Diana Blichmann: Zirkulation Und Professionalisierung Im Bild
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Diana Blichmann: Zirkulation und Professionalisierung im Bild. Eine Studie zur Hasse-Ikonologie Schriftenreihe Analecta musicologica. Veröffentlichungen der Musikgeschichtlichen Abteilung des Deutschen Historischen Instituts in Rom Band 52 (2015) Herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Rom Copyright Das Digitalisat wird Ihnen von perspectivia.net, der Online-Publikationsplattform der Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland, zur Verfügung gestellt. Bitte beachten Sie, dass das Digitalisat der Creative- Commons-Lizenz Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Keine Bearbeitung (CC BY-NC-ND 4.0) unterliegt. Erlaubt ist aber das Lesen, das Ausdrucken des Textes, das Herunterladen, das Speichern der Daten auf einem eigenen Datenträger soweit die vorgenannten Handlungen ausschließlich zu privaten und nicht-kommerziellen Zwecken erfolgen. Den Text der Lizenz erreichen Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/legalcode Zirkulation und Professionalisierung im Bild Eine Studie zur Hasse-Ikonologie Diana Blichmann Zu den zentralen Inhalten des Musici-Projektes gehört die Migration europäischer Musiker nach Italien. Die Beziehung zwischen der im Herkunftsland erlangten Pro- fessionalisierung und der Eingliederung dieser Musiker in den italienischen Musik- markt wie auch ihre berufliche Karriere in Venedig, Rom und Neapel werden grundsätzlich hinterfragt. Anhand eines ikonographischen Vergleichs und einer iko- nologischen Interpretation wird in diesem Beitrag insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Grad der Professionalisierung Hasses nach seinem Aufenthalt in den italienischen Opernstädten und nach der Rückkehr in sein Heimatland untersucht. Die Zirkulation beziehungsweise die Phase der Studienreise Hasses zwischen italie- nischen Opernstädten wie auch seine sozialen und musikalischen Aktivitäten in Italien werden als Fundament für die Professionalisierung Hasses am Dresdner Hof gesehen. Im Folgenden sei daher das Phänomen der Wiedereingliederung des Kom- ponisten in den deutschen Musikmarkt nach seinem zwölfjährigen Italien-Aufent- halt betrachtet. Nach seiner kurzen Begegnung mit Johann Adolf Hasse im Jahre 1772 berichtet Charles Burney von dessen großer und üppiger Gestalt, Spontaneität, Manierlich- keit und Weltgewandtheit. Diese Eigenschaften vermitteln dem Italien-Reisenden den Eindruck, er habe in nicht mehr als einer Viertelstunde mit Hasse verkehrt wie mit einer seit Langem bekannten Person.1 1 Charles Burney, Viaggio musicale in Germania e Paesi Bassi, hrsg. von Enrico Fubini, Turin 1986, S. 105, 119, 133 (englische Originalausgabe: The Present State of Music in Germany, the Netherlands, and United Provinces, London 1773). Die Arbeit an diesem Forschungsbeitrag wurde von verschie- denen Personen unterstützt, denen an dieser Stelle gedankt sei: Marianne Koos (Université de Fri- bourg, Département des Sciences Historiques, Domaine Histoire de l’art et Archéologie), Matteo Sartorio (Archivio del Museo Teatrale alla Scala e Biblioteca Livia Simoni di Milano), Janine Schütz (Historisches Archiv der Semperoper Dresden), Alfredo Vitolo (Biblioteca della musica di Bologna) und Frau Wobad (Staatliche Kunstsammlungen Dresden). Ein herzlicher Dank gilt nicht zuletzt Anne-Madeleine Goulet, die mich mehrfach dazu ermuntert hat, diesen Artikel zu verfassen. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner dem Pôle recherche du Centre de musique baroque de Versailles für die großzügige finanzielle Unterstützung. Zirkulation und Professionalisierung im Bild 347 Diese Beschreibung wird von überlieferten Bildquellen unterschiedlicher Natur flankiert, die von der Silhouette, der Karikatur, dem Kupferstich und dem Druck bis zum Ölgemälde reichen.2 Der Komponist wird in diesen kunsthistorischen Quellen in verschiedener Manier und Pose häufig gemeinsam mit seiner Gattin Faustina Bordoni als Pendant-Bild oder Doppelporträt dargestellt. Zu ihnen gehören eine um 1739 von Pier Leone Ghezzi angefertigte Skizze, auf der auch Faustina Bordoni abgebildet ist (London, The British Library); ein weder signiertes noch datiertes Miniaturbildnis Hasses in rot-blau-goldener Weste, braunem Samtrock und rotem Mantel, das seit 1763 Felicita Hoffmann Sartori zugeschrieben wird und als Pen- dant-Bild der Faustina zugekehrt ist, wobei beide leicht schräg ins Bild gesetzt, den Kopf en face drehend, aus dem Pastell auf den Betrachter herausblicken (Dresden, Gemäldegalerie)3 sowie ein Porträtstich von Lorenzo Zucchi, der auf einem nicht erhaltenen Entwurf von Pietro Antonio Rotari basiert und dessen Probedruck aus dem Jahre 1731 stammt.4 Auf diesen Stich gehen neun weitere, mehr oder weni- ger Hasse ähnelnde Stiche, Lithografien und Zeichnungen verschiedener Autoren zurück.5 Ferner ist ein Schattenriss des Komponisten, der als Büste der Faustina zugewandt ist, in einer Druckwiedergabe aus dem 18. Jahrhundert erhalten6 wie auch ein 1818 erschienener Druck von Domenico Klemi Bonatti nach einem Bild von Giovanni Antonio Bosio (Privatsammlung). Zu den nicht authentischen Bildquellen gehören ein im Pastellsaal der Ca’ Rezzonico in Venedig aufbewahrtes Ölgemälde eines Herrn in roter Brokatjacke (Ritratto di gentiluomo in rosso) von Rosalba Carriera, das Johann Adolf Hasse im Alter 7 von 40 Jahren abbilden könnte. Von einem Bildnis des Balthasar Denner-Schülers 2 Eine Bronzebüste befindet sich zudem vor dem Geburtshaus des Komponisten in Bergedorf bei Hamburg. 3 Vgl. Karoline Czerwenka-Papadopoulos, Typologie des Musikerporträts in der Malerei und Graphik. Das Bildnis des Musikers ab der Renaissance bis zum Klassizismus, Wien 2007, Bd. 2, Abb. 332 und 332a. Der Autorin zufolge malte die Schülerin Rosalba Carrieras das Pastell zwischen 1735 und 1740 (vgl. ebd., Bd. 1, S. 106). Erna Brand unterlief diesbezüglich ein Zuschreibungsfehler. Bei der Abbildung Nr. 2, auf der ihr zufolge Johann Adolf Hasse abgebildet ist, handelt es sich vielmehr um das von Anton Raphael Mengs gemalte Porträt des Sängers Domenico Annibali. Dagegen stellt die Abbildung Nr. 3 bei Brand nicht den Sänger, sondern Johann Adolf Hasse in der Miniatur Sartoris dar. Vgl. Erna Brand, Sängerbildnisse aus dem 18. Jahrhundert in der Gemäldegalerie Alte Meister, in: Dresdner Kunstblätter 1967, S. 6–10: 7 und 9. 4 Auf dem Stich heißt es »C. F. Rotari pinxit | L. Zucchi Dresda fecit«. Der Kupferstich ist abgebildet in Czerwenka-Papadopoulos, Typologie des Musikerporträts, Bd. 2, Abb. 294. Zur Datierung vgl. auch ebd., Bd. 1, S. 189. Obwohl der hier abgebildete Hasse viel jünger als 53 Jahre ist, datieren Mellace und Mehler den Stich auf nicht vor 1752. Vgl. Raffaele Mellace, Johann Adolf Hasse, Palermo 2004, S. 35, und Ursula Mehler, Rosalba Carriera: considerazioni sulla sua formazione artistica, su un disegno berlinese e sul »Gentiluomo in rosso« di Ca’ Rezzonico, in: Rosalba Carriera 1673–1757, hrsg. von Giuseppe Pavanello, Venedig 2009, S. 171–180: 180. 5 Vgl. http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/manskopf/apersonen.htm (Zugriff am 22. Juni 2012). 6 Vgl. Czerwenka-Papadopoulos, Typologie des Musikerporträts (wie Anm. 3), Bd. 2, Abb. 303. 7 Mehler und anderen zufolge ähnelt das Porträt der Hasse-Miniatur Felicita Hoffmann Sartoris. Zur Zuschreibungsfrage vgl. Ursula Mehler, Rosalba Carriera 1673–1757. Die Bildnismalerin des 348 Diana Blichmann Dominicus van der Smissen in der Berliner Staatsbibliothek wie auch von einem im Warschauer Königsschloss aufbewahrten Porträt Antoni Albertrandis kann ebenfalls nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es sich bei diesen Darstellungen um Johann Adolf Hasse handelt.8 Ferner scheint ein von Anton Raphael Mengs angefertigtes Bildnis des Komponisten nicht erhalten.9 Da die beiden einzigen authentischen, zu unterschiedlichen Zeiten entstande- nen Porträt-Gemälde des Komponisten noch nicht in zufriedenstellendem Maße untersucht wurden, sollen in diesem Beitrag die Ikonographie und die ikonologi- sche Relevanz der Personendarstellung erörtert und präzisiert werden: Ein erstes Ölgemälde (51 × 31 cm), das von unbekannter Hand angefertigt wurde, befindet sich im Museum des Teatro alla Scala in Mailand (Abbildung 1). Das zweite Ölgemälde (76,8 × 63,8 cm) aus der Sächsischen Staatsoper in Dresden stammt von Balthasar Denner (Abbildung 2). Zur Entstehung des Mailänder Gemäldes Während man bei Denners Gemälde sicher davon ausgehen kann, dass es im Jahre 1740 in Hamburg von ihm fertiggestellt wurde (»Adolff Hasse 1740 | In Hamburg | Denner. Pixit«),10 ist das Mailänder Exemplar weder datiert noch signiert. Zur Pro- venienz dieses Hasse-Bildnisses ist nur bekannt, dass es dem Mailänder Museum im Jahre 1914 vom Verein »Amici del Museo del Teatro della Scala« geschenkt wurde. Sein Entstehungsland kann jedoch aus den Details des Gemäldes hergeleitet werden: Der italianisierte Name des Komponisten »Gio: Addolfo Asse | Sassone«, 18. Jahrhunderts, Königstein 2006, Anm. 5 und 140, und die dort angegebene Literatur, wie auch Dies., Rosalba Carriera: considerazioni (wie Anm. 4), S. 176–180. Andreas Henning hat sich allerdings für die Identifikation mit Joseph Anton Gabaleon von Wackerbarth-Salmour ausgesprochen. Vgl. Andreas Henning, Rosalba Carriera e la collezione dei suoi pastelli a Dresda, in: Rosalba Carriera 1673–1757 (wie Anm. 4), S. 273–360: 279. Beide Bildnisse sind abgebildet in: dass., S. 178, Abb. 6 (Carriera, Ritratto di un gentiluomo in rosso, Venedig, Ca’ Rezzonico) und S. 281, Abb. 5 (Dies., Ritratto del conte Wackerbarth-Salmour, Dresden, Gemäldegalerie). 8 Vgl. Krzysztof Lipka, Ein Warschauer Porträt von Johann Adolf Hasse, in: Johann