Rudolf Uhlenhaut Und Der Mercedes W
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MAGAZIN MERCEDES W 125 Text: Martin Schröder / Fotos: Archiv Martin Schröder, Histori- sches Archiv Mercedes Benz, Leica Studio Woerner, The Collier RUDOLF UHLENHAUT UND Collection, The Spitzley Collection, Sammlung Zwischengas DER MERCEDES W 125 RENNFAHRER DURCH # 3 DEN ZWANG DER UMSTÄNDE Das Schicksal angestellter Ingenieure und Konstrukteure ist, dass sie hinter dem großen Namen Ihres Un- ternehmens zurückstehen, manchmal gar nicht öffentlich bekannt werden, zumeist aber schnell vergessen werden. Oder erinnert sich heute noch jemand an Walter Bruch, den Erfi nder des PAL-Systems für das Farb- fernsehen, an Pierre Fenaille, der 1926 mit dem Tracta-Gelenk die grundlegende Konstruktion des homoki- netischen Gelenks patentierte, die die Voraussetzung des ruckfreien Laufs des heute üblichen Frontantriebs ist? Den Namen Ernst Fuhrmann gar, Konstrukteur des Vier-Nockenwellen-Motors im 356 Carrera und in frü- hen Rennsportwagen bei Porsche, kennen allenfalls historisch Interessierte. Eine Ausnahme macht da Rudolf Uhlenhaut, nach dem für den Konstrukteur darin, mit den Anfang der 30er Jahre ein in lediglich zwei Exemplaren gebauter Straßenrenn- bekannten Materialien das Optimum innerhalb dieses Ge- wagen benannt ist, das Uhlenhaut-Coupé. Dies wiederum wichtslimits zu erzielen. entstand aus dem 300 SLR, besser bekannt als Sieger- Der schnellste Mercedes dieser Jahre war der SSKL, für wagen von Moss/Jenkinson bei der Mille Miglia 1955. die schnellste Rennstrecke, die AVUS in Berlin, von Rein- Diesen Wagen hat sich Uhlenhaut als straßentauglichen hard Koenig-Fachsenfeld für Manfred von Brauchitsch Rennsportwagen bauen lassen, um die Fähigkeiten sei- mit einer Stromlinien-Karosserie versehen und dort er- ner Konstruktion selbst erfahren zu können. Denn Rudolf folgreich eingesetzt. Als Basis für einen Grand Prix-Wa- Uhlenhaut war neben seiner Ingenieurtätigkeit ein sehr gen nach der 750 kg-Formel war er mit einem Gewicht schneller Fahrer und soll bei Trainingsläufen dem großen von 1.500 kg für das Rolling Chassis allerdings nicht zu Fangio nicht viel nachgestanden haben. Allerdings verbot gebrauchen. ihm sein Arbeitsvertrag das Rennfahren, daher quasi als Notlösung das Coupé mit den heute berühmten Flügeltü- Die 1926 entstandene Firma Daimler-Benz AG war durch ren, das allerdings mit dem als W 198 bezeichneten ech- die Rennerfolge ihrer Vorgängerfi rmen Daimler Moto- ten Flügeltürer nicht viel gemeinsam hat. rengesellschaft (DMG) sowie Benz & Cie und natürlich auch die Siege am Nürburgring, bei der Tourist Trophy Will man den W 196 in seinen Ausprägungen als Mono- und der Mille Miglia entschlossen, sich an der neuen posto mit freistehenden Rädern, mit Stromlinienkarosse- Formel zu beteiligen. Allerdings war dies nur mit einer in rie und als zweisitzigen Rennsportwagen als Uhlenhauts jeder Hinsicht neuen Konstruktion möglich. So entstand Meisterstück betrachten, so ist der W 125 von 1937 sein unter der Leitung von Hans Nibel der als W 25 bezeich- Gesellenstück. Er hatte nicht nur den Grand-Prix-Wagen nete Grand Prix-Wagen, mit dem Rudolf Caracciola 1935 als integriertes System begriffen, sondern auch erkannt, die erste Europameisterschaft errang. Der W 25 mit Rei- wie wichtig es für einen Konstrukteur war, sich selbst ans henachtzylinder und hinterer Pendelachse wurde für die Steuer zu setzen. Saison 1936 weiterentwickelt: stärkerer Motor, Getriebe Vom SSK zum 750 kg-Formel Grand Prix Wagen und Differential an der Hinterachse (Transaxle), verkürz- Doch zurück in die Anfänge der von der AIACR (Interna- ter Radstand. tionaler Verband der anerkannten Automobil Clubs) 1932 Dominanz der Silberpfeile beschlossenen und ab 1934 gültigen 750 kg-Formel, die War 1935 die Dominanz der deutschen Konstruktionen das Maximalgewicht des Wagens auf 750 Kilogramm von Auto Union und Mercedes mit 13 Siegen in 14 Rund- ohne Kraftstoff, Kühlmittel, Öl und Reifen festlegte. Für streckenrennen für die Konkurrenz geradezu erdrückend den Rest hatte der Konstrukteur freie Hand. Hubraum, – lediglich Nuvolari gelang mit dem Alfa Romeo ein Sieg Aufl adung und Kraftstoff frei! Die Herausforderung dieser beim Großen Preis von Deutschland – so sah es vor dem erstmals in die Tat umgesetzten Gewichtsformel bestand Deutschland Grand Prix 1936 einigermaßen ausgegli- chen aus. Darauf weist die Schweizer Automobil Revue in ihrem Vorbericht vom Juli 1936 hin: „So ist also die Situa- GEGENÜBERLIEGENDE SEITE George Monkhouse‘ Meisterfoto: Rudolf Caracciola im W 125 tion am Vorabend des Grossen Preises von Deutschland bei der Coppa Acerbo in Pescara am 17. August 1937 zahlenmässig 2:2:2. Als wichtigstes Faktum wäre dem- DIESE SEITE nach festzuhalten, dass Alfa Romeo im dritten Jahre der Carlo Demands meisterhafte Zeichnung des W 125, die auf Gültigkeit der internationalen Rennformel seine ursprüng- unnachahmliche Weise die brutale Kraft mit der Eleganz der lichen Kinderkrankheiten überstanden hat und somit als Auspuffl inie in Einklang bringt. Formal gesehen markiert der gleichwertiger Konkurrent mit Mercedes-Benz und Auto- W 125 den Höhepunkt der 750 kg-Formel von 1934-1937. Union in die kommenden Rennen zieht.“ 54 JUNI 2012 55 MAGAZIN Mercedes W 125 Der Große Preis von Deutschland am 26. Juli 1936 bescherte dem wettmachen, dass sie höheren Einsatz wagen, größeres Risiko einge- Nürburgring die Rekordkulisse von 300.000 – manche Blätter be- hen und durch rücksichtslosere Fahrweise Bremsen, Getriebe, Kupp- richteten von 350.000 – rennbegeisterten Zuschauern - Start 11 Uhr, lung und Reifen höher belasten, mit dem Risiko des Ausfalls wegen bei sonnigem Wetter, 17 bis 19 Grad, zu fahren 22 Runden je 22,81 teilweise geringfügiger Störungen. Außerdem verursacht die hintere Kilometer gleich 501,82 Kilometer. Rosemeyer hängte in der dritten Pendelachse beim Mercedes Disharmonie im Gesamtfahrzeug, vor Runde die Latte sehr hoch, indem er den Ring mit seinen 150 Kur- allem auf schlechten Straßen.“ ven und einem Höhenunterschied von 300 Metern als erster Fahrer Uhlenhaut taucht auf mit 9’56.3 min unter zehn Minuten umrundete. Er gewann auch das Der Misserfolg vom Nürburgring, den dieser Brief treffend zusam- wichtigste Rennen der Saison und stieg damit in den kleinen Kreis menfasst, hatte bei Mercedes als Sofortmaßnahme die Neuorga- siegfähiger Grand Prix-Piloten auf. nisation der Wettbewerbsabteilung zur Folge, indem zwischen der Großer Preis von Deutschland 1936 und die Folgen Teamleitung Alfred Neubauers und der Konstruktionsabteilung die Doch zurück zum Thema „Uhlenhaut und der W 125“. Der Große Preis neu geschaffene „Rennabteilung“ installiert wurde, die direkt dem von Deutschland endete für Mercedes mit drei Ausfällen von fünf Ein- Leiter der Versuchsabteilung, Fritz Nallinger, unterstand. satzfahrzeugen, einem fünften Platz mit einer Runde Rückstand für Die Rennabteilung war verantwortlich für den Bau, die Vorbereitung das Team Caracciola/Fagioli – Fahrerwechsel waren erlaubt – und und die Versuchsfahrten der Rennwagen, die anschließend an Alfred einem siebten Platz mit zwei Runden Rückstand für von Brauchitsch/ Neubauers Sportabteilung für den Einsatz übergeben wurden. Zur Lang. Zu der Paarung Caracciola/Fagioli war es gekommen, weil der Leitung der neuen Rennabteilung wurde der 30-jährige Rudolf Uh- Italiener gegenüber Mercedes-Teamleiter Neubauer seine Meinung lenhaut berufen, stets freundlich lächelnder Sohn eines Deutschen über die Unfahrbarkeit des Wagens recht deutlich zum Ausdruck ge- und einer Engländerin, seit fünf Jahren im Haus tätig und dort mit bracht hatte, nachdem er von Rosemeyer überrundet worden war. der Entwicklung des Mercedes 170 V betraut. Später wird sich her- War das internationale Presseecho eher negativ, was die Mercedes ausstellen, dass dieses Vertrauen in einen jungen Ingenieur einen der Silberpfeile anbelangte, so nahm die deutsche Presse doch erkenn- bedeutendsten Rennwagenentwickler hervorgebracht hat. bar Rücksicht auf den großen deutschen Hersteller und hielt sich mit Kritik weitgehend zurück. August Christ aber, Chefredakteur des AvD-Organs „Automobil Revue“, sah sich veranlasst, seine und die Meinung der Motorjournalisten in einem Brief an den Vorstand der DIESE SEITE Daimler-Benz AG zusammenzufassen: „Das Urteil über die Leistungs- Nachwuchsfahrer Christian Kautz beim Großer Preis der Schweiz 1937 auf dem fähigkeit und das Durchhaltevermögen des Mercedes-Benz-Renn- Bremgarten-Kurs bei Bern. Auch hier gut zu beobachten: Die tiefe Sitzposition motors ist einstimmig günstig. Die spezifische Leistung des Mercedes des Fahrers. Keine Seltenheit war in den dreißiger Jahren der Wechsel von Motors liegt über dem der Auto Union. Trotzdem reicht sie nicht aus, Asphalt zu Kopfsteinpflaster. um den Vorsprung des größeren Zylinderinhalts des Konkurrenzmo- GEGENÜBERLIEGENDE SEITE tors wettzumachen. Der große Vorteil des Auto Union Motors liegt OBEN Ein Trainingswagen beim Großen Preis von Deutschland 1937 zeigt ein interessantes Detail: der Motor ist leicht nach hinten geneigt eingebaut, um in der Zusammenfassung von Motor, Getriebe, Differential und aller die Kardanwelle möglichst tief unter dem Fahrersitz hindurch zu führen. Das Antriebsaggregate in einem Block, wodurch die bessere Ausnut- wiederum verlagert den Schwerpunkt nach unten. zung des Bauvolumens und Gewichtes zugunsten höherer Leistung UNTEN Training zum Großen Preis von Deutschland 1937 auf dem Nürburg- möglich ist. Ihre Nachteile müssen die Mercedes-Fahrer dadurch ring: Hans Stuck (rechts) nimmt Caracciolas W 125 ins Visier 56 JUNI 2012 57 MAGAZIN Mercedes W 125 Zur Beseitigung dieser Mängel