SWR2 Musikstunde Mit Ulla Zierau 12
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Musikstunde Gioacchino Rossini (2) Der Buffonist Von Ulla Zierau Sendung: 13. November 2018 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: 2015 SWR2 können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de, auf Mobilgeräten in der SWR2 App, oder als Podcast nachhören: Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2- Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de Die neue SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. 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Stendhal schrieb: „Rossini ist ein großer komischer Dichter, den man zur Gelehrsamkeit ebenso gezwungen hat, wie zur gelehrsamen Behandlung trauriger und ernsthafter Themen“. Stendhal hat es sehr bedauert, dass Rossini in Neapel nach der Bekanntschaft mit der Sopranistin Isabella Colbran, seiner späteren Frau, nur noch ernste Opern geschrieben hat und es gibt noch einen prominenten Befürworter von Rossinis komischem Talent – bevor wir den lüften, erstmal eine Parlando-Paradenummer, sicher eines der populärstes Stücke Rossinis. Mit rhythmischer Wucht betritt hier einer die Bühne, dem die Oper gehört, der die Strippen zieht, einer der sich von seiner Dienerrolle emanzipiert hat, der seinem Herrn sagt, wo es lang geht. Er strotzt nur so vor gesundem Selbstbewusstsein. Musik 1: Gioacchino Rossini: Der Barbier von Sevilla, Largo al factotum, Kavatine des Figaro Leo Nucci, Orchester des Theaters Bologna, Giuseppe Patané M0019498 012, Decca, 458118-2, 5’00 Leo Nucci, er badet regelrecht in der komischen Rolle des Figaro im “Barbier von Sevilla“, der Visitenkarte Rossinis, die ihm in Wien sogar den Weg zu Beethoven geebnet hat. Giuseppe Patané leitete das Orchester des Theaters Bologna. Von April bis Juli 1822 war Rossini, frisch vermählt mit Isabella Colbran, in Wien und verursachte dort mit seinen Opern einen wahren Rausch. Das Publikum war im Rossini-Fieber. Sogar Beethoven kannte den Barbier und so kam es zu der viel zitierten, ja denkwürdigen Begegnung dieser beiden Titanen, damals die berühmtesten Männer des Musiklebens. Rossini besuchte Beethoven und der soll ihn mit den Worten begrüßt haben: „Ah, Sie sind also Rossini, der Komponist des Barbier von Sevilla? Ich beglückwünsche Sie dazu; das ist eine ausgezeichnete komische Oper; ich habe sie mit Vergnügen gelesen und mich darüber gefreut. So lange es italienische Opernhäuser gibt, wird man sie spielen. Aber versuchen Sie nicht andere Dinge als komische Opern zu schreiben; in anderen Kunstgattungen Erfolge haben zu wollen, hieße Ihrem Schicksal Gewalt anzutun“, so der Ratschlag Beethovens. Und legendär sein Abschiedssatz: „Vor allem machen Sie noch viele Barbiere“ – einerseits sicher ein Kompliment, andererseits aber auch eine Missachtung aller anderen Werke Rossinis. Die Unterhaltung mit Beethoven dauerte nicht lange und muss mühsam gewesen sein. Der Komponist war fast völlig ertaubt, krank, zermürbt, sicher kein galanter Gastgeber. Gerade hatte er seine Klaviersonate op. 110 beendet, die Missa solemnis lag fast vollendet auf dem Schreibtisch, die Ideen zur neunten Sinfonie waren gefasst. Rossini, nach den Erfolgen seiner Opern inzwischen recht wohlhabend, äußerte sich anschließend erschüttert über Beethovens ärmliche Lebensumstände. Am liebsten hätte er mit einer großen Aktion den Kompositen finanziell unterstützt. Doch in der Wiener Gesellschaft stieß er damit nicht gerade auf Gegenliebe, Beethoven galt als wundersamer Kauz, als Außenseiter, dem nicht zu helfen war. 3 Und was machte Rossini aus Beethovens Aufforderung? Einen Barbier hat er nicht mehr geschrieben, das Dramma Giocosa, La Cenrentola, blieb Rossinis letzte italienische Oper mit komischen Elementen. Darin gibt es den aufgeblasenen Baron Don Magnifico, die schnatternden Töchter Clorinda und Tisebe und allerlei Situationskomik, aber eben auch das innige, einfühlsame Liebesduett zwischen Cenerentola und Ramiro, die beiden hat Rossini besonders ins Herz geschlossen. Musik 2 Giacchino Rossini: La Cenerentola, Duett Cenerentola - Ramiro, 1. Akt, Vesselina Kasarova, Juan Diego Florez, Tenor Münchner Rundfunkorchester / Friedrich Haider M0017698 002, RCA, 82876-51933-2, 7‘11 Vesselina Kasarova und Juan Diego Florez als Cenerentola und Ramiro in Rossinis Dramma giocoso „Das Aschenbrödel“. Friedrich Haider leitete das Münchner Rundfunkorchester. Ein italiensicher Musikkritiker hat in jüngerer Zeit den Charakter von Rossinis Musik einmal mit „spirito orgiastico“, was so viel bedeutet wie „überschäumender Geist“ und mit „allegrezza vitale“ beschrieben, also lebensvolle Fröhlichkeit, im Sinne von lustig und komisch, aber auch im Sinne einer Heiterkeit als ein Ausbruch von Lebensfreude, wie es ihn vermutlich zuvor auf der Opernbühne noch nie gegeben hatte. Im Barbier findet sich beides „spirito orgiastico“ und „allegrezza vitale“, also überschäumender Geist und lebensvolle Fröhlichkeit und Lebensfreude. Für viele ist der Barbier Rossinis gelungenste Oper, der Opernexperte Ulrich Schreiber nennt sie den ältesten Bestseller des Musiktheaters. Im Barbier also quillt diese Lebensfreude aus jedem Knopfloch, sprudelt sie nur so über, ob im berühmten Quintett oder im Finale, wo der Tumult in Bartolos Haus rund um sein hübsches Mündel Rosina in höchster Verwirrung endet. 4 „Mir scheint mein Kopf in einer furchtbaren Schmiede, darin ohne Einhalt vom dumpfen Amboss unseliger Lärm dröhnt“, heißt es da. Tatsächlich schlägt die Triangel unentwegt den Schlag auf den Amboss, sprühen die Funken, hämmert und hallt es – ja alle sind irgendwie dem Wahnsinn nahe. Musik 3 Gioacchino Rossini: Der Barbier von Sevilla, Finale 1. Akt Teresa Berganza, Luigi Alvi, Hermann Prey, Enzo Dara, Paolo Montarsolo, Ambrosian Opera Chorus, London Symphony Orchestra, Claudio Abbado M0042270 013, Deutsche Grammophon, 415695-2, 2‘42 Finale 1. Akt von Rossinis Barbier von Sevilla. Teresa Berganza, Luigi Alvi, Hermann Prey, Enzo Dara, Paolo Montarsolo, der Ambrosian Opera Chorus und das London Symphony Orchestra unter der Leitung von Claudio Abbado. Das Libretto zum Barbier ist Rossinis bestes Buffa-Buch. Das liegt einmal an der hochwertigen literarischen Vorlage, dem ersten Teil der Figaro Trilogie von Beaumarchais, deren zweiten Teil ja Mozart und Da Ponte vergoldet haben, aber auch an der guten Umsetzung des Librettisten Cesare Sterbini. An die Zusammenarbeit zwischen Mozart und da Ponte reicht das Duo sicher nicht heran, Rossini behauptete: Während er selbst und andere Italiener nur „opere buffe“ gemacht hätten, seien Mozart wahre Werke des Dramma giocoso gelungen. Aber dennoch arbeitete Rossini hier sehr genau mit dem Text, mit der Sprache, setzte Worte manchmal auch nur Laute mit ihren rhythmisch-mechanischen Akzenten als buffoneskes Stilmittel ein. Die Sprache, vor allem der Parlando-Stil werden zu einer der wichtigen Säulen in Rossinis komischen Opern. Mit Sprach- und Musik-Rhythmus, Tempo, Dynamik, motivischen Gesten, Koloraturen, Instrumentation erzeugt Rossini einen rauschenden Wirbel, dem sich kaum einer entziehen kann. 5 Figaro schafft es, mit heiß laufender Motorik in seiner rondo-artigen Kavatine „Largo al factotum“ ein Feuerwerk abzufackeln und sich als Faktotum der ganzen Oper zu installieren. Und der alte selbstverliebte Doktor Bartolo zieht gekonnt nach. Er hat es auf sein Mündel abgesehen, hält sich für unwiderstehlich. „Un dotor della mia sorte“: Im schnellen Parlando-Mittelteil erweist er sich als wahrer Sprech- oder Sprachjongleur und bekommt zum Abschluss einen kleinen Sonatensatz aufgebrummt. Musik 4 Gioacchino Rossini: Barbier, Arie des Bartolo 1. Akt Enzo Dara / London Symphony Orchestra / Claudio Abbado M0022010 007, Deutsche Grammophon, 415695-2, 6’06 Enzo Dara und das London Symphony Orchestra unter Claudio Abbado. Ein Sonatensatz als Coda einer Buffa-Arie. Rossini spielt mit den Formen. Strenge Formen setzt er besonders dann gerne ein, wenn das äußere Chaos perfekt ist, alles durcheinander wirbelt und keiner mehr weiß, wo unten oder oben ist. Dann kann nur noch die klare Struktur eines Kanons helfen. So im Finale des ersten Akts des Barbiers, dem Herzstück der Oper. Almaviva schmuggelt sich verkleidet als scheinbar betrunkener