Lebenslinien
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02/2020 KINO KULTUR HAUS WEIBLICH & WIDERSTÄNDIG FILMAUTORINNEN IM EUROPA DER 60ER- UND 70ER-JAHRE YOUSSEF CHAHINE | KÄTHE KRATZ INHALT 06 36 58 24 INHALT AUSSTELLUNG VORANKÜNDIGUNG: KINO WELT WIEN | AB 5.3. 04 RETROSPEKTIVEN WEIBLICH & WIDERSTÄNDIG | 7.2.–3.3. 06 YOUSSEF CHAHINE | 13.2.–28.2. 24 KÄTHE KRATZ | 20.2.–4.3. 36 KINOSTART DIE MELANCHOLIE DER MILLIONÄRE | 6.2.–4.3. 48 REIHEN KINDER KINO KLASSIKER | 8.2.–1.3. 50 LIVING COLLECTION | 10.2. 52 SECOND LIFE | 11.2.–3.3. 54 JÜDISCHER FILMCLUB WIEN | 12.2. 56 WILD FRIDAY NIGHT | 14.2. 58 SPECIALS FILMFRÜHSTÜCK | 9.2. 60 ALBERT MEISL | 4.3. 62 SATYR FILMWELT 64 CLUB 67 SPIELPLAN 68 PROGRAMM 6.2.–4.3.2020 EDITORIAL ie 1960er- und 1970er-Jahre: Zeiten des Aufbruchs, Umbruchs, der kleinen und großen Revolutionen auf den D Straßen, und natürlich auch im Kino. Wellen der Erneuerung schwappten durch Europas Filmlandschaften. Doch neben den Godards, Truffauts, Fassbinders und Kluges war hier – weiblich und widerständig – auch eine junge Generation von Autorinnen am Werk, die sich gesellschaftlichen Konventionen ebenso widersetzte wie männ lichen Wahrnehmungsweisen und Machtstrukturen. Wir holen die – in ihrer Gesamtheit bis- her kaum beachteten – Filmpionierinnen aus dem Schatten ihrer berühmten Kollegen und widmen Varda, Chytilová, Mészáros & Co die erste Retro spektive im Februar. Eine Fort- setzung quasi in österreichischer Fassung bilden die Arbeiten von Käthe Kratz, einer weiteren Vorkämpferin hinter der Kamera, die ihrerseits die Genera tionen prägte. Und auch er sprengte mit seinen Filmen Regeln, brach Tabus, trat Widerständen und Zensur zum Trotz für Toleranz und Welt- offenheit in seiner Heimat ein. Wir verlassen den Kontinent, folgen dem Leuchtturm aus Alexandria und tauchen ein in die filmischen Welten vonYoussef Chahine, Etliches in Öster- reich noch ungesehen. Einem besonderen Wiener Mikro- kosmos nähert sich Caspar Pfaundler im Kino start, in dem er sich auf wunderbar reduzierte Weise der MELANCHOLIE DER MILLIONÄRE annimmt. Ein dokumen ta rischer Grenzgang, der mit vielem bricht. Ernst Kieninger und das Filmarchiv-Team 3 Favoritner Bürger Kino, Wien 1966 Sammlung Florian Pauer 4 KINO WELT WIEN EINE KULTURGESCHICHTE STÄDTISCHER TRAUMORTE DIE NEUE AUSSTELLUNG IM METRO KINOKULTURHAUS – AB 5. MÄRZ 2020 eit die Kinematografie 1896 Wien eroberte, prägten Lichtspielhäuser mit ihren Sleuchtenden Fassaden das Erscheinungsbild der Stadt. Nach Höchstzahlen von über 200 gibt es heute noch knapp 30 Kinos. Die Ausstellung lädt zu einem Spazier- gang durch die vergangene und heutige Kinolandschaft und erzählt die Geschichte eines magischen Raumes, den Menschen betraten, um ihn verändert zu verlassen. Hoffnungen und Träume, aber auch Ängste und Sorgen ganzer Generationen reflek- tierend, ist das Kino ein mächtiges Instrument der Unterhaltung und Zerstreuung, der Kunst und Erziehung, der Wirtschaft und Politik. Davon zeugen die gezeigten Relikte und Dokumente – vor allem aber auch die Erinnerungen der Menschen an ihre kon- kreten Kinoerlebnisse, die im Zuge der Ausstellung bewusst geweckt werden sollen. Begleitet wird die Ausstellung von einer Retrospektive, einer Buchpräsentation, Vermittlungsange- boten für Gruppen und Schulen sowie Aktionstagen in Kooperation mit den Wiener Bezirksmuseen. 5 FLICKORNA 6 WEIBLICH & WIDERSTÄNDIG FILMAUTORINNEN IM EUROPA DER 60ER- UND 70ER-JAHRE RETROSPEKTIVE VOM 7. FEBRUAR BIS 3. MÄRZ 2020 ie beginnenden 1960er-Jahre sind in der Geschichte des Kinos eine spannende DZeit. In ganz Europa entstehen Strömungen, die eine neue Art des Geschichten- erzählens, des Nachdenkens über Film einfordern, die »Rebels without a Cause« erobern die Leinwände. Doch häufig werden neben all den Godards, Truffauts und Kluges jene vergessen, die neben der Erneuerung des Kinos noch den zweiten Kampf um Wahrnehmung und Anerkennung ihrer Arbeit kämpfen mussten: die Frauen. Es etablieren sich in Europa die ersten Filmautorinnen, welchen in diesem Programm Tribut gezollt wird. 7 WEIBLICH & WIDERSTÄNDIG | RETROSPEKTIVE AUFBRÜCHE UND UMBRÜCHE SABINE SCHÖBEL | FLORIAN WIDEGGER eiblich und widerständig – so sind die Heldinnen der Filme unserer Retrospektive. W Und so sind wohl auch jene Frauen, die diese Filme erdacht, geschrieben und gedreht haben. Was viele dieser Arbeiten eint: im Zentrum stehen häufig junge Frauen, vielleicht Spiegelbilder der Regisseurinnen, die beginnen, sich gegen die herrschenden Verhältnisse aufzulehnen – frech und spielerisch etwa wie die beiden Maries in Veˇra Chytilovás SEDMIKRÁSKY, schlau und augenzwinkernd wie eine dritte Marie in Nelly Kaplans LA FIANCÉE DU PIRATE, nachdenklich und überaus selbstreflexiv wie Chantal Akerman in ihrem Spielfilmdebüt JE TU IL ELLE oder forschend und fordernd wie Grischa in UNTER DEM PFLASTER IST DER STRAND. Die Anzahl der Spielfilmregisseur- innen im Europa der 1960er- und 1970er-Jahre ist verschwindend gering. Sie sind Ein- zelkämpferinnen in den Ländern auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Und sie erschaffen ausgesprochen unterschiedliche Werke, deren ästhetische Bandbreite diese Schau versucht, anhand ausgewählter Arbeiten von 20 Autorinnen abzubilden. 8 WEIBLICH & WIDERSTÄNDIG | RETROSPEKTIVE Die Experimentierfreudigkeit des internationalen Aufbruchskinos ist besonders groß. Noch heute dient diese für gesellschaftliche Veränderung und ästhetische Erneuerung stehende Periode der europäischen Filmgeschichte als wichtiger Bezugs- punkt der Cinephilie, der Lehre, Forschung und Vermittlung. Die Nouvelle Vague, der italienische Autorenfilm, das britische Free Cinema, der Neue Deutsche Film, die tschecho slowakische Neue Welle, das Aufbruchskino in Skandinavien, Ungarn und am Balkan sowie das Tauwetterkino in der Sowjetunion werden zumeist mit männ- lichen Vertretern assoziiert. Weitaus weniger bekannt ist die Tatsache, dass sich in dieser Zeit auch Frauen als Regisseurinnen ausprobieren und beweisen. Während in den jeweiligen nationalen Kinematografien diese Arbeiten als – mehr oder weniger – singuläre Phänomene gelten, stellt sich in der Gesamtheit das Bild einer bislang unbeachteten Generation europäischer Filmemacherinnen dar. Inner- halb jener Internationalen der »European Sixties« opponieren sie mit ihren Filmen nicht nur gegen die versteinerten Nachkriegsgesellschaften in Ost und West, sie zeigen auch Alternativen zum Regime des männlichen Blicks und der klassischen Erzählung. Ihre Opposition gegen die Lebensbedingungen der Frauen im Patriar - chat – des kapitalistischen Westens wie des sozialistischen Ostens – ist unausge- sprochenes Programm. Ihre Kämpfe und die Kämpfe ihrer Heldinnen haben an Aktualität nichts verloren. Die Reihe basiert auf der von Sabine Schöbel kuratierten Retrospektive Aufbruch der Autorinnen, die 2015 und 2016 im Zeughauskino in Berlin zu sehen war, und wurde von Florian Widegger um Filme aus den 1970er-Jahren und einen Schwer- punkt zum österreichischen Kino ergänzt. 9 WEIBLICH & WIDERSTÄNDIG | RETROSPEKTIVE FR 7.2., 19:00 | SO 1.3., 19:00 LE BONHEUR RESTAURIERTE FASSUNG Agnès Varda, F 1965 DAS GLÜCK | BUCH Agnès Varda | KAMERA Jean Rabier, Claude Beausoleil | MUSIK Jean-Michel Defaye MIT Jean-Claude Drouot, Claire Drouot, Olivier Drouot, Sandrine Drouot, Marie-France Boyer, Marcelle Faure-Bertin, Manon Lanclos 80 min | Farbe, franz. OmeU, DCP LE BONHEUR beginnt mit einer Einstellung, in der winzige Gestalten in der Ferne immer näher auf die Kamera zukommen und schließlich als die Formation einer Klein- familie – Mutter, Vater, zwei Kinder – zu erkennen sind. Und er endet damit, dass in der gleichen Perspektive eine solche Formation, immer kleiner werdend, gleichsam im Nichts verschwindet. So markiert die Regisseurin das Ende und den Anfang zweier Sonntagsspaziergänge. Dazwischen liegt ein für den Schreiner François ereignisreicher Sommer. Er hat seine hübsche blonde Frau, die Schneiderin Térèse, verloren und sie durch die hübsche blonde Geliebte, die Postangestellte Emilie, ersetzt. Als erste Frau gewinnt Agnès Varda 1965 den Silbernen Bären der Internationalen Filmfestspiele Berlin. (sasch) FR 7.2.: Mit einer Einführung von Florian Widegger. Freier Eintritt für FAA-Clubmitglieder (mit Begleitung). 10 WEIBLICH & WIDERSTÄNDIG | RETROSPEKTIVE FR 7.2., 21:00 | MI 26.2. 19:00 SEDMIKRÁSKY RESTAURIERTE FASSUNG Veˇra Chytilová, CˇSSR 1966 TAUSENDSCHÖNCHEN – KEIN MÄRCHEN | BUCH Veˇra Chytilová, Ester Krumbachová, Pavel Jurácˇek KAMERA Jaroslav Kucˇera | MUSIK Jirˇí Šust, Jirˇí Šlitr | MIT Jitka Cerhová, Ivana Karbanová, Julius Albert, Jan Klusák, Marie Cˇešková, Marcela Brˇezinová, Jirˇina Myšková 73 min | Farbe, tschech. OmdU, DCP* Ein anarchischer, frischer, frecher Bilderbogen, angesiedelt im zeitgenössischen Prag: Marie I und Marie II leben in einer Wohnung, die an eine sich ständig wandelnde Kunstinstallation erinnert. Abseits der sozialistischen Mehrheitsgesellschaft führen sie ein dekadentes Leben. Sie tingeln durch die Lokale, beklauen eine Klofrau und nehmen eine ganze Reihe alter (geiler) Herren aus, denn es gilt, ihre schier unstill- bare Fress- und Sauflust zu befriedigen. Amos Vogel schreibt 1974 inFilm as a Sub- versive Art: »Kein Werk aus dem Osten hat sich jemals weiter von der eintönigen Sterilität des sogenannten Sozialistischen Realismus entfernt.« Ein Meilenstein des zeitgenössischen Filmschaffens und Epizentrum filmischer Subversion. (sasch) FR 7.2.: Mit einer Einführung von Florian Widegger. *© State Cinematography Fund 11 WEIBLICH & WIDERSTÄNDIG | RETROSPEKTIVE SA 8.2., 18:45 | SO 1.3., 21:00 FLICKORNA RESTAURIERTE FASSUNG Mai Zetterling, S 1968 THE GIRLS | BUCH