Faust Im Film Faust Im Film Faust
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Faust im Film Faust im Film Faust 13 FAUST. EINE DEUTSCHE VOLKSSAGE EINE DEUTSCHE FAUST. Der Teufel in der politischen Maschine So stand nicht nur von Anfang an die Möglichkeit Spricht man vom Teufelspakt, wenn einer gegen Reich- im Raum, das puritanische Experiment könnte schei- tum, aber auch um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, tern, war doch nie auszuschließen, dass einige deren ein Bündnis mit einem Anderen einzugehen bereit ist, Mitglieder sich gegen dämonische Verführungen nicht das seinen Moralvorstellungen entgegensteht, erhält zur Wehr setzen konnten. Eben dieser Teufel wurde am dieses Denkbild im kulturellen Imaginären Ameri- Ende des 17. Jahrhunderts erneut ins Spiel gebracht, kas eine ganz eigene Brisanz. Die strengen Puritaner als im Laufe des wirtschaftlichen Aufschwungs der waren mit einem göttlichen Auftrag in die neue Welt ersten Kolonien die Neuengländer eine Lust am Wohl- übergesiedelt. Noch während der Überfahrt auf dem stand entdeckten. Die berüchtigten Hexenprozesse von Schiff »Arabella« hatte der Prediger John Winthrop den Salem dienten zwar vordergründig als Beweis, dass die zukünftigen Bewohnern von Neuengland versprochen: Macht des Teufels weiterhin in ihrer Mitte waltete. Es Jene religiöse Gemeinde, welche sie dort zu gründen galt aber zugleich – als politischer Nebeneffekt –, eine vorhatten, würde von allen, die ihnen nicht gefolgt strenge Regelung sinnlicher Gelüste wieder geltend waren, als eine city upon a hill betrachtet werden. De- zu machen. Denn auch in dem Sinn hatte der Teufel ren Hauptstadt Boston sollte ein Ideal an Nächstenliebe seine Hand im Spiel, als von Anbeginn zwei Seelen in und kommunaler Zuneigung repräsentieren. Zugleich der Brust der Neuengländer walteten. Vom Erfolg des aber hing an diesem Versprechen eine Vorahnung. Kapitalismus angespornt, gesellte sich in den ersten Sollte es den Puritanern nicht gelingen, ihren beson- Kolonien bald ein Streben nach Prosperität dem Leben deren Vertrag mit Gott aufrechtzuerhalten, würden sie im Zeichen der Bibel an die Seite. in den Augen der restlichen Welt dessen Bestrafung Und so benötigte es nicht nur harte Gerichtsstrafen, ausgesetzt. um die Neuengländer immer wieder auf den rechten Pfad des sittlichen Lebens zu bringen. Es brauchte Die Verteufelung des irdischen Wohlstandes, zu auch moralische Legenden, die vor Augen führten, dem Jabez sich hat verführen lassen, erhält allerdings welch schreckliches Ende das Privilegieren eines rein in einem Amerika, das selbst kurz vor dem Kriegseintritt materiellen Wohlstands nehmen könnte: So auch Wa- steht, eine brisante Zusatzbedeutung. Die mit französi- shington Irvings »The Devil and Tom Walker« (1727). schem Akzent sprechende Verführerin, die Mr. Scratch Dort geht ein selbstsüchtiger Geizhals mit einem Frem- seinem Opfer schickt, wird nicht nur zur schillernden den, der sich lakonisch »Old Scratch« nennt, einen Pakt Nebenbuhlerin der bescheidenen Mary Stone. Belle ein. Wenige Jahre später ist Tom Walker an der Börse verleitet deren Gatten auch dazu, einen Lebensstil der zum erfolgreichen Geldleiher geworden. Glück aller- Muße und des Luxus anzunehmen, der deutlich fremd- dings bringen ihm seine Gewinne nicht, will er doch al- ländische Züge trägt. Die Villa, die Jabez sich baut, soll les Geld, das er durch unlautere Mittel erzielt hat, nicht an das europäische Großbürgertum erinnern, welches freizügig ausgeben, sondern weiterhin horten. Zudem mit dem Faschismus einen eigenen Teufelspakt einge- entpuppt sich dieser Besitz als reiner Trug. Nachdem gangen war. Das moralische Gegengewicht hingegen der Teufel ihn geholt hat, verfällt alles – sein Haus, sei- bildet die von Jane Darwell gespielte Mutter. Bekannt ne Pferde, sein ganzes Gold und Silber, wie auch jene aus John Fords GRAPES OF WRATH, stellt sie ein auf Faust im Film Faust Verträge, mit denen er seine Mitmenschen in die Armut ihrem religiösen Glauben abgestütztes Selbstver- 14 gestürzt hat – zu Schutt und Asche. Das Erbe seiner trauen zur Schau, dass sich vom Versprechen nach so- Verfehlung entpuppt sich stattdessen als schreckliches zialem Aufstieg nicht blenden lässt. Geld – so die von Exempel. Sein Pakt mit dem Teufel wird zum Sprichwort ihr vertretene Moral – kann dem Einzelnen kein Glück und somit zur Warnung an seine Nachfahren, in ihrem bringen, wenn es auf Kosten der Nächstenliebe geht. Streben nach Glück das eigene Seelenheil nicht außer Die kapitalistische Ausbeutung, zu der der Teufel ih- Acht zu lassen. ren Sohn verführt hat, steht im Widerspruch zu jener nachbarlichen Hilfsbereitschaft, welche die ländlichen Der Teufelspakt, der in Hollywood nach der Macht- Gemeinden Neuenglands für sich in Anspruch nehmen. übernahme der Nationalsozialisten in Deutschland zum Die moralische Botschaft des Films ist allerdings Thema wird, nimmt – inspiriert durch diese kurze No- widersprüchlich. Der Teufel mag zwar nicht aus New velle – eine weit finsterere Gestalt an, betrifft er nun Hampshire stammen, dennoch ist seine Wirkungskraft doch auch die Politik. Gezielt greift der von William aus dem amerikanischen Projekt nicht wegzudenken. Dieterle im Jahre 1941 gedrehte Film THE DEVIL AND Die Gerichtsverhandlung, auf die die Handlung hinaus- DANIEL WEBSTER auf den legendären Mr. Scratch zu- läuft, beweist zweierlei. Mit dem Hinweis darauf, dass rück, verlegt den Schauplatz aber von Boston in das der Mensch seine Seele braucht, um für die Freiheit zu ländliche New Hampshire. Zugleich fasst der Teufel kämpfen, gelingt es Daniel Webster, den Teufelspakt für gleich zwei Figuren in den Blick. Früh im Film wird ungültig erklären zu lassen. Der Richter und die Ge- der New Deal Senator Daniel Webster in einer nächt- schworenen, die ihm Recht zusprechen, sind allerdings lichen Szene eingeführt, in der er bei Kerzenlicht an allesamt Figuren aus der Zeit vor und um die ameri- einer Rede schreibt, mit der er sich im Kongress für kanische Revolution, die in den Geschichtsbüchern als die Anliegen der zahlungsunfähigen Bauern des Lan- Lügner, Verräter und Betrüger tradiert worden sind. Es des einsetzen will. Hoch über ihm an der Wand ragt der mag zwar sein, dass im Jahr 1941, in dem die USA Schatten des Teufels, während dessen Stimme auf ihn einredet. Dieser Einsatz, versichert er ihm, würde seiner Ambition, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, nur schaden. Doch Daniel Webster lässt sich von dieser Drohung nicht einschüchtern, schlägt mit der Faust auf den Tisch, und befiehlt der dämonischen Stimme still zu sein. Diese Willensstärke besitzt der junge Farmer Jabez Stone, dem eine Zwangsversteigerung seines Bauernhofes droht, nicht. In seiner Verzweiflung zeigt er sich bereit, für sieben Jahre Wohlstand seine Seele zu verkaufen. Bald darauf bringen seine Weizenfelder Jahr für Jahr eine kostbare Ernte ein, während er die Rolle jenes Geldleihers übernimmt, der ihn fast ruiniert hätte. THE DEVIL AND DANIEL WEBSTER zwielichtigen Deals, die Nick Beal ihm aufzwingt, hät- te er den Wahlkampf nicht gewonnen. Dem Genre des Film Noir entsprechend, gibt es keine klare Grenze zwischen Gut und Böse. Dennoch setzt auch diese Handlung auf moralische Erbauung. Ehrgeiz und per- sönlicher Ruhm müssen als jene Charaktereigenschaf- ten vorgeführt werden, die einen Politiker bestechlich machen. Nur so kann der Betroffene seine Schuld ein- sehen, nur so kann er Reue zeigen. Und nur so kann die Vorstellung eines ur-amerikanischen Anstands, der sich in der Kultur des Kalten Krieges vermeintlich für Freiheit einzusetzen bereit ist, zumindest als anzustrebendes Ideal wiedergewonnen werden. Die Instanz moralischer Redlichkeit ist einmal mehr weiblich. Wiederholt wird Foster aufgrund seiner tyran- nischen Haltung von seiner Gattin mit Hitler verglichen. im Film Faust Sie ist es auch, die im letzten Augenblick den geläuter- 15 ten Gatten vor dem Teufel rettet und wieder mit nach Hause nimmt. Nick Beal hingegen verflüchtigt sich, ALIAS NICK BEAL nachdem er diese eine Seele wieder verloren hat, in der sich tatsächlich an einer politischen Wegscheide be- Dunkelheit der Nacht. Doch seine Stimme, die in der fanden, ein wortgewandter Senator selbst in Schurken Eröffnungssequenz aus dem Off eine Warnung ausge- den Geist des Patriotismus zu wecken vermochte. Galt sprochen hatte, hallt nach: Jedem Mann, das hatte er es doch explizit, die Einheit der Nation zu bestätigen. seinem Opfer versichert, wohnt eine Unvollkommenheit, Zugleich aber wird durch den Auftritt dieser Geister des eine fatale Schwäche, und somit der Samen der Zer- kolonialen Amerikas ersichtlich, wie sehr der Teufel zur störung inne. War es die Pointe der Handlung, diese Gründung dieser demokratischen Union maßgeblich Fehlbarkeit vorzuführen, dann nicht um sie ein für alle beigetragen hat. Zwar ist am Ende die Gemeinschaft Mal zu tilgen. Vielmehr gilt auch hier die Aufmerksam- wieder hergestellt und die Familie Stone mit ihren keit darauf zu lenken, dass das Streben nach poli- Nachbarn versöhnt. Die letzte Einstellung aber gehört tischem Einfluss und teuflische Ambition unweiger- dem Teufel. Nachdem er in seinem schwarzen Buch lich miteinander verschränkt sind. Die einzige Abwehr nach einem neuen Opfer gesucht hat, blickt er plötzlich besteht darin, sich dieser dunklen Kraft gewahr zu wer- direkt in die Kamera und zeigt mit seinem Finger auf den. Dass der Teufel selber diese Warnung ausspricht, uns: genau wie Uncle Sam auf dem berühmten Plakat, um auf die Nachhaltigkeit seiner Macht zu bestehen, welches 1917 zum ersten Mal zur Rekrutierung von zeigt, wie sehr auch in Hollywood eine Figur, die das Soldaten eingesetzt wurde.