1979). Crossman, "The New Ross Workhouse Riot of 1887: Nationalism, Class and the Irish Poor Laws.", S. 135ff; Ball, "Crowd Activity During the Irish Land War, 1879-90.", S. 212; Timothy Guinnane, "The Limits to Land Reform: The Land Acts in Ireland, 1870-1909," Economic Development and Cultural Change 45, no. 3 (1997), Timothy W. Guinnane and Ronald I. Miller, "Bonds without Bondsmen. Tenant-Right in Nineteenth-Century Ireland," The Journal of Economic History 56, no. 1 (1996).

195 whole“617, als sich die sozioökonomische Zusammensetzung der Boards seit Beginn der 1880er Jahre zu wandeln begann. Die Auseinandersetzungen um die Landfrage und die Forderung einer Selbstverwaltung in Irland bildeten ab den 1870er Jahren “two of the most significant movements in Ireland during the century”618. Die Auseinandersetzungen um die Landfrage hatten zunächst als Protestbewegung von Pächtern gegen die Pachtbedingungen in Irland begonnen. Im irischen Pachtsystem standen sich nicht die Landbesitzer und die Pächter direkt gegenüber, sondern es gab „auf der Seite des Pächters eine ganze Kette voneinander abhängiger Groß-, Zwischen-, Unter-, Klein- und Kleinstpächter.619“ Dabei konnte ein auf längere Zeit gepachtetes Stück Land durch subletting oder subdivision in Pachtverträgen von meist kürzerer Dauer unterverpachtet werden. Die kleinsten Pächter waren die labourers oder cottiers, die ihre Pacht ganz oder teilweise in Arbeitsleistung bezahlten. Bei Auflösung des Pachtverhältnisses hatte der Pächter zudem keinen Anspruch auf Entschädigung für die von ihm vorgenommenen Investitionen620. Dies hemmte in Irland die Entwicklung einer effizienten und produktiven Landwirtschaft und führte zu hohen Pachtzinsen. Die Kernforderungen in den Auseinandersetzungen um die Landfrage waren die sogenannten drei „F`s“: Fixity of Tenure, Fair Rents und Free Sale. Die Pächter wollten durch gemeinsame Aktionen und gemeinsames Vorgehen gegen die großen Landbesitzer die Durchsetzung ihrer Forderungen erreichen. Der Konflikt um die Landfrage weitete sich jedoch aus in eine Kampagne gegen „Landlordism“ und schließlich gegen die britische Herrschaft in Irland. Der Protest wurde getragen von einer breiten Allianz sozialer Gruppen, die Pächter größerer und kleiner Farmen, ländliche Kaufleute und Arbeiter einschloss. Repräsentiert wurden diese Gruppen von der Land League, der Pächtervereinigung, und später der National League. Die Land League verkündete 1879, dass die Lösung der Landfrage „peasant proprietorship“ sei und dieses somit das Ziel in den

617 Crossman, "Local Government in Nineteenth-Century Ireland," S. 109. 618 Keane, "The Concerns of Local Politics: A Study of Galway 1918-1928" S. 12. 619 Schaffner, "Das Verhältnis Von Irland Zu England Zwischen 1800 Und 1850. Modellfall Oder Abhängigkeit? Überlegungen Zur "Grossen Hungersnot" (1845- 1849)," S. 302. 620 Ebenda, S. 303. O`Grada, Ireland. A New Economic History 1780-1939 S. 29-42, 121-30, 255- 64.

196 Auseinandersetzungen um die Landfrage sei621. Im Winter 1886/87 trat der „Plan of Campaign“ in Kraft, der agrarische Proteste kanalisieren und strukturieren sollte und zugleich breitere nationalistische Forderungen propagierte622. Der Kern des Entwurfes war, dass Pächter, die sich im Konflikt mit dem Landbesitzer befanden, diesem eine in ihren Augen „faire Pacht“ anboten. Weigerte sich der Landbesitzer, das Angebot anzunehmen, sollten die Pächter die Zahlung der Pacht verweigern. Das Geld einer „fairen Pacht“ wurde in einen Fond eingezahlt, der dann zur Unterstützung zwangsgeräumter Pächter benutzt werden konnte. Als 1886 die Konservativen in England die Regierung von Gladstone übernahmen, sahen sie sich mit vielfältigen Problemen in Irland konfrontiert. Die Union mit Irland sollte unter allen Umständen beibehalten werden, doch die große Mehrheit der irischen Bevölkerung forderte Selbstverwaltung. Das zeigte sich unter anderem durch die Wahl von 86 Home Rulern in das britische Parlament in demselben Jahr. Außerdem erreichten die Auseinandersetzungen um die Landfrage durch die Einführung des Plan of Campaign einen neuen Höhepunkt. Die Antwort der Regierung darauf war eine „stick and carrot“ Politik623. So wurde eine Reihe von Landgesetzen erlassen, die den Pächtern den Erwerb von Land ermöglichen sollten624. 1891 wurde außerdem das Congested Districts Board eingerichtet, um die ärmsten Gegenden Irlands mit Förderprogrammen wirtschaftlich und infrastrukturell zu verbessern. Die Forderungen nach Selbstverwaltung in Irland und die Auseinandersetzungen um die Landfrage waren nach Feingold „when applied at the local level, these two issues became one, for the simple reason that

621 Clark and Donnelly, eds., Irish Peasants. Violence and Political Unrest, 1780-1914 S. 272. Samuel Clark, "The Political Mobilisation of Irish Farmers," in Reactions to , ed. Alan O`Day (London: 1987). 622 Philip Bull, Land, Politics and Nationalism. A Study of the Irish Land Question (Dublin: Gill and Macmillan, 1996) S. 101-6. 623 Bereits im 19. Jahrhundert wurde dieses als „Killing Home Rule by kindness“ bezeichnet. Siehe dazu etwa Ryan, "From Grand Jury to County Council. A Study of the Application of the Local Government (Ireland) Act 1898 to County Galway" S. 1. 624 K. Buckley, "The Fixing of Rents by Agreement in Co. Galway, 1881-5," Irish Historical Studies 7, no. 27 (1951), Philip Bull, "The Significance of the Nationalist Response to the Irish Land Act of 1903," Irish Historical Studies XXVIII (1993), Robert Cherry Richard, Henry Maxwell Thomas, and John Wakely, The Irish Land Law and Land Purchase Acts 1860 to 1901 (Dublin: John Falconer 1903, 1903), Guinnane, "The Limits to Land Reform: The Land Acts in Ireland, 1870-1909.", W.A. Jacobs, "The Irish Land Question and the Land Act of 1881" (Ph.D., 1972).

197 at that level the most immediate manifestation of British rule was in the local government structure which administered the Parliament`s laws”625.

5.3.1 Rolle der Kommunikationsmedien und Ausweitung des Themenspektrums über die eigentliche Armenverwaltung hinaus

In der lokalen Presse wurde regelmäßig und detailliert über die Sitzungen der Mitglieder der Armenverwaltung von Galway und Gort berichtet626. Zwei wichtige lokale Zeitungen waren der Galway Express und der Galway Vindicator. Der erste Herausgeber des Galway Vindicator war John Francis Blake. Er war zugleich auch ein Mitglied der lokalen Armenverwaltung in Galway, und das Board of Guardians in Galway gestattete von Anfang an, dass die Presse wöchentlich über ihre Sitzungen berichtete. Nach Blake`s Tod 1864 übernahm der zuvor dort als Redakteur beschäftigte Lewis L Ferdinand die Zeitung. Auch er war Mitglied der Galway Poor Law Guardians627. Ferdinand vertrat einen katholisch- nationalistischen Standpunkt. Die Herausgeber des Galway Express waren Alexander und John MacDougall. John MacDougall war ebenfalls Mitglied der Armenverwaltung in Galway628 und vertrat einen protestantisch-unionistischen Standpunkt. In den ersten Jahrzehnten der Existenz der Arbeitshäuser berichteten

625 Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886 S. XX. 626 Diese durchgehende Berichterstattung war nicht in jeder Poor Law Union der Fall, in vielen Unions setzte dieses offenbar erst im Zusammenhang mit der Politisierung in den 1870er Jahren ein. Siehe dazu: Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland S. 50. In Galway und Gort war eine durchgehende Berichterstattung in der lokalen Presse jedoch der Fall. 627 1874 wurde dieser von der zentralen Behörde verwarnt, da alle Druckaufträge des Arbeitshauses seit den 1860er Jahren an den Sohn Ferdinands vergeben wurden und man einen Konflikt mit Paragraph 93 des Armengesetzes von 1838 befürchtete, der besagte, dass kein Mitglied der Armenverwaltung während seiner Amtsdauer Verträge mit dem Arbeitshaus schließen dürfte. Der Sohn Ferdinands war noch sehr jung und zudem taubstumm und man stellte seine Geschäftsfähigkeit in Frage. Der Druckvertrag wurde daraufhin ab dem Frühjahr 1874 an John MacDougall vergeben, der bis zum Frühjahr gewählter Guardian in Galway war. 628 1873/74 als gewähltes Mitglied, in den 1890ern als ex-officio Guardian.

198 beide Zeitungen ähnlich über die wöchentlichen Sitzungen der Galway Guardians. Seit der Mitte der 1880er Jahre finden sich im Galway Express nur noch kürzere und unregelmäßigere Berichte zu den wöchentlichen Zusammenkünften der Guardians und viele Darstellungen beschränken sich darauf, die Insassenzahlen sowie Zusammenfassungen der Korrespondenz mit der zentralen Behörde abzudrucken. Darüber hinaus wird lediglich vermerkt, dass der weitere Inhalt der Sitzung „nicht von Interesse“ gewesen sei. Ganz anders sind die Artikel des Galway Vindicator über die Sitzungen der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung ab dieser Zeit. Sie berichten detailliert über politische Themen und Diskussionen darüber, die während der Treffen der Guardians auftauchten. Die lokale Presse berichtete in Galway also nicht nur von Anfang an über die Sitzungen, sondern Redakteure und Herausgeber aller lokalen Zeitungen waren selber Mitglieder im Aufsichtsgremium. Auch in Gort gab es im gesamten Untersuchungszeitraum eine Berichterstattung über die wöchentlichen Treffen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung, doch dadurch, dass die Zeitungen, die über Gort berichteten aus Tuam kamen, waren keine Pressevertreter auch gleichzeitig Mitglied im Board of Guardians.

Wenn die Galway Guardians Briefe, Rundschreiben oder Petitionen anderer Institutionen erhielten, so trat Lewis L Ferdinand häufig als derjenige auf, der eine Annahme oder Weiterleitung dieser Schreiben vorschlug und zur Abstimmung kommen ließ. Ferdinand war als Herausgeber einer Zeitung sehr gut über politische Themen informiert und vertrat in seiner Zeitung einen katholisch- nationalistischen Standpunkt. Im April 1876 erhielten die Galway Guardians einen Brief des „Central Tenant Defence Committee“ mit einer Petition an das britische Parlament und eine Kopie des Entwurfs von I. Butt zu einer „Land Tenure Bill“629. Auf Initiative von L L Ferdinand wurde diese Petition von den acht anwesenden Galway Guardians übernommen und an die parlamentarischen Vertreter Galways weitergeleitet. Ferdinand beteiligte sich intensiv an der Diskussion politischer Themen innerhalb des Boards und setzte seine berufliche Tätigkeit dabei offen als Mittel ein, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen630.

629 Galway Minute Book 7.4.1876. 630 So äußerte er beispielsweise während einer Diskussion mit dem Vorsitzenden der Guardians um eine Nutzung des Friedhofs als Gemüsegarten, dass er alles publizieren werde und die 199 Im Mai 1879 schlug ein Mitglied der Armenverwaltung in Galway vor, dass sich das Board anlässlich des Todes des Home Rule Politikers Isaac Butt vertagen solle631. 16 der 31 anwesenden Guardians stimmten für eine Vertagung, 15 dagegen, so dass das Treffen um eine Woche verschoben wurde632. Unter den Befürwortern war auch der Herausgeber L L Ferdinand. Die Mehrheit der Guardians, die für eine Vertagung stimmten, können der katholischen Mittelschicht zugeordnet werden. So etwa der Buch- und Schreibwarenhändler James Davis, der auch Herausgeber des bis 1860 erschienenen Galway Mercury, einer sehr katholischen Zeitung, war. Ebenfalls für eine Vertagung war das Mitglied der Armenverwaltung, George Morris. Morris war als Home Ruler Abgeordneter für Galway im britischen Unterhaus633. Unter den Gegnern einer Vertagung des Boards war unter anderem Pierce Joyce. Er war der Vorsitzende des Galway Board of Guardians und trat 1874 bei einer Nachwahl in Galway zum Londoner Parlament als Liberaler gegen einen Home Ruler an, gegen den er sich aber nicht durchsetzen konnte634. Sieben Guardians, die einer Vertagung ablehnend gegenüberstanden, waren Landlords und die Mehrheit der Gegner der Vertagung können der sogenannten „nobility and gentry“ zugeordnet werden. Allerdings waren unter den Gegnern nicht nur ex- officio Mitglieder, sondern auch gewählte Guardians, die eine konservativ- unionistische Sichtweise vertraten.

Ende der 1870er Jahre wurden politische Themen häufig diskutiert, in den meisten Fällen konnten sich jedoch die konservativ-unionistischen Mitglieder bei einer Abstimmung durchsetzen. Konnten die nationalistischen Mitglieder im Aufsichtsgremium eine Entscheidung in ihrem Sinne erringen, so geschah es immer mit einem sehr geringen Vorsprung, oft nur einer Stimme. In den Jahren 1870 bis einschließlich 1873 bekamen die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway insgesamt 103 Schreiben anderer irischer Armenverwaltungen oder politischer Vereinigungen, die einen politischen Inhalt

Öffentlichkeit über die Tätigkeit der Mitglieder der Armenverwaltung informieren werde, in: Galway Express 2.7.1881, S. 3. Siehe dazu auch in dieser Studie S. 128. 631 Galway Minute Book 9.5.1879. 632 Galway Express, 10.5.1879, S. 3. 633 Walker, Parliamentary Elections Results in Ireland, 1801-1922 S. 282. 634 Ibid. S. 283.

200 und nichts mit der eigentlichen Armenverwaltung zu tun hatten635. Die Anzahl der eingehenden Briefe, die sich mit der kommunalen Armenfürsorge beschäftigten, war mehr als viermal so hoch. Demgegenüber gab es in dem Zeitraum von 1870 bis 1873 kein einziges ausgehendes Schreiben der Galway Guardians, welches sich mit der irischen Politik befasste und mehr als 400 Resolutionen zur Armenverwaltung. In den Folgejahren stieg die Zahl der eingehenden politischen Schreiben kontinuierlich an, während sich die Menge der empfangenen Briefe die Armenverwaltung betreffend kaum veränderte. Im Jahr 1876 adaptierte das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway erstmals eine politische Resolution, die es erreicht hatte und schickte sie weiter636. Im Galway Board of Guardians wurden bis zum Beginn der 1880er Jahre zwischen fünf und zehn politische Schreiben versandt. 1881 erhielten die Galway Guardians Rundschreiben anderer irischer Boards mit Forderungen nach einer Gesetzesvorlage, die die Zwangsräumungen säumiger Pächter (evictions) beenden sollte637 oder Resolutionen der Waterford Land League bezüglich der Abwesenheit von Landlords aus Irland (Absenteeism)638. Ein anderes Rundschreiben forderte, die Zahl der ex officio Mitglieder in den lokalen Armenverwaltungen zu reduzieren639. Zu jedem der Beispiele findet sich lediglich der Vermerk, dass sie verlesen (read) wurden. Dieses setzte sich zu Beginn des Jahres 1882 fort640. Nur Rundschreiben, die sich mit der eigentlichen Armenverwaltung befassten, wurden von den Galway Guardians angenommen und oft an die parlamentarischen Vertreter weitergeleitet641. So erhielten sie im März 1882 ein Schreiben aus Ballinasloe, einer Poor Law Union in der Grafschaft Galway, die die Selbstverwaltung für Irland forderte642. Eines der Mitglieder der Armenverwaltung in Galway, John J Kirwan, äußerte sich dazu, dass „it [Home

635 Siehe dazu Anhang Tabelle 28 eingehende und ausgehende Schreiben Galway 1870 – 1921. 636 Siehe dazu in dieser Studie S. 200. 637 Galway Minute Book 1.7.1881. 638 Galway Minute Book 17.6.1881 und 16.9.1881. 639 Galway Minute Book 11.11.1881. 640 Galway Minute Book 12.5.1882: Resolution zum Land Act, Eigentum von Land für Pächter und Abschaffung der Grand Juries. 641 Galway Minute Book 10.3.1882: Resolution zur Pension von Angestellten des Arbeitshauses. 642 Galway Minute Book 10.3.1882, Galway Express 11.3.1882, S. 3.

201 Rule] was a thing they need never expect.643“ Kirwan fuhr fort, dass „They were a lot of lunatics to pass such a resolution, and it was only from Ballinasloe that such a thing as it could come.644” In Ballinasloe, einer ländlichen Union, konnten sich Pächter und Anhänger der Pächtervereinigung in der lokalen Armenverwaltung schon früh durchsetzen und mehrere Sitze im Board of Guardians erringen. Lokale Armenverwaltungen, die die Selbstverwaltung unterstützten, wurden von Kirwan und anderen Guardians als „verrückt“ abgetan, das Galway Board of Guardians vertrat mehrheitlich eine unionistische Sichtweise. Kirwan, ein katholischer Landbesitzer, war zunächst vehement gegen die Selbstverwaltung in Irland. In den 1890er Jahren änderte er allerdings seine Meinung und unterstützte die Selbstverwaltung unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Insgesamt wechselten mehrere Mitglieder der Armenverwaltung in Galway, die zunächst strikt gegen eine Selbstverwaltung in Irland waren, seit dem Ende der 1880er Jahre ihre politische Anschauung hin zu einer gemäßigten Unterstützung der Home Rule Bewegung. Sie argumentierten, dass die überwiegende Mehrheit der irischen Bevölkerung Selbstverwaltung forderte und dieses auch von britischen Politikern, allen voran Gladstone645, forciert wurde. Viele Guardians wollten Mitglieder in der lokalen Verwaltung bleiben und auch in einem selbstverwalteten Irland eine führende Rolle übernehmen.

Im Juli 1882 kam es im Galway Board of Guardians zu einer Auseinandersetzung, die mit der eigentlichen Armenverwaltung nichts zu tun hatte, sondern sich ausschließlich um politische Themen drehte. Ein Mitglied der Armenverwaltung in Galway, Michael A Lynch, wollte eine Resolution die Landfrage betreffend zur Abstimmung im Board bringen: “That this Board expresses its strongest condemnation, not unmixed with contempt, at the latest scheme propounded by

643 Galway Express 11.3.1882, S. 3. 644 Ebenda. 645 R. A. Cosgrove, "The Relevance of Irish History. The Gladstone-Dicey Debate About Home Rule, 1886-7," Eire-Ireland XIII, 4 (1978), G.K. Peatling, British Opinion and Irish Self-Government, 1865-1925: From Unionism to Liberal Commonwealth (Dublin: Irish Academic Press, 2001). J.L. Hammond, Gladstone and the Irish Nation (London: 1964), Richard A. Lee, "Herbert Gladstone. Ireland and Radicalism" (M.A., York University, 1999), James Loughlin, Gladstone, Home Rule and the Ulster Questions, 1882-1893 (Dublin: 1986), H.C.G. Matthew, Gladstone 1875-1898 (Oxford: 1995), E.D. Steele, "Gladstone and Ireland," Irish Historical Review 17 (1970-1), J. Vincent, "Gladstone and Ireland," Proceedings of the British Academy LXIII (1977).

202 the Landlords for the wholesale extermination of their rackrented tenantry as evidenced in their programme secretly circulated by Mr A Kavanagh. We desire to urge on the tenants the necessity of united constitutional action in an endeavour to defeat this vile and wicked attempt aimed at by them. We call upon them to resist, with all the means left them of the constitution, this cold blooded Cromwellian policy of banishing the people of this country and substituting instead a colony of foreigners.646” M A Lynch war ein von der Pächtervereinigung (Land League) unterstütztes Mitglied der Armenverwaltung. Der Vorsitzende der Armenverwaltung weigerte sich, über diese Resolution sofort abstimmen zu lassen und auch andere Guardians meinten, dass man zuvor eine sogenannte „notice of motion for next board day“ an alle Mitglieder verschicken solle, um so jedem Teilnehmer die Gelegenheit zu geben, bei der nächsten Sitzung über die Resolution zu diskutieren647. Beim nächsten Treffen der Mitglieder der Armenverwaltung waren 21 Guardians anwesend. Der Vorsitzende Pierce Joyce, ein großer Landbesitzer, weigerte sich, die von M A Lynch vorgebrachte Resolution zur Abstimmung zu bringen und begründete dieses folgendermaßen: „He [Joyce] came there to discharge his duties to the poor and the rate-payers, that duty was now discharged, and therefore the Board was adjourned.648“ Joyce und die unionistischen Mitglieder benutzten die Kernaufgabe der Guardians der

646 Galway Minute Book 7.7.1882, Galway Express 8.7.1882, S. 3. Arthur Kavanagh war Abgeordneter im britischen Parlament für die Grafschaft Carlow und Mitglied der Bessborough Commission von 1881 zur Untersuchung „into the working of the Landlord and Tenant Act 1870“. Im Untersuchungsbericht erklärten die Mitglieder der Kommission, dass der Land Act von 1870 dem Pächter keinen Schutz brächte und sie sprachen sich für die sogenannten drei F`s aus: Fixity of Tenure, Fair Rents, Free Sale. Kavanagh sprach sich gegen den Bericht aus und entwarf einen eigenen Bericht mit einem Entwurf für eine Ausweitung des Land Act von 1870. Kavanagh war Mitglied der Property Defence Association und Mitbegründer des Irish Land Committee und der Land Corporation. Dieses waren von Landlords und land agents gegründete Vereinigungen zum Schutz ihrer Interessen und zur Verteidigung gegen Aktivitäten der Land League. Siehe dazu: K. Theodore Hoppen, "Landownership and Power in Nineteenth Century Ireland: The Decline of an Elite," in Landownership and Power in Modern Europe, ed. Ralph Gibson and Martin Blinkhorn (New York London: Harper Collins Academic, 1991). Dooley, The Decline of the Big House in Ireland. A Study of Irish Landed Families 1860-1960, Dooley, "Landlords and the Land Question.", S. 116f; William Edward Vaughan, Landlords and Tenants in Ireland 1848-1904, 2 (1. Aufl. von 1984) ed., vol. 2, Studies in Irish Economic and Social History (Dublin Dundalk: Economic and Social History Society of Ireland, 1994). Lewis Perry Curtis, "Landlord Responses to the Irish Land War, 1879-87," Eire-Ireland 38, no. 3-4 Fall/Winter (2003). 647 Galway Vindicator 8.7.1882, S. 3. Solch eine Ankündigung wurde im Normalfall nur bei Grundsatzentscheidungen, die anstanden, wie über die Höhe der Armensteuer, vom Büroangestellten der Union an alle Mitglieder verschickt. 648 Galway Vindicator 15.7.1882, S. 3; Galway Express 15.7.1882, S. 3.

203 Armenverwaltung als Vorwand, um politische Diskussionen zu unterbinden und ihnen unliebsame Beschlüsse zu verhindern. Das Vorgehen des Vorsitzenden zeigt, wie wichtig diese Position in den Boards of Guardians war. Lynch akzeptierte die Entscheidung des Vorsitzenden jedoch nicht und bestand auf einer Abstimmung des Boards. Der Vorsitzende der Guardians erwiderte: „If Mr Lynch were in the chair, and if he [Joyce] put a resolution, stating that the land league was the cause of all the murders and outrages and disturbances that took place, he did not believe Mr Lynch would put it; and he [Joyce] would not attempt to force a resolution down their throats which was repugnant to them.649” Joyce wusste die Mehrheit der Mitglieder hinter sich, doch nicht alle Guardians in Galway standen auf der Seite der Landbesitzer. Schon während der Rede, so berichtet der Galway Vindicator, sei es zu Rufen nach einer Niederlegung von Joyces Vorsitzendenposten gekommen650. Nachdem Joyce die Sitzung für beendet erklärt hatte, verließen er und 14 weitere Guardians das Treffen. Sechs Mitglieder der Armenverwaltung blieben zurück, und Lynch versuchte, einen neuen temporären Vorsitzenden zu benennen, doch drei Guardians weigerten sich, und erst der vierte von ihm gefragte Guardian stimmte zu den Vorsitz zu übernehmen. Lynch brachte daraufhin seine Resolution zur Abstimmung, die von den noch anwesenden Guardians angenommen wurde. Soweit berichtet die lokale Zeitung über das Treffen der Guardians. Im Protokollbuch des Board of Guardians findet sich dagegen, nachdem der Vorsitzende Joyce die Sitzung für beendet erklärt hatte, kein weiterer Eintrag. Lynch forderte den Büroangestellten der Union explizit dazu auf, einen Eintrag in das Protokollbuch zu machen, doch dieser kam der Aufforderung nicht nach651. Die zentrale Behörde in Dublin, die die Protokollbücher der Galway Guardians einsah, erfuhr von den Auseinandersetzungen nichts. Wenn die Mitglieder der Armenverwaltung Beschlüsse fassten, so leiteten sie diese in der Regel an andere irische Armenverwaltungen, an parlamentarische Vertreter in Galway oder übergeordnete Instanzen, wie die zentrale Behörde in Dublin oder den Irlandminister, weiter. In diesem Fall finden sich keinerlei Hinweise, dass die

649 Ebenda. 650 Ebenda. 651 Galway Express 15.7.1882, S. 3. Das Vorgehen von Lynch, der einen neuen temporären Vorsitzenden benannte, nachdem Joyce zuvor die reguläre Sitzung für beendet erklärt hatte, war illegal. Der Vorsitzende entschied über den Anfang und das Ende jeder Sitzung und den Ablauf der Tagesordnungspunkte. Siehe dazu auch in dieser Studie Kapitel 5.1.2.

204 Resolution über die Landbesitzer an eine dieser Stellen weitergeleitet wurde. Allerdings boten die Medien durch eine detaillierte Berichterstattung eine Verbreitungsmöglichkeit solcher Resolutionen, unter anderem an die lokalen Steuerzahler oder auch andere Board of Guardians und die zentrale Armenverwaltung.

Mitte der 1880er Jahre wurde im Galway Board of Guardians dann in nahezu jeder Sitzung die aktuelle politische Lage besprochen, und eine Vielzahl von Resolutionen anderer irischer Armenverwaltungen traf in Galway ein652. Im Dezember 1882 legte die zentrale Behörde in Dublin in ihren generellen Regeln für die lokalen Armenverwaltungen fest, dass es grundsätzlich erlaubt sei, Dinge zu besprechen, die nicht zu den Kernaufgaben der Mitglieder der Armenverwaltung zählten, und darüber Resolutionen zu verfassen, doch erst nachdem alle Kernaufgaben der Guardians abgehandelt seien653. Einige nationalistische Mitglieder der Armenverwaltung in Galway fühlten sich an diese Regel nicht gebunden, da es kein Gesetz sei, sondern nur eine generelle Regel654, so ihre Argumentation und versuchten politische Themen als primäre Tagesordnungspunkte behandeln zu lassen. Mitte der 1880er Jahre war die Anzahl der Schreiben politischen Inhalts, die das Aufsichtsgremium von Galway erreichten, so hoch wie die Zahl der Briefe, die sich mit der Armenverwaltung beschäftigten655. Die Analyse der ausgehenden Schreiben offenbart, dass die Galway Guardians in den 1880er Jahren mehr Resolutionen politischen Inhalts verabschiedeten. Ein besonders starker Anstieg zeigt sich im Jahr 1886 als der Vorsitzende ein Nationalist war. Seit den 1890er Jahren gingen sowohl die eingehenden als auch die ausgehenden politischen Resolutionen zurück.

652 Siehe dazu Anhang Tabelle 28: eingehende und ausgehende Schreiben Galway. 653 General Order of the Local Government Board for Ireland for Regulating the Meetings and Proceedings of Boards of Guardians in Ireland and the Appointment and Duties of Union Officers, vom 18.12.1882, Article 14, in: Thomas Aiskew Mooney, Compendium of the Irish Poor Law: And General Manual for Poor Law Guardians and Their Officers: Containing the Acts for the Relief of the Destitute Poor in Ireland and the Various Other Enactments Connected Therewith (Dublin: A. Thom, 1887). 654 1890 gab es einen Fall, in dem mehrere nationalistische Mitglieder ebenfalls erklärten diese nicht befolgen zu müssen mit der gleichen Argumentation wie 1882. 655 Siehe dazu Anhang Tabelle 28: eingehende und ausgehende Schreiben Galway. 205

Welchen Effekt hatten die Resolutionen der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung? Der allergrößte Teil der politischen Schreiben wurde von der zentralen Behörde ignoriert. Eine Reaktion aus Dublin auf Beschlüsse der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zu politischen Themen findet sich nur in sehr wenigen Einzelfällen. Die zentrale Behörde schaltete sich in Fällen ein, wenn sie meinte, dass die eigentlichen Aufgaben der Mitglieder der lokalen Armenverwaltung nicht oder nur noch unzureichend wahrgenommen würden. Eine Reaktion erfolgte also nur dann, wenn die Diskussionen über politische Themen die Armenverwaltung direkt behinderten. Allerdings wurden die Resolutionen nicht nur vom Local Government Board gelesen. Über Veröffentlichungen in der Presse erreichten sie auch die Mitglieder der Gemeinde. Die nationalistische Presse gab die Diskussionen zu politischen Themen in extenso wieder und veröffentlichte die einzelnen Diskussionsbeiträge namentlich. Auch die Initiatoren von Resolutionen, die Befürworter und Gegner wurden namentlich erwähnt. Die Beteiligten nutzten dieses Forum, um ihren jeweiligen politischen Standpunkt der Öffentlichkeit zu präsentieren656. Zudem wurden viele Beschlüsse an andere irische Aufsichtsgremien der Armenverwaltung geschickt, mit der Aufforderung, sich der Resolution anzuschließen (to adopt the resolution) und sie dann weiterzusenden. In einer Vielzahl von Fällen erhielten die Mitglieder der Armenverwaltung von Galway Schreiben anderer Aufsichtsgremien oder verschickten selber Resolutionen an andere Boards. Eine weitergehende Kooperation zwischen den einzelnen Armenverwaltungen findet sich jedoch selten. Zusätzlich schickten die Mitglieder der Armenverwaltung Kopien ihrer Beschlüsse an die parlamentarischen Vertreter von Galway, den Irlandminister oder andere hochrangige Politiker. In der großen Mehrheit der Fälle erhielt die lokale Armenverwaltung auch eine Empfangsbestätigung, in der ein weiterer Einsatz für die Umsetzung der Resolution zugesagt wurde. Allerdings zeigte die Analyse der eingegangenen Petitionen aus Galway an das britische Parlament, dass Worten kaum Taten folgten. Das Parlament beschäftigte sich mit den Resolutionen nur dann, wenn von vielen Armenverwaltungen zu einem Themenpunkt Petitionen eingegangen waren

656 Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland S. 65.

206 und wenn sich ausreichend parlamentarische Vertreter fanden, die diesen Punkt unterstützten.

Die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort verabschiedeten seit Beginn der 1880er Jahre ebenfalls Resolutionen, die mit der eigentlichen Armenverwaltung nichts zu tun hatten, sondern sich ausschließlich mit politischen Themen befassten657. So protestierten sechs anwesende Mitglieder im Januar 1883 gegen die Inhaftierung des Verlegers der „Tuam News“, einer nationalistischen Zeitung aus der Grafschaft Galway: „That we the Gort Board of Guardians hereby enter our strongest protest against the arbitrary action of the so-called Liberal Government in prosecuting and imprisoning John MacPhilpin, Esq., the Proprietor of the “Tuam News” for merely publishing undeniable facts in connection with the interests of tenant farmers and consequently of the Ratepayers of this Union, and we cannot fail to condemn the onesided action of the Executive Government in administering the “Crimes Act”658 by giving untrue latitude to the howling Tory Press while the liberties of the Popular Press are being so unwarrantably assailed and we further consider these prosecutions conducive to much evil in exasperating the minds of the masses of the people”659. In Gort lässt sich ein kontinuierlicher Anstieg in der Zahl der verfassten Schreiben mit politischem Inhalt feststellen, der im Jahr 1886 mit mehr als 50 Briefen pro Jahr seinen Höhepunkt erreichte. Demgegenüber standen 89 ausgehende Beschlüsse zur Armenverwaltung. Im ländlichen Untersuchungsgebiet wurden deutlich mehr Resolutionen zu politischen Themen verabschiedet als in Galway und seit dem Ende der 1880er Jahre sank der Anteil in Gort auch nicht so stark ab wie in Galway.

Es ist auffällig, dass viele der Resolutionen, die die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort verfassten, auch die (Armen-)Steuerzahler erwähnen, die „Öffentlichkeit“ oder die irische Bevölkerung, wie das folgende Beispiel zeigt:

657 Siehe dazu Tabelle 29: eingehende und ausgehende Schreiben Gort 1870 – 1921. 658 Der “Prevention of Crime (Ireland) Act von 1882 war eine direkte Reaktion auf die Phoenix-Park Morde und räumte den britischen Behörden in Irland weitreichende juristische Befugnisse ein. Dieses Gesetz besagte: „the lord-lieutenant was empowered to order the seizure of any newspaper appearing to contain matter inciting to the commission of or of any act of violence or intimidation (§ 13). He may also by warrant direct the search for and seizure of any papers or documents suspected to be used or to be intended to be used for the purpose of or in connexion with any secret society existing for criminal purposes (§ 14). Aus: Public General Acts, 45 & 46 Vict., Chapter 25, London 1882. 659 Gort Minute Book 6.1.1883.

207 „That we the Guardians of the Gort Poor Law Board in union with the wishes of the ratepayers we represented and in concert with nine-tenths of our fellow countrymen and following the prudent counsel of Mr Charles Stewart Parnell, the acknowledged leader of the do hereby declare that we shall pay no mark of welcome, or respect of any kind to the Prince of Wales on his approached visit to this Country“660. In dem Beschluss machen die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort die Verweigerung jeglicher Begrüßung oder Respekterweisung gegenüber dem englischen Prinzen von Wales öffentlich, sie ignorierten den Besuch also nicht nur, sondern kündigten es vorher explizit an. Dabei sprachen sie nicht nur im Namen des Aufsichtsgremiums von Gort, sondern führten auch die Steuerzahler und die große Mehrheit der irischen Bevölkerung an, um so das „Gewicht“ des Schreibens zu vergrößern. Die große Mehrheit der „aktiven“, also der regelmäßig anwesenden Mitglieder der Armenverwaltung in Gort zu dieser Zeit waren Nationalisten. Viele Resolutionen und Beschlüsse erwähnten daher Parnell oder James Stephens, die Führer der irischen Nationalisten. So verabschiedeten die Mitglieder der Armenverwaltung im August 1885 eine Resolution, in der sie anführten, „that we notice with regret the present inactive state of the Branch of the National League lately established in Gort“ und hofften, dass sich dieser Zustand der Inaktivität bald ändern würde „same as they were in the glorious days of the late Land League“661.

Die Armenverwaltung in Gort stand nicht nur in regem Kontakt mit anderen Armenverwaltungen, sondern auch mit politischen nationalistischen Vereinigungen in ganz Irland. In Galway konzentrierte sich der schriftliche Austausch zum allergrößten Teil auf andere Armenverwaltungen, während Briefwechsel etwa mit der Land League beziehungsweise der National League nur selten vorkamen. Viele Resolutionen in Gort beschäftigten sich besonders in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre ausschließlich mit politischen Themen; die kommunale Armenfürsorge kam in vielen Schreiben gar nicht mehr vor. Unterschiede zu Galway gab es auch in der Formulierung der Resolutionen. Die Schreiben, die die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort verfassten, enthielten oft radikale Forderungen, etwa nach einem völligen Besitzerwechsel in

660 Gort Minute Book 28.3.1885, Tuam News 3.4.1885, S. 3. 661 Gort Minute Book 8.8.1885.

208 der Landfrage oder auch Drohungen gegen große Landbesitzer. Resolutionen aus Galway dagegen waren weniger radikal formuliert. Sie wurden in den Sitzungen vielfach diskutiert und einige Formulierungen in deren Verlauf dann abgeschwächt oder gestrichen. Derartige Diskussionen fanden in Gort vielfach gar nicht statt, da es in den Sitzungen keine anwesenden konservativ-unionistischen Mitglieder gab.

Ein wichtiger Punkt für die Nationalisten in Irland war der Erhalt und die Pflege der irischen Sprache und Kultur. Auch die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort verabschiedeten 1890: „That in future all advertisements of our Union be published in the side by side with the same in the English language. We are for Home Rule – for having Ireland a nation once again, therefore to be consistent we must not fail to aid in preserving our nation`s language which, notwithstanding the efforts of the British Government to destroy it, is still, as in the days of Duach and Guaire spoken and understood all over our district”662. Interessant an dieser Resolution ist nicht nur die angekündigte gleichrangige Verwendung der irischen und der englischen Sprache663 und das Bekenntnis der Mitglieder der Armenverwaltung zur Selbstverwaltung in Irland, sondern auch der Terminus „Ireland – a nation once again“. Dieses ist der Titel und der Refrain eines der bekanntesten nationalistischen Lieder, welches in den 1840er Jahren von Thomas

662 Gort Minute Book 15.11.1890. 663 Zur Rolle der irischen Sprache siehe etwa: Liam S. Andrews, "Unionism and Nationalism and the Irish Language, 1893-1933" (Ph.D., 2000), M. Cronin, "Defenders of the Nation? The Gaelic Athletic Association and Irish Nationalist Identity," Irish Political Studies XI (1996), Tony Crowley, The Politics of Language in Ireland 1366-1922: A Sourcebook. (London: Routledge, 2000), Tony Crowley, Wars of Words: The Politics of Language in Ireland 1537-2004 (Oxford New York: Oxford University Press, 2005), Mary Daly and David Dickson, The Origins of Popular Literacy in Ireland: Language Change and Educational Development, 1700-1920 (Dublin: Department of Modern History TCD, 1990), Victor Edward Durkacz, The Decline of the Celtic Languages: A Study of Linguistic and Culture Conflict in Scotland, Wales, and Ireland from the Reformation to the Twentieth Century (Edinburgh: John Donald Publishers, 1983), A C Hepburn, "Language, Religion and National Identity in Ireland since 1880," Perspectives on European Politics and Society 2, no. 2 (2001), John Hutchinson, The Dynamics of Cultural Nationalism: The Gaelic Revival and the Creation of the Irish Nation State (London: Allen & Unwin, 1987), Adrian Kelly, Compulsory Irish: Language and Education in Ireland, 1870`S -1960`S (Dublin Portland, OR: Irish Academic Press, 2001), Diarmait MacGiolla Chriost, The Irish Language in Ireland. From Goidel to Globalisation, Routledge Studies in Linguistics (London: Routledge, 2005), Seamus O`Buachalla, "Educational Policy and the Role of the Irish Language from 1831 to 1981," European Journal of Education 19, no. 1 (1984), Padraig O`Riagain, Language Policy and Social Reproduction: Ireland, 1893-1993 (Oxford: Clarendon, 1997), Jeanne Sheehy, The Rediscovery of Ireland`S Past. The Celtic Revival 1830-1930 (London: 1980), Maureen Wall, "The Decline of the Irish Language," in A View of the Irish Language, ed. Brian O`Cuiv (Dublin: Stationery Office, 1969). Paul Musgrave, "To "Relearn Our Language": The Irish Language and Irish Nationalism" (Master of Arts, University College Dublin, 2005). Zur Gaelic League in der Grafschaft Galway siehe Irene Boyle, "The Politics of Popular Nationalism in County Galway C. 1896-1910" (M.A. thesis, NUIGalway, 1989) S. 31-90.

209 Davis664 verfasst wurde und welches zur Kategorie der „Irish Rebel music“ zählt665. In den Resolutionen aus Gort benutzte man also ein spezifisches nationalistisches Vokabular. Auch der Bezug auf zwei legendäre irische Könige, Duach und Guaire, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Die Erwähnung der eigenen, irischen Geschichte und Kultur spielte eine wichtige Rolle für die nationalistischen Iren666. Der gälische Name der Stadt Gort, Gort Inse Guaire, bezieht sich auf einen dieser legendären Könige, der im 6. Jahrhundert dort eine königliche Residenz gehabt haben soll667. Aus Galway ist solch ein Beschluß einer gleichrangigen Verwendung von irisch und englisch nicht überliefert. In der Stadt Galway war die Verwendung der irischen Sprache aber auch nicht so geläufig, wie im ländlichen Teil der Grafschaft Galway.

5.3.2 Beginn personeller Veränderungen

Im Jahr 1877 standen sich zum ersten Mal bei den Wahlen des Galway Board of Guardians nationalistische und unionistische Kandidaten gegenüber. Von 37 gewählten Guardians kam es in einem Wahlkreis zu einem Wettbewerb zwischen einem land agent, dem Repräsentanten der Interessen eines Landlords, und einem Pächter, der von der Land League unterstützt wurde. Allerdings konnte sich der

664 Thomas Davis war ein irischer nationalistischer Politiker und führend in der „Young Ireland“ Bewegung, einer politischen Gruppierung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, die die Unabhängigkeit Irlands forderte. 665 Dazu siehe etwa: Marjorie Howes, "Tears and Blood: Lady Wilde and the Emergence of Irish Cultural Nationalism," in Ideology and Ireland in the Nineteenth Century, ed. Tadgh Foley and Seàn Ryder (Dublin: Four Courts Press, 1998), Eva Stöter, ""Grimmige Zeiten": The Influence of Lessing, Herder and the Grimm Brothers on the Nationalism of the Young Irelanders," in Ideology and Ireland in the Nineteenth Century, ed. Tadgh Foley and Seàn Ryder (Dublin: Four Courts Press, 1998). 666 Siehe dazu auch: Anne E Kane, "Theorizing Meaning Construction in Social Movements: Symbolic Structures and Interpretation During the Irish Land War, 1879-1882," Sociological Theory 15, no. 3 (1997). 667 Grey and McNamara, Gort Inse Guaire. A Journey through Time., siehe besonders Kapitel 5: Guaire the Generous, S. 53-62.

210 Pächter nicht durchsetzen668. Im Jahr 1881 wurde bei der gleichen Anzahl zu wählender Guardians um sieben Sitze gekämpft. Der Pächtervereinigung in Galway gelang es 1881, zwei von ihnen unterstützten Kandidaten in das Board of Guardians zu entsenden, in fünf anderen Bezirken unterlagen die Nationalisten669. Die Irish Times kommentierte dieses Wahlergebnis in Galway mit folgender Aussage: „it is enough to say that the effort to carry in Mr. Parnell`s nominees universally and with a marked superiority was not successful.670” Im Wahlbezirk Oranmore in der Galway Union kam es 1881 zu einem Wettbewerb zwischen dem amtierenden Mitglied der Armenverwaltung Patrick Dooley, einem konservativen Mitglied und land agent, und Thomas Burke Kelly, einem Nationalisten. Kelly war noch vor den Wahlen als „Suspect“ verhaftet worden und saß sechs Monate im Gefängnis. Dennoch konnte Kelly zur Wahl antreten, unterlag jedoch dem amtierenden Guardian Dooley671. 1882 standen sich in Oranmore dieselben Personen gegenüber, und wiederum gelang es Kelly nicht, den konservativen Dooley zu schlagen672, obwohl nationalistische Kräfte in Oranmore einen sehr aktiven Wahlkampf betrieben hatten. So berichtet die Zeitung Tuam News, dass jeder Wähler in diesem Wahlbezirk eine Postkarte erhalten hatte „threatening a visit from Captain Moonlight if he voted for Dooley“673. Jedem Wähler, der für Dooley stimmte, wurde angedroht „to burn everything burnable belonging to him, take every leg from his cattle, let the rain in through the roof of his house, and the daylight through his carcass if he voted for Dooley“674. Auch ein Plakat mit ähnlichem Inhalt wurde in Oranmore aufgehängt, jedoch “couched in much milder terms” als die Postkarten, so ein Bericht der nationalistischen Tuam News675. Dies alles beeinflusste die Wähler anscheinend jedoch nicht, denn Dooley erhielt 83 Stimmen und Kelly 21. Laut der nationalistischen Zeitung Tuam News galt Dooley in Oranmore als „ a pretty good member [der Armenverwaltung in Galway]“ und

668 Galway Vindicator, 25.3.1877. 669 Irish Times, 24., 25., 26.3.1881; Galway Vindicator 26.3.1881, S. 3. 670 Irish Times, 25.3.1881. 671 Galway Vindicator 26.3.1881, S. 3. 672 Galway Vindicator, 25.3.1882, S. 3; Tuam News 24.3.1882, S. 4. 673 Tuam News 31.3.1882, S. 4. Der Begriff “Captain Moonlight” stand für nationalistische radikale Gruppen, die im Rahmen der Auseinandersetzungen um die Landfrage in Irland „agrarian crimes“ verübten, vor allem das Niederbrennen von Farmen oder auch die Tötung von Vieh. 674 Tuam News 31.3.1882, S. 4. 675 Ebenda.

211 „stands well with the electors“, wohingegen Kelly „did not bear a good name with the electors“676. Dabei spielte die Zeitung vorrangig auf die Tätigkeit Dooley`s als land agent und seine Einfluß auf die Pächter und Steuerzahler in Oranmore an.

Im Wahlbezirk Claregalway war der Gegenkandidat des amtierenden konservativen Mitglieds der Armenverwaltung, John F Burke, der Nationalist Martin C Kearney. Auch Kearney saß während der Wahlen zum Aufsichtsgremium der Armenverwaltung als „Suspect“ im Gefängnis. Er konnte sich jedoch bei der Wahl 1882 durchsetzen677 und wurde 1883 wiedergewählt. Ein weiteres nationalistisches Mitglied, Patrick Kearney, stand in Galway im Wahlbezirk Lackagh zur Wahl. Auch er hatte als „Suspect“ für sechs Monate im Gefängnis gesessen678. In Lackagh gab es keinen Gegenkandidaten, so dass Patrick Kearney ebenfalls Mitglied in der Armenverwaltung in Galway wurde. In drei Wahlbezirken kam es 1882 also zu einem Wettbewerb zwischen nationalistischen und konservativen Kräften. Zwei Nationalisten wurden in das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Galway gewählt. 1884 gelang es dem konservativen John F Burke die Wahl in Claregalway zu gewinnen und seinen Sitz im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Galway zurückzugewinnen679.

Schaut man sich die gesamte Zusammensetzung der lokalen Armenverwaltung in Galway an, so änderte sich durch die einzelnen Wahlerfolge der Nationalisten nominell wenig aufgrund des hohen ex-officio Anteils. Doch ist hierbei zu berücksichtigen, dass 1881 in Galway nur zwei der Kandidaten direkt von der Pächterliga unterstützt wurden, jedoch auch andere Mitglieder der Armenverwaltung in Galway deren Forderungen positiv gegenüberstanden. Zudem waren die beiden von der Pächtervereinigung getragenen Kandidaten sehr regelmäßig bei den wöchentlichen Zusammenkünften der Mitglieder der Armenverwaltung anwesend, während viele andere Guardians, besonders auch ex-officio Mitglieder, nie oder nur sehr selten teilnahmen. Die nominelle Möglichkeit der Einflussnahme blieb also gering, doch die tatsächliche Mitsprachemöglichkeit ist höher zu bewerten, wenn man die Zahl der anwesenden Mitglieder der

676 Ebenda. 677 Galway Vindicator 25.3.1882, S. 3; Tuam News 24.3.1882, S. 4. Kearney erhielt 31 Stimmen und Burke 6 Stimmen. 678 Galway Vindicator, ebenda; Tuam News, ebenda. 679 Galway Vindicator 29.3.1884, S. 3.

212 Armenverwaltung betrachtet. Bei vielen wöchentlichen Treffen der Galway Guardians nahmen in der großen Mehrheit der Fälle deutlich weniger als zehn Mitglieder teil, und nur sehr selten stieg die Zahl auf mehr als 20 Personen an. In den Protokollbüchern der Periode von 1881/82 und auch danach stammen viele Resolutionen der Guardians, die sich nicht mit der eigentlichen Verwaltung des Arbeitshauses beschäftigen, sondern politischer Natur sind, häufig von einem der beiden von der Pächterliga unterstützten Mitglieder der Armenverwaltung, und es gelang ihnen auch in vielen Fällen diese zu verabschieden.

Die geringe Anwesenheit vieler Mitglieder der Armenverwaltung berührte einen der Kritikpunkte, den sogenannte „nationalist Guardians“ anbrachten, wenn sie über die bisherige Arbeit der Aufsichtsgremien sprachen. Sie bemängelten, dass viele Mitglieder der Armenverwaltung lediglich dann teilnahmen, wenn es galt, den Vorsitzenden und dessen zwei Vertreter zu wählen sowie andere Posten in der Union zu besetzen oder über die Armensteuer zu entscheiden680. Durch eine nahezu vollständige Anwesenheit aller Mitglieder beim ersten Treffen nach jeder jährlichen Poor Law Wahl gelang es den konservativen Kräften in Galway, bis zum Ende der Amtsperiode 1892/93 den Posten des Vorsitzenden mit großen Landbesitzern zu besetzen. Nur im Jahr 1886 wurde Michael A Lynch, ein sogenannter „nationalist Guardian“, zum Vorsitzenden gewählt. Dieses zeigt, dass sich die Ergebnisse von Feingold, der seine Untersuchung 1886 enden lässt, nicht auf alle Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Irland übertragen lassen. Nähme man 1886 als Endpunkt der vorliegenden Untersuchung, so wäre dieses das Jahr, in dem es den Nationalisten gelang, den Vorsitz in der Armenverwaltung von Galway zu erlangen. Allerdings zeigen die nachfolgenden Jahre, dass die Nationalisten den Vorsitz keineswegs behalten konnten, sondern schon 1887 wieder ein Konservativer in das Amt gewählt wurde. Erst 1893 konnten die Nationalisten den Vorsitz dauerhaft gewinnen.

Über die personellen Veränderungen in den lokalen Armenverwaltungen berichtete auch die Presse in Galway. In einem Artikel über die Board of Guardians äußerte sich eine nationalistische Zeitung 1885 darüber, dass „there has been for the past two or three years considerable activity displayed in many Unions to push aside members of Boards of Guardians who had conducted the business of those

680 Galway Vindicator 11.4.1885, S. 3.

213 Boards for years, and to supplace them by inexperienced persons whose claims to the position were generally a profession of what for the nonce is accredited as patriotic feelings.681” Als Beispiel für eine lokale Armenverwaltung, in der dieser Wechsel hin zu solchen “new hands” stattfand, wird das zweite Untersuchungsgebiet dieser Studie, Gort Union, angeführt682. In Galway hingegen, so der Bericht, „more consideration has been given to past services.683“ In ähnlicher Weise äußert sich auch ein Artikel, der in der Zeitung „The Nation“ 1885 erschien und der die verschiedenen lokalen Einrichtungen in Galway, wie die Armenverwaltung, die Stadtverwaltung und die Hafenverwaltung, sowie den High Sheriff, als besonders konservativ und unionistisch bezeichnet684. Viele Mitglieder der Armenverwaltung in Galway waren schon sehr viele Jahre in einer dieser lokalen Einrichtungen vertreten685. Sie brachten langjährige Erfahrungen in der lokalen Verwaltung durch Mitgliedschaften etwa in den Grand Juries oder der Stadtverwaltung in Galway mit. In Gort hingegen war solch eine breite lokale Verwaltungstätigkeit nicht feststellbar. Einige Mitglieder waren zugleich in der County Grand Jury vertreten, aber für die Mehrheit der Mitglieder bildete die Tätigkeit im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort die einzige öffentliche administrative Tätigkeit. Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort stellte dort die einzige Form lokaler Verwaltung dar, einen Gemeinde- oder Stadtrat gab es nicht und überregionale Einrichtungen befanden sich in der Stadt Galway. Der Ort Gort und ein großer Teil seiner Umgebung befand sich im Eigentum von Lord Gough. Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort stellte für die dort ansässigen Steuerzahler somit die einzige Mitsprachemöglichkeit in der lokalen Verwaltung dar. In diesem Gremium konnte man auf eine Vielzahl unterschiedlicher Bereiche der lokalen Verwaltung Einfluß nehmen und sie entscheidend mitgestalten, so dass die Einrichtung der irischen Aufsichtsgremien besonders in den ländlichen Regionen Irlands entscheidend zur Ausbildung einer lokalen Administrationsebene beitrug.

681 Galway Vindicator 11.4.1885, S. 3. 682 Ebenda. 683 Ebenda. 684 The Nation 26.9.1885: Artikel „Rotten Galway“. 685 Siehe dazu Kapitel Vernetzung der Board of Guardians.

214

Im März 1886 hingen in Galway Plakate aus, in denen alle Steuerzahler im Namen einer „Convention“ von Nationalisten dazu aufgerufen wurden, in jedem der vier Wahlbezirke der Stadt Galway von ihnen nominierte Kandidaten zu wählen. In einer lokalen Zeitung, dem Galway Express, findet sich ein Flugblatt dieser „Convention“ abgedruckt, welches Auskunft gibt über die Ziele der nationalistischen Vereinigung686. Den amtierenden Mitgliedern der Armenverwaltung wurde in dem Flugblatt vorgeworfen, nur in ihrem eigenen Interesse zu handeln und „Vetternwirtschaft“ zu betreiben, indem sie Verwandten und Freunden lukrative Verträge im Zusammenhang mit der lokalen Armenverwaltung geben oder selber Landverkäufe an das Board of Gurdians tätigen würden, die ihnen hohe Summen einbrächten. Dafür werden in dem Flugblatt auch konkrete Beispiele genannt. Weiterhin fährt der Text fort, dass die Mitglieder der Armenverwaltung in allen anderen lokalen Einrichtungen in Galway vertreten seien und so einen kleinen, exklusiven Kreis formten, der keine „Eindringlinge“ dulde und nur dazu diene, eigene Interessen möglichst effektiv durchzusetzen. Die protestantisch-unionistische Zeitung druckte den Text des Flugblattes ab, um die Vorwürfe darin als „Lügen“ zu entlarven. Der Inhalt des Flugblattes prangerte jedoch Zustände an, die durchaus korrekt waren. Die meisten Mitglieder der Armenverwaltung waren auch in allen anderen lokalen Verwaltungseinrichtungen Galways tätig, und zudem waren viele Mitglieder miteinander verwandt und stammten aus den bekanntesten Familien Galways. Obwohl es den Mitgliedern der Armenverwaltung durch die Armengesetzgebung beispielsweise verboten war, direkt Verträge mit dem Arbeitshaus zu schließen, konnten solche Verbote leicht umgangen werden, indem etwa Verwandte als Vertragsinhaber auftraten. Auch beim Abschluss von Pachtverträgen oder Verkäufen von Grundstücken an die Armenverwaltung traten in vielen Fällen Mitglieder der Armenverwaltung oder nahe Verwandte als Verkäufer auf. Das zeigen auch die versuchten Widerlegungen der unionistischen Zeitung, da diese den Vorwürfen im Kern Recht geben muss, dafür jedoch Rechtfertigungen zu finden versucht. So spricht der Artikel davon, dass es zwar stimme, dass einige an die Armenverwaltung verpachtete oder verkaufte Grundstücke Mitgliedern der

686 Galway Express 20.3.1886, S. 3.

215 Armenverwaltung gehört hätten, diese aber schließlich nicht von der Armenverwaltung selber, sondern von der zentralen Behörde in Dublin ausgewählt würden. Die Vorgehensweise in solchen Fällen war, dass die lokale Armenverwaltung ihnen als geeignet erscheinende Grundstücke auswählte und dann einen Vorschlag an die zentrale Behörde machte, die sich diesem dann in der Regel anschloss. Auch zeigt etwa die häufige Abwesenheit vieler Guardians, dass die eigentliche Armenverwaltung sicherlich nicht der Hauptgrund war, eine Mitgliedschaft in dieser Einrichtung anzustreben.

Die nationalistische „Convention“ wurde in der lokalen nationalistischen und unionistischen Presse als „self-constituted body“, gegründet von neun Individuen, bezeichnet687. Die Convention selbst sagte, im Namen der „National League“ zu sprechen688. Der Galway Vindicator berichtete außerdem, dass Mitglieder dieser „Convention“ von Haus zu Haus gingen, um die Steuerzahler zu beeinflussen und ihre Kandidaten zu propagieren689. Die Zeitung riet in diesem Bericht allen Wahlberechtigten, sich nicht beeinflussen zu lassen und warnte, wie schon ein Jahr zuvor vor der Wahl von „gänzlich unerfahrenen“ Kandidaten690. Stattdessen solle man die Guardians, die sich zur Wiederwahl stellten und die ihr Können und ihre Fähigkeiten durch langjährige Tätigkeiten als Mitglieder der Armenverwaltung unter Beweis gestellt hätten, nicht zurückweisen691. Zu jenen Plakaten und Flugblättern der „Convention“ erschienen mehrere Leserbriefe in der lokalen Presse, in denen sich die Verfasser selber als Nationalisten bezeichneten, aber vor den Aktivitäten der Gruppe warnten und sie als zu „radikal“ und „tyrannisch“ bezeichneten692. In einem Leserbrief werden die Vertreter der „Convention“ als Gegner von Parnell beschrieben693. Der nationalistische Galway Vindicator

687 Galway Vindicator 3.3.1886, 20.3.1886, S. 3, 27.3.1886, S.3. 688 Galway Vindicator 27.3.1886, S. 3. Die Irish National League war der Nachfolger der Irish National Land League. 689 Galway Vindicator, 3.3.1886, S. 3. 690 Ebenda. 691 Ebenda. 692 Galway Vindicator, 3.3.1886, S. 3: “Who are the Nationalists?” und “The coming election of Guardians”. 693 Galway Vindicator, 3.3.1886, S. 3: “Who are the Nationalists?”. Die Convention wolle, so der Artikel, die Unabhängigkeit Irlands auf gewaltsamen Weg herbeiführen. Charles Stewart Parnell war ein irischer führender nationalistischer Politiker und Mitbegründer der Irish National League. Siehe dazu etwa Donald Jordan, "John O`Connor Power, Charles Stewart Parnell and the Centralisation of Popular Politics in Ireland," I. H. S. XXV, 97 (1986), Robert Kee, Laurel and the Ivy. Story of 216 berichtete fortlaufend über die Aktivitäten dieser Vereinigung und betonte immer wieder, dass sie sich zwar als nationalistisch bezeichne, doch aufgrund ihres gewalttätigen Auftretens nicht als solche angesehen werden könne und rief die Steuerzahler dazu auf, sich nicht von dieser Gruppe unter Druck setzen zu lassen694. Die protestantisch-unionistische Zeitung in Galway, der Express, berichtete ebenfalls über die Aktivitäten dieser Vereinigung und schreibt, dass sie einen Versuch darstelle, dass „men are thrust into positions Nature never intended them to fill695“. Diese Aussage verdeutlicht die unionistische Sichtweise, die den Nationalisten „von der Natur her“ das Recht absprach, sich in lokale Verwaltungen wählen zu lassen und die diese Posten als den sogenannten „gentlemen“ vorbehalten ansah696. Dabei hebt die Zeitung besonders hervor, dass in drei Bezirken, Galway West, Süd und Nord, drei der höchsten (Armen-)Steuerzahler von Galway und „veterans in poor law business“ sowie in Galway West und Süd, die amtierenden Stellvertreter des Vorsitzenden der lokalen Armenverwaltung von nationalistischen Kandidaten herausgefordert würden, die keinerlei Erfahrung in der lokalen Verwaltung vorweisen könnten697. Die lokale unionistische Presse versuchte, die nationalistischen Kandidaten als „unerfahrene Individuen“ darzustellen, die auch nur von einigen wenigen anderen Personen unterstützt würden und die somit keine „ernstzunehmenden“ Kandidaten für die lokale Armenverwaltung seien. Indem die konservativ-unionistische Presse besonders die Erfahrung und die Zugehörigkeit der amtierenden Guardians zu den höchsten Steuerzahlern betonte, wird deutlich, dass die Wahrnehmung der Interessen der (höchsten) Steuerzahler aus konservativ-unionistischer Sicht als die wichtigste Aufgabe der Guardians betrachtet wurde und nicht die eigentliche Armenverwaltung.

Charles Stewart Parnell and Irish Nationalism (London: Penguin Books, 1994), L. Kennedy, "The Economic Thought of the Nation`S Lost Leader: Charles Stewart Parnell," in Parnell in Perspective, ed. D. G. Boyce and Alan O`Day (London: 1991), Alan O`Day, The English Face of Irish Nationalism: Parnellite Involvement in British Politics, 1880-1886, 2 (1. Aufl. von 1977) ed. (Aldershot: Ashgate Publishing Group, 1994), Alan O`Day, Parnell and the First Home Rule Episode, 1884-1887 (Dublin: 1986). 694 Galway Vindicator, 20.3.1886, S. 3. 695 Galway Express, 6.3.1886, S.3. 696 Ebenda. 697 Ebenda.

217 Der Galway Vindicator, obwohl nationalistisch, vermied die Darstellung einer Zugehörigkeit der Kandidaten und der „Convention“ zu einer großen politischen Strömung in Irland und stellte sie immer wieder als „Individuen“ dar. Dieses Vorgehen erfolgte wohl vor allem aufgrund der Gewaltbereitschaft der Vereinigung, von der sich gemäßigtere Nationalisten abheben wollten. Der Express betonte, dass der Vorsitzende und seine Stellvertreter bisher immer verhindert hätten, dass die lokale Armenverwaltung in Galway in eine „Arena politischer Auseinandersetzung698“ verwandelt worden sei und rekurriert auf den Vorfall vom Juli 1882699, in dem der Vorsitzende sich weigerte, politische Resolutionen anzuerkennen und die Sitzung für beendet erklärte. Das damalige Vorgehen stellt die konservativ-unionistische Zeitung als vorbildlich und positiv heraus. In den Poor Law Wahlen 1886 konnten sich die Kandidaten der „Convention“ in drei städtischen Wahlbezirken von Galway nicht gegen die Guardians, die sich zur Wiederwahl gestellt hatten, durchsetzen700. In einem Bezirk allerdings, Galway Ost, konnte einer von drei zur Verfügung stehenden Plätze von einem der von der „Convention“ unterstützten Kandidaten errungen werden. Der Kandidat setzte sich mit einer Stimme Vorsprung gegenüber einem zur Wiederwahl aufgestellten Guardian durch701. Diese Person, John Fogarty, war allerdings nur in der Wahlperiode 1886/87 im Board of Guardians vertreten, und eine Wiederwahl in das Board gelang ihm nicht. Bei nachfolgenden Poor Law Wahlen taucht die Convention nicht mehr auf. Ihre Aktivitäten scheinen auch auf die Stadt Galway beschränkt gewesen zu sein.

In Gort kam es zu Beginn der 1880er Jahre zu einer dauerhaften personellen Veränderung der Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung. Die Nationalisten stellten die eindeutige Mehrheit im Aufsichtsgremium und ihnen gelang es 1882 den Posten des Vorsitzenden zu erringen und permanent zu sichern. Eine Opposition durch die ex-officio Mitglieder erfuhren sie nicht. Bis auf einige wenige Wahlbezirke, in denen die großen

698 Galway Express 6.3.1886, S. 3. 699 Siehe Seite 203f. 700 In Galway Süd ging es um einen Sitz in der lokalen Armenverwaltung, in Galway Nord und West um jeweils drei Sitze. 701 Galway Vindicator 27.3.1886, S. 3, Galway Express 27.3.1886, S.3.

218 Landbesitzer ihre Wiederwahl sichern konnten, errangen in fast allen Wahlbezirken die nationalistischen Kandidaten den Wahlsieg. Der Grund hierfür war, dass die Kandidaten eine aktive Unterstützung der Pächtervereinigung erfuhren, die sie mit Wahlveranstaltungen und Plakaten bewarben. Hinzu kam, dass viele konservativ- unionistische Mitglieder im Zuge der Auseinandersetzungen um die Landfrage gar nicht mehr bei den Wahlen in Gort gegen einen nationalistischen Kandidaten antraten. Die ex-officio Mitglieder in Gort waren auch bei den jährlichen Vorsitzendenwahlen kaum vertreten. In einer eher städtischen Union war es für die Nationalisten viel schwieriger eine personelle Veränderung zu erreichen, als in einem eher ländlichen Verwaltungsbezirk, in dem die Auseinandersetzungen um die Landfrage die dort lebenden Personen direkt betrafen. Zudem gab es in Galway nur wenige Mitglieder, die aktiv von der Pächtervereinigung unterstützt wurden. Die große Mehrheit der nationalistischen Guardians in Galway trat als Individuen an und nicht als Kandidaten einer politischen Vereinigung. Die aktive Unterstützung der Pächtervereinigung und die nicht vorhandene Opposition der konservativ-unionistischen Mitglieder in Gort scheint der Hauptgrund dafür zu sein, dass es in diesem eher ländlichen Untersuchungsgebiet bereits in den frühen 1880er Jahren gelang, die politischen Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung zu ändern, während dieses in Galway bis in die 1890er Jahre hinein nicht möglich war.

5.3.3 Selbstverwaltung und die Landfrage als beherrschende Themen

Einige Mitglieder der Armenverwaltung waren direkt in die Auseinandersetzungen um die Landfrage involviert, sei es als Landbesitzer oder Land League Vertreter. Ein gewähltes Mitglied der Galway Guardians seit 1855 war John Henry Blake. Er war land agent für den Marquis Clanricarde, der ein ex-officio Mitglied der Galway Guardians und ein großer Landbesitzer war. Clanricarde nahm allerdings fast nie an den Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway teil

219 und weilte fast immer außerhalb von Irland. Er gewährte seinen Pächtern keinerlei Pachtreduzierungen und ließ sie zwangsräumen, wenn sie die Pacht nicht bezahlten. Sein land agent, John H Blake, der diese Maßnahmen ausführen ließ, wurde im Juni 1882 auf dem Weg nach Loughrea im Zuge der Auseinandersetzungen um die Landfrage erschossen702. Die Täter konnten nicht gefasst werden. Die Mitglieder der Armenverwaltung ließen daraufhin ein Treffen aus Respekt gegenüber dem Toten ausfallen. Dieses ist allerdings der einzige Fall, in dem ein Mitglied der Aufsichtsgremien der beiden Untersuchungsgebiete im Zuge der Auseinandersetzungen um die Landfrage getötet wurde. Vor allem Mitglieder des Gort Boards wurden allerdings in diesem Zeitraum wegen „agrarian crimes“ oder „nationalist agitation“ inhaftiert, wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln aufgezeigt wurde.

Die beherrschenden Themen in den Treffen der Mitglieder der Armenverwaltung in Galway und Gort in der Mitte der 1880er Jahre waren Selbstverwaltung in Irland und die Landfrage. So beschlossen die Galway Guardians 1886, während im englischen Parlament über die „Home Rule“ für Irland diskutiert wurde: „That we the Board of Guardians of the Galway Union in response to Mr Gladstone`s invitation beg respectfully to inform him that in our belief the only solution of the Irish Difficulty is to restore to us our Native Parliament, and to ask him to effect a final settlement of the Land Question on some such lines as Mr Griffin`s proposal when we have no doubt the question of social order will find its high development in the future contentment and prosperity of our beloved country.

We also submit that the Irish Party holds the mandate of the overwhelming majority of the Irish People to unceasingly sustain their demand as to the inalienable right of this Nation to self government.703” Der Vorsitzende der Armenverwaltung in Galway, der große katholische Landbesitzer Major J Wilson Lynch stimmte der Resolution nicht zu. Er sei für einen Verbleib in der Union mit Großbritannien, so Lynch, da er sonst Gefahren für die Prosperität Irlands sehe, und sagte zu der Home Rule Diskussion im britischen Parlament „Ireland has become the prey-thing

702 Finnegan, "The Land War in South-East Galway, 1879-1890" S. 56. Galway Minute Book 30.6.1882. 703 Galway Minute Book 24.2.1886; Galway Vindicator 24.2.1886, S. 3, Galway Express 27.2.1886, S. 4.

220 of two English political parties“704. Die Mehrheit der 25 anwesenden Guardians war allerdings für eine Verabschiedung des Beschlusses und nahm die Resolution an. Die nationalistischen Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung sahen sich also nicht nur als Repräsentanten ihrer Gemeinde oder als Vertreter der Interessen der (Armen-)Steuerzahler, sondern durchaus auch als Repräsentanten der irischen Nation705.

Auch in anderen Verwaltungseinrichtungen in Galway wurden politische Themen diskutiert. Am 13.März 1886 verabschiedete die Grand Jury der Grafschaft Galway eine Resolution gegen eine Selbstverwaltung in Irland, die an den Premierminister, den Irlandminister und die Presse verschickt wurde706: „We, the Grand Jury of the County of Galway … desire to tender the assurance of our devoted loyalty and attachment to Her Majesty the Queen and to express our conviction that any measure tending to impair the legislative union at present existing between Great Britain and Ireland would be detrimental to the interests of both countries and have a disastrous effect on the peace and prosperity of Ireland, already most seriously affected by the lawless agitation prevailing throughout the country.707” Auch der Vorsitzende der Armenverwaltung in Galway, Major J Wilson Lynch, war Mitglied der Grand Jury und stimmte der Anti Home-Rule Resolution zu. C T Redington, ein anderes Mitglied der Grand Jury und gleichzeitig ex-officio Mitglied der Armenverwaltung in Galway, stellte einen Änderungsantrag, der eine Selbstverwaltung in Irland unter ganz bestimmten Voraussetzungen erlauben sollte. Redington sah ein gewisses Maß an Selbstverwaltung in Irland als „unabwendbar“ an, da die große Mehrheit der irischen Parlamentsabgeordneten Home Ruler sei708 und die überwältigende Majorität der Bevölkerung für eine Selbstverwaltung in Irland sei. Er sagte, dass die Forderung nach Selbstverwaltung ein Fakt sei, den es zu akzeptieren gelte, und man „das Beste daraus machen solle“709. Allerdings fand sich kein zweites Grand Jury Mitglied, das den

704 Galway Vindicator 24.2.1886, S. 3, Galway Express 27.2.1886, S. 4. 705 Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland S. 48. 706 Galway Vindicator 13.3.1886, S. 3, Galway Express 20.3.1886, S. 4. 707 Ebenda. 708 Wahlergebnisse von 1885: 85 von 103 irischen Abgeordneten waren Home Ruler. Siehe Walker, Parliamentary Elections Results in Ireland, 1801-1922. 709 Redington argumentierte, dass“there are certain facts staring the landlord class in the face, and he sees how ludicrous it is to oppose them with the worthless resolutions of a body which is already 221 Änderungsantrag unterstützen wollte710, so dass der ursprüngliche Antrag verabschiedet wurde. Nur eine Woche später, am 17.3.1886, beschäftigte sich auch die Grand Jury of the County of the town of Galway mit dem Politikum Selbstverwaltung in Irland. Dabei brachte das Grand Jury Mitglied Michael A Lynch, auch ein nationalistisches Mitglied der Armenverwaltung in Galway, eine Resolution zur Abstimmung, die nahezu wortwörtlich mit der Resolution der Galway Guardians vom Februar desselben Jahres übereinstimmte711. Die in der Grand Jury of the County of the town of Galway zur Abstimmung gebrachte Resolution sprach sich für eine Selbstverwaltung in Irland aus: „the restoration of our native Parliament alone can bring peace and prosperity and contentment to Ireland“712 und richtete sich an Gladstone. Der zweite Befürworter der Resolution war Michael O`Sullivan senior. Auch er war zugleich Mitglied der Armenverwaltung in Galway und war bei der Vorlage der Resolution im Galway Board of Guardians ebenfalls der zweite Befürworter gewesen. Die Resolution wurde mit zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung verabschiedet. Jeder der drei Gegner war auch Mitglied in der Armenverwaltung in Galway. Eine der Gegenstimmen kam von John MacDougall, dem Verleger einer protestantisch-unionistischen Zeitung in Galway. Der Express berichtete von dem Beschluss der Town Grand Jury, betonte jedoch in seinem Artikel, dass es nur gelungen sei, die Resolution zu verabschieden, da nur sehr wenige Mitglieder der Town Grand Jury anwesend gewesen seien713. Der Hauptgrund scheint jedoch eher darin zu liegen, dass in der Town Grand Jury im Gegensatz zur County Grand Jury weniger Landbesitzer und Angehörige des Landadels vertreten waren und mehr Kaufleute. Viele Kaufleute waren gemäßigt nationalistisch und versprachen sich von einer Selbstverwaltung in Irland wirtschaftliche Vorteile und mehr politische Mitsprache. Zwei weitere

‘in extremis’.” Redington spielte dabei auf die Zusammensetzung der Grand Juries und die nicht vorhandene Repräsentativität der Grand Juries an. Er fuhr fort: “National Self-Government is no longer an arguable affair, it has been conceded, and as an Irishman who prefers to live in his own country his desire to meet the inevitable halfway.” Galway Vindicator 13.3.1886, S. 3 und Galway Vindicator 17.3.1886, S. 3. 710 Jede Resolution, über die abgestimmt werden sollte, musste von zwei Personen eingebracht werden. 711 Die Resolution der Galway Guardians wurde nicht von Lynch vorgeschlagen, doch befürwortete er diese damals schon. Galway Vindicator 17.3.1886, S. 3, Galway Express 20.3.1886, S. 4. Siehe dazu Fußnote 695. 712 Ebenda. 713 Galway Express, 20.3.1886, S. 4.

222 Gegenstimmen kamen von ex-officio Mitgliedern der lokalen Armenverwaltung, Richard N Somerville und Sir Valentine Blake. Der erste war ein Kaufmann, der aus einer landbesitzenden Familie stammte, der andere war ein Baronet714 und großer Landbesitzer.

Bei den Poor Law Wahlen 1886 trat Michael O`Sullivan senior mit dem Wahlversprechen an, eine Wiederwahl von Major J Wilson Lynch zum Vorsitzenden und von John Redington und James Davis als dessen Stellvertreter zu verhindern715. Mehrere Guardians der die Stadt Galway umgebenden Wahlbezirke schlossen sich ihm an716. Bei der ersten Sitzung des neu gewählten Board of Guardians am 31.3.1886 waren 45 Mitglieder der Armenverwaltung anwesend. Mit einem Vorsprung von drei Stimmen vor dem bisherigen Amtsinhaber Major J Wilson Lynch wurde der Nationalist Michael A Lynch zum neuen Vorsitzenden des Board of Guardians gewählt. Die beiden bisherigen Stellvertreter des Vorsitzenden stellten sich daraufhin nicht für eine Wiederwahl zur Verfügung. Die Position von Major J Wilson Lynch gegen eine Selbstverwaltung in Irland wurde im Verlauf des Wahlgangs von mehreren Guardians als der Grund angeführt, warum man ihn nicht in das Amt des Vorsitzenden der Guardians wählen wollte717. In derselben Sitzung erreichten die Galway Guardians auch zwei Schreiben anderer Aufsichtsgremien der Armenverwaltung aus der Grafschaft Galway, die für die Selbstverwaltung plädierten. Die Mitglieder der Armenverwaltung von Galway verabschiedeten eine Resolution, die sich für eine Selbstverwaltung in Irland aussprach auf der Grundlage des von C T Redington in der Grand Jury Versammlung vorgeschlagenen Änderungsantrages der Anti Home-Rule Resolution718. Die Galway Guardians fügten an den Beschluss an „That the Elected Guardians of this Union who alone represent the true feelings of the ratepayers on this question of Home Rule now declare that the Resolution of the County Grand Jury does not represent the feelings of the ratepayers: and that we now strongly protest against such construction being given to their action in the

714 englischer Adelstitel. 715 Galway Vindicator 27.3.1886, S. 3. 716 Ebenda. 717 Galway Vindicator 31.3.1886, S. 3. 718 Ebenda und Galway Minute Book 31.3.1886.

223 matter; and that copies of this Resolution be sent to the English Premier the Irish Chief Secretary and the Irish Parliamentary Leader.719”

Ein dreiviertel Jahr später kam es in der lokalen Armenverwaltung in Galway zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen nationalistischen und konservativ- loyalistischen Guardians. Anfang November stellte ein nationalistisches Mitglied der Armenverwaltung in Galway einen Entlassungsantrag für den Juristen des Galway Board of Guardians720, James W Blake, der die Guardians in allen juristischen Belangen beriet und vertrat. Der Grund hierfür war, dass Blake auch als „crown solicitor“ tätig war und als solcher die Anklage in den Prozessen721 gegen die Pächter und andere Nationalisten vertrat, die im Zusammenhang mit den Zwangsräumungen durch den Marquis Clanricarde in Woodford, in der Grafschaft Galway, standen,722 und die dafür zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Die Ankündigung der Abstimmung war eine Woche zuvor durch den Büroangestellten der Armenverwaltung an alle Mitglieder weitergeleitet worden. Am 10.11.1886 waren bei der Sitzung der Galway Guardians 54 Mitglieder der Armenverwaltung anwesend. Die nahezu vollständige Anwesenheit ist die höchste Teilnehmerzahl im gesamten Untersuchungszeitraum. Das Mitglied, welches den Entlassungsantrag eingebracht hatte, wollte daraufhin eine Vertagung der Abstimmung erreichen, da er wohl fürchtete, dass der Antrag abgelehnt werden könnte. Während der anschließenden Diskussion wurde die Abstimmung von

719 Galway Minute Book 31.3.1886. 720 Galway Minute Book 10.11.1886, Galway Vindicator 10.11.1886, S.3. 721 The Times 15.3.1886; Tuam News 17.9.1886; Irish Times 24.8.1886, 26.8.1886, 29.10.1886; Illustrated London News 15.1.1887. 722 Der Marquis Clanricarde lebte in London und ließ seinen Besitz von „land agents“ verwalten. Nach einem Preisverfall von agrarischen Produkten 1885 konnten viele Pächter die Pacht nicht mehr bezahlen. Im August 1886 wurden die ersten Zwangsräumungen durchgeführt, die von starkem Widerstand der Pächter, organisiertem Protest und Gewalttätigkeiten begleitet waren und unter massivem Polizeieinsatz stattfanden. In Woodford fanden einige der heftigsten Konfrontationen in den Auseinandersetzungen um die Landfrage in Irland statt. Siehe dazu etwa Thomas Peter Feeney, "The Woodford Evictions" (M.Ed., NUI Galway, 1976), Desmond Roche, Clanricarde Country and the Land Campaign, ed. Woodford Heritage Group (Woodford: 1986), Michael J. Shiel and Desmond Roche, A Forgotten Campaign and Aspects of the Heritage of South East Galway (Woodford: Woodford Heritage Group, 1986). Ball, "Crowd Activity During the Irish Land War, 1879-90.", S. A. Bell, "Policing the Land War: Official Responses to Political Protest and Agrarian Crime in Ireland: 1879-1891" (PhD, Goldsmith`s College, University of London, 2000), Finnegan, "The Land War in South-East Galway, 1879-1890". Michael MacMahon, Portumna Castle and It Lords, 2 (1. Auflage von 1983) ed. (Portumna: Shannon Books, 2000) S. 30-33, Paul Manzor, "The Land War in Loughrea, Part Ii, 1883-1916," in The District of Loughrea. History 1791- 1918, ed. John Forde (Loughrea: Loughrea History Project, 2003), Sean O`Sullivan, "Popular Perceptions of the Royal Irish Constabulary During the Land War in Galway," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 5 (1995).

224 einem Guardian als „a contest between the Government and the National League“ bezeichnet, doch einer Vertagung wurde nicht zugestimmt. Die Abstimmung ging mit 29 zu 25 Stimmen gegen den Antrag aus, und J W Blake wurde weiterhin als Jurist der Galway Guardians beschäftigt723.

Bei einem Treffen der Mitglieder der Armenverwaltung am 24.11.1886, bei der sieben Guardians anwesend waren, brachte ein Guardian erneut einen Antrag ein, in dem er ein Ende der Beschäftigung von James W Blake forderte und eine Aufhebung aller anderen diesbezüglichen Beschlüsse724. Die Abstimmung darüber sollte drei Wochen später stattfinden. Bei diesem Termin waren 47 Guardians anwesend, doch das Mitglied der Armenverwaltung, welches den Antrag eingebracht hatte, war nicht anwesend, so dass die Abstimmung verschoben wurde725. Am 19.1.1887 kam es zu einer erneuten Abstimmung über die Beschäftigung von J W Blake726. Bei dieser Sitzung der Mitglieder der lokalen Armenverwaltung waren 28 Guardians anwesend. Es hatte auch dieses Mal eine Vorankündigung über die Abstimmung durch den Büroangestellten an alle Mitglieder gegeben, doch die Nationalisten im Board konnten bei der Abstimmung eine Mehrheit erringen, so dass der Antrag angenommen wurde. Bei diesem Treffen waren kaum ex-officio Mitglieder anwesend.

Eines der Mitglieder der Armenverwaltung sagte im Anschluss an die Abstimmung, dass er „voted against him [Mr J W Blake] on the grounds of showing opposition to an instrument of the present government727“, und ein anderes Mitglied sprach davon, dass man sich des „representative of eviction“ entledigt hätte728. Bei diesem Treffen machte ein Guardian einen Vorschlag für einen neuen Anwalt des Boards, nämlich G G Bowler, den Verteidiger der Woodford Angeklagten729 „for his able defence of the victims of cruel and arbitrary evictions by the harsh conduct of

723 Der Galway Express feierte dieses in einem ausführlichen Artikel als “deserved defeat of the Ultra-Nationalists”, in: Galway Express 13.11.1886, S. 3 und S. 4. Siehe dazu auch einen Artikel im „Daily Express“, der die Vorgänge in der Galway Union als „example of the intolerant and vindictive spirit of Irish Nationalism“ darstellte und sich positiv äußerte, dass dieser Nationalismus scheiterte, in: Daily Express, 11.11.1886. 724 Galway Minute Book 24.11.1886; Galway Vindicator 24.11.1886, S. 3. 725 Galway Minute Book 15.12.1886. 726 Galway Minute Book 19.1.1887, Galway Vindicator 19.1.1887, S. 3. 727 Galway Vindicator 19.1.1887, S. 3; Galway Express 22.1.1887, S. 4. 728 Ebenda. 729 Ebenda.

225 landlordism in this county“730. Bowler wurde sofort übergangsweise eingesetzt, bis man Bewerbungen für dieses Amt erhalten hatte und darüber entscheiden wollte731.

Das Ereignis zeigt, dass die Nationalisten in Galway nicht die Mehrheit im Galway Board of Guardians innehatten. Wenn alle Mitglieder der Armenverwaltung anwesend waren, konnten die Nationalisten sich nicht durchsetzen. Das kam jedoch nicht häufig vor. Nachdem sich die konservativen Kräfte in Irland zunächst durchsetzen konnten, fanden die Nationalisten durch eine Neuvorlage und mehrmalige Herauszögerung der Entscheidung Wege, um schließlich doch einen Beschluss zu ihren Gunsten herbeizuführen. Durch mangelnde Anwesenheit gelang es den konservativen Kräften nicht, ihre eigentlich zahlenmäßige Überlegenheit umzusetzen. Vor allem die ex-officio Mitglieder der Armenverwaltung, die in der Regel konservativ-unionistische Landbesitzer waren, fehlten bei vielen Sitzungen der Guardians. Am 2.2.1887 entschieden die Galway Guardians über einen neuen Anwalt, der sie in allen juristischen Belangen beraten und vertreten würde732. Es gab drei Kandidaten für diesen Posten. Die Mitglieder der Armenverwaltung erhielten vom Ortsverein der Irish National League aus Ballinasloe in der Grafschaft Galway ein Empfehlungsschreiben für G G Bowler. Trotzdem wurde Bowler nicht gewählt. Bei der Abstimmung der 32 anwesenden Guardians erhielt R MacDonagh, der in der Stadt Galway als Anwalt praktizierte und als „unabhängiger Kandidat“ galt, eine Stimme mehr als G G Bowler733. Durch die Wahl eines solchen „unabhängigen Kandidaten“ schienen die Guardians einen Kompromiss geschlossen zu haben zwischen nationalistischen und unionistisch- konservativen Kräften.

Im September 1892 ging MacDonagh in den Ruhestand und ein neuer Anwalt wurde gewählt. Die konservativ-unionistischen Kräfte im Board of Guardians schlugen erneut J W Blake und seinen Sozius Kenny für das Amt des Anwaltes der Armenverwaltung von Galway vor734. Bei einer Abstimmung konnten sich die Konservativen aber wiederum nicht gegen den von den nationalistischen Kräften

730 Galway Minute Book 19.1.1887. 731 Ebenda. 732 Galway Minute Book 2.2.1887. 733 Galway Vindicator 2.2.1887, S. 4, Galway Express 5.2.1887, S. 4. 734 Galway Minute Book 21.9.1892; Galway Express 24.9.1892, S. 3.

226 vorgeschlagenen Kandidaten Cloherty durchsetzen, der mit 26 zu 21 Stimmen gewann735. Noch im Jahr 1892 versuchten die konservativ-unionistischen Mitglieder verschiedene Posten mit ihren Kandidaten zu besetzen. Im Fall des Vorsitzenden war es ihnen durch eine hohe Anwesenheit bei den Wahlen 1892 auch noch gelungen, bei der Wahl des Anwalts gab es nicht genügend anwesende konservativ-unionistische Mitglieder. Die Landfrage und vor allem die Selbstverwaltung Irlands waren die dominierenden Themen, die im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway in der zweiten Hälfte der 1880er und den frühen 1890er Jahren diskutiert wurden und oft zu starken Auseinandersetzungen führten. Die konservativ-unionistischen Mitglieder in Galway versuchten ihre Sichtweise im Aufsichtsgremium und auch anderen lokalen Verwaltungen durchzusetzen. Die nationalistischen Mitglieder fanden jedoch verschiedene Wege, um, wenn nötig, die eigentlich zahlenmäßige Überlegenheit der konservativ-unionistischen Guardians auszuhebeln.

Besonders im Südosten der Grafschaft Galway gab es starke Auseinandersetzungen um die Landfrage. Die dort verübten sogenannten „agrarian crimes“ reichten dabei vom Verfassen von Drohbriefen über Brandstiftung, Viehtötungen und Attentaten auf Landbesitzer oder land agents736. Verlief die Politisierung der Guardians in der ländlichen Gort Poor Law Union ähnlich oder anders als in einer eher städtischen Union, besonders in bezug auf die Auseinandersetzungen um die Landfrage?

Die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort traten während der Auseinandersetzungen um die Landfrage für die Rechte der Pächter ein. Sie verabschiedeten viele Resolutionen gegen die Zwangsräumungen und kritisierten die großen Landbesitzer Irlands. Bereits im Oktober 1881 gab es im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort Auseinandersetzungen zu politischen Themen. Ein Mitglied der Armenverwaltung brachte folgende Resolution ein: „That we the Board of Guardians of the Gort Union protest in the strongest possible manner, and in the interest of peace, against the impolite action

735 Galway Minute Book 21.9.1892. 736 Finnegan, "The Land War in South-East Galway, 1879-1890" S. 39.

227 of the so called Liberal, but vindictive Government in arresting the chosen leader of the oppressed people of Ireland, Charles Stuart Parnell, MP, and that we firmly pledge ourselves to adhere to the principles he has so ably and constitutionally advocate for the Irish People.737” Der Vorsitzende der Armenverwaltung, James Galbraith, ein großer Landbesitzer und Unionist, weigerte sich, die Resolution anzunehmen und zur Abstimmung zu bringen mit der Begründung „it had no reference to poor law business.“ Sofort danach erklärte er die Sitzung für beendet, und er und drei weitere Mitglieder verließen das Treffen. Der Stellvertreter, John Geoghegan, auch er ein Landbesitzer, übernahm daraufhin den Vorsitz über die verbliebenen zwölf Mitglieder und ließ über die Resolution abstimmen. Sie wurde mit einer Gegenstimme angenommen, und der Büroangestellte wurde angewiesen, das Protokoll der Sitzung um die Abstimmung zu erweitern, welches auch geschah738. In Galway gab es ein dreiviertel Jahr später einen Fall, in dem nationalistische Mitglieder mit einem solchen Vorgehen eine Resolution verabschieden wollten739. Es gelang ihnen jedoch nicht. Die Resolution wurde nicht in das Protokollbuch aufgenommen und die zentrale Behörde erhielt keine Kenntnis darüber. Auch über eine Weiterleitung der Resolution findet sich nichts vermerkt. Anders war es in Gort. Dort wurde das Protokoll fortgeführt mit der Bemerkung, dass einige Mitglieder die Sitzung verlassen hätten und man einen neuen Vorsitzenden gewählt habe740. Eine Reaktion der zentralen Behörde auf dieses illegale Vorgehen findet sich nicht dokumentiert.

Während der Auseinandersetzungen um die Landfrage und der Land League Campaign von 1879-1882 sollten sich für die jährlichen Poor Law Wahlen als Teil der nationalistischen Kampagne für Selbstverwaltung Pächter als Kandidaten gegen die großen Landbesitzer und ihre Vertreter aufstellen lassen. Bereits im Dezember 1880 schrieb Michael Davitt dieses in einem Artikel in der Irish Times741. 1881 forderte Charles Stewart Parnell alle Pächter auf: „It is of the

737 Gort Minute Book 29.10.1881. 738 Ebenda. 739 Siehe dazu in dieser Studie S. 203f. 740 Gort Minute Book 29.10.1881. 741 Irish Times 22.12.1880.

228 highest importance that the people should be encouraged to wrest the local government of their country from the landlord classes“742.

Die verschiedenen lokalen Ortsvereine der National League, die die Stadt Gort umgaben, trafen sich einmal pro Monat in der Stadt Gort zur Besprechung verschiedener Tagesordnungspunkte. Ende Februar/März jeden Jahres wurde bei der Versammlung auch die Nominierung von Kandidaten für die jährlichen Poor Law Wahlen beschlossen. Die Anwärter wurden aktiv unterstützt und konnten sich oft erfolgreich gegen die konservativ-unionistischen Mitbewerber durchsetzen. Von einem National League Treffen 1887 berichtete die Tuam News: „The candidates are the chosen of the committees of the local branches [ der National League] and, consequently, must be known and tried Nationalists….If, therefore, the ratepayers respond in a true spirit, the Gort Board of this year will be a truly National Board.743” Wurden dort Kandidaten nominiert, so bedeutete es aber nicht, dass die (Armen-)Steuerzahler der entsprechenden Wahlbezirke immer mit den Kandidaten einverstanden waren. Die National League Vertreter kamen überein, in dem Wahlbezirk Cahermore den Kandidaten John Burke gegen das amtierende Mitglied der Armenverwaltung von Gort, Martin Flanagan, antreten zu lassen. Flanagan war seit 1882 im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung vertreten, seit 1883 zweiter Stellvertreter des Vorsitzenden und war selber ein Nationalist. Er gehörte allerdings nicht zur Pächterliga und war unabhängig von einer politischen Vereinigung angetreten. Eine Woche nachdem die National League ihre Kandidaten nominiert hatte, erschien in den Tuam News ein Leserbrief mehrerer Steuerzahler, die sich für Flanagan als Kandidaten aussprachen.

742 Freeman`s Journal 1.3.1881. Siehe dazu auch: Crossman, "The New Ross Workhouse Riot of 1887: Nationalism, Class and the Irish Poor Laws," S. 138. 743 Tuam News 4.3.1887, S.3.

229

Abb. 2: Steuerzahler Gort Union, aus: Tuam News 11.3.1887, S.3.

Flanagan, der unabhängige Kandidat, konnte die Wahl für sich entscheiden und gewann mit 44 zu 41 Stimmen. Auch andere von der National League nominierte Anwärter unterlagen bei den Wahlen, allerdings gegen konservativ-unionistische Kräfte. So konnte sich im Wahlbezirk Kilbeacanty der konservative land agent M Connolly gegen den Nationalisten M Devanny mit 56 zu 54 Stimmen durchsetzen. Der Korrespondent der lokalen Zeitung kommentierte den konservativen Wahlerfolg: „The agent with his employer left nothing undone to secure every vote available and their exertions which I understand were not of a trifling character only succeeded in two or three instances”744. Der Wahlerfolg des konservativen land agents wurde jedoch von Devanny angefochten, und er erhob Einspruch gegen einige Wahlzettel, wobei ihm auch vom Returning Officer Recht gegeben wurde, so

744 Tuam News 1.4.1887, S.3.

230 dass Devanny schließlich doch noch zum Sieger erklärt wurde. Im Wahlbezirk Killinny wurde das amtierende Mitglied der Armenverwaltung B Rock mit einer Mehrheit von 74 zu 30 Stimmen wiedergewählt. Der unterlegene Gegenkandidat, T Kavanagh, war von der National League nominiert worden. Rock war gemäßigt nationalistisch, und daher hatte die National League Versammlung beschlossen, diesen durch einen „eifrigeren“ Nationalisten ersetzen zu lassen745. Vor allem jedoch war auch Rock ein unabhängiger Anwärter, der nicht von einer politischen Vereinigung unterstützt wurde. Im Wahlbezirk Rahasane, so berichtete die Zeitung, „the greater part of the voting papers were returned blank“. Auch hier standen sich ein gemäßigt nationalistischer amtierender Guardian, John Quinn, und der National League Kandidat, James Keane, gegenüber. Quinn gewann die Wahl mit 13 zu 6 Stimmen. In den Bezirken Beagh und Castletaylor konnten sich die von der National League nominierten Kandidaten durchsetzen. Die unabhängigen Anwärter waren von der National League als „not true Nationalists“746 eingestuft worden. In der monatlichen Versammlung der National League Ortsvereine Anfang April in Gort verabschiedeten die dort anwesenden Vertreter: „That the best thanks of this convention are due and hereby tendered to the Electoral Divisions of this Union who have responded in a true national spirit by electing the chosen candidates of the convention held on last month.747” Bei der Wahl des Vorsitzenden der Armenverwaltung in Gort wurde M Devanny gewählt748. Dabei wurde ausdrücklich bezug genommen auf seinen erfolgreichen Einspruch gegen die Wahl seines konservativen Mitbewerbers um die Mitgliedschaft in der lokalen Armenverwaltung. Ein Mitglied der Armenverwaltung von Gort sagte: „You are well aware, gentlemen, of the fight Devanny and his parish had to make against landlord tyranny. It is only right and just then to confer honour where honour is due.749”

Die Pächtervereinigung in Gort stellte seit dem Beginn der 1880er Jahre Kandidaten in jedem Wahlbezirk der Gort Union, um die Sitze von den bisherigen konservativ-unionistischen Amtsinhabern zu gewinnen. Dabei war sie äußerst erfolgreich und seit 1882 gab es in Gort eine eindeutige nationalistische Mehrheit.

745 Tuam News 4.3.1887, S. 3. 746 Tuam News 4.3.1887, S. 3. 747 Tuam News 8.4.1887, S. 3. 748 Tuam News 15.4.1887, S. 3. 749 Ebenda.

231 In der zweiten Hälfte der 1880er Jahre kam es allerdings vermehrt zu einem Wettbewerb zwischen zwar nationalistischen, aber unabhängigen Kandidaten und Anwärtern, die von der Pächtervereinigung unterstützt wurden. In der Galway Union fand solch ein Wettbewerb nicht statt, da dort die Pächtervereinigung kaum eine Rolle spielte.

Die Tuam News kommentierte das Wahlergebnis von 1887 folgendermaßen: „Bravo Gort! You have again set the country a grand and glorious example of what unity, determination and manly pluck can effect. The Nationalists retain a firm grip of the chairs of your Board of Guardians. Mount Bellew, Galway, Portumna, hide your heads, for shame. Take at once to sackcloth and ashes to expiate the crime of those whose treachery enabled the people`s enemies to seize the chairs of your respective Boards.”750 Im Untersuchungsgebiet Galway Union war 1887 wieder ein konservatives Mitglied, Major J W Lynch, als Vorsitzender der lokalen Armenverwaltung gewählt worden, der dieses Amt dann bis 1892 inne hatte.

In den Ausgaben der Tuam News vom März 1887 wird ausführlich in mehreren Artikeln über die bevorstehenden Poor Law Wahlen berichtet751. Neben dem Bericht über das Treffen der National League Ortsvereine in Gort erschienen mehrere Artikel, die, allgemein über die Poor Law Wahlen berichteten und die Leser aufriefen, nationalistische Kandidaten zu wählen. So beschäftigt sich der Leitartikel „The Poor Law Elections“ der Tuam News vom 11.3.1887 mit den anstehenden Wahlen in Ballinasloe, Gort, Loughrea und Tuam in der Grafschaft Galway. Der Anfang dieses Berichtes lautet:

750 Tuam News 15.4.1887, S. 2. 751 Tuam News 4.3.1887, S. 4: Artikel “The Coming Poor Law Elections” eines “Neptune”, vor allem zu den Wahlen in Loughrea und Ballinasloe; 4.3.1887, S. 3: Artikel „The Gort Convention“ über das Treffen der Ortsvereine der National League; Tuam News 11.3.1887, S. 2: Artikel „The Poor Law Elections“, allgemeiner Artikel zu den Wahlen in einigen Unions in der Grafschaft Galway; Tuam News 11.3.1887, S. 3 Brief mehrerer Ratepayers der Gort Union.

232

Abb. 3: Artikel zu Poor Law Wahlen 1887, Tuam News, 11.3.1887.

Der Artikel schreibt zum Untersuchungsgebiet: „In Tuam and in Gort the battle appears to be an easy one“752 für die Nationalisten und berichtet insbesondere auch von dem großen Engagement der Pächtervereinigung bei der Wahl in Gort.

Die Auseinandersetzungen um die Landfrage waren das beherrschende politische Thema der zweiten Hälfte der 1880er Jahre, welches in den Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort besprochen wurde. Im April 1887 protestierte das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort gegen eine Gesetzesvorlage im britischen Unterhaus: „That we the Guardians of the Poor of the Gort Union … hereby express our indignation and astonishment at the introduction into the House of Commons of an Irish Crimes Bill of such a despotic character that if passed into law will annihilate civil liberty in Ireland.

We protest against the conduct of the Government of England in not endeavouring to pass this atrocious penal law for the purpose of suppressing the rights and liberties of the people of Ireland. That our people are now threatened to be persecuted with a penal law as bad as the worst of those passed during the

752 Tuam News 11.3.1887, S. 2.

233 eighteenth century. Against such a system we again solemnly protest”753. Dieses Gesetz war am 29. März von Arthur Balfour, dem Irlandminister, vorgelegt worden und führte umfangreiche Zwangsmassnahmen in Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Landfrage in Irland ein754. Der Erlass räumte den richterlichen Beamten weitreichende Befugnisse zum Festhalten von Verdächtigen, die im Zusammenhang mit „agrarian crimes“ standen, ein, und hob das Anrecht auf eine Jury Gerichtsverhandlung für diese Verdächtigen auf. Gegen den Widerstand der Liberalen und der Home Ruler im britischen Parlament, wurde es im September 1887 Gesetz und galt bis 1890755. Abschriften dieses Protestschreibens schickten die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort an die überregionale Presse, die Irish Times und den Freeman, den britischen Premierminister Lord Salisbury, den Irlandminister Balfour und an Parnell, den Anführer der Home Ruler, und Gladstone, den Anführer der Liberalen. Im September 1887 verfassten die Gort Guardians erneut ein Protestschreiben gegen dieses Gesetz756. In der Galway Union waren dagegen weniger die Auseinandersetzungen um die Landfrage das beherrschende Thema dieser Zeit, sondern eher die Selbstverwaltung.

Nach den Wahlen von 1888 schreibt die Tuam News: „In the present year, as well as those years that proceeded `81, the Nationalist guardians elected their men [Vorsitzender und dessen zwei Stellvertreter], and without any opposition too from the Conservative side, for it will be seen by the list furnished in the report that not a single ex-officio Guardian presented himself. In almost every union in Ireland a stuborn resistance is displayed by the Conservatives to hold the chairs, not so in

753 Gort Minute Book 23.4.1887. 754 Bill to make better provision for Prevention and Punishment of Crime in Ireland, in: British Parliamentary Papers 1887, ii, (217). Siehe dazu Jackson, Home Rule. An Irish History, 1800-2000, Loughlin, Gladstone, Home Rule and the Ulster Questions, 1882-1893, W. C. Lubenow, Parliamentary Politics and the Home Rule Crisis: The British House of Commons in 1886 (Oxford: 1988), M. O`Callaghan, British High Politics and a Nationalist Ireland: Criminality, Land and the Law under Forster and Balfour (Cork: 1994), Alan O`Day, Irish Home Rule, 1867-1921 (Manchester: 1998), Peatling, British Opinion and Irish Self-Government, 1865-1925: From Unionism to Liberal Commonwealth, Catherine B. Shannon, Arthur J. Balfour and Ireland, 1874-1922 (Washington, D.C.: The Catholic University of America Press, 1988), Jeremy Smith, Britain and Ireland: From Home Rule to Independence (London u.a.: Longman, 2000). 755 Criminal Law and Procedure (Ireland) Act, Public General Acts, 50 & 51 Vict, c. 20, London 1887. 756 Gort Minute Book 3.9.1887.

234 Gort they never make the fainiest show of a fight.757” In derselben Ausgabe findet sich ein weiterer Artikel, “National League Victories”, der sich gegen die Unterdrückung der Aktivitäten der National League im Zusammenhang mit dem Gesetz „to make better provision for Prevention and Punishment of Crime in Ireland“ von 1887 und der Aussage Balfour`s im britischen Parlament, dass die Land League „tot“ sei, richtet. Dort heißt es unter anderem: „The more Salisbury [britischer Premierminister] coerces the more recalcitrant and less governable we become…”758. Der Bericht geht auch auf den ersten Coercion Act von 1881 ein und führt dabei das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort als Beispiel für einen nationalistischen Erfolg an, der mit Unterstützung und Hilfe der Pächtervereinigung erreicht werden konnte: „A few years ago when Forster [Irlandminister] held the coercion reins and his comparatively gentle law – the Suspicion Act – was in operation, the only union if we remember aright, was Gort that forked out, as so many unclean things, ex-officios from the chairs, in retaliation for imprisoning honest Pat Corbett and his confreres, or as they were designated by the then Chief Secretary ‘ruffians’ and ‘village tyrants’. The Gort spirit did not that year penetrate beyond the bounds of Kiltarton barony. But this year when Coercion is as a cyclone contrasted with the ‘gentle zephyr’, not only do the Gort Nationalists hold a firm grip of their chairs but Mountbellew, Tuam and Glenamaddy have routed the Conservatives from their respective chairs...”759.

Im Januar 1888 verabschiedeten die Mitglieder der Armenverwaltung in Galway eine Resolution, in der sie gegen die Inhaftierung von Wilfred Blunt im Gefängnis von Galway protestierten760. Blunt war ein englischer Diplomat und Schriftsteller, der den irischen Nationalismus unterstützte. Er wurde unter Balfour`s Coercion Act von 1887 wegen „Aufwiegelung“ und „Widerstand gegen die Polizei“ verhaftet und zu zwei Monaten Gefängnisstrafe verurteilt, die er in Galway absaß761. Bei dem

757 Tuam News 20.4.1888, S. 4. 758 Tuam News 20.4.1888, S. 2. 759 Ebenda. 760 Galway Minute Book 11.1.1888. 761 Elizabeth Longford, "Lady Gregory and Wilfred Scawen Blunt," in Lady Gregory. Fifty Years After, ed. Ann Saddlemyer and Colin Smythe, Irish Literary Studies 13 (Gerards Cross: 1987), Lucy McDiarmid, "Lady Gregory, Wilfred Blunt and London Table Talk," Irish University Review Spring/Summer 2004, no. Lady Gregory Special Issue (2004), Patrick F Sheeran, "Wilfred Scawen 235 Treffen der Galway Guardians waren lediglich neun Mitglieder anwesend. Von dem gewählten Vorsitzenden oder seinen zwei Stellvertretern für diese Wahlperiode war niemand anwesend, und ein nationalistischer Guardian übernahm den Vorsitz bei dieser Sitzung. Der Beschluss wurde ohne Gegenstimmen verabschiedet762. Bei diesem Treffen war auch ein ex-officio Mitglied anwesend, Richard H Ffrench, ein konservativ-unionistischer Landbesitzer, der die Sitzung jedoch verließ, nachdem alle Tagespunkte die eigentliche Armenverwaltung betreffend abgehandelt waren763. Eine Kopie des Protestschreibens sandten die Mitglieder der Armenverwaltung an die Frau des Inhaftierten sowie die nationalistische Presse, das Freeman`s Journal und United Ireland. Ende März 1888 erhielt das Aufsichtsgremium in Galway außerdem ein Dankschreiben von Wilfred Blunt persönlich764. Im Februar 1889 verabschiedeten die Galway Guardians ein weiteres Protestschreiben gegen die Inhaftierung eines irischen Nationalisten, William O`Brien765, der ebenfalls unter dem Coercion Act verhaftet wurde.

Die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort sahen sich selber als „Expertengremium“ in Landfragen in Irland. So verabschiedeten sie 1893 eine Resolution bezüglich einer Ausweitung der Gesetze im Zusammenhang mit der Landfrage in Irland, in der sie sich selbst als „a representative body having practical experience of the needs of the farming class we earnestly and respectfully desire to impress on the Government and Parliament the urgent necessity which

Blunt: A Tourist of the Revolutions," in Literary Interrelations: Ireland, England and the World, ed. Wolfgang Zach and Heinz Kosok (Tübingen: Gunter Narr Verlag, 1987). 762 Galway Minute Book 11.1.1888. 763 Galway Express, 21.1.1888, S. 4. 764 Galway Minute Book 21.3.1888. 765 Galway Minute Book 6.2.1889, Galway Vindicator 6.2.1889, S. 3. William O`Brien war Journalist und Politiker und zusammen mit Parnell einer der Führer der irischen Nationalisten. William O`Brien war am 24.1.1889 verhaftet worden und verbrachte eine viermonatige Haftstrafe im Gefängnis von Clonmel und Galway. Zu William O`Brien siehe dazu etwa: Philip Bull, "The Reconstruction of the Irish Parliamentary Movement, 1895-1903: An Analysis with Special Reference to William O`Brien" (Ph.D., University of Cambridge, 1972), Michael MacDonagh, The Life of William O`Brien , the Irish Nationalist: A Biographical Study of Irish Nationalism, Constitutional and Revolutionary (London: 1928), Patrick Maume, The Long Gestation: Irish Nationalist Life 1891-1918, vol. Basingstoke (Gill &Macmillan, 1999), J.V. O`Brien, William O`Brien and the Course of Irish Politics 1881-1918 (Berkeley: 1976), Sally Warwick-Haller, William O`Brien and the Irish Land War (Dublin: 1990).

236 exists for having the Land Acts amended as soon as possible”766. Diesen Beschluss schickten sie an den britischen Premierminister Gladstone, die parlamentarischen Vertreter Galways und das “Freeman`s Journal“. Die Selbstverwaltung Irlands wurde auch im Gort Board of Guardians thematisiert, doch waren es vorrangig die Auseinandersetzungen um die Landfrage, die die politischen Diskussionen dominierten. Aus Galway liegen weitaus weniger Resolutionen die Landfrage betreffend, vor und das Thema Home Rule beherrschte die politischen Debatten.

5.3.4 Zwangsräumungen und Outdoor Relief

Die Zwangsräumungen säumiger Pächter bildeten ein weiteres Politikum in Irland. Auch die Mitglieder der lokalen Armenverwaltung in Irland waren von diesem Thema betroffen. Jede Zwangsräumung musste vorher durch den Landbesitzer oder dessen Verwalter dem für den jeweiligen Bezirk zuständigen Relieving Officer mitgeteilt werden. Dieser gab den Bericht an die Mitglieder der Armenverwaltung weiter. Viele Pächter, die zwangsgeräumt wurden, suchten anschließend Aufnahme im Arbeitshaus von Galway und Gort. In beiden Untersuchungsgebieten kam es regelmäßig vor, dass Mitglieder der Armenverwaltung als Landbesitzer oder „land agents“ Zwangsräumungen ihrer eigenen Pächter anordneten und danach über eine Aufnahme von diesen Personen in das Arbeitshaus entschieden.

Feingold stellte die These auf, dass die Gewährung von Outdoor Relief als Indikator für eine veränderte Arbeitsweise der Aufsichtsgremien der

766 Gort Minute Book 18.3.1893.

237 Armenverwaltung genommen werden könne767. Er argumentierte, dass nationalistisch dominierte Boards mehr Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses gewährten als solche mit einer konservativen Ausrichtung und besonders zwangsgeräumte Pächter dadurch unterstützten. Feingold konstatierte, dass der Anteil der Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses an den Gesamtausgaben für die Armenunterstützung in den Provinzen Connaught und Munster nach 1879 sehr viel stärker anstieg als der in Leinster und Ulster768. Seine Untersuchungen ergaben, dass in den beiden Provinzen Connaught und Munster auch die stärkste Politisierung der Poor Law Boards stattfand und der Anteil der Pächter in den Boards dort am stärksten zunahm. Daher stellte er die These auf, dass diese die Outdoor Relief viel stärker nutzten als Aufsichtsgremien mit einer konservativen Mehrheit, vor allem zur Unterstützung von zwangsgeräumten Pächtern. Feingold untersucht jedoch nicht, ob und wie sich die Zusammensetzung der Unterstützungsempfänger außerhalb des Arbeitshauses änderte. Welchen Anteil an den gesamten Unterstützungsempfängern machten die zwangsgeräumten Pächter aus? Veränderte sich dieser Anteil nach 1879? Virginia Crossman betont, dass einige nationalistische Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zwangsgeräumten Pächtern auch viel höhere Unterstützungssummen gewährten, als anderen Unterstützungsempfängern769. Sie präsentierte mit dem Fall New Ross ein Aufsichtsgremium der Armenverwaltung, welches zwangsgeräumte Pächter besonders stark unterstützte770. Die Frage ist ist, ob dies eher ein absoluter Ausnahmefall in Irland war oder häufiger vorkam. Hatte New Ross eine Vorbildfunktion für die Untersuchungsgebiete und gab es ähnlich aktive Unterstützungsbemühungen?

767 Feingold, The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872- 1886 S. 178.: Of all of the administrative powers the guardians possessed, the power to grant outdoor relief (rather than relief in the workhouse) was the one with the broadest political implications. 768 Ibid. S. 180. 769 Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland S. 72-74. 770 Crossman, "The New Ross Workhouse Riot of 1887: Nationalism, Class and the Irish Poor Laws.", Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland S. 75-86. In dem Fall stellten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums von New Ross den zwangsgeräumten Pächern eigene, von den übrigen Insassen, abgetrennte Räumlichkeiten zur Verfügung und die zwangsgeräumten Pächter erhielten weitere Vergünstigungen. So durften die Familien zusammenbleiben und die Menschen durften ihre eigene Kleidung tragen.

238 Wenn die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zwangsgeräumte Pächter unterstützten, so handelten sie legal. Seit 1848 erlaubte der Evicted Poor Protection Act771 den Boards solchen Personen für einen Monat Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses zu gewähren. Einen konkreten Unterstützungsbetrag schrieb das Gesetz nicht vor. Nach dem Abklingen der Auswirkungen der Großen Hungersnot blieben die Outdoor Relief Zahlen in Galway von 1852 bis 1879 relativ konstant und lagen durchschnittlich bei etwa 30 Fällen pro Monat772. Zwar kam es in dieser Zeit immer wieder zu Fällen von Zwangsräumungen säumiger Pächter, die den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung vom jeweilig zuständigen Relieving Officer angezeigt wurden. Suchten die Pächter dann Unterstützung, so boten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums ihnen in der Regel die Aufnahme in das Arbeitshaus an. Den zwangsgeräumten Pächtern wurde zudem häufig Hilfe zur Emigration offeriert. In Gort gab es von 1851 bis 1878 keine Fälle von Outdoor Relief und die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung boten lediglich Unterstützung innerhalb des Arbeitshauses an773. Im Jahr 1873 betrugen die Gesamtausgaben für die Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses von Galway 76₤, die Summe für die Indoor Versorgung belief sich auf 1.417₤774. In Gort fielen im selben Zeitraum Kosten in Höhe von 580 ₤ für die Unterbringung im Arbeitshaus an, die Ausgaben für die Unterstützung außerhalb des Arbeitshaus betrugen 8₤. Die Versorgungskrise 1879 bis 1881775 führte zu einem Anstieg in der Zahl der Outdoor Relief Fälle und zu höheren Kosten. Ab 1882 ging die Zahl der außerhalb des Arbeitshauses unterstützten Personen jedoch nicht zurück auf die

771 A collection of the Public General Statutes, 11 & 12 Victoriae, Kapitel 47, § 4. 772 Siehe dazu Anhang Tabelle 13 und 27. 773 Gort Minute Book 13.3.1862: „Chairman of the Gort Relief Committe applying to the Board of Guardians to administer outdoor relief to the numerous Poor who have been dependant upon their now expended funds during the last two months. Ordered that the Chairman of the Gort Relief Committee be informed, that the Board of Guardians are of opinion that so long as the workhouse accommodation is available the Board would not give outdoor relief.” 774 Siehe Anhang Tab. 26: Kosten Armenunterstützung Grafschaft Galway 1873. 775 Crawford, Famine: The Irish Experience 900-1900. Subsistence Crises and Famines in Ireland, Crossman, "With the Experience of 1846 and 1847 before Them: The Politics of Emergency Relief in 1879-84.", Dublin Mansion House Relief Committee, The Irish Crisis of 1879-80 (Dublin: Browne & Nolan, 1881), Jennings, "1880: A Most Distressful Year in Connemara.", G. Moran, "Famine and the Land War: Relief and Distress in Mayo, 1879-81," Cathair Na Mart. Journal of the Westport Historical Society 6, no. 1 (1986), Murray, "A Lesser Known Famine Crisis in Galway, 1879/80.", Ina Scherder, "Kooperation Und Konflikt Der Konfessionen in Der Armenhilfe: Galway in Den Hungersnöten 1845-49 Und 1878/79," in Inklusion/ Exklusion. Studien Zu Armut Und Fremdheit Von Der Antike Bis Zur Gegenwart, ed. Andreas Gestrich and Lutz Raphael (Frankfurt/M u.a.: Peter Lang, 2006)., S. 365-382.

239 Werte vor 1879, sondern lag in Galway bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bei durchschnittlich 250 Personen pro Monat. Die Ausgaben für die Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses lagen ab 1882 bis zum Ende des Jahrhunderts bei durchschnittlich 9 ₤ bis 15₤ pro Woche776. Die Höhe der Unterstützung wurde von den Mitgliedern des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung individuell festgelegt. Allerdings konnten die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung die Unterstützungshöhe nicht beliebig erhöhen, da die Bücher und Konten regelmässig von Buchprüfern der zentralen Behörde überprüft wurden. Erschienen die Zahlungen zu hoch, so verwarnte die zentrale Behörde die Aufsichtsgremien und drohte Sanktionen an777. In der Regel erhielt eine Einzelperson in Galway etwa 1s 6d pro Woche an finanzieller Unterstützung778. Ein Antragsteller erschien jedoch nicht immer direkt zu den Sitzungen der Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung. In der Regel entschied der jeweilige Relieving Officer über die Annahme oder Ablehnung eines Antrags auf Armenunterstützung außerhalb des Arbeitshauses. Antragsteller konnten sich mit ihrem Gesuch auch an das Mitglied, welches ihren jeweiligen Wahlbezirk repräsentierte, wenden. Die wöchentlichen Zeitungsberichte der Sitzungen geben einen detaillierten Einblick in die alltägliche Verwaltungspraxis des Verfahrens eines Antragstellers auf Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses, wenn die Person zu den Sitzungen erschienen war. Die Berichte zeigen, dass die Outdoor Relief in der Regel nur einen Teil der Unterstützung ausmachte, die die Antragsteller bekamen. So sprechen sie auch von Familien- oder Nachbarschaftshilfe, Almosen oder kirchlicher Unterstützung. Personen, die aus der Stadt Galway kamen, bildeten die größte Gruppe der Unterstützungsempfänger außerhalb des Arbeitshauses und machten einen Anteil von etwa Drei Vierteln der gesamten Outdoor Relief Empfänger aus. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung verweigerten Unterstützung in der Regel an Bettler, Nicht-Sesshafte oder Union-Fremde Arme, wie das folgende Beispiel zeigt: „Amongst the applicants for out-relief was an old beggarman, a cripple, and the father of a long family, a native of Bohermore, who stated je required some assistance, as what he was able to procure in the shape of alms

776 Siehe Anhang Tab. 27: Ausgaben Galway Outdoor Relief. 777 Siehe dazu beispielsweise Galway Minute Book 14.7.1882 und Galway Express 15.7.1882, S. 3. 778 Zahlen aus: Galway Express, 6.3.1886, S. 4. 240 was insufficient to support himself and his wife and offspring.779” Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway bot ihm und seiner Familie die Aufnahme in das Arbeitshaus an, Outdoor Relief lehnten sie ab mit der Begründung, dass wenn sie diese gewähren würden, „it would be only encouraging the practice of begging“780.

Fraglich ist daher, ob der Anstieg in der Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses politische Implikationen hatte, wie Feingold argumentiert. Das breite Gewähren von Outdoor relief an zwangsgeräumte Pächter kam in Galway eher selten vor. Der Großteil der außerhalb des Arbeitshauses unterstützten Personen waren Witwen mit Kindern, Kranke oder Alte. Diskussionen über das Thema Outdoor Relief tauchen in den Quellen nur selten auf. Im Juni 1882 beantragte ein älterer Mann, Paddy Codyre, der „occupant of the Land League hut at Rahoon“781, war, Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses beim zuständigen Relieving Officer der Galway Poor Law Union. Der Antragsteller führte dem Beamten gegenüber aus, dass „the sum allowed to him by the Land League had been cut off, and he was now in a destitute condition, his son having gone to America, and left him the charge of his wife and four or five children.782“ Als Begründung, warum die Zahlungen eingestellt wurden, wird angegeben, dass „the funds are getting short.783“ Paddy Codyre hatte bereits im März 1882 kommunale Armenunterstützung beantragt784, da er aus seiner Behausung zwangsgeräumt worden war, da er seine Pacht nicht hatte bezahlen können. Auf Nachfrage des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway gab er an, dass er noch ein Pferd und Wagen besitze sowie zwei Schweine und einen kleinen Vorrat an Kartoffeln. Daraufhin verweigerte man ihm die Unterstützung. Offensichtlich erhielt er dann eine Hütte und finanzielle Hilfe von der Pächtervereinigung. Als deren Unterstützung endete, wandte er sich wieder an die kommunale Armenfürsorge. Der zuständige Relieving Officer war sich nicht sicher, ob der Antragsteller unterstützungsberechtigt sei und fragte das Aufsichtsgremium der

779 Galway Express, 13.5.1882, S. 3. 780 Ebenda. 781 Galway Express, 3.6.1882, S. 3. 782 Ebenda. 783 Ebenda. 784 Galway Minute Book 17.3.1882.

241 Armenverwaltung von Galway um Rat. Der Vorsitzende, Pierce Joyce, ein Landbesitzer, war der Ansicht „it was a case for the house.785“ Die weiteren neun anwesenden Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung waren der Ansicht, dass er Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses erhalten sollte, da bei einer Aufnahme in das Arbeitshaus die Unterstützung womöglich länger dauern und damit kostenintensiver werden könnte. Anschliessend kam es zu einer Diskussion über die Höhe der Unterstützung. M. O`Sullivan jun, ein nationalistisches Mitglied, beantragte fünf Shilling pro Woche für einen Monat, das Mitglied John Gill schlug die Höhe von drei Shilling für denselben Zeitraum vor. O`Sullivan forderte eine Abstimmung, welche der Vorsitzende verweigerte. Pierce Joyce entschied, dass die Summe von drei Shilling pro Woche für den Antragsteller zu gewähren sei. Zwar wollten nationalistische Mitglieder Paddy Codyre und seiner Familie eine höhere Summe bewilligen, doch spielte in der Diskussion maßgeblich eine Rolle, dass Codyre bei einem früheren Antrag angab, mehrere Tiere und Nahrungsmittel zu besitzen, welches die geforderte Unterstützungshöhe beeinflusste. Nur eine Woche später wandte sich die Schwiegertochter des Antragstellers an das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway und beschwerte sich, dass die Summe nicht ausreichend sei für die ganze Familie. Pierce Joyce war bei dieser Sitzung nicht anwesend und wurde vertreten von dem Zeitungs-Herausgeber James Davis. Auch Davis schlug zunächst die Aufnahme in das Arbeitshaus vor, welches von der Mehrheit der Mitglieder abgelehnt wurde. Nach einer Diskussion unter den 18 anwesenden Mitgliedern entschied das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung die Unterstützungssumme auf sieben Shilling pro Woche für einen Monat zu erhöhen. Der Betrag war allerdings nicht außergewöhnlich hoch für eine Familie von sieben oder acht Personen, sondern entsprach dem regulären Unterstützungssatz, den die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway bei dieser Familiengröße gewährten. Als die Unterstützung für Paddy Codyre nach einem Monat endete, beantragte er eine Verlängerung derselben786. Die Diskussion darüber hatte eine andere Betonung als die vorhergehenden Debatten über den Fall Codyre. Während es in den vergangenen Sitzungen primär darum gegangen war, wie der Besitz von Codyre in

785 Ebenda. 786 Galway Express 15.7.1882, S. 3.

242 die Berechnung der Unterstützungshöhe eingehen sollte, spielten in der Sitzung am 15.7.1882 politische Ansichten eine Rolle. So betonte ein Mitglied, dass eine Verlängerung des Unterstützungszeitraumes „a political measure“ darstellen würde787. Das Gesetz von 1848, welches die Unterstützung zwangsgeräumter Pächter erlaubte, legte den Zeitraum auf einen Monat fest. Ein weiteres Gewähren von Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses war nur dann möglich, wenn die Person alt oder krank und nicht arbeitsfähig war. Das traf auf Paddy Codyre und seine Verwandten zu, denn der Relieving Officer führte an, dass sie nicht in der Lage seien ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Keines der Mitglieder stellte eine Verlängerung der Unterstützung in Frage. Einige Vertreter forderten jedoch eine geringere Unterstützungssumme von vier Shilling. Die nationalistischen Mitglieder dagegen beantragten eine Verlängerung der sieben Shilling für einen Monat. Die Diskussion drehte sich nicht mehr um den Besitz des Antragstellers, sondern andere Gründe wurden angeführt. Ein Guardian sprach von einer „Signalwirkung“, die eine höhere Summe haben könnte788, zum einen gegenüber anderen Antragstellern, welche dann auch hohe Summen fordern würden. Zum anderen wurde die Verantwortung gegenüber den Steuerzahlern betont und dass hohe Unterstützungssummen auch zu einem Anstieg der Armensteuer führen würden. Ebenfalls äußerte ein Mitglied Bedenken, dass solch eine Maßnahme auch Sanktionen der zentralen Behörde nach sich ziehen könne. Man betonte aber auch, dass eine lange Unterstützung von zwangsgeräumten Pächtern auch ein „politisches Zeichen“ sein könnte. Bei einer Abstimmung waren sieben Mitglieder des Aufsichtsgremiums dann für die Gewährung von sieben Shilling für einen Monat, vier dagegen und vier enthielten sich ihrer Stimme. Man beschloss eine Fortführung der Unterstützung für einen weiteren Monat mit sieben Shilling. Im Protokollbuch wurde auf Antrag von vier Mitgliedern deren ausdrücklicher Protest gegen die Entscheidung angeführt789. Paddy Codyre oder seine Verwandten tauchen in den Quellen nicht noch einmal mit einem Verlängerungsgesuch auf. Codyre ist einer der wenigen Fälle, die in Galway dokumentiert sind, in dem die Unterstützung eines zwangsgeräumten Pächters diskutiert wurde.

787 Galway Express, 15.7.1882, S. 3. 788 Ebenda. 789 Galway Minute Book 14.7.1882.

243 Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway unterstützte zwangsgeräumte Pächter, gewährte diesen jedoch keine höhere Summe als anderen Antragstellern bei einer Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses. In der Regel nahm man sie in das Arbeitshaus auf oder unterstützte deren Emigration.

Im Januar 1886 “a crowd of labourers numbering it was stated 200, came before the Board and demanded relief, stating that they with their families were in a state of utter destitution being without employment, the majority of them since October last.”790 Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung in Galway boten ihnen die Aufnahme in das Arbeitshaus an, da „being able bodied they can be relieved in Workhouse only“791. Der Leiter des Arbeitshauses sagte, dass eine sofortige Aufnahme aller Personen nicht möglich sei, da zwar ausreichend Platz vorhanden sei792, es aber nicht genügend Betten und Kleidung gebe, so dass nur 30 der dringendsten Fälle aufgenommen werden könnten. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung wandten sich daraufhin an die zentrale Behörde mit dem Antrag, den übrigen Personen Hilfe außerhalb des Arbeitshauses gewähren zu dürfen. Die zentrale Behörde lehnte dieses ab und wies das Aufsichtsgremium an so schnell wie möglich eine Unterbringung in das Arbeitshaus möglich zu machen. Die Galway Guardians folgten der Anweisung, denn ein Anstieg der Unterstützungsempfänger außerhalb des Arbeitshauses findet sich nicht. Die Zahl der Insassen des Arbeitshauses zeigt bis Ende Januar einen Anstieg um 70 Personen, der sich in der Folgezeit jedoch nicht weiter erhöht.

Wie ist es zu erklären, dass die Outdoor-Relief-Werte nach 1882 mehr als fünfmal so hoch waren wie im Zeitraum bis 1879? Viele Mitglieder waren der Ansicht, dass die Outdoor Relief zeitlich begrenzter und damit kostengünstiger als der Aufenthalt im Arbeitshaus sei. Oftmals müssten durch diese Unterstützung temporäre

790 Galway Minute Book 13.1.1886. 791 Ebenda. 792 Zu diesem Zeitpunkt befanden sich 408 Insassen im Arbeitshaus von Galway.

244 Versorgungsengpässe überbrückt werden, die danach ein Arbeiten ohne Unterstützung ermöglichen würden. Der Aufenthalt im Arbeitshaus würde jedoch oftmals zu Langzeitaufenhalten führen, so die zeitgenössische Ansicht der Mitglieder der Armenverwaltung von Galway und Gort. Der Anstieg der Outdoor Relief könnte jedoch auch auf eine andere Auffassung von Armut der Mitglieder hinweisen. Es finden sich keine Aussagen der Aufsichtsgremien mehr, dass man Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses nur dann gewähren würde, wenn die Arbeitshäuser voll seien, wie es noch bis in die 1860er Jahre der Fall gewesen war793. Allerdings wurde außerhalb des Arbeitshauses vorwiegend die „klassische Fürsorgeklientel“ unterstützt. Eine bevorzugte Behandlung zwangsgeräumter Pächter kann nicht festgestellt werden.

In Gort spielte die Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses, mit Ausnahme der Großen Hungersnot, bis 1881 kaum eine Rolle. Ab 1878 gab es im Durchschnitt weniger als 10 Personen pro Woche, die Outdoor Relief erhielten. 1883 lag die Zahl der Unterstützungsempfänger, die nicht im Arbeitshaus lebten, bei 133 Personen pro Woche. Drei Jahre später war die Zahl bereits auf über 200 Outdoor Relief Empfänger angestiegen und erreichte 1896 mit durchschnittlich 329 unterstützten Personen pro Woche ihren Höhepunkt. Zehn Jahre später hatte sich die Zahl mehr als halbiert und sank in den folgenden Jahren weiter auf 50 bis 70 Unterstützungsempfänger pro Woche bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes. Der Hauptgrund hierfür liegt sicherlich in der Einführung einer nationalen Altersversorgung, des Old Age Pension Acts von 1908. Wie hoch war die gewährte Summe in Gort? 1883 bekam eine Person 1s 3d pro Woche an finanzieller Unterstützung794. Die Gesamtausgaben für Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses lagen in Gort 1873 bei etwa 8₤ jährlich, zehn Jahre später betrugen sie etwa 270₤ pro Jahr. Aus der Stadt Gort stammte durchschnittlich etwa 40 Prozent der Unterstützungsempfänger von Outdoor Relief, der übrige Teil verteilte sich auf die ländlichen Wahlbezirke der Gort Poor Law Union.

793 Siehe hierzu etwa Gort Minute Book 13.3.1862. 794 Tuam News 12.1.1883, S. 3. 245 Die Unterstützungsberechtigung eines Antragstellers wurde in der Regel vom Relieving Officer überprüft, der sich durch einen Besuch von der Lebenssituation des Antragstellers überzeugte. Eine andere Möglichkeit war, dass ein Mitglied des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung für die Berechtigung des Unterstützungsempfängers „bürgte“, indem er sagte, dass er den Antragsteller und seine Lebenssituation kenne. Dieses Verfahren führte oft dazu, dass ehemalige Angestellte oder Arbeiter eines Mitglieds des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung im Alter oder bei Krankheit „versorgt“ wurden795. Eine Empfehlung für die Unterstützungsberechtigung konnte auch von Seiten der (Armen-)Steuerzahler ausgesprochen werden796.

Die Mehrzahl der unterstützten Personen bestand aus der „klassischen Fürsorgeklientel“, wie die wöchentlichen Beschreibungen der Antragsteller in den Zeitungsberichten über die Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung zeigen797. Daneben beantragten auch Menschen, die einer Arbeit nachgingen oder arbeitsfähig waren, Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses, da ihre Einkünfte zu gering waren, um davon leben zu können oder sie keine Arbeit bekommen konnten. Diesen Personen wurde die Aufnahme in das Arbeitshaus angeboten, wie die folgenden Beispiele zeigen: „Bridget Cahill, was carrying on a little industry in the town [Gort], applied for relief. She is an apple woman.798“ Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort boten ihr die Aufnahme in das Arbeitshaus an. Als Begründung führten sie an, dass sie sonst „you will soon have all the apple women and ginger bread women of the town on your list.799“ Einem “able bodied man who had refused to work for Mr Geoghegan for 1s 3d a day”800, der am selben Tag einen Antrag auf Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses stellte, wurde ebenfalls abgelehnt mit der Aussage,

795 Siehe dazu beispielsweise Galway Express 1.9.1883, S. 3: “an old woman named Honor Molley applied for outdoor relief. Mr Gill: she is an old friend of mine, and has been getting relief occasionally for the past two years.” 796 Siehe dazu beispielsweise Tuam News 3.4.1885, S. 3: „production by her [the applicant] of a letter signed by some of the ratepayers recommending her as a fit subject [for outdoor relief]”. 797 Die Protokollbücher der kommunalen Armenfürsorge bieten diese detaillierten Angaben nicht, sondern beschränken sich in den meisten Fällen auf die Angabe der Zahlen der bewilligten oder abgelehnten Anträge. 798 Tuam News 6.4.1883, S. 4. 799 Ebenda. 800 Tuam News, 6.4.1883, S. 4.

246 dass man nichts für ihn tun könne. Dieser Antragsteller erschien insgesamt sechs Mal in Folge801 zu den Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort und beantragte Armenunterstützung außerhalb des Arbeitshauses, die jedoch jedes Mal abgelehnt wurde. Die Aufnahme in das Arbeitshaus lehnte der Antragsteller ab. John Geoghegan war ein Farmer und Landbesitzer und bis 1891 Mitglied des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort. 1882 hatte er das Amt des ersten stellvertretenden Vorsitzenden inne. Die anwesenden Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung sagten, dass sie den Antrag nicht berücksichtigen könnten, bis sie mit John Geoghegan gesprochen hätten. Er nahm jedoch nur ein bis zweimal im Jahr an den Sitzungen des kommunalen Armenfürsorgekomitees teil. Häufig erreichten Briefe das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung, in welchen bestimmte Personen als Unterstützungsempfänger empfohlen wurden, eine Erhöhung oder Verlängerung der Unterstützungssumme erboten wurden oder auch die Berechtigung einiger Unterstützungsempfänger angezweifelt wurden802.

Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort gewährten nach eigenen Aussagen von 1883 Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses vorwiegend an „sick people and people who struggle to keep house and home803“, da sie ansonsten „if once in the workhouse they remain there a permanent burden. But if relieved outside they may after a few months be able to get on without relief.“804

In Gort gewährten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung regelmäßig auch Unterstützung an zwangsgeräumte Pächter. Die Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses wurde für einen Monat bewilligt. Die nationalistische Zeitung, Tuam News, berichtete in ihren wöchentlichen Berichten über die Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort auch über die

801 Tuam News 13.4.1883, S. 4. 802 Die Briefe selber sind nicht erhalten, es finden sich kurze Inhaltsangaben dazu oder Auszüge daraus in den wöchentlichen Zeitungsberichten abgedruckt. Eine reiche Informationsquelle wie die englischen Pauper Letters bieten sie deshalb nicht. Zu den englischen Pauper Letters siehe: T. Sokoll, "Negotiating a Living: Essex Pauper Letters from London 1800-1834," in Household Strategies for Survival 1600-2000: Fission, Faction and Cooperation, ed. L. Fontaine, Schlumbohm, J. (Cambridge: 2000), Thomas Sokoll, ed., Essex Pauper Letters 1731-1837, Records of Social and Economic History, New Series; 30 (Oxford: OUP, 2001). 803 Tuam News 13.4.1883, S. 4. 804 Ebenda.

247 Antragsteller auf Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses. Stellten zwangsgeräumte Pächter einen solchen Antrag, so zeigt die Art der Berichterstattung, die Parteinahme für die Pächter: „Redmond Brady, who with his wife and family, seven in number, was recently thrown on the roadside amid the drenching rain without food or means or roof to shelter them from the weather by Mr St George805.” Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort beschlossen, Brady und seiner Familie 10 Shilling pro Woche an finanzieller Unterstützung für einen Monat zu gewähren. War dieser Zeitraum abgelaufen und Antrag auf Verlängerung der Unterstützung gestellt, so wurde dieses von den Mitgliedern des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung nur dann gewährt, wenn die Antragsteller krank oder alt waren und nicht arbeitsfähig, wie das folgende Beispiel aus dem Jahr 1883 zeigt. „Mrs Greally, wife of the tenant evicted by Mr St George, came before the Board to apply for continuance of out-door relief. Two of her children were lying ill806.” Sowohl der Vorsitzende, Patrick Corbett, als auch die Mehrheit der neun anwesenden Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung waren Nationalisten. Dennoch beschlossen sie, dass das Gesetz von 1848 ihnen nicht erlaube, die einmonatige Unterstützung an zwangsgeräumte Pächter zu verlängern und lehnten den Antrag ab. Sie versprachen der Antragstellerin allerdings, dass sobald sie eine Bescheinigung vom Arzt über die Krankheit ihrer Kinder vorweisen könne, sie weitere Unterstützung erhalten würde807. Die ablehnende Entscheidung könnte möglicherweise davon beeinflusst worden sein, dass in derselben Sitzung auch ein Brief der zentralen Behörde vorlag, der die Mitglieder des Aufsichtsgremiums anmahnte, dass noch sehr hohe Armensteuerzahlungen ausstehen würden und dem gegenüber große Ausgaben für Outdoor Relief stehen würden. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung überlegten daraufhin „whether it would be advisable to discontinue out-door relief the harvest having now set in.“808 Schaut man sich allerdings die Zahlen der folgenden Wochen an, so zeigt sich, dass es zwar einen Rückgang in der Zahl der Unterstützungsempfänger gab, dieser saisonale Rückgang findet sich jedoch jedes Jahr zu dieser Zeit. Die Mitglieder des

805 Tuam News 20.7.1883, S. 4. 806 Tuam News, 17.8.1883, S. 4. 807 Ebenda. 808 Ebenda.

248 Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung scheinen die Aussage über eine mögliche temporäre Aussetzung der Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses gegenüber der zentralen Behörde also getätigt zu haben, um weitere Kritik oder Sanktionen der zentralen Behörde zu vermeiden.

Besonders oft tauchen im Zusammenhang mit Zwangsräumungen in Gort die ex- officio Mitglieder Lord Clanmorris und Lord Gough auf, zwei der größten Landbesitzer in der Grafschaft Galway. Während Clanmorris so gut wie nie an den Sitzungen teilnahm, war Lord Gough, dem auch das Grundstück, auf dem das Arbeitshaus stand, und die Stadt Gort gehörten, regelmäßig anwesend. Ein anderes ex-officio Mitglied, das allerdings nur selten an den Treffen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung teilnahm, war James Lahiff. Auch er war ein großer Landbesitzer. Ende November 1886 verabschiedeten die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort eine Resolution an den irischen Lordkanzler, den Inhaber des höchsten juristischen Amtes in Irland, in der sie forderten: „The Guardians request the attention of the Lord Chancellor to the highness of the rents charged to con-acre tenants on the Lahiff Estate near Gort, and they trust he will have the matter enquired into with a view to a reduction of the rent”809. Die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort setzten sich also auch aktiv für die Rechte der Pächter ein. Dieses beschränkte sich nicht nur auf die Gort Poor Law Union oder die Grafschaft Galway, sondern das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort protestierte auch gegen Zwangsräumungen in anderen irischen Grafschaften. So verabschiedeten die Gort Guardians im Januar 1887 eine Resolution gegen die Zwangsräumungen in Glenbeigh, in der Grafschaft Kerry, im Südwesten Irlands: „That we the Gort Board of Guardians in meeting assembled wish to place on record our abhorrence of such acts of barbarity and cruelty as were recently perpetrated at the Glenbeigh evictions, and that we appeal to the sympathy of right minded people all over the world to endorse the efforts of the two Englishmen present, who when they saw how our countrymen were so shamefully used by felonious Landlordism, protested against the system that sentenced Irishmen to death and burned their homes, and that we consider such conduct only calculated to exasperate our people to seeds of violence, and we request the Government to interpose for the peace of the country and pass such

809 Gort Minute Book 27.11.1886.

249 measures as will for ever stay unjust eviction – the food of crime”810. Abschriften dieser Resolution schickten sie an Gladstone, Parnell und die parlamentarischen Abgeordneten der Grafschaft Galway. Im zweiten Untersuchungsgebiet, der Galway Union, finden sich solche Äußerungen zu Zwangsräumungen in anderen Gegenden Irlands nicht und sie verschickten auch keine Resolutionen dazu. Hierfür sind zum einen sicherlich die politischen Mehrheitsverhältnisse in Galway entscheidend. Die konservativ-unionistischen Kräfte in Galway waren zu dieser Zeit noch stark im Aufsichtsgremium vertreten. Zum anderen bildeten die Zwangsräumungen säumiger Pächter in dem eher städtischen Aufsichtsgremium der Galway Union keinen so häufigen Diskussionsgegenstand wie im ländlichen Gort, in dem man damit regelmäßig konfrontiert war.

Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Galway und Gort gewährten seit dem Ende der 1870er Jahre vermehrt Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses. Dabei ist jedoch keine besondere „Bevorzugung“ für zwangsgeräumte Pächter erkennbar. Die Unterstützung, die Pächtern gewährt wurde, war in der Regel nicht höher als diejenige, die anderen Antragstellern zugestanden wurde. In Galway wurden Zwangsräumungen nur selten diskutiert. In Gort hingegen verabschiedete man verschiedene Resolutionen zu den Zwangsräumungen im eigenen Verwaltungsbezirk und in anderen Teilen Irlands. Ein über das Abfassen von Resolutionen hinausgehendes Engagement ist für Gort nicht dokumentiert. Der Fall New Ross, der in den überregionalen Zeitungen hohe Beachtung fand811, wurde weder in Galway noch in Gort im Aufsichtsgremium erwähnt und scheint somit keine Vorbildfunktion für andere irische Aufsichtsgremien gehabt zu haben.

810 Gort Minute Book 22.1.1887. Die Glenbeigh Zwangsräumungen zu Beginn des Jahres 1887 wurden von mehreren Abgeordneten des britischen Parlaments, darunter auch zwei Engländer, beobachtet. Diese äußerten sich schockiert über die grausame Vorgehensweise bei den Zwangsräumungen und berichteten darüber an die britische Regierung. Die Zwangsräumungen beschrieb einer der Parlamentarier: Pierce Mahony (MP North Meath), The truth about Glenbeigh, 1887, British Library 8146.aaa.59. Siehe auch: The Weekly Freeman, 15.1.1887, S. 6; 22.1.1887, S. 1; 5.2.1887, S. 7 und Fotografien dieser Zwangsräumungen im Nationalarchives, Dublin, Reference 8PC-1A41-28. 811 Crossman, "The New Ross Workhouse Riot of 1887: Nationalism, Class and the Irish Poor Laws.", Crossman, Politics, Pauperism and Power in Late Nineteenth-Century Ireland S. 75-86.

250 5.3.5 Gegenreaktionen von konservativ-unionistischen Mitgliedern

Wie reagierten die konservativ-unionistischen Mitglieder auf die personellen Veränderungen und die Politisierung der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung? Welche Strategien nutzten sie um ihren Einfluß in den Boards sicherzustellen? Gab es individuellen Widerstand einzelner Mitglieder oder organisierten sich die konservativ-unionistischen Kräfte? Wie erfolgreich waren sie damit in der ländlichen Gort Poor Law Union und in der eher städtischen Galway Union?

Gegenreaktionen von irischen großen Landbesitzern im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Landfrage wurden bisher in der Forschungsliteratur nur selten untersucht812. Auch Crossman und Feingold analysieren den Widerstand von konservativ-unionistischen Mitgliedern der irischen Poor Law Boards kaum813. Die irischen großen Landbesitzer und land agents schlossen sich in verschiedenen Organisationen zur Verteidigung gegen Aktivitäten der Pächtervereinigung und zum Schutz ihrer Interessen zusammen. Die bekanntesten Vereinigungen waren die 1880 gegründete Property Defence Association und das Irish Land Committee von 1879. In Galway gab es lokale Ortsgruppen der beiden Organisationen, die über 40 Mitglieder hatten814. Auch in Gort existierte seit 1882 eine Außenstelle der Property Defence Association. Viele ex-officio und auch einige gewählte Mitglieder beider Aufsichtsgremien der Armenverwaltung waren in den lokalen Ortsgruppen aktiv, so etwa Sir William Gregory oder der Earl of Clancarty. Allerdings war der größte Teil der Personen, die in den beiden Landlord- Ortsgruppen tätig waren, nur selten bei den Treffen der kommunalen Armenfürsorgekomitees präsent.

812 Siehe dazu etwa: Curtis, Landlord Responses to the Irish Land War, 1879-87, S. 145: “Most historians of the land war have ignored or underplayed the steps taken by landlords to counter the League`s offensive.” Siehe zu Gegenreaktionen der Landlords auch: Hoppen, Landownership and Power in Nineteenth Century Ireland: The Decline of an Elite, S. 164ff; Dooley, Landlords and the Land Question, S. 124. 813 Crossman widmet den Reaktionen von ex-officio Mitgliedern nur einen kurzen Abschnitt, in: Dies., Politics, Pauperism and power in late nineteenth-century Ireland, S. 41f. und Feingold konzentriert sich auf die Analyse des Einflusses der Pächter auf die Boards, in: Ders., The Revolt of the Tenantry. The Transformation of Local Government in Ireland, 1872-1886, S. 11ff.. 814 Minute Book Lord Clonbrock, 9., 14., 23., 30.11.1881, 4.1.1882, NLI Clonbrock, MS 19, 678. 251 Der Anteil der ex-officio Mitglieder machte bis zum Local Government Act 1898 etwa die Hälfte der Gesamtteilnehmer der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung aus. Die große Mehrheit der ex-officio Mitglieder in Galway und Gort gehörte zu den großen Landbesitzern und war konservativ-unionistisch. Zusammen mit konservativ-unionistischen gewählten Mitgliedern stellten sie bis 1899 nominell die Mehrheit in beiden Aufsichtsgremien. Waren diese Personen zum großen Teil anwesend, so konnten sie ihre zahlenmässige Überlegenheit nutzen, um den Einfluß der Nationalisten in den Aufsichtsgremien zu verhindern. In Galway gingen die konservativ-unionistischen Mitglieder mehrmals so vor. Nach den jährlichen Poor Law Wahlen im März 1887 und der anstehenden Wahl eines neuen Vorsitzenden sowie seiner Stellvertreter, waren zur ersten Sitzung des neuen Boards in Galway 51 Guardians anwesend815. Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung hatte zu dem Zeitpunkt insgesamt 65 Mitglieder. Es gab zwei Kandidaten für den Posten des Vorsitzenden. Ein Anwärter war Marcus A Lynch, der nationalistische Vorsitzende der vergangenen Wahlperiode, der andere war Major J Wilson Lynch, ein loyalistisch-konservativer Landbesitzer und langjähriger Sitzungsleiter früherer Jahre. Für M A Lynch stimmten 23 Mitglieder der Armenverwaltung, für Major J W Lynch 28, der damit den Posten des Vorsitzenden zurückerlangte. Das Amt des ersten Stellvertreters erhielt ebenfalls ein „gentleman of property“816. Beim Posten des zweiten Stellvertreters standen sich ein nationalistischer und ein loyalistisch-konservativer Kandidat gegenüber, doch mit neun Stimmen Vorsprung konnte sich auch hier der konservative Bewerber durchsetzen. Im Jahr 1888 wurden dieselben drei Personen wiedergewählt817, ebenfalls sichergestellt durch eine hohe Anwesenheit von konservativ- unionistischen Mitgliedern. Nachdem im Jahr 1886 zum ersten Mal ein Nationalist den Vorsitz der lokalen Armenverwaltung innehatte, waren bei den Wahlen 1887 und 1888 besonders viele Guardians anwesend, um zu gewährleisten, dass eine konservativ-unionistische Person als Vorsitzender gewählt wurde, was ihnen auch gelang. Viele der anwesenden ex-officio Mitglieder waren im ganzen folgenden Jahr bei keiner weiteren Sitzung anwesend. Einer der Guardians sprach von einem

815 Galway Minute Book 6.4.1887. 816 Galway Vindicator 6.4.1887, S. 3. 817 Galway Vindicator, 4.4.1888, S. 3.

252 „political character“818 der Wahl des Vorsitzenden im Jahr 1887. Feingold sagte, dass 1886 in fast allen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in der Provinz Connacht, in der auch die Grafschaft Galway liegt, „the monopoly of power which the landlords had previously exercised was transferred almost entirely into the tenants` hands819“. Das trifft so nicht zu. In Galway gaben die konservativ- unionistischen Kräfte innerhalb des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung die Posten des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter nicht dauerhaft an die Nationalisten ab. Im Gegenteil, durch eine hohe Anwesenheit von konservativ- unionistischen Mitgliedern, konnten sie bis 1893 den Posten des Vorsitzenden für sich sicherstellen. In Gort gab kein solches Vorgehen. Seit 1882 konnten die Nationalisten dauerhaft den Vorsitz und die Stellvertreterposten im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung erlangen. Konservativ-unionistische Mitglieder nahmen kaum an irgendwelchen Treffen teil. Die Mehrheit der nationalistischen Mitglieder in Gort waren Kandidaten der Pächtervereinigung, die sich aktiv für die Rechte der Pächter dort einsetzte. Die Auseinandersetzungen um die Landfrage führten in der Gort Union zu Ausschreitungen, in deren Verlauf große Landbesitzer immer wieder bedroht wurden820. Der weitaus überwiegende Teil der irischen Bevölkerung stand den nationalistischen Forderungen nach Selbstverwaltung in Irland und einer Änderung der Grundbesitzverhältnisse positiv gegenüber. Viele große Landbesitzer befürchteten Drohungen oder gewalttätige Proteste, wenn sie für einen Erhalt des Status Quo eintraten.

War der Vorsitzende des Boards ein konservativ-unionistisches Mitglied, so setzte er seine Position häufig dazu ein, um die Verabschiedung politischer Resolutionen gänzlich zu verhindern. Der Vorsitzende legte den Ablauf der Tagesordnungspunkte fest und konnte über die Annahme oder Ablehnung von Anträgen entscheiden. Verweigerte er die Annahme eines Antrags oder einer Resolution und erklärte die Sitzung für beendet, so war dieses Vorgehen nicht

818 Ebenda. 819 Feingold, "Land League Power. The Tralee Poor-Law Election of 1881," S. 291. 820 Finegan, The land war in South East Galway, 1879-1890, S. 45f.

253 immer erfolgreich 821. Die nationalistischen Mitglieder wählten dann im Anschluß an die eigentliche Sitzung einen neuen Vorsitzenden, wenn sich einer der Guardians bereit erklärte, das Amt zu übernehmen und verabschiedeten ihre politischen Resolutionen trotzdem. In Galway wurden solche Beschlüsse nicht in das Protokollbuch aufgenommen, in Gort wurden sie allerdings niedergeschrieben. Auch wenn die zentrale Behörde nicht immer offiziell über solche Resolutionen informiert wurde, berichteten die Zeitungen in jedem Fall darüber.

Die konservativ-unionistischen Mitglieder versuchten die eigentliche Armenverwaltung als Vorwand zu benutzen, um politische Diskussionen in den Aufsichtsgremien zu verhindern. Im September 1890 wollten die nationalistischen Mitglieder der Armenverwaltung in Galway eine Resolution zur Abstimmung einbringen, in der sie gegen die Verhaftung von William O`Brien und John Dillon, beides führende irische nationalistische Politiker, protestierten822. Der Vorsitzende, Major J Wilson Lynch, weigerte sich, diese Abstimmung zuzulassen: „I must decline to accept the resolution or to discuss it with you…I don`t want this Board to wander into any political controversies.823” Dabei berief sich der Vorsitzende mit Unterstützung anderer anwesender konservativer Guardians auf die Kernaufgabe der Armenverwaltung. Zudem wurde der Antrag eingebracht bevor die Mitglieder der Armenverwaltung alle Tagesordnungspunkte, die eigentliche Armenverwaltung betreffend, besprochen hatten. Es entbrannte eine heftige Diskussion, in der sich nationalistische und konservative Kräfte im Board gegenseitig heftig attackierten, so dass ein konservatives Mitglied forderte, die Polizei zu rufen. Der Vorsitzende brachte immer wieder an, dass, wenn sich die Guardians nicht beruhigen und mit ihren eigentlichen Kernaufgaben fortfahren würden, die Gefahr einer Auflösung

821 Siehe dazu etwa: Galway Express 9.2.1889, S.4: In der Sitzung der Galway Guardians wurde eine Resolution eingebracht, die sich mit der Inhaftierung von William O`Brien beschäftigte, der Vorsitzende James Davis wollte eine Abstimmung hinauszögern bis zum Ende der Sitzung. Daraufhin warfen ihm einige Mitglieder vor, „Then you will run away, as you often did“. In diesem Fall blieb er jedoch bis zur Abstimmung. Die Resolution wurde von der Mehrheit der Mitglieder angenommen. 822 Galway Minute Book 24.9.1890; Galway Express 27.9.1890, S. 3, 4. 823 Galway Vindicator 24.9.1890, S.3.

254 des Boards durch die zentrale Behörde in Dublin bestünde824. Diese Absetzung des Boards und die Übernahme der Aufgaben durch bezahlte Inspektoren, eingesetzt von der zentralen Behörde, lagen weder im Interesse der konservativen Mitglieder noch der nationalistischen Guardians, doch konnte auch dieser Einwand keine Beruhigung der Situation bewirken. Die nationalistischen Mitglieder kündigten an, jedes weitere Treffen der Guardians zu stören und eine Bearbeitung der Kernaufgaben zu verweigern, bis über die Resolution abgestimmt werden würde. Der Vorsitzende der lokalen Armenverwaltung löste die Sitzung daraufhin wegen „tumultartiger Zustände“, so die Berichte der lokalen Zeitungen, auf825. Die Aufzeichnungen im Protokollbuch der Galway Guardians betonen explizit, dass, bevor Kernaufgaben der Armenverwaltung geklärt werden konnten, der Antrag auf Abstimmung über die nationalistische Resolution eingebracht wurde und betonen ein ruhiges, besonnenes Verhalten des Vorsitzenden gegenüber dem „uneinsichtigen Beharren“ der Antragsteller826. Die konservativ-unionistischen Mitglieder wollten so möglicherweise Hilfe und Unterstützung durch die zentrale Behörde anfordern. Die nächste Sitzung der Mitglieder der Armenverwaltung wurde vertagt, da man sich wiederum nicht einigen konnte und keine der beiden Seiten von ihren Forderungen abrücken wollte827. Bei der darauffolgenden Sitzung war kein Mitglied der Armenverwaltung anwesend. Erst drei Wochen nachdem der Antrag ursprünglich eingereicht worden war, fand wieder ein Treffen der Galway Guardians statt. Dabei waren 21 Mitglieder der Armenverwaltung anwesend sowie ein Vertreter der zentralen Behörde in Dublin, A Bourke. Der Vorsitzende, Major J Wilson Lynch, war nicht präsent und dessen Amt wurde von dem ersten Stellvertreter; P Dooley, ausgeübt. Auch er war ein konservatives Mitglied der Armenverwaltung. Im Verlauf des Treffens wurde ein Schreiben der zentralen Behörde in Dublin verlesen, in dem es hieß, dass solch eine „ungeheuerliche Vernachlässigung der Aufgaben“ nicht toleriert werden würde. Der Brief gab dem Vorsitzenden Recht und erklärte das Verhalten der Antragsteller für illegal. Den Mitgliedern der Armenverwaltung wurde bei weiterer „Vernachlässigung ihrer

824 Galway Vindicator, 24.9.1890, S.3; Galway Express 27.9.1890, S.3, 4. 825 Ebenda. 826 Galway Minute Book 24.9.1890. 827 Galway Vindicator 1.10.1890, S. 3.

255 Pflichten“ eine Auflösung des Boards angedroht828. T O`Sullivan, ein nationalistisches Mitglied der Armenverwaltung, stellte während der Diskussion die Autorität der zentralen Behörde in Frage und weigerte sich, dessen Repräsentanten, den Poor Law Inspector Bourke, zu Wort kommen zu lassen. An die vom britischen Parlament verabschiedete Armengesetzgebung fühle er sich nicht gebunden, so fuhr O`Sullivan fort und bald gebe es Selbstverwaltung in Irland829. Nach weiteren Diskussionen innerhalb des Boards wurde die Resolution schließlich von einer Mehrheit der anwesenden Mitglieder verabschiedet, und man widmete sich danach den Kernaufgaben der Armenverwaltung. Die nationalistischen Mitglieder konnten sich also durchsetzen. Eine Woche später erhielten die Galway Guardians ein Schreiben von der zentralen Behörde in Dublin, in der sie für dieses Vorgehen scharf verwarnt wurden, und wenn die Mitglieder der Armenverwaltung fortfahren würden, ihren Pflichten in solch einer „irregulären und illegalen Weise“ nachzukommen, würde die zentrale Behörde „weitere Maßnahmen“ ergreifen müssen, um solche ein Verhalten zu unterbinden830.

Das Rekurrieren auf die Kernaufgaben wurde von den konservativ-loyalistischen Mitgliedern angewandt, um das Aufkommen von politischen Diskussionen zu verhindern oder verschiedene Beschlüsse dazu zu vermeiden. Je nach Zahl der anwesenden Mitglieder und deren politischer Überzeugung konnte dies gelingen, und einige Anträge tauchten dann in den Protokollbüchern nicht auf. In der Mehrheit der Fälle führte diese Strategie jedoch nicht zum Erfolg, da die nationalistischen Mitglieder Wege fanden, um solch einen Boykott des Voritzenden zu umgehen. Auch die Einschaltung der zentralen Behörde war nicht erfolgversprechend. Sie gab den konservativ-unionistischen Mitgliedern zwar Recht, doch eine Auflösung des Aufsichtsgremiums, wie sie angedroht wurde, lag weder im Interesse der konservativ-unionistischen Mitglieder, noch der nationalistischen Guardians.

828 Galway Minute Book 15.10.1890; Galway Vindicator 15.10.1890, S. 3; Galway Express 18.10.1890, S. 3, 4. 829 Galway Express, 18.10.1890, S. 4. 830 Galway Minute Book 22.10.1890; Galway Vindicator 25.10.1890, S.3, Galway Express, 25.10.1890, S.3.

256 Konservativ-unionistische Mitglieder, die in die Aufsichtsgremien gewählt worden waren, beriefen sich bei einer erneuten Kandidatur besonders auf ihre langjährige Erfahrung in der kommunalen Armenfürsorge und die dabei erworbenen Kenntnisse und stellten nationalistische Gegenkandidaten gleichzeitig als sehr unerfahren in der lokalen Verwaltung dar. Ebenso betonten sie ihre Tätigkeit in anderen Verwaltungsgremien, durch die sie einen breiten Erfahrungsschatz sammeln konnten. Diese Argumente allein konnten eine Wiederwahl jedoch keineswegs sichern. Im Gegenteil, viele Steuerzahler in den 1880er Jahren wollten gerade die Dominanz einer relativ kleinen, geschlossenen Elite, die die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung bis dahin beherrscht hatte, durchbrechen durch neue Mitglieder, die einer breiten katholischen Mittelschicht angehörten. So war es weniger die Erfahrung, die eine Wiederwahl von konservativ-unionistischen Mitgliedern sicherstellen konnte, sondern vielmehr eine starke Position im jeweiligen Wahlbezirk, etwa wenn ein großer Landbesitzer dort viele von ihm abhängige Pächter hatte oder ein Kaufmann dort ein großer Arbeitgeber war. Traten konservativ-unionistische Mitglieder jedoch zu offen für die Fortführung der Union mit Großbritannien ein, so konnte es eine erneute Mitgliedschaft verhindern oder sie die Wahl zu den Vorsitzendenposten kosten, wie es in Galway 1893 auch Major J. Wilson Lynch passierte.

1893 fand in Galway ein Treffen von Unionisten statt, um gemeinsam eine Petition zu verabschieden „against the Home Rule Bill at present before Parliament“831. Unter den in der lokalen Presse aufgeführten Teilnehmern waren auch mehrere ex-officio Mitglieder der Armenverwaltung in Galway. Einer dieser Guardians, Marcus Lynch, übernahm den Vorsitz bei dem Treffen der „loyalist inhabitants of the City of Galway and its neighbourhood“832. Dabei verabschiedeten die Teilnehmer einstimmig, dass „whilst declaring our devoted loyalty to our beloved Queen and the Constitutions of Great Britain and Ireland, as at present established, deny the right of the Imperial Parliament to transfer our allegiance to, or impose on us, the authority of any other Legislative or Executive Body, we therefore protest against any legislation to establish a separate Parliament in

831 Galway Vindicator 8.3.1893, S. 3, Galway Express 4.3.1893, S. 3; 11.3.1893, S.3, 4, 25.3.1893, S.3, 4. 832 Galway Vindicator 8.3.1893, S. 3, Galway Express 11.3.1893, S.3, 4.

257 Ireland.833” Ein weiteres dort anwesendes Mitglied der Galway Guardians, das auch sehr regelmäßig an den Sitzungen der Mitglieder der Armenverwaltung teilnahm, war George E Burke. Er war ein katholischer Landbesitzer und sprach davon, dass „Home Rule“ gleichzusetzen sei mit „ Rule“834 und befürchtete, dass eine Selbstverwaltung in Irland steigende Steuern und wirtschaftlichen Niedergang bedeuten würde835. Während des unionistischen Treffens kam es zu einem Zwischenfall, als Thomas O`Sullivan, ein nationalistisches Mitglied der Armenverwaltung von Galway, gegen die Resolution protestieren wollte und zu einer Gegenrede ansetzte. O`Sullivan wurde daraufhin von zwei Polizisten abgeführt. Am selben Tag hatte auch eine Sitzung der Mitglieder der Armenverwaltung von Galway stattgefunden, in der die dort anwesenden neun Mitglieder das unionistische Treffen verdammten: „That we condemn the action of strangers in taking upon themselves to raise the opinion of the people of Galway by moving resolutions against Home Rule“836. Bei dem unionistischen Treffen in Galway waren zwei protestantische Geistliche aus Ulster als Redner engagiert worden, die in der Resolution der Guardians als „fremd“ bezeichnet werden. Alle anderen Teilnehmer und Redner des unionistischen Treffens kamen jedoch aus der Grafschaft Galway.

Nur eine Woche später fand eine Sitzung der Grand Jury of the County of the Town of Galway statt, in der ebenfalls eine Resolution gegen Selbstverwaltung in Irland verabschiedet wurde837. Auch in diesem Organ waren viele der Mitglieder gleichzeitig Poor Law Guardians in Galway. Einige Mitglieder der Town Grand Jury schlugen einen Änderungsantrag vor, nach dem Selbstverwaltung in Irland unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich sein sollte. Bei der Abstimmung stimmten allerdings 18 von 23 Mitgliedern gegen diesen Änderungsantrag, und die ursprüngliche Resolution, die Selbstverwaltung gänzlich verdammte, wurde mit fünf Gegenstimmen verabschiedet. Einer von denjenigen, die für den Änderungsantrag gestimmt hatten, John J Kirwan, war auch stellvertretender

833 Ebenda. 834 Burke, ein Katholik, war besonders gegen nationalistische katholische Geistliche eingenommen und war als Landbesitzer selber mit einem katholischen nationalistischen Priester in Auseinandersetzungen um die Landfrage verwickelt. 835 Galway Vindicator 8.3.1893, S. 3, Galway Express 11.3.1893, S.3, 4. 836 Galway Minute Book, 8.3.1893. 837 Galway Vindicator 15.3.1893, S. 3; Galway Express 18.3.1893, S.3

258 Vorsitzender der lokalen Armenverwaltung. Auch die County Grand Jury stimmte mit der Resolution der Unionisten überein und war gegen eine Selbstverwaltung in Irland. C.T. Redington, ein Mitglied der County Grand Jury und der Armenverwaltung in Galway, stimmte gegen die Anti Home-Rule Resolution. Er betonte, wie er es schon 1886 bei einem ähnlichen Grand Jury Beschluss getan hatte, dass Selbstverwaltung in Irland „unabwendbar“ sei838, hatte jedoch auch dieses Mal keinen Erfolg mit seinen Einwänden. Es fand sich keine zweite Person, die seinen Änderungsantrag auf Selbstverwaltung unter ganz bestimmten Voraussetzungen unterstützte.

Am selben Tag, an dem die Grand Jury of the County of the Town of Galway tagte, fand auch eine Sitzung der Mitglieder der Armenverwaltung unter Vorsitz von John J Kirwan statt. Die dort anwesenden acht Mitglieder der Armenverwaltung verabschiedeten einstimmig eine Resolution gegen den Beschluss der Town Grand Jury: „That we strongly condemn the action of an unrepresentative body like the Town Grand Jury of Galway, and that we the elected representatives of Galway Union fully approved of the Bill now before Parliament, as we believe it will benefit country by placing in the hands of the Irish people the management of their own affairs, and thus enable them to reduce taxation.839“ Die anwesenden Mitglieder der Armenverwaltung kritisierten die Existenz der Grand Juries als solche und besonders deren Vollmacht Steuern zu erheben und zu verwalten. Sie stellten ihre Berechtigung in Frage, da sie nicht gewählt, sondern ernannt wurden. Die Guardians erhofften sich mit einer Selbstverwaltung auch eine Reform der Steuerpraxis und die Abschaffung dieser Institutionen.

Sowohl das Protokollbuch, als auch die lokale Presse schreiben, dass die Resolution einstimmig verabschiedet wurde, und es finden sich keine Berichte über Diskussionen oder Kritik an dem Beschluss, auch nicht vom Vorsitzenden der Guardians, der zugleich Mitglied der Town Grand Jury war. John J Kirwan war ein politisch konservatives Mitglied der Armenverwaltung, doch stimmte er einer Selbstverwaltung unter ganz bestimmten Voraussetzungen durchaus zu, wie sein

838 C. T. Redington berichtete, dass “The events of the last seven years showed that Home Rule was inevitable. … The duty of the Conservative classes in Ireland was to suggest modifications in the Bill, not to indulge in irreconcilable hostility to it, and the interest of all classes in Ireland was that the agrarian disputes which keep landlords and tenants separated should be brought to an end by the establishment of a peasant proprietary.”, in: Galway Express 18.3.1893, S. 3. 839 Galway Minute Book 15.3.1893; Galway Vindicator 15.3.1893, S. 3.

259 Abstimmungsverhalten in der Grand Jury zeigte. Er war gegen gewalttätige Aktionen in Zusammenhang mit der Landfrage, doch erhoffte sich, bei einer irischen Selbstverwaltung möglicherweise selber eine gewichtige Rolle zu spielen. Bei der alljährlichen Wahl des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter im Board of Guardians machten sich die vorangegangenen Entscheidungen anderer Versammlungen gegen eine Selbstverwaltung bemerkbar. Die Wiederwahl des bisherigen Vorsitzenden Major J Wilson Lynch wurde wegen seiner unionistischen Haltung als Mitglied der Grand Jury in Frage gestellt840. Der Gegenkandidat von Major Lynch als Vorsitzender war der Kaufmann Thomas McDonagh. McDonagh war ebenfalls Mitglied der Town Grand Jury, hatte jedoch ebenso wie John J Kirwan gegen die Resolution der Town Grand Jury gestimmt. Thomas McDonagh war politisch gemäßigt nationalistisch und gewann die Wahl zum Vorsitzenden mit 25 zu 23 Stimmen. Major Lynch äußerte sich nach der verlorengegangenen Wahl, dass er es bedauerlich fände, dass „Ereignisse außerhalb des Boards“ seine Wiederwahl verhindert hätten und die Wahl nicht „unvoreingenommen“ stattgefunden habe841.

Das Engagement von Major J Wilson Lynch beim Treffen der Unionisten in Galway und die anschließenden Beschlüsse der Grand Jury gegen Selbstverwaltung in Irland verhinderten die Wiederwahl eines konservativ-unionistischen Vorsitzenden im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Galway. Nach den Wahlen von 1899 bezeichneten sich 19 der insgesamt 61 Mitglieder als konservativ-unionistisch. Politische Diskussionen gab es auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts, allerdings nahm deren Anteil an den Sitzungen stark ab. Auch die Anzahl der politischen Schreiben, die die Mitglieder verfassten, ging stark zurück842. Die konservativ- unionistischen Mitglieder beschränkten ihren Widerstand gegen politische Schreiben darauf, dass sie darauf bestanden, dass ihre Gegenstimmen namentlich

840 Galway Vindicator 1.4.1893, S. 3, Galway Express 1.4.1893, S. 4. Eines der Mitglieder der Armenverwaltung sagte: „As a chairman Major Lynch was always good and kind. No person would contradict that, but it was owing to his action at the Grand Jury that he was opposed as chairman of that Board.” 841 Galway Vindicator 1.4.1893, S. 3. 842 Siehe dazu Tabelle 28: Eingehende und ausgehende Schreiben Galway. 260 in den Protokollbüchern vermerkt wurden und auch in den lokalen Zeitungen auftauchten843.

Welche konservativ-unionistischen Gegenreaktionen sind in Gort festzustellen?

Bei den Nominierungen für die Poor Law Union Wahlen 1883 wurde im Wahlbezirk Kiltarton, den der konservativ-unionistische P C Spelman repräsentierte, als Gegenkandidat Patrick Corbett, der Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der Periode 1882/83, nominiert844. Corbett repräsentierte den Wahlbezirk Killeely und ließ sich bei der Wahl für zwei Bezirke gleichzeitig nominieren. In Killeely gab es keinen Gegenkandidaten, so dass Corbett auf jeden Fall als Vertreter dieses Bezirkes im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung präsent sein würde. Er gewann jedoch auch die Wahl gegen P C Spelman in Kiltarton. In einem Leserbrief an die Tuam News von Anfang April 1883 wird die Auseinandersetzung zwischen Spelman und Corbett als „struggles of the League `gainst the landlords“ bezeichnet, und der anonyme Verfasser des Briefes fährt fort: „Mr Corbett, who is the chairman, and who was a suspect, considered the best way to answer P C Spelman was to stand for the E. [Electoral] division for what Spelman had been returned…“845.

Patrick C Spelman wandte sich nach seiner Wahlniederlage in mehreren Briefen an die zentrale Behörde in Dublin, in denen er sich über die Wahl von Patrick Corbett beschwerte und deren Rechtmäßigkeit anzweifelte, da dieser zum Zeitpunkt der Wahl als politischer Häftling im Gefängnis gesessen hatte und von einem Verwandten vertreten wurde846. Die Stimmenauszählung in dem Wahlbezirk, so fuhr Spelman fort, habe zudem eine Mehrheit von 89 zu 62 Stimmen für ihn ergeben, dadurch dass aber Personen, in Vertretung von Corbett,

843 Siehe dazu beispielsweise: Galway Minute Book 20.12.1899: “Richard H Ffrench desired it to be recorded, that he dissented from the adoption of this resolution.” 844 Tuam News 16.3.1883, S. 4 845 Tuam News 6.4.1883, S. 2. Im Jahr 1882 war es zu starken Auseinandersetzungen zwischen Corbett und Spelman gekommen. Siehe dazu in dieser Studie S. 177f. 846 Gort Minute Book 11.7.1883, Tuam News 20.7.1883, S. 4.

261 genau 28 Einwendungen gegen seine höhere Stimmenanzahl gemacht hätten847, wäre er Corbett unterlegen gewesen. Die zentrale Behörde schickte Kopien dieser Briefe an die Gort Guardians und bat um eine Stellungnahme. In einer Sitzung am 11.7.1883 verabschiedeten neun anwesende Mitglieder der Armenverwaltung unter dem Vorsitz von Patrick Corbett daraufhin folgende Resolution: „…we consider it due to ourselves as Guardians not to let those letters [von P C Spelman] pass without expressing and pleading before the public our condemnation of their disrespectful and insulting tone towards the elected Guardians of this Union.

To better the position of the tillers of the Soil which would relieve the ratepayers of the burden of supporting so many pauperised people of Ireland an agitation sprung up a few years ago conducted legally and constitutionally until the Government highhandedly suppressed it and filled the Jails with those who took part or other were suspected of sympathising with it – among the rest our present Chairman.

Since Mr Corbett`s election by what we might say the unanimously voice of the people Mr P C Spelman has never missed an opportunity of insulting our Chairman and ourselves by terming him ‘Suspect’ and ourselves an invincible clique and in this way siding with those who opposed the people in their legitimate efforts to redress their grievances. – We therefore deem it proper to thus place before the public the conduct of Mr P C Spelman in that respect and show him up to his late constituents and the rest of the ratepayers of this Union.848”

Der Fall zeigt, dass es innerhalb des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung starke Auseinandersetzungen zwischen unionistischen und nationalistischen Mitgliedern gab und welch großen Einfluss politische Auseinandersetzungen auf die Armenverwaltung hatten. Spelman verwendet die Worte „suspect“ und „invincible“, um den nationalistischen Mitgliedern der Armenverwaltung von Gort Radikalität und Extremismus vorzuwerfen und sie zu kriminalisieren. Die „Invincibles“ waren eine Gruppe radikaler Nationalisten, die sich aus einigen ehemaligen Mitgliedern der Land League zusammensetzten. Eine „verdächtige

847 Eine der Personen, die gegen die Stimmen von Spelman Einwände erhob, war ein Verwandter von Corbett. Die Einwendungen waren: „…Nolan made 28 objections to votes registered in my favour, some, such as not being written by the party, and other such fatile objections, as Patrick being written by a witness in some cases, and Pat in others…“, so P C Spelman in einem seiner Briefe an die zentrale Behörde in Dublin, in: Tuam News 20.7.1883, S. 4. 848 Gort Minute Book 11.7.1883, Tuam News 17.8.1883, S.4.

262 Person“ konnten Menschen werden, die anti-britischer Agitationen verdächtigt wurden, die offen mit nationalistischen Forderungen sympathisierten und bei denen nationalistische Aktivitäten vermutet wurden, wie sie etwa durch das „Prevention of Crimes“ Gesetz von 1882 geahndet wurden. Gegen die von Spelman benutzten Begriffe stehen die Selbstbezeichnungen der Nationalisten als „legitimate“, „legal and constitutional“. Gleich zweimal, am Anfang und am Schluss des Briefes, wird betont, dass die Guardians „die Öffentlichkeit“ einschalten und diese über das Vorgehen von Spelman informieren wollten849. Das setzt voraus, dass das Aufsichtsgremium die große Mehrheit der „Öffentlichkeit“ auf der Seite der Nationalisten wusste. In dem Wahlbezirk Kileely, für den Corbett ohne Gegenkandidaten ebenfalls gewählt worden war, fand eine Nachwahl statt850, da ein Mitglied der Armenverwaltung nur einen Bezirk repräsentieren konnte und sich in dem Fall, in dem er in mehreren Wahlbezirken gewählt wurde, für einen entscheiden musste. Es wurde ein Kandidat der Pächtervereinigung gewählt. Durch das Einschalten der zentralen Behörde konnte Spelman nichts erreichen, denn die Stellungnahme der Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung wurde von Dublin als ausreichend akzeptiert, so dass Spelman 1882 nicht mehr im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort vertreten war. Bei den Wahlen von 1884 trat Spelman erneut als konservativ-unionistischer Kandidat in mehreren Wahlbezirken an.

Diese waren:

Wahlbezirk Kandidat Kandidat Nationalist Conservative Gort Thomas Quinn P C Spelman Kiltarton John Nolan P C Spelman Killeenavara Patrick Hanly P C Spelman Castle Taylor James Keane Martin Coen

Tabelle 10: Wettbewerb Wahlen Gort 1884

Die nationalistische Zeitung, die Tuam News, berichtet in einem Leserbrief darüber, dass P C Spelman „...offers himself as a candidate for the electoral division of Gort, and of course, in the landlord interest, for a landlord is his

849 Siehe dazu die ausführlichen Berichte in den Tuam News 20.7.1883; 17.8.1883. 850 Im September wurde Martin Glynn für diesem Bezirk Kileely in das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung Gort gewählt, siehe dazu: Tuam News 28.9.1883, S. 4.

263 nominator. … The victory of the National candidate, Mr Thomas Quinn, must be so complete and telling that it will be a mark of our disapproval of, and an indignant protest against this man`s conduct in the past. As I write I have learned that this henchman has offered himself for two other divisions, for Kiltarton, against John Nolan, and in Killeenavara, against Patrick Hanly, an ex-suspect.851“ Ein weiterer Artikel eines Korrespondenten berichtete ebenfalls über P C Spelman. Darin wurden noch einmal ausführlich die Ereignisse um die Auseinandersetzung zwischen Corbett und Spelman nach den Wahlen von 1883 rekapituliert852. Am Schluss des Berichtes gibt der Korrespondent noch einen Ratschlag an die Leser für die bevorstehenden Wahlen: „Now for those that are not experienced in the election of poor law guardians, I have a word of advice to offer, especially for those who are anxious for the National interest, ‘give or show not’, your voting paper to anyone but those you know who are interested in the National cause and in the people`s candidate.853” Hiermit warnt der Verfasser vor einer möglichen Beeinflussung von Wählern durch konservativ-unionistische Kräfte.

Der Wahlausgang brachte einen Sieg der nationalistischen Kandidaten in allen vier Wahlbezirken. In Gort unterlag Spelman mit 18 zu 196 Stimmen, in Kiltarton erhielt er 30 und sein Gegenkandidat 139 Stimmen, und in Killeenavara konnte Spelman keine einzige Wählerstimme für sich verbuchen854. Bei nachfolgenden Wahlen taucht Spelman als Kandidat nicht mehr auf.

Bei den Wahlen 1885 gab es in zwei Wahlbezirken einen Wettbewerb zwischen nationalistischen und konservativen Kandidaten – zum einen in Castle Taylor und zum anderen in Ballycahalan und Cappard. In beiden Fällen konnten sich die konservativen Kandidaten durchsetzen, da, so ein Bericht der nationalistischen Zeitung Tuam News, die Kandidaten „got the entire support of the landlords“855. Besonders im Bezirk Ballycahalan und Cappard war die Stimmenmehrheit des konservativen Kandidaten, Patrick Hallinan, sehr groß. Dieses ist insofern überraschend, da sich dieser zum ersten Mal für eine Wahl in das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung hatte aufstellen lassen. Allerdings muss

851 Leserbrief eines „Watchful“, in Tuam News 14.3.1884, S.3. 852 Tuam News 14.3.1884, S.3. 853 Ebenda. 854 Tuam News 28.3.1884, S. 2, 4.4.1884, S.4. 855 Tuam News 3.4.1885, S. 3.

264 man dabei beachten, dass der Vater von Hallinan den Bezirk schon lange Jahre als Mitglied der Armenverwaltung von Gort repräsentiert hatte. Der konservative Kandidat für Castle Taylor, Martin Coen, war seit 1866 Mitglied der Armenverwaltung von Gort für diesen Bezirk gewesen und unterlag nur 1884 und 1887 dem nationalistischen Kandidaten. Er blieb Mitglied der Armenverwaltung bis 1920, da er eine zahlreiche Anhängerschaft in seinen Wahlbezirken vorweisen konnte.

Das Amt des Vorsitzenden und seiner zwei Stellvertreter in Gort wurde seit 1882 von den Nationalisten übernommen. Dennoch gelang es konservativen Mitgliedern seit dieser Zeit vereinzelt Wahlbezirke zu gewinnen und sich gegen nationalistische Kandidaten durchzusetzen. So wurde etwa von 1890 bis 1896 der konservative Stephen Hughes als Repräsentant des Wahlbezirkes Ardamullivan in das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung Gort gewählt. Hughes war der Verwalter (Steward) des Besitzes von Lord Gough, einem großen Landbesitzer. Lord Gough war selber bis zu seinem Tod 1895 ex-officio Mitglied der Armenverwaltung von Gort. Hughes trat 1890 erstmalig bei den jährlichen Poor Law Wahlen als Kandidat an und wurde mit 130 Stimmen gewählt. Sein Gegenkandidat, der amtierende Guardian John McAllen, erhielt eine Stimme. In den folgenden Jahren nahm die Zahl der „contested divisions“ immer mehr ab, das heißt die amtierenden Mitglieder der Armenverwaltung wurden ohne Gegenkandidaten wiedergewählt. Die Nationalisten im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort besaßen die absolute Mehrheit und erfuhren keine Opposition durch konservativ-unionistische Kräfte. Potentiell vorhanden war dieser Gegenpol bis 1899, da die ex-officio Mitglieder in der Mehrheit politisch konservativ waren, doch nahmen sie fast nie an den Sitzungen der Gort Guardians teil. Einen aktiven Widerstand gegen die Nationalisten in Gort gab es nur durch P C Spelman, der damit jedoch nicht erfolgreich war.

Insgesamt wählten die konservativ-unionistischen Mitglieder mehrere Strategien, mit denen sie ihren Einfluß in den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung sicherstellen wollten. Dabei gab es ein gemeinsames Auftreten, wie bei den Wahlen zum Vorsitzenden in Galway oder individuelle Aktionen, wie das

265 Einschalten der zentralen Behörde. Die Bemühungen waren vereinzelt erfolgreich, in Galway mehr als in Gort, konnten jedoch selbst in Galway seit den 1890er Jahren insgesamt den wachsenden Einfluß der Nationalisten auf die Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen nicht verhindern.

5.3.6 Irland auf dem Weg in die Unabhängigkeit

Wie wirkte sich der Osteraufstand von 1916 auf der lokalen Ebene aus? Waren die beiden untersuchten Aufsichtsgremien darin verwickelt oder partizipierten sie sogar aktiv an den folgenden gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der britischen Regierung bis zur Unabhängigkeit der Republik Irland von 1921?

Nach dem Osteraufstand 1916 wurde der Leiter des Arbeitshauses von Gort, John Kelly, unter dem Verdacht verhaftet, Sinn Fein Mitglied zu sein856. Dolan berichtet über den Osteraufstand in der Grafschaft Galway, dass die Aktivitäten auf die Städte Loughrea und Gort konzentriert waren und es dort einige kleinere Gefechte mit britischen Truppen gab857. Die Mitglieder der Armenverwaltung setzten sich für die Freilassung des Leiters ein: „We, the Guardians of Gort Union, respectfully request the Lord Lieutenant, Mr John J Redmond, and Mr W J Duffy, MP`s to ask the Government to at once deal with Mr John Kelly`s case, who was for the past twelve years our Master of the Union, and was an exceptionally capable man, while not saying the authorities were right in their prompt action in arresting several young men in this district, who were suspected to be implicated in the sad movement. We as a loyal body wish to state that even though Mr Kelly was

856 Gort Minute Book 13.5.1916. Zur Sinn Fein Bewegung in East Galway siehe Fergus Campbell, "The Social Dynamics of Nationalist Politics in the West of Ireland, 1898-1918," Past & Present 182 (2004): S. 180-87. Campbell, Land and Revolution. Nationalist Politics in the West of Ireland, 1891- 1921, Fergus Campbell, "Local Government and the State of Provincial Opinion in Ireland, 1912-22" (PhD, Bristol, 1997). Martin Dolan, "Galway 1920-1922," The Capuchin Annual, Dublin 37 (1970), Donall O`Luanaigh, "Glimpses of the 1916 Rising in Co. Galway," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 2 (1994). Claregalway Historical and Cultural Society, Claregalway. Parish History 750 Years (Galway: 1999) Kapitel 3: 1916 Rising and Troubles. 857 Dolan, "Galway 1920-1922," S. 384.

266 arrested on suspicion we think, he did not suspect or know of the dangerous move that was taking place, and ask to have him released858”. Der Connacht Tribune berichtete Ende Mai 1916, dass insgesamt “seventeen men from South Galway were arrested and sentenced to deportation.859” Unter der dann folgenden Aufzählung von Namen befindet sich auch J Kelly. Dieser wurde jedoch bald aus der Haft entlassen und versah im August 1916 wieder seinen Dienst im Arbeitshaus860. Obwohl die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort das Vorgehen der britischen Regierung und die Verhaftungen in der Grafschaft Galway nicht guthießen, distanzierten sie sich vom Osteraufstand. Dennoch, als der Leiter des Arbeitshauses freigelassen wurde, wurde er jedoch sofort wieder vom Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in seine alte Position eingestellt.

Galway Guardians waren nicht aktiv in den Osteraufstand verwickelt, verabschiedeten jedoch mehrere Resolutionen, in denen sie die Freilassung politischer Gefangener forderten oder für die Unabhängigkeit Irlands eintraten861. So verlangten sie im Jahr 1917: „We call upon those responsible for Martial Law in Ireland to have it at once withdrawn, as we consider it an act calculated to further exasperate a people already ground by the tyranny of English misrule.862“ Das Aufsichtsgremium von Gort kritisierte die englische Regierung und deren Politik in zahlreichen Resolutionen, stand jedoch weiter in engem Kontakt mit der zentralen Behörde. In Gort schickte man weiter die Protokollbücher zur regelmässigen Kontrolle nach Dublin und unternahm bis 1920 keine aktiven Gegenmaßnahmen. Solange die eigentliche Armenverwaltung vom Aufsichtsgremium in Gort durchgeführt wurde und die Kernaufgaben nicht vernachlässigt wurden, reagierte die zentrale Behörde nicht auf die politischen Schreiben.

Nach den britischen Unterhauswahlen vom Dezember 1918 hatte Sinn Fein 73 der 105 Mandate für sich gewinnen können. Die Irish Parliamentary Party, die bisher über 80 Sitze verfügt hatte, konnte nur noch sechs Abgeordnetenplätze erringen,

858 Gort Minute Book 13.5.1916. 859 Connacht Tribune, 27.5.1916. 860 Gort Minute Book 12.8.1916. 861 Gort Minute Book 11.11.1916, 8.3.1919 862 Gort Minute Book 13.10.1917.

267 die Unionisten erhielten 26 Sitze863. Die Sinn Fein Mitglieder nahmen jedoch nicht ihre Sitze in Westminster ein, sondern trafen sich im Januar 1919 in Dublin und riefen das irische Parlament aus. Poor Law Wahlen fanden erst 1920 wieder statt. Sie brachten einen überwältigen Sieg von Sinn Fein Mitgliedern in das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort. Insgesamt ließen sich elf Kandidaten das erste Mal für eine Mitgliedschaft in der lokalen Armenverwaltung nominieren. Alle Kandidaten waren Sinn Fein Mitglieder und jedem der Anwärter gelang es, in das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort gewählt zu werden. Bei den Wahlen trafen sie auf keine nennenswerte Opposition, und in einigen Wahlbezirken waren sie die einzigen Kandidaten. Desweiteren bezeichneten sich zwei Mitglieder, die 1920 wiedergewählt wurden, ebenfalls als Sinn Feiner, so dass die Sinn Fein Partei in Gort ein großes Stimmengewicht im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung für sich beanspruchte. Zum Vorsitzenden der Armenverwaltung von Gort wurde Joseph Stanforde gewählt, ein Sinn Feiner, der 1920 das erste Mal kandidiert hatte. Stanforde war bereits im Osteraufstand von 1916 in Gort aktiv gewesen und hatte deswegen im Gefängnis gesessen. Kurz nach seiner Wahl hielt er auf irisch eine Rede in der Armenverwaltung, die der Connacht Tribune auf Englisch abdruckte. Darin heisst es: „with the help of God they would direct their efforts towards those whom they represented in consonance with the desires and aspirations of the Irish people…and before long they would be working in a free and independent Ireland.864“

Während der Sitzung rief ein weiteres Mitglied, da offensichtlich nicht alle Teilnehmer der irischen Rede folgen konnten, dazu auf, dass „those who were unable to follow the language to make the effort to do so before their labours were concluded“865. Das Verwenden der irischen Sprache wurde von den Nationalisten bereits im 19. Jahrhundert als wichtig angesehen, um sich so auf die eigene Kultur und Tradition zu besinnen und als Abgrenzung zur englischen Sprache der

863 Walker, Parliamentary Election Results in Ireland, S. 390; Paul Bew, Sinn Fein, Agrarian Radicalism, and the War of Independence 1919-1921, in: D. G. Boyce, The Revolution in Ireland, 1879-1923, Basingstoke 1988, S. 217ff, 265f, Michael Hopkinson, The Irish War of Independence, McGill-Queen's University Press: Montreal 2002, S. 67ff. 864 Connacht Tribune 19.6.1920. 865 Ebenda.

268 britischen Herrschaft über Irland866. Bereits 1890 hatten die Mitglieder der Armenverwaltung verabschiedet, alle Zeitungsannoncen zweisprachig abzufassen867. Ein weiteres Mitglied, Martin Coen, sagte in dieser Sitzung, dass man bis vor einiger Zeit nach Westminster geschaut und auf die dortigen Gesetze und Regeln gehört hätte, doch dieses sei dabei sich zu ändern: „The struggle was now going on apace and if it continued unabated for a little longer they were bound to succeed.868” Erst im Jahr 1920 schrieb das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort, dass man die britische Regierung nicht mehr anerkenne und auch die Autorität der zentralen Behörde wurde in Frage gestellt. Solche Resolutionen und Proteste gegen die britische Herrschaft über Irland, wie sie in den irischen Aufsichtsgremien zu dieser Zeit verfasst wurden, waren offensichtlich so zahlreich, dass das Ministerium für lokale Verwaltung vom irischen Parlament bei einer Sitzung am 17.7.1920 verabschiedete, dass „local authorities should be discouraged from passing such resolutions.869“ Offensichtlich wollte das irische Parlament einen sofortigen Bruch mit der zentralen Behörde, dem Local Government Board, verhindern, da das irische Ministerium für lokale Verwaltung noch keine konkreten Pläne für ein weiteres Vorgehen gefasst hatte. So entschied das irische Parlament, dass „treading softly“ zunächst die beste Vorgehensweise sei und unnötige Konfrontation mit der britischen Regierung vermieden werden solle870. Zu eben dieser Zeit, im Juli 1920, kam es zu einer Auseinandersetzung der Gort Guardians mit der zentralen Behörde, die zeigte, dass das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Gort der Anweisung des irischen Parlaments genau entgegen handelte.

Die Mitglieder der Armenverwaltung wiesen den Leiter des Arbeitshauses von Gort wegen Urlaubs des Pförtner an, dessen Posten mitzuversehen. Daraufhin schickte die zentrale Behörde ein Schreiben, in dem sie den Mitgliedern der Armenverwaltung untersagte, dass der Leiter den Pförtnerjob mit übernähme871.

866 Liam S Andrews, Unionism and nationalism and the Irish language, 1893-1933, PhD Belfast 2000, S. 17ff. 867 Siehe dazu in dieser Studie S. 210. 868 Connacht Tribune, 19.6.1920. 869 zitiert bei Keane, "The Concerns of Local Politics: A Study of Galway 1918-1928" S. 87. 870 Ebenda und O`Connor, A History of Galway County Council, S. 116f.. 871 Gort Minute Book 10.7.1920.

269 Die Mitglieder der Armenverwaltung antworteten der zentralen Behörde daraufhin: „Inform the LGB that the Guardians, and not the LGB are the best judges as to who should, or should not be employed as substitute for the Porter.872” Die Kürze und der “Tenor” dieses Antwortschreibens zeigen, dass die lokale Armenverwaltung in Gort die Weisungsbefugnisse der zentralen Behörde nicht mehr anerkannte. In Gort ignorierte man die Anweisung aus Dublin und setzte den Leiter weiter als Urlaubsvertretung des Pförtners ein.

Auch das Local Government Board reagierte auf die Resolutionen, die sich gegen die britische Herrschaft in Irland richteten und die Autorität der zentralen Behörde in Dublin als Repräsentant der britischen Regierung nicht mehr anerkennen wollten, indem es ein Rundschreiben an alle lokalen Verwaltungen in Irland verschickte. Darin erklärte die zentrale Behörde ihre Absicht „that grants and advances to councils would be withheld from those councils which failed to submit their accounts for audit and obey the Board`s rules and orders873“ In Dublin reagierte man damit auf die Ankündigungen zahlreicher lokaler Verwaltungen, dass man sich nicht mehr an die zentrale Behörde gebunden fühle, da man deren Autorität nicht mehr anerkenne874. Das Galway County Council erhielt hohe Finanzhilfen von der zentralen Behörde in Dublin und der britischen Regierung, die sie auch an die lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung weitergab, und eine Streichung oder Kürzung dieser Mittel wollte man zunächst nicht riskieren875. Nur einen Monat später erhielten die Mitglieder der Aufsichtsgremien in der Grafschaft Galway allerdings die Anweisung, dass keine Zahlungen von Steuern, Krediten oder ähnlichen mehr an die zentrale Behörde geleistet werden sollten, bis die lokale Verwaltung in Irland neu geregelt sei876.

In den Auseinandersetzungen um die Unabhängigkeit Irlands von Großbritannien verabschiedete das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort im August 1920, dass sie in Zukunft keine Protokollbücher mehr nach Dublin schicken würden877. Das bedeutete, dass sie damit die Autorität der zentralen Behörde nicht

872 Ebenda. 873 Connacht Tribune 7.8.1920. 874 O`Connor, A History of Galway County Council, S. 121. 875 Ebenda. 876 Gort Minute Book, 11.9.1920. 877 Gort Minute Book 24.8.1920.

270 mehr anerkannten. Im September 1920 verabschiedete das Aufsichtsgremium der lokalen Armenverwaltung in Gort schließlich: „That all communication between the Board of Guardians and the LGB cease …and that the accounts are not submitted to the Auditor”878. In Gort kommunizierte man nur noch mit dem Galway County Council. Im Jahr 1921 wurden kaum noch Entscheidungen die Armenverwaltung betreffend gefällt. So entschieden die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung im Januar 1921, dass “in view of possible changes in the Poor Law System the Guardians do not think it desirable to make a new permanent appointment of Workhouse Medical Officer without further consideration.879” und schließlich wurde kurze Zeit später das Arbeitshaus in Gort geschlossen.

Auch in der Armenverwaltung von Galway spielten die politischen Ereignisse nach 1916 eine große Rolle und brachten personelle Veränderungen mit sich. Während der Osteraufstand von 1916 kaum Resonanz in der Armenverwaltung von Galway hervorgerufen hatte, verursachte der Wahlerfolg von Sinn Fein 1918 einen starken Wandel in der Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway.

Im Jahr 1918 wurde Martin J Cooke, ein Haushalts- und Eisenwarenhändler aus der Stadt Galway, zum Vorsitzenden der Armenverwaltung in Galway gewählt. M J Cooke war Sinn Feiner. Die Mitglieder von Sinn Fein waren in Galway radikal nationalistisch und kamen aus einer „radical agrarian tradition“880. Vor 1918 spielten radikale Nationalisten keine Rolle in der Armenverwaltung von Galway, in diesem Jahr konnten sie direkt den Posten des Vorsitzenden für sich gewinnen. Damit lösten sie den langjährigen Vorsitzenden der Armenverwaltung, Patrick Curran ab, der jedoch 1919 seinen Posten wiedererlangen konnte. Nach dem parlamentarischen Wahlerfolg von Sinn Fein im Dezember 1918 schrieb der Connacht Tribune im Januar 1919 einen Artikel, der Sinn Fein zu seinem Erfolg beglückwünschte: „we must now force the County Councils, the Corporations, the

878 Gort Minute Book 11.9.1920. 879 Gort Minute Book 8.1.1921. 880 Campbell, "The Social Dynamics of Nationalist Politics in the West of Ireland, 1898-1918," S. 189.

271 Poor Law Boards and the other public bodies to obey the will of the people which has been so clearly expressed. We must make preparation for the capturing by honest fearless men, of all possible seats on other bodies. The County Council and the other bodies control the machinery of Irish Local Government. It is essential that the machinery be completely in the hands of those who represent the desires of the Nation and who will not hesitate to put these desires into practice.881” Wahlen für das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung fanden seit dem Local Government Act nur noch alle drei Jahre statt, und somit wurde erst 1920 wieder gewählt. Bei den Poor Law Wahlen von 1920 trat Sinn Fein in Galway mit der Aussage an, dass nicht lokale Belange interessierten, sondern dass die Erringung der nationalen Unabhängigkeit Irlands das vorrangige Ziel sei882. Im letzten gewählten Galway Board of Guardians 1920 bezeichneten sich fünf Mitglieder der Armenverwaltung in Galway als Sinn Fein Mitglieder. Campbell schreibt dazu: „For the first time, local political power passed into the hands of less well-off social groups (small farmers, tradesmen and labourers) and the young, and this new generation dominated Irish political life after independence.883“ Mit den Wahlerfolgen von Sinn Fein wurden Personen in das Aufsichtsgremium von Galway gewählt, die aus der ländlichen Umgebung Galways stammten, radikal nationalistisch waren und vorwiegend kleine Farmer waren. Sie alle hatten noch keine Erfahrung in der lokalen Verwaltung vorzuweisen. Die Sinn Fein Mitglieder waren politisch sehr aktiv in den Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway und machten zahlreiche Eingaben für Resolutionen. Es kam immer wieder zu starken Diskussionen mit gemäßigteren Nationalisten, die die Mehrheit der Mitglieder stellten, so dass viele Eingaben von Sinn Fein Teilnehmern nicht verabschiedet wurden. So entschied man sich in Galway dazu, zunächst abzuwarten, was die politischen Entwicklungen rund um die Unabhängigkeit Irlands bringen würden, bevor man sich gänzlich von der zentralen Behörde abwandte, wie es etwa in Gort geschah884. Gegen Ende des Jahres 1920 kommunizierte man allerdings auch in Galway nahezu ausschließlich mit dem

881 Connacht Tribune 4.1.1919. 882 O`Connor, A History of Galway County Council, S. 122ff. 883 Campbell, "The Social Dynamics of Nationalist Politics in the West of Ireland, 1898-1918," S. 203. 884 Galway Minute Book 3.9.1920. 272 Galway County Council, einen formalen Bruch mit der zentralen Behörde, wie in Gort, gab es jedoch nicht.

5.3.7 Zusammenfassung

Nicht nur bei den alljährlichen Wahlen, sondern auch in vielen Sitzungen der Guardians spielten politische Ereignisse eine wichtige Rolle. In beiden Untersuchungsgebieten ist eine Politisierung der Boards seit der Mitte der 1870er Jahre festzustellen. Ab dieser Zeit werden nicht nur Themen, die eigentliche Armenverwaltung betreffend, besprochen, sondern vermehrt auch politische und nationale Ereignisse. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die Politisierung nicht zur gleichen Zeit und nicht im gleichen Ausmaß in den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung stattfand. Es kann festgehalten werden, dass die Politisierung im ländlichen Untersuchungsgebiet anders verlief als in einer städtischen Union.

In Gort konnten sich nationalistische Kräfte schon Anfang der 1880er Jahre durchsetzen und besetzten ab diesem Zeitpunkt auch die Ämter des Vorsitzenden und seiner zwei Stellvertreter. Der Widerstand von konservativ-unionistischen Kräften war dort viel geringer als in Galway. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Auseinandersetzungen um die Landfrage in der Gort Union auch viel stärker zu spüren waren als in der Stadt Galway. Der Einfluss der Pächtervereinigung spielte in Galway keine grosse Rolle. Im ländlichen Gort hingegen stellten die Mitglieder, die von der Pächtervereinigung unterstützt wurden, ab dem Beginn der 1880er Jahre die Mehrheit.

In der städtischen Union gelang es den Nationalisten vor 1898 nicht, die Mehrheit im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung zu übernehmen und auch die Posten des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter konnten bis in die 1890er Jahre, bis auf eine Ausnahme, nicht von nationalistischen Mitgliedern besetzt werden. Die

273 überwiegend konservativ-unionistischen ex-officio Mitglieder nahmen regelmässiger und zahlreicher als in Gort an den Sitzungen teil und besonders bei wichtigen Abstimmungen erschienen sie mit vielen Personen, um ein Votum zu ihren Gunsten beeinflussen zu können. Ein breites Diskussionsspektrum prägte viele Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway. Die konservativ-unionistischen Mitglieder des kommunalen Armenfürsorgekomitees benutzten die Kernaufgabe, also die eigentliche Armenverwaltung, als Vorwand, um politische Diskussionen zu verhindern oder zu unterbinden. Dabei hing es von der Zusammensetzung in den einzelnen Sitzungen ab, ob dieses Vorhaben von Erfolg gekrönt war oder nicht. In einigen Fällen setzten sowohl konservativ- unionistische, als auch nationalistische Mitglieder weitere Mittel ein, um Entscheidungen zu beeinflussen. Das waren: das Einschalten der Presse und damit der Öffentlichkeit, die Verzögerung von Entscheidungen, um Mehrheitsverhältnisse schaffen zu können oder auch die Involvierung der zentralen Behörde.

Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die Vorgehensweise von Feingold, der von der Herkunft und Zugehörigkeit der Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zur landbesitzenden Gruppe und Pächtergruppe auf die politische Zugehörigkeit schließt, zu einfach ist. So gab es in Galway beispielsweise auch Landbesitzer, die nationalistische Forderungen unterstützen. Zudem gab es Mitglieder, die sich nicht eindeutig einer politischen Zugehörigkeit zuordnen lassen, sondern einzelfallspezifisch entschieden, je nachdem, welcher jeweilige Punkt für sie „vorteilshafter“ erschien. Auch ließ sich beobachten, dass andere Punkte in die Entscheidungen miteinflossen, etwa persönliche oder berufliche Bindungen, Verwandtschaften oder langjährige Mitgliedschaft.

Keinesfalls kann das Jahr 1886 als Abschluß des Prozesses der Nationalisierung angenommen werden, wie Feingold es in seiner Untersuchung vornimmt. In Gort gelang es den Nationalisten schon Anfang der 1880er Jahre, die Mehrheit im Aufsichtsgremium zu erlangen und seit diesem Zeitpunkt erfuhren sie auch kaum eine Opposition, weder in den Sitzungen, noch bei den jährlichen Wahlen. In Galway dagegen gelang es den Nationalisten bis zum Local Government Act nicht, die Mehrheit im Aufsichtsgremium zu erringen, oder bis 1893 nicht, den Posten des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter zu besetzen. Im ländlichen

274 Untersuchungsgebiet, der Gort Union, kam es seit Mitte der 1880er Jahre zu Wettbewerben innerhalb der Nationalisten zwischen „unabhängigen“ Kandidaten und Personen, die von der Pächtervereinigung unterstützt wurden, um Sitze im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung.

Der Anteil der Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses stieg in beiden Untersuchungsgebieten seit dem Ende der 1870er Jahre an, es ist jedoch in beiden Untersuchungsgebieten kein besonderes Engagement für zwangsgeräumte Pächter erkennbar. Allerdings zeigt sich in beiden Untersuchungsgebieten, dass sich die Auffassung von Armut und Armenfürsorge änderte. Während in den Arbeitshäusern vorwiegend ältere und kranke Langzeitinsassen lebten, wurde die Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses als Mittel angesehen, mit dem Menschen kurzfristiger unterstützt werden konnten und dabei weiterhin in ihrem angestammten Umfeld leben konnten. Mit der personellen Veränderung in den Aufsichtsgremien stieg auch der Anteil der Unterstützung außerhalb des Arbeitshauses an. Das breitere Gewähren von Outdoor Relief bildete aber keinen Diskussionsgegenstand in den untersuchten Aufsichtsgremien.

Der Wahlerfolg von Sinn Fein 1918 führte auch in den Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zu personellen Veränderungen. In beiden untersuchten Boards war der Anteil der radikalen Nationalisten 1920 stark angestiegen. In Gort sagte sich das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung formal von der zentralen Behörde in Dublin los und weigerte sich ihnen die Protokollbücher zu schicken. In Galway gab es solch eine radikale Entscheidung nicht, dort wartete man ab, was die politischen Entwicklungen bringen würden.

275 5.4 Kommunikationswege: Parlamentarier und Kooperationen zwischen den irischen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung

Im folgenden Kapitel wird der Frage nachgegangen, in welchem Maße die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung mit anderen Boards kommunizierten oder auch zusammenarbeiteten.

Wie regelmässig war das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway mit anderen irischen Aufsichtsgremien in Kontakt? Fand neben einer Kommunikation auch eine Kooperation in bestimmten Gebieten statt? Gab es Berührungspunkte oder eine rege Kommunikation zwischen den beiden benachbarten Untersuchungsgebieten der Gort Poor Law Union und der Galway Poor Law Union? Welche Kommunikationsebenen nutzte das Gort Board of Guardians und gab es hierbei Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zum anderen Untersuchungsgebiet?

Einige Mitglieder der untersuchten Aufsichtsgremien der Armenverwaltung waren zugleich auch Abgeordnete im britischen Parlament. Dadurch eröffnete sich eine neue Ebene der Kommunikation und möglicherweise wurde der eigene Handlungsspielraum erweitert. Welche Wirkung hatten die Resolutionen und Eingaben, die die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung verabschiedeten? Hierbei wird zum einen untersucht, welche „unmittelbaren Resultate“ sie beim Adressaten auslösten, zum anderen aber auch, ob die Resolutionen möglicherweise auch eine Breitenwirkung erzielten.

Von Anfang an verfassten die Guardians in Galway und Gort Eingaben zu bestimmten Themen und leiteten sie an Abgeordnete im britischen Parlament zur Vorlage weiter. Die Mitglieder der Aufsichtsgremien schickten den parlamentarischen Vertretern von Galway regelmässig Kopien ihrer Beschlüsse oder Petitionen mit Forderungen. Wenn Abgeordnete auch zugleich Poor Law Guardians und anwesend waren, wurden diese Forderungen direkt gestellt.

Diese Eingaben waren nur selten von Erfolg gekrönt. In den meisten Fällen wurde die Petition noch nicht einmal weitergeleitet, wie das folgende Beispiel aus Galway

276 zeigt: „a letter from the chair John Redington, M.P., stating that he had presented the Petition of the Board of Guardians in favour of an amendment of the Irish Poor Law Relief Act to the House of Commons on his arrival in London, but that after having consulted with many Members, he considered that no good would result from founding a motion on same.885” John Redington war nicht nur Abgeordneter im britischen Parlament, sondern auch ein Mitglied im Galway Board of Guardians.

Mehrere Mitglieder der Armenverwaltung in Galway waren Abgeordnete im britischen Parlament886. Gewählte Repräsentanten vom parlamentarischen Wahlbezirk Galway und Mitglieder der Armenverwaltung von 1838 bis 1847 waren Sir Valentine Blake, ex-officio Mitglied und Landbesitzer, sowie George Morris, land agent, ex-officio Mitglied und mehrmaliger Stellvertreter des Vorsitzenden. Der Bruder von George Morris, Michael Morris, war ebenfalls Parlamentsmitglied für Galway seit 1865. Michael Morris war Jurist, wurde irischer Justizminister (Lord Chief Justice of Ireland) und war gewähltes Mitglied der Armenverwaltung von Galway seit 1850. Anthony O`Flaherty, langjähriger Vorsitzender der Armenverwaltung von Galway, war auch Parlamentsabgeordneter. Alle diese Mitglieder reichten regelmässig Petitionen, die das Aufsichtsgremium verabschiedet hatte, in Westminster zur Vorlage ein. So unterbreitete O`Flaherty dem Parlament 1852 eine Petition aus Galway, die Änderungsvorschläge zur bestehenden irischen Armengesetzgebung zum Inhalt hatte, vor allem in Bezug auf die Erhebungsweise der Besteuerung887. Zu diesem Thema wurden 21 ähnlich lautende Petitionen anderer Armenverwaltungen aus ganz Irland eingereicht und vom Parlament erörtert. Eine Veränderung in der Besteuerung wurde jedoch nicht vorgenommen.

Es waren noch mehr Mitglieder der Armenverwaltungen beider Untersuchungsgebiete, vor allem ex-officio Mitglieder, zugleich Mitglieder des

885 Galway Minute Book 14.6.1845; Mitte Mai hatte Redington diese Resolution im britischen Parlament vorgelegt, jedoch erfolglos, siehe: Report of the Select Committee of the House of Commons on public Petitions 1845: For Alteration Poor Relief (Ireland) Act, 16.5.1845, Poor Law Guardians Galway Union (Redington). 886 B. M. Walker, "The Irish Electorate, 1868-1915," I. H. S. XVIII, 71 (1973), Walker, Parliamentary Elections Results in Ireland, 1801-1922. M. Stenton, Who`S Who of British Members of Parliament, 2 vols., vol. I: 1832-85, II: 1885-1918 (Hassacks: 1976). 887 Report of the Select Committee of the House of Commons on public Petitions 1852: For Alteration Poor Law, 27.2.1852, Poor Law Guardians of the Galway Union (O`Flaherty).

277 Ober- oder Unterhauses in London, so Lord Clanmorris888, Lord Clanricarde, Lord Walscourt, Martin Morris und Henry Palmer. Allerdings nahmen diese Personen fast nie an den Sitzungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung teil. Sie unterstützten in einigen Fällen jedoch durchaus die Petitionen, die ihnen von den Armenverwaltungen zugesandt wurden. Generell ist zu sagen, dass der allergrößte Teil der Forderungen, die die Mitglieder der Armenverwaltungen an die Abgeordneten weiterleiteten, wirkungslos blieben. Nur in den Fällen, wenn viele irische Board of Guardians sich zu einer Sache äußerten, wurden Ausschüsse gebildet, die sich mit dem Thema beschäftigten. Dennoch wurde die Kommunikation über die Abgeordneten von beiden Aufsichtsgremien der Armenverwaltung im gesamten Untersuchungszeitraum regelmässig genutzt. Dieser Weg stelllte für die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung eine Möglichkeit dar, ihre Forderungen und Änderungsvorschläge einem alternativen Ansprechpartner dazulegen und nicht nur der zentralen Behörde.

Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung verknüpften verschiedene Kommunikationswege um ihre Forderungen durchzusetzen. Im Jahr 1871 forderten die Galway Guardians in einem Rundschreiben an alle Board of Guardians eine Änderung in der Festsetzung der Poor Rate889. Im Protokollbuch fand die Forderung Aufnahme, wodurch die zentrale Behörde Kenntnis davon erhielt. Zusätzlich schickten sie das Rundschreiben an die insgesamt vier Abgeordneten für das County Galway und County of the town of Galway890. Einer der Abgeordneten, W.H. Gregory, war zugleich Mitglied im Gort Board of Guardians, dem zweiten Untersuchungsgebiet dieser Studie. Aufgrund der Resolutionen mehrerer Board of Guardians zu der Art der Festsetzung der Poor Rate und der Unterstützung durch W.H. Gregory richtete das britische Parlament einen Untersuchungsausschuss zu diesem Sachthema ein, in dem Gregory ein Mitglied war891. Auch ein Abgeordneter des County of the town of Galway, Viscount St Lawrence, erhielt den Beschluss der Galway Guardians und versprach, sich für eine Änderung in der Festsetzung der Poor Rate einzusetzen,

888 Zu dessen Besitzungen siehe: Mary P. Donnellan, "Clanmorris Rentals in Co. Galway," Galway Roots, Journal of the Galway Family History Society 5 (1995). 889 Galway Minute Book 12.4.1871. 890 Ebenda. 891 Siehe dazu auch: Galway Minute Book 26.4., 3.5., 24.5., 21.6.1871.

278 doch wurde er nicht als Mitglied des Untersuchungsausschusses benannt. Eine Veränderung in der Art der Erhebung der Armensteuer gab es allerdings bis zur Einführung des Local Government Acts von 1898 nicht. William Gregory war zu dem Zeitpunkt bereits mehrere Jahrzehnte sowohl im Parlament vertreten als auch Mitglied der Armenverwaltung von Gort und setzte sich aktiv für viele Forderungen beider Untersuchungsgebiete ein, in den meisten Fällen jedoch nicht erfolgreich, da es keine breite Unterstützung von seiten anderer Parlamentarier oder anderer irischer Aufsichtsgremien gab.

Eine weitere Möglichkeit, die von den Aufsichtsgremien in Galway und Gort genutzt wurde, um Forderungen gegenüber der zentralen Behörde oder der britischen Regierung durchzusetzen, war die Zusammenarbeit mit anderen irischen Board of Guardians. Briefwechsel aus Galway und Gort mit Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in ganz Irland gibt es bei konkreten Sachverhalten und vor allem bei Konfliktsituationen, etwa mit der zentralen Behörde. Zudem finden sich Rundschreiben zur Informationsweitergabe. Hauptsächlich erhofften die Galway und Gort Guardians jedoch, ihren Forderungen durch eine Kooperation aller Poor Law Boards Nachdruck und Gewicht zu verleihen: „That a copy of the resolution be sent to each Board of Guardians in Ireland with a request that the several Boards will co-operate in giving effect to the principle therein enunciated.892“ Oft sind in den Protokollbüchern auch die Reaktionen auf die Rundschreiben vermerkt. Nicht immer stimmten andere Poor Law Boards den Zirkularen der Galway Guardians zu, sondern antworteten ablehnend auf verschiedene Beschlüsse. In derartigen Fällen finden sich oft nur Vermerke über eine abweichende Meinung anderer lokaler Armenverwaltungen, die Gründe sind nur selten dargestellt. In einigen Angelegenheiten wurden daraufhin die Reaktionen und das entsprechende Sachthema erneut aufgegriffen und im Board diskutiert, so dass man darüber Einblicke in das Meinungsspektrum und die Diskussionsbreite der verschiedenen Boards erhält. In den ersten Jahrzehnten nach Einführung der Armengesetzgebung befassten sich die Rundschreiben ausschließlich mit Fragen, die die Armenverwaltung im engeren Sinn betrafen, vor allem mit (Armen-)

892 Galway Minute Book 12.4.1871: dieser Beschluß forderte eine Änderung des Systems der Erhebung der Poor Rate.

279 Steuerfragen. Diese Art der Kommunikation über Rundschreiben an alle Board of Guardians wurde im gesamten Untersuchungszeitraum häufig eingesetzt.

Eine Zusammenarbeit mit anderen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung, die über die schriftliche Kommunikation hinausging, kam nur selten vor. Auf Initiative der Galway Guardians trafen sich im Oktober 1851 Vertreter aller Boards of Guardians aus der gesamten Provinz Connaught in Ballinasloe, in der Grafschaft Galway, um gemeinsam gegen Forderungen der britischen Regierung auf Rückzahlung von Geldern893, die während der Großen Hungersnot nach Irland geflossen waren, zu protestieren. Jedes Board in Irland hatte ein Schreiben von den Poor Law Commissioners mit der Forderung erhalten, eine bestimmte Summe zu erheben, um diese Gelder über einen Zeitraum von 40 Jahren zurückzuzahlen. Auch Vertreter aus Galway und Gort waren bei dem Treffen dabei, außerdem sieben Abgeordnete des britischen Unterhauses sowie einige Mitglieder des Oberhauses. Wieviele Personen genau an dem Treffen teilnahmen, berichtet die lokale Presse nicht, doch wurden 59 Personen namentlich aufgelistet894. Im September hatten die Galway Guardians ein Kommuniqué an alle anderen Boards in Connacht verschickt, mit dem Vorschlag sich zu treffen „for the purpose of considering the best means of resisting …the repayment of the advances loans.895” Bei dem Treffen wurde folgender Beschluss verfasst, der einstimmig verabschiedet und an das britische Finanzministerium weitergeleitet wurde:

1. That whilst we are ready to acknowledge our liability to the repayment of the government advances, when it can be shown that value in the public works has been received, and to the repayment of such portion of the monies expended in relief as can fairly be charged against us, we cannot in the absence of all particulars of so great a demand, consent, by striking rates, to make ourselves parties to the imposition of a tax so onerous to our fellow countrymen, and which will continue so long a period of time896.

893 Consolidated Annuities Act, 1850. Siehe dazu: Report from the Select Committee on Consolidated Annuities (Ireland), British Parliamentary Papers 1852, vi (585), S. 1ff und Repayment of debts due from from Counties and unions of Ireland by the imposition of a consolidated annuity for forty years, House of Lords Select Committee, xx, H.L. 64. 894 Galway Vindicator 8.10.1851, S. 2. 895 Ebenda. 896 Galway Vindicator 8.10.1851, S. 2.

280 2. That we consider a careful investigation should be entered upon before committees of the two houses of parliament, to ascertain to what amount repayment can with justice be demanded and be insisted on, with die regard to the interests and circumstances of the country897.

3. That the Guardians here assembled must object to being made agents for the collection of a tax which does not strictly come within the limits of their duties; they consider that such a course would not only very seriously interfere with the due working of the Poor Law, but introduce the worst and most dangerous practice898.

Die Hauptargumente der Protestresolution waren, dass die Hilfe der britischen Regierung während der Großen Hungersnot, die ganz Irland betraf (a national calamity899), nun wieder eine große Not verursachen würden: Diejenigen Unions, die schon während der Hungersnot am stärksten betroffen waren, müssten nun auch die höchsten Rückzahlungen leisten. Weiterhin wurde auf dem Treffen angeführt, dass nur Irland allein eine Steuer auferlegt würde, um nationale Ausgaben zurückzuzahlen. Die Zusammensetzung der zurückgeforderten Summe sei nicht transparent, und man wolle nur Posten zurückzahlen, deren Wirkung man auch genau nachvollziehen könne. Schließlich führten die Guardians an, dass sie für die Armenverwaltung zuständig und keine „tax-collectors“ seien. Das Gesetz, welches eine Rückzahlung der während der Großen Hungersnot geflossenen Gelder forderte, löste in vielen irischen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung Proteste aus900. Es fand eine parlamentarische Untersuchung statt, die zu dem Ergebnis kam, dass ein Großteil der irischen Unions von den Auswirkungen der Großen Hungersnot noch stark betroffen waren und keine finanziellen Ressourcen

897 Ebenda. 898 Ebenda. 899 Ebenda. 900 Siehe dazu: Memorial of Guardians of Union of Ennis and other Poor Law Unions in County of Clare, on Consolidated Annuities Charge, British Parliamentary Papers 1852, xlvii (407), S. 235 und Memorial to Poor Law Commissioners in Ireland from Board of Guardians of Ballyvaughan Union on Consolidated Annuities, September 1851, British Parliamentary Papers 1852, lxxxiv (90), S. 605 und (98), S. 603.

281 aufwiesen, um Rückzahlungen leisten zu können901. Daher schaffte man das Gesetz ab. Eine Rückzahlung der geliehenen Gelder sollte stattdessen über allgemeine Steuern erfolgen902.

Der Widerstand vieler Aufsichtsgremien der Armenverwaltung führte in diesem Fall zu einer Zurücknahme des Gesetzes. Kooperationstreffen und ein gemeinsames Vorgehen waren jedoch eher die Ausnahme. Hauptsächlich gab es Briefwechsel zwischen den einzelnen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung. Jede Poor Law Union funktionierte unabhängig von den anderen kommunalen Armenfürsorgebezirken. Gemeinsame Treffen, beispielsweise auf Grafschafts- oder Provinzebene, bildeten die absolute Ausnahme. Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung von Galway und Gort suchten Kooperationen, die über schriftliche Kommunikation hinausgingen, aber auch nicht. Auch Anfragen anderer irischer Aufsichtsgremien der Armenverwaltung bezüglich persönlicher Treffen gibt es nicht. Hierfür ist sicherlich auch die relativ schlechte Infrastruktur in vielen Bereichen Irlands verantwortlich zu machen. Der Hauptgrund ist aber darin zu sehen, dass die Anlage der irischen Gesetzgebung ein unabhängiges Vorgehen der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung förderte. Sowohl die zentrale Behörde als auch die britische Regierung standen gemeinsamen Aktionen der irischen Aufsichtsgremien sehr kritisch gegenüber, um etwaigen Widerstand gegen zentrale Beschlüsse und Gesetze zu verhindern903. Obwohl Kooperationen zwischen den Aufsichtsgremien die Ausnahme blieben, kamen sie vor und führten beim Vorhandensein von breiter Unterstützung zum Erfolg.

Gegen Ende des Untersuchungszeitraumes, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, gingen die Aufsichtsgremien von Galway und Gort dazu über, verstärkt Kontakte zu anderen irischen Board of Guardians zu suchen, um ihre Vorgehensweise in einem bestimmten Fall abzustimmen, Meinungen auszutauschen oder Rat zu suchen. Hierin kann man eine gewisse Abkehr und Loslösung von der Autorität der zentralen Behörde sehen, wie das folgende Beispiel illustriert. Im Juni 1909 diskutierten die Mitglieder der Armenverwaltung in Galway, ob das Essen der

901 Report from the Select Committee on Consolidated Annuities (Ireland), British Parliamentary Papers 1852, vi (585), S. 1ff und Repayment of debts due from from Counties and unions of Ireland by the imposition of a consolidated annuity for forty years, House of Lords Select Committee, xx, H.L. 64. 902 Kinealy, The Irish Poor Law 1838-62, S. 262. 903 Kinealy, The Irish Poor Law 1838-62, S. 260ff.

282 Insassen des Arbeitshauses zu eintönig sei, und einige Guardians waren dafür, dass die Insassen auch Fleisch bekommen sollten904. Bisher bestand der Speiseplan der Insassen aus Kartoffeln, Suppe und Brot. Fleisch erhielten sie zweimal pro Jahr, an Ostern und Weihnachten. Ein Mitglied schlug vor, man solle sich an die zentrale Behörde wenden, und wenn diese eine Veränderung des Speiseplans für sinnvoll hielte, dann sollten die Guardians diesen ändern905. Dem Vorschlag folgten die Mitglieder der Armenverwaltung jedoch nicht, sondern beauftragten den Leiter des Arbeitshauses, Briefe an andere Poor Law Unions in Irland zu schreiben, um sich nach der dortigen Ernährung der Insassen zu erkundigen. Die Mitglieder der Armenverwaltung suchten eher den Kontakt zu anderen Arbeitshäusern, als sich an die zentrale Behörde zu wenden. Sie waren bestrebt, möglichst viele Dinge eigenständig und ohne Einmischung aus Dublin zu bestimmen. Falls die Mitglieder der Armenverwaltung entschieden, die Ernährung der Insassen zu ändern, so konnten sie der zentralen Behörde gegenüber außerdem angeben, dass auch andere Unions in Irland eine ausgewogenere Ernährung anbieten würden. Sie schufen also durch den Kontakt zu anderen Poor Law Unions auch eine stärkere Ausgangsbasis gegenüber der zentralen Behörde. Das hatte politische Implikationen. Die nationalistischen Mitglieder der Aufsichtsgremien wollten vorrangig mit anderen irischen Boards zusammenarbeiten und stellten die Repräsentanten der britischen Herrschaft, die zentrale Behörde in Dublin, zunehmend in Frage.

Die Mitglieder der Armenverwaltung in Gort wandten sich regelmäßig an andere Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in Irland, um sich deren Unterstützung zu sichern. So verabschiedeten die Gort Guardians 1881: „That for the future in all contracts for supplying this workhouse a preference be given to Irish material and Irish manufactured articles, provided that they satisfy the requirements of this Board; and that a copy of this resolution be sent to adjoining Unions asking for their co-operation”906. Man wollte nicht nur die Zusammenarbeit mit anderen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung fördern, sondern auch vorrangig irische Produkte verwenden. Die Aussage drückt auch eine politische Ansicht aus, denn in Gort bezog man bereits von Anfang an den weitaus überwiegenden Anteil an

904 Galway Minute Book 16.6.1909; Galway Express 19.6.1909, S. 5. 905 Galway Express, 19.6.1909, S.5. 906 Gort Minute Book 27.8.1881.

283 Waren und Produkte aus der lokalen Umgebung. Einige Erzeugnisse, vor allem Lebensmittel und Kleidung, wurden auch im Arbeitshaus selber produziert. De facto nutzte man also schon lange überwiegend irische Produkte aus der Region, bekannte sich aber dennoch explizit zu deren bevorzugter Nutzung vor importierten englischen Produkten.

Die Beschlüsse der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung wurden nicht nur intern zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen getätigt, sondern sie hatten auch immer eine Außenwirkung, indem die Sitzungsabläufe in der lokalen Presse dargestellt wurden. Die Zeitung als Medium der Verbreitung der Inhalte der Sitzungen der Armenverwaltung wurde von den Mitgliedern als wichtig angesehen. Als im Dezember 1889 für eine einzige Sitzung in Gort kein Reporter teilgenommen hatte und somit auch keine Berichte in der lokalen Presse erschien, schrieben die Mitglieder der Armenverwaltung den Verleger an, damit dies nicht noch einmal passiere907. An jeder Sitzung in Gort nahm in der Regel mindestens ein Reporter einer lokalen Zeitung teil, in Gort war das die „Tuam News“, ein nationalistisches Organ.

Im Februar 1890 fehlte erneut ein Zeitungsreporter bei einer Sitzung in Gort und sofort kontaktierten die Mitglieder der Armenverwaltung wieder den Verleger der „Tuam News“: „That Mr M Philpins [der Verleger der Tuam News] attention be again called to the fact that no reporter of the Tuam News attends here at present. The Guardians wish to remind Mr M Philpin of his promise to have the proceedings of the Board regularly published and they request an explanation of his neglect in this matter”908. Danach nahm anscheinend wieder regelmäßig ein Reporter teil, denn es finden sich wöchentliche Berichte in der lokalen Presse. Eine Erklärung, warum ein Reporter bei den Sitzungen fehlte, ist nicht dokumentiert. Diese Fälle zeigen jedoch, dass die Teilnahme der Presse und die öffentliche Berichterstattung über die Abläufe, Entscheidungen und Diskussionen der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung als wichtig angesehen wurden.

907 Gort Minute Book 14.12.1889. 908 Gort Minute Book 22.2.1890.

284 Ein Fall der „Rückführung“ einer Familie aus Schottland nach Galway zeigt auch die verschiedenen Kommunikationsebenen und –wege auf, derer sich die Guardians bedienten. Dieses „removal“ aus dem Jahr 1870 beschäftigte nicht nur die Galway Guardians, sondern auch zahlreiche andere Autoritäten für mehr als ein halbes Jahr. Die ganze Korrespondenz zu diesem Fall, die in den British Parliamentary Papers des Jahres 1871909 abgedruckt ist, ermöglicht einen detaillierten und umfassenden Einblick in die Abläufe und auftretenden Schwierigkeiten bei den Rückführungen. Hier finden sich nicht nur die Aufzeichnungen der Galway Guardians, sondern vieler verschiedener Stellen, die mit dem Fall zu tun hatten. Es sind auch Stellungnahmen von den Betroffenen, John Mailley und seiner Frau910, abgedruckt, die einen Einblick geben in die Lebensumstände dieser Familie, ebenso wie sie die Eindrücke der Zurückführung wiedergeben. Der Text der Befugnis zur Ausweisung aus Schottland ist ebenfalls überliefert911.

In dem Fall ging es um einen Mann, der aus der Nähe von Clifden stammte, im Jahr 1854 aber Irland verlassen hatte, und seit fast vier Jahren in Dumbarton, Schottland lebte. Er hatte in Schottland seine Frau, ebenfalls aus der Nähe von Clifden stammend, geheiratet, und seine vier Kinder waren alle in Schottland geboren. Nachdem John Mailley mehrmals gewalttätiges Verhalten gezeigt hatte912 und nach eigenen Angaben seit einiger Zeit unter starker Vergesslichkeit litt913, wurde er zur Beobachtung in das Armenhaus von Dumbarton eingewiesen. Seine Frau, die geringe eigene Einkünfte aus der Untervermietung ihres Hauses besaß, erhielt während dieser Zeit Unterstützung außerhalb des Armenhauses914. Nachdem man die Rückführung des Mannes nach Irland beschlossen hatte, wurde die Frau von John Mailley informiert, dass sie und die Kinder mit zurückgebracht werden würden. Trotz ihres Widerstandes und der Unterstützung ihrer Nachbarn wurde die ganze Familie zunächst nach Belfast gebracht. Aufgrund schlechter Zugverbindungen nach Galway musste die Familie eine Nacht im dortigen

909 British Parliamentary Papers, Removal of Poor 1871, LIX, S. 3-19. 910 Ebenda, S. 4, 6, 16. 911 Ebenda, S. 15f.. 912 Ebenda, S. 12. 913 Ebenda, S. 16. 914 Ebenda, S. 12.

285 Arbeitshaus verbringen. Während dieser Zeit flüchtete John Mailley. Seine Frau und die Kinder wurden in das Arbeitshaus von Galway gebracht.

Die Galway Guardians fühlten sich nicht zuständig, da die Familie aus der Union von Clifden stammte. Da es in Irland aber kein Law of Settlement gab, nahm man sie zunächst auf. Die Guardians wollten die Frau und die vier Kinder eigentlich nach Schottland zurücksenden und für die Rücksendung auch die Kosten übernehmen. Dadurch hoffte man zu vermeiden, dass die Frau und die Kinder ihr Haus und die damit verbundenen Einkünfte verlören. Dass diese Entwicklung drohte, geht aus einem Brief der Nachbarn der Mailleys in Schottland an Anne Mailley hervor. Die Galway Guardians informierten die Poor Law Commissioners und den Poor Law Inspector, Dr. Brodie, und erbaten Informationen, was sie in diesem Fall tun sollten. Die Commissioners wandten sich ihrerseits an den Lord Lieutenant beziehungsweise dessen Vertreter und erbaten juristische Ratschläge zum weiteren Verfahren.

Auch in Schottland beschäftigte man sich mit diesem Fall. Das Board of Supervision for the Relief of the Poor in Scotland, die zentrale schottische Armenbehörde915, schaltete sich ebenso ein, wie der für Dumbarton zuständige schottische Poor Law Inspector und die Angestellten des Armenhauses von Dumbarton.

Dabei ging es vor allem um die Frage, inwieweit die Rückführung der Familie nach Galway, nachdem John Mailley aus Belfast geflohen war, noch rechtmäßig war und ob die von Anne Mailley empfangene Unterstützung außerhalb des Armenhauses die Rückführung rechtfertigen würde. Hätte die Frau keine Unterstützung empfangen, so wäre die Rückführung auf jeden Fall nicht berechtigt gewesen. Die schottischen Behörden waren von der Rechtmäßigkeit überzeugt, da auch die Frau Empfänger von Unterstützung gewesen war, obwohl der Ehemann entkommen war. Die irischen Poor Law Commissioners und die Galway Guardians stimmten dem nicht zu, denn die Frau hatte ein eigenes, wenn auch geringes Einkommen in Schottland und hatte nur sehr wenig Outdoor Relief für eine kurze Zeit erhalten. Die Galway Guardians schickten die Frau mit ihren Kindern daher nach Schottland zurück.

915 Ebenda, S. 10-12.

286 Die Commissioners warfen den Galway Guardians daraufhin vor, dass das von den Poor Rates entnommene Geld, das sie für die Rückreise der Familie nach Schottland bereitgestellt hatten, nicht berechtigt gewesen wäre, da sie keinerlei Gesetzesgrundlage gehabt hätten, die ein derartiges Vorgehen gerechtfertigt hätte916. In den Protokollbüchern der Galway Guardians findet sich dazu außerdem vermerkt, dass die Unterstützung der Rückreise viel weniger belastend für die Poor Rate sei als eine Aufnahme im Arbeitshaus917.

Das Beispiel zeigt den Ablauf einer solchen Rückführung, wie die Verwaltung des Poor Laws in so einem Fall funktionierte sowie die verschiedenen Zuständigkeits- und Hierarchieebenen und deren Zusammenspiel. Allerdings zeigt der Fall der Familie Mailley auch, dass die Guardians, trotz Missbilligung durch die Poor Law Commissioners, ihre eigenen Entscheidungen trafen und danach handelten. Zudem ist dies einer der wenigen Fälle, in denen eine ganze Familie zurückgebracht wurde, bei fast allen anderen Rückführungen wurde nur eine Person ausgewiesen. Die Rückführung einer ganzen Familie führte deshalb auch zu Unklarheiten und Problemen bei den betroffenen Behörden, da laut Gesetz derjenige, der Unterstützung in einer englischen, walisischen oder schottischen Union erhielt, in sein Heimatland ausgewiesen werden konnte, wenn er kein „settlement“ besaß. Hätte Anne Mailley aber keine Unterstützung empfangen, so wäre ihre Rückführung nicht berechtigt gewesen. Da sie nun aber Hilfe empfangen hatte, jedoch trotzdem noch eigene Einkünfte besaß, die sie und die Kinder nach eigenen Angaben ernähren könnten918, war die Rechtmäßigkeit strittig. Ob dieser Fall jemals vor Gericht verhandelt wurde, kann nicht erschlossen werden919, auch sind keine Informationen über den weiteren Verbleib von John Mailley überliefert. Die Zwangsausweisungen von Iren aus England und Schottland beschäftigten die verschiedenen betroffenen Behörden, aber auch die Politiker in England und Schottland besonders in der Zeit der Großen Hungersnot, aber auch im weiteren

916 Ebenda, S. 18f.. 917Galway Minute Book, 20.1.1871. 918 Ebenda, S. 4. 919 Es wurden zu diesem Fall jedenfalls keine Quellen über eine Gerichtsverhandlung gefunden.

287 Verlauf des 19. Jahrhunderts920. Besonders in großen schottischen und englischen Städten wurden die Iren als „welfare burden“ empfunden.

Die Gort Poor Law Union grenzte südlich an die Galway Union und die Orte Galway und Gort lagen nur etwa 30 Kilometer voneinander entfernt. Zudem besaßen beide Orte eine Eisenbahnanbindung und durch Gort verlief die Hauptstrasse von Galway nach Limerick. Trotz der geographischen Nähe lässt sich im gesamten Untersuchungszeitraum kaum eine Kommunikation zwischen den beiden Aufsichtsgremien der Armenverwaltung feststellen. Sie arbeiteten in keinem Fall direkt zusammen. Bei beiden Untersuchungsgebieten lässt sich eine Präferenz für eine bestimmte Poor Law Union oder eine bestimmte Region nicht feststellen. Die Kommunikation zwischen den Aufsichtsgremien orientierte sich demnach eher nach Sachverhalten denn nach geographischer Nähe. Auch die anderen acht Poor Law Unions der Grafschaft Galway wurden von Galway und Gort nicht häufiger angeschrieben als andere irische Aufsichtsgremien der Armenverwaltung. Auffällig ist, dass seit der Politisierung der irischen Poor Law Boards eine Ausweitung der Kommunikationspartner stattfindet. Gab es vorher Schreiben zwischen einzelnen Armenverwaltungen, so gibt es nun auch Korrespondenzen mit politischen Organisationen, wie etwa nationalistischen Ortsvereinen.

Im gesamten Untersuchungszeitraum gibt es Schriftverkehr mit der Stadtverwaltung in Galway oder der County Grand Jury oder County of the Town Grand Jury, beziehungsweise mit dem County Council. Die verschiedenen lokalen Institutionen kommunizierten regelmässig miteinander. Ein Grund hierfür ist sicherlich auch, dass es vor dem Erlass des Local Government Act viele sich überschneidende Zuständigkeiten gab. Die Armenverwaltungen beider Untersuchungsgebiete waren oft unsicher, wer in bestimmten Fällen die Entscheidungsgewalt hatte. Besonders die Übernahme von Kosten bildete einen Streitpunkt zwischen den verschiedenen lokalen Einrichtungen.

920 Siehe dazu beispielsweise Lees, The Solidarities of Strangers. The English Poor Laws and the People, 1700-1948 S. 217ff.

288

Beide Untersuchungsgebiete kommunizierten regelmäßig mit anderen Poor Law Unions aus allen Teilen Irlands. Eine direkte Kooperation ist jedoch nur selten festzustellen. Jedes der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung arbeitete weitgehend selbständig und unabhängig von anderen Board of Guardians in Irland. Die beiden Untersuchungsgebiete Galway und Gort arbeiteten im gesamten Untersuchungszeitraum in keinem Fall direkt zusammen und es gab nur wenig Kommunikation zwischen den beiden Verwaltungseinheiten. Es gab nicht nur Kontakte mit der übergeordneten Verwaltungsebene in Dublin, sondern die Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen bauten sich andere Kommunikationwege auf. Sie dienten zum einen der Informationsweitergabe. Zum anderen versuchten die Aufsichtsgremien so, ihre eigene Position vor allem gegenüber der zentralen Behörde zu stärken.

289 5.5 “Vernetzung” der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung

Inwieweit waren die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung mit anderen lokalen Verwaltungseinrichtungen vernetzt? Gab es personelle Überschneidungen oder sich kreuzende Zuständigkeiten auf der lokalen Ebene? Im folgenden Kapitel wird der Frage nachgegangen, ob sich solche Überschneidungen auf die Arbeitsweise und Aufgabenwahrnehmung der kommunalen Armenfürsorge auswirkten. Exemplarisch wird dabei die Vernetzung des medizinischen Bereichs mit der Armenverwaltung untersucht. Die Mehrheit an lokalen Verwaltungsinstitutionen war in der Stadt Galway zu finden. Gab es personelle oder inhaltliche Verflechtungen des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort mit anderen lokalen Verwaltungen?

Die Mitglieder der Armenverwaltung von Gort kommunizierten regelmäßig mit anderen lokalen Aufsichtsgremien in ganz Irland. Direkte Kontakte mit dem anderen Untersuchungsgebiet, der Galway Union, sind jedoch relativ selten zu finden. Allerdings gab es personelle Überschneidungen. So war Major J Wilson Lynch ex-officio Mitglied in der Armenverwaltung von Gort. Gleichzeitig war Lynch auch Vorsitzender der Armenverwaltung in Galway 1884, 1885 und 1887 bis 1892. Er nahm allerdings nur sehr selten an den Sitzungen der Gort Guardians teil.

Im April 1890 schrieb Major Lynch an die zentrale Behörde in Dublin und bat um eine Untersuchung hinsichtlich der Amtsführung des Rate Collectors von Gort. Er klagte den Rate Collector, J Hazell, der Vernachlässigung seiner Amtsführung an, trat hierbei jedoch nicht als Mitglied der Armenverwaltung auf, sondern als großer Landbesitzer. Der Vorwurf von Lynch lautete, dass Hazell „neglected to collect poor rates on a holding at Leagh North, in the neighbourhood of Kinvara, from which a tenant, J Dermody, was evicted in November 1888. Amount of rates due ₤7 3s 10d”921. Major Lynch war der Besitzer des Landes und hatte seinen Pächter von dort zwangsräumen lassen, da dieser laut Lynch seit 1881 keine Pacht mehr entrichtet hatte. Major Lynch hatte sich mehrmals an den Rate Collector gewandt,

921 Tuam News 18.4.1890, S. 4.

290 um die ausstehende Armensteuer eintreiben zu lassen, beziehungsweise sie durch die Pfändung von Vieh des Pächters begleichen zu lassen. Im Verlauf der Untersuchung gab der Rate Collector an, mehrmals, zum Teil zusammen mit der Polizei, bei der Farm gewesen zu sein, doch er habe bei jedem Besuch „found nothing worth taking922“. Der Poor Law Inspector als Vertreter der zentralen Behörde kam nach der Befragung mehrerer Zeugen zu dem Schluss, dass man dem Rate Collector nichts vorwerfen könne und Major Lynch unterlag mit seiner Beschwerde. Der Fall wurde auch intensiv im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort diskutiert, doch Lynch nahm an keiner der Sitzungen teil. Er versuchte somit gar nicht, den Fall im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort vorzubringen, sondern wandte sich direkt an die zentrale Behörde. Major Lynch, der Unionist war, sah offensichtlich keine Erfolgsaussichten seiner Beschwerde im nationalistischen Gort Poor Law Board. Die gleichzeitige Tätigkeit als Vorsitzender von Galway spielte in dem Fall aber keine Rolle, da der Fall in Galway nicht zur Sprache kam. Dieses ist der einzige Fall einer personellen Überschneidung zwischen den beiden Untersuchungsgebieten.

Von Anfang an war das Galway Board of Guardians eng mit anderen lokalen Verwaltungseinrichtungen verknüpft. Die Zusammensetzung des ersten Galway Board of Guardians von 1839 zeigt, dass die große Mehrheit der Mitglieder der Armenadministration bereits über langjährige Erfahrungen in der lokalen Verwaltung verfügte, beziehungsweise sogar auf Erfahrungen in der Armenverwaltung zurückgreifen konnte. Von den 40 im ersten Board vertretenen Guardians (30 gewählte, zehn ex-officio Guardians) waren nur 17 Mitglieder nicht in einer der beiden Galway Grand Juries vertreten923. Zwölf Guardians waren zugleich auch Town Commissioners924. Die Mitglieder der Stadtverwaltung waren unter anderem für die Instandhaltung, Beleuchtung und Sauberkeit der Straßen im

922 Ebenda. 923 Hierbei wurde nur in den Jahren 1838-1840 geschaut. Für die Galway Guardians siehe Galway Advertiser 22.6.1839; für die Grand Juries siehe: Galway Advertiser 24.3.1838, 28.7.1838, 23.3.1839, 27.7.1839, 12.3.1840, 30.7.1840. 924 Minutes Town Commissioners 1836-1839, Vol 1, Special Collections, NUIGalway.

291 Stadtgebiet zuständig. Die Straßenreinigung wurde in Galway von den männlichen Arbeitshausinsassen durchgeführt. Die Protokollbücher sowohl der Armenverwaltung, als auch der Stadtverwaltung geben keine Auskunft darüber, wie diese Kooperation zustande kam oder ob die Tätigkeit entlohnt wurde. Die Tatsache, dass Mitglieder der Armenverwaltung gleichzeitig auch in der Stadtverwaltung tätig waren, könnte solche Kooperationen gefördert haben. Die männlichen Arbeitshausinsassen in Galway wurden bei Bedarf ebenso zu Straßenbauarbeiten oder Ausbesserungsarbeiten herangezogen. Die Verantwortung für diesen Aufgabenbereich lag in den Händen der Grand Juries. Zwar geben die Protokollbücher der Armenverwaltung auch für diese Tätigkeit von Arbeitshausinsassen außerhalb des Arbeitshauses keine Informationen, wie sie zustande kam, doch könnte auch hier die gleichzeitige Mitgliedschaft der Guardians in den Grand Juries die Zusammenarbeit ermöglicht haben.

In der Stadt Galway gab es schon seit dem Jahr 1824 das sogenannte „Galway Mendicity Institute“. Die Einrichtung versorgte durchschnittlich 150 bis 200 lokale Bettler mit Nahrung und Arbeit. Verwaltet wurde die Institution von einer Vereinigung (Mendicity Association), die unter dem Vorsitz des protestantischen Erzbischofs von Tuam und zwei weiteren protestantischen Geistlichen operierte. Jährlich wurde ein Komitee gewählt, welches das Mendicity Institute verwaltete. Mitglieder des Ausschusses waren drei Vertreter der Stadtverwaltung von Galway sowie weitere sehr wohlhabende Personen aus der Stadt Galway und ihrem Umland. Schaut man sich die personelle Zusammensetzung des Kollegiums an925, so finden sich hier einige spätere Mitglieder der Galway Guardians vertreten. Die Verwaltung der Institution gestaltete sich allerdings schwierig, da man sich in permanenten finanziellen Schwierigkeiten befand, die auch zu einer temporären Schließung der Einrichtung führten. Finanziert wurde sie zum größten Teil durch private und kirchliche Spenden, Mitgliedsbeiträge der Mendicity Association und durch die Arbeit der Insassen. Die öffentliche Unterstützung durch die Grand Juries fiel gering aus. Mit der Einführung des irischen Armengesetzes und der Errichtung des Arbeitshauses in Galway schloss das „Mendicity Institute“ seine Tore.

925 Informationen hierzu finden sich in den lokalen Zeitungen Connaught Journal 1824-1837 und Galway Weekly Advertiser 1824-1837.

292 Mehrere Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway waren auch in verschiedenen anderen Ausschüssen vertreten, so etwa im Aufsichtsgremium des Gefängnisses von Galway oder dem Management Komitee des County Dispensaries. In Gort gibt es solche „Vernetzungen“ mit anderen lokalen Verwaltungseinrichtungen nicht, da die meisten Institutionen in der Stadt Galway ansässig waren. In Gort bildete das Krankenhaus des Arbeitshauses die einzige medizinische stationäre Einrichtung vor Ort. Das Arbeitshaus war die einzige Anlaufstation für Arme in Gort, die Unterstützung suchten.

Die gleichzeitige Tätigkeit von Mitgliedern der Armenverwaltung in Galway in anderen lokalen Verwaltungseinrichtungen ist auch in den Jahrzehnten nach der Einführung der Armengesetzgebung in Irland nachweisbar. So berichtet ein Reporter einer lokalen Zeitung anlässlich der Poor Law Wahlen in Galway und der Wahl des Sub-Sheriffs von Galway als Mitglied der Armenverwaltung: „I have frequently pointed out the anomaly of the sub-sheriff being a member of our public boards. It is only in Galway that such a thing could occur. How the sub-Sheriff in Dublin would be laughed at if he set himself up to be a member of a Board of Guardians or a Town Councillor!926” Zwar wurde Mr Cullen, der Sub-Sheriff von Galway, in einem die Stadt umgebenden Wahlbezirk gewählt und nicht in einem direkten Stadtbezirk, welches von dem Reporter kommentiert wurde mit: „It would have been a shame had Mr Cullen succeeded to getting himself elected by the ratepayers of any ward in the town“927. In dem die Stadt Galway umgebenden Wahlbezirk war ein Wahlerfolg für Cullen einfacher zu erlangen, da er dort als „land agent“ tätig war und somit vermutlich großen Einfluss bei den dort ansässigen Pächtern besaß. In Galway kam es vor, dass der High Sheriff oder der Sub-Sheriff auch gleichzeitig Mitglied in der lokalen Armenverwaltung waren. Personen, die die lokale Verwaltung überwachen oder beaufsichtigen sollten, waren also gleichzeitig deren Mitglied. Es gab aber nicht nur Mitglieder, die vor ihrer Tätigkeit bereits Erfahrungen in der lokalen Verwaltung vorweisen konnten, sondern für einige Guardians war die Mitgliedschaft im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung auch ein „Sprungbrett“ um in andere Verwaltungsinstitutionen zu gelangen. So war George Morris, der seit 1855 Mitglied im Aufsichtsgremium der

926 Galway Vindicator 25.3.1871, S. 3. 927 Ebenda.

293 Armenverwaltung von Galway war, seit 1880 ein Commissioner der zentralen Behörde in Dublin928. Um in das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung gewählt zu werden, gab es relativ geringe Vermögensqualifikationen, die man als Kandidat erfüllen musste, im Vergleich zu allen anderen lokalen Verwaltungseinrichtungen, wie dem Harbour Board, den Town Commissioners oder den Grand Juries. Das ermöglichte Personen den Zugang zur lokalen Verwaltung, die dazu ansonsten keine Möglichkeit gehabt hatten, vor allem aus der katholischen Mittelschicht. Nach dem Local Government Act war außerdem der Vorsitzende der Armenverwaltung automatisch Mitglied im County Council. Als Sitzungsleiter war man seit 1899 also auch in die Verwaltung auf Grafschaftsebene eingebunden. Die Aufsichtsgremien waren allerdings kaum „Durchgangsstationen“ auf der Karriereleiter. Davon zeugt die lange Amtsdauer der meisten Mitglieder ebenso wie die „Familientradition“ der Mitgliedschaft einiger Guardians in beiden Untersuchungsgebieten.

Im medizinischen Bereich gab es besonders enge Vernetzungen der Armenverwaltung mit anderen Institutionen Galways929. Seit dem Jahr 1802 gab es in der Stadt Galway ein „County Infirmary“, das für die medizinische Versorgung und Behandlung von Personen aus der gesamten Grafschaft Galway zuständig

928 Siehe dazu in dieser Studie S. 157. 929 Zum Zusammenhang von Medizin und irischer Armengesetzgebung siehe Kelly, "From Workhouse to Hospital: The Role of the Irish Workhouse in Medical Relief to 1921". Sir Charles A. Cameron, "Report on Poor Law Medical System in Ireland," British Medical Journal (1904), Archibald H. Jacob, "The Poor Law Medical Charity System of Ireland," Dublin Journal of medical sciences LXXXI (1886), Patrick Letters, "Irish Poor Law Medical Relief System: Its Organisation and Administration," The Lancet 1 (1897), William Thomson, "The Irish Poor Law Medical Service," Dublin Journal of medical sciences (1896). Joseph Rogers, Reminiscences of a Workhouse Medical Doctor (London: T. Fisher Unwin, 1889). Peter Froggatt, "The Response of the Medical Profession to the Great Famine," in Famine: The Irish Experience 900-1900. Subsistence Crises and Famines in Ireland, ed. E. Margaret Crawford (Edinburgh: John Donald, 1989), B. Hurwitz, "History at Large. Joseph Rogers and the Reform of Workhouse Medicine," History Workshop Journal (1997), Greta Jones, 'Captain of All These Men of Death'. The History of Tuberculosis in Nineteenth and Twentieth Century Ireland, The Wellcome Series in the History of Medicine; Clio Medica 62 (Amsterdam, New York: Editions Rodopi, 2001), Jones and Malcolm, eds., Medicine, Disease and the State in Ireland, 1650-1940, Neil MacGillivray, "Medical Aspects of the Famine in Scotland and Ireland in the 19th Century" (M.Sc., 1999). Ronald D. Cassell, Medical Charities, Medical Politics. The Irish Dispensary System and the Poor Law, 1836-1872, John F. Fleetwood, The History of Medicine in Ireland, 2nd ed. 1983 (The Skellig Press) ed. (Dublin: Browne and Nolan, 1951), Patrick J. Henry, Sligo. Medical Care in the Past, 1800-1965 (Manorhamilton: Drumlin, 1995), Lonergan, A Workhouse Story: A History of St Patrick`S Hospital Cashel, 1842-1992, Joseph A. Robins, "The Irish Hospital: An Outline of Its Origins and Developments," Administration VIII, no. 2 (1960). Speziell zu Galway siehe: Murray, Galway: A Medico-Social History, Murray, "The Great Famine in Galway.", Murray, "Health and Medicine in Galway."

294 war. Finanziert wurde diese Einrichtung mit wohltätigen Spenden von Privatpersonen, vor allem aus der ländlichen Umgebung Galways, und öffentlicher Unterstützung durch die Grand Jury of the County.

Das Krankenhaus stand allerdings keinen Personen aus der Stadt Galway offen, es sei denn sie waren von einem der privaten Spender empfohlen worden. Neben der ambulanten Betreuung von Patienten versorgte die Institution Mitte der 1830er Jahre etwa 230 stationäre Patienten pro Jahr930. Der Arzt dieser Einrichtung von 1833 bis 1858, Dr. Andrew James Veitch, war auch Mitglied der Galway Guardians seit 1843 und als Arzt im Gefängnis von Galway tätig. Ebenso waren viele der wohltätigen Spender auch zugleich Mitglieder der Armenverwaltung in Galway oder in anderen Boards aus der gesamten Grafschaft931. Verwaltet wurde das County Infirmary von einem Board of Governors, die einmal pro Monat zusammenkamen. Nahezu alle Mitglieder dieses Boards waren zugleich auch Mitglieder der Armenverwaltung in Galway oder anderer Poor Law Boards in der Grafschaft Galway.

Im Jahr 1822 wurde für die Stadtbevölkerung eine eigene Institution geschaffen, das „City Dispensary“. Die Einrichtung war nur für die ambulante Versorgung der Patienten zuständig, stationäre Aufnahmemöglichkeiten gab es nicht. Auch sie wurde überwiegend durch Spenden finanziert. Beiträge der Grand Jury of the County of the town flossen nur spärlich, und die Einrichtung befand sich häufig in finanziellen Schwierigkeiten. Im Zuge des Medical Charities Act von 1851 fiel die Zuständigkeit für die Dispensaries an die Guardians und wurde über die Armensteuer mitfinanziert. Der Fond mit den Spendengeldern wurde vom protestantischen Bischof von Tuam und einem protestantischen Geistlichen932 verwaltet, die sich zunächst weigerten, die Verwaltung der Gelder an die Guardians zu übertragen. Die Galway Guardians wandten sich daraufhin mit einer Petition an den Lord Chancellor, der eine Übergabe der Fondverwaltung an die Armenverwaltung veranlasste.

930 Appendix to 1st Report of Poor Inquiry 1835, XXXII pt2, S. 13f; zur County Infirmary siehe auch: Cunningham, Galway 1790-1914: A Town Tormented by the Sea S. 54-6. Murray, "Pre-Famine Galway.", S. 43-59; James P. Murray, "Post Famine Galway City and County," in Galway: A Medico-Social History, ed. James P. Murray (Galway: 1992). 931 Die Informationen gehen hervor aus regelmäßigen Veröffentlichungen der Spenderlisten in den lokalen Zeitungen Galway Weekly Advertiser, Galway Mercury und Galway Vindicator. 932 Der Geistliche, James Daly, war zu dieser Zeit auch zugleich protestantischer Geistlicher des Arbeitshauses von Galway.

295 Im Jahr 1865 wurde der Standort des Krankenhauses in der Stadt aufgegeben und ein neues Gebäude auf dem Arbeitshausgelände in Galway errichtet. In dem Gebäude war seitdem auch die Registrierungsstelle für Geburten, Hochzeiten und Todesfälle untergebracht, die durch den Mediziner des Arbeitshauses vorgenommen wurde. Vor Baubeginn versuchten die Guardians bei der zentralen Behörde in Dublin die Genehmigung zu erhalten, auch stationäre Aufnahmemöglichkeiten zu schaffen, was aber verweigert wurde mit der Begründung, dass derartige Plätze laut der Armengesetzgebung nur innerhalb des Krankenhauses des Arbeitshauses zur Verfügung stehen dürften933. Im Jahr 1871 richteten die Galway Guardians erneut eine diesbezügliche Eingabe an die zentrale Behörde in Dublin, wiederum erfolglos934.

Seit 1820 gab es in der Stadt Galway ein Hospital für Infektionskrankheiten, welches bis zu 60 Patienten gleichzeitig aufnehmen konnte. Diese Institution wurde mit einer Mischung aus privaten Spenden und öffentlichen Mitteln finanziert und von einem 21-köpfigen Komitee verwaltet. Am Ende des Jahres 1860 leitete der Arzt des Arbeitshauses von Galway eine öffentliche Untersuchung gegen den Arzt des Fieber-Krankenhauses ein, die unter der Leitung von zwei Poor Law Inspectors in Galway durchgeführt wurde935. Dr. Browne, der damalige Arzt des Arbeitshauses, warf Dr. Colohan, dem Leiter des Fieberkrankenhauses, „unhaltbare Zustände“ und „Vernachlässigung“ der Patienten vor. Die Untersuchung des Falles ergab, dass viele Patienten im Hospital für Infektionskrankheiten gar nicht medizinisch behandelt wurden und der hygienische Zustand absolut unzureichend war. Nicht nur mangelnde Sauberkeit im Gebäude, sondern vor allem die Haltung von Schafen, Geflügel und Schweinen, die mehrere Angestellte des Hospitals auf dem Gelände betrieben, erregte Anstoß. Ebenso wohnten einige Angestellte mit ihren Angehörigen illegalerweise in Räumen des Krankenhauses. Nach Ende der umfangreichen Untersuchungen wurde die Verwaltung des Fieberhospitals an die Galway Guardians übertragen sowie die Entlassung einiger Angestellter verfügt. Nun unterstanden das Arbeitshaus, das City Dispensary und das Fieberhospital den Mitgliedern der Armenverwaltung.

933 Galway Minute Book 13.12.1864. 934 Galway Minute Book 24.5.1871; Murray, "Pre-Famine Galway," S. 48. 935 Über diese Untersuchung finden sich sehr detaillierte Berichte im Galway Vindicator, November und Dezember 1860.

296 Kurze Zeit nach der Übertragung der Verwaltung an die Guardians 1863 wurde der bisherige Arzt des Fieberhospitals, Dr. Colohan, zum „second medical officer“ des Arbeitshauses ernannt. Der Bedarf nach einem zweiten Arzt bestand, da alle der Armenverwaltung unterstehenden Institutionen zuvor von nur einem Arzt geleitet wurden.

Seit der Öffnung des Arbeitshauses 1842 bis zum Jahr 1862 wurde das Amt des Arztes von Dr. James Valentine Browne versehen, der zugleich auch eine Professur an der medizinischen Fakultät der Universität von Galway inne hatte (1849-1887). Nach Beendigung seiner Tätigkeit als Arzt des Arbeitshauses wechselte er zum „County Infirmary“, wo er bis zu seinem Tod 1887 arbeitete. Im Jahr 1878 war er außerdem Mitglied der Galway Poor Law Guardians.

Der Nachfolger als Arzt des Arbeitshauses in Galway wurde Dr. Charles Croker- King. Auch er war zugleich Professor an der medizinischen Fakultät in Galway. Dr. Croker-King blieb bis zur Mitte der 1860er Jahre als Arzt im Arbeitshaus von Galway, er blieb jedoch eng mit der Armenverwaltung in Irland verbunden und wurde im Jahr 1876 „Medical Commissioner“ des Local Government Board936.

Die enge Verbindung des Arbeitshauses von Galway mit der medizinischen Fakultät der dortigen Universität zeichnete sich nicht nur durch eine personelle Vernetzung der Mediziner aus, sondern auch durch die „Nutzung“ des Arbeitshauskrankenhauses für die medizinische Ausbildung der Studenten. Die durchschnittliche Belegung des Hospitals des Arbeitshauses von Galway betrug etwa 100 bis 130 Patienten. Seit die Insassenzahlen des Arbeitshauses nach der Großen Hungersnot immer weiter zurückgegangen und sich seit den 1860er Jahren auf einem relativ konstanten Level befanden937, war die Versorgung der Kranken eine der wichtigsten Funktionen des Arbeitshauses938.

Dort fanden nicht nur Insassen des Arbeitshauses medizinische Hilfe, sondern seit 1862 auch Patienten aus der städtischen und ländlichen Umgebung. Viele Lehrstunden der medizinischen Ausbildung an der Universität Galways fanden außerhalb des Hörsaals statt. Da es keine Vorschrift oder Gesetz gab, welches lokale Krankenhäuser verpflichtete, sich für die medizinische Ausbildung zur

936 Galway Minute Book 10.3.1876, 24.3.1876. 937 Siehe dazu Anhang Tab. 13: Insassen Galway 1841-1921. 938 Kelly, "From Workhouse to Hospital: The Role of the Irish Workhouse in Medical Relief to 1921".

297 Verfügung zu stellen, versuchte man die Lehrstühle vor allem mit Personen zu besetzen, die zugleich an Krankenhäusern ihren Dienst taten. Das Krankenhaus des Arbeitshauses von Galway ermöglichte den praktischen Unterricht der Studenten in Galway seit den 1850er Jahren939. So schreibt der Dekan der medizinischen Fakultät in seinem Bericht für das Jahr 1862, dass in Galway mehr als 200 Patienten für den praktischen Unterricht zur Verfügung stehen würden und berichtet, dass das Krankenhaus des Arbeitshauses den Studenten jeden Morgen offen stehe sowie dort regelmäßig klinischer Unterricht von den Professoren gegeben werde940. Eine Kooperation zwischen allen lokalen Hospitälern und der Universität wurde offiziell erst durch den Galway Hospitals Act von 1892 festgeschrieben941.

Ein Teilgebiet der medizinischen Ausbildung war die Anatomie. Der Anatomy Act von 1832 legte fest, dass die Körper von Personen, die im Arbeitshaus oder ähnlichen Institutionen starben, der Anatomie zur Verfügung stehen sollten, wenn sie „not claimed by next of kin within a certain time after death942“. Die unbestimmte Zeitangabe sollte laut einem Bericht der englischen Poor Law Commission etwa 48 Stunden nach dem Todeszeitpunkt betragen943. Wenn ein Insasse des Arbeitshauses starb, so hatte der Leiter des Arbeitshauses den Arzt zu verständigen, damit dieser den Tod feststellte. Gab es keine Angehörigen, die

939 Galway Minute Book 19.9.1850. 940 Report of the Dean of the Medical School, in: Report of the President of the QCG, for the session 1861-62, Dublin 1863. 941 A collection of the Public General Acts 1892, 55 & 56 Vict., c.ccxvii. 942 Anatomy Act 1832, § X, in: a collection of the Public General Statutes 1832, 2 & 3 William IV, Dublin 1832, S. 500. Während die Bedeutung dieses Gesetzes für England relativ gut erforscht ist, liegen für Irland kaum Erkenntnisse darüber vor. Für England siehe etwa: Ruth Richardson, Death, Dissection and the Destitute, 2. Aufl. von 2001 ed. (London: Routledge & Kegan Paul, 1987). Elizabeth T. Hurren, "A Pauper Dead-House: The Expansion of the Cambridge Teaching School under the Late-Victorian Poor Law, 1870-1914," Medical History 48 (2004). Elizabeth T. Hurren and Steven King, ""Begging for a Burial": Form, Function and Conflict in Nineteenth-Century Pauper Burial," Social History 30, no. 3 (2005). . Für Irland siehe John F. Fleetwood, The Irish Body Snatchers. A History of Body Snatching in Ireland (Dublin: Tomar Publishing, 1988). William Doolin, Dublin`S Surgeon Anatomists (Dublin: 1987). Peter Gatenby, The School of Physic, Tcd: A Retrospective View (Dublin: Faculty of Health Sciences, Trinity College Dublin, 1994). T J Harrison, Anatomy at Belfast (Belfast: 1980). Jones and Malcolm, eds., Medicine, Disease and the State in Ireland, 1650-1940. James P. Murray, "Medicine," in From Queen`S College to National University. Essays on the Academic History of Qcg/Ucg/Nui, Galway, ed. Tadgh Foley (Dublin: Four Courts Press, 1999). James P. Murray, "Queens College Galway and Its Medical School," in Galway: A Medico-Social History, ed. James P. Murray (Galway: 1992). 943 6th Annual Report English Poor Law Commission 1840, S. 542f.. Siehe dazu auch: Richardson, Death, Dissection and the Destitute S. 207.

298 den Verstorbenen beerdigten, so wurde die Person zu Lasten der electoral division, in der sie zuvor gelebt hatte, in einem Armengrab beerdigt oder sie konnte der Universität zur Sektion übergeben werden. Eine Sektion war nicht gestattet, wenn die Person vor ihrem Tod schriftlich oder in Gegenwart von zwei Zeugen dieses abgelehnt hatte. Irland hatte einen eigenen Inspector of Anatomy, der alle Anatomie Schulen regelmäßig kontrollierte und Berichte über jede Sektion empfing. Bevor die Universität in Galway gegründet wurde, gab es keine Einrichtung in Galway, die Sektionen vornahm944. Die Räumlichkeiten der Anatomie lagen nördlich des Hauptgebäudes der Universität von Galway und in unmittelbarer Nähe des Arbeitshauses, welches den Transport der Verstorbenen sehr einfach machte.

Abb. 4 : Arbeitshaus von Galway und Queen`s College Galway, aus: Griffith´s Valuation Map, 1921, NUIGalway Map Collection.

Verstarb ein Insasse des Arbeitshauses von Galway, so schickte der Leiter des Arbeitshauses Boten aus, die Angehörige ausfindig machen sollten. Wurden keine Angehörigen gefunden oder die Angehörigen wollten sich nicht um die Beerdigung kümmern, so gab der Leiter dem Lehrstuhlinhaber für Anatomie Bescheid. Wurde

944 In Dublin, Belfast und Cork gab es mehrere private Sektionszentren sowie universitäre Einrichtungen, die seit dem Anfang des 18. Jahrhundert existierten.

299 ein Körper angefordert, so bekam der Pförtner des Arbeitshauses die Anweisung das Tor unverschlossen zu lassen, damit ein Angestellter der Universität den Verstorbenen abholen konnte. Nach Aussagen des Pförtners geschah dieses in der Regel gegen zehn oder elf Uhr nachts945. Waren mehr als ein Sarg in der Leichenhalle des Arbeitshauses, so war derjenige, der zur Sektion gehen sollte, mit einem Stein auf dem Deckel gekennzeichnet und unverschlossen, während die anderen Särge verschlossen waren946. Das war eine Vorsichtsmaßnahme, die der Leiter des Arbeitshauses angeordnet hatte, um Verwechslungen zu vermeiden. Nach der Sektion wurden die Überreste in einem Armengrab beigesetzt.

Seit wann gab es eine Kooperation zwischen dem Arbeitshaus von Galway und dem Fachbereich Anatomie der Universität? Die Protokollbücher des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway machen dazu keine genauen Angaben. Das Sektionsbuch der Medical School ist erst seit dem Jahr 1878 erhalten947. Der Galway Vindicator berichtet in einem Artikel aus dem Jahr 1878, dass „from its [the Anatomy School] establishment in 1849 it is doubtless that the Anatomy School received bodies for dissection from the Galway Workhouse“948. Im Jahr 1866 findet sich eine Notiz im Protokollbuch über den einstimmigen Beschluß der Mitglieder des Aufsichtsgremiums, dass der Leiter des Arbeitshauses „required to see that all paupers that die in the workhouse that are not claimed by their friends, shall be properly interred, and that he [the Master] shall be personally responsible that such be the case”949. Zwei Jahre später gibt es “certain reports in circulation respecting the interment of deceased paupers”950, woraufhin die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway ein Komitee einzurichten planten, welches „to ascertain if the unclaimed bodies of deceased paupers receive becoming Christian treatment and burial.951“ Zu einer öffentlichen Diskussion in Galway über eine Zusammenarbeit des Arbeitshauses

945 Galway Vindicator 3.4.1878. 946 Ebenda. 947 Das Sektionsbuch aus dem Jahr 1878 befindet sich im Anatomie Department der NUIGalway und wird auch heute noch als solches verwendet. Dankenswerterweise stellte mir der Fachbereich Anatomie Kopien der Einträge aus den Zeiträumen 1878 bis 1921 zur Verfügung. 948 Galway Vindicator 2.4.1878. 949 Galway Minute Book 27.4.1866. 950 Galway Minute Book 17.1.1868. 951 Galway Minute Book 17.1.1868.

300 mit der medizinischen Fakultät kam es durch den sogenannten „Galway Workhouse Scandal“ im Jahr 1878. Während der darauf folgenden Untersuchung berichtete der Leiter des Arbeitshauses, dass er im Jahr 1868 eine Anweisung des Poor Law Inspectors Dr. Brodie erhalten hatte „to hand over the unclaimed bodies to the medical school at the College, on condition that proper regulations should be made to ensure the decent interment of the remains“952. Weiterhin sei der Leiter des Arbeitshauses darauf hingewiesen worden “not attempt to do battle with an Act of Parliament“953. Der Vertreter der zentralen Behörde, Dr. Brodie, gab während der Untersuchung 1878 an, dass er 1868 ebenfalls gegen die Vorgaben des Anatomy Act gewesen sei, doch der damalige Anatomie-Professor, Dr. Cleland, habe sich an die zentrale Behörde in Dublin gewandt. Die Poor Law Commission habe Dr. Brodie daraufhin die Anweisung gegeben, dass „as I valued my place I should cease to oppose the [Anatomy] Act954“ und er habe den Leiter des Arbeitshauses von Galway angewiesen, dem Anatomie Gesetz von 1832 Folge zu leisten. Der Leiter des Arbeitshauses erwähnt außerdem das Komitee von 1868, welches die christliche Beerdigung der unclaimed bodies untersuchen sollte und welches sich für eine Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Anatomie ausgesprochen hätte, worüber allerdings keine Notiz im Protokollbuch verfasst worden sei955 und auch die lokalen Zeitungen berichten davon nichts. Nur einen Monat nachdem das Komitee eingerichtet worden war, im Februar 1868, gab es eine Untersuchung durch die zentrale Behörde wegen einer Sektion eines Arbeitshausinsassen, die durchgeführt wurde, obwohl es Angehörige gab, die den Toten beerdigen wollten956. Ein Bruder des Verstorbenen hatte den Arzt des Arbeitshauses Dr. John Cleland, der auch zugleich den Lehrstuhl für Anatomie in Galway innehatte, deswegen bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Die Klage wurde nach einem Monat abgewiesen. Die parallel stattfindende Untersuchung der zentralen Behörde kam zu dem Ergebnis, dass der Arzt des Arbeitshauses „intent

952 Galway Vindicator, 3.4.1878. 953 Ebenda. 954 Galway Express, 6.4.1878. 955 Galway Vindicator 3.4.1878. 956 Galway Minute Book 14.2.1868.

301 to carry out a cause of death rather than dissecting the body for the purpose of teaching anatomy957“.

Der „Galway Workhouse Scandal“ von 1878 wurde ausgelöst durch die Tochter einer verstorbenen Patientin des Arbeitshauskrankenhauses von Galway, die auf dem Friedhof beschloss, einen letzten Blick auf ihre Mutter zu werfen. In dem Sarg befand sich jedoch lediglich „a bundle of some disgusting matter“958. Der katholische Priester des Arbeitshauses, der die Beisetzung vornahm, berichtete dieses sofort an die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung, die daraufhin eine Untersuchung einleiteten959. Zudem informierte der Arbeitshausgeistliche den Bischof John MacEvilly, der daraufhin das Interdikt über das Arbeitshaus verhängte „until adequate reparation is made for the shocking outrage…an outrage which everyone will pronounce to be disgraceful to humanity, putting religion out of the question“960. Die Untersuchung der Guardians ergab, dass an dem betreffenden Tag zwei Frauen im Arbeitshaus verstorben waren. In beiden Fällen konnten Angehörige ausfindig gemacht werden. Im einen Fall machte sich die Tochter der Verstorbenen auf den Weg zum Arbeitshaus, um die Beerdigung ihrer Mutter zu arrangieren. Im anderen Fall äußerten die Angehörigen, dass „they had no call in the matter“961 und dass das Arbeitshauspersonal sich um die Beisetzung kümmern solle, so dass in diesem Fall die Verstorbene als „unclaimed body“ galt und die Anatomie Schule in Galway verständigt wurde. Als ein Angestellter der Universität die Verstorbene abholen wollte, verwechselte er die Leichen und nahm die falsche Tote zur Sektion mit. Der Fachbereich Anatomie und der Leiter des Arbeitshauses hatten die Vereinbarung getroffen, dass für jede Leiche, die zur Sektion abgeholt wurde, ein bereits sezierter Körper zurückgebracht wurde, der dann vom Arbeitshaus in einem Armengrab beigesetzt wurde. Als der Leiter des Arbeitshauses am Morgen

957 Galway Minute Book 6.3.1868. 958 Galway Vindicator 30.3.1878. 959 Galway Minute Book 22.3.1878 und Brief des katholischen Arbeitshausgeistlichen an die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung, abgedruckt in: Galway Vindicator 30.3.1878. 960 Brief des katholischen Bischofs von Galway an den Priester des Arbeitshauses, der diesen an das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung weiterleitete, abgedruckt in: Galway Express, 30.3.1878. Das Interdikt wurde nach dem Ende der Untersuchungen im Mai 1878 wieder aufgehoben. 961 Galway Vindicator 3.4.1878.

302 bemerkte, dass der falsche Körper zur Sektion geschickt worden war, entschied er „to let the remains go away then962“. Nach der Aufdeckung des „Skandals“ veranlasste der Anatomieprofessor, dass die Verstorbene, die sich noch in der Anatomie befand, an die Tochter zur Beerdigung übergeben wurde. Die Untersuchung ergab, dass der Leiter des Arbeitshauses „has for years back been in the habit of handing over the unclaimed bodies of paupers, dying in the workhouse to the Dissecting House of the Queen`s College.963” Der Leiter des Arbeitshauses, J F Lynch, war seit 1864 in dieser Position in Galway tätig und blieb dort bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1887. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung behaupteten während der Untersuchung, dass sie nichts von den Geschehnissen gewusst hätten. Das erscheint jedoch zweifelhaft. 33 Mitglieder des Aufsichtsgremiums im Jahr 1878 waren dort auch schon 1866 oder 1868 vertreten gewesen, den beiden Jahren, in denen schon einmal über die Kooperation des Arbeitshauses mit der medizinischen Fakultät der Universität geredet wurde. Zudem war im Jahr 1878 auch Dr. James V Browne Mitglied im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung, der von der Eröffnung des Arbeitshauses bis 1862 dort als Arbeitshausarzt tätig gewesen war. Seit 1849 hatte Browne ebenfalls eine Professur an der medizinischen Fakultät Galways inne. Dessen beide Nachfolger als Arbeitshausarzt, Dr. Croker-King (1862-63) und Dr. John Cleland (1863-1877), hatten den Lehrstuhl für Anatomie in Galway inne. Bevor Dr. Croker-King nach Galway kam, war er in Dublin ein bekannter Anatom, der am Trinity College Dublin tätig gewesen war964. John Cleland veröffentlichte mehrere Anatomielehrbücher und während seiner Tätigkeit als Professor in Galway stieg die Zahl der Anatomievorlesungen stark an965. In den Semestern 1862-63 nahmen insgesamt 65 Studenten an Anatomieübungen teil, die aus 84 Einheiten bestanden966. Im Jahr 1876-77 war die Zahl der praktischen Anatomieübungen auf 136 Einheiten gestiegen, die von durchschnittlich 66

962 Ebenda. 963 Ebenda. 964 Murray, "Queens College Galway and Its Medical School," S. 119. 965 Dieses kann man aus den Jahresberichten des Präsidenten des Queen`s College Galway entnehmen. Siehe dazu: Reports of the President of QCG, for the sessions 1862-1878, Dublin 1863-1879, in: NUIG James Hardiman Library, Special Collections. 966 Report of the President of QCG, for the session 1862-63, Dublin 1863.

303 Studenten besucht wurden967. 1877 nahm Cleland einen Ruf an die Universität von Glasgow an. Sein Nachfolger wurde Joseph P Pye, der die Professur für Anatomie bis 1920 innehatte. In seinem ersten Jahr als Professor in Galway besuchten durchschnittlich 100 Studenten die Anatomievorlesungen968. In seinem ersten Jahresbericht betonte Pye, dass „Lectures on Anatomy were delivered on five days in each week during the Medical Session of 1877-78, extending over a period of six months. Dissections – under the superintendence of the Professor and Demonstrator – were carried on in the Practical Rooms from 9 o`clock am till half past 4 pm, daily, during the same period.969”

Die lokale und überregionale Presse berichtete während der gesamten Untersuchung detailliert über den Fall und die Öffentlichkeit zeigte ein starkes Interesse an dem von der Presse betiteltem „Galway Workhouse Scandal“. Eine Vielzahl von Leserbriefen zu dem Thema findet sich in den lokalen Zeitungen abgedruckt. Der Inhalt beschäftigte sich zum einen mit dem Nutzen für die Wissenschaft und medizinische Forschung, zum anderen mit einer christlichen, würdigen Behandlung der Armen970. Es gibt keine direkten Reaktionen von Armen auf diesen „Skandal“, die überliefert sind971. Allerdings berichtet der katholische Geistliche des Arbeitshauses, dass „this matter had created a considerable feeling amongst the people in the neighbourhood972“ und er habe Arme getroffen, die “absolutely refused to go into the hospital, and preferred to remain in their own wretched homes“973. Die Ereignisse von 1878 hatten aber keine Auswirkungen auf die Patientenzahlen des Arbeitshauskrankenhauses, denn ein Abfall der Zahlen ist nach der Aufdeckung des sogenannten „Workhouse Scandals“ nicht feststellbar.

Der katholische Priester sagt aber auch, dass es in Galway schon lange vor 1878 Gerüchte unter den Einwohnern gegeben habe, dass Tote aus dem Arbeitshaus

967 Report of the President of QCG, for the session 1876-77, Dublin 1878, S. 7f.. 968 Report of the President of QCG, for the session 1877-78, Dublin 1879, S. 7. 969 Report of Professor Pye, in: Report of the President of QCG, for the session 1877-78, Dublin 1879, S. 23. 970 Galway Express, 6.4.1878. 971 Allgemein siehe dazu Richardson, Death, Dissection and the Destitute, S. 280; Julie-Marie Strange, Only A Pauper Whom Nobody Owns: Reassessing the Pauper Grave c. 1880-1914, in: Past and Present 178 (1), S. 148ff.; Hurren, King, "begging for a burial": form, function and conflict in nineteenth-century pauper burial, S. 321ff.. 972 Galway Vindicator, 3.4.1878. 973 Ebenda. 304 oder vom Friedhof des Arbeitshauses an die Anatomie weitergegeben worden seien974.

Die Ermittlungen der Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung ergaben, dass der Körper der Frau illegal an die Anatomy School weitergeben wurde. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway entschieden aber: „to draw the attention of the Public to that act which affords every protection to inmates of the House, or those seeking relief in the Hospital of the House by enabling them specially to prevent by merely notifying their wish that they should be interred if they should die straight from the House, thereby effectually preventing any interference with their bodies after death. We do not however think that it would be desirable to entirely ignore the benefits that are conferred on humanity by precluding the Medical School from obtaining subjects from the House of those bodies unclaimed, and we recommend most stringent regulations should be made openly to prevent any recurrence of irregularities by making the Master responsible for the proper interment of any unclaimed pauper body which may have been, with the occurrence of the Guardians given for the good of science to the school of Anatomy.975”

Das Verhalten der Mitglieder des Aufsichtsgremiums wurde stark in der Öffentlichkeit diskutiert, wie Leserbriefe in den Zeitungen bezeugen, auch überregionale Zeitungen berichteten darüber. Auch innerhalb des Aufsichtsgremiums gab es in den Wochen nach der obigen Entscheidung starke Auseinandersetzungen, ob man die Zusammenarbeit mit der Universität fortsetzen solle oder nicht. Am 6. April 1878 erhielten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway beispielsweise einen Brief eines katholischen Priesters aus dem Umland von Galway, der sie darum bat, besonders auf zwei ältere Arme, die sich im Arbeitshaus befanden, zu achten, da sie keine Angehörigen hätten. Würden die Armen im Arbeitshaus sterben, so sollten die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung dafür sorgen, dass beide Armen ein christliches Begräbnis erhielten, so der Priester, und nicht „as the old

974 Galway Vindicator 3.4.1878: “The Catholic Chaplain said that a sort of feeling had been amongst the people that bodies were removed from the hospital, but they never knew what was the actual practice” und Galway Express 6.4.1878: “long before the Workhouse Scandal happened there were rumours in Galway that the bodies for the College were taken from Bushy Park [dem Armenfriedhof] but the Workhouse Scandal made public that they are supplied from this house [dem Arbeitshaus].” 975 Galway Minute Book 5.4.1878. 305 carcases of horses, handed over to the master of foxhounds to be devoured by his pack, for the amusement of the hunting gentlemen of the locality“976. Aufgrund des starken öffentlichen Interesses entschieden die Galway Guardians im Mai 1878, dass „no remains be permitted to be removed to the dissecting school of the Queen`s College“977 und brachen so jede Übereinkunft mit dem Fachbereich Anatomie ab.

Personelle Folgen hatte der Skandal kaum. Die einzige Person, die ihre Anstellung verlor, war der Angestellte der Universität, der die Körper verwechselt hatte und der im Mai 1878 um Aufnahme in das Arbeitshaus ersuchte978. Das Krankenhaus des Arbeitshauses wurde weiterhin für die praktische medizinische Ausbildung der Studenten genutzt. Für den Fachbereich Anatomie waren die Folgen allerdings schwerwiegend. Nachdem die Kooperation mit dem Arbeitshaus von Galway endete, gelang es dem Professor für Anatomie ein halbes Jahr nicht, Körper für Sektionen zu bekommen979. Erst im Oktober 1878 finden sich wieder Einträge im Sektionsbuch der Universität von Körpern aus der North und South Dublin Poor Law Union. Nachdem das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway Anfang Mai das Ende jeglicher Zusammenarbeit beschlossen hatte, stellte Professor Pye im selben Monat einen Antrag an das College Council auf die Gewährung von Geldern um Absprachen mit anderen Orten treffen zu können980. Ihm wurde eine Summe von 50₤ bewilligt „to enable him [Professor Pye] to make such arrangements as may be necessary for carrying on the work of the Anatomical School during the Session 1878/79“981. Im August 1878 legte Professor Pye dem Präsidenten der Universität von Galway einen Bericht vor, indem er schrieb, dass „unless it be possible, within the next two months, to alter the position in which that Department is now placed, no instruction in Practical Anatomy can be given during the next Session. For the working of this class it is absolutely necessary that a supply of dead bodies be provided for Anatomical

976 Abgedruckt in: Galway Express 13.4.1878. 977 Galway Minute Book 5.5.1878. 978 Galway Express 18.5.1878. 979 Im Bericht von Professor Pye aus dem Jahr 1877/78 können wir lesen, dass „Towards the close of the Session difficulties in providing a supply of subjects for anatomical study occured.”, in: Report of Professor Pye, in: Report of the President of QCG, for the session 1877/78, Dublin 1879, S. 23. 980 Minutes of the University Meetings, College Council, NUIG Archives, 25.5.1878. 981 Ebenda.

306 examination. This supply has been in Galway – as in every town where a medical school exists – drawn from the Galway Union Workhouse; the Anatomy Act authorizing the delivery of unclaimed bodies for dissection.982” In dem Bericht findet sich also ein klarer Hinweis darauf, dass das Arbeitshaus von Galway schon seit der Gründung des Fachbereichs Anatomie mit diesem zusammenarbeitete. Zudem gibt es keine Darlegungen von Anatomieprofessoren vor 1878, die Schwierigkeiten in der Beschaffung von Leichen zur Sektion erwähnen. Pye fragte zunächst bei anderen Anatomie-Instituten in Dublin, Cork, Belfast und Glasgow an, konnte mit ihnen jedoch keine Übereinkunft treffen983. Eine Anfrage an die Poor Law Unions von Dublin vermied Pye zunächst mit der Begründung, dass „it might seriously imperil the interests of the Dublin Schools.984“ Im Oktober 1878 vermeldete Pye dem College Council schließlich, dass er „had entered into an arrangement with the Professors of the School of Surgery of the Royal College of Surgeons, Ireland, by which the efficient working of the Anatomical School of the College would be secured, and that the carrying out of the details would involve considerable expense.985“ Seit diesem Zeitpunkt bis 1920 listen alle Herkunftseinträge der Leichen im Sektionsbuch ausschließlich verschiedene Institute mit Sitz in Dublin auf986. Hierbei spielte sicherlich die Tatsache eine Rolle, dass zwischen Dublin und Galway regelmässige Zugverbindungen existierten, die einen gut zu organisierenden, relativ zügigen Transport der Leichen möglich machten. Allerdings gibt es auch Einträge, die keine Ortsangabe enthalten. Im Dezember 1920 und im Jahr 1921 erhielt der Fachbereich Anatomie drei Leichen aus dem Krankenhaus des Arbeitshauses von Galway. Gegen Ende der Existenz der Arbeitshäuser findet sich also erneut eine Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Anatomie in Galway dokumentiert. Die Protokollbücher der Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung enthalten hierzu jedoch keine Informationen. In den Quellen finden sich keine Hinweise darauf, dass andere Arbeitshäuser in der Grafschaft Galway derartige Absprachen mit Anatomie-

982 Minutes of the University Meetings, College Council, NUIG Archives, 3.8.1878. 983 Minutes of the University Meetings, College Council, NUIG Archives, 3. und 9.8.1878. 984 Minutes of the University Meetings, College Council, NUIG Archives, 3.8.1878. 985 Minutes of the University Meetings, College Council, NUIG Archives, 14.10.1878. 986 Die Dubliner Einrichtungen waren: North and South Dublin Unions, Richmond Lunatic Asylum, Royal College of Surgeons in Ireland, University College Dublin.

307 Instituten trafen. Hierbei spielt sicherlich der schwierige Transport eine große Rolle.

Das Krankenhaus des Arbeitshauses von Gort war wesentlich kleiner als in Galway. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es durchschnittlich etwa 130 Patienten pro Jahr, die im Arbeitshauskrankenhaus von Gort behandelt wurden987. Allerdings nahm das Krankenhaus auch in Gort einen wichtigen Stellenwert ein. Dies bezeugt die heftige Diskussion, die es um eine geplante Zusammenlegung von Gort und Loughrea im Jahr 1917 gab988. Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Gort wollten einer Zusammenlegung mit Loughrea nur unter der Bedingung zustimmen, dass „some arrangement can be made whereby an Hospital is maintained in Gort under the management of the amalgamated Board, or a Committee thereof.989“ Auf Druck der Steuerzahler der Union wandelte sich die Meinung des Aufsichtsgremiums jedoch und man kam zu dem Entschluss, dass „the abolition of the Hospitals would be a serious loss and inconvenience to the sick poor, that the cost of the upkeep of such Hospitals, if retained, would consume the estimated savings in the rates, that there would be a probability of the rates being struck without due regard to the interests of the Gort portion of the Union”990 und von einer Verschmelzung beider Unions wurde abgesehen.

Da viele Verwaltungseinrichtungen und auch medizinische Institutionen in der Stadt Galway lagen, waren im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort viel weniger Mitglieder in anderen lokalen Verwaltungseinrichtungen tätig als es im Galway Board of Guardians der Fall war. Viele Mitglieder beider Boards, vor allem Angehörige des Landadels, aber auch der städtischen Elite, waren in den ersten Jahrzehnten der Existenz der Armengesetzgebung in privaten philantropischen

987 Tuam News, 3.4.1896, S. 3. 988 Siehe dazu das Kapitel Einfluss der Steuerzahler. 989 Gort Minute Book, 14.4.1917. 990 Gort Minute Book, 13.10.1917.

308 Organisationen tätig991. Die Rolle, die das Arbeitshaus im medizinischen Bereich spielte, war sehr wichtig für die Region und die Versorgung der Armen. Die Ereignisse aus Galway zeigen jedoch auch, dass die enge Vernetzung des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung mit medizinischen Institutionen dazu führen konnten, dass die Armen, die Aufnahme im Arbeitshaus suchten, als medizinische Forschungsobjekte missbraucht werden konnten.

991 Die Namen dieser Mitglieder tauchen regelmässig im Untersuchungszeitraum in den Teilnehmer- und/oder Spenderlisten der lokalen Zeitungen auf.

309 6. Schlussbetrachtung, Ergebnisse, Zusammenfassung

Gegenstand dieser Arbeit waren die kommunalen Armenfürsorgekomitees von zwei Poor Law Unions in Westirland im gesamten Zeitraum ihres Bestehens von 1838 bis 1921. Das Ziel war die Untersuchung des Zusammenhangs der Entwicklung von Armenadministration und lokaler Verwaltung in Galway und Gort in diesem Zeitraum. Methodisch kombinierte die Arbeit dabei mikrohistorische und vergleichende Ansätze. Der mikrohistorische Ansatz ermöglichte Aussagen über das Funktionieren von Verwaltung auf der kommunalen Ebene. Durch den Vergleich konnten Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider kommunaler Armenfürsorgekomitees herausgearbeitet werden.

Durch die Einführung des irischen Armengesetzes von 1838 wurde eine völlig neue Form lokaler Verwaltung in Irland geschaffen. Wie im englischen New Poor Law von 1834 standen auch in Irland die Arbeitshäuser im Zentrum der Regelungen, in die jeder Arme, wenn er Unterstützung bekommen wollte, gehen musste. Die Arbeitshäuser sollten als „test of destitution“ die Ausnützung des Systems verhindern. Den Arbeitshausinsassen sollte es schlechter gehen als dem „unabhängigen Arbeiter“ außerhalb desselben („less eligibility“), um dem Missbrauch des Arbeitshaussystems vorzubeugen und gleichzeitig für die sogenannten „able-bodied poor“ einen Stimulus darzustellen sich außerhalb des Arbeitshauses eine Tätigkeit zu suchen. Diese Sichtweise fasste Armut als eine „willentliche“ und daher auch umkehrbare Bedingung auf. Da die lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen allein die Finanzierung der Armenunterstützung durch eine lokale Besitzsteuer aufzubringen hatten, bestimmten finanzielle Schwierigkeiten die Tätigkeiten beider untersuchter Boards im 19. Jahrhundert. Diese finanziellen Nöte führten zu einer Reihe von Konflikten mit der zentralen Behörde in Dublin, der Poor Law Commission, beziehungsweise dem Local Government Board. Die Analyse der überlieferten Quellen, insbesondere der Protokollbücher der beiden Untersuchungsgebiete und der lokalen Zeitungen, ließen einen detaillierten Blick auf die Verwaltungspraxis von Galway und Gort zu.

310 In beiden Untersuchungsgebieten gab es kaum Industrie. Gort war in seiner Beschäftigungsstruktur überwiegend landwirtschaftlich geprägt. In Galway bestimmte vor allem der Handel das wirtschaftliche Leben. Zudem bildete Galway das administrative und kommerzielle Zentrum der gleichnamigen Grafschaft und war Universitätssitz.

Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung von Galway und Gort übernahmen schon bald nach der Einführung des irischen Armengesetzes 1838 eine Reihe von verschiedenen Aufgaben, die besonders im medizinischen Bereich und in der öffentlichen Gesundheit über die eigentliche Armenverwaltung hinausgingen. Die lokalen Armenverwaltungen erfüllten eine Reihe von Rollen: Sie waren „an instrument of local democracy, a provider of services, an agent of central government, a local regulator“992.

Im Verlauf des Untersuchungszeitraums nahmen die Verantwortungsbereiche auf lokaler Ebene für die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung stark zu und konzentrierten sich bis 1898 auch im wesentlichen auf diese kommunalen Armenfürsorgekomitees.

Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltungen konstituierten sich aus den Reihen der Armensteuerzahler. Die Steuerzahler beider Untersuchungsgebiete besaßen durchaus Möglichkeiten, um auf das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung Einfluss nehmen zu können. Sie konnten durch ihre Wahl über die Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums mitentscheiden, sie waren zumindest im medizinischen Bereich direkt an der Arbeit der Armenadministration beteiligt und kommunizierten auf verschiedenen Ebenen und Wegen mit der kommunalen Armenfürsorge. Die jährlichen Wahlen waren keinesfalls die einzige Möglichkeit, bei der die Steuerzahler ihre Meinung artikulierten. Sie kommunizierten regelmäßig mit den Aufsichtsgremien und äußerten vielfach ihre Ansichten.

992 Callanan and Keogan, Local Government in Ireland. Inside Out S. 4-5.

311 Die Untersuchung der biographischen Eckdaten der Mitglieder der beiden Poor Law Boards zeigte, dass diese bis in die 1880er Jahre von Angehörigen des Landadels und ihrer Vertreter sowie in Galway von Angehörigen der führenden Kaufmannsfamilien geprägt waren. Die irische Armengesetzgebung mit ihrer flächendeckenden Einrichtung einer völlig neuen Form lokaler Verwaltung und deren Konstitution diente der Durchsetzung und Sicherung der Herrschaft Englands über Irland mittels dieser Elitenschicht. Institutionelle Regelungen, wie die enge Anbindung und Kontrolle der lokalen Armenverwaltungen an eine zentrale Behörde in Dublin, forcierten dieses weiterhin. Auch das Wahlrecht bevorzugte diese Elitenschicht deutlich. Das begann sich ab der Mitte der 1880er Jahre aufzulösen, als vermehrt Farmer und kleinere Ladenbesitzer, aber auch andere Berufsgruppen, wie Handwerker, in die Aufsichtsgremien gewählt wurden. Dabei traten beim Vergleich von Gort und Galway deutliche Unterschiede zu tage. In Gort gelang es zu Beginn der 1880er Jahre mittleren und kleineren Farmern, einen Wechsel in der sozialen Zusammensetzung herbeizuführen, während das in Galway bis in die 1890er Jahre nicht der Fall war. Nach 1899 setzte sich das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung in Galway vorwiegend aus Farmern und Ladenbesitzern zusammen. Es waren aber immer noch vereinzelt Landbesitzer und Angehörige der mächtigen Kaufmannsfamilien aus Galway vertreten.

Die Amtsdauer der Mitglieder beider Boards war im Durchschnitt sehr lang. Besonders in den ersten Jahrzehnten nach Einführung des irischen Armengesetzes gab es kaum Wettbewerbe um die zur Verfügung stehenden Plätze, so dass der personelle Wandel relativ gering war. Das zeigt sich auch in den Ämtern des Vorsitzenden und seiner zwei Stellvertreter. Zudem waren viele Mitglieder durch verwandtschaftliche oder berufliche Beziehungen verknüpft.

Dokumentierte religiöse Auseinandersetzungen gab es im Untersuchungszeitraum relativ selten. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass etwa die Vorsitzenden in Galway (bis auf eine Ausnahme) immer Katholiken waren und auch viele

312 Mitglieder katholisch waren. Allerdings zeigen die dokumentierten Auseinandersetzungen in Galway, dass die Religion stellvertretend für eine prinzipielle Auseinandersetzung mit der protestantischen britischen Herrschaft und ihrer Politik angesehen werden muss.

Das Verhältnis lokaler und zentraler Administration kann als von Konflikten geprägt angesehen werden. Der allergrößte Teil der Finanzierung der Armenunterstützung wurde von lokalen Kräften getragen, die Ebene der Kontrolle und Entscheidungen lag jedoch weitgehend bei den zentralen Organen. Zwar erlaubte der Irish Poor Law Act von 1838 der zentralen Behörde nicht, Einzelfallentscheidungen zu treffen, doch wurden sie mit umfassenden Kontrollbefugnissen ausgestattet. Dabei konnten sich die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung in vielen Fällen weder in Anliegen die grundsätzliche Verwaltung der Armenunterstützung betreffend, wie etwa einer Veränderung in der Erhebung der Armensteuer, durchsetzen, noch bei Fragen, in denen es um Angestellte der Union ging. Allerdings fanden die kommunalen Armenfürsorgeeinrichtungen durchaus Wege, um ihre Entscheidungen durchzusetzen. Hierzu zählte etwa der Informationsentzug gegenüber der zentralen Behörde oder der Aufbau alternativer Kommunikationswege.

Nach der Einführung der irischen Armengesetzgebung 1838 mussten beide untersuchte Aufsichtsgremien der Armenverwaltung erst Routine in der Erledigung ihrer Aufgaben bekommen, zu denen in der folgenden Zeit immer neue Zuständigkeitsbereiche hinzu kamen und sie mussten lernen, mit weiteren Anforderungen zurechtzukommen. Das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Galway professionalisierte seine Arbeitsweise dabei schneller als das Board in Gort. In Galway hatten allerdings viele Mitglieder bereits Erfahrung in anderen lokalen Verwaltungseinrichtungen vorzuweisen, wie etwa der Grand Jury of the County of the Town oder der Town Commission, wohingegen das Board of Guardians in Gort die einzige Form lokaler Verwaltung bildete.

313 Seit den 1880er Jahren fand eine Ausweitung des Themenspektrums über die eigentliche Armenverwaltung hinaus statt. Zunehmend wurden nationale politische Entwicklungen in den Boards diskutiert und beeinflussten deren Arbeitsweise. Dieses verlief jedoch keineswegs in jedem Board gleich.

Die Politisierung der Board of Guardians setzte einen Demokratisierungsprozess in der lokalen Verwaltung in Gang, der nicht erst mit dem Local Government Act von 1898 begann, sondern schon in den 1880er Jahren. Im Zuge der Forderung nach Selbstverwaltung und der Auseinandersetzungen um die Landfrage begann sich die Zusammensetzung in den lokalen Aufsichtsgremien der Armenverwaltung zu ändern. Dieses verlief jedoch nicht in jedem Board of Guardians gleich und kann auch nicht als ein linearer Prozess angesehen werden, wie es Feingold in seiner Untersuchung darstellt. In dem ländlichen Untersuchungsgebiet, der Gort Poor Law Union, gelang es den Nationalisten bereits 1882, dauerhaft das Aufsichtsgremium der Armenverwaltung zu dominieren. Nachfolgende Auseinandersetzungen um Plätze in dem Aufsichtsgremium der Armenverwaltung von Gort geschahen vorwiegend durch Wettbewerbe nationalistischer Personen untereinander. Unabhängige Kandidaten standen dabei den Anwärtern, die von der Pächtervereinigung unterstützt wurden, entgegen, die sich in vielen Fällen auch durchsetzten. Die Landfrage war das dominierende politische Thema in diesem Untersuchungsgebiet und die Pächtervereinigung, beziehungsweise die Nachfolgeorganisation National League, übte einen starken Einfluss aus. Die großen Landbesitzer und ihre Vertreter verhielten sich völlig passiv und setzten den Nationalisten keinerlei Widerstand entgegen. Nationalistische Anwärter in Galway wurden nicht von einem starken Engagement der Pächtervereinigung begleitet, die die Kandidaten für die Aufsichtsgremien in Gort finanziell und organisatorisch unterstützte.

314 In dem eher städtischen Untersuchungsgebiet, der Galway Union, sah der Verlauf anders aus. Bis in die 1890er Jahre gelang es den Nationalisten nicht, eine Mehrheit in der Armenverwaltung zu erlangen. Das hatte mehrere Gründe:

Die stärkere Präsenz der ex-officio Mitglieder verhinderte eine Übernahme der Ämter des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter durch nationalistische Mitglieder bis 1893. Der Widerstand von konservativ-unionistischen Mitgliedern war in Galway ungleich stärker als in Gort. Für die Beibehaltung der Union mit Großbritannien waren nicht nur große Landbesitzer, sondern auch mächtige Kaufleute, die sich in der Union größere wirtschaftliche Vorteile versprachen. Die konservativ-unionistischen Mitglieder hatten in der Stadt weniger Drohungen oder gewalttätige Aktionen zu befürchten, als auf dem Land. Im Aufsichtsgremium von Galway war das vorherrschende politische Thema auch nicht die Auseinandersetzungen um die Landfrage, sondern die Forderung nach Selbstverwaltung in Irland. In Galway traten die meisten nationalistischen Kandidaten unabhängig bei den Wahlen an. Anwärter, die von der Pächtervereinigung unterstützt wurden, gab es weniger und sie konnten sich in vielen Fällen auch nicht durchsetzen. Das bedeutete, dass die unabhängigen nationalistischen Kandidaten keine finanzielle oder organisatorische Unterstützung beim Wahlkampf oder als Mitglieder erfuhren, wie es etwa die Pächtervereinigung in Gort bot. Es gab in Galway keine Absprachen unter den Nationalisten, wer in welchem Bezirk antreten würde. In Gort legte die Pächtervereinigung vorher fest, welche Kandidaten sie entsenden würde. In Galway konkurrierten oft sechs oder mehr nationalistische Anwärter um einen Platz im Aufsichtsgremium der Armenverwaltung, so dass sich die Stimmenanteile bei den Wahlen oft viel stärker auf mehrere Kandidaten verteilten und es kaum klare Mehrheiten gab. Gab es dann nur einen konservativ-unionistischen Gegenkandidaten, konzentrierte er dagegen alle Gegenstimmen auf sich allein.

Die Auseinandersetzungen um die Landfrage waren in Gort auch viel stärker als in Galway. Ein wirklicher Wechsel in der Zusammensetzung der Armenverwaltung von Galway setzte erst ab 1899 ein, nachdem der Local Government Act des vorherigen Jahres die ex-officio Mitgliedschaft abgeschafft hatte. Doch auch nach diesem Zeitraum machte der Anteil konservativ-unionistischer Mitglieder etwa ein

315 Drittel der Gesamtmitglieder aus, und Diskussionen um politische Themen gab es auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder.

Die Auffassung der Mitglieder der Aufsichtsgremien der Armenverwaltung, die sich bis in die 1880er Jahre geschlossen vorwiegend als „Repräsentanten der Steuerzahler“ sahen, wandelte sich seit dieser Zeit. Nationalistische Mitglieder sahen sich nun zunehmend als „Vertreter der irischen Nation“ und die Mitgliedschaft in der kommunalen Armenfürsorge wurde als ein Mittel angesehen, um politische Forderungen durchzusetzen. Zudem vertraten die Mitglieder auch eine andere Auffassung von Armut und dem Umgang mit derselben, was sich unter anderem in der breiteren Gewährung von Outdoor Relief äußerte. Eine besondere Bevorzugung für zwangsgeräumte Pächter ist dabei nicht erkennbar.

Die Methode des Vergleichs zeigte, dass die irische Armengesetzgebung zwar einen einheitlichen legalen und administrativen Rahmen schuf, jedoch individuelle Unterschiede und Voraussetzungen jeder Union entscheidend waren. Jede Poor Law Union arbeitete zum größten Teil selbständig und unabhängig von den übrigen kommunalen Armenfürsorgeeinrichtungen in Irland. Zwar gab es eine rege Kommunikation, eine Kooperation war jedoch relativ selten. Die untersuchten benachbarten Poor Law Unions Galway und Gort arbeiteten nicht zusammen. Die Kommunikation zwischen den Aufsichtsgremien orientierte sich eher nach Sachverhalten denn nach geographischer Nähe.

Die Mitglieder des Aufsichtsgremiums der Armenverwaltung von Galway waren mit anderen lokalen Verwaltungen verflochten. Es gab dabei im gesamten Untersuchungszeitraum häufig personelle Überschneidungen zwischen den verschiedenen lokalen Institutionen in Galway. Besonders eng war die Vernetzung im Bereich der medizinischen Institutionen von Galway. In Gort hingegen bildete

316 die kommunale Armenfürsorge die einzige Form lokaler Verwaltung. Somit waren in Gort weitaus weniger Mitglieder in andere Verwaltungseinrichtungen eingebunden, als in Galway.

Insgesamt hatten die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung einen entscheidenden Einfluß auf die Ausbildung einer lokalen Verwaltung insgesamt. Die kommunale Armenfürsorge war kaum der Hauptgrund für eine Mitgliedschaft in den Aufsichtsgremien, sondern vielmehr die Möglichkeit über nur eine Verwaltungsinstitution vielfältige lokale Entscheidungsbefugnisse ausüben zu können.

Dadurch, dass die Vermögensqualifikationen, die für eine Wählbarkeit erfüllt werden mussten, relativ moderat im Vergleich zu anderen Verwaltungsinstitutionen waren, ermöglichten sie Personen aus der katholischen Mittelschicht den Zugang zu einem Board, welches eine Vielzahl von administrativen Aufgaben aus den verschiedensten Bereichen erfüllte. In der Stadt standen die anderen existierenden Verwaltungseinrichtungen, wie die Grand Juries oder die Town Commission, aufgrund sehr hoher Vermögensqualifikationen nur einem sehr kleinen Kreis von Personen zur Verfügung. In Gort gab es keine anderen Verwaltungsinstitutionen, die sich vor Ort befanden. Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung dagegen boten die Möglichkeit, über eine Mitgliedschaft Kenntnisse und Fähigkeiten in der lokalen Verwaltung zu erlangen, auf die in einem selbstverwalteten Irland zurückgegriffen werden konnte. Die Aufsichtsgremien der Armenverwaltung sahen sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts als „Expertengremien“ an, die die lokalen Gegebenheiten detailliert kannten. Damit veränderte sich auch das Verhältnis zur zentralen Behörde. In Gort stellte man vermehrt die Autorität aus Dublin in Frage und forderte größere Zuständigkeiten, allerdings weitgehend erfolglos, da die zentrale Behörde immer noch das negative Sanktionsmittel einer Auflösung des Aufsichtsgremiums besass, was man nicht riskieren wollte. Zudem boten die Aufsichtsgremien für Nationalisten eine Plattform, über die sich politische Botschaften verbreiten liessen, was sich in einer Vielzahl von ein- und ausgehenden Schreiben politischen Inhalts zeigt.

317 7. Quellen- und Literaturverzeichnis

7.1 Quellen und zeitgenössische Literatur

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367 8. Abkürzungsverzeichnis

Bd Band

Bspw beispielsweise

Bzw beziehungsweise

Co County d Penny

ED Electoral Division

EHR English Historical Review

EW Einwohner

Fn Fußnote

HC House of Commons

IHS Irish Historical Studies

JP Justice of the Peace

Kg Kilogramm

LGB Local Government Board

MO Medical Officer

MP Member of Parliament

Mr Mister

Mrs Mistress

NAI National Archives Ireland

Nr Nummer

NUIG National University of Ireland, Galway o.ä. oder ähnliche

₤ Pfund Sterling

PLC Poor Law Commission

PRO Public Record Office 368 QCG Queen`s College Galway s Shilling

SFB Sonderforschungsbereich

TCD Trinity College Dublin u.a. und andere

UCD University College Dublin

UCG University College Galway

UIL United Irish League vgl vergleiche z.B. zum Beispiel

369