Newsletter BERICHTE Lumen Christie’S 5 Neue Köpfe an Der HFBK 8 Karl H
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
HFBK AUSGABE 46 April 08 newsletter BERICHTE Lumen Christie’s 5 Neue Köpfe an der HFBK 8 Karl H. Ditze Diplompreis 2008 12 Unitage an der HFBK 14 Hohe Bewerberzahlen an der HFBK 14 Bilanzpromenade 15 »Speicher« Hörspiel des Monats 16 Lumi- nale 17 »Reine Vernunft« Anna und Bernhard Blume 18 »Zeitweise« Olav Christopher Jenssen 19 »Nennt mich nicht Polke« 20 Den Letzten beißen die Hunde 20 Hamish Fulton »Hamburg Walks« 21 Sehnsucht Landschaft 21 Künstlerförderung des Cusanuswerks 22 Nominierung für Wendla Nölle 23 Atelierstipendium für Cordula Ditz und Paul Sochacki 23 Förderungen der Karl H. Ditze Stiftung 24 TERMINE Eröffnungen 25 Ausstellungen 26 Veranstaltungen 27 Impressum 27 Erratum 27 Ausschreibungen 28 BEILAGE Hans-Joachim Lenger: Unsichtbarkeit. Zur An-Ästhetik des Krieges Ingo Offermanns, Werner Büttner, HFBK-Studierende »Lumen Christie’s« 2008, Plakat Werner Büttner Yu ko Kakehi »Abfall-Kalender« 2008, Installation, diverse Fundstücke 2 Max Frisinger »Altar« 2008, Rauminstallation, diverse Materialien und Fundstücke 3 Jonas Brandt »Die entblätterte Jungfrau« 2008, Skulptur aus Lindenholz und Dachlatte, 253 x 11 cm Daniela Milosevic, ohne Titel (»Schielender Hund«) 2008, Objekt Liliah Tschernjakova Schütz »Erster Turmraum« 2008, Raum- aus Keramik installation aus Aluminium 4 Lumen Christie’s K reuzwege 2008: Studierende der HFBK stellen in St. Katharinen aus In Zeiten wo zwei der namhaftesten deutschen Künstler, Zettelkasten das Schlagwort vom Turmbau zu Babel auf, die Neo Rauch und Gerhard Richter, für und in Kirchen tätig Geschichte vom Wunsch des Menschen nach gottgleicher werden, nimmt ein Ausstellungsprojekt wie »Lumen Schöpfungskraft und Meisterschaft, nach dem allmächtigen Christie’s« kaum mehr wunder, sollte man meinen. Doch Blick von oben herab, der über Tod und Leben bestimmt. Die was entsteht, wenn sich 30 Studierende der HFBK in einem Frage nach der Hybris des Künstlersubjekts, zumal ausstel- interdisziplinären Studienseminar unter Leitung von Prof. lend auf einer profanisierten Ikonostase, liegt gerade auch Pia Stadtbäumer, Prof. Werner Büttner und Prof. Norbert angesichts der Arbeiten von Simon Hehemann nahe, in Schwontkowski mit dem besonderen Ausstellungsraum Kir- denen der göttliche Schöpfungsmythos gespiegelt im auto- che auseinandersetzen? nomen Schöpfungsakt des Malers evoziert erscheint: Am Augenfällig ist, wenn man St. Katharinen betritt, dass die Anfang war das Chaos, nun ist es überführt in die Ordnung jungen KünstlerInnen ihren ästhetischen Resonanzraum des Bildes, das das Wissen um unser amöbenhaftes Sein mitbringen und ihre ästhetische Weltsicht artikulieren, die in und seine Zerstörung in sich birgt. Der Tod ist allseits präsent Dialog wie in Widerstreit mit dem Vorgefundenen treten. und blickt uns in Gestalt der Effigies von Malgorzata Neubart Und man muss mit Nachdruck feststellen: Bei den Interfe- entgegen. Die Hoffnung auf Auferstehung und eschatologi- Berichterenzen zwischen autonomer Sinndimension der Kunst und sche Vollendung scheint jedoch keine/r der KünstlerInnen der christlichen Religion im sakralen Raum Kirche gewinnen mehr zu hegen. Was bleibt, ist die Gemeinschaft: Konstantin beide. Nicht zuletzt ist dies Pastor Frank Engelbrecht zu ver- Sotnikow bringt mit seiner Sicht auf das »Das letzte Abend- danken, der mit der Initiative für das Projekt den nötigen mahl« eine im blutigen Messerspiel geopferte Hand aufs Freiraum für echte Interventionen gewährt hat. Tableau und verweist damit auf den anthropologischen Zu- In der Hauptsichtachse der Kirche befindet sich das zentrale sammenhang zwischen grausigem Opfertod und gemein- Element der Ausstellung: eine nachgebaute Ikonostase. Im schaftsstiftender Befriedung durch Gewalt. Ein zurückhal- orthodoxen Gottesdienstraum fungiert die Ikonostase als tenderer Verweis auf die Abendmahlsmotivik findet sich in Barriere, die den Altar, das Allerheiligste bzw. den Ort der dem Gemälde »Neige« von Taras Skrentowytch (allerdings Hierophanie verdeckt. Zugleich macht sie mit ihrem Bildpro- nicht auf der Ikonostase, sondern im rechten Seitenschiff), gramm das Unsichtbare dennoch sichtbar. Anstelle der ka- der aus einer Familie von Ikonenmalern stammend auch die nonisierten Ikonen von Christus und Maria, den Aposteln, Idee zum Nachbau einer Ikonenwand entwickelte. Heiligen und Propheten in streng geregelter Abfolge sieht Traditionell fungiert der Vorhang in der Ikonografie als Grenz- man in St. Katharinen einen wild-anarchischen Gemäldemix markierung: Er eröffnete den Blick in die jenseitige Sphäre, verschiedener KünstlerInnen in Petersburger Hängung, die war begleitendes Element einer Epiphanie, der göttlichen auf den ersten Blick scheinbar nichts eint: Und doch, beim Selbstoffenbarung. Bei Nina Rose markiert er leuchtend rot genaueren Hinschauen, ist als gemeinsames Element der den Eintritt in einen fremden Raum, dessen Atmosphäre von Rückbezug auf die religiöse Tradition, respektive das iro- Intimität und Privatheit geprägt ist, der sich aber zugleich nisch-freie Spiel mit ihr unübersehbar – oder stolpert hier entzieht. Ein prächtiger Strauß Chrysanthemen, auch Gold- die BetrachterIn nur über vermeintliche Bezüge, die sich aus blumen genannt, fängt den Blick und verstellt ihn gleichzei- dem Raumkontext, nicht aber aus den Arbeiten selbst erge- tig, indem er zwei Miniaturen – eine Heiligenfigur und ein or- ben? Erzählt wird, ob intendiert oder nicht, eine neue thodoxes Kloster – halb verdeckt. Mit diesen korrespondiert Schöpfungs- und Heilsgeschichte mit altbekannten und zu- in unmittelbarer Nachbarschaft eine zweite Arbeit der Künst- gleich verfremdeten Elementen. lerin: das kleinformatige Bild einer Kirche, die jedoch tra- So begegnen uns in dem Bilderkosmos von Patrick Farzar gisch einsam in einer Welt zu verharren scheint, zu der wir Sonne, Regenbogen, urknallartige Blitze und eine Kirche in Säkularisierten kaum mehr Zutritt finden. Die beiden Arbei- betont naiv-kindlicher Manier, jedoch herrscht ein bedrohli- ten scheinen mir symptomatisch für die stellvertretenden ches Schwarz und Dunkelbraun vor, das die einst mit diesen Annäherungsversuche der KünstlerInnen von »Lumen Chris- Symbolen verbundenen Heilszusagen negiert. Seine drei tie’s« an das Sakrale: Es ist zu etwas Exotisch-Fremdem Himmelsleitern führen über eine Mauer ins ungefähre Blau geworden und ein Grenzübertritt in seine Sphäre ermöglicht, der Romantik, wobei fraglich bleibt, ob hier auf- oder abge- wenn er denn gelingt, nur den Ausblick auf seinen Abglanz, stiegen wird in einen Paradiesgarten, dessen horizontverde- der sich in den Pfützen des Aber- und Bildglaubens spiegelt. ckende Ummauerung weniger ewige Seligkeit, denn Be- Mit dem Nachbau eines Barockaltars für die Jetztzeit in schränktheit und Gefangenschaft assoziieren lässt. Trash-Ästhetik aus grellen Fundstücken und Überresten un- Das Subversive setzt sich in Volker Huellers collageartigem serer Gegenwart hat Max Frisinger unseren Sehnerv getrof- Porträt des San Simon fort, eines schillernden Heiligen ex fen: Die visuellen Schemata, in die unsere Wahrnehmung negativo, Judasfigur und heidnischer Götze in einem, aus- des Alltäglich-Profanen und des Außeralltäglich-Heiligen gegrenzt, nicht anerkannt und eine Randgruppenexistenz eingetaktet sind, werden hier aufgestöbert und lustvoll de- unterhalb des Altars führend – wie seine Klientel, die Prosti- konstruiert. Herauskommt ein prachtvoll funkelndes Sam- tuierten, Junkies, Schwulen und Lesben in Guatemala, melsurium aus nichtigen Dingen, das durch seine Wucht denen er sein Ohr leiht. und Raumwirkung in der sonst eher kargen St. Katharinen- Die Bilder von Egle Otto mit ihren Bauwagen in Stadtland- kirche wenn nicht zu begeistern, so doch zu provozieren schaft oder der Zusammenrottung von Hochsitzen rufen im versteht und den reformatorischen Wunsch nach dezenter 5 Zurückhaltung für einen Augenblick vergessen lässt, folgt druck schwindet schnell: Das Metallische kippt in seiner man den zahlreichen wie kontroversen Publikumsreaktionen Wirkung alsbald ins Aggressiv-Spitze und das Unwissen im Gästebuch. über die Tiefe des Raumes lässt zurückschrecken vor dem Die Thematisierung des Gegensatzpaares profan versus sa- drohenden Fall ins Bodenlose. Hinzu kommt der Schock kral und der Aufhebung desselben in der Überhöhung, ja über den unerwarteten ohrenbetäubenden Klang der Glo- Heiligung des Nichtigen für den Moment der Ausstellung cken, die unmittelbar über dem Raum hängen. bzw. durch das Ausgestelltsein im sakralen Raum, verbindet Von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Kirchen- Frisingers Arbeit mit der Laterne-Mülleimer-Installation von raum zeugen auch die Licht- und Schattenstudien von Egle Martin Meiser im rechten Chorumgang und dem Abfall-Ka- Ottos »Lichtmess: zwölfuhrfünfzig« oder die interaktive lender von Yuko Kakehi im rechten Seitenschiff. Videoprojektion »Linie/Licht« von Julia Bonn im rechten Sei- Dem reflexhaften Blasphemieverdacht, den eine Skulptur teneingang, die an den Strahlenkranz als Zeichen und Vorbo- wie »Dunlop« bestehend aus einem gewöhnlichen Tennis- ten des Göttlichen erinnert, mit dem entscheidenden Unter- schläger mit darauf montiertem gekreuzigten Jesus auslö- schied, dass dessen Anspruch auf Omnipräsenz hier fehlt, sen könnte, widerspricht der Künstler Patrick Farzar von wird das Lichtspiel doch erst durch den Eintretenden qua vornherein im Begleitheft, indem er betont, dass es ihm ge- Bewegungssensor angeknipst. Das Heilige also nur ein Pro- rade nicht um Glaubenskritik oder gar -verhöhnung gehe, dukt des ICHs, seiner Imagination und Hoffnung,