MAGAZIN MERCEDES W 125

Text: Martin Schröder / Fotos: Archiv Martin Schröder, Histori- sches Archiv Mercedes Benz, Leica Studio Woerner, The Collier unD Collection, The Spitzley Collection, Sammlung Zwischengas Der merceDes w 125 rennFAhrer Durch # 3 Den zwAng Der umstänDe Das Schicksal angestellter Ingenieure und Konstrukteure ist, dass sie hinter dem großen Namen Ihres Un- ternehmens zurückstehen, manchmal gar nicht öffentlich bekannt werden, zumeist aber schnell vergessen werden. Oder erinnert sich heute noch jemand an Walter Bruch, den Erfi nder des PAL-Systems für das Farb- fernsehen, an Pierre Fenaille, der 1926 mit dem Tracta-Gelenk die grundlegende Konstruktion des homoki- netischen Gelenks patentierte, die die Voraussetzung des ruckfreien Laufs des heute üblichen Frontantriebs ist? Den Namen Ernst Fuhrmann gar, Konstrukteur des Vier-Nockenwellen-Motors im 356 Carrera und in frü- hen Rennsportwagen bei Porsche, kennen allenfalls historisch Interessierte.

Eine Ausnahme macht da Rudolf Uhlenhaut, nach dem für den Konstrukteur darin, mit den Anfang der 30er Jahre ein in lediglich zwei Exemplaren gebauter Straßenrenn- bekannten Materialien das Optimum innerhalb dieses Ge- wagen benannt ist, das Uhlenhaut-Coupé. Dies wiederum wichtslimits zu erzielen. entstand aus dem 300 SLR, besser bekannt als Sieger- Der schnellste Mercedes dieser Jahre war der SSKL, für wagen von Moss/Jenkinson bei der 1955. die schnellste Rennstrecke, die AVUS in Berlin, von Rein- Diesen Wagen hat sich Uhlenhaut als straßentauglichen hard Koenig-Fachsenfeld für Rennsportwagen bauen lassen, um die Fähigkeiten sei- mit einer Stromlinien-Karosserie versehen und dort er- ner Konstruktion selbst erfahren zu können. Denn Rudolf folgreich eingesetzt. Als Basis für einen Grand Prix-Wa- Uhlenhaut war neben seiner Ingenieurtätigkeit ein sehr gen nach der 750 kg-Formel war er mit einem Gewicht schneller Fahrer und soll bei Trainingsläufen dem großen von 1.500 kg für das Rolling Chassis allerdings nicht zu Fangio nicht viel nachgestanden haben. Allerdings verbot gebrauchen. ihm sein Arbeitsvertrag das Rennfahren, daher quasi als Notlösung das Coupé mit den heute berühmten Flügeltü- Die 1926 entstandene Firma Daimler-Benz AG war durch ren, das allerdings mit dem als W 198 bezeichneten ech- die Rennerfolge ihrer Vorgängerfi rmen Daimler Moto- ten Flügeltürer nicht viel gemeinsam hat. rengesellschaft (DMG) sowie Benz & Cie und natürlich auch die Siege am Nürburgring, bei der Tourist Trophy Will man den W 196 in seinen Ausprägungen als Mono- und der Mille Miglia entschlossen, sich an der neuen posto mit freistehenden Rädern, mit Stromlinienkarosse- Formel zu beteiligen. Allerdings war dies nur mit einer in rie und als zweisitzigen Rennsportwagen als Uhlenhauts jeder Hinsicht neuen Konstruktion möglich. So entstand Meisterstück betrachten, so ist der W 125 von 1937 sein unter der Leitung von Hans Nibel der als W 25 bezeich- Gesellenstück. Er hatte nicht nur den Grand-Prix-Wagen nete Grand Prix-Wagen, mit dem 1935 als integriertes System begriffen, sondern auch erkannt, die erste Europameisterschaft errang. Der W 25 mit Rei- wie wichtig es für einen Konstrukteur war, sich selbst ans henachtzylinder und hinterer Pendelachse wurde für die Steuer zu setzen. Saison 1936 weiterentwickelt: stärkerer Motor, Getriebe Vom SSK zum 750 kg-Formel Grand Prix Wagen und Differential an der Hinterachse (Transaxle), verkürz- Doch zurück in die Anfänge der von der AIACR (Interna- ter Radstand. tionaler Verband der anerkannten Automobil Clubs) 1932 Dominanz der Silberpfeile beschlossenen und ab 1934 gültigen 750 kg-Formel, die War 1935 die Dominanz der deutschen Konstruktionen das Maximalgewicht des Wagens auf 750 Kilogramm von und Mercedes mit 13 Siegen in 14 Rund- ohne Kraftstoff, Kühlmittel, Öl und Reifen festlegte. Für streckenrennen für die Konkurrenz geradezu erdrückend den Rest hatte der Konstrukteur freie Hand. Hubraum, – lediglich Nuvolari gelang mit dem Alfa Romeo ein Sieg Aufl adung und Kraftstoff frei! Die Herausforderung dieser beim Großen Preis von Deutschland – so sah es vor dem erstmals in die Tat umgesetzten Gewichtsformel bestand Deutschland Grand Prix 1936 einigermaßen ausgegli- chen aus. Darauf weist die Schweizer Automobil Revue in ihrem Vorbericht vom Juli 1936 hin: „So ist also die Situa- GEGENÜBERLIEGENDE SEITE George Monkhouse‘ Meisterfoto: Rudolf Caracciola im W 125 tion am Vorabend des Grossen Preises von Deutschland bei der Coppa Acerbo in Pescara am 17. August 1937 zahlenmässig 2:2:2. Als wichtigstes Faktum wäre dem- DIESE SEITE nach festzuhalten, dass Alfa Romeo im dritten Jahre der Carlo Demands meisterhafte Zeichnung des W 125, die auf Gültigkeit der internationalen Rennformel seine ursprüng- unnachahmliche Weise die brutale Kraft mit der Eleganz der lichen Kinderkrankheiten überstanden hat und somit als Auspuffl inie in Einklang bringt. Formal gesehen markiert der gleichwertiger Konkurrent mit Mercedes-Benz und Auto- W 125 den Höhepunkt der 750 kg-Formel von 1934-1937. Union in die kommenden Rennen zieht.“

54 JUNI 2012 55 MAGAZIN Mercedes W 125

Der Große Preis von Deutschland am 26. Juli 1936 bescherte dem wettmachen, dass sie höheren Einsatz wagen, größeres Risiko einge- Nürburgring die Rekordkulisse von 300.000 – manche Blätter be- hen und durch rücksichtslosere Fahrweise Bremsen, Getriebe, Kupp- richteten von 350.000 – rennbegeisterten Zuschauern - Start 11 Uhr, lung und Reifen höher belasten, mit dem Risiko des Ausfalls wegen bei sonnigem Wetter, 17 bis 19 Grad, zu fahren 22 Runden je 22,81 teilweise geringfügiger Störungen. Außerdem verursacht die hintere Kilometer gleich 501,82 Kilometer. Rosemeyer hängte in der dritten Pendelachse beim Mercedes Disharmonie im Gesamtfahrzeug, vor Runde die Latte sehr hoch, indem er den Ring mit seinen 150 Kur- allem auf schlechten Straßen.“ ven und einem Höhenunterschied von 300 Metern als erster Fahrer Uhlenhaut taucht auf mit 9’56.3 min unter zehn Minuten umrundete. Er gewann auch das Der Misserfolg vom Nürburgring, den dieser Brief treffend zusam- wichtigste Rennen der Saison und stieg damit in den kleinen Kreis menfasst, hatte bei Mercedes als Sofortmaßnahme die Neuorga- siegfähiger Grand Prix-Piloten auf. nisation der Wettbewerbsabteilung zur Folge, indem zwischen der Großer Preis von Deutschland 1936 und die Folgen Teamleitung Alfred Neubauers und der Konstruktionsabteilung die Doch zurück zum Thema „Uhlenhaut und der W 125“. Der Große Preis neu geschaffene „Rennabteilung“ installiert wurde, die direkt dem von Deutschland endete für Mercedes mit drei Ausfällen von fünf Ein- Leiter der Versuchsabteilung, , unterstand. satzfahrzeugen, einem fünften Platz mit einer Runde Rückstand für Die Rennabteilung war verantwortlich für den Bau, die Vorbereitung das Team Caracciola/Fagioli – Fahrerwechsel waren erlaubt – und und die Versuchsfahrten der Rennwagen, die anschließend an Alfred einem siebten Platz mit zwei Runden Rückstand für von Brauchitsch/ Neubauers Sportabteilung für den Einsatz übergeben wurden. Zur Lang. Zu der Paarung Caracciola/Fagioli war es gekommen, weil der Leitung der neuen Rennabteilung wurde der 30-jährige Rudolf Uh- Italiener gegenüber Mercedes-Teamleiter Neubauer seine Meinung lenhaut berufen, stets freundlich lächelnder Sohn eines Deutschen über die Unfahrbarkeit des Wagens recht deutlich zum Ausdruck ge- und einer Engländerin, seit fünf Jahren im Haus tätig und dort mit bracht hatte, nachdem er von Rosemeyer überrundet worden war. der Entwicklung des Mercedes 170 V betraut. Später wird sich her- War das internationale Presseecho eher negativ, was die Mercedes ausstellen, dass dieses Vertrauen in einen jungen Ingenieur einen der Silberpfeile anbelangte, so nahm die deutsche Presse doch erkenn- bedeutendsten Rennwagenentwickler hervorgebracht hat. bar Rücksicht auf den großen deutschen Hersteller und hielt sich mit Kritik weitgehend zurück. August Christ aber, Chefredakteur des AvD-Organs „Automobil Revue“, sah sich veranlasst, seine und die Meinung der Motorjournalisten in einem Brief an den Vorstand der DIESE SEITE Daimler-Benz AG zusammenzufassen: „Das Urteil über die Leistungs- Nachwuchsfahrer beim Großer Preis der Schweiz 1937 auf dem fähigkeit und das Durchhaltevermögen des Mercedes-Benz-Renn- Bremgarten-Kurs bei Bern. Auch hier gut zu beobachten: Die tiefe Sitzposition motors ist einstimmig günstig. Die spezifische Leistung des Mercedes des Fahrers. Keine Seltenheit war in den dreißiger Jahren der Wechsel von Motors liegt über dem der Auto Union. Trotzdem reicht sie nicht aus, Asphalt zu Kopfsteinpflaster. um den Vorsprung des größeren Zylinderinhalts des Konkurrenzmo- GEGENÜBERLIEGENDE SEITE tors wettzumachen. Der große Vorteil des Auto Union Motors liegt OBEN Ein Trainingswagen beim Großen Preis von Deutschland 1937 zeigt ein interessantes Detail: der Motor ist leicht nach hinten geneigt eingebaut, um in der Zusammenfassung von Motor, Getriebe, Differential und aller die Kardanwelle möglichst tief unter dem Fahrersitz hindurch zu führen. Das Antriebsaggregate in einem Block, wodurch die bessere Ausnut- wiederum verlagert den Schwerpunkt nach unten. zung des Bauvolumens und Gewichtes zugunsten höherer Leistung UNTEN Training zum Großen Preis von Deutschland 1937 auf dem Nürburg- möglich ist. Ihre Nachteile müssen die Mercedes-Fahrer dadurch ring: (rechts) nimmt Caracciolas W 125 ins Visier

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Zur Beseitigung dieser Mängel wurde eine große Anzahl Am 10. August wurden an allen drei Wagen acht Änderun- Paradigmenwechsel in der Rennwagenentwicklung von Änderungen am Wagen getroffen und an besonders gen der oben genannten Parameter vorgenommen, Teile Das Nürburgring Eröffnungsrennen 1927 wurde von kritischen Punkten des Nürburgrings sowohl von außen gewechselt, Tank ausgelitert und neu befüllt, Reifengrö- einem Mercedes Typ S (Sport) mit einem 6,8 Liter-Motor beobachtet und teilweise getilgt, als auch beim Fahren ßen und Luftdruck gewechselt. Insgesamt waren es bis und einer Leistung von 120/180 PS gewonnen (Leistung von den Herren Caracciola, v. Brauchitsch und Uhlen- zum 15. August nicht weniger als 46 Änderungen! Nach- ohne zuschaltbaren Kompressor/Leistung mit Kom- haut beurteilt.“ dem eine Konfiguration – oder, wie es heute heißt, ein Set pressor) , die Weiterentwicklung hieß Typ SS (Super Up – gefunden war, mit dem sich Caracciola für Bern zu- Sport) und hatte einen auf 7,1 Liter aufgebohrten Motor Auf die Besonderheit des Fahrers Uhlenhaut kommen frieden gezeigt hatte und dann abgereist war, tat Uhlen- mit 170/225 PS, dem folgte eine verkürzte Version SSK wir später noch zu sprechen, zunächst sei jedoch Uhlen- haut – nicht zuletzt auch wegen höchst unterschiedlicher (Super Sport Kurz, 180/250 PS), der in erleichterter Form hauts zugleich systematische wie pragmatische Vorge- Aussagen seiner beiden Spitzenfahrer – das einzig Rich- als SSKL (Super Sport Kurz Leicht, 240/300 PS) bekannt hensweise näher beschrieben. Im obigen Bericht teilte tige und setzte sich selbst in einen der Wagen, um sich und erfolgreich wurde. Dies ist die klassische Entwick- er bereits mit, dass die Versuchsfahrten an besonders einen Eindruck zu verschaffen. Seine Erfahrungen fasste lung, die auf einer gegebenen Konstruktion in kleinen schwierigen Stellen des Nürburgrings stattfanden. Zur er auf den Seiten 12 und 13 zusammen. Schritten aufbaut: Mehr Leistung durch mehr Hubraum Verfügung standen drei Fahrzeuge, ein Modell 1935 mit plus Aufladung, bessere Kurvengängigkeit durch Verkür- der Wagen-Nummer 13 und zwei 36er mit den Nummern In einem Interview sagte er später: „Zerstören wir sofort zung des Radstands, kürzerer Bremsweg durch Redu- 6 und 10. eine Legende: Rennwagenfahrer in Prüffahrten, jedoch zierung des Gewichts. (Ein Blick zurück in die siebziger niemals im Rennen, bin ich durch den Zwang der Um- Um dem Leser eine Vorstellung vom dem zeitlichen, bau- Jahre lässt dies deutlich werden, als Ray Jones aus S- stände und ohne irgendwelche besondere Vorbereitung lichen und damit finanziellen Aufwand zu vermitteln, sei Typen mit wenigen Änderungen SSKs entstehen ließ.) geworden. Zu Ende 1936, als ich in die Rennabteilung von hier die Vorgehensweise für jeden Wagen und für jeden Mercedes Benz überwiesen wurde, wurde ich mir darü- In dieser Tradition ist man bei Mercedes auch noch in der Versuchsabschnitt einmal aufgeführt: Vorderachse mit ber klar, dass ich, wollte ich mich von der effektiven Leis- Weiterentwicklung vom erfolgreichen W 25 von 1935 zum Federweg und Identnummern der Federn, Stoßdämpfer tungsfähigkeit eines Rennwagens überzeugen und somit Modell 1936 gegangen: Vergrößerung des Motors von mit Reibwert und Nummern, Bremsen mit Durchmesser in der Lage sein, die Beurteilung der Fahrer auszuwerten, 3,6 auf 4,7 Liter Hubraum, das Mehrgewicht wurde durch und Breite des Belags, Nachlaufwinkel, Vorspannung der mich an deren Platz setzen müsste. Am Lenkrad von ein eine Verkürzung des Radstand von 272 auf 246 cm aus- Anti-Shimmy Einrichtung, die das Flattern der Vorder- paar ‚W 25‘ durchfuhr ich zirka 700 Kilometer auf dem geglichen. Und genau an diesem Punkt erwies sich die räder verhindern soll. Hinterachse mit denselben Daten Nürburgring. Es war eine schreckliche Lehre.“ alte Schule aus den 20er Jahren als überholt und nicht bis auf das Anti-Shimmy, Reifengröße, Luftdruck, Tank- mehr zeitgemäß. Denn die Grand Prix-Fahrzeuge der 750 inhalt. Dies für drei Fahrzeuge, für insgesamt vier Teil- In Neubauers Erinnerungen heißt es: „Die Saison 1937 kg-Formel mit dem Zwang zum kompromisslosen Leicht- strecken und 46 Änderungen mit Ein- und Ausbau an der beginnt. Wir von Mercedes haben inzwischen festge- bau hatten viele Neuerungen zur Folge, um nur die wich- Rennstrecke! stellt, dass die Gründe des Versagens im letzten Jahr tigsten zu nennen: zum allergrößten Teil Konstruktionsfehler waren. Ein Beide Fahrer durchfuhren die Streckabschnitte auf wech- genialer junger Mann hat unseren Wagen einen neuen ∙ Rohrrahmen statt Kastenrahmen selnden Fahrzeugen und gaben danach ihre Beobach- Schliff gegeben. Er heißt Uhlenhaut und ist der einzige ∙ neue Layouts: Frontmotor mit Transaxle oder tungen, Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge ab. Konstrukteur, der es je verstanden hat, einen schwer Mittelmotor An diesem Punkt kommen wir an ein Phänomen, dass (zu fahrenden) Grand-Prix-Rennwagen eigenhändig im ∙ neue Detailkonstruktionen: unabhängige auch im heutigen Rennsport eine wichtige Rolle spielt. Renntempo über eine Bahn zu steuern.“ Vorderradaufhängung, Drehstabfederung Es gibt den Fahrertypus eins, der Auskunft über „geht“ ∙ neue Anordnungen der Komponenten: oder „geht nicht“ machen kann und es gibt den Typus Hecktank, Seitentanks, Satteltank zwei, der für den Ingenieur verwertbare Aussagen ma- Uhlenhauts Wirken begann mit Versuchsfahrten auf dem chen kann. Der Typus eins ist wohl der häufigere, Michael Nürburgring vom 10. bis 15. August 1936. Er hatte das Schumacher und auch Sebastian Vettel werden dem Ziel, im Rahmen des Möglichen die 1936er Wagen für den Typus zwei zugerechnet. Großen Preis der Schweiz am 23. August zu verbessern. Dafür verzichtete man auf die Teilnahme an den beiden Mit dem Problem teilweise wenig verwertbarer, in Ein- in Italien anstehenden Rennen, Livorno und Pescara. zelfällen gegensätzlicher Aussagen seiner Fahrer hatte Anwesend waren außer Uhlenhaut , Konstruk- auch Rudolf Uhlenhaut zu kämpfen. Ein Beispiel: Nach- teur Dr. Röhr, der Leiter der Versuchsabteilung, Nallinger, dem beide Fahrer die drei Fahrzeuge auf dem Strecken- Rennleiter Neubauer, Herr Wagner und der Konstrukteur abschnitt „Hedwigshöhe“ gefahren hatten, war das Urteil Kraus. Die Fahrer waren Rudolf Caracciola und Manfred von v. Brauchitsch: „Nr. 1 vorne schlechter als Nr. 2. Nr. 1 von Brauchitsch. und Nr. 2 vorne scheinbar leichter als Nr. 3 beim Großen Preis.“ Urteil Caracciola: „Nr. 1 vorne schlecht, hinten gut, In dem von Uhlenhaut persönlich verfassten Bericht „Ver- Nr. 2 vorne und hinten schlecht, Nr. 3 vorne gut, hinten suchsfahrten auf dem Nürburgring“ heißt es einleitend: schlecht, Nr. 1 und Nr. 2 starkes Flattern beim Bremsen.“ „Auf Grund des Misserfolges beim Grossen Preis von Deutschland sollten auf dem Nürburgring als Vorberei- Bereits aus diesen Aussagen ist v. Brauchitsch dem Typus tung für den Grossen Preis der Schweiz in Bern der Renn- eins und Caracciola eher dem Typus zwei zuzurechnen. wagen Modell 1936 auf seine Fehler untersucht werden Manche Aussagen waren geradezu widersprüchlich. und diese im Rahmen des Möglichen für das nächste Rennen abgestellt werden.

Von den Fahrern wurden nach dem letzten Rennen DIESE SEITE hauptsächlich folgende Punkte beanstandet: Brauchitsch im W 125 auf dem Sprunghügel beim Donington- 1. Flattern und Schlagen der Lenkung Grand Prix 1937. Dieses Foto vermittelt die ganze Kraft des W 125. 2. Sehr starkes Stoßen und Stuckern des Wagens GEGENÜBERLIEGENDE SEITE bei fast leerem Tank Besorgte Gesichter in der Box beim Training zum Großen Preis von Deutschland 1936, v.l. , Rudolf Uhlenhaut, Man- 3. Starke Verschlechterung der Fahreigenschaften im fred von Brauchitsch,Rudolf Caracciola, Rückenansicht „Zeitneh- Lauf des Rennens merin“ Alice Caracciola.

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Dies wiederum führte zu einem komplexen Zusammen- Wie Uhlenhaut in der Einführung seines Berichts schreibt, Mit dem W 125 ist aus den Erfahrungen mit dem W 25E DIESE SEITE wirken, das den Grand Prix-Wagen zu einem „System“ konnte bis zum Großen Preis der Schweiz am 23. August ein vollkommen neuer, als integriertes „System“ aus- LINKS Datenblatt des M 125 werden ließ, bei dem jede kleine Änderung Auswirkung 1936 keine Neukonstruktion entstehen, sondern es konn- gelegter Grand Prix-Wagen entstanden, der im ersten RECHTS OBEN De Dion-Hinterachse, Längslenker und Dreh- auf das Ganze hat. ten lediglich punktuelle Verbesserungen am bestehenden und einzigen Jahr seines Einsatzes seinem seit 1936 nur stabfederung des W 125 Wagen vorgenommen werden. Das Ergebnis war dann in Details veränderten Konkurrenten Auto Union Typ C RECHTS UNTEN Seite 1 des Berichts von Rudolf Uhlenhaut Das erkannt zu haben und entsprechende Konsequen- eindeutig: Plätze eins bis drei für die Auto Union und Platz ein harter und erfolgreicher Gegner wurde. Von den 12 über die Versuchsfahrten am Nürburgring im August 1936. zen daraus gezogen zu haben, ist eins der großen Ver- vier — mit zwei Runden Rückstand — für Mercedes, die Rundstreckenrennen 1937, in denen die beiden Teams dienste von Rudolf Uhlenhaut. Diese Versuche mit drei drei anderen Wagen ausgefallen. Als Konsequenz nahmen gegeneinander antraten, gewann der W 125 nicht weni- GEGENÜBERLIEGENDE SEITE GP-Wagen, zwei Fahrern und 43 Änderungen zeigten Uh- die Untertürkheimer am letzten Rennen des Jahres 1936 ger als sieben und gerade die wichtigsten: unter Rudolf LINKS Rudolf Uhlenhaut in der Box des Nürburgrings bei lenhaut, dass das Werkeln an den Symptonen langfristig Versuchsfahrten 1951 – dem Großen Preis von Italien in Monza – nicht mehr teil. Caracciola den Großen Preis von Deutschland auf dem nichts bringt, sondern dass die Ursachen gefunden und Nürburgring, den Großen Preis der Schweiz auf dem RECHTS OBEN „Regenmeister“ Rudolf Caracciola im W 25E geändert werden müssen, um erfolgreich zu sein. Von Geburtsstunde des W 125 auf dem Weg zum Sieg beim Monaco-Grand Prix 1936 Bremgartenkurs, den Großen Preis von Italien in Livorno Sebastian Vettel war nach seinem wenig erfolgreichen Für Mercedes war das Rennen in Bern der letzte Auf- RECHTS UNTEN Den Erfolg der Konstruktion des W 125 zeigt und den Masaryk Grand Prix bei Brünn, unter Hermann Saisonauftakt 2012 die Äußerung zu hören: „Wir müssen tritt in einem wenig erfolgreichen Rennjahr. Uhlenhaut dieses Foto vom großen Preis von Deutschland 1937, das die Lang den Tripolis Grand Prix und das Avus Rennen und versuchen, unseren Wagen besser zu verstehen.“ Das und die Ingenieure begannen daher mit der Konstruk- führende Meute in der Müllenbachkruve zeigt: Saßen die Piloten unter Manfred von Brauchitsch den . der Frontmotorwagen bisher deutlich höher als Ihre Konkur- ist mit anderen Worten genau das, was Uhlenhaut mit tion eines neuen Wagens, des W 125. Dessen wichtigste Damit war Rudolf Caracciola zum zweiten Mal Europa- renten in den Auto Union, so ist das jetzt nicht mehr der Fall. Die seinen Versuchsfahrten im August 1936 als Erster vor- Kennzeichen: Ovalrohrrahmen zur besseren Torsions- meister, und seine Teamkollegen belegten in der Endwer- Reihenfolge: Lang, Caracciola (der spätere Sieger), Rosemeyer, exerziert hat. festigkeit, übernommen vom 170 V, neue Vorderachse tung auch die nächsten drei Plätze. H.P. Müller. mit Querlenkern und Schraubenfedern, übernommen von der Baureihe 500/540 K, verbesserte Bremsen mit Wahrlich kein schlechtes Ergebnis für eine Neukon- unterschiedlicher Belaghärte im Auflaufbereich, tieflie- struktion! Und mehr als ein Gesellenstück für den erst gende Kardanwelle, um die Sitzposition des Fahrers und 31-jährigen Rudolf Uhlenhaut, der sein Meisterstück Literatur-Empfehlungen zum Thema Mercedes-Benz damit den Schwerpunkt abzusenken, Längslenker an der vierzehn Jahre später mit den Kürzeln W 194, W 196 Silberpfeile, antiquarisch und aktuell, folgen in einer De Dion-Hinterachse, Führung der Hinterachse mittels und W 198, besser bekannt als 300 SL, 300 SLR, Fan- der kommenden powerslide-Ausgaben. Gleitstein und in Lizenz die Porsche Drehstabfederung. gios Silberpfeil und last-but-not-least dem Uhlenhaut- Der Motor wurde vom Druckkompressor auf den ‚nassen‘ Coupé abliefern wird. Kompressor umgestellt, das bedeutet, der Kompressor verdichtet das Kraftstoffgemisch.

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