Von brutalen Barbaren und dekadenten Despoten Sword and Sorcery als Fiction im Spannungsfeld von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘

Inaugural-Dissertation in der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

vorgelegt von Christian Schneider aus Roth

D 29

Tag der mündlichen Prüfung: 27.11.2015

Dekan: Universitätsprofessor Dr. Rainer Trinczek Erstgutachter: apl. Professor Dr. Dieter Petzold Zweitgutachterin: Universitätsprofessor Dr. Heike Paul

Zusammenfassung:

Mit sword and sorcery (S&S) steht eine wenig erschlossene Untergattung der fantasy fiction (FF) im Fokus dieser Arbeit. Einleitend wird erläutert, dass es sich bei S&S um einen relevanten Untersuchungsgegenstand handelt, da diese Untergattung nicht nur äußerst populär ist, sondern auch einen relevanten und einflussreichen Teilbereich der inzwischen als Forschungsfeld etablierten FF darstellt. Veranschaulicht wird dies anhand der Darstellung von S&S in einschlägigen Überblickswerken zur FF. In Anlehnung an Brian Atteberys Gattungsmodell wird Tolkiens (LOTR) als zentrales Werk der Gattung ‚FF‘ betrachtet. Zudem wird nachgewiesen, dass, gemäß allgemeinem Konsens, mit Robert E. Howards -Reihe ein ebenso zentrales Werk der Untergattung ‚S&S‘ existiert. Als weitere wichtige Autoren von S&S, die im Fokus dieser Arbeit stehen sollen, werden Fritz Leiber und Samuel R. Delany ausgemacht. Unter Erwähnung zahlreicher bereits vorhandener Studien wird veranschaulicht, dass dem Spannungsfeld von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ innerhalb der FF, bedingt durch deren historische Wurzeln, eine besondere Rolle zukommt. Es existieren zahlreiche Hinweise darauf, dass dieses Spannungsfeld für S&S ebenso wichtig ist, dort jedoch völlig anders thematisiert wird. Die Ambiguität der Begriffe ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ erfordert an dieser Stelle eine Begriffsklärung sowie die Formulierung von Leitfragen, deren Bearbeitung in dieser Dissertation im Mittelpunkt steht. Es wird ein Ansatz gewählt, der sich nicht auf ökologische Aspekte beschränkt, sondern auch soziokulturelle, politische und geistesgeschichtliche Dimensionen einschließt. Bevor es zu einer Bearbeitung der Leitfragen kommt, erfolgt in Kapitel 2 eine Auseinandersetzung mit der Definitionsproblematik, der sich jede Arbeit gegenübersieht, die sich mit FF beschäftigt. Unter Einbeziehung der Gattungsgeschichte sowie der Theorien Brian Atteberys und Brian Stablefords werden Definitionen erstellt und Prozesse veranschaulicht (wie etwa hybridization und chimerization), die sich eignen, um die Gattung und ihre Entwicklung zu beschreiben. Im Anschluss erfolgt eine kurze Beschäftigung mit den eingangs aufgestellten Leitfragen in Bezug auf typische FF im Stile Tolkiens. Es wird nachgewiesen, dass diese in der Regel eine ökologische, fortschrittskritische Botschaft enthält. Zudem spielt die Idee einer scala naturae und somit einer ‚natürlichen‘ Ordnung der Dinge, in der jedem Individuum ein vorbestimmter Platz zugewiesen wird, eine wichtige Rolle. Danach folgt eine Übersicht über Wesen und Entstehung der Untergattung ‚S&S‘. Anschließend findet unter Kapitel 3 eine ausführliche Analyse der S&S-Texte Howards, Leibers und Delanys statt. Hierbei stellt sich heraus, dass Howards Erzählungen von Zivilisationskritik geprägt sind und sich an solchen Theorien orientieren, die Darwins Evolutionslehre auf menschliche Gesellschaften zu übertragen suchen. Howards Texte zeugen von einer liberalen Grundhaltung, die jedoch bisweilen im Widerspruch zu bestimmten rassistischen Tendenzen steht. Leiber und Delany greifen das von Howard aufgestellte Grundmuster auf, unterziehen es jedoch einer Parodisierung und Subversion. Letztere ist bei Delany noch wesentlich stärker aus geprägt als bei Leiber. Trotz dieser Subversionserscheinungen ist den Werken aller drei Autoren eine pessimistisch-nihilistische, existentialistisch angehauchte Grundhaltung gemein, die dafür sorgt, dass S&S weniger klare Botschaften als typische FF enthält. Eine Ausnahme stellt hier Delany dar, dessen Werk einen klaren, sozialkritischen Bezug zur amerikanischen Gesellschaft und deren Umgang mit Frauen und Afroamerikanern aufweist. Bei keinem der untersuchten S&S-Autoren spielt eine scala naturae eine Rolle, wie sie für FF im Stile Tolkiens typisch ist. Vielmehr wird die persönliche Freiheit des Einzelnen als höchstes Gut erachtet, was in einer abschließenden Betrachtung in Kapitel 4 positiv bewertet wird. Das Beispiel Delanys zeigt zudem, dass S&S eine äußerst vielschichtige und für neue Entwicklungen offene Untergattung ist, die sich auch für moderne Forschungsansätze aus dem Bereich der gender studies oder African American studies eignet.

Inhalt

1. Einleitung 1.1 Eine anrüchige Gattung? … … … … … 7 1.2 Studien zu sword and sorcery … … … … … 9 1.3 Zum Verhältnis von sword and sorcery zu fantasy fiction … … … 11 1.4 Das Spannungsfeld von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ … … … … 20 1.5 Zur Textauswahl … … … … … 25

2. Sword and sorcery als Untergattung der fantasy fiction 2.1 Fantasy fiction: Die Definitionsproblematik … … … … 29 2.2 Die historische Entwicklung der fantasy fiction … … … … 34 2.3 Fantasy fiction im Zeichen des Spannungsfeldes von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ 2.3.1 Auseinandersetzung mit den Begriffen ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ … … 45 2.3.2 ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ in der Literatur … … … … … 47 2.3.3 ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ in der fantasy fiction … … … … 53 2.4 Sword and sorcery: Wesen und historische Entwicklung 2.4.1 Robert E. Howards sword and sorcery als hybride fantasy fiction … 65 2.4.2 Howards Epigonen und die Formel von sword and sorcery … … 87 2.4.3 Fritz Leiber … … … … … 92 2.4.4 Samuel R. Delany … … … … … 95 2.4.5 Weitere Autorinnen und Autoren … … … … … 102

3. Die Weltentwürfe in den Erzählungen von Howard, Leiber und Delany 3.1. Gesellschaftliche Strukturen und politische Ideologien 3.1.1 Robert E. Howard 3.1.1.1 Weltbild und Geschichtsverständnis … … … … 109 3.1.1.2 ‚Barbarei‘, ‚Zivilisation‘ und die perfekte Gesellschaft … … 113 3.1.1.3 Politische Ideologien in Howards Werk … … … … 122 3.1.2 Fritz Leiber 3.1.2.1 ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ bei Fritz Leiber … … … 128 3.1.2.2 Gesellschaft und Politik in Leibers Erzählungen … … … 132 3.1.2.3 Die Rolle von Ironie und Parodie … … … … … 134 3.1.3 Samuel R. Delany … … … … … 137 6

3.2 Weltanschauung und Ethik 3.2.1 Robert E. Howard 3.2.1.1 Das Recht des Stärkeren: Howard und die Evolutionslehre … … 140 3.2.1.2 Robert E. Howard und das Christentum … … … … 149 3.2.1.3 Reinkarnation und Okkultismus … … … … … 155 3.2.1.4 Dominierende Religionen in Howards Welten … … … 160 3.2.1.5 Howard und der Existentialismus … … … … … 164 3.2.1.6 Das resultierende Wertesystem … … … … … 168 3.2.2 Fritz Leiber 3.2.2.1 Einflüsse der Evolutionslehre … … … … … 171 3.2.2.2 Leibers Helden und die Moral … … … … … 172 3.2.2.3 Religion in Leibers Werken … … … … … 173 3.2.2.4 Das resultierende Wertesystem … … … … … 176 3.2.3 Samuel R. Delany 3.2.3.1 Delanys Protagonisten und die Moral … … … … 178 3.2.3.2 Religion in Delanys Nevèrÿon-Reihe … … … … 180 3.2.3.3 Das resultierende Wertesystem … … … … … 182 3.3 Gender und race 3.3.1 Robert E. Howard … … … … … 183 3.3.2 Fritz Leiber … … … … … 189 3.3.3 Samuel R. Delany … … … … … 193 3.4. Die ökologische Perspektive 3.4.1 Robert E. Howard … … … … … 203 3.4.2 Fritz Leiber … … … … … 207 3.4.3 Samuel R. Delany … … … … … 209

4. Fazit und abschließende Überlegungen … … … … … 211

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1. Einleitung

1.1 Eine anrüchige Gattung?

Die Gattung der fantasy fiction hatte es nie einfach. Seit ihren Kindertagen als eskapistisch belächelt und vom literarischen Establishment weitgehend ignoriert, bedurfte sie des enormen Erfolges von J. R. R. Tolkiens The Lord of the Rings, sowie eines grundlegenden Paradigmenwechsels innerhalb der Literaturwissenschaft, um von dieser als Forschungsgegenstand wahrgenommen zu werden. Bis dato hatte man sich nahezu ausschließlich mit sogenannter ‚Hochliteratur‘ beschäftigt, die bestimmten ‚realistischen‘ Konventionen folgt – „conventions that […] were generally used as defining criteria for great or serious fiction“ (Attebery VII) – und jegliche Literatur, die diesen Konventionen zuwiderläuft, entsprechend abgewertet. Erst das Aufkeimen neuer literaturtheoretischer Denkweisen und die damit verbundene Änderung im Selbstverständnis der Literaturwissenschaft, die nun auf neue Wertungskriterien zurückgriff, weckten das Interesse der akademischen Welt an der fantasy fiction (ebenso wie an anderen einstmals marginalisierten Formen der Literatur). Die immense Popularität von Tolkiens magnum opus, das zu einer Zeit erschien, als diese Umwälzungen gerade ihren Anfang nahmen, rückte das Werk in den Mittelpunkt der Untersuchungen. Als Ergebnis liegt uns heute eine Unmenge (mehr oder weniger) akademischer Fachliteratur vor, die alle Aspekte von Tolkiens Leben und Werk zu beleuchten sucht. Zu dieser gesellen sich in jüngster Zeit wissenschaftliche Arbeiten zu weiteren Texten der fantasy fiction, die großen Einfluss auf die Populärkultur ausgeübt haben, wie etwa C. S. Lewis’ The Chronicles of Narnia, J.K. Rowlings Harry Potter oder auch Stephenie Meyers Twilight-Reihe. Betrachtet man die steigende Akzeptanz der Gattung fantasy fiction (FF) als seriösen Untersuchungsgegenstand, so ist es umso überraschender, dass über gewisse Werke, ja eine ganze Untergattung, abseits der genannten Beispiele seitens der Forschung nahezu komplett hinweggesehen wurde. Hierbei handelt es sich um die als sword and sorcery bekannte Literatur, die ihren Ursprung in der pulp fiction der 20er und 30er Jahre hat und als deren wichtigster Vertreter in der Regel Robert E. Howard betrachtet wird. Der Begriff sword and sorcery geht auf Fritz Leiber zurück, der diesen 1961 auf Anfrage Michael Moorcocks vorschlug, um die Untergattung der FF zu bezeichnen, in deren Mittelpunkt „muscular HEROES in violent conflict with a variety of VILLAINS, chiefly WIZARDS,

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WITCHES, evil SPIRITS and other creatures“ (Clute und Grant 915) stehen. Gemeint war hiermit die Literatur Howards sowie die von ihr inspirierten Texte Leibers, Moorcocks und anderer Autoren.1 Ein Begriff, der im Zusammenhang mit sword and sorcery häufig fällt, ist der der heroic fantasy. Ein Versuch, diese beiden oft synonym verwendeten Gattungsbezeichnungen zu definieren und abzugrenzen, kann freilich erst im Laufe dieser Arbeit unternommen werden. Zum besseren Verständnis der folgenden Ausführungen sei an dieser Stelle jedoch bereits erwähnt, dass sword and sorcery (S&S) in dieser Dissertation, in Anlehnung an Joseph A. McCullough V, als eine Untergattung der heroic fantasy (HF) verstanden wird, welche wiederum eine Untergattung der FF darstellt. Gemäß diesem Begriffsverständnis gehören z.B. die Conan-Erzählungen von Robert E. Howard zu S&S (und somit zur übergeordneten Untergattung ‚HF‘), während etwa Tolkiens The Lord of the Rings zwar der HF zuzurechnen ist, jedoch nicht der Untergattung ‚S&S‘. Dieser Dissertation liegt die Auffassung zugrunde, dass die Marginalisierung von Werken der sword and sorcery seitens der akademischen Welt einer Hinterfragung bedarf. Die Aktualität des Untersuchungsgegenstandes ‚S&S‘ steht hierbei außer Frage angesichts der Popularität, der sich diese Untergattung erfreut und die seit Beginn des neuen Jahrtausends durch zahlreiche Neuauflagen beliebter Werke ihren Ausdruck findet. Dies trifft sowohl auf Leibers Erzählungen um Fafhrd und den Gray Mouser2 als auch auf Moorcocks Elric- und Howards Conan-Erzählungen zu.3 Den Neuauflagen der Conan-Geschichten durch Wandering Star bzw. Del Rey kommt hierbei besonderer Stellenwert zu, da es sich zum ersten Mal überhaupt um Ausgaben handelt, die ausschließlich Howards unrevidierte Original-Erzählungen und keinerlei pastiche-Material enthalten. Da im englischsprachigen Raum in den letzten Jahren

1 Wie alle literarischen Labels liefert der Begriff sword and sorcery nicht unbedingt eine präzise Beschreibung der betreffenden Untergattung, alleine schon, da Hexerei bzw. Magie im Vergleich zu anderen Werken der FF oft eine eher untergeordnete Rolle spielen, insbesondere bei Howard. Trotzdem habe ich mich für diesen Begriff entschieden, da er sich durchgesetzt hat, im Gegensatz zu Alternativbegriffen wie epic fantasy oder adventure fantasy, die z.B. von Moorcock in Wizardry and Wild Romance oder Diane Waggoner in The Hills of Faraway verwendet werden. 2 Die deutsche Übersetzung ‚Grauer Mausling‘ vermeide ich, da sie der Bedeutung des Namens nicht gerecht wird. Der Gray Mouser ist als ‚Mauser‘ schließlich nicht maus- sondern katzenartig, wie sich in vielen seiner Eigenschaften und Verhaltensweisen sowie in der Namensgebung seines Degens (Cat’s Claw) niederschlägt. 3 So erschienen die kompletten Abenteuer von Fafhrd und dem Gray Mouser im Jahr 2001 als The First Book of Lankhmar und The Second Book of Lankhmar im Rahmen von Millenniums (heute Gollancz’) Fantasy-Masterworks-Label. Bei Wandering Star (UK) bzw. Del Rey (USA) wiederum erschien zwischen 2003 und 2005 eine dreibändige, komplette Ausgabe von Howards Conan-Erzählungen. Del Rey veröffentlichte zwischen 2008 und 2010 ebenfalls eine sechsbändige Elric-Reihe, die sämtliche bis dato verfassten Erzählungen nebst umfangreichem Zusatzmaterial enthält.

9 zudem einige Sekundärwerke mit akademischem Anspruch aufkamen, die sich Howard widmen und auf die ich in Kürze genauer eingehen werde, spricht Howard-Forscher in diesem Zusammenhang gar von einem „second Howard boom“ (Finn 245). Die neu erwachte Popularität von sword and sorcery spiegelt sich auch in anderen Bereichen der Populärkultur wieder, wie etwa Film-, Comic- und Computerspiel- Adaptionen.4 Freilich stellt Popularität alleine eine etwas schwache Begründung für das Verfassen einer akademischen Arbeit zu einer bestimmten Thematik dar. Um die Frage nach dem Sinn einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit S&S zu beantworten, soll im Folgenden untersucht werden, welchen Stellenwert diese Untergattung innerhalb der inzwischen als Forschungsfeld etablierten FF einnimmt.

1.2 Studien zu sword and sorcery

Betrachtet man die eher spärlich vorhandenen Studien, die sich speziell mit S&S befassen, so stellt man schnell fest, wie stark diese Untergattung polarisiert. Es finden sich beinahe ausschließlich Sekundärtexte, die S&S entweder verreißen und regelrecht verteufeln, oder der Untergattung und ihren Autoren äußerst wohlwollend gegenüberstehen. Ähnlich verschieden fällt auch das an diesen Stellen getroffene Urteil zur Relevanz von S&S aus. Hans Joachim Alpers, der mit „Lendenschurz, Doppelaxt und Magie: Heroic Fantasy und verwandte Gattungen“ wohl den im deutschsprachigen Raum bekanntesten Artikel zum Thema verfasst hat, ist der Meinung, S&S sei im Rahmen der Gattungen science fiction, science fantasy und FF „als wenig repräsentativer Teilbereich anzusehen“ (29). Diese Aussage ist aber allein deshalb schon äußerst problematisch, da Alpers HF und S&S als Synonyme verwendet und dieser Untergattung auch Tolkiens The Lord of the Rings (LOTR) zuordnet (36). Er impliziert somit, LOTR sei nicht repräsentativ für FF – eine sehr fragwürdige Vorstellung, vor allem im Hinblick auf Atteberys Untersuchungen, auf die in Kürze eingegangen wird.

4 Mit Marcus Nispels Conan (2011) oder Michael J. Bassetts (2009) kamen in den letzten Jahren zwei auf Howards Erzählungen basierende Filme in die Kinos. Im Bereich der Comics hat der Publisher Dark Horse in jüngster Zeit erfolgreiche Reihen um Conan, Kull und Solomon Kane ins Leben gerufen. Mit Age of Conan existiert seit 2008 ein millionenfach verkauftes Online-Rollenspiel, das auch einen Brettspiel-Ableger hervorgebracht hat.

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Diejenigen Studien zur S&S, die dieser wohlgesonnen sind, konzentrieren sich zum überwiegenden Teil auf Robert E. Howard, dessen Werken ein immenser Einfluss auf die FF als Ganzes zugeschrieben wird. So ist beispielsweise Mark Finn der Meinung, Howard habe „some of the most influential fantasy writing of the twentieth century“ verfasst, „second only to J. R. R. Tolkien’s Lord of the Rings saga“ (18). Ähnliche Aussagen finden sich bei L. Sprague de Camp, der Howard als „next to Tolkien, the most widely-read and influential author of heroic fantasy“ („The Miscast Barbarian“ 135) betrachtet. Don Herron geht noch einen Schritt weiter, was seine Einschätzung zum Einfluss Howards angeht, und äußert in der Einleitung der von ihm herausgegebenen Anthologie The Dark Barbarian die Meinung, „[t]he Sword-and- Sorcery fantasy which Howard pioneered is now one of the largest sub-genres in the field, and Howard as a creative influence is rivaled only by J. R. R. Tolkien and Stephen King“ (xvi). An anderer Stelle schreibt er in Bezug auf Tolkien, dieser sei „the closest fantasist to Howard in terms of his pervasive influence in the field“ („The Dark Barbarian“ 155), woraus hervorgeht, dass Herron den Einfluss beider Autoren im Bereich der FF als vergleichbar einschätzt. Leider werden die bisher zitierten Texte nicht immer einem wissenschaftlichen Anspruch gerecht. Alpers’ „Doppelaxt, Lendenschurz und Magie“ strotzt wie die Artikel manch anderer ‚S&S-Gegner‘ von inhaltlichen und methodischen Fehlern, die vom Widerwillen der Autoren zeugen, sich mit dem Thema eindringlich zu beschäftigen.5 Diejenigen Studien, die S&S im positiven Licht erstrahlen lassen, sind inhaltlich meist besser recherchiert, leiden jedoch bisweilen unter der Tatsache, dass deren Verfasser sich offen als Fans der von ihnen untersuchten Literatur zu erkennen geben. Von offener Bewunderung gegenüber Howard, der unter anderem als „genius“ (Grin 156) oder „greatest pulp writer who ever lived“ (Finn 12) bezeichnet wird, bis hin zu dem Umstand, dass Mark Finn ihn in seiner Biographie durchgehend beim Vornamen nennt, spricht einiges dafür, dass die Autoren dieser Texte mitunter kritische Distanz vermissen lassen. Eine mögliche Erklärung hierfür besteht darin, dass Howard in Intellektuellenkreisen immer noch weitgehend belächelt wird, sodass Literatur über

5 In meinem Artikel „Disreputable Heroes: A Re-evaluation of Robert E. Howard and His Literature“ zeige ich zahlreiche derartige Fehler in entsprechenden Sekundärtexten auf. Als Beispiele lassen sich Alpers’ fehlende Differenzierung zwischen Howards Conan-Erzählungen und solchen aus der Feder L. Sprague de Camps anführen, sowie Aussagen des New-York-Times-Rezensenten Hoffman Reynold Hays, der in seiner vernichtenden Kritik von 1946 u.a. schreibt, Conan habe „recourse to magic and the aid of Lovecraft’s Elder Gods“ (zitiert nach Finn 233) – eine derart absurde Behauptung, dass sich die Frage stellt, inwiefern Hays die Texte, die er kritisiert, überhaupt gelesen hat.

11 ihn und sein Werk sich weniger an Literaturwissenschaftler oder Kritiker, sondern vor allem an Fans richtet – eine Vermutung, die durch die martialischen Titelbilder vieler jüngerer Sekundärwerke bestätigt wird. Somit sind die bisher genannten Einschätzungen zum Stellenwert von S&S mit Vorsicht zu genießen, und es liegt nahe, zusätzlich zu den bereits betrachteten Studien auch solche Werke heranzuziehen, die auf eine Gesamtdarstellung der Gattung ‚FF‘ abzielen.

1.3 Zum Verhältnis von sword and sorcery zu fantasy fiction

Mit Strategies of Fantasy hat Brian Attebery ein äußerst einflussreiches Sekundärwerk verfasst, auf das zahlreiche jüngere Studien im Bereich der FF Bezug nehmen.6 Obgleich Attebery sicherlich kein Überblickswerk liefern will, sondern sich hauptsächlich mit der Definitionsproblematik beschäftigt und die Konventionen untersucht, denen FF unterliegt, so trifft er doch einige Aussagen zum Thema ‚S&S‘, die an dieser Stelle, auch aufgrund Atteberys angesehener Stellung in der Fachwelt, von Interesse sind. Attebery unterscheidet zwischen „fantasy-as-mode“ (2) und „fantasy-as- formula“ (2). Erstere ist hierbei als Gegenpol zum „mode of imitation“ (3), also einem mimetischen Modus, zu verstehen und schließt „all literary manifestations of the imagination’s ability to soar above the merely possible“ (2) ein. Atteberys Verwendung von fantasy oder fantastic im Sinne eines mode ähnelt also Todorovs Begriff des ‚Wunderbaren‘, unterscheidet sich jedoch drastisch von dessen Begriff des ‚Phantastischen‘.7 Zwar wurde Todorovs Ansatz in jüngster Zeit durch Uwe Durst schlüssig fortgeführt, doch halte ich mich, um im Einklang mit einem Großteil der englischsprachigen Quellen zu bleiben, an Atteberys Begriffsverständnis. Wenn ich

6 Beispielsweise bezeichnet Stableford Atteberys Strategies of Fantasy als „one of the leading contenders in an ongoing struggle to present a coherent theory of the genre“ (xlii). Diese Einschätzung wird von James und Mendlesohn geteilt, die Atteberys Werk in ihrer Einleitung zum Cambridge Companion to Fantasy Literature als „the most valuable theoretical text for taking a definition of fantasy beyond preference and intuition“ (1) nach Tolkiens „On Fairy-stories“ bezeichnen. Dementsprechend ist Attebery auch einer der vier Theoretiker, auf die sich die beiden Autoren in A Short History of Fantasy berufen (4). 7 Attebery selbst ist der Meinung, „Todorov has confused things greatly with The Fantastic (1975)“ (20). Dem mag man widersprechen, kaum jedoch seiner Feststellung, Todorovs Werk „has almost no bearing on the kind of fantasy we are discussing here“ (20).

12 fortan das Adjektiv ‚fantastisch‘ verwende, so ist dieses im Sinne von Atteberys fantasy-as-mode zu verstehen. Fantasy-as-formula hingegen stellt für Attebery „a commercial product“ dar, „with particular authors’ or publishers’ lines serving as brand names for the consumer“ (2). Diese Art der FF, die sich in vorgegebenen, berechenbaren Bahnen bewege und „a rigid pattern of setting, character, and plot comparable to the formula for the detective novel, the Western, and the women’s romance“ (9) folge, setzt Attebery mit S&S gleich (9). Zwischen mode und formula verortet Attebery das genre, „something varied and capable of artistic development and yet limited to a particular period and a discernible structure“ (2). Definiert wird das Fantasy-genre, in Anlehnung an Theorien aus dem Bereich der Logik, als ein fuzzy set, also nicht über seine Grenzen, sondern über einen klar zu bestimmenden Kern, der von mehr oder weniger stark abweichenden Vertretern umgeben ist. Bei dem Musterbeispiel, das den Kern des Fantasy-genres bildet, handelt es sich Attebery zufolge um Tolkiens LOTR. Attebery stellt hierbei klar, dass S&S-Literatur, die sich nach der formula richtet, ebenso wie Werke, die sich verstärkt des mode bedienen, Teil dessen ist, was wir als Fantasy bezeichnen: Fantasy schließe sowohl Italo Calvino und Jorge Luis Borges als auch Piers Anthony und Robert E. Howard ein, sowohl Cosmicomics als auch (1). Auch sei das genre, wie es von Tolkiens magnum opus typifiziert wird, der formula nicht inhärent überlegen, denn „to say that a book follows a formula is not to say that it is necessarily bad. A poor non-formulaic story may be far worse than a good performance of the formula“ (10). Zudem könne S&S „lively, ingenious, highly entertaining variations on a limited theme“ (9) generieren. Die Tatsache, dass Attebery S&S als wichtigen Teil des Dreigestirns formula – genre – mode betrachtet, sich selbst in seinem Werk jedoch hauptsächlich mit dem genre beschäftigt, wie es etwa von Tolkien und Lewis vertreten wird, lässt möglicherweise vermuten, dass im Bereich der formula bzw. S&S ein ertragreiches und gleichzeitig wenig erschlossenes Forschungsfeld zu finden sein mag. Andererseits impliziert die Gleichsetzung von S&S mit formula aber auch, dass diese Untergattung kaum kreatives Potential besitze, was ihren Stellenwert für die FF einschränken könnte. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch schnell klar, dass diese Gleichsetzung äußerst fragwürdig ist. Würde man die von Attebery bezüglich der FF gewählte Vorgehensweise auf S&S übertragen, und eine Umfrage durchführen, um das zentrale Werk des (sub-)genres zu ermitteln, würde Howards Conan-Reihe sicherlich am

13 häufigsten genannt werden. Als Vorbilder der formula-Literatur nennt Attebery nun aber Tolkien und Disney (9), deren Einfluss auf Howard doch äußerst gering gewesen sein dürfte, zumal LOTR erst Jahre nach Howards Tod erschien. Als charakteristische Elemente für die formula bezeichnet Attebery u.a. „a prophecy“, „nonhuman races“, „fighting a dragon, riding a winged horse, stopping overnight with the elves“, „one naive and ordinary hero who will prove to be the prophesied savior“, „a comedic sidekick and a wise old advisor who can rescue him from time to time and explain the plot“ (10). Kein einziges dieser Handlungselemente spielt bei Howards Conan- Erzählungen eine wesentliche Rolle. Genauso untypisch sind sie für Leiber, und auch bei Moorcock finden sich nur wenige davon. Man könnte meinen, dass Attebery einfach eine andere Definition von S&S verwendet und eher an klischeehafte LOTR- Imitationen denkt. Dagegen spricht jedoch, dass er Robert E. Howards Conan-Reihe explizit als Musterbeispiel erwähnt (1). In jedem Fall ist die Gleichsetzung von S&S mit dem, was Attebery unter formula versteht, nicht zu halten. Die Frage, inwiefern S&S nun wirklich über kreatives Potential verfügt, werde ich bei der Betrachtung weiterer Sekundärtexte zu beantworten suchen. Man muss sich fragen, inwiefern Atteberys Unterscheidung zwischen genre und formula überhaupt zu halten ist – zum einen, da der Verdacht naheliegt, dass Attebery mit dieser Differenzierung zu werten sucht, zum anderen, da die Unterscheidung, wie Attebery selbst zugibt, eine recht künstliche ist (11). Da diese Problematik intensiverer Auseinandersetzung bedarf, wird eine ausführliche Beschäftigung hiermit, sowie mit der Schwierigkeit, den Kern eines genres zu bestimmen, unter 2.1 erfolgen. Eines der wenigen neueren Werke, das teilweise Abstand von den etablierten Theorien Atteberys nimmt, ist Brian Stablefords The A to Z of Fantasy Literature. Obwohl sich dieses Buch hauptsächlich als Nachschlagewerk versteht, verleiht ihm Stableford einen ausführlichen theoretischen Unterbau in Form eines umfangreichen Einleitungskapitels. Auf die alternativen Herangehensweisen, die Stableford hierin entwickelt und die sich von den Ansätzen Atteberys bzw. Clutes und Grants unterscheiden, wird in Kapitel 2 genauer eingegangen. Stableford beschäftigt sich jedoch auch mit S&S, die er von FF im Stile Tolkiens abgrenzt, jedoch ohne S&S als grundsätzlich formelhaft zu betrachten. Stattdessen habe Howards Conan, ähnlich wie Tolkiens LOTR, neue Akzente im Bereich der FF gesetzt und sei dann ebenso von zahlreichen Imitatoren kopiert worden (lxiii f.). In den – im Sinne Joseph Campbells – oftmals wenig ‘heroisch’ anmutenden S&S-Helden sieht Stableford „ideological

14 counterweights to the temptations of casual excess that afflicts every deus ex machina or holy grail that beckons to the world savers of epic fantasy8“ (lxiv). S&S trage zur, von Stableford gelobten, Diversität der Gattung bzw. zur „formation of a new ‘fantasy’ genre out of disparate materials“ (lxiv) bei, woraus hervorgeht, dass Stableford dieser Untergattung eine gewisse Relevanz zuweist. Richard Mathews’ Fantasy: The Liberation of Imagination versteht sich als „a guide to a fuller appreciation of the creative possibilities literary fantasy unleashes“ (xi). Aufgrund des „oceanic scope of the subject“ (xi) beschränkt sich der Autor bei der Untersuchung der jeweiligen Strömungen innerhalb der FF auf einige wenige, möglichst repräsentative Texte und Autoren. Im Falle von S&S konzentriert Mathews sich auf Robert E. Howards Conan-Reihe und stellt Howards einzigen Conan-Roman, The Hour of the Dragon9, in den Mittelpunkt der Untersuchung. Hierbei kommt er zu einer erstaunlich positiven Bewertung dieser Erzählung, die er als „strong performance“ (120) bezeichnet. Selbst für häufig kritisierte Aspekte von Howards Texten findet Mathews durchaus Lob. Beispielsweise gewinnt er der exzessiven Gewaltdarstellung im Werk des texanischen Autors etwas Positives ab, da diese dem Leser die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers vor Augen führe (124). Auch zur Darstellung weiblicher Charaktere äußert Mathews sich, mit wenigen Einschränkungen, anerkennend, indem er Conans love interest in The Hour of the Dragon als „the first of several important women in the book“ beschreibt, die, wie andere Frauen im Roman, „resourcefulness, sufficiency, and strength in some way similar to Conan’s“ an den Tag lege. Zudem sei Conan mehrmals auf die Hilfe von Frauen angewiesen, die generell „more admirable characters than most others in the book“ seien (123), so etwa die Magierin Zelata, „a woman who had been rejected by the male establishment,“ welche „a figure of wisdom rather than beauty“ darstelle (125). Conans Wertesystem, von Alpers als faschistoid empfunden, betrachtet Mathews als geprägt von „honor, tolerance and freedom“ (128). In diesen Werten, die in der Befreiung dunkelhäutiger Galeerensklaven in The Hour of the Dragon ihren Ausdruck finden, sieht Mathews Howards „own version of the liberation that is at the core of the fantasy genre“ (132). Sicherlich ist Mathews’ Ansatz,

8 Während epic fantasy von einigen Autoren wie oder Karl Edward Wagner eher im Sinne von heroic fantasy oder sogar S&S gebraucht wird, benutzt Stableford diesen Begriff für FF im Stile Tolkiens, um diese bewusst von S&S abzugrenzen. 9 The Hour of the Dragon erschien zunächst als Serie in . Die erste Veröffentlichung des Gesamttextes erfolgte 1950 in Romanform als Conan the Conqueror. Da die Erzählung als Roman konzipiert wurde, wird der Titel hier und im Folgenden kursiv gedruckt, obgleich der Text zuletzt auch zusammen mit Kurzgeschichten in Sammelbändern erschienen ist.

15 aus der Analyse eines einzelnen Romans Rückschlüsse auf das Gesamtwerk eines Autors oder gar auf eine ganze Gattung zu ziehen, problematisch, zumal der Roman sicher nicht die typischste Erzählform und die quest, wie sie in The Hour of the Dragon vorkommt, kein typisches Story-Element von S&S sind. Trotzdem liefert Mathews Hinweise darauf, dass S&S nicht zwangsläufig auf formula beschränkt ist, sondern durchaus kreative und progressive Elemente enthalten kann. Dass Mathews Howard nicht nur als Autor schätzt, sondern ihm unabhängig davon auch einen gewissen Einfluss und Stellenwert im Gesamtkontext der FF zuweist, geht aus der Tatsache hervor, dass er Howard eines von sieben Kapiteln seines Überblickswerkes widmet und ihm „substantial contributions to the genre“ (28) zuschreibt. Mathews Fokus auf Howard, der wohl dem Umfang seines Buches geschuldet ist, verhindert eine tiefere Beschäftigung mit weiteren S&S-Autoren, doch findet sich Fritz Leibers Reihe um Fafhrd und den Gray Mouser als Eintrag in der Chronologie zu Beginn des Buches, die bedeutende Werke der FF sowie deren Vorläufer von 2000 v. Chr. bis zum Jahre 1994 auflistet. Ein weiteres Indiz für die Relevanz und Aktualität von S&S in Mathews Augen findet sich in der Aussage, dass Piers Anthony – laut Mathews „America’s most popular contemporary fantasy writer“ – Elemente von S&S verwende (35). Ein anderes Überblickswerk, das an dieser Stelle ebenfalls von Interesse ist, ist The Cambridge Companion to Fantasy Literature, der sich aus Aufsätzen verschiedener Autoren zu unterschiedlichsten Aspekten der FF zusammensetzt. Zwar enthält das Buch kein dediziertes Kapitel zu S&S, doch findet diese Untergattung in mehreren Beiträgen Erwähnung. So bezeichnet Paul Kincaid in „American fantasy 1820-1950“ S&S als eine der „most pervasive forms of fantasy to emerge during the early years of the [20th] century“ (44). Obwohl diese Untergattung „little time for either literary sensitivity or political allegory“ (44) gehabt habe, so gebe es doch Autoren „who used sword and sorcery to open up new areas“ (46), beispielsweise C. L. Moore, die mit ihren Erzählungen um die Schwertkämpferin Jirel of Joiry in den 30er Jahren zur „first woman writer of popular fantasy“ (46) wurde. Die Rolle weiblicher Autoren im Bereich der S&S findet auch in Diana Waggoners The Hills of Faraway von 1978 Erwähnung, wobei die Autorin sogar der Meinung ist, „the newest and most promising trend in adventure fantasy [ein Begriff, den sie so zu verwenden scheint wie ich ‚S&S‘] has come from women writers“ (48). Neben Andre Norton, die sie als „[t]he leading

16 writer in adventure fantasy“ und „one of the most prolific modern writers“ bezeichnet, erwähnt sie Jane Gaskell und Tanith Lee als weitere Beispiele. Die Idee, dass S&S neue Wege einschlagen kann, findet sich auch in Nnedi Okorafors Aufsatz „Writers of colour“, der wie Kincaids Beitrag im Cambridge Companion to Fantasy Literature zu finden ist. Die Autorin nennt Charles S. Saunders, der der Leserschaft mit Imaro einen dunkelhäutigen Titelhelden im Stile Conans lieferte, sowie Samuel R. Delany, dessen Nevèrÿon-Reihe sie als „direct [challenge] to the outright racism of many fantasy texts“ (180) versteht. Delanys Erzählungen bilden „a direct dialogue with traditional ‘sword-and-sorcery’ fantasy“ (183), wobei sie das Motiv der Sklaverei dahingehend variieren, dass Angehörige der herrschenden Klasse dunkel-, die unterdrückten Völker dagegen hellhäutig sind. Delanys Texte zielen auf eine Dekonstruktion von Gattungskonventionen und eine Subversion von Lesererwartungen ab, was Michael Morrison, einen Rezensenten der Washington Post Book World, dazu veranlasst, Delanys Buchreihe als „postmodern sword-and-sorcery“ zu bezeichnen. Laut Morrison sind die meisten S&S-Erzählungen „hamstrung with the most rigid set of conventions“, nicht so jedoch die Delanys, „[who] subverts the formulaic elements of sword-and-sorcery and around their empty husks constructs self- conscious metafictions about social and sexual behavior, the play of language and power, and – above all – the possibilities and limitations of narrative.“ In A Short History of Fantasy äußern Mendlesohn und James eine recht positive Einschätzung zu Howards Conan. Der Grund für Howards schlechten Ruf liege primär in der Art und Weise, wie L. Sprague de Camp und mit Howards Erbe umgingen, sowie in der Darstellung Conans in John Milius’ Filmadaption. Diese Theorie, die sich mit den Beobachtungen diverser Howard-Forscher sowie meinen eigenen Schlussfolgerungen in „Disreputable Heroes“ deckt, liefert eine mögliche Erklärung dafür, dass Attebery Howards Conan unreflektiert als Beispiel für formula heranzieht, wenn dieser doch viel eher „the model for a new kind of hero, but also for a new kind of tale“ (Mendlesohn und James 36) darstellt. Bezüglich späterer S&S- Autoren zeigen Mendlesohn und James zudem, dass diese Untergattung der FF nicht grundsätzlich an eine Formel gebunden ist, sondern Spielraum für Innovation bzw. Subversion bietet. So stellen die beiden Autoren etwa fest, dass S&S mit C. L. Moore nicht nur bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts über eine bedeutende weibliche Vertreterin verfügte (35 f.), sondern auch später von feministischen Autorinnen und Autoren wie Joanna Russ, Samuel R. Delany und Marion Zimmer Bradley sehr

17 wirkungsvoll eingesetzt worden sei (37). Insbesondere die Werke von Russ und Delany „unpick taken-for granted narrative causalities within the S&S / fantasy genres“ (104) und waren somit „enormously influential in creating space for fantasy authors who wish to produce radical constructions of society“ (104). Als weiterer Verfasser subversiver S&S-Literatur wird Michael Moorcock angeführt, der „a series of subversive fantasy heroes“ (79) erschaffen habe, die sich, unter Verwendung eines „intense meta-critical approach“ (79), sowohl gegen typische Heldenbilder der S&S als auch gegen Tolkien richtete (78 f.). Mendlesohn und James betrachten Moorcock als einen der wichtigsten britischen Fantasy-Autoren der 60er Jahre und als „leading light“ (78) der British New Wave, zu der auch Delany beitrug, der mehrere Jahre in London lebte.10 Als Folge der subversiven Strömungen der 60er und 70er Jahre wurde S&S gemäß Mendlesohn und James zu einem „far more knowing genre which both plundered and critiques its own past“ (129). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass S&S in den betrachteten Überblickswerken durchgehend, wenn auch zu unterschiedlichem Grad, Beachtung findet, was dafür spricht, dass diese Untergattung kein Randphänomen der FF darstellt, sondern für diese eine gewisse Relevanz besitzt. Teilweise wird S&S hierbei mit rigiden Konventionen in Verbindung gebracht, die ihr Potential zu limitieren scheinen, so etwa bei Attebery, dessen Gleichsetzung von S&S mit formula jedoch so nicht haltbar ist. Zudem finden sich bei Mathews, Kincaid, Waggoner und Okorafor deutliche Indizien dafür, dass S&S Autoren erlaubt, neue Wege abseits jeglicher formula zu gehen, und dabei erstaunlich offen für innovative Beiträge weiblicher und nichtweißer Schriftsteller ist. Atteberys Gattungsmodell selbst erscheint, mit einigen Einschränkungen, auf die später noch näher eingegangen wird, nützlich. Aufgrund der bisher getroffenen Erkenntnisse möchte ich mich lediglich von seiner Verwendung des Begriffs ‚S&S‘ distanzieren. Es scheint, dass S&S durchaus „varied and capable of artistic development and yet limited to a particular period and a discernible structure“ (Attebery 2) ist und somit die Kriterien erfüllt, die Attebery dem genre zuschreibt. Dass eine Unmenge an formula-artigen S&S-Texten existiert, die dem „most rigid set of conventions“ unterliegen, von dem Morrison spricht, ist natürlich nicht abzustreiten. Als Beispiele ließen sich die Conan-Kopien zahlreicher Howard-Epigonen anführen. Sicherlich kann

10 Für gewöhnlich wird von der New Wave in Bezug auf science fiction gesprochen, doch aufgrund der engen Verwandtschaft beider Gattungen, und der Tatsache, dass Autoren wie Moorcock oder Delany in beiden Gattungen tätig waren, ist es legitim, wenn Mendlesohn und James den Begriff im Zusammenhang mit FF erwähnen.

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S&S, ebenso wie jede andere Spielart der FF, sowohl solche Texte hervorbringen, die formula-lastig sind, als auch solche, die sich weniger an bestehende Konventionen halten. Offensichtlich ist, dass die formula, der bestimmte S&S-Texte unterliegen, nicht mit den von Attebery beschriebenen, typischen formula-Elementen, wie etwa dem Kampf mit dem Drachen oder dem nächtlichen Aufenthalt bei den Elben, in Einklang zu bringen ist. Vielmehr scheint die von Attebery aufgestellte Formel lediglich auf solche fantasy-as-formula zuzutreffen, die Tolkien imitieren möchte, bei dem entsprechende Fabelwesen eine Rolle spielen. Hingegen scheint formelhafte S&S ganz anderen Gesetzmäßigkeiten zu folgen, die es erst zu bestimmen gilt. Dass hier formulae verwendet werden, ist sicher nicht nur thematischen Unterschieden geschuldet, sondern rührt auch daher, dass FF im Stile Tolkiens meist in Romanform vorliegt, während es sich bei S&S-Texten zum größten Teil um Kurzprosa handelt. Bevor sich die formula zu S&S genau bestimmen lässt, empfiehlt es sich, zunächst den Kernbereich von S&S zu beschreiben. Im Detail wird dies in Kapitel 2 dieser Arbeit geschehen, doch das zentrale Werk der Untergattung lässt sich ohne große Schwierigkeiten bereits an dieser Stelle ausmachen. Schließlich besteht unter den Verfassern praktisch aller Sekundärtexte ein Konsens darüber, welcher Autor und welches Werk am typischsten und einflussreichsten sind: So gilt Robert E. Howard, „[who] established the sword and sorcery fantasy mode“ (Mathews 29) als „the first name in sword-and-sorcery“ (Mendlesohn und James 36). Das bedeutendste Werk dieses Autors, und gleichzeitig das zentrale Werk von S&S, sind ohne Zweifel die Erzählungen um Conan, den McCullough als „the giant who casts his shadow over all the other characters of sword and sorcery“ bezeichnet, während Alpers ihn den „König der Gattung“ (36) nennt. Stableford stellt fest: „As with Tolkienesque ‘epic fantasy’, S&S had one principal model, in the story series by Robert E. Howard featuring Conan“ (lxiii). Es besteht berechtiger Grund zu der Annahme, dass S&S mit Howards Conan- Reihe ein ebenso archetypisches, zentrales Werk besitzt wie die übergeordnete Gattung ‚FF‘ mit Tolkiens LOTR. Eine exakte Beschreibung der S&S-formula wird ebenfalls erst im folgenden Kapitel durchgeführt, doch ist davon auszugehen, dass diese in gleichem Maße von solchen Handlungselementen und Themen bestimmt wird, die für ihr zentrales Werk typisch sind (oder allgemein als typisch erachtet werden), wie die von Attebery aufgestellte FF-formula. Wenn für FF im Stile Tolkiens also Drachen und Elben typisch sind, so dürfte sich die S&S-formula eher um muskulöse ‚Barbaren‘, den

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Konflikt zwischen ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘, bösartige Magier, exotische Schönheiten und andere Howard-typische Elemente drehen. Ein weiteres Argument für den Stellenwert von S&S lässt sich darin finden, dass der laut Attebery, Mathews sowie James und Mendlesohn zentrale Text der FF, The Lord of The Rings, womöglich mehr mit Werken der S&S gemein hat, als manchem lieb ist. Zahlreiche Autoren verorten Tolkiens Werk im Bereich der heroic fantasy, also einer Untergattung der FF, die mit S&S zumindest verwandt ist,11 so etwa Waggoner (40 ff.) und McCullough. Michael Moorcock, der den mit heroic fantasy vergleichbaren Begriff epic fantasy bevorzugt, ordnet diesem in Wizardry and Wild Romance: A Study of Epic Fantasy ebenfalls sowohl LOTR als auch Howards Conan zu (26). Auch de Camp und Alpers sprechen von LOTR als heroic fantasy, benutzen diesen Begriff im Gegensatz zu den bisher genannten Autoren jedoch synonym mit ‚S&S‘ („The Swords of Faërie“ 4, 16; Alpers 29) und sehen Tolkiens Roman somit „in the same genre“ („The Swords of Faërie“ 4) wie Howards Conan-Erzählungen. Mit der Gleichsetzung von S&S und HF stehen diese beiden Autoren jedoch nicht alleine da. Selbst die renommierte Encyclopedia of Fantasy ist der Meinung, „[t]here may be a useful distinction between HF and SWORD AND SORCERY, but no one has yet made it“ (464). Lin Carter geht noch einen Schritt weiter und spricht aus, was bei Alpers und de Camp nur impliziert wird. In seiner Einleitung zu de Camps Literary Swordsmen and Sorcerers nennt er Tolkien tatsächlich in einem Zug mit Robert E. Howard und als „major [writer] in the development of Sword & Sorcery“ (xiii). Auch wenn ich selbst LOTR ausdrücklich nicht zu S&S zähle und dies noch ausführlich begründen werde, so zeigen diese Beispiele doch, dass eine klare Abgrenzung zwischen Tolkiens Werk und S&S schwierig ist und LOTR dieser Untergattung zumindest nahesteht. Dementsprechend gibt es keinen Grund, S&S als Gegenstand akademischer Untersuchungen auszuschließen, sofern man LOTR als solchen akzeptiert hat.

11 Wie bereits erläutert, betrachte ich S&S als eine Untergattung von HF.

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1.4 Das Spannungsfeld von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘

Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass die Untergattung ‚S&S‘ als relativ unerschlossener Forschungsgegenstand Raum für eine umfangreiche wissenschaftliche Beschäftigung bietet. Eine umfassende Darstellung einer derart heterogenen Untergattung mit all ihren Facetten kann und will diese Dissertation natürlich nicht leisten, weshalb eine gewisse Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes notwendig wird. Nachdem Howards Conan-Erzählungen bereits im Kernbereich der S&S verortet wurden, liegt es nahe, in dieser Dissertation eine Thematik zu untersuchen, die nach allgemeinem Konsens zentral für Howards Werk und somit für die Untergattung ‚S&S‘ als Ganzes ist. Hierbei handelt es sich um das Spannungsfeld von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘, das nicht nur gemäß eines Großteiles der Sekundärliteratur, sondern auch laut Howard selbst – der die verwandten Begriffe ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ verwendet – im Mittelpunkt seines Schaffens steht. Hinsichtlich der Textauswahl erfolgt eine Einschränkung auf solche Primärtexte, die sich möglichst nahe am Kernbereich von S&S befinden und für die besagte Thematik konsequenterweise ebenso von zentraler Bedeutung sind. Die Wahl von Leiber und Delany als weitere genauer zu betrachtende Autoren wird im folgenden Teilkapitel ausführlich begründet. Betrachtet man die Ursprünge der FF, so lassen sich für sie typische Motive von frühzeitlichen Mythen, über die Epen des Altertums und den höfischen Roman des Mittelalters, über die von der Romantik geprägten Gattungen der Gothic fiction und des Kunstmärchens, über die ersten modernen FF-Texte MacDonalds und Morris’, bis in die Gegenwart verfolgen. Die entsprechenden Zusammenhänge werden in Kapitel 2 erläutert, doch an dieser Stelle sei bereits auf die Schlüsselrolle der Romantik hingewiesen, die in ihrem Aufbegehren gegen (Neo-)Klassizismus und Rationalismus sowie ihrer „rehabilitation of the imagination“ (Clute und Grant 821) den Nährboden für die Entwicklung der modernen FF bereitete und diese nachhaltig beeinflusste. Die besondere Rolle, die dem Verhältnis des Menschen zur ‚Natur‘ im romantischen Denken zukommt, hat dazu geführt, dass sich die Wissenschaft in jüngster Zeit vermehrt mit diesem Aspekt der FF auseinandergesetzt hat. Verstärkt wurde das Interesse an dieser Thematik sicherlich durch das Erstarken von Naturschutzbewegungen und das Aufkommen des ecocriticism. In seinem Vorwort zu The Green Studies Reader: From Romanticism to Ecocriticism bezeichnet Jonathan

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Bate „the relationship between nature and culture“ als „the key intellectual problem of the twenty-first century“ (xvii). Bei entsprechenden Studien im Bereich der FF wird besonders häufig auf Tolkiens LOTR zurückgegriffen, welches als zentrales Werk der Gattung im Sinne Atteberys repräsentativen Charakter besitzt. Als Beispiele lassen sich Mathew Dickersons und Jonathan Evans’ Ents, Elves, and Eriador: The Environmental Vision of J. R. R. Tolkien, Patrick Currys Defending Middle-Earth: Tolkien: Myth and Modernity, Liam Campbells The Ecological Augury in the Works of J. R. R. Tolkien, oder auch Eike Kehrs Natur und Kultur in J. R. R. Tolkiens The Lord of the Rings anführen. Was Tolkiens Hauptwerk betrifft, wurde dementsprechend bereits vielerorts ein romantisches Weltbild nachgewiesen und erläutert. LOTR zeichnet sich u.a. durch die Idealisierung einer vorindustriellen, am ländlichen England orientierten Gesellschaft aus, bei gleichzeitiger Kritik an Technisierung und Industrialisierung.12 Eine Abkehr von gängigen Moralvorstellungen und ein Ausbrechen aus der ‚natürlichen‘ Ordnung, wie Sauron und Saruman es anstreben, wird als ‚unnatürlich‘ und ‚böse‘ erachtet.13 Eine genauere Auseinandersetzung mit LOTR, sowie anderen Texten, die zentral für FF sind, jedoch nicht zu S&S gerechnet werden, erfolgt in Kapitel 2.2 dieser Arbeit. Während das von Tolkiens romantischem (und christlichem) Weltbild bestimmte Verhältnis zwischen ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ in LOTR bereits umfangreich beleuchtet wurde, fehlen derartige Studien im Bereich der S&S weitgehend, mit Ausnahme einiger oft wenig akademisch anmutender Aufsätze zum Thema ‚Barbarei und Zivilisation‘, die sich in der Regel nur auf Howard beziehen. Dies ist insofern bedauerlich, als es Anzeichen dafür gibt, dass das zwischen ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ existierende Spannungsfeld für S&S ebenso wichtig ist wie für FF, die sich an Tolkien orientiert, S&S mit der Thematik jedoch anders umgeht. Was die Literatur Howards angeht, besteht, wie schon erläutert, kein Zweifel an der Bedeutung dieses

12 Dies lässt sich, wie Kehr es tut, als Vorgriff moderner ökologischer Wertstrukturen im Sinne eines maßvollen Umgangs mit natürlichen Ressourcen verstehen (151 ff.). Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, dass LOTR in seiner romantischen Verklärung vorindustrieller Gesellschaftsstrukturen auch das mittelalterliche Feudalsystem Gondors idealisiert und somit eine durchaus fragwürdige Ideologie gutheißt, wie Petzold in einer Rezension zu Kehrs Buch anmerkt (340). Die Tatsache, dass Tolkien jedem Wesen einen Platz in der ‚natürlichen‘ Ordnung der Dinge zuweist und aus dieser Einbringung in eine sinnhafte Ordnung Hoffnung und Optimismus schöpft, erinnert ebenfalls an mittelalterliche Denkweisen und zeigt zugleich starke christliche Einflüsse auf LOTR. 13 Eike Kehr lobt diesen Aspekt von Tolkiens Werk (121), während Michael Moorcock ihn als reaktionär empfindet (Wizardry 127). Überhaupt scheint LOTR nicht frei von Widersprüchen zu sein, was die Darstellung des Zusammenspiels von Mensch und ‚Natur‘ betrifft. So holzen die ansonsten naturverbundenen Hobbits Teile des Alten Waldes ab, und die ‚Natur‘ bringt auch bedrohliche Kreaturen wie Old Man Willow oder Shelob hervor.

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Spannungsfeldes. Bedenkt man Howards zentrale Rolle innerhalb der Untergattung, sowie seinen Einfluss auf die S&S-formula, kann davon ausgegangen werden, dass dem Verhältnis von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ innerhalb der gesamten Untergattung große Bedeutung zukommt. Bei Leiber wird dies bereits aus der Wahl der Protagonisten in Form des naturverbundenen ‚Barbaren‘ Fafhrd und des ‚zivilisierten‘, in der Großstadt heimischen Gray Mouser deutlich. Bei Moorcock herrscht bisweilen eine Rollenumkehr im Vergleich zu Howard, da Moorcocks Helden Elric und Corum ‚zivilisierten‘ Gesellschaften entstammen und sich häufig mit ‚Barbaren‘ im Kampf messen müssen – der Grundkonflikt bleibt jedoch ähnlich, wobei anstelle von ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ das verwandte Begriffspaar Chaos und Law in den Vordergrund gestellt wird. Die Inversion von Gattungskonventionen, die sich bei Moorcock andeutet, findet bei Delany zu einem noch viel stärkeren Grad statt. So werden Delanys fiktive S&S- Welten beispielsweise von weiblichen Kriegerinnen bevölkert, die Männer unterdrücken, oder ‚hochzivilisierten‘ Nichtweißen, die hellhäutige ‚Barbaren‘ als Sklaven halten. Die Interaktionen zwischen ‚Barbaren‘ und ‚zivilisierten‘ Menschen dienen Delany hierbei als Mittel, diverse reale gesellschaftliche Probleme sowie philosophische Fragestellungen zu thematisieren. Natürlich teilt S&S mit FF im Stile Tolkiens dieselben Wurzeln, welche eingangs bereits erwähnt wurden. Der Einfluss von Mythos, Epos, höfischem Roman, Gothic fiction und Märchen ist auch bei den genannten S&S-Autoren unverkennbar, und doch unterscheidet sich etwa Howards Naturbild deutlich von dem Tolkiens. Eine bedrohliche ‚Natur‘, die vom Kampf ums Überleben geprägt wird, existiert in LOTR zwar mitunter, wird aber von harmonischen Naturdarstellungen überschattet. Bei Howard steht sie hingegen im Mittelpunkt. Tolkiens Kritik an Technisierung und Industrialisierung mutet sehr milde an verglichen mit Howards Zivilisationskritik, die häufig, so auch bei Mathews, mit einem Zitat aus „“ verdeutlicht wird: „Barbarism is the natural state of mankind. Civilization is unnatural. It is a whim of circumstance. And barbarism must always ultimately triumph“ (100). Zeichnet Tolkiens Werk eine optimistische Grundhaltung aus, die im Vertrauen auf höhere Mächte begründet ist, so herrscht in Howards Erzählungen eine düstere und pessimistische Stimmung. Höhere Mächte sind kaum am Werk, der Held ist seines eigenen Schicksals Schmied und nicht an eine ‚natürliche‘ Position innerhalb des Weltgefüges gebunden. Kull und Conan werden aus eigener Kraft, und nicht aufgrund ihrer Blutlinie, zum König. In Conans Universum wäre es töricht, auf das Schicksal

23 oder die Hilfe von Göttern zu vertrauen, wie Howard in „The Tower of the “ erklärt: „It was useless to call on Crom, because he was a gloomy, savage god, and he hated weaklings“ (64 f.). Ähnlich verhält es sich in den ironisch angehauchten Texten Leibers, wo Götter bisweilen zu Witzfiguren werden und die beiden Helden sogar in einer ganzen Reihe von Erzählungen vermögen, dem als Person auftretenden Tod ein Schnippchen zu schlagen. In Delanys Nevèrÿon-Reihe spielt Metaphysisches kaum eine Rolle, und Religion wird, wie in Kapitel 3.2.3 veranschaulicht wird, wiederholt als Konstrukt entlarvt. Es deutet sich somit bereits bei einer oberflächlichen Betrachtung an, dass eine Untersuchung des Spannungsfeldes ‚Natur – Kultur‘ im Bereich von S&S zu völlig anderen Ergebnissen führen wird als die zu Tolkien bereits vorhandenen Studien. Diese der S&S eigene Darstellung von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ möchte ich in dieser Arbeit genau beleuchten, sowohl was ihre kulturhistorischen Ursachen, als auch ihre Implikationen betrifft. Mit dem Spannungsfeld ‚Natur – Kultur‘ als Thematik dieser Dissertation wage ich mich an ein sehr weites und schwer abzugrenzendes Forschungsfeld, was eine Formulierung von Leitfragen für diese Arbeit erfordert. Ich gehe hierbei von der Grundannahme aus, dass ‚Natur‘ kein ökologisches Spezialthema darstellt, sondern philosophische, politische, theologische und soziokulturelle Dimensionen einschließt, die eine Untersuchung auch abseits von green studies oder ecocriticism ermöglichen. Eine ausführliche Begründung hierfür erfolgt in Kapitel 2.3.1. Folgende Leitfragen werde ich in Kapitel 3 zu beantworten suchen:

1. Welche gesellschaftlichen Strukturen und politischen Ideologien werden in den ausgewählten Werken dargestellt, und inwiefern werden diese affirmiert bzw. kritisiert? 2. In welche geistesgeschichtlichen Kontexte sind die Texte einzuordnen? 3. Wie wird mit gender und race umgegangen? Inwiefern enthalten die untersuchten Werke Spuren von Rassismus und Sexismus? 4. Wie sind die in den ausgewählten S&S-Werken vermittelten Naturkonzepte aus ökologischer Sicht zu bewerten?

Es existieren zahlreiche Anzeichen dafür, dass die Darstellung von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ bei S&S, insbesondere bei Howard, ebenso widersprüchliche Elemente enthält wie bei LOTR. So stellt sich etwa die Frage, wie Conan als ‚Barbar‘ einen moralischen Kodex

24 besitzen kann, der dem ‚zivilisierter‘ Menschen überlegen ist, oder wie es möglich ist, dass Conan heroisiert wird, dunkelhäutige oder piktische Stammeskrieger jedoch mitunter als brutale Wilde dargestellt werden. Wenn Kull als König von Valusien wiederholt auf die Freiheiten hinweist, die die Einwohner seiner ‚unzivilisierten‘ Heimat Atlantis genießen, so scheint es auf den ersten Blick, dass hier ein romantisch verklärtes Bild von ‚Natur‘ bzw. dem Menschen im vermeintlichen ‚Naturzustand‘ existiert, welches Mathews auch in der Conan-Erzählung The Hour of the Dragon erkennt, wo „honor, tolerance and freedom“ mit „primordial barbarism“ in Verbindung gebracht werden (128). Dieses lässt sich jedoch nur schwer mit dem ebenfalls existenten Bild einer bedrohlichen, darwinistisch geprägten und mit grausamen Ureinwohnern besiedelten ‚Natur‘ in Einklang bringen, das in anderen Erzählungen Howards, beispielsweise „Beyond the Black River“ oder Solomon Kanes Abenteuern in Afrika auftritt. Ebenso widersprüchlich fallen bei Howard Repräsentationen von race und gender aus. Es stellt sich die Frage, wie Conans Befreiung der dunkelhäutigen Galeerensklaven in The Hour of the Dragon, unter denen er sich wie zu Hause zu fühlen scheint, zu seinen abfälligen Bemerkungen gegenüber nichtweißen Eingeborenen in „The Vale of Lost Women“ passen. Zudem gilt es zu klären, wie sich starke Frauenfiguren, wie Mathews sie beispielsweise in „The Hour of the Dragon“ erkennt, zu den klischeehaften damsels in distress verhalten, die in zahlreichen anderen Erzählungen vorkommen. Es scheint die Möglichkeit zu bestehen, dass Leibers ironische Übersteigerungen, sowie Delanys Dekonstruktion von Gattungskonventionen, vielleicht gerade Reaktionen auf derartige, typische Widersprüche innerhalb der S&S darstellen. Auf all diese Widersprüche und Paradoxa bei der Darstellung von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ in den ausgesuchten S&S-Werken werde ich in meiner Arbeit eingehen und zum Vergleich häufig Tolkiens LOTR heranziehen. Dieser Vergleich ist auch deshalb interessant, da es nicht ausgeschlossen scheint, dass die häufig geschmähte S&S-Literatur aufgrund ihres fehlenden Grundoptimismus womöglich sogar weniger zu Weltflucht und escapism animiert als etabliertere FF im Stile Tolkiens, und ihre frei denkenden und handelnden self-sufficient heros in gewisser Hinsicht vielleicht bessere Vorbilder darstellen als Tolkiens Helden, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie sich in die (vermeintlich) ‚natürliche‘ Ordnung der Dinge fügen. Eine Beantwortung der Frage, inwiefern der bezüglich der S&S häufig geäußerte Vorwurf der ‚Jugendgefährdung‘ zutrifft, kann an dieser Stelle nicht erbracht

25 werden, da die hierzu nötigen, komplexen empirischen Studien den Rahmen einer literaturwissenschaftlichen Dissertation sprengen würden. Es ist jedoch anzumerken, dass diejenigen, die entsprechende Vorwürfe äußern,14 ebenfalls keinen wissenschaftlichen Beweis für einen Zusammenhang zwischen dem Konsum einer gewissen Art von Literatur und bestimmten Folgen für die jugendliche Psyche erbringen.

1.5 Zur Textauswahl

Der Umfang der Untergattung ‚S&S‘ erfordert freilich eine Konzentration auf einige möglichst repräsentative Werke. Hierzu wähle ich mit der S&S-Literatur Howards, Leibers und Delanys solche Texte, die zum einen möglichst typisch für S&S sind und sich zum anderen nicht streng an eine formula halten. Hiermit soll keinesfalls angedeutet werden, dass an der formula orientierte Texte in irgendeiner Weise minderwertig seien – sie eignen sich aber zweifellos weniger, um Vielfalt, Entwicklung und Potential einer Gattung auszuloten. Eine ausführliche Diskussion der Kriterien, mit deren Hilfe sich bestimmen lässt, ob ein Werk typisch für eine Gattung ist (in Atteberys Terminologie also im Zentrum des genres steht), erfolgt in Kapitel 2.1 An dieser Stelle soll es genügen, den typischen Charakter eines S&S-Textes, wie im Falle von Howards Conan bereits im Ansatz geschehen, durch zitierte Expertenmeinungen zu belegen. Basisinformationen zu Biographie und Werk der ausgewählten Autoren werden in Kapitel 2.4 geliefert. Da Howards Conan-Erzählungen laut allgemeinem Konsens den Mittelpunkt der S&S-Untergattung bilden, kann davon ausgegangen werden, dass auch die Geschichten um Howards andere S&S-Helden, die in oder vor Conans Zeitalter leben, im Kernbereich der Untergattung angesiedelt sind. Neben weniger bekannten Protagonisten wie James Allison trifft dies vor allem auf Kull zu, dessen Abenteuer „The Shadow Empire“ häufig als erster S&S-Text überhaupt genannt wird, zumal die erste Conan- Erzählung („The Phoenix on the Sword“) auf einer umgeschriebenen Kull-Geschichte

14 Beispiele hierzu finden sich in meinem Artikel „Disreputable Heroes: A Re-evaluation of Robert E. Howard and His Literature“.

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(„By this Axe I rule!“) basiert und beide Reihen neben sich ähnelnden Protagonisten auch teils ähnliche Erzählstrukturen aufweisen. Mit Fritz Leiber fällt meine Wahl auf einen zweiten Autor, der nach allgemeinem Konsens Werke verfasst hat, die dem Zentrum der Untergattung nahestehen und Einfluss auf dessen Entwicklung hatten. McCullough betrachtet Leibers Erzählungen um Fafhrd und den Gray Mouser, neben Howards Conan- und Kull- Geschichten, als „definitive works […] representing sword and sorcery“ und stellt fest, dass Leiber selbst sich Howard nahe fühlte, aber von Tolkien abgrenzte. So bezeichnet Leiber im Vorwort zu The Swords of Lankhmar Fafhrd und den Gray Mouser als „opposite extreme“ („Author’s Note“ 3) zu Tolkiens Helden und sein eigenes Werk als „an earthier sort of fantasy“ im Vergleich zu dem Tolkiens (3). Wie McCullough betrachtet auch Stableford Leibers Fantasy-Reihe als zentral für S&S und hält diese für „crucial to the development of the subgenre, demonstrating that it had far greater scope , in terms of wit and sophistication, than had interested Robert E. Howard“ (245). Im Folgenden werden die Erzählungen um Leibers Helden auch als Lankhmar-Reihe bezeichnet.15 Der dritte Schriftsteller, der im Fokus dieser Arbeit steht, ist Samuel R. Delany. In seinem Spiel mit Gattungskonventionen der S&S löst Delany sich recht weit von diesen. Somit ist Delanys Literatur sicher nicht genauso nahe am Kernbereich von S&S wie die Howards oder Leibers. Dafür, dass Delanys Werk sich durchaus zu S&S zählen lässt, spricht die Tatsache, dass sowohl Nnedi Okorafor und Michael Morrison als auch Delany selbst (Steiner 20) die Nevèrÿon-Reihe entsprechend verorten. Ebenso handhabt es Jeffrey Allen Tucker in seiner umfangreichen Delany-Studie A Sense of Wonder: Samuel R. Delany, Race Identity and Difference. Bevor sich eine abschließende Antwort auf die Frage finden lässt, wie nahe Delany dem Kernbereich der Untergattung steht, und ob seine Texte wirklich mit Fug und Recht als S&S bezeichnet werden können, ist es nötig, sich mit den Begriffen ‚S&S‘ und ‚Gattung‘ bzw. genre jeweils genauer auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund wird diese Fragestellung in Kapitel 2.4.4

15 Erwähnenswert ist, dass Leiber die Figuren des Fafhrd und des Mousers nicht alleine ins Leben rief. Die ursprüngliche Idee kam von seinem Freund Harry Otto Fischer, der die Helden 1934 in einem Brief an Leiber beschrieb und anschließend mit Leiber zusammen ausbaute (Leiber, „Fafhrd and Me“ 121 ff.). Der Widmung, die Leiber seiner Sammlung Swords of Deviltry (welche im hier verwendeten First Book of Lankhmar enthalten ist), voranstellt, lässt sich entnehmen, dass Fischer die ersten 10.000 Wörter der Erzählung „The Lords of Quarmall“ verfasste (580). Zudem schrieb Fischer die nur zwei Seiten lange Kurzgeschichte „The Childhood and Youth of the Gray Mouser“, welche 1978 im Dragon Magazine veröffentlicht wurde. Wie groß Fischers Einfluss auf die Entwicklung der beiden Charaktere und der fiktiven Welt, in der sie leben, nun wirklich war, lässt sich schwer beurteilen. Die von Fischer produzierte Textmenge ist verglichen mit dem Werk Leibers jedoch vernachlässigbar.

27 erneut aufgegriffen und beantwortet. Trotz der Vermutung, dass Delanys Texte weniger typisch für S&S sind als die anderer Autoren, spricht einiges dafür, sich intensiv mit diesen zu beschäftigen. Wie aus den bereits erwähnten Zitaten Okorafors und Morrisons hervorgeht, erforscht Delany die Grenzen der Untergattung ‚S&S‘ weitab von jeglicher formula. Eine Betrachtung von Delanys Texten ermöglicht somit einen Blickwinkel auf die Untergattung, den typischere, aber gleichzeitig formula-lastigere Texte nicht bieten. Auch scheinen Delanys Texte deshalb besonders geeignet für diese Dissertation, da sie eben jene gesellschaftlichen Fragestellungen unmittelbar thematisieren, die in Kapitel 3 dieser Dissertation untersucht werden – so etwa die Frage nach der Darstellung von Frauen oder ethnischen Minderheiten in S&S-Texten. Die Wahl von Howard, Leiber und Delany als Autoren, die einen Großteil Ihrer S&S-Erzählungen in verschieden Jahrzehnten verfassten, bietet zudem die Möglichkeit, Entwicklungen innerhalb der Untergattung zu untersuchen. So gilt es beispielsweise, der Frage nachzugehen, ob Delanys Dekonstruktion von Gattungskonventionen eine Fortsetzung und Weiterführung bestimmter Auflösungserscheinungen ist, die sich bereits bei Leiber (oder auch Michael Moorcock) finden, zum Beispiel in Form von Ironisierung und Parodisierung. Sicherlich gibt es andere bedeutsame S&S-AutorInnen, deren Werke für diese Arbeit von Interesse sind, aus Gründen des Umfangs jedoch nicht mit derselben Intensität beleuchtet werden können – allen voran Michael Moorcock, aber auch Autorinnen wie Joanna Russ. Eine Beschäftigung mit diesen SchriftstellerInnen erfolgt in Kapitel 2.4.5. Was die Auswahl der zu untersuchenden Primärtexte betrifft, greife ich hauptsächlich auf diejenigen Texte der ausgewählten Autoren zurück, die zwei Kriterien erfüllen: Zum einen liegt eine Nähe zum Kernbereich der Untergattung vor, zum anderen wird diesen Texten in der bereits zitierten Fachliteratur großer Einfluss auf die Entwicklung der Untergattung zugeschrieben. Hierbei handelt es sich um Howards Conan-Erzählungen, Leibers Reihe um Fafhrd und den Gray Mouser, sowie Delanys Nevèrÿon-Reihe. Wo dies der Untersuchung dienlich ist, ziehe ich gelegentlich auch andere S&S-Werke heran, etwa Howards Kurzgeschichten um Kull. Während es bei Leiber und Delany keine Rolle spielt, welche Edition ihrer Texte man wählt, da keine nennenswerten Unterschiede bestehen, ist es bei Robert E. Howards Literatur wichtig, die von de Camps nachträglichen Veränderungen befreiten Del-Rey-Ausgaben heranzuziehen.

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Erwähnenswert ist, dass kaum wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen, die sich mit Fritz Leibers Werk beschäftigen.16 Zu Samuel R. Delany existiert mit Tuckers A Sense of Wonder immerhin eine umfangreiche Monographie, die aber nur ein Kapitel dessen S&S-Texten widmet. Infolgedessen wird es notwendig sein, verstärkt an Leibers und Delanys Primärtexten zu arbeiten und eigene Schlüsse zu ziehen. Lediglich zu Howard liegt eine gewisse Anzahl oft wenig wissenschaftlicher Sekundärwerke vor. Die Tatsache, dass Sekundärliteratur zu S&S, zumindest was anerkannte Standardwerke angeht, insgesamt eher spärlich gesät ist, gestaltet die Arbeit bisweilen anspruchsvoller, bietet aber andererseits auch die Möglichkeit, sich in den folgenden Kapiteln mit einem relativ unerschlossenen Forschungsfeld zu beschäftigen.

16 Die Feststellung, dass „Academe has offered remarkably few critical studies of Leiber’s work“ (Pelan 1), welche im Vorwort zu Fritz Leiber: Critical Essays von John Pelan, ebenso wie in der darauf folgenden Einleitung von Benjamin Szumskyi getroffen wird (7), mutet umso erstaunlicher an, als Leiber unter Kritikern gemeinhin wohl einen besseren Ruf genießt als Howard und im Laufe seiner langen Karriere mit Auszeichnungen und Ehrungen im Bereich der Fantasy-, Science-Fiction- und Horrorliteratur geradezu überhäuft wurde. Sogar Hans Joachim Alpers, der in „Loincloth, Double Ax and Magic“ scharfe Kritik an HF bzw. S&S übt, bezeichnet Leiber als „pfiffig“ (48) und kann dessen Erzählungen positive Seiten abgewinnen.

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2. Sword and sorcery als Untergattung der fantasy fiction

2.1 Fantasy fiction: Die Definitionsproblematik

Jedem, der sich mit FF als akademischem Forschungsfeld beschäftigt, wird schnell klar, dass es keinen Konsens darüber gibt, wie diese Gattung zu definieren oder von anderen Gattungen abzugrenzen ist. Selbiges trifft auf die Untergattungen der FF zu, denen auch S&S angehört. Dies mag der Komplexität der Gattung ‚FF‘ und seiner Untergattungen geschuldet sein, oder auch daher rühren, dass die Wissenschaft sich mit Teilen der FF (wie etwa S&S) bisher kaum beschäftigt hat und Definitionsversuche deshalb häufig von Laien oder Autoren selbst angestellt wurden. Atteberys Konzept des Fantasy-genres als fuzzy set mit LOTR als Mittelpunkt liefert einen Ausweg aus diesem Dilemma. Analog dazu lässt sich von einem S&S- subgenre mit Howards Conan-Reihe im Zentrum ausgehen. Dieses Konzept bleibt jedoch sehr vage, was die Frage nach Grenzen und konkreten Unterschieden zwischen verwandten Gattungen und Untergattungen angeht. Um zu einem besseren Verständnis von S&S zu gelangen, und beispielsweise eine S&S-formula analog zu Atteberys FF- formula aufstellen zu können, ist eine Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung dieser Untergattung sowie den Entwicklungsprozessen, denen sie unterliegt, erforderlich. Bevor ich mich auf S&S im Speziellen konzentriere, möchte ich mich jedoch zunächst mit dem größeren Kontext befassen und mich mit FF als Ganzem beschäftigen. Da zur FF bereits akademische Studien vorliegen, ist es möglich, auf bereits vorhandene Forschung und entsprechende theoretische Ansätze zurückzugreifen, um Entwicklungsprozesse innerhalb der Gattung zu erklären. Diese Ansätze werden im Anschluss auf das von der Wissenschaft noch kaum erschlossene Gebiet der S&S übertragen. Eine Beschäftigung mit FF als größerem Kontext ermöglicht es zudem, S&S klarer von anderen Untergattungen der FF abzugrenzen. Zunächst gilt es jedoch, sich genauer, und vor allem kritisch, mit den Theorien Atteberys auseinanderzusetzen. Ein großes Problem liegt sicher darin, dass Atteberys Verwendung des Begriffes formula ein Werturteil impliziert. Da Attebery sich in seiner Suche nach den typischsten FF-Werken ausschließlich auf Werke konzentriert, die er fantasy-as-genre zurechnet, entsteht zumindest der Verdacht, er möchte diesen eine Art kanonischen Status zuschreiben, der formula-dominierten Texten grundsätzlich vorenthalten wird. An manchen Stellen wird eine Abwertung der

30 formula aber auch recht direkt impliziert. Dies geschieht beispielsweise, wenn Attebery schreibt, ein formula-haltiges Werk sei nicht „necessarily bad“ (10). Aus der Behauptung, dass ein Werk nicht zwangsläufig schlecht sei, folgt schließlich, dass dies für gewöhnlich oder zumindest häufig sehr wohl der Fall sei. Ähnliche Implikationen enthält Atteberys Aussage, dass ‚gute‘ formula besser sein könne als eine ‚schlechte‘ non-formulaic story (10). Auch der süffisante Humor, den Attebery bei der Beschreibung der formula an den Tag legt, etwa indem er diese mit den Worten „Keep stirring until the whole thing congeals“ (10) beendet, zeugt von einer abwertenden Grundhaltung gegenüber dem, was er als formula bezeichnet. Noch problematischer erscheint jedoch Atteberys strikte Trennung zwischen genre und formula – eine Einteilung, die er selbst als „a somewhat artificial one“ (11) bezeichnet. Schließlich ist jedes Werk zu einem bestimmten Grad formelhaft, und es erscheint unmöglich, eine auch nur annähernd klare Trennlinie zwischen genre und formula im Sinne Atteberys zu ziehen. Dieses Dilemma lässt sich umgehen, indem man anstelle von Atteberys Dreiteilung mode – genre – formula von einer Zweiteilung ‚Modus – Gattung‘ ausgeht, wobei die Gattung sowohl solche Werke einschließt, die stark formelhafte Züge tragen, als auch solche, die sich kaum an einer Formel orientieren. Im Folgenden werde ich im Gegensatz zu Attebery deshalb nur zwischen ‚Fantasy als Gattung‘ und ‚Fantasy als Modus‘ unterscheiden. Das Konzept der ‚Formel‘ hat trotzdem seine Berechtigung – schließlich verfügt jede Gattung über typische Muster, an die sich seine Vertreter mehr oder weniger stark halten. Das Bestimmen einer derartigen Formel ist sicherlich sogar hilfreich bei dem Versuch, eine Gattung zu umschreiben, da die Formel archetypische Elemente der Gattung in sich trägt. Aus diesem Grund wird in Kapitel 2.4.2 auch eine Bestimmung der Formel von S&S stattfinden. Werke, die einer solchen Formel sehr stark folgen, sehe ich im Gegensatz zu Attebery jedoch als innerhalb, nicht außerhalb der Gattung, angesiedelt an. Wie Attebery das genre, verstehe auch ich die Gattung als fuzzy set, schließe jedoch nicht von vornherein aus, dass formelhafte Werke sich in deren Kernbereich befinden. Die Verwendung des Begriffs ‚Formel‘ in dieser Arbeit ist ausdrücklich nicht an ein Werturteil gebunden. Bei denjenigen Werken, die sich im Zentrum einer Gattung befinden – egal ob stark oder kaum formelhaft – handelt es sich lediglich um die typischsten Vertreter dieser Gattung, nicht aber zwangsläufig um die besten. Es bleibt die Frage, wie sich bestimmen lässt, welche Texte dem Kernbereich einer Gattung angehören, und welche nicht. Atteberys Ansatz, LOTR als Zentrum des

31 genres (bzw. in meiner Terminologie der Gattung) zu verorten und die ‚Zentrumsnähe‘ eines jeden anderen Werkes daran zu messen, inwiefern es LOTR in bestimmten Kriterien ähnelt, erscheint hierbei eine sinnvolle Lösung. Schließlich besteht ein überwältigender Konsens darin, dass es sich bei LOTR um das typischste Werk der Gattung handelt. So stellen James und Mendlesohn beispielsweise fest, dass „two people’s understanding of the fantastic [hier wohl als auf fantasy bezogenes Adjektiv gebraucht]“ so verschieden sein kann, dass Tolkiens Werk häufig die einzige Schnittmenge darstelle (3). Ähnlich sieht es Mathews, der Tolkiens Roman als „[t]he most resplendent blossoming of pure fantasy“ (31) bezeichnet. Auch der Umstand, dass LOTR derart vielen späteren Autoren zum Vorbild diente und die Formel der FF, mit der ich mich in Kürze genauer beschäftige, weitgehend auf Tolkiens Werk zurückgeht, spricht dafür, dass LOTR uns heute ein „mental template“ (Attebery 14) dafür liefert, wie FF auszusehen habe. Es stellt sich die Frage, in welcher Hinsicht ein Werk der FF LOTR ähneln muss, um ebenfalls zum Kernbereich der FF gerechnet zu werden. Die drei Kriterien, die Attebery hierzu nennt, erscheinen sinnvoll: Inhalt (content), Struktur (structure) sowie die Wirkung auf den Leser (reader response) (Attebery 14). Das grundlegende inhaltliche Merkmal der FF sei hierbei das ‚Unmögliche‘. Eine Unterscheidung zwischen dem ‚Unmöglichen‘ und dem Fantastischen erscheint unzweckmäßig, weshalb ich beide Begriffe gleichsetze und fortan das Fantastische als entscheidendes inhaltliches Merkmal von FF betrachte. Da das Fantastische jedoch ebenso in anderen Gattungen der fantastischen Literatur vorliegt, ist es nötig, auch ganz konkrete inhaltliche Elemente zu benennen, die FF auszeichnen. Hierbei handelt es sich um Elemente, die in Tolkiens LOTR als zentralem Text der Gattung vorliegen und durch die Übernahme seitens diverser Imitatoren weite Verbreitung fanden – mit anderen Worten: die Formel der FF. Im Sinne einer wertungsfreien Herangehensweise ist es notwendig, die von Attebery mit ironischem Unterton aufgestellte Formel (10) neu zu formulieren. Typische Inhalte von FF-Texten sind also:17

- Eine am europäischen Mittelalter orientierte Welt - Eine Bedrohung und eine Prophezeiung, die zu deren Abwehr beiträgt

17 Wie Attebery gehe ich in der folgenden Aufzählung vor allem auf inhaltliche Kriterien ein, die anschließend genannte typische Struktur eines FF-Werkes lässt sich jedoch genauso als Teil der Formel verstehen, da auch sie von Tolkien-Imitatoren übernommen wurde.

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- Ein mächtiger, bösartiger Schurke, der einen bestimmten Schwachpunkt hat - Mythologische Kreaturen (z.B. Drachen oder geflügelte Pferde) und nichtmenschliche Völker (Elben, Orcs, Zwerge, Trolle usw.) - Ein zunächst gewöhnlich erscheinender Protagonist, der sich als Auserwählter herausstellt - Ein Begleiter (als comic relief) und ein weiser alter Ratgeber

Die charakteristische Struktur der FF bezeichnet Attebery als comic. Ein typisches Werk der FF beginne mit einem Problem und ende mit einer Lösung, wobei Tod, Verzweiflung, Schrecken und Verrat als Elemente auftreten können, jedoch nicht das letzte Wort darstellen dürfen (15). Würde eine Erzählung wie LOTR nicht mit einer Lösung der grundsätzlichen Probleme enden, sondern beispielsweise Sauron den Sieg davontragen, so würde „the structural completeness of fantasy“ (15) den „truncated story-forms of absurdism or horror“ (15) weichen. Die Struktur eines typischen FF- Textes sei zudem die des traditionellen Märchens im Sinne der Morphologie Vladimir Propps. Attebery umschreibt diese kurz als „a round-trip journey to the marvelous, complete with testing of the hero, crossing of a threshold, supernatural assistance, confrontation, flight, and establishment of a new order at home“ (15). Am Ende einer typischen FF-Erzählung stehe hierbei stets eine „invariable resolution“ (15), „an upward movement“ (15) oder, mit Tolkiens Worten, „a final turn toward deliverance“ (zitiert nach Attebery 15) in Form einer eucatastrophe. Ähnlich, nur in ihrer eigenen Terminologie, beschreiben auch Clute und Grant die Struktur eines typischen Werkes der FF:

A fantasy text may be described as the story of an earned passage from BONDAGE – via a central RECOGNITION of what has been revealed and of what is about to happen, and which may involve a profound METAMORPHOSIS of protanogist or world (or both) – into the EUCATASTROPHE, where marriages may occur, just governance fertilize the barren LAND, and there is a HEALING. (338 f.)

Atteberys drittes Kriterium, die Wirkung des Textes auf den Leser, ist nicht unproblematisch. Da hier extratextuelle Faktoren eine Rolle spielen, ist eine pauschale

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Aussage über die Wirkung einer Erzählung auf den realen Rezipienten kaum möglich. Allenfalls lässt sich die Wirkung textbasiert und im Hinblick auf einen implizierten Leser untersuchen. In „On Fairy-stories“ nennt Tolkien vier functions, die typisch für fairy-stories18 seien, darunter das Konzept der consolation. Hierbei handelt sich um die Freude, die der Leser angesichts der glücklichen Wendung am Ende der Erzählung empfinde („On Fairy-stories“ 75). Sicher drückt diese sich in der Realität nicht immer durch „a catch of the breath, a beat and lifting of the heart, near to (or indeed accompanied by) tears“ (75) aus, doch ist es naheliegend, dass ein glückliches Ende, welches einer Geschichte folgt, in der viel auf dem Spiel stand, positive Gefühle auslöst. Da es sich bei der eucatastrophe um eines der zentralsten strukturellen Merkmale der FF handelt, finden sich somit auch textimanente Anzeichen dafür, dass es sich bei consolation um eine für FF typische Wirkung auf den Leser handelt. Ein weiteres Konzept, das zur Beschreibung der Wirkung von FF auf den Leser herangezogen werden kann, ist C.N. Manloves wonder, welches er in Modern Fantasy: Five Studies erläutert, und das von Attebery (15 ff.) etwas undifferenziert verwendet wird. Manlove zufolge ist FF „a fiction evoking wonder“ (1), wobei wonder „anything from crude astonishment at the marvellous, to a sense of ‘meaning-in-the- mysterious’ or even of the numinous“ (7) sein könne. Der Effekt des wonder wird dadurch erzeugt, dass der Leser mit Übernatürlichem und Unmöglichem konfrontiert wird, das unerklärt bleibt (7), zu dem der Leser jedoch eine gewisse Verbindung herstellen kann (9).19

18 Tolkien versteht unter fairy-story, neben den Texten, die wir heute eindeutig der FF zuordnen würden, auch Märchen und ältere Texte, die sich des fantastischen Modus bedienen, wie etwa solche aus der nordischen Edda („On Fairy-stories“ 43 f.). Er grenzt fairy-stories jedoch von travellers’ tales, science fiction, dream stories und beast-fables ab (34 f.). 19 In der horror fiction bleibt das Fantastische zwar unerklärt, jedoch bleibt es auch fremd, und ermöglicht dem Leser nicht, eine Verbindung herzustellen (9). Somit erzeugt das Fantastische in der horror fiction laut Manlove eine unheimliche Wirkung, und nicht den Effekt des wonder, der eher einem neugierigen Erstaunen gleichkommt.

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2.2 Die historische Entwicklung der fantasy fiction

Begibt man sich auf die Suche nach dem Ursprung der FF, so erkennt man deren Wurzeln bereits in den Mythen und Legenden der frühen ‚Hochkulturen‘ und der Antike, welche zumeist in Versepen wie dem Gilgamesch-Epos oder der Odyssee verschriftet wurden. Als weniger offensichtliche Beispiele nennt Mathews ägyptische Texte aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus (6) und sogar das Alte Testament der Bibel (11), während de Camp in „The Swords of Faërie“ zudem auf „the Illiad, the Mahâbhârata, and the Völsungá Saga“ (7) verweist. Da diese Dissertation ihren Schwerpunkt naturgemäß auf westliche, insbesondere englischsprachige FF legt, beschränkt sich die folgende Skizzierung der Vorgeschichte dieser Gattung auf den westlichen Kulturkreis. Wie Mathews feststellt (10 f.), folgten den prototypischen hellenischen Epen in der römischen Antike zahlreiche weitere, die ihren Ursprung teils in griechischen Vorbildern, teils selbst im Mythos hatten, beispielsweise Virgils Aeneis, Ovids Metamorphosen oder Apuleius’ Der goldene Esel. Inspiriert vom antiken Epos begannen europäische Schriftsteller im elften Jahrhundert, ähnliche Werke in Form des höfischen Epos, im Englischen chivalric romance genannt, zu verfassen (de Camp, „The Swords of Faërie“ 9). Den großen Vorbildern, wie etwa Chrétien de Troyes oder Wolfram von Eschenbach, folgten in der Renaissance zahlreiche Nachahmer. Die Fülle an derartigen Imitationen war es, die Miguel de Cervantes zum Verfassen seines parodistischen Don Quixote bewegte. Dieses Werk war de Camp und Waggoner zufolge eine so geschickte Parodie, dass es der gesamten Gattung den Todesstoß versetzt habe (Waggoner 6; de Camp, „The Swords of Faërie“ 9). Ob man das Verschwinden der chivalric romance von der literarischen Bildfläche auf ein singuläres Ereignis wie das Erscheinen de Cervantes’ Romans zurückführen kann, ist natürlich fraglich, doch Don Quixote war sicherlich ein äußerst einflussreiches Werk, das gerade zu einem Zeitpunkt erschien, als ein enormer Umbruch bevorstand. Im 17. Jahrhundert führte das Aufkommen und Erstarken von an der Wissenschaft und der Vernunft orientierten Denkansätzen – Waggoner nennt „scientific, empiric rationalism and materialism“ (6) – zu fruchtbarem Nährboden für „literary realism, based on observation, logic, and reason“ (6).20 Der sich durchsetzende ‚realistische‘ Roman „claimed kinship to history and denied its ties to romance“ (Attebery x). Folglich wurde die Qualität eines Romanes

20 ‚Realismus‘ ist hier, und bei meinen folgenden Ausführungen, als Stilmerkmal zu verstehen, nicht als Epochenbegriff.

35 fortan daran festgemacht, wie sehr er es verstand, die Realität zu imitieren, was diejenige Literatur, die den fantastischen Modus in den Mittelpunkt stellte, in Randbereiche wie Kinderbücher oder Populärliteratur drängte (Attebery x f.). Hierbei wurde gerne übersehen, dass auch vermeintlich mimetische Literatur nie ganz ohne fantastische Elemente auskommt, wie Attebery (xi), und Mathews (1) korrekterweise feststellen.21 Die Abweisung, mit der die akademische Welt der FF lange Zeit begegnete und womöglich teilweise immer noch begegnet, lässt sich als direkte Folge dieses Primats der Mimesis betrachten (Attebery x f., Moorcock, Wizardry 16). Obwohl der mimetische Modus dem fantastischen entgegengesetzt ist, übte die Dominanz ‚realistischer‘ Darstellungsweisen auch großen Einfluss auf die Entwicklung der FF aus. Zahlreiche Autoren sind der Meinung, dass die klare Unterscheidung zwischen Realem und Übernatürlichem, die zu dieser Zeit erstmals getroffen wurde, die Entstehung der FF und verwandter Gattungen überhaupt erst ermöglichte (Mathews 3, Waggoner 6 f., Mendlesohn und James 3). Die Entstehung der FF, oder ihrer unmittelbaren Vorformen, wird von der Forschung somit weitgehend als Reaktion auf die im Zeitalter der Aufklärung aufkommenden philosophischen Strömungen und die Vormachtstellung des mimetischen Modus betrachtet. Frühere literarische Formen, die sich des fantastischen Modus bedienten, wie antike oder höfische Epen, werden als Quelle für Ideen und Motive betrachtet, nicht jedoch als Teil der Gattung ‚FF‘. Es existiert jedoch auch eine gegenläufige Meinung, deren prominentester Vertreter Brian Stableford ist. Dieser betrachtet Atteberys Aufteilung von fantasy in mode und genre als künstlich (xli ff.) und spricht sich gegen eine strikte Unterscheidung von moderner FF und älteren, vor der Aufklärung verfassten Texten aus. Auch frühere Autoren seien Stableford zufolge bereits in der Lage gewesen, zwischen ‚realistischen‘ und übernatürlichen Elementen ihrer Erzählungen zu unterscheiden (xlii f.). Stableford schließt sich Lin Carter und Neil Barron an, die „a more or less unbroken evolutionary chain“ (Stableford xlii) zwischen antiken Epen und moderner Fantasy-Literatur ausmachen. Seine logische Schlussfolgerung lautet: „the history of fantasy should begin with the origins of writing“ (xliii). Die Entwicklung der Gattung sei hierbei von den Prozessen recycling und transfiguration bestimmt worden, also dem Neuerzählen und Umformen ursprünglicher Texte (xxxix ff.). Hierbei handelt es sich um eine hochinteressante Theorie, auf die zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer

21 Uwe Durst trifft dieselbe Feststellung, innerhalb seiner Terminologie, bezüglich ‚wunderbarer‘ Elemente in ‚realistischen‘ Texten und vice versa (115 f.).

36 eingegangen wird. Die Frage, ab welchem Zeitpunkt man von FF sprechen kann, ist äußerst schwierig zu beantworten, da es sich bei der zeitgenössischen Einstellung um ein extratextuelles Element handelt, das nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann.22 Im Rahmen einer Beschäftigung mit S&S ist es jedoch unnötig, diese Problematik abschließend zu klären, da es sich hierbei um eine Untergattung handelt, die im 20. Jahrhundert entstand und somit von solchen Autoren verfasst (bzw. Lesern konsumiert) wurde, die ein neuzeitliches Verständnis von ‚Realistischem‘ und Fantastischem mitbrachten.23 Folgt man den meisten Quellen und betrachet die FF als eine Art Gegenbewegung zur dominierenden ‚realistischen‘ Darstellungsweise innerhalb der Literatur, so entsprang diese im 19. Jahrhundert natürlich nicht aus dem Nichts, sondern schöpfte aus dem Fundus bereits vorhandener philosophischer und literarischer Strömungen. Entscheidend hierbei ist die Rolle der Romantik, einer Bewegung, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufkam und einen Gegenpol zur Ordnungsliebe des Klassizismus und einem streng wissenschaftlichen Weltbild einnahm. Wie die Encyclopedia of Fantasy richtig feststellt, erzielte die Romantik eine „rehabilitation of the imagination“ (821), welche „fundamental to the evolution of modern fantasy“ (821) war. Bei der Bezeichnung Romanticism selbst handelte es sich um „a calculated link between the movement and the tradition of medieval ROMANCE which provides GENRE FANTASY with much of its imaginative apparatus“ (821). Zahlreiche Werke, die der Romantik nahestanden, fanden später bei Autoren der FF regen Anklang, so etwa MacPhersons Ossian-Gedichte, die ein vermeintliches gälisches Nationalepos bilden sollten, Balladen im Stile Thomas Percys, oder auch die historischen Romane Sir Walter Scotts. Ich teile jedoch die Einschätzung de Camps („The Swords of Faërie“ 10) und Gary K. Wolfes (12), dass der Einfluss der Romantik auf die Entwicklung der FF zum größten Teil über die beiden literarischen Gattungen der Gothic fiction und des Kunstmärchens stattfand.24 Eine besondere Rolle bei der Entstehung der modernen FF

22 Nur in solchen Texten, die den Unterschied zwischen ‚Realistischem‘ und Fantastischem konkret thematisieren, wie etwa Cervantes’ Don Quixote oder auch einige von Perraults Märchen, finden sich textimmanente Beweise für die Einstellung des Autors (und des implizierten Lesers) zu diesem Thema. 23 Zweifellos gibt es auch nach der neuzeitlichen Wende zur empirischen Welterfahrung noch Menschen, die unterschiedliche Auffassungen davon haben, was fantastisch bzw ‚realistisch‘ ist. Wohl aber existiert ein weitgehender Konsens darüber, welche Elemente eines Textes an der Realität orientiert sind und welche nicht. 24 Besonders deutlich wird der Einfluss der Gothic fiction auf die FF bei solchen Texten, die mit der horror fiction verwandt sind, so etwa einige Werke Arthur Machens, H. P. Lovecrafts oder auch der Gormenghast-Reihe von Mervyn Peake. Doch auch Autoren, die dem Zentrum der Gattung ‚FF‘

37 spielten George MacDonald und William Morris, die beide der Romantik nahestanden. Diese werden vom überwiegenden Teil der Fachwelt nicht nur als erste Vertreter der modernen FF betrachtet, sondern auch von den beiden wohl zentralsten Autoren typischer FF – Tolkien gefolgt von Lewis – als große Vorbilder genannt. Natürlich übernahmen Tolkien, Lewis und andere Autoren der FF nicht nur die bereits aufgezählten konkreten Elemente aus Morris’ und MacDonalds Werk, sondern ließen sich ebenfalls von einer gewissen Grundeinstellung zu ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ inspirieren, die deren Texten innewohnt und auf welche im folgenden Unterkapitel genauer eingegangen wird. Zunächst sei noch die Entwicklung der modernen FF beleuchtet. Als Autoren, die in der viktorianischen und edwardianischen Ära genre FF verfasst haben, wenn auch weniger typische als Tolkien, nennt Attebery Lewis Carroll, Charles Dickens, John Ruskin, Mary L. Molesworth, Juliana Horatia Ewing, William Morris, Charles Kingsley, George MacDonald, Edith Nesbit, Kenneth Grahame und Rudyard Kipling (14), sowie Lord Dunsany (10). Dieser Auflistung ließen sich weitere Autoren hinzuzufügen, so etwa L. Frank Baum, bei dessen The Wonderful Wizard of Oz es sich um einen bedeutenden Vertreter der portal fantasy handelt, der sicherlich Lewis beim Schreiben seiner Narnia-Reihe beeinflusste. Bei einigen Autoren, insbesondere den viktorianischen, könnte man aber auch darüber streiten, ob deren Werke wirklich typische FF darstellen. Mendlesohn und James zählen Kiplings The Jungle Book beispielsweise nicht zur FF, sondern betrachten dieses (zusammen mit den Werken Joel Chandler Harris’) als Grundstein einer „tradition of animal and trickster stories that would be hugely influential at the beginning of the twentieth century, and create an entire separate-but-related strand, linked to, but not quite of, fantasy“ (13). Andererseits rechnen die beiden Autoren mit Bram Stokers Dracula auch ein Werk der FF zu (22), welches man ebenso verwandten Gattungen wie Gothic fiction oder horror fiction zuordnen kann. Hier werden die Grenzen eines Gattungsmodells deutlich, das sich an

näherstehen, wurden mitunter von der Gothic fiction inspiriert, zum Beispiel William Morris, der, wie Mathews richtig feststellt, von den „gothic traditions of Britain“ (38) beeinflusst wurde und in dessen frühen Kurzgeschichten zumeist „Gothic ruins“ als „architectural context“ (Mathews 124) dienen. Adam Roberts sieht den Einfluss der Gothic fiction auch bei Tolkien und Lewis, die sich am „medievalism of the Gothic outlook as a specific and barbed critique of modernity“ (34) orientierten. Besonders groß ist der Einfluss von Gothic fiction, sowie der verwandten horror fiction, auf S&S, weshalb dieser in Kapitel 2.4.1 noch genauer beleuchtet wird. Übersetzungen deutscher Kunstmärchen, etwa durch Thomas Carlyle, fanden regen Anklang im viktorianischen England, insbesondere bei George MacDonald, „[t]he author who most fully embraced the aesthetics and techniques of the German romantics“ (Wolfe 13), der als „a key figure of Victorian fantasy“ (Wolfe 14) und womöglich „the first true fantasist“ (Waggoner 15) wiederum großen Einfluss auf zeitgenössische und spätere Autoren ausübte

38

Atteberys fuzzy set anlehnt: Wo genau die Gattung beginnt und endet, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Zwar kann man über Kriterien wie strukturelle und inhaltliche Ähnlichkeiten zu LOTR verhältnismäßig objektiv feststellen, wie nahe ein Werk dem Zentrum der Gattung ist, doch lässt sich auf die Frage, wie weit ein Werk von diesem Zentrum entfernt sein darf, um noch der Gattung anzugehören, kaum eine eindeutige Antwort finden. Es kommt erschwerend hinzu, dass FF sich von Beginn an mit anderen Gattungen der fantastischen Literatur überlappte. Als diejenigen Gattungen, die sich des fantastischen Modus bedienen und der FF am nächsten stehen, identifiziert Mathews Gothic fiction, utopian fiction, SF, sowie die Gattung der Satire (5). Mathews sieht weitreichende Zusammenhänge zwischen der FF und diesen eng verwandten Gattungen, die sich aus denselben Quellen speisen und zusammen ein „supportive continuum“ (5) bilden, das die Entwicklung der FF mitbestimme (5). Dieses supportive continuum wuchs schnell in Größe und Komplexität. Im Laufe des 20. Jahrhunderts kam es zu immer stärkeren Wechselwirkungen zwischen der FF und anderen Gattungen der fantastischen Literatur, was dazu führte, dass immer mehr Werke erschienen, die nicht eindeutig der einen oder anderen Gattung zugeordnet werden konnten. Dies führte zur Entstehung zahlreicher neuer Untergattungen, die wiederum selbst Einfluss auf verwandte Untergattungen nahmen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts unterscheidet Brian Stableford laut Petzolds „Good Fences Make Good Neighbours? On the Dialectics of Genre Formation and Hybridization in Contemporary Fantasy Fiction“ zwischen mehr als 80 verschiedenen Untergattungen, die das Wort fantasy im Namen tragen, von afterlife fantasy bis wish-fulfilment fantasy (144). Bei der Veranschaulichung dieses Sachverhalts hilft Farah Mendlesohns und Edward James’ Modell des literary braid, dessen einzelnen Stränge die Untergattungen der FF darstellen, die miteinander verflochten sind, sich überschneiden, und doch zusammen ein großes Ganzes bilden. Sicher ließe sich diese Metapher auch auf die gesamte fantastische Literatur ausweiten. FF, SF, horror fiction und andere Gattungen ließen sich dann als Stränge betrachten, die zusammen einen großen literary braid bilden. Angesichts der enormen Komplexität der Thematik vermeide ich eine rein chronologische Herangehensweise bei der Beschreibung der Entwicklung von FF innerhalb des 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Vielmehr greife ich auf einen Ansatz zurück, der Atteberys Gattungsmodell sinnvoll ergänzt und zu einem besseren Verständnis der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Untergattungen der FF sowie

39 zwischen der FF und verwandten Gattungen führt. Diesen Ansatz präsentiert Brian Stableford in The A to Z of Fantasy Literature, indem er die Entwicklung der Gattung ‚FF‘ durch die beiden Prozesse recycling und transfiguration erklärt. Recycling beschreibt er hierbei folgendermaßen:

One of the key features of literary based on myths, legends and folk tales is that they continue the process of serial transmission that presumably carried the stories across the centuries before they were first written down; they are regarded as „common property“ available for retelling and reshaping. (341)

Interessanterweise findet recycling jedoch nicht nur im Hinblick auf uralte Mythen und deren ständige Neuerzählungen statt. Stattdessen kann gemäß Stableford auch ein einflussreicher moderner Text den Status eines taproot texts erhalten und somit für recycling seitens künftiger Texte offen werden (341).25 Der Prozess der transfiguration ergibt sich als zwangsläufige Folge des recycling:

The routine recycling of folktales and other well-established stories within fantasy literature inevitably gives rise to a measure of transfiguration, whereby such stories gradually mutate and the most successful mutations – in terms of audience appeal – become built into future recyclings. (409)

Hier wird klar, dass sich die Begriffe recycling und tranfiguration eignen, um Prozesse zu beschreiben, die in 2.1 bereits beobachtet wurden. Sowohl Tolkiens LOTR als auch Howards Conan-Reihe lassen sich als taproot texts betrachten. Beiden folgten jeweils formelhafte Imitationen, also solche Werke, die sich vermehrt des recyclings bedienten, aber auch Werke, die durch den Prozess der transfiguration neue Wege gingen, wie Leibers und Delanys Texte im Falle der S&S. Die Grenzen zwischen recycling und transfiguration sind fließend, da auch recycling kaum eine hundertprozentige Wiedergabe des Ursprungstextes mit sich zieht. Der Prozess der transfiguration hilft auch, die große Zahl der von Stableford genannten Untergattungen der FF zu erklären, denn „frequently transfigured stories often give rise

25 Hier widerspricht Stableford Clute und Grant, die nur solche Werke als taproot texts bezeichnen, die vor dem Entstehen der modernen FF bereits vom fantastischen Modus Gebrauch machten (Clute und Grant 921).

40 to whole subgenres, including such portmanteau subgenres as Arabian fantasy, fairy tales, and classical fantasy, as well as more narrowly defined ones such as Odyssean, Orphean, and Promethean fantasies“ (409). Stableford bezieht recycling und transfiguration hauptsächlich auf Entwicklungen innerhalb der FF, beschreibt jedoch auch Prozesse, die zwischen verschiedensten Gattungen stattfinden und zur Komplexität des Verhältnisses zwischen FF und anderen Gattungen der fantastischen Literatur beitragen. Die beiden wichtigsten sind hybridization und chimerization, im Folgenden auch als Hybridisierung und Chimärisierung bezeichnet. Erstere beziehe sich auf „texts in which elements drawn from different sources are combined in such a way as to harmonize their content“ (209), welche eine „logical reconciliation and harmonization of their materials“ (74) anstreben. Chimärisierung hingegen liege vor bei „[t]exts that juxtapose motifs from very different sources or contrive other unlikely bisociations in order to derive narrative energy from the combination of apparently incompatible materials“ (74). Stableford zufolge besitzt die Gattung der modernen FF aufgrund ihrer Komplexität sowie aufgrund der zahlreichen Quellen, aus denen sie sich speist, eine besondere Affinität zu beiden Prozessen (lxiv f.). Als Beispiele für Hybridisierung nennt er unter anderem science fantasy, der er z.B. planetary romances zuordnet (362), sowie occult detective stories (lxv), wie sie etwa Sax Rohmer verfasst hat. Chimärisierung liege beispielsweise bei und Jasper Fforde vor.26 Trotz kleinerer Unausgereiftheiten steht außer Zweifel, dass Stablefords Modell von recycling und transfiguration sowie hybridization und chimerization sich eignet, um Entwicklungsprozesse innerhalb der FF zu beschreiben, weshalb im Folgenden darauf zurückgegriffen wird. In Anbetracht der enormen Komplexität der Gattung ‚FF‘ wird auch dieser Ansatz freilich nicht erlauben, eine umfassende Gesamtdarstellung zu liefern. Stattdessen werden sich die folgenden Ausführungen auf eine Beschreibung der für FF als Ganzes entscheidendsten Entwicklungen anhand der repräsentativsten Beispiele beschränken. Besonders schwammig verlaufen die Grenzen zwischen SF und FF, weshalb in

26 Eine strikte Abtrennung zwischen Hybridisierung und Chimärisierung scheint jedoch unmöglich, da es sich bei ‚Harmonie‘ kaum um ein rein objektives Merkmal handelt. Petzold schlägt daher das Vorhandensein bzw. die Abwesenheit struktureller Ähnlichkeiten zwischen zwei Gattungen als entscheidendes Kriterium vor („Fences“ 147), welches zumindest eine grobe Einordnung dahingehend ermöglicht, wie stark der chimäre Charakter einer solchen Kombination ausgeprägt ist. Hierbei scheint es mir sinnvoll, Chimärisierung und Hybridisierung nicht als dichotome Begriffe zu verstehen. Vielmehr bin ich, in Anlehnung an Petzold, der Ansicht, dass jedes hybride Werk zu einem gewissen Grad chimären Charakter hat, der sich theoretisch als Wert auf einer fließenden Skala darstellen ließe.

41 jüngerer Zeit der Begriff science fantasy ins Leben gerufen wurde. Es gibt zahlreiche Beispiele für Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die bereits charakteristische Eigenschaften beider Gattungen vereinen, wie etwa David Lindsays Voyage to Arcturus oder C. S. Lewis’ Space Trilogy. Auch im Bereich der pulp fiction wurden äußerst erfolgreich Werke verfasst, die man heute als Hybride zwischen SF und FF einordnen würde, beispielsweise die bereits erwähnten planetary romances Edgar Rice Burroughs’ oder diverse Erzählungen rund um untergegangene ‚Zivilisationen‘, denen sowohl unglaubliche magische als auch technische Fähigkeiten zugeschrieben werden.27 Über diese Werke fanden gewisse SF-Elemente auch Einzug in die Texte Howards, der mit eine stark an Burroughs orientierte Erzählung verfasste, die eine Art Mischform aus planetary romance und S&S darstellt. Auch in Conan- Geschichten finden sich vereinzelte SF-Elemente, wie etwa fremde Wesen außerirdischer Herkunft, so zum Beispiel der elefantenartige Yag-Kosha in „The Tower of the Elephant.“28 Erst seit den späten 50er bzw. den 60er Jahren wurden FF und SF gemäß Mendlesohn und James eindeutig als unterschiedliche Gattungen wahrgenommen. Dies wurde unter anderem durch das Aufkommen der hard science fiction bedingt, die Mendlesohn und James als „ideologically antithetical to fantasy“ (66) bezeichnen. In den USA könnte auch der Niedergang der pulp fiction, deren Autoren oft über Gattungsgrenzen hinweg tätig waren, sowie das gleichzeitige Aufkommen der paperback-Romane zu einer deutlicheren Unterscheidung zwischen beiden Gattungen beigetragen haben (Mendlesohn und James 65 f.). Versuche, beide Gattungen abzugrenzen, basieren in der Regel auf der Idee, dass FF-Erzählungen grundsätzlich unmögliche, allenfalls durch Magie erklärbare Geschehnisse enthalten, während SF in der Regel auf (vermeintlichen) Extrapolationen wissenschaftlicher Erkenntnisse beruht. In der Praxis war und ist diese Unterscheidung natürlich nicht immer sauber zu treffen, wie ein Zitat Arthur C. Clarkes veranschaulicht: „Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic“ (zitiert nach Mendlesohn und James 69). In den 50er und 60er Jahren wurde dies insbesondere bei Ray Bradbury, Poul Anderson und Jack Vance deutlich. Die von diesen Autoren verfasste FF ist, gemäß Mendlesohn und

27 Beispielsweise finden sich unter Clark Ashton Smiths Erzählungen um versunkene Kontinente wie Atlantis bzw. Poseidonis solche, die sich mit der Macht von Magiern beschäftigen, wie etwa „The Death of Malygris“, aber auch solche, in denen Raumfahrt thematisiert wird, wie zum Beispiel „A Voyage to Sfanomoë“. 28 Eine Rolle spielt hierbei sicher auch die horror fiction H. P. Lovecrafts, die ebenfalls SF-Elemente in sich trägt und großen Einfluss auf Howards S&S hatte.

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James, „very often contextualized in science fiction codes“ (68), so etwa Andersons Roman Three Hearts and Three Lions, in dem ein dänischer Widerstandskämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg durch eine Explosion in ein mittelalterliches Paralleluniversum katapultiert wird, wo mythologische Figuren und Magie Wirklichkeit sind. Trotz (oder gerade aufgrund) der Abgrenzung von FF und SF kam es in den 50er und 60er Jahren also verstärkt zu Hybridisierungserscheinungen zwischen beiden Gattungen. Hybridisierung zwischen FF und SF spielte auch in den 70er und 80er Jahren eine große Rolle, als zahlreiche Schriftsteller, die bis dato als SF-Autoren gegolten hatten, verstärkt FF verfassten, beispielsweise Ursula K. Le Guin, Roger Zelazny, Marion Zimmer Bradley, Andre Norton, Anne McCaffrey oder Gene Wolfe.29 Eine weitere Gattung, die sich fließende Grenzen mit der FF teilt, ist die horror fiction. Diese hat ihre unverkennbaren Wurzeln in der Gothic novel, welche Mathews als Teil des supportive continuums identifiziert, auf das die FF sich stützt. Mendlesohn und James vertreten gar die Ansicht, dass es sich bei der horror fiction lange Zeit um eine Untergattung der FF handelte, die sich erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhundert zu einer eigenständigen Gattung entwickelte und, ähnlich wie SF, deutlich von FF abspaltete (22, 112).30 Der bedeutendste Autor von horror fiction der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war ohne Zweifel H. P. Lovecraft, dessen Texte ebenfalls deutliche Züge von SF und FF tragen. Als einer der wichtigsten Einflüsse auf Robert E. Howard

29 Gemäß Mendlesohn und James verfügten insbesondere Zelazny, Zimmer Bradley und McCaffrey über einen „science fictional take on building a fantasy world“ (92) und verfassten Reihen, die aus Gründen der Vermarktung zunächst als SF und später, mit steigender Popularität der FF, als FF gehandelt wurden (92). Mendlesohns und James’ Fazit lautet: „Norton, Zelazny, McCaffrey and Bradley repopularized the notion of a science fantasy, in which the trappings were fantastical but the paradigm was sf (97)“. Beachtlich ist auch der Erfolg entsprechender Hybriden in anderen Medien zu dieser Zeit. Star Wars weist neben typischen, offensichtlichen SF-Elementen auch das mystische Element der ‚Macht‘ auf, für die in der ursprünglichen Trilogie keine (pseudo-)wissenschaftliche Erklärung geliefert wird. Die ‚Macht‘ erinnert vielmehr stark an die magischen Fähigkeiten manch eines FF-Protagonisten. Hinzu kommt, zumindest im Falle von Star Wars: Episode IV – A New Hope ein „plot [that] is almost precisely that of a fairy tale“ (Clute, Nicholls 1160). Zahlreiche B- und C-Filme der 80er und 90er wie Krull, Beastmaster 2 oder Yor, the Hunter from the Future weisen ähnlich hybride Eigenschaften auf. Im Bereich der pen-and- paper-Rollenspiele erschien 1989 mit Shadowrun ein äußerst erfolgreiches Spiel, das Cyberpunk- mit Fantasy-Elementen verbindet. In jüngster Zeit scheinen Hybriden zwischen FF und SF eine weniger dominante Rolle einzunehmen, was wohl einerseits der schwindenden Popularität der SF geschuldet ist, andererseits sicher auch der Tatsache, dass FF immer komplexere und unwahrscheinlichere hybride bzw. chimäre Verbindungen mit anderen Gattungen eingeht, auf die ich im Laufe dieses Unterkapitels noch zu sprechen kommen werde. 30 Unabhängig davon, ob man die bis zu diesem Zeitpunkt verfasste horror fiction tatsächlich der FF zuordnet, ist klar, dass zumindest starke Überschneidungen zwischen beiden Gattungen existieren. Dracula etwa, eines der wichtigsten Werke der Gothic bzw. frühen horror fiction, wird nicht nur von Mendlesohn und James zur FF gerechnet, sondern stellte sich bei einer Umfrage Atteberys unter Freunden und Kollegen auch als das sechst-repräsentativste Werk der Gattung dar (von 40 zur Auswahl gestellten) (Attebery 14).

43 trug Lovecraft dazu bei, dass S&S, stärker als typische FF, Hybridisierungsprozesse mit horror fiction einging, wie unter 2.4.1 noch genauer veranschaulicht wird. Ähnlich wie die SF in den beiden vorangegangenen Jahrzehnten, setzte sich die horror fiction in den 70er Jahren deutlicher von der FF ab (Mendlesohn und James 112). Mit Stephen King in den USA und Ramsey Campbell in Großbritannien etablierte sie sich als kommerziell erfolgreiche, eigenständige Gattung. Wie im Falle der SF kam es auch bei der horror fiction nach deren eindeutiger Abspaltung von der FF wieder verstärkt zu Hybridisierungserscheinen zwischen beiden Gattungen. Diese fanden Ihren Höhepunkt in den 90er Jahren mit dem Erstarken der dark fantasy (Mendlesohn und James 152), die auf ähnliche Weise eine Hybridgattung zwischen FF und horror fiction darstellt wie die science fantasy im Falle von FF und SF.31 Wie bereits festgestellt, fand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine relativ deutliche Abtrennung zwischen verschiedenen Gattungen der fantastischen Literatur, insbesondere der FF, der SF und der horror fiction, statt. Paradoxerweise scheint gerade das Erstarken der Grenzen zwischen diesen Gattungen zu verstärkten Hybridisierungserscheinungen und dem Entstehen neuer Hybridgattungen wie der science fantasy oder der dark fantasy beigetragen zu haben. Analog zu den Wechselwirkungen zwischen FF, SF und horror fiction lassen sich ab den 70er Jahren auch zwischen Untergattungen innerhalb der FF ganz ähnliche Prozesse ausmachen. Mendlesohn und James sprechen hier von speciation:

Up to the 1970s, while there are many different types of fantasy, there is no real sense of separate fantasy sub-genres and separate audiences, with the exception perhaps of the ghost-story market. The 1970s, however, sees what we can think of as a speciation, in which certain aspects of the field become recognizable marketing categories in their own right. (112)

31 Der Begriff dark fantasy wird, wie so manche Gattungsbezeichnung im Bereich der fantastischen Literatur, von verschiedenen Autoren unterschiedlichst definiert. An dieser Stelle wird er im Sinne Mendlesohns und James’ verwendet, auf die sich dieses Unterkapitel als primäre Quelle stützt. Unter den zahlreichen erfolgreichen Vertretern lassen sich etwa Clive Barkers Weaveworld oder Laurell K. Hamiltons Anita-Blake-Reihe als Beispiele nennen. Dark fantasy ist hierbei jedoch eine Untergattung, die nicht nur über Struktur und Inhalt seiner Texte definiert wird. Vielmehr stellt es auch eine aus marktwirtschaftlichen Gründen verwendete marketing category dar, wie aus der Zahl der Texte hervorgeht, die zuvor als FF oder horror fiction und nun als dark fantasy beworben wurden – „for reason of perceived prestige“, wie Clute und Grant anmerken (249). Mit der science fantasy hat die dark fantasy den Erfolg in anderen Medien gemeinsam. Buffy the Vampire Slayer war eine der erfolgreichsten TV- Serien der 90er und hat wiederum Dutzende Spin-offs in Form weiterer Serien, Bücher und Computerspiele hervorgebracht.

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Es ist fraglich, ob diese Feststellung vollständig zutrifft. Man denke daran, dass Fritz Leiber den Begriff ‚S&S‘ bereits 1961 erfand, um diese Art der FF von anderen Werken abzugrenzen. Zweifellos richtig ist aber, dass die Zahl der verschiedenen Kategorien, unter denen FF vermarktet wurde, in den 70er Jahren drastisch anstieg. Als Beispiel für eine dieser Untergattungen lässt sich die animal fantasy anführen, die Mendlesohn und James gar als eigenständige Gattung betrachten, welche sich von der FF in den 70er Jahren mit Werken wie Richard Adams’ Watership Down ähnlich weit entfernte wie die horror fiction (112). Die Zahl der marketing categories bzw. (vermeintlichen) Untergattungen wuchs auch in den folgenden Jahrzenten stetig an, bis wir schließlich, wie Stableford, ohne weiteres über 80 verschiedene Arten von FF unterscheiden können. Sicherlich spielen bei dieser Entwicklung vermarktungstechnische Gründe eine genauso große Rolle wie inhaltliche oder strukturelle Unterschiede. Trotzdem liegt ohne Zweifel eine fortschreitende Diversifizierung der Gattung vor, die einen Nährboden für Hybridisierungs- bzw. Chimärisierungsprozesse bietet, welche die Zahl der Untergattungen durch neue Kategorien wie etwa dark fantasy weiter erhöhen. Hybridisierung bzw. Chimärisierung und Diversifizierung scheinen sich hierbei wechselseitig zu begünstigen oder sogar zu bedingen.32

32 Stellen science fantasy und dark fantasy noch Beispiele für Hybriden aus Gattungen dar, die eng mit der FF verwandt sind und strukturell kompatibel zu dieser erscheinen, so kam es in jüngster Zeit verstärkt zu chimären Kombinationen, wie auch Stableford feststellt (lxv). Neben den satirischen und parodistischen Werken Terry Pratchetts und Jasper Ffordes ist J.K. Rowlings Harry Potter eines der Musterbeispiele, da es Elemente strukturell so verschiedener Gattungen wie FF und school story verbindet. Ähnlich verhält es sich bei Stephenie Meyers’ Twilight-Reihe. Diese enthält zwar wenige für den Kernbereich der FF typische Elemente, wird aber meist unter dem Label fantasy vermarktet. Meyers’ Erzählungen verbinden das der Gothic fiction entspringende Motiv des Vampirs mit einer high school romance32 und sind kommerziell kaum weniger erfolgreich als die Rowlings.32 Angesichts dieser Erscheinungen steht eines fest: Die FF befindet sich im Wandel, geht die vermeintlich unwahrscheinlichsten Kombinationen mit anderen Gattungen ein und gewinnt dabei stetig an Komplexität.

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2.3 Fantasy fiction im Zeichen des Spannungsfeldes von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘

2.3.1 Auseinandersetzung mit den Begriffen ‚Natur‘ und ‚Kultur‘

Ich teile mit Nünning die Auffassung, dass sich moderne deskriptive Definitionen von ‚Kultur‘ im wissenschaftlichen Sinne an E.B. Tylor orientieren. Dieser versteht unter ‚Kultur‘ „das komplexe Ganze, das Wissen, Überzeugungen, Kunst, Gesetze, Moral, Tradition und jede andere Fertigkeit und Gewohnheit einschließt, die Menschen als Mitglieder einer Gesellschaft erwerben“ (zitiert nach Nünning 106). ‚Natur‘ stellt laut Nünning den Gegenbegriff zu ‚Kultur‘ dar. Beide zusammen seien ein „Schlüsselkonzept jedes Weltbildes“ (163) und spieglen „grundsätzliche Vorannahmen kulturell spezifischer Realitätsentwürfe“ (163) wieder. Als „[v]ier abendländische Konzeptualisierungen von Natur“ (163 f.) nennt Nünning:

(a) das präsentisch und essentialistisch gedachte Wesen eines Phänomens; (b) eine untergründige Dynamik, welche den Lauf der Welt und/oder das individuelle Schicksal des Menschen steuert; (c) die gesamte Welt irdischer Phänomene in ihrer Materialität; (d) das unabhängig vom Menschen Entstandene und nicht Veränderte. (164)

Hierbei stellt Nünning fest, dass Naturkonzepte Konstruktcharakter besitzen (164), was impliziert, dass diese paradoxerweise selbst Kulturprodukte darstellen. Aus diesen Definitionen geht hervor, dass das Spannungsfeld ‚Natur – Kultur‘ sich nicht auf einen ökologischen Aspekt reduzieren lässt. Vermutlich ist es bei einer Analyse der fiktiven Welten von S&S sogar sinnvoll, andere Aspekte als den ökologischen in den Mittelpunkt zu stellen, da dieser sicher weniger ausgeprägt ist als etwa bei Tolkien. Nünning weist in diesem Zusammenhang auf die „Funktionalisierung historisch spezifischer N.konzepte als Matrix und implizite Legitimation historisch spezifischer, dominanter Weltbilder und Diskurse“ (164) hin. Als Beispiele nennt er Rassismus und Sexismus, die sich „durch den Rekurs auf einen meist diffusen N.begriff“ legitimieren, „insofern ethnische und Geschlechtsdifferenzen unter Verweis auf die N. als unhinterfragbare Gegebenheiten postuliert werden“ (164). Gleiches trifft sicherlich auf politische Ideologien und viele weitere Diskurse zu. Nünnings Begriffsverständnis von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘, dem ich mich anschließe,

46 erlaubt somit eine Bearbeitung zahlreicher Themen, die mit den Vorwürfen in Verbindung stehen, denen sich S&S, aber auch FF im Stile Tolkiens, häufig gegenüber sehen, etwa was die Propagierung faschistischer, rassistischer oder misogyner Ideologien angeht. Neben ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ gilt es, zwei verwandte Begriffe zu definieren, die sowohl in Howards Fiktion, als auch im Weltbild des Autors eine dominierende Rolle einnehmen: ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘. Seinen Ursprung hat der Begriff ‚Barbar‘ bekannterweise im Griechischen, wo er als Sammelbegriff für Fremde, die kein Griechisch sprachen, verwendet wurde. Hierbei nahm er wohl schon eine negative Konnotation an, wie er sie heute noch besitzt. Sowohl im englischen als auch im deutschen Sprachraum versteht man unter einem barbarian bzw. ‚Barbaren‘ meist eine Person, die sich äußerst roh und grausam verhält und/oder ungebildet ist. Solcherlei Definitionen sind jedoch weit von Howards Verständnis des Begriffes entfernt, dessen ‚Barbaren‘ weder grausam noch stumpfsinnig sind. Sowohl Conan als auch Kull schwingen sich zu Herrschern über ‚zivilisierte‘ Königreiche auf und zeigen sich in dieser Funktion als weise, weitsichtig und verantwortungsvoll. Mit ‚Zivilisation‘ existiert ein Gegenbegriff zu ‚Barbarei‘, der ebenso schwer zu definieren ist. Nünning weist darauf hin, dass man heute im wissenschaftlichen Bereich, „auch unter anglo-am. Einfluss, die Differenz von [Kultur] und Zivilisation als vernachlässigbar“ (107) ansehe. Trotzdem ist es für diese Arbeit nötig, dem Begriff ‚Zivilisation‘ eine gewisse Schärfe zu verleihen und eine Definition zu finden, die sowohl mit dem modernen Begriffsverständnis als auch mit dem Howards in Einklang zu bringen ist. Im Folgenden verstehe ich ‚Zivilisation‘ als Beschreibung einer bestimmten Stufe der kulturellen Evolution einer Gesellschaft. ‚Barbarei‘ beschreibt die Abwesenheit von ‚Zivilisation‘ in diesem Sinne. Ein ‚Barbar‘ ist jemand, dessen Herkunft außerhalb einer ‚zivilisierten‘ Gesellschaft liegt. Auch die Adjektive ‚zivilisiert‘ und ‚barbarisch‘ werden dementsprechend gebraucht.

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2.3.2 ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ in der Literatur

Nicht zuletzt aufgrund der Popularität von green studies und ecocriticism wurde die Darstellung von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ in der Weltliteratur bereits in umfangreichen Studien behandelt. Im Falle der FF liegt ebenso eine ganze Reihe an Sekundärwerken zum Umgang mit dieser Dichotomie in Tolkiens LOTR vor, während S&S – mit Ausnahme einiger Aufsätze zu ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ bei Howard – hinsichtlich dieser Thematik relativ unerschlossen ist. Um dem größeren Kontext gerecht zu werden, komme ich vom Allgemeinen zum Speziellen und gebe zunächst eine Übersicht über die Thematisierung von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ im Laufe der Literaturgeschichte. Diese Übersicht kann an dieser Stelle aus Gründen des Umfangs freilich nur skizzenhaft erstellt werden, weshalb ich mich im Folgenden auf das Wesentlichste beschränke und insbesondere bei der Betrachtung neuzeitlicher Entwicklungen auf den englischsprachigen Raum konzentriere. Im Laufe der Untersuchungen wird sich bestätigen, dass das Spannungsfeld ‚Natur – Kultur‘ kein grünes Spezialthema darstellt, sondern in einen sehr viel umfassenderen Diskurs eingebettet ist. Eine Strömung, die seit jeher starken Einfluss auf die Darstellung von ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ innerhalb der Literatur besitzt, und sowohl für typische FF als auch für typische S&S von großer Bedeutung ist, ist der Primitivismus. Gemäß Lovejoys und Boas’ Primitivism and Related Ideas in Antiquity lässt der Primitivismus sich in zwei Kategorien aufteilen: chronologischen und kulturellen Primitivismus. Der chronologische Primitivismus geht von der These aus, dass die frühste Entwicklungsstufe der Menschheitsgeschichte die beste gewesen sei und „the highest degree of excellence or happiness in man’s life“ (Lovejoy und Boas 2) ermöglicht habe. Diese Art des Primitivismus beansprucht einen deskriptiven Charakter und schließt per definitionem aus, dass der bestmögliche Zustand jemals wieder zu erreichen ist. In Reinform liegt der chronologische Primitivismus somit vor allem in der Mythologie sowie als Phänomen innerhalb der Geschichtsschreibung vor, wie Lovejoy und Boas anhand antiker Beispiele demonstrieren (23 ff.). Lovejoy und Boas konzentrieren sich vor allem auf das ‚Goldene Zeitalter‘ der griechischen Mythologie, doch auch der christliche Garden Eden lässt sich hier als Beispiel anführen. Beim kulturellen Primitivismus handelt es sich laut Lovejoy und Boas hingegen um „the discontent of the civilized with civilization, or with some conspicuous and characteristic feature of it. It is the belief of men living in a relatively highly evolved

48 and complex cultural condition that a life far simpler and less sophisticated in some or in all respects is a more desirable life“ (7).33 Es ist davon auszugehen, dass Ideen des kulturellen Primitivismus innerhalb der (erzählenden) Literatur wesentlich dominanter sind als solche des chronologischen Primitivismus. Schließlich will Literatur nicht nur beobachten, sondern häufig auch gesellschaftskritisch tätig werden – was impliziert, das die Menschheit den vermeintlichen Idealzustand auch wieder erreichen kann (und somit dem Grundprinzip des chronologischen Primitivismus widerspricht).34 Ich werde mich im Folgenden deshalb überwiegend mit dem Phänomen des kulturellen Primitivismus in der Literatur beschäftigen. Eng mit diesem verbunden ist die Vorstellung eines menschlichen ‚Naturzustandes‘, welcher mit dem vom Primitivismus angestrebten Idealzustand gleichgesetzt wird (12). Lovejoy und Boas weisen zu Recht auf die Künstlichkeit der Begriffe ‚Naturzustand‘ bzw. ‚Natur‘ hin. Der Primitivismus ist jedoch nicht die einzige Strömung, die sich den Begriff ‚Natur‘ zunutze macht und in ihrem Sinne deutet. Lovejoy und Boas bezeichnen ‚Natur‘ als „probably the most equivocal [word] in the vocabulary of the European peoples“ (12), dessen Konnotationen „conceptions not only distinct but often absolutely antithetic to one another in their implications“ (12) enthalten. Der Begriff ‚Natur‘ wird gemäß Lovejoy und Boas häufig im Sinne von Normen und Standards verwendet (12 f.). „Correctness in opinion and excellence in individual conduct or in the constitution of society“ (103) besteht in der Konformität mit diesen durch den Terminus ‚Natur‘ gekennzeichneten Normen und Standards. Diese Beobachtung ist zutreffend und wichtig, denn der Begriff ‚Natur‘ scheint häufig dazu zu dienen, bestimmte gesellschaftliche Strukturen und Machtverteilungen zu begründen. Dies deckt sich mit den Aussagen Nünnings. Sowohl der Herrschaftsanspruch diverser Regime als auch soziale Diskriminierung jeglicher Art rechtfertigen sich über eine vermeintlich ‚natürliche‘ Ordnung der Dinge. Hier wird abermals deutlich, dass das Spannungsfeld ‚Natur – Kultur‘ nicht nur im Rahmen von

33 ‚Zivilisation‘ ist hierbei natürlich ein relativer Begriff. Lovejoy und Boas vermuten, dass der kulturelle Primitivismus fest in der menschlichen Natur verankert ist und es bereits unter den ersten Höhlenmenschen solche gab, die abschätzig auf „the cowardly effeminacy of living under shelter“ (7) herabblickten. Für gewöhnlich dienen dem Anhänger des kulturellen Primitivismus Beispiele aus Vergangenheit oder Gegenwart als Bestätigung seiner Ansichten. Wenn hierbei der Beginn der Menschheitsgeschichte als Beispiel herangezogen wird, so überschneiden sich chronologischer und kultureller Primitivismus, was laut Lovejoy und Boas jedoch selten der Fall sei (8). 34Um die wie auch immer geartete Überlegenheit ‚primitiver‘ Menschen im ‚Naturzustand‘ gegenüber ‚zivilisierteren‘ Menschen aufzuzeigen, ist Literatur außerdem beinahe dazu gezwungen, beide gegenüberzustellen. Wenn in einer Geschichte nun aber Menschen beider Entwicklungsstufen aufeinandertreffen, so widerspricht auch dies bereits in gewisser Weise dem Grundprinzip des chronologischen Primitivismus, demzufolge der Idealzustand des Menschen nur zu Beginn der Menschheitsgeschichte angetroffen werden kann.

49 ecocriticism betrachtet werden sollte, sondern weitreichende gesellschaftliche und politische Implikationen besitzt, auf die in Bezug auf FF bzw. S&S in Kürze eingegangen wird. Der kulturelle Primitivismus tritt in zwei verschiedenen Ausprägungen auf, welche Lovejoy und Boas als soft primitivism und hard primitivism bezeichnen. Der soft primitivism betrachtet das Leben im ‚primitiven Naturzustand‘ hierbei als einfacher und weniger von Regeln, Konventionen und körperlicher Arbeit bestimmt als das des ‚zivilisierteren‘ Menschen. Es verspricht somit ein größeres Maß an Freiheit und weniger Anstrengung. Lovejoy und Boas weisen darauf hin, dass dem soft primitivism beinahe immer ein verklärtes Bild ‚primitiver‘ Gesellschaften zugrunde liegt (9). Beim hard primitivism handelt es sich hingegen um die Vorstellung, dass das Leben in ‚primitiven‘ Gesellschaften härter, anstrengender und entbehrungsreicher sei als in der ‚Zivilisation‘. Aus der Abwesenheit von Luxus folge aber nicht zwangsweise die Abwesenheit von Zufriedenheit. Vielmehr sei der ‚primitive‘ Mensch leichter zufriedenzustellen und deshalb glücklicher. Zudem sei er Entbehrungen gewöhnt und trage diese somit mit Würde. Somit zeichnet also auch der hard primitivism das Leben des ‚primitiven‘ Menschen in positivem Licht (9 f.). Sicher handelt es sich bei soft primitivism und hard primitivism nicht um zwei stets in Reinform vorhandene Extrema. Vielmehr sollte man die Begriffe als Pole verstehen, zwischen denen sich primitivistische Ideen bewegen. Im Folgenden werden Beispiele für solche Konzepte gegeben, die in der Literatur typischerweise mit dem soft bzw. hard primitivism in Verbindung stehen. Die Idee des soft primitivism findet sich in der griechischen Antike laut Lovejoy und Boas vor allem in Bezug auf fiktive Orte wie Hyperborea oder die Insel der Seligen, oder auch auf verklärte, kaum bekannte Völker wie die Äthiopier (287). Sie spiegelt sich jedoch auch in der Pastorale wieder, über die sie Einzug in die neuzeitliche Welt fand. Greg Garrard weiß in seinem Buch Ecocriticism aus Sicht der gleichnamigen Bewegung zu berichten: „Since the Romantic movement’s poetic responses to the Industrial Revolution, pastoral has decisively shaped our constructions of nature. […] No other trope is so deeply entrenched in Western culture, or so deeply problematic for environmentalism“ (33). Die Pastorale greift in ihrer Darstellung eines einfachen, am bukolischen Leben orientierten Daseins überwiegend auf soft primitivism zurück. Womöglich ist es gerade die durch den soft primitivism bedingte harmonische, verklärte Darstellung der ‚Natur‘ sowie der im Einklang mit ihr lebenden Menschen, welche die

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Pastorale für Garrard als Vertreter des ecocriticism so interessant macht – schließlich wirken Menschen, die in einer sorglosen Welt leben, wesentlich verletzlicher als die zähen, abgehärteten Wilden des hard primitivism. Gleiches lässt sich jeweils über Flora und Fauna sagen. Für einen gewisse Affinität zwischen soft primitivism und ecocriticism spricht, dass Garrard die Pastorale als wichtig für die Entstehung von environmentalism, ecocriticism und selbst der science of ecology (33) nennt. Rachel Carsons habe in Silent Spring (1962), dem Gründungstext des ecocriticism (Garrard 33) und des „modern environmentalism“ (Garrard 1), stark auf pastorale Traditionen zurückgegriffen (1 f.). Die Vermutung liegt nahe, dass sich auch innerhalb der FF solche Texte, die von soft primtitivism geprägt sind, stärker für ökologische Lesarten eignen als solche, in denen hard primitivism vorliegt. Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass dem Spannungsfeld ‚Natur – Kultur‘ bei letzteren Texten eine weniger zentrale Rolle zukommt. Vielmehr ist zu vermuten, dass dort anstelle eines ökologischen andere Aspekte im Vordergrund stehen. Im Zusammenhang mit soft primitivism ist natürlich auch die Verklärung des Mittelalters durch durch die Romantik zu nennen. Der Mittelalterkult des 19. Jahrhunderts ist zudem im Kontext der Industrialisierung sowie (zumal in Deutschland) des aufkeimenden Nationalbewusstseins zu betrachten. Zu Zeiten der Befreiungskriege und noch stärker nach Scheitern der Revolution im Jahre 1848 erschien das Stauferreich vielen als vergangener Idealzustand. In diesem Kontext ist beispielsweise auch die Entstehung des Kyffhäusermythos zu sehen. Eng mit dem Begriff des hard primitivism verbunden ist das Konzept des ‚Edlen Wilden‘. Als Vater dieser Idee wird häufig Jean-Jacques Rousseau genannt, der selbst jedoch nie von einem ‚Edlen Wilden‘ gesprochen hat.35 Unabhängig davon, wie man Rousseau interpretiert, steht fest, dass das Konzept des ‚Edlen Wilden‘ – auch wenn der Begriff noble savage im Englischen erst im 17. Jahrhundert bei Dryden auftaucht – wesentlich älter ist und bereits seit der Antike existiert, wie Lovejoy und Boas verdeutlichen. So nennen sie mehrere Völker, die in der Antike als noble savages par excellence betrachtet wurden. Lovejoy und Boas zufolge wurde den Skythen ab dem 4.

35 Auch die weitverbreitete Idee, dass Rousseau in seinem Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes eine Art Primitivismus propagiert, darf angezweifelt werden. So stellt Lovejoy in „The Supposed Primitivism of Rousseau’s Discourse on Inequality“ fest: „The notion that Rousseau’s Discourse on Inequality was essentially a glorification of the state of nature and that its influence tended wholly or chiefly to promote ‘primitivism’ is one of the most persistent of historical errors“ (165).

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Jahrhundert v. Chr. von den Griechen eine ähnliche Rolle zugeschrieben wie den amerikanischen Ureinwohnern von den Europäern der Moderne (287 ff.), ebenso wurden die Geten mitunter als ‚Edle Wilde‘ angesehen (19, 289). Lovejoy und Boas beschreiben die Darstellung dieser Völker folgendermaßen, und liefern damit eine Definition dessen, was sie unter ‚Edlen Wilden‘ verstehen:

[They] were rude, hardy fellows, to whom ‘Nature’ was no gentle or indulgent mother. Their food did not drop into their laps, they were obliged to defend themselves against predatory animals, they were not exempt from the infirmities of age; and they were extolled for the fewness of their desires and their consequent indifference to the luxuries and even the comforts of civilized life. (11)

Bei den Römern wurden die Germanen teils auf ähnliche Art beschrieben, beispielsweise in Caesars De Bello Gallico, bei Seneca, sowie bei Tacitus (362 ff.). Die griechischen Kyniker, sowie die römischen Stoiker, haben laut Lovejoy und Boas beide einen Lebensstil im Sinne des hard primitivism befürwortet, der dem des ‚Edlen Wilden‘ gleicht, und waren „the principal promoters of primitivism in antiquity“ (11). Die Kolonisierung der Neuen Welt sowie anderer Erdteile und die damit verbundene Auseinandersetzung mit Naturvölkern verhalfen der Idee des ‚Edlen Wilden‘ im neuzeitlichen Europa zu neuer Popularität. Insbesondere Michel de Montaignes Essais „Des Cannibales“ und „Des Coches“ unterstützten eine entsprechende Sichtweise auf die Ureinwohner Amerikas. In „Des Cannibales“ vertritt Montaigne beispielsweise die Ansicht, dass diese im Gegensatz zu Europäern so leben, wie von der ‚Natur‘ vorgesehen. Ihre kriegerische Grundeinstellung und die ständigen, blutigen Fehden zwischen Stämmen hindern Montaigne nicht daran, die Vorzüge dieser Völker darzulegen. Selbst den Kannibalismus der von ihm beschriebenen Stämme empfindet er als weniger grausam und ‚unnatürlich‘ als manche von Europäern angewandte Foltermethode. Auch in Werken der Fiktion trat der ‚Edle Wilde‘ nun verstärkt auf, beispielsweise in Aphra Behns Oroonoko: or, the Royal Slave aus dem Jahre 1688. Obwohl die meisten Autoren der Romantik eher einem soft als einem hard primitivism nahestehen, zeigten sich einige von ihnen begeistert vom Konzept des ‚Edlen Wilden‘. James Fenimore Cooper brachte es in Form des Indianers Chingachgook in seine Leatherstocking-Reihe ein und begründete somit wohl die

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Tradition des indigenen sidekicks, der einer weiße Hauptfigur im Rahmen ihrer Abenteuer zur Seite steht. Michael Moorcock nennt Umslopogaas (der Haggards Allan Quatermain unterstützt) sowie den Marsianer Tars Tarkas (welcher an der Seite von Burroughs’ John Carter kämpft) als Beispiele für diesen Typus von ‚Edlem Wilden‘ (Wizardry 81).36 Moorcock weist darauf hin, dass der ‚Edle Wilde‘ erstmals mit Kiplings Mowgli und Burroughs Tarzan zum zentralen Protagonisten einer Erzählung wurde. In der FF trete der ‚Edle Wilde‘ in dieser Form zum ersten Mal bei Howard auf, dessen Conan Moorcock als Weiterentwicklung von Figuren wie Umslopogaas betrachtet (Wizardry 81 f.).37 Inwiefern diese Einschätzung Moorcocks zutrifft, wird in Kapitel 3 genauer ergründet. Hard primitivism kann natürlich auch vorliegen, ohne dass ein ‚Edler Wilder‘ Erwähnung findet. Dies ist beispielsweise in Abenteuergeschichten der Fall, wie sie Jack London verfasst hat. Sowohl der Hund Buck in The Call of the Wild als auch Humphrey van Weyden in The Sea-Wolf müssen sich als verweichlichte Angehörige der ‚Zivilisation‘ in einer vom hard primitivism geprägten Umwelt behaupten und gelangen so zu ungeahnten Kräften. Ähnliches lässt sich bei Edgar Rice Burroughs beobachten. Man kann sich darüber streiten, ob Tarzan aus Burroughs Tarzan of the Apes ein ‚Edler Wilder‘ ist, schließlich ist er von Herkunft englischer Lord und kein Ureinwohner des Dschungels, doch besteht kein Zweifel daran, dass die Umwelt, in der er aufwächst, deutliche Züge des hard primitivism trägt. Sie wird zwar als für Tarzan vorteilhaft gezeigt (schließlich ist er durch sein Heranwachsen im Dschungel allen ‚zivilisierten‘ Gegenspielern überlegen), doch stellt sie kein Idyll dar. Vielmehr muss Tarzan sich allerlei Gefahren aussetzen und gefährliche Tiere töten, um sich im Dschungel zu behaupten.

36 Moorcock beschreibt die Funktion dieses Typs von Edlem Wilden folgendermaßen:

These were all characters who could utter the philosophy which, for reasons of reticence and good breeding, the central characters could not. They were full of simple words of wisdom about the horrors of civilization which they delivered in dignified, sometimes archaic speech. […] [T]hey are there to castigate the over-sophisticated modern world and to die touching deaths. They take the place of the Fool or Jester whose function was often similar in Shakespeare, Scott […], Dumas […] and Hugo. (Wizardry 81).

Melvilles Queequeg oder Karl Mays Winnetou lassen sich ebenso als ‚Edle Wilde‘ in Form von indigenen Unterstützern europäischer Hauptfiguren interpretieren. 37 Moorcock schreibt: „When Umslopogaas, no longer dependent on a father figure, learning a new kind of self-respect, ditches Allan Quatermain and becomes Conan it is Quatermain who becomes the wondering sidekick, the gentleman ‘dude’ of the Westerns who, in turn, dies a good and fairly noble death“ (81 f.). Tatsächlich findet genau diese Rollenumkehr in Howards „Beyond the Black River“ statt: Der ‚zivilisierte‘ Balthus ist ein edelmütiger Begleiter und Unterstützer Conans, der am Ende einen ‚heroischen‘ Tod findet.

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Bei Autoren wie London oder Burroughs wird auch der Einfluss der entstehenden Anthropologie, insbesondere der Evolutionslehre Darwins, deutlich. In Kapitel 3 wird noch genauer veranschaulicht, wie Darwins Lehren aus der Biologie auf Gesellschaften bzw. Individuen übertragen wurden und somit Strömungen den Weg bahnten, die man weitläufig als ‚sozialdarwinistisch‘ bezeichnet. Derartige Strömungen sind mit einem hard primitivism kompatibel, der den Kampf ums Überleben als Teil des ‚Naturzustandes‘ betrachtet. In diesem Zusammenhang ist auch die Wendung nature red in tooth and claw zu verstehen, die sich von einem Vers aus Tennysons In Memoriam A.H.H. ableitet.38 Zwar wurde Tennysons Gedicht vor der Veröffentlichung von Darwins Theorien verfasst, doch wird die Wendung heute trotzdem zur Beschreibung eines gnadenlosen Kampfes ums Überleben im Tierreich verwendet. Natürlich müssen Erzählungen, die die Wildheit und Bedrohlichkeit der ‚Natur‘ thematisieren, nicht unbedingt primitivistisch geprägt sein. Denkbar ist auch, dass die ‚Natur‘ als derart schrecklich und gefährlich dargestellt wird, dass die ‚Zivilisation‘ als der wünschenswertere Ort erscheint – ein Motiv, das sich zum Beispiel in der horror fiction findet.

2.3.3 ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ in der fantasy fiction

Wie bereits erläutert, speist sich die FF aus literarischen Formen, die Ihren Ursprung in der Romantik haben und mit deren pastoraler Tradition in Verbindung stehen. Dementsprechend ist es kaum verwunderlich, dass typische Vertreter der Gattung auch von einem romantischen Natur- und Kulturbild geprägt sind. Dieses Natur- und Kulturbild wird besonders deutlich im Werk des Spätromantikers William Morris, welcher einer der ersten Verfasser von FF und einer der größten literarischen Einflüsse auf Tolkien war. Morris war Mitglied der Präraffaelitischen Bruderschaft, einer Gruppierung von Malern, die sich an der Kunst des Mittelalters und den (vermeintlichen) Idealen des mittelalterlichen Handwerks orientierten und die industrielle Welt des 19. Jahrhunderts ablehnten (Mendlesohn und James 20, Clute und Grant 786). Als solche war sie Teil eines „much broader cult of the medieval which

38 Tennyson bewertet die nature red in tooth and claw keinesfalls positiv. Vielmehr leidet das Lyrische Ich seines Gedichtes unter der Beobachtung der Unbarmherzigkeit der ‚Natur‘, die sich nicht mit der Vorstellung eines liebenden Gottes vereinbaren lässt.

54 flowered in Northern Europe in the nineteenth century“ (Mendlesohn und James 20) und stand der Romantik nahe. Mendlesohn und James bezeichnen die Präraffaeliten als „the movement which most contributed to the look and feel of the kind of fantasy that would dominate in the bookshops in the later twentieth century“ (20). Dies geschah sowohl durch Darstellungen eines höfischen Lebens, wie etwa Edward Burne-Jones sie schuf, als auch durch Gemälde, die arbeitende Bevölkerung zeigten, beispielsweise Ford Madox Browns’ Work. Mendlesohn und James bezeichnen William Morris als „[t]he Pre-Raphaelite who encompasses the whole movement in his career“ (21). In seinem utopischen Roman News from Nowhere beschreibt Morris seine Vorstellung einer idealen Gesellschaft. Diese orientiert sich an einer romantisierten Vorstellung des Mittelalters, schätzt feines Handwerk und hat sich von „the horrors of the machine age“ (Mendlesohn und James 21) befreit. Eine Verklärung des Mittelalters erkennt auch Mathews in Morris’ Werk: „[He] directed the attention of the modern age backward to the mists of a more golden time as he praised the triumphs of imagination in the so- called Dark Ages“ (16), während Clute und Grant Morris’ Aversion gegen die moderne industrielle Gesellschaft hervorheben: „Much of his many-sided working life was spent reacting against or retreating from a perceived debasement of Victorian popular taste by mass-production techniques in the wake of the Industrial Revolution“ (664). Morris’ Werk ist also geprägt von Idealisierung und Verklärung des Mittelalters bei gleichzeitiger Auflehnung gegen die moderne industrielle Gesellschaft. In dieser Hinsicht war es prägend für die ihm nachfolgenden Werke von FF. Um dem Natur- und Kulturbild der FF genauer auf den Grund zu gehen, wird mit Tolkiens LOTR nun dessen typischster Vertreter untersucht. Zudem werden gelegentlich Blicke auf andere zentrale Texte geworfen. Studien zum Spannungsfeld ‚Natur – Kultur‘ in LOTR liegen bereits in großer Menge vor, so etwa die in Kapitel 1 bereits genannten Werke Jonathan Evans’, Patrick Currys und Liam Campbells. Aus diesem Grund beschränke ich mich an dieser Stelle auf eine relative knappe Beschäftigung mit den Leitfragen, hinsichtlich derer ich in Kapitel 3 auch Werke von S&S untersuchen werde. Da Morris, Tolkien, Lewis und andere Autoren typischer FF sich in der Gestaltung ihrer fiktiven Welten an von der Romantik beeinflussten Darstellungen des Mittelalters orientierten, ist zu erwarten, dass ihre Texte von einem soft primitivism geprägt sind. Nachdem, wie bereits angedeutet, ein Zusammenhang zwischen soft primitivism und der Lesbarkeit eines Textes im Sinne des ecocriticism zu bestehen scheint, ist davon auszugehen, dass dem ökologischen Aspekt in der folgenden Betrachtung von FF eine entscheidende Rolle zukommt. Bei

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S&S, die sicherlich wesentlich stärker von hard primitivism geprägt ist, dürften anderen Aspekten des Spannungsfeldes ‚Natur – Kultur‘ zum Tragen kommen – etwa die philosophische, politische oder soziokulturelle Dimension, welche ebenso valide Bestandteile des Spannungsfeldes darstellen. Befasst man sich mit der Darstellung gesellschaftlicher Strukturen und politischer Ideologien in Tolkiens Werk, so stellt man fest, dass wie bei Morris eine Idealisierung einer vorindustriellen Gesellschaft bei gleichzeitiger Kritik an Technisierung und Industrialisierung stattfindet. Liam Campbell sieht Tolkien hier in der Tradition der Pastorale und zeigt Parallelen zwischen LOTR und Carsons „A Fable for Tomorrow“ (dem einleitenden Kapitel von Silent Spring) auf (201 ff.). Dass Tolkien hier eine relativ eindeutige Position bezieht, geht aus der positiven Charakterisierung des am vorindustriellen England angelehnten Shire hervor, wohingegen der dem ‚Bösen‘ verfallene Zauberer Saruman mit Maschinen und Industrialisierung in Verbindung gebracht wird. Selbst wenn man Analogien zum Zweiten Weltkrieg, gegen die Tolkien sich immer gesträubt hat, ausklammert, ist unbestreitbar, dass die Herrschaftsform, die Saruman und Sauron repräsentieren, totalitärer Natur ist, wohingegen die Hobbits, denen Gewinnsucht und Machtstreben fremd sind, keinerlei Regierung benötigen. Dies ist aber wohl kaum als ein Plädoyer für Anarchismus zu verstehen, da auch das – positiv dargestellte – Königreich Gondor über einen Alleinherrscher in Form eines Königs verfügt. Mit der Idealisierung des mittelalterliche Feudalsystem Gondors wird somit eine durchaus fragwürdige Ideologie gutgeheißen, wie Petzold in einer Rezension zu Kehrs Natur und Kultur in J. R. R. Tolkiens The Lord of the Rings anmerkt (340). Tolkien scheint sich also nicht grundsätzlich gegen Alleinherrschaft zu wenden. Eine positive oder negative Bewertung eines derartigen Herrschers hängt wohl eher davon ab, ob dessen Machtanspruch gerechtfertigt ist, wie der Aragorns, oder ungerechtfertigt, wie der Sarumans oder Saurons. Ebenso verhält es sich beispielsweise bei Lewis, der von vielen Forschern als derjenige Autor betrachtet wird, der Tolkien und somit dem Zentrum der Gattung am nächsten steht (Mendlesohn und James 42 ff., James 62 ff.). In dessen The Lion, The Witch and The Wardrobe besitzen die Pevensie-Kinder als gerechte Monarchen einen Anspruch auf den Thron, den Jadis, die White Witch, nicht aufweisen kann. Der mitunter positive Blick auf Alleinherrschaft und Feudalsystem ist typisch für FF, wohl schon bedingt dadurch, dass die fiktiven Welten von FF sich an einem romantisierten Mittelalter orientieren, dessen Länder in der Regel nun einmal von

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Monarchen regiert wurden. Angesichts Tolkiens christlicher Überzeugungen liegt es nahe, auch religiöse Einflüsse auf LOTR zu untersuchen. Curry sieht christlichen Einfluss auf LOTR für gegeben, entdeckt jedoch auch Elemente, die an vorchristliche ‚heidnische‘ Glaubensrichtungen erinnern. So erinnern die Valar in ihrer Verbindung mit den fünf Elementen an polytheistische Gottheiten, und Tolkiens Darstellung von Tieren, Pflanzen und Landschaftszügen als Teil einer Art belebter ‚Natur‘ trägt animistische Züge (98 f.). Auch Eike Kehr sieht LOTR im ideologischen Spannungsfeld zwischen christlichen und ‚heidnischen‘ bzw. neo-paganen Werten. Er vertritt jedoch die Ansicht, Tolkiens Werk sei frei von dogmatischen Zwängen und ließe sich in keine Schablone fügen. Vielmehr handele es sich bei christlichen bzw. neo-paganen Interpretationen LOTRs größtenteils um Instrumentalisierungsversuche durch entsprechende Gruppierungen (165 ff.). Tatsächlich gibt es genügend Beispiele für eine Vereinnahmung Tolkiens seitens diverser politisch oder religiös motivierter Gruppen, sodass bei einer Betrachtung religiöser Motive in LOTR zumindest Vorsicht geboten ist. Hinzu kommt Tolkiens bekannte Aversion gegen allegorische Deutungen seines magnum opus. Trotzdem gab Tolkien selbst zu, als gläubiger Christ zwangsweise auch aus der Position eines gläubigen Christen zu schreiben (zitiert nach Kehr 165). In einem Brief an einen katholischen Theologen bezeichnet Tolkien LOTR als „a fundamentally religious and Catholic work“ (zitiert nach Curry 97). Wagt man sich nun, bekräftigt durch diese Aussagen, auf die Suche nach christlichen Allegorien, so kann man durchaus fündig werden: Curry weist beispielsweise auf die Wichtigkeit von Bescheidenheit (etwa in Frodos Umgang mit dem Ring), Mitleid und Gnade (z.B. Gollum gegenüber) hin, die er als typisch christliche Werte identifiziert. Curry sieht außerdem Parallelen zwischen Gandalfs Verwandlung von Gandalf the Grey in Gandalf the White und der Auferstehung Jesu (96). Das Reich Gondor sehnt sich zudem nach einer Rückkehr des Königs, ebenso wie das Christentum sich nach der Rückkehr des Heilands sehnt. Galadriel verabschiedet die Gefährten mit einem Ritual, bei dem alle Beteiligten aus einem Kelch trinken, und gibt ihnen das magisches Brot lembas mit auf die Reise – ein Vorgang, der an das christliche Abendmal erinnert. Außerdem werden verschiedene Charaktere durch das ‚Böse‘ auf ähnliche Weise in Versuchung geführt wie Jesus durch Satan, wobei freilich nicht vergessen werden darf, dass das Element der Verführungskraft des ‚Bösen‘ in nahezu jeder Religion eine Rolle spielt. Interessanter als solche vereinzelten Beispiele ist jedoch die Tatsache, dass der

57 grundsätzliche Aufbau und die Funktionsweise von Tolkiens fiktivem Universum an ein Modell erinnert, das häufig als typisch christlich betrachtet wird: Zwischen Tolkiens allmächtigen Schöpfer Ilúvatar, den engelsgleichen Ainur, sowie den Menschen und anderen Völkern auf Erden existiert eine Hierarchie, die an die scala naturae, oder auch Great Chain of Being erinnert, welche zu Zeiten des Mittelalters und der Renaissance einen wesentlichen Teil der christlichen Lehre darstellte, ihre Ursprünge aber schon bei Aristoteles und Plato hat. Das Prinzip der scala naturae wurde auf menschliche Gesellschaften angewandt und diente hier der Rechtfertigung des Herrschaftsanspruchs von Königen und Fürsten. Auch Gesellschaften in Tolkiens Middle-earth scheinen diesem Muster zu folgen. Aragorns Anspruch auf den Thron Gondors ergibt sich allein aus seiner Geburt. Seine beinahe wundersamen Heilkräfte, welche die Bewohner Gondors sofort als die Kräfte eines Königs identifizieren, liefern ein Indiz dafür, dass ‚rechtmäßige‘ Monarchen in LOTR in der Gunst höherer Mächte stehen. Durch seine Machtergreifung trägt Aragorn dazu bei, die ‚natürliche‘ Ordnung der Dinge wiederherzustellen. Als einer der Helden der Erzählung akzeptiert er sein Schicksal und nimmt seinen Platz in bzw. an der Spitze der Gesellschaft ein – ein Verhalten, das belohnt wird, beispielsweise mit dem Eheglück mit Arwen. Auf der anderen Seite wird ein Sich-Abwenden von gängigen Moralvorstellungen und ein Ausbrechen aus der ‚natürlichen‘ Ordnung, wie Sauron und Saruman es anstreben, als ‚unnatürlich‘ und ‚böse‘ erachtet und ist dementsprechend zum Scheitern verurteilt.39 In moralischer Hinsicht ist das Herleiten eines Herrschaftsanspruchs aus dem (vermeintlichen) Willen höherer Mächte, wie es in LOTR zweifellos stattfindet, nicht unproblematisch, zumal zahlreiche Herrscher der Vergangenheit (und selbst einige der Gegenwart) diesen Ansatz für fragwürdige Zwecke missbraucht haben. Auch hier erweist sich LOTR als typisch für FF. Bei Lewis, dessen Werk noch eindeutiger christlich geprägt ist als das Tolkiens, existiert ein vergleichbares

39 In der negativen Darstellung und abschließenden Bestrafung Saurons und Sarumans entdeckt Eike Kehr einen didaktischen Aspekt sowie ein „Plädoyer für absolute Werte und eine Absage an Nihilismus und moralischen Relativismus“ (121). Für Michael Moorcock, der sich selbst häufig über eine Abwehrhaltung Tolkien gegenüber zu definieren scheint, ist diese Darstellung jedoch zutiefst reaktionär, wie er in seinem polemischen Aufsatz „Epic Pooh“, den er als Kapitel in Wizardry and Wild Romance einfließen ließ, zu verstehen gibt (127). Obgleich Moorcocks Polemik stellenweise überzogen scheint, ist ihm zumindest dahingehend rechtzugeben, dass Tolkiens Beharren auf einer ‚natürlichen‘ Ordnung der Dinge für ein deterministisches Weltbild und gegen Individualismus und Selbstbestimmung zu sprechen scheinen. Freilich lässt sich dieser Sachverhalt trotz aller Indizien nicht mit absoluter Sicherheit auf christliche Einflüsse zurückführen. Zudem besteht ein Widerspruch zwischen einer Great Chain of Being im christlichen Sinne und Tolkiens Wertschätzung einer belebten Natur, die dem Menschen nicht unbedingt untergeordnet ist – ein Sachverhalt, der am Ende dieses Unterkapitels noch genauer aus ökologischer Perspektive untersucht wird.

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Machtgefüge. So steht Aslan über allen Einwohnern Narnias, und sein Vater, der Emperor-beyond-the-Sea, wiederum über ihm. Dass Jadis sich mit ihrem Herrschaftsanspruch gegen eine ‚natürliche‘ Ordnung der Dinge wendet, zeigt sich unter anderem, als sie in The Magician’s Nephew als erste von einer verbotenen Frucht isst und somit einen Frevel begeht, der stark an den Sündenfall der Bibel erinnert. Ebenso wie Sauron und Saruman wird sie als abgrundtief ‚böse‘ dargestellt, und ihre Herrschaft ist von Beginn an zum Scheitern verurteilt, ganz im Gegensatz zu der von höheren Mächten gutgeheißenen Herrschaft der Pevensie-Geschwister. Ähnliche Konzepte finden sich auch in Ursula K. Le Guins Earthsea-Reihe. Die in Earthsea heimischen Magier tragen Verantwortung dafür, dass die Welt im Gleichgewicht bleibt. Als sich Ged in A Wizard of Earthsea in einem Duell der Nekromantie bedient, wird dieses Gleichgewicht gebrochen, was für Ged ernsthafte Konsequenzen nach sich zieht. Als der Magier Cob in The Farthest Shore mit Hilfe schwarzer Magie den Tod zu besiegen versucht, entsteht ein Riss im Gefüge der Welt, der diese völlig zu zerstören droht. Bei Le Guin zieht ein Nicht-Beachten der ‚natürlichen‘ Ordnung, ähnlich wie bei Tolkien oder Lews, schreckliche Konsequenzen nach sich. Das Konzept eines geordneten Weltgefüges, das jedem Individuum seinen Platz zuweist, ist absolut typisch für FF. Um den soziokulturellen Dimensionen des Begriffs ‚Kultur‘ gerecht zu werden, soll an dieser Stelle auch eine Beschäftigung mit gender und race stattfinden. Hierbei handelt es sich um zwei Konzepte, die mit Identität zu tun haben – einmal hinsichtlich der Geschlechterzugehörigkeit, zum anderen bezüglich der ethnischen Zugehörigkeit. Sowohl was Frauen, als auch was ethnische Minderheiten betrifft, wird FF im Stile Tolkiens (und wohl noch stärker S&S im Stile Howards) häufig mit ‚diskriminierenden‘ Darstellungen verbunden, weshalb beide Punkte hier in einem Kontext abgehandelt werden. Der Begriff ‚Diskriminierung‘ ist hier und in Folge nicht in seiner wertfreien Bedeutung als Synonym für ‚Unterscheidung‘ zu verstehen, sondern im Sinne einer sozialen Unterdrückung. Betrachtet man die Darstellung von gender in LOTR, so fällt auf, dass die meisten dargestellten Gesellschaften starke patriarchalische Züge tragen. Macht wird zumeist von männlichen Herrschern ausgeübt, und Helden sind beinahe ausschließlich männlichen Geschlechts. Eine Ausnahme stellt die Schildmaid Éowyn dar, die den Reitern Rohans als Mann verkleidet in die Schlacht folgt. Sie tut dies jedoch nicht aus politischem Verantwortungsgefühl, sondern da sie unsterblich in einen Mann verliebt

59 ist. Als sie sich mit Faramir schließlich in einen anderen Mann verliebt, schwört sie dem kriegerischen Leben ab und widmet sich Aufgaben, die traditionell als typisch weiblich erachtet werden: „I will be a shieldmaiden no longer, nor vie with the great Riders, nor take joy only in the songs of slaying. I will be a healer, and love all things that grow and are not barren” (1264). Éowyn findet also ihren Platz in der Ordnung der Dinge, und dieser ist als Heilerin an der Seite eines Mannes. Hierbei wird möglicherweise impliziert, dass diese Rolle diejenige ist, die der Frau von Natur aus zugeordnet ist. Andere weibliche Charaktere kommen eher am Rande vor, so etwa Arwen, die in gewisser Weise eine Belohnung für Aragorn darzustellen scheint, die er nach Erfüllung seiner Aufgabe in Empfang nimmt. Aus feministischer Sicht lässt sich demzufolge Kritik an LOTR üben, da das Werk patriarchalische Strukturen gutzuheißen scheint und der Versuch des Ausbrechens aus diesen Strukturen in Éowyns Fall bestraft oder zumindest als ‚unnatürlich‘ dargestellt wird. Mit Galadriel existiert in LOTR jedoch auch zumindest eine mächtige Frau. Zwar wird sie stark über ihre Schönheit und Anmut definiert und nimmt eher eine passive, unterstützende Rolle im Kampf gegen Sauron ein, jedoch ist sie in der Lage, der Versuchung des Einen Rings zu widerstehen und bringt somit eine Kraft auf, über die kaum ein Mann zu verfügen scheint. Bei einer Beurteilung der Darstellung von gender in LOTR gilt es außerdem zu bedenken, dass Tolkien bewusst in der Tradition nordischer Heldensagen verfasste, in der Frauen kaum als Protagonistinnen, sondern eher als Randfiguren in Form von Mittlerinnen, Heilerinnen und Seherinnen auftreten, wie etwa Galadriel, und nur vereinzelt als Schildmaid, wie Éowyn. Inwiefern dies zur Relativierung des Vorwurfs beiträgt, Tolkiens Werk sei von überkommenen Geschlechterkonventionen geprägt, sei an dieser Stelle dahingestellt – verschiedene Personen würden dies wohl unterschiedlich bewerten. Ähnlich verhält es sich bei C. S. Lewis’ Werken, wobei es durchaus Kritiker gibt, die diesem Frauenfeindlichkeit unterstellen, so etwa Kath Filmer in „Masking the Misogynist in Narnia and Glome.“ Filmer ist der Ansicht, dass C. S. Lewis’ fortschrittskritische Einstellung sich auch auf den aufkommenden Feminismus bezog (149 f.). Lewis habe weiblichen Charakteren grundsätzlich negative Eigenschaften zugewiesen (155). Bedenkt man, dass an der Spitze der Mächte des ‚Guten‘ mit Aslan und dem Emperor-beyond-the-Sea männliche Figuren stehen, während es sich bei vielen ihrer gefährlichsten und niederträchtigsten Gegenspieler um Frauen handelt – so

60 etwa Jadis, oder auch die Lady of the Green Kirtle in The Silver Chair, so scheint diese Kritik nicht ganz unberechtigt. Auch ist es sicherlich problematisch, dass ausgerechnet Susan Pevensie, die nicht mehr an Narnia glaubt und erwachsen wird (und dabei auch ihre weibliche Sexualität entdeckt) in The Last Battle der Platz im Paradies verwehrt bleibt. Trotzdem gilt es zu bedenken, dass Lewis’ Werk auch positiv gezeichnete weibliche Charaktere enthält, wie etwa Jill in The Silver Chair, Aravis in The Horse and His Boy oder Polly in The Magician’s Nephew. Filmers Kritik mag bisweilen überzogen erscheinen, aus feministischer Sicht sind Lewis’ Texte aber eher etwas problematischer als die Tolkiens.40 Wenn man die FF als Ganzes betrachtet, so muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass in den Jahrzehnten nach Tolkien und Lewis immer mehr Schriftstellerinnen in dieser Gattung tätig wurden. Hier lassen sich beispielsweise Ursula K. Le Guins Earthsea-Reihe, Anne McCaffrey mit ihren Erzählungen über die Dragonriders of Pern sowie Marion Zimmer Bradley mit The Mists of Avalon oder auch der Darkover-Reihe als Beispiele anführen.41 Zumindest im Falle Bradleys und Le Guins haben die Autorinnen hierbei auch feministische Ideen in ihre Werke eingebracht. Schließt man weniger typische Untergattungen wie die vampire romance ein, so scheint es sogar, als wäre FF heute stärker als andere Gattungen der fantastischen Literatur weiblich geprägt, sowohl was die Autoren- als auch die Leserschaft angeht. Die Kerntexte Tolkiens’ und Lewis’ enthalten, bedingt durch die Tradition, in der diese stehen, und die Zeit, in der diese verfasst wurden, bestimmte Elemente, die aus feministischer Sicht problematisch sind. Der Gattung als Ganzem kann der Vorwurf der Frauenfeindlichkeit aber wohl kaum gemacht werden. Problematisch hinsichtlich der Darstellungen von race in LOTR ist die Tatsache, dass auf Seiten der Mächte des ‚Guten‘ hauptsächlich hellhäutige Menschen an der Seite von hochgewachsenen, blonden Elben kämpfen, während Saurons Horden aus ‚bösen‘, ‚schlitzäugigen‘ Orcs mit dunkler Hautfarbe bestehen, die zudem von Menschen aus dem Süden und Osten unterstützt werden, welche ebenfalls einen dunkleren Hautton besitzen als die Streiter Rohans oder Gondors. Hier muss man bedenken, dass ‚hell‘ und ‚dunkel‘ in symbolischer Hinsicht seit Anbeginn der

40 Ein Beispiel dafür, wie verschieden sich Lewis’ Werk deuten lässt, findet sich in Monika B. Hilders 2012 erschienenem Buch The Feminine Ethos in C. S. Lewis’s Chronicles of Narnia. Hilder, die aus der Perspektive eines ‚theologischen Feminismus‘ argumentiert, bewertet die Darstellung des Weiblichen bei Lewis als äußerst positiv und ist der Meinung, der Misogynie-Vorwurf lasse sich gänzlich entkräften. 41 Sowohl Bradleys Darkover- als auch McCaffreys Dragonriders-Reihe tragen starke SF-Elemente und könnten der science fantasy zugeordnet werden.

61 westlichen Literaturgeschichte für ‚gut‘ und ‚böse‘ stehen,42 wohl aufgrund der Tatsache, dass Abwesenheit von Licht bereits für die frühsten Menschen grundsätzlich erhöhte Gefahr darstellte. Sicherlich war es nicht Tolkiens Absicht, Parallelen zwischen Orcs und dunkelhäutigen Menschen in unserer realen Welt zu ziehen, doch die Wahl der Hautfarben seiner Helden und ihrer Gegner ruft bei so manchem modernen Leser freilich ein ungutes Gefühl hervor. Auf der anderen Seite steht in LOTR aber auch Völkerverständigung im Vordergrund, beispielsweise zwischen Elben und Zwergen. Insbesondere die heranwachsende Freundschaft zwischen Gimli und Legolas wird als positiv dargestellt, oder auch das Vertrauen, das Gimli Galadriel gegenüber entwickelt. Auch Gandalfs liebevolles Verhalten den Hobbits gegenüber, die ein unterschätztes und häufig übersehenes Volk darstellen, lässt sich als Plädoyer gegen Rassismus verstehen. Menschlichen Feinden gegenüber wird in LOTR Gnade erwiesen, beispielsweise den mit Saruman verbündeten Dunlendings, die nach der Schlacht um die Hornburg (und dem Verrichten von Reparaturarbeiten) nach Hause zurückkehren dürfen und deren Tote begraben werden. Ausgeschlossen von solcher Gnade sind allerdings die Orcs, deren Leichen vor der Festung verrotten. Überhaupt werden Orcs als derart ‚böse‘ und dämonisch dargestellt, dass es absolut legitim scheint, sie im Kampf ohne Gnade zu vernichten – eine Idee, die sehr problematisch erscheint, wenn man bedenkt, dass Unrechtsregime häufig bestimmte Volksgruppen dämonisieren, um eine unbarmherzige Kriegsführung gegen diese (oder sogar deren Ausrottung) zu legitimieren. Tolkien selbst hat sich eindeutig von der nationalsozialistischen Rassenideologie distanziert. Einen eindeutigen Beweis hierfür liefert Tolkiens entrüstete Reaktion auf eine Anfrage eines deutschen Verlags aus dem Jahr 1938, der um einem ‚Ariernachweis‘ Tolkiens bat (Nicklas 223 ff.). In „The Paradox of Racism in Tolkien“ weist Pascal Nicklas auf den offensichtlichen Widerspruch hin, der Tolkiens Werk hinsichtlich der Darstellung von race innewohnt. Nicklas kommt zu dem Schluss, dass Tolkien sich zwar gegen Rassismus ausgesprochen hat, trotzdem aber rassistische Elemente in seine Texte einbrachte, da er „am rassistischen Diskurs seiner Zeit“ (221) teilnahm. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Tolkien bei der Darstellung von race, wie auch von gender, ein Kind seiner Zeit sowie der Traditionen ist, innerhalb derer er LOTR versteht. Inwiefern man hieran Anstoß nimmt, ist dem Leser überlassen. Nicklas

42 In einigen Fällen, etwa bei den Black Númenóreans, steht die Farbe ‚schwarz‘ auch lediglich symbolisch für eine Gesinnung, nicht für eine Hautfarbe.

62 spricht sich eher gegen eine Verurteilung Tolkiens auf Basis der in LOTR vorhandenen rassistischen Elemente aus (234). Offene, bewusste Diskriminierung von Frauen oder Minderheiten kann man Tolkien sicherlich nicht vorwerfen. Wiederum verhält es sich bei C. S. Lewis ähnlich. Dessen Calormenes, die an Araber erinnern, lehnen Aslan ab, verehren den bösartigen Tash und tragen häufig negative Charakterzüge. Die negative Darstellung der Calormenes muss aber wohl eher im Zusammenhang mit Lewis’ christlichen Überzeugungen denn als Zeichen von Rassismus gesehen werden. So wird dem Calormene-Soldaten Emeth in The Last Battle beispielsweise der Einzug ins Paradies ermöglicht, da er im Laufe seines Lebens gute Taten beging, die in Aslans Sinn waren. Lewis ist wie Tolkien ein Kind seiner Zeit, und sein Werk sicher nicht völlig frei von rassistischen Ideen. Zu Lewis’ Entlastung lässt sich anführen, das Calormenes im Gegensatz zu Orcs zu guten Taten fähig und somit nicht intrinsisch als ‚Rasse‘ bösartig sind. FF-Literatur, zumindest solche, die dem Kernbereich nahesteht, wurde lange Zeit beinahe ausschließlich von weißen Autoren verfasst. Dies mag mit ihrer Orientierung an einem romantisch verklärten europäischen Mittelalter zu tun haben, welche sie für Schriftsteller oder auch Leser, deren Vorfahren aus anderen Kulturkreisen stammen, womöglich weniger interessant machte. In jüngster Zeit haben mit Autoren und Autorinnen wie David Anthony Durham mit der Acacia-Trilogie oder N. K. Jemisin mit der Inheritance-Trilogie aber auch nichtweiße Schriftsteller solche FF verfasst, die im Hinblick auf Inhalt und Struktur dem Zentrum der FF relativ nahe ist. Widmen wir uns nun der Frage, wie die in LOTR vermittelten Naturkonzepte aus ökologischer Sicht zu bewerten sind. Diese ökologische Betrachtung ist sicherlich der Hauptfokus der Werke Currys, Dickersons und Evans, sowie Liam Campbells. Hierbei fällt sofort auf, dass positiv dargestellte Charaktere wie Gandalf, Aragorn, die Hobbits oder die Elben eng mit der ‚Natur‘ verbunden sind und dieser Respekt entgegenbringen. Hinzu kommt, dass die ‚Natur‘ teilweise personifiziert wird, und Bäume in Form der Ents zu intelligenten Lebewesen werden, die sich am Kampf gegen das ‚Böse‘ beteiligen.43 Auch Tom Bombadil lässt sich als Personifizierung der ‚Natur‘ von Middle-earth verstehen, wie Dickersons und Evans es tun (23).44

43 Tolkien selbst schrieb in einem Brief: „In all my works I take the part of trees as against all their enemies“ (zitiert nach Curry 155). 44 Tom verfügt über ungeheure Macht: Ihm genügt ein Lied, um Old Man Willow oder den Barrow-wight dazu zu bringen, von den Hobbits abzulassen. Verglichen hiermit sind selbst Gandalfs Zaubersprüche mit großen Anstrengungen verbunden (22). Er entschließt sich jedoch, diese Macht nicht zu nutzen, woraus Dickersons und Evans folgern: „In his simplicity, in his freedom from domination and from the will to

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Auf der anderen Seite ist es typisch für ‚böse‘ Charaktere wie Sauron oder Saruman, dass sie ‚Natur‘ zerstören (oder wie im Falle Mirkwoods korrumpieren). Diese Zerstörung ist besonders bei Sarumans Machenschaften mit Maschinen und Industrialisierung verbunden, sodass sich eine Lesart im Rahmen des ecocriticism bzw. der green studies anbietet, wie John Elder sie im Vorwort zu Ents, Elves and Eriador anstellt (xi f.). Alle vorliegenden Sekundärtexte sind sich (zu Recht) einig, dass Tolkiens Werk einen Appell für einen liebevolles, harmonisches Verhältnis zwischen Mensch und ‚Natur‘ und eine Warnung vor einem verantwortungslosen Umgang mit natürlichen Ressourcen enthält, wobei Liam Campbell LOTR gar zu den „most significant green texts ever written“ (174) zählt. Trotz der Einigkeit, die unter den Forschern hinsichtlich Tolkiens ökologischer Botschaft besteht, und trotz der Dominanz eines soft primitivism, ist LOTR nicht frei von Widersprüchen, was die Darstellung des Zusammenspiels von Mensch und ‚Natur‘ betrifft – man bedenke, dass die Hobbits trotz ihrer Naturverbundenheit Teile des Alten Waldes abholzen (den Frodo und seine Freunde bei ihrer Durchreise dann auch als bedrohlich empfinden), und dass die ‚Natur‘ auch bösartige Elemente wie Old Man Willow, Shelob oder die wargs hervorbringen kann. Ein weiterer augenscheinlicher Widerspruch in der Darstellung des Verhältnisses zwischen Mensch und ‚Natur‘ in LOTR wurde bereits angedeutet und soll nun genauer beleuchtet werden: Wie ist das Gutheißen einer Great Chain of Being mit einer Wertschätzung der ‚Natur‘, die beinahe in eine Gleichstellung von Mensch und ‚Natur‘ zu münden scheint, in Einklang zu bringen? Einen Lösungsansatz liefern Dickerson und Evans mit dem Modell der stewardship:

In Tolkien’s myth, nature exists and is good prior to and apart from the presence of the Children [of Ilúvatar], yet it is intended to be their habitation. As stewards and tenants, the Children are given authority over the world, but not to do with it what they will. Rather, theirs is an authority accompanied by the responsibility to care for and nourish Ilúvatar’s good creation. (66 f.)

Alle ‚guten‘ stewards, wie die Elben, Tom Bombadil, Beorn oder Gandalf, verbindet

dominate, as an incarnation of the world and of a joyful knowledge of the world, Bombadil can be said to represent selfless love of the created order – in our view, the foundation of the most authentic form of environmentalism“ (23).

64 dieselbe Motivation: „[T]he various good stewards in [Middle-earth] are motivated to restore the regions of the environment for which they are responsible. […] For all of them, environmental restoration in ME is motivated not by a desire for personal profit or economic gain, but by a selfless and celebratory love of creation“ (235). Diesen gegenüber befinden sich stewards, die ihre Rolle missbrauchen, allen voran Denethor und Saruman, denen es nur um Autorität und Kontrolle geht (38 ff.) und die als Konsequenz dieses Verrats beide den Tod finden. Eine im christlichen Glauben begründete scala naturae ist also nicht von Grunde auf unvereinbar mit einer starken Wertschätzung der ‚Natur‘. Tolkiens Children of Ilúvatar, zu denen auch die Menschen zählen, sind der ‚Natur‘ in gewisser Art und Weise übergeordnet, nutzen diese Position aber im Idealfall nicht zu eigenem Vorteil, sondern machen sich selbst zu Dienern der ‚Natur‘.45 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Modell der stewardship hilft, die hierarchischen Strukturen in Tolkiens Universum mit Tolkiens Wertschätzung der ‚Natur‘ in Einklang zu bringen. Inwiefern eines oder beide dieser Elemente ihren Ursprung im christlichen Glauben des Autors haben, lässt sich wohl nicht mit allerletzter Sicherheit bestimmen. Womöglich haben Tolkiens christliche Ansichten sich eher in der Gestaltung menschlicher Gesellschaftsordnungen niedergeschlagen, während sein ökologisches Bewusstsein die Darstellung des Verhältnisses zwischen Mensch und ‚Natur‘ prägte. Das Konzept der stewardship lässt sich ebenso in Lewis’ Narnia-Reihe erkennen, in der sowohl Aslan als auch die Pevensie-Kinder Narnia gerecht beherrschen und zum Aufblühen bringen, wohingegen Jadis als bösartige Herrscherin das Land in

45 Dickerson und Evans gehen sogar so weit, das von Gandalf vertretene Modell der stewardship als typisch christlich zu identifizieren (39 f.), was ich – mit Liam Campbell – für etwas undifferenziert halte. Campbell kommt im Laufe seiner Untersuchungen zu ähnlichen Ergebnissen wie Dickerson und Evans und spricht von Gandalf auch als steward, der bewahrend und dienend tätig ist. Er sieht jedoch gleichzeitig Widersprüche zwischen Gandalfs stewardship und dem eng mit dem Christentum verbundenen Modell der Great Chain of Being, die er für einen der „key moments in the development of human superiority theory“ (160) hält. Dem ist zuzustimmen, zumal die Vorstellung, der Mensch sei der ‚Natur‘ übergeordnet, bereits im Alten Testament verankert ist. Hier lässt sich auf Clarence J. Glackens Traces on the Rhodian Shore: Nature and Culture in Western Thought from Ancient Times to the End of the Eighteenth Century verweisen, wo dieser anhand zahlreicher Bibelstellen aufzeigt, dass der Mensch im Alten Testament im Vergleich zur ‚Natur‘ eine ähnliche Stellung einnimmt wie Gott im Vergleich zum Menschen (154 f.). Die Vorstellung, dass die Erde als „realm of stewardship“ (155) des Menschen gleichzeitig „a personal possession“ (155) darstelle, sei in westlicher Theologie und Philosophie dementsprechend weit verbreitet (155). Campbell hat daher sicher Recht, wenn er Gandalfs (oder auch Tolkiens) Modell der stewardship nicht im christlichen Glauben, sondern in „a more holistic environmental worldview“ (159) begründet sieht. Gleichzeitig verweist Campbell aber auch auf die Existenz einiger christlicher Traditionen, die einen durchaus respektvollen Umgang mit der ‚Natur‘ vermitteln, so etwa die Lehren Franz von Assisis. Diese Traditionen ermöglichten es Tolkien wohl, seine religiösen mit seinen ökologischen Ansichten zu vereinbaren, oder zumindest einen entsprechenden Versuch anzustellen (167 ff.).

65 einen hundertjährigen Winter versetzt. Dass Jadis’ Missbrauch von Macht mit einer Korrumpierung der Umwelt verbunden ist, spricht dafür, dass sich auch Lewis’ Werk im Sinne des ecocriticism lesen lässt. Ebenso lässt sich die empfindliche balance, die Le Guins Magier durch verantwortungsvollen Einsatz ihrer Kräfte bewahren müssen, als Plädoyer für einen ebenso verantwortungsvollen Umgang des Menschen mit natürlichen Ressourcen deuten. Besonders deutlich wird der Zusammenhang zwischen Magie und ‚Natur‘ bei Le Guin durch die Immanent Grove auf Roke Island, die in A Wizard of Earthsea als Quelle des höchsten Wissens um die Magie beschrieben wird. Bei der Beschreibung von ‚Natur‘ als gefährdetem Idyll, die mit der Tradition des soft primitivism in Verbindung steht, handelt es sich um ein für FF äußerst typisches Element. Insgesamt erscheinen die in Tolkiens und Lewis’ zentralen FF-Texten enthaltenen Weltbilder heute in gewisser Hinsicht problematisch, etwa im Hinblick auf ihre wohlwollende Grundhaltung gegenüber Feudalherrschern, oder auch aus Sicht eines feminist criticism. Bezüglich ihrer ökologischen Botschaft sind sie hingegen aktueller denn je. Inwiefern die Darstellung der Weltbilder in typischen Werken der S&S hiervon abweicht, wird sich bei deren genauer Untersuchung im folgenden Kapitel klären. Da sich S&S aufgrund ihrer hybriden Natur und des hiermit im Zusammenhang stehenden Einflusses von Gattungen wie adventure fiction, western fiction oder horror fiction stark von typischer FF unterscheidet, sind deutliche Abweichungen zu erwarten.

2.4 Sword and sorcery: Wesen und historische Entwicklung

2.4.1 Robert E. Howards sword and sorcery als hybride fantasy fiction

Robert Ervin Howard wurde 1906 in geboren und verbrachte einen Großteil seines Lebens, bis zu seinem Suizid im Jahre 1936, in der Kleinstadt Cross Plains. Der Umfang seines Werkes ist in Anbetracht seiner kurzen Schaffenszeit gewaltig. Howards Werk besteht zum größten Teil aus Kurzprosa, welche er für pulp-Zeitschriften verfasste. Obgleich es sich bei den S&S-Erzählungen um Conan und Kull sicher um die bekanntesten Texte Howards handelt, so stellen diese nur einen kleinen Teil der von ihm verfassten Literatur dar. Howard schrieb ebenfalls zahlreiche Erzählungen, die

66 historische mit fantastischen Elementen vermischten, so etwa die Reihen um Bran Mak Morn, Solomon Kane, Cormac Mac Art oder Turlogh O’Brien. Hinzu kommen neben einigen Werken der horror fiction auch Geschichten, die kaum fantastische Elemente enthalten, wie die im Orient angesiedelten Abenteuer von oder Kirby O’Donnell. Die meisten Erzählungen, viele davon humorvoll, hat Howard jedoch in zwei Bereichen verfasst, mit denen er selten in Verbindung gebracht wird: zum einen hat er Dutzende Geschichten über Boxer geschrieben (beispielsweise Steve Costigan), zum anderen hat er eine große Menge an western fiction verfasst (so etwa die humorvolle Breckinridge-Elkins-Reihe). Außerdem hat Howard, dem Internetauftritt der Robert E. Howard Foundation zufolge, mehr als 700 Gedichte geschrieben. Hinzu kommt, dass Howard eine äußerst umfangreiche Briefkorrespondenz geführt hat, u.a. mit Jugendfreunden und Verlegern, aber auch dem Autor H. P. Lovecraft. Da Howards Briefe oft aufschlussreiche Hinweise über seine persönlichen Ansichten liefern, wird in Kapitel 3 verstärkt auf diese zurückgegriffen. Die familiären Verhältnisse Howards, der bis zu seinem Tod bei seinen Eltern lebte und sich intensiv um seine kranke Mutter kümmerte, sowie sein Selbstmord in jungen Jahren, haben zu zahlreichen Spekulationen über Howards geistigen Gesundheitszustand geführt. Geschürt wurden diese vor allem durch L. Sprague de Camps Aufsatz „The Miscast Barbarian“, den dieser später in Zusammenarbeit mit and Jane Whittington Griffin zu einer kompletten Howard- Biographie namens erweiterte. Hierin unterstellt de Camp Howard allerlei psychische Störungen einschließlich eines Ödipus-Komplexes – Behauptungen, die so nicht haltbar sind, wie ich in „Disreputable Heroes“ aufzeige. Eine besser recherchierte Howard-Biographie findet sich in Mark Finns Blood & Thunder: The Life and Art of Robert E. Howard, wobei Finns offen zur Schau getragene Bewunderung für Howard im Gegenzug ebenfalls kritisch zu sehen ist. Obwohl Howard in derart vielen Gattungen beheimatet war, so hat er doch außer seinen S&S-Texten kaum Literatur verfasst, die man als FF bezeichnen könnte. Dies wirft zwei Fragestellungen auf. Zum einen gilt es zu klären, inwiefern Howards S&S überhaupt die unter 2.1 aufgestellten Definitionskriterien für FF erfüllt, zum anderen, inwiefern es sich bei Howards S&S um hybride Literatur handelt. Um zu bestimmen, inwieweit Howards S&S die Kriterien typischer FF erfüllt, welche ausgehend von deren zentralem Text LOTR ermittelt wurden, bietet es sich an, mit der Conan-Reihe die ebenso zentralen Texte von S&S heranzuziehen. Ich werde

67 diese nun hinsichtlich typischen Inhalts, typischer Struktur und – mit aller nötigen Vorsicht – möglicher Wirkungen auf den Leser untersuchen. Bezüglich des entscheidenden inhaltlichen Kriteriums, der Präsenz des Fantastischen, zeigt sich bereits ein Unterschied zwischen Howards und Tolkiens Texten. Sicherlich existieren auch in Howards fiktiver Welt Dinge, die eindeutig in den Bereich des Fantastischen gehören, so etwa fliegende oder unsichtbare Monster, mit denen es Conan in einigen Erzählungen zu tun bekommt. Diese Elemente stellen aber nicht die Norm dar, sondern wirken eher wie Einbrüche in eine Welt, die ansonsten in vielerlei Hinsicht unserer Primärwelt ähnelt. Nichtmenschliche Völker sucht man bei Howard, mit wenigen Ausnahmen, vergebens, ebenso wie Fabelwesen. Nur in einer einzigen Geschichte wird ein Drache erwähnt, doch dessen Beschreibung lässt den Verdacht aufkommen, dass es sich in Wahrheit um einen Stegosaurus handelt („“ 217). Auch Magie ist in Howards fiktiver Welt zwar vorhanden, spielt aber eine eher untergeordnete Rolle, da sie nur von wenigen beherrscht wird und kein Teil des Alltags ist. Die Tatsache, dass Magier, ebenso wie die selten auftretenden übernatürlichen Wesen oder nichtmenschlichen Völker46 beinahe ausschließlich bösartiger Natur sind und als äußerst unheimlich dargestellt werden, lässt eine Nähe zur horror fiction erahnen, auf die in Kürze eingegangen wird. Es kommt hinzu, dass sich in der Geographie von Howards Welten sowie der ethnischen Zusammensetzung ihrer Einwohner Bezüge zur realen Welt finden. Beispielsweise sind die im Hyborian Age lebenden Cimmerier direkte Vorfahren der späteren Kelten (und gleichzeitig Nachfahren der in Kulls Thurian Age lebenden Atlanter). Diese Zusammenhänge drücken sich bereits in der Namensgebung des Protagonisten Conan sowie der von ihm angerufenen Götter und Dämonen aus – neben Crom sind dies zum Beispiel Badb, Morrigan, Macha und Nemain („The Phoenix on the Sword“ 26). Ähnliche Zusammenhänge existieren zwischen Aquilonieren (deren Namen zumeist auf ‚-us‘ enden) und Römern, Aesir und Wikingern, Hyrkaniern und Mongolen, den Einwohnern Khitais und Chinesen usw. Hierdurch strebt Howard nach der Erschaffung einer authentisch wirkenden, in sich schlüssigen Pseudo- Weltgeschichte. Die genauen Zusammenhänge zwischen den Völkern, die seine vorzeitlichen fiktiven Welten bevölkern, sowie real existierenden Ethnien, stellt er in seinem Aufsatz „The Hyborian Age“ her.47 Viele der fantastischen Elemente aus

46 Man denke an die serpent men, die in der Kull-Erzählung „“ die Menschheit bedrohen. 47 Zwar wird Middle-earth von Tolkien auch in einer fiktiven irdischen Vergangenheit verortet, die

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Howards Fiktion, etwa die Existenz versunkener Kontinente oder die Idee vorgeschichtlicher ‚Hochkulturen‘ und weltumspannender Völkerwanderungen durch nordische Krieger, entsprangen Theorien, die zu Howards Zeit durchaus salonfähig waren – und mitunter sogar heute noch ihre Anhänger haben. Stellt man sich eine gleitende Skala von Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit der jeweiligen fiktiven Welt mit der empirisch wahrgenommenen Welt vor, so wird deutlich, dass Howards fiktive Welt im Vergleich zu Tolkiens Middle-earth weniger fantastische und mehr ‚realistische‘ Züge trägt. Howards S&S steht mit ihrer pseudo- historischen Extrapolation realer Schauplätze und Völker nicht nur der Gattung der alternate bzw. alternative history nahe, die häufig der SF zugerechnet wird, sondern auch nicht-fantastischen Gattungen, die auf eine ‚realistische‘ Darstellung von Abenteuern abzielen. Der Frage, ob und mit welchen Gattungen entsprechende Hybridisierungserscheinungen vorliegen, wird unter 2.4.1 nachgegangen. Auch die Struktur von S&S unterscheidet sich von der typischen FF-Struktur, alleine schon deshalb, da es sich bei Howards S&S zum überwiegenden Teil um Kurzprosa handelt, die gar nicht die Möglichkeit hat, eine round-trip journey darzustellen, an deren Ende die Lösung eines weltbewegenden Problemes steht. Zusätzlich sind Howards Texte nicht in chronologischer Reihenfolge verfasst, was ihren episodenhaften Charakter stärkt. Im Mittelpunkt steht keine quest, von deren Erfüllen das Schicksal der Welt abhängt, sondern zumeist eine vergleichsweise banale Episode aus dem Leben eines einzelnen, unabhängigen Abenteurers. Helden wie Kull oder Conan lösen zwar Probleme, diese Probleme sind in der Regel jedoch wesentlich weniger weltbewegend als die Bedrohungen, denen sich beispielsweise Middle-earth ausgesetzt sieht. Hierbei ist das Verhalten des Protagonisten oft nicht altruistisch motiviert, sondern zielt auf eigenen Vorteil ab (etwa Conans Jagd nach der verführerischen Atali in „The Frost-Giant’s Daughter“ oder nach einem Juwel in „The Tower of the Elephant“). Auf dem Spiel steht in Howards S&S häufig nur das Leben des Protagonisten, der von einer Intrige (wie Conan als König in „The Phoenix on the Sword“) und/oder konkreten physischen Angriffen menschlicher oder übernatürlicher Gegner bedroht wird (wie Atalis Brüdern in „The Frost-Giant’s Daughter“ oder den Bestien, die das Juwel in „The Tower of the Elephant“ bewachen). Am Ende der meisten von Howards S&S-Texten steht zwar eine Lösung des Problems, diese besteht aber oft nur in einer Wiederherstellung des Status quo und dem puren Überleben des

Bezüge zur Gegenwart sind jedoch keinesfalls offensichtlich.

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Protagonisten.48 ‚Böse‘ Mächte, die in der Erzählung auftraten, wurden häufig nicht vollständig besiegt und bedrohen die Menschheit oder den Protagonisten auch in Zukunft, so etwa Kulls serpent men oder sein Erzfeind Thulsa Doom. Insgesamt besteht in typischen S&S-Werken also eine Tendenz zu einer weniger positiv ausfallenden und weniger weitreichenden Lösung, verglichen mit der in typischer FF auftretenden eucatastrophe. Die Struktur der S&S ist somit näher an der „truncated [story-form] of […] horror“ (Attebery 15). Es bietet sich die Vermutung an, dass dies durch Hybridisierungsprozesse bedingt ist, die S&S mit ebendieser Gattung verbinden. Akzeptiert man die Wirkung des Textes auf einen implizierten Leser als drittes Definitionskriterium neben Inhalt und Struktur, so wird deutlich, dass S&S sich auch hier von typischer FF unterscheidet. Aufgrund der Tatsache, dass dem Fantastischen, insbesondere der Magie, in Howards Welt eine andere und weniger bedeutende Rolle zukommt als bei Tolkien, lässt sich vermuten, dass der Effekt des wonder in S&S weniger stark zum Tragen kommt. Schließlich sind es vor allem fantastische und magische Dinge, die den Leser in Erstaunen versetzen. Mitunter finden sich natürlich auch bei Howard Beschreibungen magischer, oder zumindest mysteriöser Dinge, so etwa die Spiegel in „The Mirrors of Tuzun Thune“ oder die Katze Saremes in „The Cat and the Skull“. Diese sind sicher dazu geeignet, beim Leser zu einem gewissen Grad ein Gefühl des wonder hervorzurufen, wie Manlove es beschreibt. Dennoch unterscheidet sich Howards S&S im Grundton weitgehend von typischer FF. Die magischen Elemente, die sich bisweilen hinter scheinbar alltäglichen Gegenständen und Sachverhalten verstecken, sind häufiger als in typischer FF bösartiger oder bedrohlicher Natur.49 Anstatt den Leser zu erstaunen und den Effekt des wonder auszulösen,

48 In denjenigen S&S-Erzählungen Howards, die sich um frühzeitliche Inkarnationen eines modernen Protagonisten drehen, ist das Überleben der Hauptfigur keinesfalls sicher. Oft finden die Helden dieser Geschichten am Ende den (vermeintlich heldenhaften) Tod, so etwa in „Marchers of Valhalla“ und „The Valley of the Worm“. 49 Der Edelstein in „The Tower of the Elephant“ birgt bedrohliche Kräfte und wird als „evil gem“ und „unholy jewel“ (65) bezeichnet, das magische Heart of Ahriman in The Hour of the Dragon als „terrible jewel“ (86) In „Shadows in the Moonlight“ erwachen scheinbar harmlose Statuen zu tödlichem Leben. Auch diejenigen Tiere in Howards Universum, die einem Fabelwesen zumindest nahekommen, wie Riesenschlangen, riesenhafte Menschenaffen oder metergroße Spinnen, sind ausschließlich bedrohlicher und bösartiger Natur. Selbst augenscheinlich harmlose Tiere werden mitunter auf eine Art beschrieben, die darauf abzuzielen scheint, Unbehagen beim Leser hervorzurufen. In „Iron Shadows in the Moon“ beschreibt Howard einen plötzlich im Dschungel auftauchenden, riesigen Papageien zunächst als „a gleaming image of jade and crimson [that] regarded the invaders with glittering eyes of jet“ (192) – eine Beschreibung, die soweit noch wonder beim Leser hervorrufen könnte. Daraufhin spricht Conan allerdings von „the evil wisdom“ (192), das dieser „Wise Devil“ (192) in seinen Augen trage. Conan spricht das Tier an, woraufhin dieses mit dem (stark an die Sprache der Lovecraft’schen Old Ones erinnernden) Ausruf „Yagkoolan yok tha, xuthalla!" (192) sowie einem „wild screech of horribly human laughter“ (192) davonfliegt.

70 scheinen magische oder zumindest mysteriöse Elemente in Howards S&S in erster Linie auf eine Beunruhigung des Lesers abzuzielen. Dies spricht dafür, dass es sich bei dieser Untergattung tatsächlich zu einem gewissen Grad um einen Hybriden aus FF und horror fiction handelt.50 Da eine eucatastrophe in typischer S&S nicht im gleichen Umfang vorhanden ist wie in typischer FF, kann man davon ausgehen, dass auch dem Effekt der consolation eine weniger entscheidende Rolle zukommt. Sicher empfindet der (implizierte) Konsument von S&S Genugtuung, wenn der Protagonist am Ende einer Erzählung den Sieg davongetragen hat oder allen Gefahren zumindest entflohen ist. Trotzdem bietet der Schluss einer typischen S&S-Erzählung zumeist weniger Anlass zur Freude als etwa das Ende von LOTR. Zum einen liegt dies daran, dass ‚böse‘ Mächte in S&S-Texten oft nicht vollständig besiegt werden, zum anderen daran, dass im Verlauf der Geschichte weniger auf dem Spiel steht. Häufig ist nur das Leben des Protagonisten in Gefahr, wobei dieser oft von solcher Kraft und Kampfstärke ist, dass man weniger um seine Sicherheit bangen mag als etwa um einen schwächlichen Hobbit. Gerade die Kampfkraft des Protagonisten, die bisweilen an Unbesiegbarkeit grenzt, deutet auf eine Funktion hin, welche S&S sicher deutlich besser erfüllen kann als typische FF: Das Bedienen beim Leser vorhandener, versteckter Wunsch- und Machtphantasien. Zwar erleidet Conan häufig Rückschläge, zum Beispiel Gefangennahmen oder den Verlust von Machtstellungen, doch sein Wille und seine Würde sind nicht zu brechen. Kein menschlicher Gegner ist ihm an Kraft oder List überlegen, keine attraktive Frau vermag ihm zu widerstehen – eine Vorstellung, die sicher Reize für die zumeist männlichen Konsumenten von typischer S&S hat. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass typische S&S hinsichtlich der Kriterien ‚Inhalt‘, ‚Struktur‘ und ‚Wirkung auf den Leser‘ sowohl Ähnlichkeiten mit, als auch Unterschiede zu typischeren Vertretern von FF besitzt. Trotz aller Unterschiede ist es sicherlich sinnvoll, S&S weiterhin als Untergattung der FF zu betrachten – schließlich liegt diesbezüglich ein Konsens zwischen Lesern, Forschern, Autoren und Verlegern vor. Zudem ist S&S dem Kernbereich von FF noch weit näher als manch anderer Text, der weitläufig als FF bezeichnet oder zumindest so vermarktet wird, wie etwa vampire romances. Trotzdem gilt es, die beachtlichen Unterschiede zwischen typischer S&S und typischer FF zu untersuchen. Mitunter lassen sich diese

50 Es ist zu Vermuten, dass auch in typischer FF beide Effekte zum Tragen kommen, doch das Beunruhigen des Lesers weit weniger im Mittelpunkt steht.

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Abweichungen sicher dadurch erklären, dass es sich bei S&S-Texten häufig um Kurzprosa handelt. Trotzdem gibt es starke Hinweise, dass besagte Unterschiede teilweise mit Hybridisierungsprozessen zusammenhängen, weshalb sich eine Betrachtung von S&S als hybrider Literatur als nächster Schritt anbietet. Um die hybride Natur von S&S nachvollziehen zu kommen, ist es notwendig, zunächst die Entwicklung von S&S zu betrachten. Das erste Werk, das eindeutig der S&S zugeordnet werden kann, ist die Kull-Erzählung „The Shadow Kingdom“, welche 1929 in der pulp-Zeitschrift Weird Tales erschien. Howards Kull ist in vielerlei Hinsicht ein Vorgänger oder sogar Prototyp Conans. Sowohl im Äußeren als auch in ihrer Herkunft als ‚Barbaren‘, die sich ein ‚zivilisiertes‘ Königreich untertan machen, gleichen sich die beiden Krieger. Beide haben mit Dekadenz und Intrigen zu kämpfen, denen sie einen primitiven Ehrenkodex entgegensetzen. Die Ähnlichkeit der beiden Helden wird besonders offensichtlich, wenn man bedenkt, dass es sich bei der ersten veröffentlichten Conan-Geschichte, „The Phoenix on the Sword“, um eine umgeschriebene Variante der bis dato unveröffentlichten Kull-Erzählung „By This Axe I Rule!“ handelt. Folglich betrachte ich die Kull-Texte als diejenigen Werke, die den Conan-Erzählungen am nächsten stehen und die zweite definitive Textgruppe der Untergattung ausmachen. Vergleicht man die Kull- bzw. Conan-Texte mit den Werken eines William Morris oder Lord Dunsany, wird klar, dass S&S nur begrenzt in deren Tradition steht. Sicherlich existieren Parallelen zwischen Howard und Morris. Mathews sieht diese etwa in deren Faszination für wildes Stammesleben (118 f.), einer Bereitschaft zur extensiven Gewaltdarstellung, sowie der Verwendung von an der Gothic fiction orientierten Schauplätzen (124). Noch mehr Ähnlichkeiten finden sich zwischen den Werken Howards und Lord Dunsanys, dessen „The Sword of Welleran“ und „The Fortress Unvanquishable, Save for Sacnoth“ an spätere S&S-Erzählungen erinnern.51 Trotzdem unterscheidet sich Howards S&S insgesamt massiv von typischer FF. Die Erklärung für die Abweichungen zwischen S&S und typischer FF liegt im hybriden Charakter, den S&S von Anfang an besaß. Robert E. Howards Interesse galt nur bedingt der Literatur, in deren Tradition typische FF im Stile LOTRs steht. Häufig

51 Howard selbst gab H. P. Lovecraft gegenüber an, einige von Dunsanys Werken gelesen zu haben („To H. P. Lovecraft“, ca. Oct. 1930 88) und diesen als Dichter zu schätzen („To H. P. Lovecraft“, ca. December 1932 517). Auch in seinen Erzählungen ließ Howard sich an der ein oder anderen Stelle von Dunsany beeinflussen. Die Reihe an Monstern, die Kull in „The Cat and the Skull“ besiegen muss, ähnelt beispielsweise den Ungetümen, die Leothric in „The Fortress Unvanquishable, Save For Sacnoth“ zu bezwingen hat.

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übersehen wird, dass Howards Conan- und Kull-Geschichten nur einen relativ kleinen Teil der von ihm verfassten Literatur ausmachen, verglichen mit seinen zahlreichen Boxer-, Western- und Horrorerzählungen, sowie seinen im Orient angesiedelten Abenteuergeschichten. Laut Mendlesohn und James war es durchaus üblich, dass Schriftsteller, die für pulp-Zeitschriften tätig waren, sich an keine spezielle Gattung gebunden fühlten (Mendlesohn und James 65). Noch weniger als die Produktion stand für Howard der Konsum von FF im Mittelpunkt. In seiner äußerst umfangreichen Briefkorrespondenz nimmt er beispielsweise kein einziges Mal auf Morris Bezug. Sein Hauptinteresse galt hingegen Autoren aus anderen Gattungen, die ihn zweifellos wesentlich stärker beeinflusst haben und somit zur Hybridität der von ihm verfassten S&S beitrugen. Zwei Gattungen, die Howard beeinflussten, sind die Gothic fiction und, zu einem noch viel stärkeren Grad, die horror fiction. Beide sind eng verwandt, und der Versuch, eine exakte Trennlinie zwischen ihnen zu ziehen, würde den Rahmen dieses Teilkapitels sprengen. Mathews deutet zumindest an, dass der Einfluss der Gothic fiction auch in Howards Conan-Erzählungen spürbar ist, etwa hinsichtlich der Darstellung mittelalterlichen Stammeslebens oder bestimmter architektonischer Elemente (119, 125). Zudem tragen einige Charaktere Howards Züge eines byronic hero - „[t]he doomed hero, bound to destroy himself and those he loves“ (Moorcock, Wizardry 44). Dies trifft beispielsweise auf den dem Untergang geweihten Piktenkönig Bran Mak Morn zu, der in zahlreichen Erzählungen Howards auftaucht, die man durchaus der S&S zurechnen könnte. Hinzu kommt, dass Howard, abseits seiner Fantasy-Geschichten, Erzählungen im Stile der Southern Gothic verfasst hat, so etwa „Pigeons from Hell“ oder „Black Canaan“, und Edgar Allen Poe zu seinen bevorzugten Schriftstellern zählte.52 Sowohl in den Horror-Erzählungen „The Noseless Horror“ und „Skull-Face“ als auch in dem Kull-Text „The Mirrors of Tuzun Thune“ und dem Bran- Mak-Morn-/Kull-Crossover „Kings of the Night“ zitiert Howard Poe bzw. verwendet Zeilen aus dessen Texten als Kapitelüberschriften. Noch deutlicher dienten Howard Arthur Machen und H. P. Lovecraft als Vorbild, für die er wiederholt größte Wertschätzung äußerte. Machens Beitrag zur horror fiction erachtet er als noch größer als den Poes, wobei Lovecraft beide Autoren

52 In Briefen an Tevis Clyde Smith vom 21. August 1926 (111) sowie Robert W. Gordon vom 2. Januar 1927 (119) bezeichnet Howard Poe als einen der wenigen nennenswerten amerikanischen Dichter. In einem Brief an H. P. Lovecraft, der vermutlich im Dezember 1932 verfasst wurde, listet Howard Poe sowohl unter seinen bevorzugten Prosa-Schriftstellern auf, als auch unter einer Liste mit Dichtern, die er schätzte.

73 noch überträfe („To H. P. Lovecraft“ ca. July 1 1930 50; „To H. P. Lovecraft“, ca. Sep. 1930 78). Machens und Lovecrafts Einfluss äußert sich jedoch auch ganz konkret in Robert E. Howards Texten. Howards Konzept der im Verborgenen lebenden, bösartigen und degenerierten little people, die den Ursprung aller Legenden um Feen, Elfen und Kobolde darstellen, hat dieser vermutlich von Machen übernommen, dessen „The Shining Pyramid“ und „The Novel of the Black Seal“ auf derselben Idee basieren.53 Zum Einsatz kommt dieses Konzept in Howards „The Little People“, Worms of the Earth“, „“ und „The Children of the Night“ – Texte, die zwar nicht zur Conan- oder Kull-Reihe gehören, wohl aber teilweise der S&S zugerechnet werden können. Einen noch viel größeren Einfluss auf Howard hatte H. P. Lovecraft, den eine Brieffreundschaft mit dem jüngeren Autor verband, und der als eine Art Mentor für diesen fungierte. Dieser Einfluss zeigt sich vor allem, wenn man die Ungetüme betrachtet, die Howards S&S-Helden zur Strecke bringen müssen und welche in vielerlei Hinsicht an Lovecrafts Mythologie erinnern. Ähnlich den Great Old Ones, die in Lovecrafts fiktivem Universum als unheimliche und bedrohliche Gottheiten existieren und z.B. in „“ oder „At the Mountains of Madness“ erwähnt werden, gibt es auch in Howards S&S-Welten Nameless Old Ones, denen Conan in „The Phoenix on the Sword“ im Traum begegnet (17) oder old ones, auf deren Tempel er in „Queen of the Black Coast“ stößt (135).54 Besonders Lovecrafts „The Call of Cthulhu“ scheint Howard fasziniert zu haben.

53 Bei George MacDonald findet sich in The Princess and the Goblin ein ähnliches Motiv, doch im Gegensatz zu Machen oder Howard steht dort der Schauereffekt weniger im Vordergrund. 54 Auch die Art, wie Lovecraft seine Götter oder deren dämonische Untergebene beschreibt, spiegelt sich in der Beschreibung einiger Monster wieder, die Conan zu bekämpfen hat. So heißt es etwas über Lovecrafts Cthulhu: „The thing can not be described -- there is no language for such abysms of shrieking and immemorial lunacy, such eldritch contradictions of all matter, force, and cosmic order“ („The Call of Cthulhu“ 377). Ähnlich wird in Lovecrafts „At the Mountains of Madness“ ein Shoggoth beschrieben: „It was a terrible, indescribable thing vaster than any subway train – a shapeless congeries of protoplasmic bubbles, faintly self-luminous, and with myriads of temporary eyes forming and un-forming as pustules of greenish light all over the tunnel-filling front“ („At the Mountains of Madness“ 802). Man vergleiche dies mit Howards Beschreibung des Monsters aus der Conan-Erzählung „Xuthal of the Dusk“:

She saw a great toad-like face, the features of which were as dim and unstable as those of a specter seen in a mirror of nightmare. Great pools of light that might have been eyes blinked at her, and she shook at the cosmic lust reflected there. […] Only the blinking toad- like face stood out with any distinctness. The thing was a blur in the sight, a black blot of shadow that normal radiance would neither dissipate nor illuminate. (238)

Einem vergleichbaren Ungetüm muss sich Conan in „The Vale of Lost Women“ stellen: „Its wings were bat-like; but its body and the dim face that gazed down upon her were like nothing of sea or earth or air; she knew she looked upon ultimate horror, upon black, cosmic foulness born in the night-black gulfs beyond the reach of a madman’s wildest dreams“ (314). Howards Be- oder vielmehr Umschreibung von amorphen, unwirklichen, kaum klar zu erkennenden und doch abstoßenden Monstern lehnt sich in diesen Passagen eindeutig an Lovecrafts Schöpfungen an.

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In einem Leserbrief an Weird Tales bezeichnet er diese Geschichte als „a masterpiece, which I am sure will live as one of the highest achievements of literature“ (ca. April 1928 199). Die kurze Zeit später verfasste Kull- Erzählung „The Screaming Skull of Silence“ greift Elemente dieser Lovecraft-Erzählung auf. So erinnert die Öffnung eines unbekannten, uralten Grabes durch Kull stark an die Öffnung des Zuganges zu R’lyeh durch die Besatzung der Emma. Auch die bereits erwähnten serpent men, die in einer Kull-Erzählung die menschliche Gesellschaft unterwandern und bedrohen, stellen ein Konzept dar, das an Lovecraft erinnert, und das womöglich von dessen fischartigen Deep Ones aus „The Shadow over Innsmouth“ beeinflusst wurde.55 Es zeigt sich, dass zahlreiche Schnittstellen zwischen horror fiction und S&S existieren. Auch reine S&S, wie wir sie in Howards Kull- und Conan-Erzählungen vorfinden, weist nicht nur starke inhaltliche Einflüsse von horror fiction (und gewisse Einflüsse der verwandten Gothic fiction) auf, sondern zielt, wie unter 2.4.1 bereits veranschaulicht, mitunter auf eine ähnliche Wirkung beim Leser ab wie die horror ficion, welche häufig ja gerade über ihren Effekt auf den Rezipienten definiert wird.56 Wir können hier also ohne weiteres von Hybridisierungsprozessen sprechen. Es handelt sich bei Howards S&S jedoch keinesfalls um einen reinen Hybriden aus FF und horror fiction. Howard-Forscher Mark Finn sieht die literarischen Wurzeln des Texaners zu einem gewissen Teil auch in der hard-boiled fiction, als deren Begründer die Autoren Dashiell Hammett und Raymond Chandler gelten. Dieselbe These wird auch von George Knight in seinem Essay „Robert E. Howard: Hard-Boiled Heroic Fantasist“ vertreten. Zwar weisen sowohl Finn als auch Knight darauf hin, dass

55 An mehreren Stellen deutet Howard sogar eine direkte Kontinuität zwischen einigen seiner eigenen Erzählungen und Lovecrafts Cthulhu-Mythos an. Beispielsweise unterhalten sich die Gelehrten aus Howards „The Children of the Night“ (einer Erzählung, die sowohl charakteristische Elemente von S&S als auch horror fiction in sich trägt) angeregt über Lovecraft’sche Schöpfungen wie den Gott Cthulhu oder das imaginäre Buch (220)55. Auch Howards „Worms of the Earth“, „“, „The Cairn on the Headland“ und „The Fire of Asshurbanipal“ sind eindeutig im Cthulhu- Universum angesiedelt, wobei („Worms of the Earth“ womöglich ausgenommen) keine dieser Kurzgeschichten als S&S zu bezeichnen ist. Interessant ist, dass Lovecraft im Gegenzug auch auf Kreationen Howards zurückgreift, etwa die fiktiven Bücher Nameless Cults und The People of the Monolith, die Howard in „The Children of the Night“ bzw. „The Black Stone“ erstmals erwähnt und die Lovecraft in „The Thing on the Doorstep“ und (in Kooperation mit Hazel Heald) in „Out of the Aeons“ aufgreift. Ähnliche Austausche fanden zwischen Lovecraft und anderen Autoren des sogenannten Lovecraft Circle statt, etwa Frank Belknap Long, Clark Ashton Smith, oder . Die meisten dieser Autoren verfassten neben FF bzw. S&S auch horror fiction, was für Mendlesohns und James’ These spricht, dass eine klare Grenze zwischen diesen Gattungen zu diesem Zeitpunkt kaum vorhanden war, zumal sowohl S&S- als auch Horror-Kurzgeschichten häufig in denselben pulp- Zeitschriften, zum Beispiel Weird Tales, veröffentlicht wurden und ein sehr ähnliches Publikum ansprachen. 56 Eine Definition der Gattung horror fiction hauptsächlich über ihre Wirkung auf den Leser findet u.a. durch H. P. Lovecraft in dessen Aufsatz „Supernatural Horror in Literature“ statt. Inhalt, Struktur und Intention des Autors sind Lovecraft zufolge hingegen zweitrangig.

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Howard mysteries bzw. detective stories hasste und dies in einem Brief an Lovecraft aus dem Jahr 1936 auch offen zugab (Knight 125, Finn 201), doch thematisch habe Howard vieles mit Hammett und Chandler gemein. Zur Definition des hard-boiled hero zitiert Finn den Kritiker John Leland:

[T]he hard-boiled hero was a figure of masculinity unbound; big shoulders, strong chin, smart lip, big pistol and a taut gift of gab. As if in answer to Jung, the hero – Phillip Marlowe, Sam Spade, the unnamed Continental Op, Three Gun Terry, Race Williams and others – introduced an all-American style of sex and violence, bordered only be the writers’ equally homegrown tools: rhythm, humor, sensationalism, mass production and bald opportunism. The private eye was his own invention, usually an independent operator, unmarried, childless and motherless. He cowed neither to women or work. He did not suffer an employer; in many stories he gained the upper hand by walking away from a check. Similarly, he cut a sexual swath but did not have any attachments or obligations.... (zitiert nach Finn 201)

Diese Beschreibung trifft im Wesentlichen auf einen Großteil von Howards Helden einschließlich Kull und Conan zu, die meist groß und breitschultrig sind und brutale Abenteuer durchleben, in deren Laufe sie sich weder von einem Arbeitgeber noch von einer Frau abhängig machen. Neben ähnlich gestrickten Protagonisten verbindet Howards S&S und die hard-boiled-Autoren laut Knight vor allem ein Hang zu einer ‚realistischen‘ Darstellungsweise (125). Howard selbst schrieb in einem Brief an Clark Ashton Smith über seinen Charakter Conan: „It may sound fantastic to link the term ‘realism’ with Conan; but as a matter of fact – his supernatural adventures aside – he is the most realistic character I ever evolved“ (23 July 1935 367). Auch wenn es tatsächlich auf den ersten Blick etwas weit hergeholt erscheint, Howards S&S als ‚realistisch‘ zu bezeichnen, so sind seine fast ausschließlich von Menschen bevölkerten fiktiven Zeitalter mit ihrer Anbindung an die reale Menschheitsgeschichte doch stärker an der Wirklichkeit orientiert und somit ‚realistischer‘ als reine Phantasie-Welten wie etwa Dunsanys Pegāna oder später Tolkiens Middle-earth. Tatsächlich ist Howards S&S von typischer FF ähnlich weit entfernt wie Hammetts pulp-Detektivgeschichten von traditionellen mysteries, die sich auf das

76 betuliche Lösen von Rätseln konzentrieren. Was Howard und Hammett verbindet und beide gleichzeitig von typischeren Autoren der FF bzw. detective fiction abgrenzt, ist der Hang zu vergleichsweise ‚realistischer‘ Gewaltdarstellung. Knight erklärt dies folgendermaßen: „People are injured and killed in the stories of Dunsany and Edison, but not in the brutal fashion – the realistic mode – of Hammett and Howard. If you are shot with a bullet or cut with a sword, you bleed, and these two writers and the postwar literary trend toward realism made sure the reader understood this fact“ (125). Ohne Zweifel werden Auseinandersetzungen bei Howard und bei Vertretern der hard-boiled school ähnlich brutal dargestellt.57 Während Howard zu Hammett oder Chandler aufgrund seiner Abneigung gegen Kriminalgeschichten wohl kaum Bezug hatte, so hat ihn Jim Tully umso mehr beeinflusst. Im Zentrum der Erzählungen Tullys, der ebenfalls der hard-boiled school zuzuordnen ist, steht die Figur des hobo, also eines umherziehenden Vagabunden – ein Lebensstil, den neben Tully selbst bereits Howards großes Vorbild Jack London in seiner Jugend geführt hatte. Wir wissen, dass Howard Tully gelesen und geschätzt hat, wie aus seiner Aussage hervorgeht, dass Lovecraft und Tully die einzigen amerikanischen Autoren seiner Zeit seien, deren Werk Bestand haben werde („To H. P. Lovecraft“, ca. Dec. 1932 518). Howards Helden haben mit Tullys und auch Londons hobos einiges gemein. Knight zitiert Kingsley Widmer, der den Charakter des hobos

57 Als Beispiel sei hier ein Zitat aus Jim Tullys Beggars of Life genannt:

The black man drew nearer and swished the razor through the air within six inches of Red’s throat. The latter’s left hand drove like an iron weight a few inches below the blade. The razor turned in the negro’s hand, and, driven backward by the blow, it slashed his cheek wide open. Red’s right hand circled like a man throwing a ball. It covered the bleeding face of the now pain-mad negro, and the blood spurted several feet. It was all done in the flash of an eye. The razor fell in the mud, and the negro crumbled near it, a broken, black mass, the whites of his eyes protruding from his dark and bloody face. Blood oozed from the cheek, which fell away from his face. (zitiert nach Knight 123)

Typische FF-Werke enthalten solche Passagen im seltensten Falle, doch bei Howard lassen sich vergleichbare Szenen zu Dutzenden ausmachen, so etwa in „The Pool of the Black One“, als ein weiblicher Charakter einen Kampf zwischen Piraten und riesenhaften, nur entfernt menschenähnlichen Inselbewohnern beobachtet:

Details stood out briefly, like black etchings on a background of blood. She saw a Zingaran sailor, blinded by a great flap of scalp torn loose and hanging over his eyes, brace his straddling legs and drive his sword to the hilt in a black belly. She distinctly heard the buccaneer grunt as he struck, and saw the victim’s tawny eyes roll up in sudden agony; blood and entrails gushed out over the driven blade. The dying black caught the blade with his naked hands, and the sailor tugged blindly and stupidly; then a black arm hooked about the Zingaran’s head, a black knee was planted with cruel force in the middle of his back. His head was jerked back at a terrible angle, and something cracked above the noise of the fray, like the breaking of a thick branch. (270)

77 folgendermaßen beschreibt: „Violent, he also expects violence and endures it with stoicism and the mocking faith that ‘God is guts’“ (zitiert nach Knight 124). Wie Knight feststellt, trifft diese Beschreibung auch auf die meisten von Howards Helden zu, am deutlichsten wohl auf Conan, der in „A Witch Shall Be Born“ ans Kreuz genagelt wird. Conan überlebt das Umstürzen des Kreuzes, nimmt das Entfernen der Nägel aus seinen Gliedmaßen hin und kommentiert dies später lakonisch: „[...] you civilized men are soft; your lives are not nailed to your spines as are ours“ (300). Außerdem ist auch Conan vor seiner Krönung ein Vagabund, der im Laufe von Howards Erzählungen nahezu die gesamte Welt des Hyborian Age bereist. Ähnlich verhält es sich bei Solomon Kane58, der sich stets auf Wanderschaft befindet. Aufgrund zusätzlicher Parallelen zu Hammetts Continental Op oder Chandlers Philip Marlowe, die ein ähnlich ausgeprägtes Rechtsbewusstsein wie Howards puritanischer Held besitzen und genau wie dieser das ‚Böse‘ mit nahezu fanatischem Eifer bekämpfen, bezeichnet Knight Kane sogar als „the perfect hard-boiled hero“ (128). Wenngleich in Bezug auf Howards Werk sicher nur mit Einschränkungen von einer ‚realistischen‘ Darstellungsweise zu sprechen ist – beispielsweise würde ein echter Mensch eine Kreuzigung wohl kaum ohne bleibende Schäden überleben – so ist dieses Element doch, vor allem was die Gewaltdarstellung angeht, durchaus zu einem gewissen Teil vorhanden. Inwiefern Autoren der hard-boiled school Howard hierbei wirklich beeinflusst haben, lässt sich schwer bestimmen. Vermutlich liegen die Parallelen zwischen Howards Werk und dem eines Hammett oder Chandler eher darin begründet, dass diese Autoren zur selben Zeit für dasselbe Publikum geschrieben haben. Im Falle Tullys und seiner Erzählungen um hobos ist eine Beeinflussung jedoch durchaus im Bereich des Möglichen, zumal dieser mit Romanen wie The Bruiser auch Vorbilder für Howards Boxergeschichten geliefert haben könnte. Es lassen sich also durchaus Hybridisierungserscheinungen zwischen S&S und hard-boiled fiction erkennen. Neben Gothic bzw. horror fiction sowie hard-boiled fiction enthält Howards S&S auch starke Elemente der western fiction. Dies ist kaum verwunderlich angesichts Howards Faszination für seine texanische Heimat und das frontier life seiner Vorfahren, welche in seinen Briefwechseln mit H. P. Lovecraft immer wieder zum Vorschein kommt. Beispielsweise lässt Howard konkrete geographische und kulturelle Aspekte

58 Als puritanischer Held des 16. bzw. 17. Jahrhunderts ist Solomon Kane sicher kein typischer S&S- Held. Ob man die Texte, in denen er auftritt, der S&S zurechnet, ist eine Grenzfallentscheidung, die an dieser Stelle nicht getroffen werden kann und muss.

78 seiner Heimat in seine S&S-Texte einfließen. Mark Finn stellt hierzu fest: „Texas lent itself well to the creation of the Hyborian Age“ (172). Bestätigung hierfür findet sich in einem Zitat Howards, der Conan Lovecraft gegenüber als eine Mischung aus „various prizefighters, gunmen, bootleggers, oil field bullies, gamblers, and honest workmen“ (23 July 1935 368), die der Schriftsteller im Laufe seines Lebens kennenlernte, beschreibt. Parallelen finden sich zudem innerhalb der Tierwelt beider Orte. Die texanischen Klapperschlangen, deren Gefährlichkeit Howard in einem Brief an Lovecraft maßlos übertreibt (Finn 61), erinnern an die allgegenwärtigen, monströsen Riesenschlangen, von denen es in Conans Abenteuern wimmelt. Weiterhin erkennt Finn in der Städtelandschaft Hyboriens ein Abbild der texanischen boomtowns und melting pots und weist darauf hin, dass Howard bei der Erschaffung von Conans Heimat Cimmerien vom texanischen Fredericksburg inspiriert worden sei (172). In Howards Fiktion finden sich noch zahlreiche weitere Anspielungen und Verweise auf die Heimat des Autors. Im S&S-Text „Marchers of Valhalla“ erscheint dem Texaner James Allison die Göttin Ishtar, die über dessen Heimat zu berichten weiß: „This is a dreary land, you say, yet its memories are ancient and marvelous beyond the memories of Egypt“ (79), eine Aussage, die Bestätigung findet, als Allison im Lauf der Geschichte sein früheres Leben als nordischer Krieger vom Volk der Aesir durchlebt, den es im Zuge einer langen Wanderung in ein fremdes Land verschlägt, welches sich schließlich als das heutige Texas herausstellt. In seinem Vorwort zu The Black Stranger and Other American Tales vergleicht Steven Tompkins die einfallenden Nordmänner mit spanischen Konquistadoren, während er die Einwohner der Stadt Khemu mit den einheimischen Azteken in Verbindung bringt. Zudem weist er auf einen weiteren Interpretationsansatz hin:

If we read the Aesir as sword-and-sorcery simplification of Texans at their deadliest and most driven, and the treacherous Khemuri as a combination of Aztec trappings and Mexican failings as seen unfairly through Texan eyes, we begin to realize that ‘Marchers of Valhalla’ is a creation myth fit for a state that has spawned more mythology than some entire continents, a creation myth that, as is only to be expected with Howard, culminates in cataclysmic destruction. (xii)

Auch wenn diese Sichtweise etwas weit hergeholt scheinen mag, so geht aus den

79 genannten Beispielen doch klar hervor, dass verschiedenste Aspekte seiner Heimat Eingang in Howards Werk gefunden haben. Ein grundlegender Mythos des amerikanischen Westens ist das Konzept der frontier, und Mark Finn zufolge galt Texas als „the last frontier of America“ (58). Obgleich die frontier zu Howards Lebzeiten bereits offiziell aufgelöst worden war, so gab es doch genug old-timers, die noch aus erster Hand von Besiedlung und Indianerkriegen berichten konnten und denen der Schriftsteller stets gespannt lauschte (Trout 59). In seinen Briefen an H. P. Lovecraft blickte Howard voll Bewunderung auf das frontier life seiner Vorfahren zurück, nach dessen Freiheiten er sich sehnte und das ihn sprichwörtlich bis in seine Träume verfolgte (Trout 59 f.). So wundert es nicht, dass Lovecraft später in seinem „In Memoriam“ über den verstorbenen Freund schreibt: „Steeped in the frontier atmosphere, Mr. Howard early became a devotee of its virile Homeric traditions. His knowledge of its history and folkways was profound“ (xiii). Steven R. Trout nimmt sich in seinem Aufsatz „Heritage of Steel: Howard and the Frontier Myth“ dem Einfluss an, den dieser Mythos auf Robert E. Howards Werk ausgeübt hat. Trout weist zunächst auf den Historiker Frederick Jackson Turner hin, der die frontier in einem Essay von 1893 als entscheidend für die Entwicklung des amerikanischen Charakters hervorhob und damit maßgeblich an der Entstehung des Konzepts des American exceptionalism beteiligt war. Anschließend geht er auf die Arbeit von Richard Slotkin ein, der den amerikanischen Frontier Myth als Mythos einer Regeneration durch Gewalt bezeichnet. Trout zufolge wurde die Realität der Besiedlung des Westens, zu der eine grausame Kriegsführung gegen die eingeborenen Stämme gehörte, „rapidly whitewashed into a new kind of myth, with the real story still largely absent from the history books. Instead, we have a romantic narrative of brave settlers entering unknown, all-but-empty lands“ (65 f.). Diesem neuen nationalen Mythos gemäß handele es sich bei Gewalt, die zur Zähmung des neu gewonnenen Landes notwendig sei, um ‚gute‘ Gewalt, die eine regenerative, erneuernde Wirkung auf diejenigen habe, die sie ausüben.59

59 Trout zitiert Slotkins Dreams and Genocide: The American Myth of Regeneration Through Violence folgendermaßen:

The myth recounts the regeneration of the soul and the attainment of salvation through a complex experience of violent confrontation with the powers of nature, equated with the forces of darkness; the hero is either a captive or an avenging destroyer – or some combination of both. Men are either victims, avengers or devils. The cosmos consists of a world and an anti-world. The former is the common-day world of pastoral peace, a world which retains the memory and some of the attributes of a Golden Age, an Eden or Arcadia – but its landscape is dimmed by a nameless malaise, a fear of dark forces both inside and outside the world. (60)

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Dieses Motiv finde sich in der amerikanischen frontier-Literatur des 19. Jahrhunderts wieder, insbesondere bei James Fenimore Cooper, dessen von Daniel Boone inspirierter Protagonist Natty Bumppo sich in The Last of the Mohicans in die Wildnis begibt, um unschuldige Opfer zu befreien und das ‚Böse‘ (oder, in Trouts Terminologie, das Hated Other) in Form der als dämonisch dargestellten Huron- Indianer zu vernichten. Das Konzept des Hated Other ist allgegenwärtig im Werk Robert E. Howards, und Genozid eine mitunter daraus folgende Konsequenz. Howards Helden, egal ob Angehörige eines fiktiven oder historischen Volkes, werden häufig von brennendem Hass auf ihre Widersacher angetrieben, weshalb Leo Grin auch von Howards „belief in hate’s primacy as the absolute value of the universe“ (146) spricht. Am Deutlichsten wird die Dämonisierung und Abwertung des Other in „The Children of the Night“, einer weiteren Reinkarnations-Geschichte, in der John O’Donnel nach einem Schlag auf den Kopf in ein früheres, vorzeitliches Leben zurückversetzt wird, in dem er als Angehöriger eines indoeuropäischen Stammes gegen ein reptilienhaftes Volk kämpft, das er durchgehend als vermin bezeichnet. Als O’Donnel später in der Gegenwart das Bewusstsein zurückerlangt, erkennt er, dass einer seiner Freunde zum Teil von dem Volk abstammt, das er einst bekämpfte, und versucht fortan, diesen umzubringen, da dessen pure Existenz für O’Donnel eine Beleidigung und Bedrohung darstellt (217 ff.).60 Noch wesentlich deutlicher wird der Einfluss von western fiction bzw. des Frontier Myth in den späten Conan-Geschichten. Am eindeutigsten ist er in „Beyond

60 Es findet sich jedoch nicht nur das Hated Other in Howards Werk wieder, sondern auch nahezu alle anderen Aspekte, die laut Slotkin bzw. Trout den Mythos der Regeneration durch Gewalt auszeichnen. Trout veranschaulicht dies exemplarisch anhand zweier Abenteuer des Puritaners Solomon Kane, den es im Laufe seiner Reisen nach Afrika verschlägt. In „Wings in the Night“ trifft Kane im afrikanischen Dschungel auf einen Stamm, der von geflügelten Dämonen terrorisiert wird. Die Dorfbewohner lehnen sich im Vertrauen auf den Puritaner gegen ihre Unterdrücker auf, doch diese metzeln im Gegenzug unter Kanes Augen den gesamten Stamm nieder. Solomon Kane wird infolgedessen, so Trout, der sich an Slotkins Terminologie orientiert, zum avenging exorcist, der die unschuldigen Opfer rächt und die Schuldigen, hier Dämonen im wörtlichen Sinne, vollständig ausrottet (Trout 71 f.). Neben der Figur des avenger/exorcist nennt Trout den Aspekt des captive/rescuer als weiteren wichtigen Bestandteil des Frontier Myth. In „The Moon of Skulls“ fungiert Solomon Kane als Befreier einer entführten Weißen, ähnlich dem realen Daniel Boone oder Coopers Bumppo bzw. Hawkeye in The Last of the Mohicans. Kane nimmt hierbei die Rolle von Slotkins Indian fighter oder Man Who Knows The Indians ein und überlebt das Aufeinandertreffen mit den Angehörigen eines feindlich gesonnenen Stammes nur durch seine Kenntnis ihrer Psychologie. Nachdem es ihm schließlich gelingt, in die uralte Stadt Nakari einzudringen, in der die Gefangene sich befindet, und die junge Frau zu befreien, wird die gesamte Stadt samt all ihrer Bewohner durch ein Erdbeben vernichtet, dem nur die beiden Weißen entkommen. Hier findet sich nicht nur der für Howard typische Kataklysmus, sondern auch die von Slotkin konstatierte Vernichtung des Hated Other als Teil des Frontier Myth. Zudem beschreibt Kane die Einwohner Nakaris als bösartig und verdorben. Trout zufolge rechtfertigt Kane so nicht nur nachträglich die Zerstörung der Stadt, sondern befreit sich auch von den Schuldgefühlen des Überlebenden bzw. Zerstörers, die Slotkin als psychische Triebfeder hinter der Entstehung des Frontier Myth versteht (74 ff.).

81 the Black River“ erkennbar, einer Erzählung, über die Mark Finn schreibt: „Robert relocated Conan to the frontier, literally. [...] The allusions to the plight of the early Texan settlers couldn’t be more obvious“ (171). Finn zitiert im Anschluss einen Brief Howards an Lovecraft aus dem August 1931, in dem Howard den historischen Konflikt zwischen weißen Siedlern und Komanchen im Texas des 19. Jahrhunderts beschreibt. Diese Beschreibung klingt wie eine Zusammenfassung des in „Beyond the Black River“ dargestellten Kampfes, wo ‚zivilisierte‘ Aquilonier die Rolle der weißen Siedler und ‚barbarische‘ Pikten die Rolle der amerikanischen Ureinwohner übernehmen (Finn 171). „Beyond the Black River“ ist dahingehend eine untypische Conan-Geschichte, dass sie größtenteils aus der Perspektive des jungen Balthus erzählt wird, der Conan bewundert und von dem Fritz Leiber glaubt, dass er für Howard eine Identifikationsfigur darstellt („Howard’s Fantasy“ 14). Der Cimmerier kämpft auf Seiten der Siedler gegen den Ansturm der Pikten, und im Laufe der Handlung kommt es zu einer typischen captivity narrative, in der Conan Balthus vom Marterpfahl der Pikten befreit. Conan erfüllt eindeutig die Kriterien von Slotkins Man Who Knows The Indians, denn er ist der einzige Weiße, der sich in der Wildnis, die für Balthus eine gefährliche Anti-Welt darstellt, mit ebensolcher Leichtigkeit fortbewegen kann wie die Pikten, und ist stets in der Lage, ihre nächsten Schritte vorauszusagen. Lediglich das Ende der Geschichte entspricht mit dem Rückzug der weißen Siedler nicht ganz dem Modell Slotkins, ist dafür aber umso typischer für Howards Konzeption einer der Dekadenz verfallenden ‚Zivilisation‘, der ein aufstrebendes ‚Barbarenvolk‘ zusetzt. Schließt man sich Slotkins Theorie eines Frontier Myth in Form eines Mythos der Regeneration durch Gewalt an, so ist Howards Werk in Anbetracht so zahlreicher Beispiele eindeutig in der Tradition dieses Mythos zu sehen. Ohne weiteres könnte man auch von Hybridisierungserscheinungen mit solcher western fiction sprechen, der dieser Mythos zugrunde liegt.61 Neben den bisher genannten Einflüssen wurde Howards S&S auch von einer

61In Slotkins’ Deutung des Frontier Myth findet sich mit der Dämonisierung des Hated Other auch eine Erklärung dafür, dass einige ‚Barbaren‘, wie die Pikten im Fall von „Beyond the Black River“, weit weniger positiv dargestellt werden als etwa Conan, Kull oder die heldenhaften Krieger um Hialmar. Nahezu alle Geschichten, in denen ‚Barbaren‘ sich blutrünstig verhalten, sind in Urwäldern angesiedelt, die der ‚Anti-Welt‘ des Frontier Myth ähneln, und zugleich ist meist eine captivity narrative im Spiel, die die Parallelen noch deutlicher macht. Dies trifft nicht nur auf die bisher in diesem Unterkapitel genannten Werke zu, sondern beispielsweise auch auf „The Vale of Lost Women“, wo Conan im Urwald von Kush, dem heutigen Afrika, eine weiße Frau aus den Fängen dunkelhäutiger Krieger befreit. Hieraus lässt sich folgern, dass Howards idealistisches Konzept von ehrenhaften ‚Barbaren‘ als kraftvollen Gegenspielern dekadenter ‚Zivilisationen‘ meist dann dem Bild brutaler und grausamer ‚Wilder‘ weicht, wenn Elemente des Frontier Myth verarbeitet werden. Der Protagonist, sofern es sich um einen ‚Barbaren‘ handelt, behält jedoch seine positiven Züge, da er die Rolle des hunter/rescuer oder avenger/exorcist ausfüllt.

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Reihe von Autoren beeinflusst, die man als Verfasser von adventure fiction zusammenfassen könnte. Hierzu zählt beispielsweise Jack London, bei dem es sich wohl um Howards größtes literarisches Vorbild handelt. Rusty Burke zufolge war London Verfechter der Theorien von Spencer und Haeckel, zweier bedeutender Vertreter solcher Theorien, die man gemeinhin als ‚sozialdarwinistisch‘ oder auch ‚lamarckistisch‘ bezeichnet.62 Es ist durchaus möglich, dass Howard durch London auf diese Strömungen gestoßen ist (Burke 195), eine Vermutung, die von Scott Connors geteilt wird (Connors 104). Londons ‚sozialdarwinistische‘ Ansichten werden in seinem Aufsatz „The Human Drift“ deutlich, wo er von ‚Ariern‘ spricht, die sich auf langen Zügen über die ganze Welt verteilen, sowie von „stronger races, carving their way through the lesser breeds to more earth-space“ („The Human Drift“) – Konzepte, die sich in der gleichen Form bei Howard wiederfinden, und die dieser möglicherweise zum Teil von London übernommen hat. Neben derartigen Elementen hat Howard mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Reinkarnation als literarisches Motiv von London übernommen.63 Das Werk Londons, das den größten Einfluss auf Howard ausübte, ist ohne Zweifel der Reinkarnations-Roman The Star Rover, von dem Howard selbst schreibt, es handle sich um „a book that I’ve read and re-read for years, and that generally goes to my head like wine“ („To “, ca. Oct. or early Nov. 1930 106). Fritz Leiber stellt im Hinblick auf London, den auch er für einen der wichtigsten Einflüsse auf Howard hält, fest:

There is the same preoccupation with feats of physical prowess, with the strong man of fixed purpose whom nothing daunts, with a savagely Darwinian view of life (battle for survival, Nature bloody in tooth and claw, civilization a false fleeting dream in the reality of barbarism). London’s novel The Star Rover is not quite Sword-and-Sorcery – but only the sorcery is lacking“. („Howard’s Fantasy“ 4 f.)

62 Eine genaue Auseinandersetzung mit diesen Theorien und ihrem Einfluss auf Howard erfolgt in Kapitel 3.2.1 dieser Dissertation. Auch wird dort auf die problematische Natur des Begriffs ‚Sozialdarwinismus‘ eingegangen. 63 Leo Grin schreibt hierzu:

While life in the Depression encouraged Howard’s notions of hatred-fueled emotionalism, it took the work of another American realist to suggest a cosmic structure to such thoughts, one that Howard could hang his plots on. The reincarnation theology espoused in the works of Jack London [...] ultimately became the single greatest influence on Howard as a writer. (145)

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Rusty Burke schreibt, die in Howards Erzählungen wie etwa „Children of the Night“ oder „Marchers of Valhalla“ vorkommenden „thousand-year-long treks, the superior Aryans or Nordics driving the ‘lesser breeds’ before them, the ‘screaming primordial savagery,’ and the narrator who can vividly recall all his past incarnations, encoded as they are into his very genetic structure, ‘racial memories,’ are all borrowing from London“ (195). Tatsächlich finden sich all diese Elemente, die Howards Werk auszeichnen, in The Star Rover wieder. Die Parallelen zwischen Londons Protagonisten aus The Star Rover und Howards James Allison sind so groß, dass davon ausgegangen werden kann, dass Londons Werk als direkte Vorlage für Howards Reinkarnations- Geschichten um Allison diente, von denen neben den bereits erwähnten „Marchers of Valhalla“ und „The Valley of the Worm“ noch eine weitere Erzählung sowie mehrere unvollständige Fragmente existieren.64 Auch Namen von Völkern und Göttern hat Howard vermutlich direkt von London übernommen. Sowohl bei London als auch bei Howard sind die aus der nordischen Mythologie stammenden blonden Aesir und rothaarigen Vanir keine Göttergeschlechter, sondern tatsächliche Völker, und sowohl in The Star Rover als auch in „The Children of the Night“ beten die frühzeitlichen Inkarnationen der Hauptfiguren zu dem Gott Il-marinen, der jeweils mit Wieland und Vulkan gleichgesetzt wird (The Star Rover 295; „Children of the Night“ 229). Auch die von London erwähnten Götter Mitra und Ishtar finden u.a. in Howards Conan-Erzählungen Verwendung. Die Tatsache, dass Londons Protagonist nur durch eine qualvolle Prozedur, das Einschließen in die als Foltermethode konzipierte jacket, vergangene Inkarnationen durchleben kann, spiegelt sich in einer weiteren von Howards Reinkarnations-

64 The Star Rover ist die Geschichte des wegen Mordes verurteilten Darrell Standing, der im Gefängnis von San Quentin von Wärtern brutal misshandelt wird. Regelmäßig wird Standing für Stunden oder sogar Tage in eine Art Ganzkörper-Zwangsjacke gesteckt, die jede Bewegung des Körpers unterbindet. Er überlebt diese Prozedur nur, da es ihm gelingt, sich in eine Art Trancezustand zu versetzen und vergangene Inkarnationen zu durchleben, ein Prozess, den er nach einiger Übung regelrecht genießt. Die früheren Leben, an die er sich erinnert und von denen im Laufe des Romans erzählt wird, sind ähnlich von Kampf und Gewalt geprägt wie die von Howards James Allison. Genau wie bei Howards Charakteren, sind auch Standings Inkarnationen größtenteils blonde, mächtige Krieger, wie etwa der Seefahrer Adam Strang, den es nach Korea verschlägt, wo er jeden an Körper- und Kampfkraft übertrifft, jedoch schließlich einer Intrige zum Opfer fällt und die letzten Jahrzehnte seines Lebens als armer Bettler verbringen muss. Das Ende der Erzählung um Adam Strang, bei dem dieser seinen langjährigen Todfeind erwürgt, während er selbst zu Tode geprügelt wird, erinnert an das Ende der Erzählung um Hialmar, der den verräterischen König Khemus in „Marchers of Valhalla“ mit bloßen Händen tötet, während die Welt um sie herum zusammenbricht. Zwar befindet Howards James Allison sich nicht in einem tatsächlichen Gefängnis wie Londons Standing, doch sein gebrechlicher, todkranker Körper könnte als ein solches betrachtet werden.

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Geschichten namens „The Thunder-Rider“ wider. Der im modernen Texas lebende amerikanische Ureinwohner John Garfield unterzieht sich sogar einem noch grausameren Ritual, bei dem er sich an einem Baum aufhängen und Stücke aus seinem Fleisch schneiden lässt, um an Erinnerungen aus vergangenen Leben zu gelangen (323 ff.). Neben zahlreichen Gemeinsamkeiten in Geschichtsbild, Handlung und Namensgebung verbindet Londons und Howards Werk auch die Idee einer korrupten ‚Zivilisation‘. The Star Rover beschreibt das Auflehnen eines einzelnen, von Hass getriebenen und mehr oder weniger unschuldig festgehaltenen und unterdrückten Individuums gegen ein korruptes System. Leo Grin schreibt hierzu: „Howard’s heroes mirror this tragic, defiant attitude in countless situations. When in ‘The Scarlet Citadel,’ we see Conan ‘weighted with chains, the tang of defeat in his mouth, the blind fury of a trapped tiger in his soul,’ we see the influence of London’s Star Rover“ (145). Zudem erinnern die korrupte Gefängnisleitung und die grausamen Wachen San Quentins deutlich an das Rechtssystem, mit dem sich Conan in „The God in the Bowl“ auseinandersetzen muss, oder an die „vandals that parade under the cloak of law“ (Finn 170), über die Howard sich gegenüber Freunden beklagte. Noch deutlicher als The Star Rover befasst sich allerdings ein weiterer Roman Londons mit dem Thema ‚Zivilisation‘. In The Call of the Wild erzählt London die Geschichte des Hundes Buck, der aus seinem kalifornischen Zuhause entführt und dazu gezwungen wird, als Schlittenhund in Alaska zu dienen. Hierbei vollzieht Buck einen Wandel vom braven Haustier hin zum wilden Wolf, der am Ende keinem Menschen mehr dient, sondern frei und als Anführer eines Rudels durch die Wildnis zieht. Auf dem Weg dorthin muss Buck jedoch The Law of Club and Fang respektieren lernen. Im zweiten Kapitel, das diese Überschrift trägt, beginnt Buck, sich auf seine wilde, ursprüngliche ‚Natur‘ zu besinnen, und nimmt den Wettstreit ums Überleben auf, in dem die Schlittenhunde sich befinden. Während schwache Exemplare auf der Strecke bleiben, tötet Buck schließlich seinen größten Konkurrenten und wird selbst zum Leittier. Gegen Ende der Erzählung ist Buck „a killer, a thing that preyed, living on things that lived, unaided, alone, by virtue of his own strength and prowess, surviving triumphantly in a hostile environment where only the strong survived“ (66). Hieraus geht klar hervor, dass Londons Roman von Elementen bestimmt wird, die man weithin als ‚sozialdarwinistisch‘ bezeichnet. In The Call of the Wild herrscht das Recht des Stärkeren, und Gewalt ist der einzige Weg für Buck, um seine Ziele zu erreichen.

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Hierbei handelt es sich um ein Konzept, das auch bei Howard allgegenwärtig ist. Der ‚natürliche‘ Zustand des Hundes ist bei London der des wilden Wolfes. Seine Bindung zur ‚Zivilisation‘ schwächt ihn zu Beginn, und er kann nur überleben, indem er sich seinem Urzustand annähert. ‚Zivilisation‘ hat hier also eine negative Konnotation und ist mit einer Abkehr von einem ‚Naturzustand‘ verbunden. Obgleich London das Wort ‚Barbarei‘ nicht verwendet und die Geschichte sich nur um Tiere dreht, so sind die Parallelen zu Howard doch auffallend. Beide Autoren verbindet also die Idee des ‚Wilden‘ bzw. ‚Barbarischen‘ als Urzustand und der ‚Zivilisation‘ als schwächendem Gegenpol. Genau wie Buck lernt, das heimische Herdfeuer nicht mehr zu vermissen, so heißt es über den Cimmerier in „Beyond the Black River“: „The warm intimacies of small, kindly things, the sentiments and delicious trivialities that make up so much of civilized men’s lives were meaningless to him“ (79), und Conans Zusammenarbeit mit den ‚zivilisierten‘ Siedlern wird treffenderweise kommentiert: „A wolf is no less a wolf because a whim of chance caused him to run with the watch- dogs“ (79). Neben Balthus findet Conan in „Beyond the Black River“ einen weiteren Gefährten in dem Hund Slasher, der einem Siedler gehört hatte und seit dessen Tod, genau wie Londons Buck, ein Leben in der Wildnis geführt hat. Über Slasher heißt es: „Balthus mentally compared the great gaunt hard body with the fat sleek hounds tumbling vociferously over one another in his father’s kennel yard. He sighed. The frontier was no less hard for beasts than for men“ (86). Ob Slasher tatsächlich eine Reminiszenz an Londons Protagonisten aus The Call of the Wild darstellt, lässt sich nicht eindeutig klären. Fest steht jedoch, dass Londons Werke großen Einfluss auf Howards Schaffen hatten und Howards Welt- und Geschichtsbild maßgeblich beeinflussten. Ob London Howard soweit als Rollenmodell gedient hat, dass der vermeintliche Suizid Londons sich auf die Entscheidung des Texaners, Selbstmord zu begehen, ausgewirkt haben könnte, sei dahingestellt, Mark Finn hält dies aber durchaus für möglich (225). Ein weiterer, an dieser Stelle interessanter Vertreter der adventure fiction ist Talbot Mundy, dessen im Mittleren Osten angesiedelten Erzählungen von Howard sehr geschätzt wurden („To Tevis Clyde Smith“, 22 June 1923 6 f.; „To H. P. Lovecraft“, ca. Dec. 1930 123; „To H. P. Lovecraft“, ca. Dec. 1932 517). King of the Khyber Rifles und ähnliche Texte Mundys dienten Howard als direktes Vorbild für dessen Abenteuergeschichten um El Borak, Kirby O’Donnel und Steve Clarney (Tompkins, El

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Borak and Other Desert Adventures xix ff.). Hierin interpretiert Howard den Chaiber- Pass als umkämpfte Grenze zwischen einem ‚barbarischen‘ Afghanistan und einem ‚zivilisierten‘ Indien. Der Leser findet somit einen der amerikanischen frontier nicht unähnlichen Schauplatz vor. Mundys adventure fiction inspirierte Howard jedoch nicht nur dazu, ähnliche Geschichten zu verfassen, sondern übte auch direkten Einfluss auf Howards S&S aus. Anstelle von Afghanistan und Indien existieren in Howards Hyborian Age die Länder Ghulistan und Vendhya, welche durch einen Zaibar Pass und Himelian Mountains getrennt werden. Als weitere Einflüsse aus dem Bereich der adventure fiction sind H. Rider Haggard, Edgar Rice Burroughs, Rudyard Kipling und Arthur Conan Doyle zu nennen, deren Erzählungen teilweise selbst bereits fantastische Züge trugen.65 Bis auf Burroughs finden sich diese Schriftsteller in einer Aufzählung von Howards Lieblingsautoren („To H. P. Lovecraft“, ca. Dec. 1932 517). Obwohl Burroughs in Howards Briefen keine Erwähnung findet, so kann doch davon ausgegangen werden, dass Howard diesen geschätzt hat. Schließlich finden sich bei beiden Autoren ähnliche primitivistische Vorstellungen, und Howard hat mit Almuric eine Erzählung verfasst, die eindeutig von Burroughs Reihe um John Carter inspiriert wurde. Nach dieser umfangreichen Betrachtung wird klar, dass Howard Elemente diverser Gattungen, die ihn interessierten und in denen er selbst tätig war, in seine S&S- Texte einbrachte. Diese Vermischung verschiedenster Inhalte stellt einen Hybridisierungsprozess im Sinne Stablefords dar. S&S, die sich an Howards Conan- Texten als zentralen Werken orientiert, ist im Wesentlichen als Untergattung der FF einzustufen, zeigt aber infolge dieser Hybridisierungserscheinungen auch deutliche Züge von Gattungen wie horror fiction, hard-boiled fiction, western fiction und adventure fiction.

65 Im Falle von Burroughs Tarzans kamen diese fantastischen Züge verstärkt in späteren Fortsetzungen zum Tragen, in denen Tarzan u.a. den Mittelpunkt der Erde bereist und auf Dinosaurier trifft. Mathews, der einer recht weit gefassten Definition des Begriffs ‚Fantasy‘ bzw. ‚FF‘ zu folgen scheint, ordnet Tarzan of the Apes sowie Haggards Quatermain-Reihe gar einer „modern fantasy tradition“ (119) zu und spricht im Zusammenhang mit Tarzan von heroic fantasy (120).

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2.4.2 Howards Epigonen und die Formel von sword and sorcery

Fasst man die bisherigen Ergebnisse zusammen, so lässt sich die Untergattung ‚S&S‘ folgendermaßen beschreiben: Es handelt sich um häufig als Kurzprosa verfasste Werke der FF, die verhältnismäßig ‚realistische‘ Darstellungsweisen wählen und in denen das Fantastische, insbesondere Magie, einen geringeren Stellenwert besitzt. S&S spielt häufig in fiktiven vorgeschichtlichen Zeitaltern. Die Darstellung fiktiver Welten orientiert sich an vergangenen Epochen der realen Geschichtsschreibung, wobei antike, mittelalterliche und bisweilen sogar neuzeitliche Elemente oft vermischt werden.66 Der Protagonist selbst entstammt als ‚Barbar‘ einem nur vage beschriebenen Volk und durchlebt seine Abenteuer fern seiner Heimat. Er wirkt unbezwingbar und ist sozial sowie moralisch wurzellos. Getrieben wird er überwiegend von persönlichen Motiven, nicht aber von gesellschaftlichen Erwartungen, politischem Verantwortungsbewusstsein oder einer Prophezeiung. Trotz seiner überwiegend egoistisch motivierten Handlungsweise besitzt der S&S-Held gewisse Wertvorstellungen, die ihn im Vergleich zu seinen ‚zivilisierten‘ Gegenspielern als moralisch überlegen erscheinen lassen. Hieraus ergeben sich Widersprüche, auf die in Kapitel 3 noch genauer eingegangen wird. Strukturell ist S&S nicht an eine quest gebunden. In S&S-Erzählungen steht häufig nicht das Schicksal der Welt, sondern nur das des Protagonisten auf dem Spiel. Sie enden in der Regel zwar mit einer vorläufigen Lösung des Grundproblems, jedoch nicht mit einer allumfassenden eucatrastrophe, die dem Protagonisten eine glückliche Zukunft verspricht. S&S zielt weniger als typische FF-Texte darauf ab, den Leser in neugieriges Erstaunen zu versetzen oder ihn durch eine allumfassende positive Wendung am Ende des Textes emotional zu bewegen. Vielmehr stehen das Erfüllen von Wunschphantasien sowie bisweilen eine unheimliche Wirkung auf den Leser im Vordergrund. Unterschiede zwischen S&S und typischer FF lassen sich zum Teil durch Hybridisierungserscheinungen mit anderen Gattungen erklären. Nun, da die Beschaffenheit von S&S umrissen wurde, bietet es sich an, eine S&S-Formel aufzustellen, die die für S&S typischsten Inhalte und Handlungsmuster

66 In Howards Hyborian Age erinnert das Königreich Aquilonien, dessen Einwohner lateinisch klingende Namen tragen, zwar an das antike Rom, es existieren dort jedoch auch Rittertum und Feudalwesen. Zeitgleich leben Hyrkanier, die mongolischen Horden ähneln sowie Pikten, die je nach Erzählung mehr oder weniger an amerikanische Ureinwohner (bzw. die Darstellung amerikanischer Ureinwohner in der western fiction) erinnern. Gleichzeitig kennt das Hyborian Age aber auch ein Piratentum, wie es, zumindest gemäß der Populärkultur, in der Karibik des 17. und 18. Jahrhundert existierte. Dies erlaubt dem S&S-Protagonisten, verschiedenste anachronistisch wirkende Abenteuer zu durchleben, was einem Helden der historical fiction unmöglich wäre.

88 enthält. Die bereits beschriebene FF-Formel leitet sich von LOTR als zentralem Werk der Gattung ab, das späteren Autoren zum Vorbild diente. Im Falle von S&S wurden die Conan-Texte zwar als ebenso zentrale Texte bestimmt, es stellt sich jedoch das Problem, dass Howard eine große Zahl an Conan-Geschichten verfasste, die verschieden lang sind und sich, im Gegensatz zu Atteberys Auffassung, auch hinsichtlich des Inhalts und der Struktur zu einem gewissen Grad unterscheiden. Beispielsweise liegt mit The Hour of the Dragon sogar eine Conan-Erzählung in Romanlänge vor, deren Handlung einer quest gleicht. Eine S&S-Formel lässt sich also nicht ohne weiteres aus Howards Conan-Texten allein ableiten. Vielmehr ist ein Blick auf seine Imitatoren nötig, die sich bestimmte Howard-Texte stärker als andere zum Vorbild nahmen und somit dazu beitrugen, die S&S-Formel zu prägen. Hier spielten die Conan-Erzählungen L. Sprague de Camps und Lin Carters eine Rolle, welche die beiden Autoren Jahrzehnte nach Howards Tod verfassten. Insbesondere de Camp schrieb nicht nur eigene Conan-Texte, sondern veränderte auch Howards Originale und vervollständigte unfertige Howard-Texte im Rahmen sogenannter posthumous collaborations. Hierbei gab de Camp selten zu verstehen, welche Teile eines Werkes oder eines Sammelbandes von ihm bzw. Lin Carter verfasst wurden, und welche von Howard stammen, was zu großer Verwirrung bei Fans und Kritikern führte. So kritisiert Hans Joachim Alpers etwa Howards Conan, indem er Passagen beschreibt, die in Wirklichkeit aus von de Camp verfassten Erzählungen stammen, wie ich in „Disreputable Heroes“ veranschauliche. Die meisten Kritiker sind sich einig, dass de Camps und Carters Texte denen Howards unterlegen sind, und es besteht berechtigter Grund zur Annahme, dass das negative Image, unter dem Howards S&S-Erzählungen leiden, zum Teil auf die pastiches dieser (und anderer) Autoren sowie die wenig originalgetreuen Verfilmungen zurückzuführen ist. So schreiben Mendlesohn und James etwa:

Howard’s reputation has been badly damaged by the posthumous editing and rewriting of his work by L. Sprague de Camp and Lin Carter starting in the late 1960s, and more recently by the movie starring Arnold Schwarzenegger (1981). The version of Conan handed down to us is of a not terribly bright, muscle-bound, over-sexed adolescent fantasy hero. The original stories are quite different. (36)

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Eine ähnliche Meinung wird von Howard-Forscher Don Herron in seinem Artikel „The Dark Barbarian“ vertreten (173). Wenn das Bild, das Kritiker von Howards bekanntestem S&S-Charakter haben, eher durch de Camp und Carter geprägt wurde als durch Howard selbst, so spricht dies für einen starken Einfluss der pastiches auf die S&S-Formel. Neben den genannten pastiches existiert eine weitere Gruppe extrem formelhafter S&S-Geschichten. Hierbei handelt es sich um die Unmenge an Texten, die Howards Conan-Erzählungen zu imitieren suchen. Der Erfolg von Howards Erzählungen in den pulp-Zeitschriften der 1930er Jahre, sowie der noch viel größere Erfolg der in den 60er und 70er Jahren im Lancer-Verlag erschienenen Conan- Taschenbücher, brachte zahlreiche Autoren dazu, ihr Glück mit ähnlich gearteten Texten zu versuchen. Einer der frühesten Epigonen Howards war , der bereits unmittelbar nach Howards Tod versuchte, mit Hilfe seiner ‚barbarischen‘ Helden Duar und Rald die Lücke zu füllen, die der Texaner hinterlassen hatte. In den nächsten Jahrzehnten folgten zahlreiche weitere Conan-Imitationen, wie etwa John Jakes’ Brak the Barbarian, Lin Carters Thongor of Lemuria oder Gardner F. Fox’ Kothar-, Kyrik- und Niall-Reihen, die teilweise – vom Namen des Protagonisten abgesehen – kaum von pastiches zu unterscheiden sind. Durch Betrachtung dieser formelhaften S&S-Literatur, sowie derjeniger Originaltexte Howards, die ihr zum Vorbild dienten, lässt sich eine S&S-Formel analog zur unter 2.1 aufgestellten FF-Formel bilden. Auch formelhafte S&S spielt in der Regel in einer mittelalterlich angehauchten Welt, häufig sind die Bezüge zu unserer eigenen Geschichte jedoch deutlicher ausgeprägt, da Ortsnamen aus Mythen und Legenden übernommen werden und zumeist angedeutet wird, dass die Erzählungen in einem vorgeschichtlichen Zeitalter unseres eigenen Planeten spielen (wie in Howards Hyborian Age). Das Element der Prophezeiung spielt in formelhafter S&S zumeist eine weniger große Rolle als in formelhafter FF (existiert aber beispielsweise bei Clifford Ball). Überhaupt werden die Handlungen der Protagonisten, wie bei Howards Conan, in der Regel eher durch Abenteuerlust und Eigeninteresse bestimmt als durch höhere Mächte. In typischen S&S- Geschichten steht meist weniger auf dem Spiel als in typischen FF-Texten, in denen es häufiger um die Rettung der Welt geht. Hinsichtlich des typischen ‚Bösewichts‘ als flat character ohne positive Eigenschaften sind formelhafte FF und formelhafte S&S vergleichbar, große

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Unterschiede gibt es jedoch, was das Auftreten mythologischer Kreaturen betrifft. Zwar sind die genannten Conan-pastiches und -Imitationen insgesamt etwas reicher an solchen Kreaturen als Howards Original-Texte67, trotzdem existiert in keiner der S&S- Reihen die in formelhafter FF übliche Vielzahl nichtmenschlicher Völker wie Elben, Zwerge oder Orcs. Der typische Held formelhafter S&S unterscheidet sich ebenfalls stark von Helden formelhafter FF. Neben der bereits genannten Motivation (Eigeninteresse statt Prophezeiung oder Schicksal) fällt auf, dass der Held in formelhafter S&S stets ein Einzelgänger ist und selten Lehrmeister oder Begleiter benötigt. Optisch und in Sachen Herkunft handelt es sich bei den Protagonisten aller genannter Beispiele um eine Imitation Conans – ein muskulöser, hellhäutiger ‚Barbar‘ aus einem fernen, ‚unzivilisierten‘ Land, das zumeist im Norden gelegen ist. Der einzige nennenswerte Unterschied zu Howards Conan besteht darin, dass Protagonisten in formelhafter S&S mitunter blonde Haare haben und teilweise einem Volk entstammen, das eher proto- nordisch als proto-keltisch angehaucht ist, so etwa Jakes’ Brak. Als ‚Barbaren‘ sind die Helden der formelhaften S&S den Einwohnern ‚zivilisierter‘ Länder körperlich stets überlegen. Auch hinsichtlich der moralischen Überlegenheit ihrer ‚barbarischen‘ Hauptcharaktere schließen sich pastiche-Autoren und Imitatoren in der Regel Howards Vorbild an.68 Ein zusätzliches Motiv, das beim Aufstellen einer Formel für S&S zu erwähnen ist, ist die leichtbekleidete oder nackte, dem Helden sofort verfallende damsel in distress, welche der Protagonist zumeist aus den Händen eines ‚bösen‘ Magiers oder einer schrecklichen Bestie befreien muss. Howard selbst hatte dieses Motiv zwar mitunter verwendet, es war in seiner S&S-Literatur jedoch keinesfalls allgegenwärtig, wie in Kapitel 3.3.1 noch veranschaulicht wird. De Camp und Carter haben beim Verfassen ihrer pastiches allerdings ausgerechnet auf „the more pathetic female characterizations that may be found in Howard“ (Herron, „The Dark Barbarian“ 173) zurückgegriffen und ihren ‚barbarischen‘ Helden, ebenso wie viele der Imitatoren, eine wehrlose Schönheit nach der anderen retten lassen, anstatt mehr weibliche Charaktere

67 Beispielsweise lassen de Camp und Carter in Conan the Liberator Satyren auftreten, und das Lemuria aus Carters Thongor-Erzählungen wird von einer intelligenten Art von Dinosaurier-Nachkommen bevölkert. Howard spart sich Andeutungen an nichtmenschliche Völker dagegen für spezielle Schockmomente auf. Diese lauern bei ihm eher versteckt unter der Oberfläche, als dass sie die Welt offen bevölkern (wie etwa die Kreaturen in „Children of the Night“ oder die serpent men in den Kull- Erzählungen). 68 Freilich haben die Helden in typischer S&S teils amoralische Charakterzüge, doch gehen niederträchtige Intrigen beinahe ausschließlich von ‚zivilisierten‘ Gegenspielern aus.

91 im Stile von Howards Valeria oder Bêlit zu kreieren. Hinsichtlich der Form kann formelhafte S&S sowohl als Kurzprosa als auch als Roman vorliegen. Haben die ersten Howard-Imitatoren wie Ball, oder zu Beginn auch Jakes, selbst noch für pulp-Zeitschriften geschrieben, so brachte das Aufkommen der Taschenbücher viele Autoren dazu, formelhafte S&S in Romanform zu verfassen. Gleiches trifft für spätere Vertreter von weniger formelhafter S&S zu, mit denen ich mich noch befassen werde. Es wird deutlich, dass die S&S-Formel von Hybridisierungs- und Differenzierungserscheinungen kaum beeinträchtigt wird. Clifford Balls Ende der 30er Jahre verfasste S&S-Erzählungen folgen im wesentlichen derselben Formel, die einige der anderen Autoren noch bis in die 80er verwendeten und die auch in Comics und Filmen Einzug fand. Dass nach den frühen 80er Jahren offenbar weniger formelhafte S&S verfasst wurde, lag wohl am allgemeinen Schwinden der Popularität von S&S zu diesem Zeitpunkt sowie der ausgeprägten Parodisierung, der sich insbesondere formelhafte S&S ausgesetzt sah und immer noch ausgesetzt sieht. Diese Parodisierung fand zu einem großen Teil durch Terry Pratchett stand, der sich in seinen Discworld- Romanen wiederholt über die simplen Charakterzeichnungen und Handlungsstrukturen entsprechender Werke lustig macht. Pratchetts ‚Barbar’ Hrun etwa gleicht optisch dem typischen Helden formelhafter S&S, und wird in The Colour of Magic als „an academic by Hub standards in that he could think without moving his lips“ (51) beschrieben. Es wird erwähnt, dass sich auf der Scheibenwelt so viele tumbe ‚Barbaren‘ auf der Jagd nach Schätzen tummeln, dass diese sich in entsprechenden questing grounds auf die Füße treten und man sich überlegt, ein Rotationsprinzip einzuführen (51). Als Hrun im Laufe der Erzählung zusammen mit dem Touristen Twoflower gefangengenommen wird, ist sich der Held (erstaunlich genre savvy, oder vielleicht eher formula savvy) sicher, wie sein Arbeitstag anschließend weitergehen wird:

‘Oh,’ he said, ‘I expect in a minute the door will be flung back and I’ll be dragged off to some sort of temple arena where I’ll fight maybe a couple of giant spiders and an eight-foot slave from the jungles of Klatch and then I’ll rescue some kind of a princess from the altar and then kill off a few guards or whatever and then this girl will show me the secret passage out of the place and we’ll liberate a couple of horses and escape with the treasure.’ Hrun leaned his head back on his hands and looked at the ceiling, whistling

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tunelessly. ‘All that?’ said Twoflower. ‘Usually.’ (177)

Pratchett legt hier die Formel von S&S auf parodistische Weise offen. Obwohl seit den späten 80er Jahren kaum noch formelhafte S&S verfasst wurde, zumindest nicht in literarischer Form, so bleibt diese doch bis zum heutigen Tag ein beliebtes und offenbar lohnenswertes Ziel von Parodien, wie jüngst dem Zeichentrickkurzfilm Korgoth of Barbaria, dem Animationsfilm Ronal the Barbarian oder dem Comic Groo the Wanderer.

2.4.3 Fritz Leiber

Nachdem die Untergattung ‚S&S‘ ausreichend beschrieben ist, gilt es, die Wahl von Fritz Leiber, und im Anschluss die von Samuel R. Delany, als weitere repräsentative Autoren von S&S zu begründen. Fritz Reuter Leiber, Jr., wurde 1910 in Chicago geboren und war von den 30er Jahren bis zu seinem Tod im Jahre 1992 als professioneller Schriftsteller in verschiedensten Gattungen tätig. Als Autor der horror fiction wurde er, ähnlich wie Howard, stark von Lovecraft beeinflusst, den Pelan als „one of Leiber’s earliest influences and mentors“ (3) beschreibt. Neben einigen Werken der horror fiction, die nur lose von Lovecraft beeinflusst wurden, schrieb Leiber auch mehrere Erzählungen, die ausdrücklich als Teil des Cthulhu-Mythos zu verstehen sind, so etwa „A Bit of the Dark World“ oder „The Terror from the Depths“ (Pelan 3). S.T. Joshi vertritt in „Science and Superstition: Fritz Leiber’s Modernization of Gothic“ die Ansicht, Leiber habe es als „Lovecraft’s late disciple“ (117) vermocht, die Horrorerzählung zeitgemäß zu machen, indem er aufzeigte, wie diese gegenwärtige gesellschaftliche Probleme thematisieren könne. Hierdurch habe Leiber Vorarbeit geleistet, auf die die erfolgreichen Horror-Autoren der 70er und 80er, wie Ramsey Campbell und Stephen King, aufbauen konnten (117). Als Höhepunkt von Leibers Werk im Bereich der horror ficion sieht Joshi hierbei den Roman Conjure Wife aus dem Jahre 1943. Dafür, dass Joshis Einschätzung Leibers als Autor von horror fiction nicht zu hoch gegriffen ist,

93 spricht die Tatsache, dass Leiber im Jahr 1987 durch die Horror Writers Association mit dem Bram Stoker Award for Lifetime Achievement ausgezeichnet wurde (Pelan 2) – im ersten Jahr, in dem dieser überhaupt vergeben wurde. Auch im Bereich der SF war Leiber sehr aktiv und erfolgreich. Zu seinen bekanntesten Werken zählt der Roman The Wanderer sowie die Changewar-Reihe, insbesondere deren erster Teil The Big Time. Der Erfolg von Leibers SF bei Lesern und Kritikern spiegelt sich in den zehn Hugo- bzw. Nebula-Auszeichnungen wieder, die dieser im Laufe seiner Karriere erhalten hat (Pelan 2). Leibers Hauptwerk im Bereich der FF stellt die S&S-Reihe um Fafhrd und den Gray Mouser dar, welche Dutzende Erzählungen umfasst, die zwischen 1939 und 1988 veröffentlicht wurden, wobei ein Großteil in den 60er und 70er Jahren entstand. Beim überwiegenden Teil der Texte handelt es sich um Kurzgeschichten und novelettes, doch enthält die Reihe mit The Swords of Lankhmar (1968) auch einen Roman. Abseits von S&S schrieb Leiber ebenfalls einige Erzählungen, die man anderen Untergattungen der FF zurechnen kann, beispielsweise den stark autobiographisch geprägten Roman Our Lady of Darkness (1977), den man als bezeichnen kann. Auch als Autor von FF war Leiber beliebt und erfolgreich. So war er nach Tolkien der zweite Autor, der den Gandalf Grandmaster Award der erhielt (Pelan 1). Leibers Lankhmar-Reihe um Fafhrd und den Gray Mouser enthält typische FF- Elemente: Im Gegensatz zu Howards Hyborien gleicht Nehwon eher einer Sekundärwelt als eine vorgeschichtlichen Version unserer Erde.69 Auch spielt das Fantastische, insbesondere Magie, eine verhältnismäßig große Rolle im Alltag der Menschen. Vor allem in Leibers späteren Texten rund um Rime Isle ist Magie allgegenwärtig, ebenso wie konkret als handelnde Personen auftretende Götter und der personifizierte Tod. Vor allem Götter sind hierbei Ziel von Spott und Parodie, worauf in Kapitel 3 noch genauer eingegangen wird. Eher S&S-typisch ist die Tatsache, dass Magie hauptsächlich bedrohlicher Natur ist. In nahezu allen auf Rime Isle spielenden Erzählungen (und vielen vorher stattfindenden) sehen Leibers Helden sich einer magischen oder zumindest übernatürlichen Bedrohung ausgesetzt, wie dem Magier

69 Trotzdem besteht laut Leiber ein gewisser Zusammenhang zwischen seiner fiktiven Welt und der Erde. In „Fafhrd and Me“ beschreibt er diesen folgendermaßen: „[W]hile I seem to want the world of Nehwon definitely linked to the real world of today, I don’t want to specify exactly where it lies and whether in past or future“ (135). Verschiedene Völker, die bei Leiber auftreten, erinnern zudem an Völker der realen Erdgeschichte. Die Darstellung der Mingols orientiert sich z.B. eindeutig an mongolischen Horden, und Island mit seinen frühen demokratischen Strukturen mag als Vorbild für Rime Isle gedient haben. Zudem existieren Portale in unsere Primärwelt, welche die beiden Abenteurer in „Adept’s Gambit“ in die irdische Antike führen oder den Göttern Odin und Loki in „Rime Isle“ Zugang nach Nehwon verschaffen.

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Khahkht in „Rime Isle“, den Meeresbewohnern in „Sea Magic“ und „The Mer She“, oder den Flüchen in „The Curse of the Smalls and the Stars“ und „The Mouser Goes Below“. S&S-typisch ist auch die weitgehende Abwesenheit nichtmenschlicher Völker, zumindest im Alltagsgeschehen der Einwohner Nehwons. Auch die Darstellungsweise von Gewalt, sowie amoralische oder zumindest egoistische Verhaltensweisen der beiden Protagonisten erinnern an Howards Conan und können als ‚realistische‘ Elemente gewertet werden, die beispielsweise einen deutlichen Kontrast zur absoluten moralischen Integrität eines Aragorn bilden. In gewissen Aspekten weichen Leibers Protagonisten aber auch stark von Howards Conan ab. Dass Leiber dem riesenhaften nordischen ‚Barbaren‘ Fafhrd den ‚zivilisierten‘, klein gebauten Gray Mouser als gleichwertigen Partner gegenüberstellt, ist ein Zeichen dafür, dass Leiber mit Erwartungshaltungen und Gattungsklischees spielt. Leibers Sinn für Ironie zeigt sich auch darin, dass der mächtige Fafhrd ausgerechnet aus einer matriarchalischen Gesellschaft stammt, in der er Opfer sozialer Unterdrückung wurde. Es ist offensichtlich, dass Leiber sowohl typische FF- als auch S&S-Texte parodisiert. Hinsichtlich ihrer Struktur sind Leibers Texte S&S-typisch episodenhaft aufgebaut und teilweise in Kurzprosa verfasst, wobei sich kein roter Faden in Form einer quest durch die einzelnen Episoden zieht, sondern die Helden von einem Abenteuer ins nächste stürzen. Die Helden selbst werden hierbei weniger durch Prophezeiungen oder den Auftrag höherer Mächte, sondern hauptsächlich durch persönliche Motivationen wie dem Streben nach Reichtum und Abenteuerlust getrieben. Leibers Geschichten münden grundsätzlich in keine eucatastrophe, und selbst im Vergleich zu Howards Erzählungen enden sie häufig mit negativerem Beigeschmack. Fafhrd und der Mouser, die weniger unverwundbar als Conan wirken, kommen häufig gerade so mit dem Leben davon, und in „Rime Isle“, einer der letzten Erzählungen, verliert Fafhrd sogar einen Arm. Bedingt durch das Fehlen einer eucatastrophe unterscheidet sich auch die zu erwartende Wirkung von Leibers Erzählungen auf den Leser von der typischer FF. Machtphantasien spielen angesichts der verwundbareren Helden sicher eine weniger große Rolle, wobei das lasterhafte Leben Fafhrds und (noch stärker) des Mousers, das weitgehend ungestraft bleibt, seine Anziehungskraft haben mag. Schauereffekte spielen wie in Howards S&S auch bei Leiber eine Rolle. Wenn Fafhrd und der Mouser beispielsweise in „Ill Met in Lankhmar“ die von Ratten zerfressenen Leichen ihrer Geliebten auffinden, erinnert dies an eine Szene der horror fiction (163). Bisweilen mag

95 dieser Schauereffekt aber auch ausfallen, da Leiber mit dem Tod als der größten aller Bedrohungen sehr ironisch umgeht, indem er ihn wiederholt als überlistbar darstellt. Leibers Texte zielen, ähnlich wie die Howards, kaum auf den Effekt des wonder ab. Treten Elemente auf, die den Leser eines FF-Textes typischerweise in Erstaunen versetzen, wie etwa höhere Wesen, so werden diese in Leibers Spiel mit Gattungskonventionen und Lesererwartungen beinahe immer parodiert. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Leiber die Götter Lankhmars wiederholt als inkompetent porträtiert. Eine typische Wirkung von Leibers Texten ist somit das Amüsement des Lesers, der mit den Gattungskonventionen bzw. den Formeln von FF und S&S vertraut ist. Wenn Leiber die höheren Mächte Lankhmars als lächerlich entlarvt, oder auch wenn er mit Klischees wie dem des tumben ‚Barbaren‘ spielt, indem er Fafhrd den Vorschlag machen lässt, die Beute sixty-sixty zu teilen („Ill met in Lankhmar“ 113), entwickelt er einen Humor, der dem Terry Pratchetts nicht unähnlich ist. Insgesamt sind Leibers Texte in ihrem Grundgerüst S&S, weichen aber in zahlreichen Aspekten von Howards Muster ab, insbesondere durch Parodisierung und Ironisierung. Greifen wir auf Stablefords Terminologie zurück, so lässt sich feststellen, dass es nicht nur zu reinem recycling der prototypischen Conan-Erzählungen, sondern auch zu transfiguration der bei Howard vorhandenen Elemente kommt.

2.4.4 Samuel R. Delany

Samuel Ray Delany, Jr., wurde 1942 in Harlem geboren. Als afroamerikanischer, bekennend homosexueller Schriftsteller, unterscheidet er sich drastisch von den meisten seiner im Bereich ‚S&S‘ tätigen Kollegen. Der Großteil von Delanys Werken lässt sich als SF einordnen, so etwa Babel-17 (1966), The Einstein Intersection (1967) oder Dhalgren (1985). Seine bedeutendste Fantasy-Reihe, und die einzige, die für gewöhnlich der Untergattung ‚S&S‘ zugerechnet wird, ist die Nevèrÿon-Reihe, die zwischen 1979 und 1987 veröffentlich wurde. Delanys Erzählungen greifen gesellschaftliche Themen wie „race and racism in America, gay liberation, feminism, and the AIDS crisis“ (Tucker 1) auf und ernteten das Lob zahlreicher Kritiker. Delany gewann u.a. vier Nebula- und zwei Hugo-Auszeichnungen, einen Gaylactic Spectrum Award, einen Lambda Award („The Science Fiction Award Database: Samuel R.

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Delany“) sowie einen Bill Whitehead award for Lifetime Achievement in Lesbian and Gay Writing (Tucker 1). Neben Fiktion verfasste Delany auch Werke im Bereich der Literaturkritik und -theorie, wie The Jewel-Hinged Jaw: Notes on the Language of Science Fiction oder About Writing. In den letzten Jahren war er als Professor an verschiedenen Universitäten tätig. Inhaltlich unterscheidet sich Delanys Werk massiv von typischer FF, allein schon dadurch, dass kaum fantastische Elemente vorhanden sind. Eine der wenigen Ausnahmen stellt die Existenz von Drachen dar, doch diese wirken in ihrer Unbeholfenheit und kaum vorhandenen Flugfähigkeit („The Tale of Dragons and Dreamers“ 278 f.) eher wie Karikaturen eines Fabelwesens. In „The Tale of Plagues and Carnivals“ beschreibt der Master, der eine Art frühe Universität leitet, in einer intradiegetischen Erzählung eine nächtliche Begegnung mit einem Monster (411) während einer Reise, die er in seiner Jugend durchführte. Der Master verwendet den Begriff monster aber auch, um die verzerrten Bilder zu bezeichnen, die Menschen von fremden Personen hätten, und die aus „contradiction, supposition, miscalculation, impossibility, and ignorance“ entstünden (410, 427). Außerdem finden sich starke Hinweise darauf, dass es sich beim Master um einen unzuverlässigen Erzähler handelt. So trifft er einen alten Reisegefährten, dessen Erinnerungen an bestimmte Erlebnisse stark von seinen eigenen abweichen (421 ff.). Magie selbst kommt in Delanys Universum nie zum Zug, es sei denn als Mummenschanz, wie ihn der Magier in „The Tale of Plagues and Carnivals“ betreibt, als übertragener Begriff für das Verstehen und Beherrschen sozialer Machtstrukturen durch Madame Keyne oder für die linguistischen Fähigkeiten des Earl Jue-Grutn. Eine derart extreme Abkehr von Magie und Fantastischem ist zweifellos auch für S&S untypisch. Relativ typisch hingegen ist die Tatsache, dass Delanys Geschichten in einer fiktiven Vergangenheit unserer Primärwelt spielen, ganz ähnlich wie Howards S&S. Gemäß diversen Vorworten und Appendices, die Delany seinen Werken beifügt, sei die Handlung seiner Erzählungen dem sogenannten Culhar’-Fragment entnommen („Appendix A: The Culhar’ Correspondence“ 519, „Appendix: Closures and Openings“ 269, Steiner 11 ff.), das in Wirklichkeit aber eine Erfindung Delanys darstellt. Im Gegensatz zu Howards Hyborian Age ist Delanys fiktive Vergangenheit jedoch nicht an der europäischen Antike bzw. am Mittelalter angelehnt (Tucker 93). Der Handlungsort bleibt vage und ist wohl entweder in Mittelmeerraum, in Mesopotamien, in Asien oder Afrika anzusiedeln (Steiner 9) Dieser ungewöhnliche Handlungsort, sowie der Umstand, dass die herrschende Klasse

97 in der Nevèrÿon-Reihe dunkelhäutig ist, lassen sich durchaus als Subversion von Gattungskonventionen deuten. Delanys Fiktion zeigt ‚realistische‘ Tendenzen, wie sie für S&S typisch sind, etwa was die Gewaltdarstellung angeht. Folgende Szene könnte sich in ähnlicher Weise bei Howard oder Leiber finden, nicht aber in LOTR: „Small Sarg […] with a grunt sank [his sword] into the abdomen of the guard[…]. The guard’s mouth opened. […] Small Sarg leaned on the hilt, twisting – somewhere inside the guard the blade sheered upward, parting diaphragm, belly, lungs. The guard closed his eyes, drooled blood, and toppled“ („The Tale of Dragons and Dreamers“ 284). Die ‚realistische‘ Darstellungsweise Delanys geht jedoch noch über die typischer S&S hinaus. So werden in „The Tale of Gorgik“ die schrecklichen Zustände in den Sklavenminen schonungslos dargestellt, ebenso wie die Folgen von Betrunkenheit und Mangelernährung, vor denen auch der Protagonist – der trotz seiner Körperkraft nichts Übermenschliches an sich hat – nicht gefeit ist („The Tale of Gorgik“ 74). Es sind Krankheiten, die Heere dezimieren, nicht Schlachten („The Tale of Gorgik“ 90). Delanys Texte stellen zwar, wie für S&S typisch, das Aufeinandertreffen von ‚Zivilisation‘ und ‚Barbaren‘ in den Mittelpunkt, weichen bisweilen aber extrem von den typischen inhaltlichen Elementen ab, die man mit S&S verbindet. Die männlichen Protagonisten sind in der Regel keine muskelbepackten Helden, die weiblichen nicht zwangsläufig attraktiv (wie etwa die eher pummelige Pryn), sowie den männlichen mitunter an Kampfkraft weit überlegen (wie Raven). Die einzige Person, deren Statur an Conan oder Fafhrd erinnert, ist Gorgik, der jedoch ausgerechnet als Produkt der ‚Zivilisation‘ bezeichnet wird („The Tale of Gorgik“ 96), wohingegen es sich beim kleinen, schmächtigen Sarg um einen ‚Barbaren‘ handelt. In der Nevèrÿon-Reihe gibt es kaum Figuren, die eindeutig als ‚Bösewichte‘ dargestellt werden, da Probleme meist recht differenziert und von verschiedenen Seiten betrachtet werden. Die einzige Figur, die je an eine damsel in distress erinnert, ist der männliche Protagonist in „The Tale of Fog and Granite“, der von Kriegerinnen aus einer misslichen Lage befreit wird. Hier liegt ein Spiel mit der Erwartungshaltung des Lesers vor. Delany ist sich der Formel von S&S bewusst, invertiert und subvertiert diese jedoch. Seine Fiktion ist also zu einem sehr starken Grad nicht von recycling, sondern von transfiguration geprägt. Auch die Struktur der Nevèrÿon-Erzählungen ist entsprechend FF- bzw. S&S- untypisch. Die verschiedenen Erzählungen sind unterschiedlich strukturiert, bauen jedoch selten einen Spannungsbogen im klassischen Sinne auf. Die in typischer FF übliche eucatastrophe liegt am Ende keiner Nevèrÿon-Erzählung vor, und selbst eine

98 abgeschlossene Abenteuerepisode mit zumindest vorübergehender Lösung eines Problems, wie in der S&S üblich, findet sich selten. Selbst die Saga als Ganzes wirkt kaum abgeschlossen, sondern scheint eher zirkulärer Natur zu sein, da die letzte Erzählung im abschließenden Nevèrÿon-Band Return to Nevèrÿon der allerersten Geschichte in Tales of Nevèrÿon entspricht. Delanys Nevèrÿon-Texte unterscheiden sich sowohl von typischer FF als auch von typischer S&S nicht nur aufgrund ihrer Inhalte, sondern auch dadurch, dass der Erzählvorgang selbst oft thematisiert wird. In „The Tale of Gorgik“ spekuliert der Erzähler beispielsweise wiederholt darüber, was alles geschehen könnte, wenn anstelle von Gorgik ein Töpferjunge Protagonist der Handlung wäre. Auch zeigt sich der Erzähler sehr selektiv in dem, was er wiedergibt, beispielsweise wenn er eine wörtliche Rede der Vizerine Myrgot unterbricht, da er sich nicht mit dem Thema ‚Religion‘ befassen möchte (68), oder indem er die Handlung am Ende der Geschichte stark rafft: „But we could fill pages; let us compress both time and the word“ (95). Am stärksten wird der Erzählvorgang in „The Tale of Plagues and Carnivals“ in den Vordergrund gerückt. Der Erzähler dieser Geschichte, der sich selbst als Samuel Delany identifiziert, berichtet abwechselnd von den Geschehnissen in der Hauptstadt Nevèrÿons nach Ausbruch einer Seuche sowie von seinen eigenen Erfahrungen während der AIDS-Krise im der frühen 80er. Der Text thematisiert den fiktiven Charakter alles Erzählten, indem er beide Handlungen gegen Ende vermischt und Delany in New York auf seinen eigenen Charakter Noyeed treffen lässt, der aus Nevèrÿon entflohen ist. Zudem finden sich bei Delany zahlreiche Anspielungen auf Literaturtheorie, aber insbesondere auch auf Semiotik. So entwickelt die weise Venn in „The Tale of Old Venn“ eine Theorie, die der Saussures ähnelt, und erklärt diese im Lauf der Geschichte ausführlich und anhand zahlreicher Beispiele ihrer Schülerin Norema. Den Einfluss von Saussure und dessen amerikanischem Kollegen Peirce auf Delany betrachtet auch Tucker als immens – „often to the point where the books read as textbooks for a graduate seminar in critical theory as much as sword-and-sorcery“ (118 f.). Häufig beginnen Kurzgeschichten und Unterkapitel in Delanys Reihe mit Auszügen aus Werken Spivaks, Foucaults und anderer Theoretiker, deren Einfluss im folgenden Text deutlich wird. Delany bezeichnet die Nevèrÿon-Reihe als „a child’s garden of semiotics“ (Steiner 14) und nennt in seinem Neveryóna nachgestellten „Appendix B: Acknowledgments“ Albee, Bédier, Kafka, Balzac und Baudrillard als Einflüsse auf seine Literatur (543). Tucker bezeichnet Delanys Werk zu Recht als „mixture of

99 fantastic fiction, metafiction, and critical theory“ (92). Delanys Sprachstil ist ungewöhnlich gehoben, ebenso wie der vieler seiner Figuren. Tucker merkt hierzu an: „The language of these stories is dense, complex, and noticably unlike ‘the essence of the pulps’“ (92.) Delanys Figuren verfügen zudem über eine extrem stark ausgeprägte Abstraktions- und Artikulationsfähigkeit, die sie komplexeste Sachverhalte und Theorien häufig sofort begreifen und mit Leichtigkeit wiedergeben lässt. Mag dies im Falle von Gelehrten wie Venn noch nachvollziehbar sein, so ist es sicher alles andere als ‚realistisch‘, wenn junge Mädchen wie Norema in „The Tale of Old Venn“ oder Pryn in Neveryóna entsprechende Theorien in kurzer Zeit verstehen und durch eigene Überlegungen ergänzen. Sowohl das Auftreten des Erzählers, als auch Delanys Sprachstil und die enorme Abstraktions- und Artikulationsfähigkeit verschiedenster Charaktere wirkt im wahrsten Sinne des Wortes befremdlich auf den Leser. Hinzu kommt Delanys strenger Perspektivismus: Delanys Geschichten werden meist in der dritten Person und unter Fokussierung auf einen Protagonisten bzw. eine Protagonistin erzählt70. Gelegentlich schwankt die Fokussierung zwischen mehreren Hauptfiguren, z.B. zwischen Sarg und Gorgik in „The Tale of Small Sarg“ oder zwischen den vielen Charakteren, die in „The Tale of Plagues and Carnivals“ auftreten. Dadurch, dass die Lebensläufe von Delanys zahlreichen Protagonisten sich im Lauf der Nevèrÿon-Reihe wiederholt kreuzen, werden dieselben Sachverhalte aus verschiedensten Perspektiven dargestellt, wodurch ebenfalls eine Art Verfremdungseffekt erzeugt wird. Dem Leser wird klar, dass es keine allumfassende Wahrheit gibt, sondern die Wirklichkeit ein Konstrukt ist, das im Sinne eines perspektivistischen Subjektivismus für jeden einzelnen anders aussieht. Klar ist, dass Delanys Nevèrÿon-Geschichten im Gegensatz zu typischer FF keinesfalls geeignet sind, beim Lesen wonder oder consolation hervorzurufen, allein schon aufgrund der weitgehenden Abwesenheit des Fantastischen sowie einer eucatastrophe. Auch S&S-typische Funktionen, wie eine an die horror fiction erinnernde Beunruhigung des Lesers sowie die Möglichkeit, Wunschphantasien gedanklich auszuleben, können Delanys Texte nicht erfüllen. Schließlich zielen diese nicht auf den Aufbau von Spannung ab und enthalten auch keine (nahezu) unbesiegbaren Helden, die epische Schlachten bestreiten. Die Wirkung, die Delanys

70 Die Fokussierung bzw. Fokalisierung auf eine Person und deren Gefühlswelt (im Sinne von Genettes ‚interner Fokalisierung‘) steht im Kontrast zum allwissenden Erzähler, der sich häufig kommentierend einschaltet (wie es für Genettes ‚Nullfokalisierung‘ typisch ist). Auch hierdurch kann beim Leser ein gewisser Verfremdungseffekt entstehen, der den artifiziellen bzw. fiktionalen Charakter des Erzählten verdeutlicht.

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Texte auf den Leser offensichtlich haben sollen, ist vielmehr die der ‚Befremdung‘. Dies geschieht zum einen durch eine Subversion der Lesererwartungen im Hinblick auf Inhalt und Struktur eines S&S-Werkes. Zum anderen erzielen aber auch obengenannte sprachliche und erzählerische Mittel eine Art Verfremdungseffekt. Das Auftreten des Erzählers sowie die befremdlichen kognitiven Fähigkeiten der auftretenden Figuren machen dem Leser die künstliche Natur der Erzählung bewusst. Es ist zu vermuten, dass Delany den Leser hier auf ähnliche Weise dazu bringen möchte, eine kritische Distanz zum Gelesenen aufzubauen und über die in der Erzählung behandelten gesellschaftlichen Themen nachzudenken, wie Brecht mit seinem Verfremdungseffekt im Epischen Theater. Delany selbst legt großen Wert darauf, dass seine Texte mit Bezug zur heutigen Gesellschaft gelesen werden. So erklärt der Erzähler in „The Tale of Plagues and Carnivals“: „The Nevèrÿon series is, from first tale to last, a document of our times, thank you very much“ (322) - eine Aussage, die Delany so wichtig zu sein scheint, dass sein Alter Ego Steiner in „Return… a preface“ diese Passage zitiert, „for anyone managing to miss the point till then“ (20). Im Hinblick auf die beträchtlichen Unterschiede zwischen Delanys Werk und denen Howards bzw. Leibers stellen sich mehrere Fragen – zum einen, ob man die Nevèrÿon-Reine überhaupt als S&S bezeichnen kann, zum anderen, ob ihre Wahl als zentraler Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit gerechtfertigt ist. Ob man Delanys Texte als S&S bezeichnet, hängt davon ab, als wie groß man das fuzzy set betrachtet, das den Kernbereich der Untergattung umgibt. In inhaltlicher Hinsicht haben Delanys Texte, trotz aller Unterschiede, sicher auch einiges mit typischer S&S gemein und ähneln mit ihren ‚realistischen‘ Tendenzen und der weitgehenden Abwesenheit des Fantastischen immer noch stärker Howards oder Leibers Texten als LOTR. Auch der Fokus auf den Konflikt zwischen ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ ist äußerst S&S-typisch, zumal trotz aller Subversion auch bei Delany eine gewisses Maß an Zivilisationskritik vorzuliegen scheint, so etwa, wenn er in „The Tale of Old Venn“ den schädlichen Einfluss der ‚Zivilisation‘ auf das Naturvolk der Rulvyn beschreibt. Es kommt hinzu, dass Delanys Reihe sowohl unter dem Label ‚S&S‘ verfasst, als auch als S&S rezipiert wird. So wählt Delany selbst „Fritz Leiber’s term ‘sword-and-sorcery’“ (Steiner 20), um seine Geschichten zu beschreiben. Sowohl Morrison als auch Okorafor und Tucker bezeichnen die Erzählungen ebenfalls als S&S. Nnedi Okorafor sieht in der Nevèrÿon-Reihe „a direct dialogue with traditional ‘sword- and-sorcery fantasy’“ (183). Tucker trifft ähnliche Beobachtungen und erwähnt, dass

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Delany in seiner Jugend Howard gelesen hat (91). Delany selbst nennt in „Appendix: Closures and Openings“ zudem folgende Einflüsse: „Childhood readings of Robert E. Howard, descriptions by various friends over the years of Leiber’s Faffhrd [sic] and the Gray Mouser, Moore’s Jeryl [sic], Moorcock’s Elric? Finally I suppose, Russ’s Alyx series and the introduction for its initial volume assemblage“ (278). Es mag zu bedenken geben, dass Delany die Namen ‚Fafhrd‘ und ‚Jirel‘ falsch schreibt. Auch kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass Ironie im Spiel ist, wenn er Autoren wie Howard, Leiber oder Moorcock als entscheidende Einflüsse aufzählt. Trotzdem steht fest, dass sowohl Delany selbst als auch die Verfasser von Sekundärtexten die Nevèrÿon-Reihe als S&S betrachten und mit älteren S&S-Texten verbunden sehen. Es spricht somit einiges dafür, Delanys Texte auch für diese Arbeit innerhalb der Untergattung ‚S&S‘, wenn auch an deren Randbereich, zu verorten. Die große Distanz zwischen den Nevèrÿon-Erzählungen und den Werken Howards oder Leibers lässt sich dadurch erklären, dass Delany kaum auf recycling, sondern hauptsächlich auf transfiguration typischer S&S-Elemente zurückgreift. Auch sind Delanys Texte sehr stark von Hybridisierungsprozessen betroffen. Die chimäre „mixture of fantastic fiction, metafiction, and critical theory“ (Tucker 92), die sich zum Ziel setzt, „to subvert the reader’s expectations […] of a ‘sword- and-sorcery’ book“ (Tucker 92), ist als Ergebnis dieser Prozesses zu verstehen. Die Subversionserscheinungen, die in Delanys Texten so stark ausgeprägt sind, haben jedoch keinesfalls mit diesen begonnen. Wie unter 2.4.3 erläutert, war auch Leibers Fiktion bereits zu einem gewissen Grad von Subversions- und Diversifizierungserscheinungen geprägt, deren Ursprung in einer transfiguration des taproot-Materials begründet ist. Es besteht Grund zur Vermutung, dass hier Entwicklungen innerhalb der S&S vorliegen, als deren Anfangspunkt man Howards Conan-Reihe und als deren vorläufigen Endpunkt man Delanys Nevèrÿon-Geschichten betrachten kann, wobei Leibers Lankhmar-Texte eine Art Zwischenstation bilden. Auch deutet sich mit Delanys Werk, welches von Tucker als „the genre equivalent of gender bending“ (92) bezeichnet wird, an, dass S&S über eine enorme Flexibilität verfügt und in der Lage sein kann, diverse und anspruchsvolle Literatur zu produzieren, was womöglich mit ihrer von Anfang an hybriden Natur zusammenhängen könnte. Dies spricht dafür, dass die Nevèrÿon-Reihe, trotz ihrer Entfernung vom Kernbereich von S&S, ein lohnenswertes Untersuchungsobjekt darstellt.

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2.4.5 Weitere Autorinnen und Autoren

Catherine Lucille Moore (1911 – 1987) verfasste in den 30er und 40er Jahren SF- und S&S-Erzählungen für pulp-Magazine wie Weird Tales und war somit nicht nur die erste weibliche S&S-Autorin, sondern auch die erste Schriftstellerin, die in ihrem Werk eindeutig von Howard inspiriert wurde. Ihr bekanntestes SF-Werk ist die Reihe um den Raumpiloten Northwest Smith, welche starke Einflüsse von western fiction aufweist. Ihr Beitrag zu S&S liegt in den Erzählungen um Jirel of Joiry, einer Schwertkämpferin, die relativ typische S&S-Abenteuer zu durchstehen hat und womöglich von Howards Dark Agnes inspiriert wurde. Moores Werke sind bei weitem nicht so stark von transfiguration geprägt wie die Leibers, Delanys oder auch Russ’, doch zeigt sie, dass S&S von Anfang an keine reine Männerdomäne war. Moore als erste, sowie Russ als vergleichsweise späte Autorin von S&S, stellen keine Einzelerscheinungen dar. So war Marion Zimmer Bradley (die als Co-Autorin von Ghor, Kin-Slayer: The Saga of Genseric’s Fifth-Born Son selbst an der Vervollständigung eines von Howard hinterlassenen S&S-Textfragments beteiligt war) bis zu ihrem Tod als Herausgeberin von Sword and Sorceress tätig, einer Reihe von Anthologien, die mittlerweile 28 Bände erreicht hat und S&S-Kurzgeschichten enthält, die zum großen Teil von Frauen verfasst wurden und starke weibliche Protagonistinnen enthalten.71 Solche S&S, in der Frauen mehr als nur damsels in distress sind, widerspricht zwar in gewisser Hinsicht der S&S- Formel, hat aber ihre Vorläufer auch in Texten Howards, wie in Kapitel 3 näher veranschaulich wird. Ein weiterer S&S-Autor, der nach allgemeinem Konsens großen Einfluss auf die Untergattung hatte, ist Michael Moorcock. Mendlesohn und James schätzen seinen Einfluss auf die Entwicklung von S&S, aber auch der gesamten FF, als enorm ein (78 f.). Clute und Grant gilt er als „the most important UK fantasy author of the 1960 and 1970s, and altogether the most significant UK author of SWORD AND SORCERY“ (656), während Stableford hervorhebt, dass Moorcock mit der Elric-Reihe „a sword and sorcery series that helped to revive, revitalize and sophisticate that subgenre“ (285) erschaffen habe. Mathews stellt Moorcock in eine Reihe mit Autoren wie Salman Rushdie und Kurt Vonnegut, die er als „innovative authors affirming and extending the genre’s reach“ (34) bezeichnet.

71 Natürlich ist ein gewisser Teil der Kurzgeschichten, die in Sword and Sorceress veröffentlicht wurden, nach unseren Definitionen in inhaltlicher Hinsicht näher an typischer FF als an typischer S&S, allein schon, da Magie und Fabelwesen häufig eine Rolle spielen.

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Geboren wurde Moorcock im Jahre 1939 in London. Er verbrachte einen Großteil seines Lebens in Großbritannien, bevor er im Jahr 1990 nach Texas auswanderte, wo er bis heute lebt. Moorcock gilt, wie bereits erwähnt, als einer der wichtigsten Vertreter der britischen New Wave of Science Fiction (Mendlesohn und James 78), die darauf abzielte, literarisch anspruchsvollere und dafür mitunter weniger an der Wissenschaft orientierte SF zu produzieren, so etwa Moorcocks (1969). Hierbei handelt es sich um einen religionskritischen Roman, dessen Protagonist in die Zeit Jesu Christi zurückreist, um dort desillusioniert festzustellen, dass keine der Figuren des Neuen Testaments den biblischen Überlieferungen entspricht. Am Ende wird er selbst an Jesu Stelle ans Kreuz genagelt. Technische Details der Zeitreise werden jedoch zu keinem Zeitpunkt auch nur angeschnitten. Viele Werke Moorcocks greifen auf FF- bzw. SF-Elemente zurück, sind aber kaum eindeutig zu klassifizieren, wie etwa die Jerry-Cornelius-Reihe oder der Roman , or The Unfulfill’d Queen (1978), welcher in einer ans England des 16. Jahrhunderts angelehnten Parallelwelt spielt. Moorcock hat nicht nur durch seine Fiktion auf sich aufmerksam gemacht, sondern auch durch das Verfassen äußerst bissiger Kritiken, allen voran die polemischen Artikel „Starship Stormtroopers“ und „Epic Pooh“, die sich gegen konservative (von ihm häufig als ‚faschistisch‘ bezeichnete) Tendenzen innerhalb der SF- und FF-Literatur wenden, wobei LOTR eines seiner Hauptziele darstellt. Neben seiner Tätigkeit als Autor war Moorcock auch als Herausgeber des britischen SF- Magazin New Worlds, sowie als Musiker in der Band Hawkwind aktiv. Im Bereich S&S hat Moorcock u.a. die Reihen um Corum, Hawkmoon, Erekosë und Elric verfasst. Die letztgenannte Reihe ist die mit Abstand bekannteste und einflussreichste und wurde bereits in mehreren Zitaten in einem Zug mit Howards Conan sowie Leibers Fafhrd und Gray Mouser genannt, weshalb ich mich im Folgenden auf diese konzentrieren möchte. Im Gegensatz zu den Texten Howards oder Delanys spielt Moorcocks Elric-Reihe nicht auf einer vermeintlich vorgeschichtlichen Erde.72 Äußerst S&S-untypisch ist zudem die wichtige Rolle des Fantastischen. Magie existiert nicht nur, sondern der Titelcharakter ist sogar äußerst begabt darin, diese anzuwenden. Zudem treten Gottheiten regelmäßig in Erscheinung, und es existieren Fabelwesen wie Drachen, welche, anders als bei Delany, eine äußerst mächtige Waffe darstellen. Elric

72 Am Ende von wird zwar angedeutet, dass Elrics Welt sich nach ihrem Untergang in unsere weiterentwickelt, doch dies geschieht durch eine völlige Umformung der Welt durch kosmische Kräfte. Direkte Bezüge zwischen der Welt Elrics und unserer Erdvergangenheit bestehen keine, abgesehen davon, dass sie in Moorcocks Texten (auch außerhalb von S&S) als Parallelrealitäten innerhalb eines Multiverse existieren.

104 selbst ist kein Mensch, sondern Angehöriger einer Elder Race, die im Gegensatz zu Tolkiens Elben jedoch bösartiger Natur ist. Im Gegensatz zu Conan, Fafhrd oder selbst dem Gray Mouser, ist Elric ein körperlicher Schwächling, der seine Kampfkraft allein dem magischen Schwert Stormbringer zu verdanken hat. Hier zeigt sich bereits, wie Moorcock mit Gattungskonventionen der S&S spielt oder diese sogar komplett invertiert, etwa, was die körperlichen Kräfte des Protagonisten oder dessen Haltung zur Magie betrifft. S&S-typische, ‚realistische‘ Tendenzen sind bei Moorcock allenfalls hinsichtlich der Gewaltdarstellung, der teils amoralischen Haltung Elrics, sowie der Tatsache, dass die Welt (mit wenigen Ausnahmen wie Elric selbst) zum großen Teil von Menschen bevölkert ist, zu finden. Bezüglich ihrer Struktur sind auch die Elric-Erzählungen S&S-typisch episodenhaft aufgebaut und teilweise in Kurzprosa verfasst, wobei sich kein roter Faden in Form einer quest durch die einzelnen Episoden zieht, sondern Elric von einem Abenteuer ins nächste stürzt.73 Für S&S ungewöhnlich ist die Rolle, die das Schicksal in der Elric-Reihe spielt. Als eine Inkarnation des Eternal Champion ist der Titelheld gezwungen, sein Leben lang, oft gegen seinen Willen, für die (als größtenteils ‚gut‘ beschriebenen) Kräfte von Law gegen die Mächte des Chaos anzukämpfen. Im Gegensatz zu Howards oder Leibers Helden ist er also nicht seines eigenen Schicksals Schmied. Trotzdem gleicht er ebenso wenig Aragorn, der ein nobles Schicksal zu erfüllen hat. Hier liegt eine Subversion sowohl der Konventionen von S&S als auch derer von FF vor. Hinsichtlich ihrer Wirkung zielt die Elric-Reihe häufig auf Schauereffekte ab. Moorcock greift beispielsweise typische Motive der horror fiction auf, wenn ein Verräter in Elric of Melniboné dazu gezwungen werden soll, einen Mitverschwörer zu verspeisen (73), oder wenn Elric in Stormbringer herausfindet, dass seine Geliebte in eine abscheuliche Kreatur verwandelt wurde (171). Ähnlich wie bei Leiber, spielen auch in Moorcocks Werk Ironie und Parodie eine Rolle. Darin, dass Moorcock sein Multiverse mit Dutzenden Inkarnationen des Eternal Champion bevölkert, die am liebsten aus ihrer Rolle ausbrechen würden, sieht die Encyclopedia of Fantasy „an ironist’s trick on his creation“ (657). Moorcocks verschiedene S&S-Reihen um Eternal Champions wie Elric oder Corum werden verglichen mit „COMMEDIA DELL’ARTE skits devoted not to love but to the joke of heroism“ (657). Der Eternal Champion lässt

73 Seitens verschiedener Verlage (und Michael Moorcock selbst) gab es Bemühungen, die Elric-Texte in eine chronologische Reihenfolge zu bringen und in eine Saga in Romanform umzuwandeln.

105 sich als Parodie des monomyth, Elric im Speziellen als gezielte Parodie Conans betrachten (Clute und Grant 657, Mendlesohn und James 79).74 Moorcocks Ironisierung und Parodisierung fallen somit wesentlich bitterer und düsterer aus als die Leibers. Neben der Commedia dell’arte lassen sich die philosophische Strömung des Existentialismus sowie das Theater Bertolt Brechts als Einflüsse auf die Elric-Reihe anführen.75 Moorcocks S&S erweist sich somit als stark von transfiguration sowie von Hybridisierung bzw. Chimärisierung geprägt. Zu einem gewissen Grad ist es überraschend, dass seine Texte überhaupt als zentral für S&S gelten, da sie hinsichtlich ihres Inhaltes verhältnismäßig weit vom Kernbereich dieser Untergattung entfernt sind. Die Subversions- und Auflösungserscheinungen, die sich bei Moorcock vorfinden, sind ähnlich stark ausgeprägt wie die bei Leiber, gehen jedoch nicht so weit wie bei Delany. Betrachtet man S&S als eine Untergattung, die von ihrem Ausgangspunkt bei Howard bis zu ihrem vorläufigen Endpunkt bei Delany bestimmte Entwicklungen durchlaufen hat, so befinden sich die Texte Leibers und Moorcocks auf etwa derselben Entwicklungsstufe. Daher macht es Sinn, in Kapitel 3 nur einen der beiden Autoren genauer zu untersuchen, wobei die Wahl auf Leiber fällt, da dessen Texte als typischer für S&S zu betrachten sind. Die amerikanische Feministin Joanna Russ (1937 – 2011) ist eine weitere Autorin, die für S&S von Bedeutung ist. Am bekanntesten ist sie wohl für ihren feministischen SF-Roman The Female Man (1975), sowie verschiedene, teils preisgekrönte SF-Kurzgeschichten wie „When It Changed“ (1972) oder „The Extraordinary Voyages of Amélie Bertrand“ (1979). Ebenfalls war sie mit Werken wie How to Suppress Women’s Writing (1983) als Literaturkritikerin und -theoretikerin aktiv. Im Bereich von S&S war sie mit ihrer Alyx-Reihe tätig. Diese besteht aus fünf zwischen 1967 und 1970 erschienenen Erzählungen, bis auf eine Ausnahme allesamt Kurzgeschichten. Bei den ersten drei Texten handelt es sich um relativ typische S&S, die stark an Leiber erinnert, nicht nur aufgrund der Tatsache, dass Alyx eine Affäre mit Fafhrd erwähnt (und im Gegenzug auch in Leibers Erzählungen um Fafhrd und den

74 Ein weiteres Ziel für Parodisierung und Subversion seitens Moorcock stellt zweifellos Tolkiens LOTR dar (Mendlesohn und James 78, Kaveney 216, Clute und Grant 658). 75 Richard Rayner kommt in einer Online-Kritik der LA Times zum Schluss, Elric sei „[a] cross between Conan and Camus“. Moorcock selbst nennt Brecht in der Widmung der DAW-Ausgabe von Elric of Melniboné als einen seiner wichtigsten Einflüsse.

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Gray Mouser wiederholt auftritt)76. Die vierte Erzählung, „Picnic on Paradise“ ist stark SF-lastig, da das Element der Zeitreise eingeführt wird. Die letzte Geschichte, „The Second Inquisition“, handelt hingegen in unserer Gegenwart und erzählt von den Problemen einer jungen Frau, wobei gegen Ende angedeutet wird, dass diese Frau die Autorin der Alyx-Erzählungen ist. Clute und Nicholls beschreiben den feministischen Charakter der Alyx-Reihe folgendermaßen: „Much of the initial impact of the sequence lies in its use of Alyx in situations where she acts as a fully responsible agent, vigorously engaged in the circumstances surrounding her, but without any finger-pointing on the author’s part to the effect that one would only pretend not to notice that she is not a man“ (1035). Alyx habe vielen späteren Autoren und Autorinnen geholfen, unverkrampfter mit weiblichen Abenteuerinnen umzugehen (1035). Ähnlich wie bei Delany, wird auch bei Russ die Erzählung an sich thematisiert:

In a number of her adventures Alyx critiques the narrative structure to explain why it is patriarchal nonsense (although she never uses this term). Reading these stories, one is continually unnerved by Alyx’s casual reactions to matters of honour and glory: all the things that matter in fantasy seem a bit silly and childish to Alyx. (Mendlesohn und James 104)

Hier spielt Russ nicht nur mit Lesererwartungen, sondern dekonstruiert bestimmte Gattungskonventionen regelrecht. Insgesamt treibt Russ die Subversion und Dekonstruktion der Untergattung jedoch nicht so weit voran wie Delany. Zudem handelt es sich bei ihrer Alyx-Reihe um relativ wenige und kurze Texte, wobei die letzten beiden Erzählungen noch weniger S&S-Charakter haben als die Delanys. Angesichts der nötigen Beschränkung auf einige wenige Autoren, wird eine intensivere Beschäftigung mit Russ’ Erzählungen hier nicht stattfinden. Sie stellen aber sicher einen interessanten Forschungsgegenstand für weitere Arbeiten dar. Charles Saunders (*1946) war der erste afroamerikanische Autor von S&S. Seine Imaro-Reihe umfasst mehrere Kurzgeschichten, die Saunders in den 70ern verfasste und die 1981 zu einem Roman, Imaro, zusammengefasst wurden. Mitte der 80er kamen zwei Fortsetzungsromane hinzu, doch der vierte und bislang letzte Teil der

76 Alyx hat Gastauftritte in „The Two Best Thieves in Lankhmar“ und „Under the Thumbs of the Gods“.

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Serie erschien erst im Jahr 2009. Imaro selbst ähnelt einem dunkelhäutigen Conan, der seine Abenteuer in einem fiktiven, stark an Afrika angelehnten Kontinent namens Nyumbani erlebt. Was Inhalt und Struktur betrifft, sind Saunders’ Erzählungen insgesamt recht S&S-typisch. Karl Edward Wagner (1945 – 1994) ist derjenige Autor, der mit Kane den vielleicht bekanntesten S&S-Charakter hinter Howards Conan, Leibers Fafhrd und Gray Mouser sowie Moorcocks Elric erschaffen hat. Neben S&S verfasste Wagner zahlreiche Werke der horror fiction sowie Gedichte, und betätigte sich als Herausgeber von Anthologien im Bereich S&S und horror fiction. Die Kane-Reihe besteht zum Teil aus Kurzprosa, enthält aber auch zwei Romane. Beim Titelcharakter handelt es sich um den biblischen Kain, der nach der Ermordung Abels von Gott aus dem Paradies verstoßen wurde und nun als Unsterblicher eine Welt durchwandert, die eine Sekundärwelt ohne erkennbaren Zusammenhang zu unserer irdischen Vorgeschichte darstellt. Kane trägt, noch viel stärker als Conan, amoralische Züge. Wird bei Howard nur angedeutet, dass Conan im Laufe seines Lebens auch Bluttaten vollbracht hat, und werden Fafhrd und der Mouser bei Leiber trotz aller Missetaten noch als eher liebenswerte Schurken dargestellt, so besteht bei Kane kein Zweifel, dass er ein eiskalter Killer ist. Einige der Kurzgeschichten, sowie Teile des Romans Dark Crusade sind sogar aus der Perspektive von Gegenspielern Kanes geschrieben. In „Undertow“ zeigt sich besonders deutlich, wie Wagner die S&S-Formel subvertiert, denn Kane, der hier über starke magische Kräfte verfügt, hält eine junge Frau gegen ihren Willen gefangen und wird von einem blonden, muskulösen ‚Barbaren‘, der ein magisches Schwert führt, konfrontiert – eine Begebenheit, die mit dem Tode des ‚Barbaren‘ endet. Auch wenn Wagners Erzählungen nicht ganz die Popularität und den Einfluss von Leibers Texten besitzen, so zeugen sie doch von einem geschickten Spiel mit Gattungskonventionen und Lesererwartungen, welches Gary Hoppenstand in „Postmodern Pulp: Karl Edward Wagner’s ‘Sign of the Salamander’“ als „postmodern reworking of the Howard Conan formula“ (62) bezeichnet. Die Werke des Briten David Gemmell (1948 – 2006) haben es zu extremer Popularität gebracht (Clute und Grant 393), und mit seinem Debutwerk Legend (1984) hat er sogar einen der meistverkauften FF-Romane aller Zeiten verfasst (Mendlesohn und James 130). Der Umfang von Gemmells Werk ist beachtlich. Neben verschiedenen Reihen und standalone-Romanen, die sich der S&S zurechnen lassen oder dieser Untergattung zumindest nahestehen, hat er auch mehrere in der Antike angesiedelte

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Werke der historical fantasy sowie die postapokalyptische Jon-Shannow-Reihe verfasst. In Gemmells verschiedenen Romanen spielt Magie eine unterschiedlich große Rolle, in der Drenai-Saga, der auch Legend angehört, nimmt sie jedoch eine eher untergeordnete Stellung ein. Auch ist die mittelalterlich anmutende Welt der Drenai-Saga nur von Menschen bevölkert, obgleich sie in keiner fiktiven Erdvergangenheit angesiedelt ist. Elben, Zwerge oder Fabelwesen sucht man, zumindest in der Alltagswelt, vergeblich. Stattdessen finden sich Völker, die gewisse Ähnlichkeiten mit Völkern der irdischen Vergangenheit aufweisen. So stehen den europäisch anmutenden Drenai in Legend die Truppen der Nadir gegenüber, die an mongolische Horden erinnern. Untypisch für S&S ist jedoch die Tatsache, dass trotz der weitgehenden Abwesenheit von Magie höhere Mächte eine Rolle spielen, insbesondere in Form von Prophezeiungen. So erfüllt Druss, die Hauptfigur in Legend, sein Schicksal, indem er eine Festung gegen die Nadir hält und dabei den Tod findet. Auch spielen Moral und Ethik für Gemmells Helden eine wichtige Rolle, ganz anders als für typische S&S- Recken. Der Stellenwert, der höheren Mächte und moralischer Integrität bei Gemmell zukommt, lässt sich womöglich auf dessen Religiosität zurückführen, die sich in seinen Werken wiederspiegelt. Mendlesohn und James nennen ihn „a religious writer, whose books were structured around issues of loyalty, honour and redemption even for the most evil“ (130). Gemmells Erzählungen sind somit sicher nicht im absoluten Kernbereich von S&S anzusiedeln. Sie liefern aber ein Indiz dafür, dass es auch nach Leiber, Moorcock, Russ und Delany noch möglich ist, erfolgreich weniger subversive S&S zu verfassen.

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3. Die Weltentwürfe in den Erzählungen von Howard, Leiber und Delany

3.1 Gesellschaftliche Strukturen und politische Ideologien

3.1.1 Robert E. Howard

3.1.1.1 Weltbild und Geschichtsverständnis

Bevor die Darstellung konkreter Gesellschaftsmodelle bei Howard analysiert wird, sollen zunächst Weltbild und Geschichtsverständnis erläutert werden, die seiner Literatur zugrunde liegen. Als Schauplatz für seine S&S-Erzählungen entwarf Robert E. Howard eine fiktive Vergangenheit, deren groben Ablauf er in „The Hyborian Age“ niederschrieb. Diese Geschichte setzt vor etwa 100.000 Jahren ein, im sogenannten Thurian Age, in dem sein Charakter Kull lebt und in dem legendäre Länder wie Atlantis oder Lemuria existieren. Nach einem Kataklysmus, also einer erdgeschichtlichen Katastrophe, die Atlantis im Meer versinken lässt, die degenerierten ‚zivilisierten‘ Völker in die Steinzeit zurückwirft und das Antlitz der Welt grundlegend verändert, folgt gemäß Howards Aufsatz das namensgebende Hyborian Age, das Zeitalter Conans, das einige zehntausend Jahre vor unserer Zeitrechnung anzusiedeln ist. Dieses Zeitalter findet ein Ende, als die abermals dekadent gewordenen ‚zivilisierten‘ Königreiche von ‚Barbarenstämmen‘ überrannt werden und ein erneuter Kataklysmus einsetzt, der den Kontinenten ihre heutige Form gibt. Hier knüpft Howards fiktive Vorgeschichte an die bekannte Weltgeschichte an, und er beschreibt ausführlich, wie sich fiktive bzw. mythische Völker zu tatsächlich existierenden Volksstämmen entwickeln (381 ff.). Alle von Howard als Schauplatz seiner S&S-Erzählungen verwendeten Zeitalter haben gemeinsam, dass in ihnen ‚zivilisierte‘ Königreiche neben von ‚Barbaren‘ bewohnten Ländern existieren. Sowohl das Hyborian Age als auch das Thurian Age finden ihr Ende, als die dekadent gewordene ‚Zivilisation‘ von ‚Barbarenhorden‘ überrannt wird. Im Anschluss sorgt jeweils eine erdgeschichtliche Katastrophe für die Herstellung eines neuen Urzustandes und damit den Beginn eines neuen Zyklus, in dem sich erneut Völker in die ‚Zivilisation‘ erheben, um nach einer Blütezeit ebenfalls der Dekadenz zu verfallen und ausgelöscht zu werden oder in die ‚Barbarei‘ zurückzufallen. Lauric Guillaud spricht hier von einer „circularity in the narrative“ (83), die sich in zahlreichen Werken Howards manifestiert. Kull, ‚Barbar‘ und Held des Thurian Age,

110 der sich, wie später Conan, zum Herrscher über ein ‚zivilisiertes‘ Königreich aufschwingt, blickt in „The Mirrors of Tuzun Thune“ in einen magischen Spiegel, der ihm den Gang der Geschichte zeigt. Der Magier Tuzun Thune kommentiert dies mit den Worten: „The Wheel turns and nations rise and fall; the world changes, and times return to savagery to rise again through the long ages“ (58). Guillaud zitiert diese Passage und erkennt „a typically Howardian concept of history“ (82). Die Vorherbestimmtheit des Schicksals einer jeden ‚Zivilisation‘ findet sich in zahlreichen weiteren Werken, so zum Beispiel in „The Cat and the Skull“, als es Kull auf der Suche nach einem verschollenen Freund in ein unterirdisches Königreich verschlägt, dessen Herrscher den ‚Barbaren‘ als „the first wave of savagery which shall overwhelm the world ere it recedes“ (108) bezeichnet. In „The Children of the Night“ beschreibt ein Forscher nach einer Art Rückführung in eine frühere Inkarnation als proto-germanischer Recke die Geschichte historischer Völker auf ähnliche Weise:77

„Look – is not the whole history of the Sons of Aryan laid on those lines? Look – how swiftly has Persian followed Mede; Greek, Persian; Roman, Greek; and German, Roman. Aye, and the Norseman followed the Germanic tribes when they had grown flabby from a century or so of peace and idleness, and despoiled the spoils they had taken in the southland.“ (230)

Mark Finn ist der Meinung, Howard habe an diesen Stellen seine persönliche Sicht der Weltgeschichte in seine Fiktion einfließen lassen. Als Beweis führt er einen Brief an Tevis Clyde Smith aus dem Jahr 1923 an, in dem Howard über vergangene Großreiche schreibt:

Rome spread her empire across the world. Then she became dissolute, debauched and – the barbarians drove in. The tribesmen of Genseric, of Attila, of Alaric, raided, looted, in the very streets of Rome. Cathay was the mightiest nation of Asia. Then she forgot her skill in war for debauchery – and the Mongols swarmed across the Great Wall and Genghis Khan rode his horse into the palace of the emperor. The nations of Central Asia had become effeminate and rich and proud. The

77 ‚Sozialdarwinistische‘ und rassistische Implikationen dieses Zitats behandle ich zu einem späteren Zeitpunkt.

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Tatars came up from the northern steppes and Tamerlane built his mighty empire over their ruins. [...] When a nation forgets her skill at war, when the whole nation becomes a nation of money-grabbers, then the wild tribes, the barbarians, drive in... (zitiert nach Finn 78)

Finn beschreibt Howards persönliches Geschichtsbild als „the notion that a given civilization battled its way to a cultural pinnacle, and then backslid into moral decay and degeneracy, just in time to be conquered by another group of people on the upswing“ (78). Bei aller Vorsicht, die es im Umgang mit der persönlichen Meinung eines Autors in einer wissenschaftlichen Arbeit zu wahren gilt, trifft Finns nächster Satz in jedem Fall zu: „This is one of the most frequently recurring plots in Robert E. Howard’s canon, one that appeared in every kind of story and genre in which Robert wrote“ (78). Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass das in Howards Fiktion dargestellte Weltbild eng mit den persönlichen Ansichten des Autors in Verbindung steht. Howards Geschichtsbild scheint stark beeinflusst durch Edward Gibbon, der in seinem äußerst einflussreichen Geschichtswerk The History of the Decline and Fall of the Roman Empire die Ansicht vertritt, das römische Reich sei im Laufe der Zeit dekadent und verweichlicht geworden und habe so den kraftvolleren ‚Barbarenvölkern‘ erlaubt, erfolgreiche Invasionen durchzuführen. Überraschenderweise finden sich in der Briefkorrespondenz Howards Hinweise darauf, dass er auf „Gibbons [sic], than whom no more despisable pseudo-chronicler ever lived,“ („To Harold Preece“, ca. Feb. 1930 19) nicht gut zu sprechen war. Howards Unmut scheint sich aber speziell auf Aussagen Gibbons zu beziehen, die mit dem Ursprung des irischen Volkes zu tun haben – ein Thema, bei dem Howard, der auf seine irische Abstammung sehr stolz war, offenbar empfindlich und emotional reagierte („To Harold Preece“, ca. Feb. 1930 18 f.). Hinsichtlich seines Geschichtsverständnisses wurde Howard hingegen von Gibbon beeinfluss. Der Schreibfehler in Gibbons Namen mag darauf hindeuten, dass Howard mit dessen Hauptwerk nicht oder kaum vertraut war. Mit Sicherheit aber hat eine gewisse Beeinflussung über andere Autoren, die von Gibbons Werk fasziniert waren, wie etwa Rudyard Kipling und Edgar Rice Burroughs78, stattgefunden.

78 Kiplings Beschäftigung mit Gibbon spiegelt sich sowohl in Kurzgeschichten wie „A Centurion of the Thirtieth“ oder „On the Great Wall“, als auch in Gedichten wie „Recessional“ wieder, wobei er eindeutige Parallelen zwischen dem römischen Reich und dem Britischen Empire zieht. Burroughs verfasste mit I am a Barbarian einen zivilisationskritischen Roman aus der Perspektive eines in Rom lebenden britannischen Sklaven.

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Ein weiterer Historiker, dessen Werke in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts große Beachtung fanden, war der Deutsche Oswald Spengler. In Der Untergang des Abendlandes kommt dieser im Rahmen einer morphologischen Geschichtsbetrachtung zu dem Schluss, dass Kulturen lebenden Organismen gleichen. Laut Spengler durchlaufen alle ‚Hochkulturen‘ ähnliche Phasen von Aufstieg, Höhepunkt und Niedergang und weisen nur eine bestimmte Lebenserwartung auf. Es ist nicht bekannt, ob Howard Spengler gelesen hat, doch bestehen zumindest Parallelen zwischen den Geschichtsbildern beider Männer. Die Werke Gibbons und Spenglers waren zu Howards Zeiten zweifelsfrei besonders populär, da sie dem Zeitgeist entsprachen. Die Vorstellung eines baldigen Zusammenbruchs der als dekadent wahrgenommenen westlichen ‚Zivilisationen‘ war angesichts der traumatischen Erfahrung des Ersten Weltkrieges weit verbreitet.79 Auch die Große Depression sowie der Aufstieg von Kommunisten und Faschisten trugen zu einem entsprechenden Klima bei. Gibbons Theorien zum Fall Roms, sowie deren Übertragung auf spätere ‚Zivilisationen‘, schienen noch lange eine weithin akzeptierte Lehrmeinung darzustellen, wie aus dem immensen Erfolg von Arnold J. Toynbees A Study of History hervorgeht. In diesem von 1934 bis 1961 verfassten monumentalen Geschichtswerk entwirft Toynbee ein Modell, das die einzelnen Phasen erläutert, die jede ‚Zivilisation‘ durchläuft, vom Aufstieg bis zum Zerfall.80

79 Max Scheler schreibt in „Die Deutsche Philosophie der Gegenwart“ über die Rezeption Spenglers in Deutschland: „Die ungeheure Wirkung dieses Buches und der aufregende Neuheitseindruck, mit dem es entgegengenommen wurde, ist psychologisch nur aus der Niederlage Deutschlands im Kriege zu verstehen“. Der Erste Weltkrieg war jedoch sicher auch für Menschen aus Ländern, die der siegreichen Entente angehörten, ein äußerst umwälzendes und mitunter traumatisches Ereignis, infolgedessen ein Untergang des Abendlandes plötzlich weniger abwegig erschien. 80 Zyklische Geschichtsbilder, wie sie Spengler und Toynbee vertreten, entsprechen einem Konzept, das Lovejoy und Boas als Theory of Undulation bezeichnen:

It may be supposed that, if any considerable periods of history are taken, there is no material difference between them in the amount of good that exists. The movement of history with respect to the realization of value is like the undulation of the sea. […] This theory sometimes takes the form, in later times, of the conception of a succession of empires or civilizations, each of which goes through a rise, decline, and fall, after the analogy of the life-history of an individual. (2)

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3.1.1.2 ‚Barbarei‘, ‚Zivilisation‘ und die perfekte Gesellschaft

Der Status eines ‚Barbaren‘ scheint sich bei Howard unter anderem über dessen Zugehörigkeit zu einem Volk zu definieren, das jenseits der Grenzen der ‚Zivilisation‘ beheimatet ist. Der Status eines ‚zivilisierten‘ Menschen kann nicht erworben werden, denn die Bezeichnung ‚Barbar‘ und die damit verbundenen Eigenschaften und Fähigkeiten bleiben Kull und Conan auch nach Jahren als Herrscher über ein ‚zivilisiertes‘ Reich erhalten. Ebenso wenig ist ein ‚zivilisierter‘ Mensch bei Howard in der Lage, zum ‚Barbaren‘ zu werden. Dies geht aus der Beschreibung hervor, die Howard zu einer Gruppe von besonders abgehärteten Kämpfern des ‚zivilisierten‘ Aquiloniens in „Beyond the Black River“ liefert:

They were wild men, of a sort, yet there was a wide gulf between them and the Cimmerian. They were sons of civilization, reverted to a semi- barbarism. He was a barbarian of a thousand generation of barbarians. They had acquired stealth and craft, but he had been born to these things. He excelled them even in lithe economy of motion. They were wolves, but he was a tiger. (59)

Der Status eines ‚Barbaren‘ oder eines ‚zivilisierten‘ Menschen ist bei Howard also allein durch seine Geburt bestimmt, wobei die beiden damit verbundenen Lebensformen in strenger Opposition zu einander stehen. Niemand kann gleichzeitig ‚Barbar‘ und ‚zivilisiert‘ sein. Es handelt sich bei ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘, wie sie in Howards Werk dargestellt werden, um eine Dichotomie, also zwei Begriffe, die einander ausschließen und gegenüberstehen. Die ‚Barbaren‘, die Howard in seiner S&S als Protagonisten dienen, allen voran der Atlanter Kull und der Cimmerier Conan, zeichnen sich neben ihrer beinahe übermenschlichen Kraft durch eine enge Verbundenheit mit der ‚Natur‘ aus. In nahezu jeder Geschichte werden die körperlichen Attribute des Helden mit denen eines Raubtieres verglichen, so wird etwa Kull in „The Shadow Kingdom“ als „tigerish Barbarian“ (21) beschrieben und ihm „the quick, noiseless tread of a lion“ (18) bescheinigt. Passenderweise ist der Tiger auch Kulls Totem, während Conan als König von Aquilonien den Löwen in seinem Banner führt. Dementsprechend fühlen Howards ‚Barbaren‘ sich den wilden Tieren verbunden, auf die sie während ihrer Reisen stoßen.

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In „Red Nails“ wird erklärt, dass Conan „a kinship with all wild things, even dragons“ (222) fühlt, und ebenso heißt es in „Beyond the Black River“ in Bezug auf einen verwilderten Hund, der den ‚Barbaren‘ begleitet: „There was a kinship between [Conan] and the great gaunt brute that glided beside him“ (98). Howards ‚Barbaren‘ zeichnet zudem eine besondere ‚Männlichkeit‘ aus, die sie für Frauen attraktiv macht, wie aus Conans unzähligen Liebschaften hervorgeht, aber auch aus Passagen in anderen Werken. In „Worms of the Earth“ trifft beispielsweise der Pikte Bran Mak Morn als Spion in einer römischen Stadt auf „white-bosomed Roman women, who, sated with civilized lovers, looked with something more than favor on a virile barbarian“ („Worms of the Earth“ 95). Die ‚zivilisierten‘ Königreiche Howards besitzen die Möglichkeit, sich zu prächtigen Imperien emporzuschwingen, wie zum Beispiel Kulls Valusien oder Conans Aquilonien, sind jedoch durch das bereits erläuterte Geschichtsbild dazu verdammt, der Dekadenz und Degeneration anheim zu fallen. Ihre Einwohner stellen in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil des von Kull oder Conan verkörperten kraftvollen und naturverbundenen Menschen dar. Howards ‚Barbaren‘ sind ‚zivilisierten‘ Menschen körperlich prinzipiell überlegen. So erfahren wir etwa über den keltischen Helden Turlogh Dubh O’Brien in „The Dark Man“: „he could out-tire a horse, running all day long beside it. He had never wearied at swimming. [...] [H]is ruggedness was such as can not be conceived by a civilized man“ (137). Ähnliche Eigenschaften treffen auf das ‚Barbaren‘-Heer zu, mit dem der Krieger Hialmar in „Marchers of Valhalla“ zu Zeiten des Hyborian Age aus dem heutigen Skandinavien bis in die Neue Welt zieht. James Allison, eine im modernen Texas lebende Reinkarnation Hialmars, berichtet von dem damaligen Heerzug: „We were all mighty men – giants beyond the comprehension of moderners. There is not on earth today a man as strong as the weakest of our band, and our mighty thews were tuned to a blinding speed that would make the motions of finely- trained modern athletes seem stodgy and clumsy and slow“ (82). Im Folgenden besiegen Hialmars nordische ‚Barbaren‘ mit Leichtigkeit die zahlenmäßig dreifach überlegene Streitmacht eines ‚zivilisierten‘ Volkes, wobei Allison den Ausgang der Schlacht folgendermaßen kommentiert: „Who said the ordered discipline of a degenerate civilization can match the sheer ferocity of barbarism?“ (84). Am deutlichsten wird die physische Überlegenheit des ‚Barbaren‘ jedoch bei einer Betrachtung Conans, etwa in seinem Duell mit dem Freibeuter Zaporavo in „The Pool of the Black One“:

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Zaporavo was the veteran of a thousand fights by sea and by land. There was no man in the world more deeply and thoroughly versed than he in the lore of swordcraft. But he had never been pitted against a blade wielded by thews bred in the wild the borders of civilization. Against his fighting-craft was matched blinding speed and strength impossible to a civilized man. Conan’s manner of fighting was unorthodox, but instinctive and natural as that of a timber wolf. The intricacies of the sword were as useless against his primitive fury as a human boxer’s skill against the onslaughts of a panther. (259)

Obwohl Zaporavo der beste Schwertkämpfer ist, denn die ‚zivilisierte‘ Welt zu bieten hat, tötet Conan ihn ohne Schwierigkeiten, „with one of those volcanic barbaric sword- thrusts that overcome in an instant all of civilization’s swordsmanship“ („Howard’s Fantasy“ 11), wie es Fritz Leiber nicht ganz ohne Ironie formuliert. Howards ‚barbarische‘ Helden sind im Zweikampf von ‚zivilisierten‘ Menschen schlichtweg nicht zu besiegen. Die Tatsache, dass es mit Kull und Conan zwei von ihnen gelingt, sich die Herrschaft über ein ‚zivilisiertes‘ Königreich zu erkämpfen, verdeutlicht noch die physische Überlegenheit des ‚Barbaren‘. Die in Howards Werken dargestellten ‚Zivilisationen‘ zeichnen sich jedoch nicht nur durch körperliche Unterlegenheit ihrer Einwohner aus, sondern sind auch von Grund auf korrupt. Dies muss Conan mehrmals feststellen, beispielsweise als er sich in „The God in the Bowl“ mit einem unfairen Rechtssystem auseinandersetzen muss. In dieser Erzählung wird ein junger Conan im Hause eines reichen Geschäftsmanns eines Mordes beschuldigt, den er nicht begangen hat, und muss sich vor den Vertretern des Gesetzes rechtfertigen. Mark Finn beschreibt die Geschichte als „Conan’s introduction to Civilization [...]. The city guards are crooked, everyone’s on the take, and Conan is the only honorable, if not honest, man in the room. [...] ‘The God in the Bowl’ [...] strives to point out that Conan is far more decent a person than the rest of the civilized men who sit in judgement of his abject barbarism“ (170). Ähnlich verhält es sich in „Queen of the Black Coast“, wo Conan deshalb mit dem Gesetz in Konflikt gerät, da er sich weigert, vor einem korrupten Gericht gegen einen befreundeten Soldaten auszusagen (123). In Kulls Abenteuer „The Shadow Kingdom“ ist der atlantische Barbar bereits König des ‚zivilisierten‘ Valusiens, doch auch ihn erwarten in der

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‚Zivilisation‘ noch böse Überraschungen. Der Held erkennt, dass es sich bei seinen königlichen Beratern in Wirklichkeit um verkleidete serpent men handelt, die die ‚zivilisierte‘ Welt durchdrungen haben und die wahre Macht im Königreich ausüben. Mark Finn interpretiert diese Geschichte als Parabel auf die Korruption, die Howard mit ‚Zivilisation‘ und Bürokratie in Verbindung bringe (200). Dasselbe Thema greift Howard später in The Vultures of Wahpeton erneut auf. Es handelt sich hierbei nicht um eine S&S-Erzählung, sondern um die Geschichte des Revolverhelden Corcoran, dem aufgrund seiner texanischen Herkunft ähnliche Eigenschaften zugeschrieben werden wie Howards vorzeitlichen ‚Barbaren‘, und der als „a man bred on the frontier“ allen „saloon-bred gunmen“ (The Vultures of Wahpeton 21) überlegen ist. Corcoran wird vom Sheriff einer von Kriminalität heimgesuchten Stadt angeheuert, um für Recht und Ordnung zu sorgen, wobei sich allerdings herausstellt, dass der Sheriff selbst Anführer der örtlichen Verbrecherbande, der Vultures ist. Wiederholt wird in The Vultures of Wahpeton deutlich, dass Corcoran, im Gegensatz zu den intriganten und korrupten Gesetzeshütern, weder einen Unbewaffneten erschießen, noch sein Wort brechen oder einer Frau Leid zufügen würde. Begründet wird dies durch einen moralischen Ehrenkodex: „The men of the West lived by their own code“ (22). Der genaue Gegenpol zu Corcoran findet sich im Sheriff, der die weibliche Protagonistin Glory am Ende der Erzählung kaltblütig erschießt – eine Tat, die Corcoran nicht begreifen kann, denn „[h]e came from a country where not even the worst of scoundrels would ever dream of hurting a woman“ (30). Genau wie Kulls Atlantis verfügt die Gesellschaft, der Corcoran entstammt, über höhere moralische Standards als die der ‚zivilisierteren‘ Bundesstaaten. Im schurkischen Verhalten der vermeintlichen Gesetzeshüter erkennt Mark Finn einen Zusammenhang zur persönlichen Weltsicht Howards, der in privater Korrespondenz von „maggots of corruption“ (188) gesprochen habe, die überall in der ‚Zivilisation‘ anzutreffen seien, und seinem Ärger gegenüber „vandals that parade under the cloak of law“ (170) Luft gemacht habe. Ein weiteres Motiv, das bei Howard fest mit dem Begriff der ‚Zivilisation‘ verbunden ist, ist der Verfall, sowohl physischer als auch moralischer Natur. Als Symbol dieses Verfalls dienen uralte, abgelegene Städte, auf die die Protagonisten im Laufe ihrer Abenteuer regelmäßig stoßen, etwa Solomon Kane in „The Moon of Skulls“, Conan in „Red Nails“ oder Hialmar in „Marchers of Valhalla“. Nachdem Hialmars Krieger das Heer der ‚zivilisierten‘ Stadt Khemu so mühelos geschlagen haben, schließen sie Frieden mit ihren Einwohnern und nehmen deren Angebot an, die

117 schwache Stadt gegen den Angriff eines aufstrebenden ‚Barbarenvolkes‘ zu verteidigen. Als diese Attacke erfolgreich abgewehrt ist, zeigt sich die Hinterlist der ‚zivilisierten‘ Herrscher, die ihre eigenen Retter bei einem Festbankett vergiften. Ganz ähnlich ergeht es Conan in „Red Nails“, wo es den Cimmerier in eine nahezu verlassene, uralte Stadt verschlägt, in der die Nachfolger der degenerierten Stadtbevölkerung sich, in zwei Lager gespalten, gegenseitig abschlachten. Der ‚Barbar‘ greift auf Seiten der Partei ein, die weniger grausam erscheint, doch als alle Gegner ausgelöscht sind, wird von seinen Verbündeten auch auf ihn ein heimtückischer Anschlag verübt, den er im Gegensatz zu Hialmar allerdings überlebt. Mark Finn bezeichnet „Red Nails“ als „Robert’s final word on the corruption of civilization“ (174), und tatsächlich zeigt die Geschichte, ähnlich wie „Marchers of Valhalla“, zu welcher Verlogenheit ‚zivilisierte‘ Menschen in Howards Universum fähig sind, während die ‚barbarischen‘ Protagonisten stets ihr Wort halten und als ehrlichere Menschen dargestellt werden. Weiterhin charakteristisch für den moralischen Verfall, der in den dargestellten ‚Zivilisationen‘ Einzug erhält, ist ein Hang zu Grausamkeit, Folter und Sadismus. Sowohl in „Marchers of Valhalla“ als auch in „Red Nails“ versucht die degenerierte Stadtbevölkerung, die Gefährtin des Helden einer dunklen Gottheit zu opfern, einmal mit, einmal ohne Erfolg. Kulls ‚zivilisierte‘ Berater sprechen sich in verschiedenen Geschichten wiederholt für Folter als Mittel der Informationsbeschaffung aus, eine Vorgehensweise, die der ‚Barbar‘ stets zurückweist („Untitled Draft“ 75, „The Cat and the Skull“ 112). Howards ‚barbarische‘ Helden greifen zwar auf Gewalt als Mittel zur Lösung ihrer Probleme zurück, zeigen hierbei aber keinerlei Hang zum Sadismus. So berichtet James Allison über den Stamm des ‚Barbaren‘ Niord, einer weiteren seiner früheren Inkarnationen: „We did not torture. We were no more cruel than life demanded. The rule of life was ruthlessness, but there is more wanton cruelty today than ever we dreamed of“ („The Valley of the Worm“ 79). Trotz allem gibt es Widersprüche in Howards Darstellung von ‚Barbaren‘ und deren moralischer Integrität. Zwar beschreibt Howard in keiner einzigen Erzählung, wie Kull oder Conan einer unschuldigen Person Schaden zufügen,81 entsprechende Taten werden aber durchaus impliziert. Conan wird uns in der einleitenden Passage von „The Phoenix on the Sword“ als „a thief, a reaver, a slayer“ (7) vorgestellt. Beide ‚Barbaren‘ waren im Laufe ihrer Karriere als Piraten tätig. Insbesondere Conan scheint in dieser

81 Eine mögliche Ausnahme stellt ein Mann dar, den Conan in „Rogues in the House“ in flagranti mit seiner eigenen Geliebten erwischt und daraufhin tötet. Allerdings wird dieser als „young thug“ (285) und als Dieb beschrieben, was seine Unschuld in Frage stellt.

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Zeit regelrecht gewütet zu haben:

The Tigress ranged the sea, and the black villages shuddered. Tom-toms beat in the night, with a tale that the she-devil of the sea had found a mate, an iron man whose wrath was as that of a wounded lion. And survivors of butchered Stygian ships named Bêlit with a curse, and a white warrior with fierce blue eyes; so the Stygian princes remembered this man long and long, and their memory was a bitter tree which bore crimson fruit in the years to come. („Queen of the Black Coast“ 131)

Auch die Galeerensklaven, die Conan in The Hour of the Dragon befreit, erinnern sich an diesen als „that blood-thirsty ogre of the southern seas who had so mysteriously vanished years ago, but who still lived in gory legends“ (199) und versprechen sich von ihrer Befreiung weitere blutige Raubzüge: „Now will villages burst in flames and ships founder! Aie, there will be wailing of women and the thunder of the spears!“ (200). Es ist anzunehmen, dass die wiederholt angedeuteten Abschnitte in Conans Leben, in denen dieser als Dieb, Söldner oder als Anführer wilder Reiterhorden tätig war, ebenso wenig frei von unschuldigen Opfern waren. Selbst in seiner Jugend hat Conan womöglich schon Bluttaten begangen. Die Schlacht von Venarium, an der auch Conan teilgenommen hatte, wird vom Aquilonier Balthus folgendermaßen beschrieben:

My uncle was at Venarium when the Cimmerians swarmed over the walls. He was one of the few who escaped the slaughter... The barbarians swept out of the hills in a ravening horde, without warning, and stormed Venarium with such fury none could stand before them. Men, women, and children were butchered. („Beyond the Black River“ 48)

Das Bild Conans als Plünderer und Mörder, das in solchen Passagen zumindest angedeutet wird, lässt sich nur schwer mit dem des moralisch relativ integren, ehrenhaften ‚Barbaren‘ vereinen, das Howard an anderer Stelle zeichnet. Vermutlich ist dieser Widerspruch gar nicht logisch zu lösen. Man könnte spekulieren, dass der Autor diese widersprüchlichen Charakterisierungen benutzt, um verschiedene Wirkungen beim Leser zu erreichen. Womöglich dienen Andeutungen von Conans Brutalität dazu, Respekt beim Leser zu erzeugen oder verdrängte Wunschphantasien zu bedienen,

119 während das Einhalten eines moralischen Ehrenkodex’ in konkreten Situationen zu besseren Identifikationsmöglichkeiten mit dem Protagonisten führt und zu einer klaren Unterscheidung zwischen ‚Gut‘ und ‚Böse‘ beiträgt. Hierdurch ließe sich auch erklären, warum ‚Barbaren‘, die dem Protagonisten feindlich gesonnen sind und somit keine Identifikationsfiguren darstellen, auch an keinen entsprechenden Ehrenkodex gebunden sind. Vielmehr sind solche ‚Barbaren‘ mitunter zu Gräueltaten fähig, die denen ‚zivilisierter‘ Völker in nichts nachstehen. Hier sind die Grausamkeiten der Pikten gegenüber aquilonischen Siedlern in „Beyond the Black River“ zu nennen, oder der Kannibalismus, den Stämme dunkelhäutiger Ureinwohner betreiben, etwa in „The Man-Eaters of Zamboula“. Aus der Tatsache, dass diese ‚Barbaren‘ stets dunklerer Hautfarbe sind als der Cimmerier, könnte man einen gewissen Rassismus ableiten, worauf ich in Kapitel 3.3.1 eingehen werde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ‚Barbarei‘ bei Howard vor allem mit physischer Stärke sowie, zumindest im Falle der Protagonisten und trotz einiger Widersprüche, einer gewissen Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit in Verbindung gebracht wird. ‚Zivilisation‘ hingegen wird überwiegend negativ bewertet und mit Korruption und Verfall verbunden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass mit „The Twilight of the Grey Gods“ (auch bekannt als „The Grey God Passes“) sowie „The Cairn on the Headland“ zwei Kurzgeschichten existieren, in der der Sieg der ‚zivilisierten‘ Christenheit über das ‚barbarische‘ Heidentum in der Schlacht bei Clontarf als Anbeginn eines neuen, besseren Zeitalters dargestellt wird,82 doch angesichts des Grundtenors in Dutzenden anderer Werke sind diese als Ausnahmen zu werten.83 Zahlreiche Zitate aus Howards Briefkorrespondenz sprechen für Mark Finns These, dass Howard seine persönlichen Ansichten zum Thema ‚Zivilisation‘ in seine Literatur eingebracht hat. Unter den genannten Beispielen befindet sich mit „The Shadow Kingdom“ der wohl erste S&S-Text überhaupt, sowie mit „Red Nails“ die letzte Erzählung, die Howard im Jahr 1935 in dieser Untergattung verfasste. Hieraus geht eindeutig hervor, dass Howards Konzeption von ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ sich im Laufe seiner kurzen Karriere nicht wesentlich veränderte. In Anbetracht der negativen Darstellung von ‚Zivilisationen‘, bei denen es sich in der Regel um Monarchien handelt, sowie dem positiven Licht, in dem Howards

82 Mit „Spears of Clontarf“ existiert theoretisch eine dritte, hierbei handelt es sich jedoch nur um eine alternative Fassung von „The Twilight of the Grey Gods“, aus der übernatürliche Elemente entfernt wurden. 83 Im Rahmen der Betrachtung religiöser Motive in Howards Werk wird in Kapitel 3.2.1 noch einmal im Detail auf diese Ausnahmen eingegangen.

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‚barbarische‘ Helden überwiegend erscheinen, stellt sich die Frage, welche gesellschaftlichen Strukturen Howards S&S denn letztendlich affirmiert. Es würde naheliegen, dass Stammesführertum propagiert wird, wie es in Conans oder Kulls ‚barbarischer‘ Heimat vermutlich existiert. Andeutungsweise finden sich Belege hierfür in Aussagen Conans, Kulls oder auch früherer Inkarnationen James Allisons, wenn diese sich bestürzt über die in der ‚Zivilisation‘ herrschenden Zustände äußern und betonen, dass Dinge wie Folter, Hunger und Zwangsheirat in ihrer Heimat nicht existieren. Jedoch gibt es keinen einzigen Text, in der Conan seine Heimat betritt (oder auch nur einem zweiten Cimmerier begegnet)84. Es existiert lediglich ein Gedicht namens „Cimmeria“, in welchem Howard Conans gleichnamige Heimat als düster und unheimlich beschreibt (3), sowie folgende Äußerung Conans aus „The Phoenix on the Sword“: „A gloomier land never was – all of hills, darkly wooded, under skies nearly always gray, with winds moaning drearily down the valleys“ (13). Auch Conans Aussagen über seine eigenen Götter, allen voran den düsteren, unheilbringenden Crom („The Tower of the Elephant“ 64 f.), lassen darauf schließen, dass seine Heimat nicht gerade ein Paradies darstellt. Im Falle Kulls liegt eine nur wenige Seite umfassende Kurzgeschichte vor, die Howard noch vor „The Shadow Kingdom“ verfasste, die jedoch erst 1967 als „Exile of Atlantis“ veröffentlich wurde. In dieser Erzählung muss ein jugendlicher Kull aus Atlantis fliehen, nachdem er eine Frau tötete, um ihr eine Exekution auf dem Scheiterhaufen zu ersparen. Dies zeigt, dass Kulls Heimat mitunter ebenso wenig idealisiert wird wie die Conans. Mathews Schlussfolgerung zu den Ereignissen in The Hour of the Dragon – „[t]he natural, ‘barbaric’ social order that triumphs preserves freedom and achieves an ideal, organic society (132)“ – halte ich deshalb für etwas zu verallgemeinernd. Howards Werk wirkt deutlich pessimistischer als das Tolkiens: Es gibt keine Gesellschaftsordnung, die ein friedvolles Miteinander verheißt, da der ewige Kampf zwischen ‚Zivilisation‘ und ‚Barbarei‘ nicht einmal temporär aufzuhalten ist. Ein weiterer Unterschied zwischen Howards S&S sowie typischer FF besteht darin, dass Howard in seiner Darstellung von ‚Natur‘ bzw. ‚Barbarei‘ auf keinen soft primitivism zurückgreift. Howard selbst spricht sich in einem Brief an Lovecraft vehement gegen eine idyllische Verklärung des ‚Primitiven‘ aus:

84 Es ist anzunehmen, dass Howard sich entschied, keine weiteren Cimmerier zu erwähnen, da sonst Einmaligkeit und Außenseiterzustand Conans in der ‚zivilisierten‘ Welt relativiert würden.

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I have no idyllic view of barbarism – as near as I can learn it’s a grim, bloody, ferocious and loveless condition. I have no patience with the depiction of the barbarian of any race as a stately, god-like child of nature, endowed with strange wisdom and speaking in measured and sonorous phrases. Bah! My conception of a barbarian is very different. (2 Nov. 1932 462)

Dieses Zitat deckt sich mit der Darstellung des ‚Barbaren‘ und seiner Lebenswelt in Howards S&S. Oft werden unberührte ‚Natur‘ bzw. ihre Bewohner als derart bedrohlich dargestellt, dass sich kaum noch positive Eigenschaften erkennen lassen. Dies ist z.B. bei der Darstellung der Pikten aus „Beyond the Black River“ oder der dunkelhäutigen Ureinwohner in „The Man-Eaters of Zamboula“ oder „The Valley of Lost Women“ der Fall. In diesen Fällen ist von einem Primitivismus oft kaum noch zu sprechen. Wenn der ‚Barbar‘ idealisiert wird, wie es bei Howards Protagonisten in der Regel der Fall ist, so geschieht dies im Rahmen eines hard primitivism: Die „warm intimacies of small, kindly things, the sentiments and delicious trivialities that make up so much of civilized men’s lives“ („Beyond the Black River“ 79) sind Conan fremd, doch wird er von seinem ‚zivilisierten‘ Begleiter Balthus, der dem Leser als Identifikationsfigur dienen soll, in „Beyond the Black River“ durchaus bewundert. Auch scheint er das Leben auf eine Art zu genießen, zu der ‚zivilisierte‘ Menschen nicht in der Lage sind: „I live, I burn with life, I love, I slay, and am content“ („Queen of the Black Coast“ 133). Conan entspricht somit Lovejoys und Boas’ Definition des ‚Edlen Wilden‘ als „rude, hardy [fellow], to whom ‘Nature’ was no gentle or indulgent mother“ (11), sowie als „[indifferent] to the luxuries and even the comforts of civilized life“ (11). Michael Moorcock liegt sicherlich richtig, wenn er Conan in Wizardry and Wild Romance in diese Tradition einreiht (81 f.).

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3.1.1.3 Politische Ideologien in Howards Werk

Obgleich in Howards S&S keine konkrete Gesellschaftsform propagiert wird, so lassen sich doch Hinweise auf Einflüsse bestimmter politischer Ideologien erkennen. Eine Ideologie, mit der S&S häufig in Verbindung gebracht wird, ist der Faschismus. Meine folgenden Ausführungen zu diesem Thema entsprechen weitgehend denen aus „Disreputable Heroes“. Der erste Autor, der Verbindungen zwischen Faschismus und S&S herstellte, war wohl Norman Spinrad. Dessen 1972 verfasstes Buch The Iron Dream enthält den fiktiven Roman The Lord of the Swastika, als dessen Autor Adolf Hitler genannt wird. Hitler sei nach dem Ersten Weltkrieg in die USA ausgewandert und habe dort eine erfolgreiche Karriere als Schriftsteller eingeschlagen. The Iron Dream bzw. The Lord of the Swastika folgt vermeintlich typischen Handlungsmustern von S&S und strotzt dabei von bewusst überspitzten rassistischen Elementen, Parallelen zu Ideologie und Geschichte des Dritten Reiches, sowie homoerotischen Andeutungen. Spinrads Ziel war offensichtlich, zu demonstrieren, wie nahe diese Untergattung den Ideologien Nazi- Deutschlands steht. Sicherlich enthält Spinrads Roman auch SF-Elemente und kritisiert (wie die Anspielung auf LOTR im Titel von Hitlers fiktiver Erzählung nahelegt) nicht nur S&S, sondern HF, wenn nicht gar FF, im Allgemeinen. Trotzdem scheint S&S eines der Hauptziele von Spinrads Kritik zu sein, wie Ursula K. Le Guin in ihrem Artikel „On Norman Spinrad’s The Iron Dream“ erklärt, welcher im Herbst 1973 in Science Fiction Studies erschien:

The Iron Dream can be read as a tremendous parody of the subgenre represented by Moorcock’s […] Runestaff saga, and by Conan the Barbarian, and Brak the Barbarian, and those Gor books, and so on – “heroic fantasy” on the sub-basement level, the writing of which seems to be motivated by a mixture of simple-minded escapism and money-minded cynicism. Taken as a parody of S&S, the book hits all its targets.

Einige Jahre nach dem Erscheinen von Spinrads Roman meldete sich mit Hans Joachim Alpers der im deutschen Sprachraum prominenteste Verfechter des Faschismusvorwurfs zu Wort. Nachdem er im Rahmen seines Artikels „Lendenschurz, Doppelaxt und

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Magie: Heroic Fantasy und verwandte Gattungen“ diverse menschenverachtende Ideologien mit S&S in Verbindung bringt, so etwa Gewaltverherrlichung, Rassismus und Frauenfeindlichkeit, kommt er am Ende zum Schluss, S&S glorifiziere den Faschismus und geht sogar so weit zu behaupten, S&S85 „könnte die Aufgabe zukommen, einem neuen Faschismus den Weg zu bereiten“ (52). Nachdem Alpers Aufsatz ins Englische übersetzt wurde und im März 1978 als „Loincloth, Double Ax, and Magic“ in Science Fiction Studies erschien, verfasste Norman Spinrad einen Brief mit der Überschrift „On Alpers on Heroic Fantasy and Nazism“, der in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift abgedruckt wurde. Hierin lobt Spinrad die Beobachtungen Alpers als „pretty dead on“. Der zielführendste Einstieg in eine Auseinandersetzung mit dem Faschismusvorwurf besteht im Aufstellen einer Definition des Begriffs – ein Schritt, den sämtliche Kritiker bezeichnenderweise versäumten. Meyers Großes Taschenlexikon nennt folgende Definitionen für ‚Faschismus‘:

1. das von B. Mussolini geführte Herrschaftssystem in Italien (1922-45); 2. i.w.W. Bez. Für extrem nationalist., nach dem Führerprinzip organisierte antiliberale und antimarxist. Bewegungen und Herrschaftssysteme in verschiedenen Ländern Europas nach dem 1. Weltkrieg; 3. nach marxist. Auffassung eine in kapitalist. Industriegesellschaften bei sozialer, wirtsch. und polit. Krisenlage angewandte Form bürgerl. Herrschaft. […] Heute wird „faschist.“ häufig unreflektiert auf Phänomene angewandt, auf die diese Bez. gar nicht oder nur tendenziell zutrifft. (Vol. 6, 348)

Der letzte Satz dieses Eintrags ist sicherlich bezeichnend. In gewisser Hinsicht lässt sich der Faschismusvorwurf bereits dadurch entkräften, dass es in den 70er Jahren offenbar in Mode kam, unliebsamen Autoren Faschismus zu unterstellen, ohne sich der ursprünglichen Bedeutung des Wortes bewusst zu sein (selbiges trifft sicherlich auf den Umgang mit politischen Gegnern zu). Michael Moorcock etwa, dessen S&S-Texte von Alpers (und indirekt auch Le Guin) beschuldigt wurden, dem Faschismus nahezustehen, ist selbst dafür bekannt, ähnliche Vorwürfe gegen andere Autoren vorzubringen. Neben seinem Artikel „Epic Pooh“, der sich primär gegen Tolkien wendet, verfasste Moorcock mit „Starship Stormtroopers“ einen weiteren polemischen Artikel, in dem er diverse SF-

85 Alpers spricht von heroic fantasy, verwendet beide Begriffe jedoch, wie bereits erwähnt, synonym.

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Autoren wie Frank Herbert, Robert A. Heinlein oder A. E. van Vogt kritisiert und u.a. äußert: „If I were sitting in a tube train and all the people opposite me were reading Mein Kampf with obvious enjoyment and approval it probably wouldn’t disturb me much more than if they were reading Heinlein, Tolkein [sic] or Richard Adams.“ Beinahe ironisch wirkt, dass Moorcock für die Rückseite von Spinrads The Iron Dream (welches Le Guin u.a. als Kritik an Moorcocks eigenem Werk versteht) ein Zitat zur Verfügung stellte, in dem er das vom fiktiven Fantasy-Autor Adolf Hitler verfasste The Lord of the Swastika lobt und mit den Werken von J. R. R. Tolkien, C. S. Lewis, G. K. Chesterton und des bekennenden Faschisten Oswald Mosley vergleicht.86 Die Vielzahl und Undifferenziertheit der Faschismusvorwürfe, die zwischen Autoren der fantastischen Literatur ausgetauscht wurden, verleihen der Diskussion bisweilen den Charakter einer Schlammschlacht. Trotzdem möchte ich mich an dieser Stelle wissenschaftlich mit der Frage auseinandersetzen, ob S&S – insbesondere die Howards – faschistischen Ideologien nahesteht. Howards persönliche Meinung zum Faschismus ist eindeutig aus seinen Briefen zu entnehmen. Beispielsweise schrieb er an Lovecraft:

I do not condemn the reforms you say would be possible under Fascism. I simply do not believe they would exist under a Fascist government. Of course you can draw glowing pictures of a Fascist Utopia. But you can not prove that Fascism is anything but a sordid, retrogressive despotism, which crushes the individual liberty and strangles the intellectual life of every country it inflicts with its slimy presence...... I know it is the fad now to sneer at Democracy; but Democracy is not to blame for the troubles of the world. The men who are most to blame are the very men who now would ‘save’ the country under the new name of Nazis, or Fascists.... (ca. Dec. 1934 263 f.)

Was die Personen Hitlers und vor allem Mussolinis betrifft, äußert Howard sich wiederholt abschätzig, etwa 1932, als er sich einen Wahlsieg Hindenburgs wünscht („To H. P. Lovecraft“, 2 March 1932 308) oder 1935 bzw. 1936, als er den Einmarsch Mussolinis in Äthiopien aufs Schärfste verurteilt („To H. P. Lovecraft“, 5 Dec. 1935

86 In Howards Conan-Erzählungen erkennt Moorcock übrigens keine faschistischen Ideologien, ganz im Gegenteil zu John Milius’ (alles andere als textnaher) Verfilmung Conan the Barbarian (Wizardry 82).

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376 f.; „To H. P. Lovecraft“, 11 Feb. 1936 411; „To H. P. Lovecraft“, 13 May 1936 443 f.). In „Twilight of the Gods: Howard and the ‘Völkstumbewegung [sic]’“, kommt Scott Connors zu dem logischen Schluss: „Howard personally despised Mussolini and Hitler and fascism of all varieties“ (106). De Camp teilt diese Einschätzung: „Lovecraft praised Mussolini and Fascism, Howard, to whom personal liberty was the prime political principle, denounced Mussolini as a butcher and racketeer and Fascism as despotism, enslavement, and a front for the financial oligarchy“ („The Miscast Barbarian“ 148). Howard schien jedoch nicht nur eine Abneigung gegen den Faschismus zu hegen, sondern gegen autoritäre Regime im Allgemeinen. In einem Brief an Lovecraft nennt er neben Mussolini auch Stalin als Diktator, in dessen Macht es womöglich stünde, Europa zu erobern. Das Ergebnis wäre, gemäß Howard, „the old, old fundamental of kingship: one man or one small class of men ruling the rest under one or the other of the ten million high-sounding names used to dress the raw reality of slavery“ (ca. Dec. 1932 506). Im selben Brief schreibt er: „[I]t won’t be called slavery or Fascism, or Nationalism, or some other –ism; but under the surface it will be the same old tyranny, modified, no doubt, to fit modern conditions“ (505). Der Wert, den Howard am höchsten schätzte, bezeichnet das genaue Gegenteil von Sklaverei, wie er Lovecraft ebenfalls mitteilte:

In the last analysis, I reckon, I have but a single conviction or ideal, or whateverthehell it might be called: individual liberty. It’s the only thing that matters a damn. I’d rather be a naked savage, shivering, starving, freezing, hunted by wild beasts and enemies, but free to go and come, with the range of the earth to roam, than the fattest, richest, most bedecked slave in a golden palace with the crystal fountains, silken divans, and ivory-bosomed dancing girls of Haroun al Raschid. […] I make no attempt to advocate a single ideal of personal liberty as the one goal of progress and culture. But by God, I demand freedom for myself. And if I can’t have it, I’d rather be dead. (ca. Dec. 1932 506 f.)

Auch dem Herausgeber von Weird Tales, , gab Howard zu verstehen: „Life’s not worth living if somebody thinks he’s in authority over you“ („To Farnsworth

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Wright“ 198). Dementsprechend hat de Camp sicher recht, wenn er Howards politische Ansichten – „racial questions aside“87– als die eines „vigorously anti-authoritarian liberal“ („The Miscast Barbarian“ 150) beschreibt. Auch Lovecraft, dem die meisten von Howards Briefen galten, bezeichnet diesen in seinem Nachruf als „a liberal in politics and a bitter foe of civic injustice in any form“ („In Memoriam“ xvi). Liberal ist hier sicherlich in der ursprünglichen Wortbedeutung zu verstehen, in der das Wort auch im Deutschen gebraucht wird. In den Vereinigten Staaten wird liberal heute eher als Gegenbegriff zu conservative verstanden und auf eine Politik im Stile der Democratic Party bezogen, deren Forderungen nach Stärkung des Sozialstaates und staatlichen Eingriffen in die Marktwirtschaft eben nicht liberal im klassischen Sinne sind. Howards Ansichten würde man im heutigen Amerika wohl als libertarian bezeichnen. Seine politische Position steht somit im absoluten Widerspruch zum Faschismus, der per Definition anti-liberale Züge trägt. Die antiautoritäre Haltung Howards spiegelt sich natürlich auch in seinen Werken wieder. Conan ist von Grund auf misstrauisch gegenüber staatlichen Autoritäten und widersetzt sich diesen ein ums andere Mal, beispielsweise in „The God in The Bowl“, als er für ein Verbrechen verhaftet werden soll, das er nicht begangen hat, oder zu Beginn von „Queen of the Black Coast“, als er vor Soldaten fliehen muss, da er einen ungerechten Gerichtsspruch nicht akzeptiert und sich seinen Weg in die Freiheit erkämpft hat. Howards S&S-Erzählungen enthalten zudem ein Plädoyer gegen Sklaverei und freiheitsbeschränkende Maßnahmen. Beispiele hierfür finden sich in der bei Mathews thematisierten Befreiung der dunkelhäutigen Galeerensklaven in The Hour of the Dragon, Conans wiederholten Ausbrüchen aus Kerkern, oder der Tatsache, dass Kull Galeerensklave und Gladiator war, bevor er die Krone Valusiens errang.88 Während Howards Helden sich der Sklaverei widersetzen, versuchen ‚böse‘ Mächte häufig, Menschen zu versklaven, so etwa der Magier Xaltotun, der in The Hour of the Dragon das schreckliche Unrechtsregime Acherons wiederherstellen will, was gemäß einem Priester „an age of horror and slavery“ (133) zur Folge hätte. Mathews stellt in diesem Zusammenhang in einer erklärenden Fußnote fest: „The supreme evil in Howard’s work is always linked to the loss of freedom, to slavery“ (163). Sogar als Könige behandeln Conan und Kull ihre Untertanen stets mit Respekt

87 Auf rassistische Elemente in Howards Literatur gehe ich im Unterkapitel 3.3.1 ein. 88 Ein besonders starkes Plädoyer gegen Sklaverei findet sich auch in der Solomon-Kane-Erzählung „The Footfalls Within“, in der Kane in Afrika gegen arabische Sklavenhändler kämpft.

127 und legen großen Wert auf die Freiheit des Einzelnen. Insbesondere Kull wendet sich als Herrscher nicht nur, wie bereits erwähnt, gegen Folter, sondern sieht auch von Bestrafungen Untergebener ab. So spricht er in „The Cat and the Skull“ ein Pardon für die Intrigantin Delcardes aus und sieht in einem unbenannten Textentwurf davon ab, den Überbringer einer schlechten Nachricht zu bestrafen. Der Erzähler begründet dies, indem er erklärt: „[I]t must remain for civilized rulers to wreak vengeance on courtiers. [...] Kull had not progressed far enough in civilized custom to wreak his royal rage on innocent subjects“ („Untitled Draft“ 68). Häufig gerät Kull auch mit ‚zivilisierten‘ bzw. höfischen Gebräuchen und Machtstrukturen in Konflikt. In „Swords of the Purple Kingdom“ ergibt sich eine Konstellation, in der Kull einer Untertanin aus politischen Gründen nicht zur Heirat mit ihrem Geliebten verhelfen kann, der aus einem anderen Königreich stammt. Diese Situation wird durch den Heldenmut des Geliebten aufgelöst. In „The Cat and the Skull“ geht es um die Hochzeit zwischen einer Adligen und einem Ausländer von niedriger Geburt, die Kull wiederum aus politischen Gründen nicht erlauben kann. Der ‚Barbar‘ zeigt kein Verständnis für solche Zwänge und merkt an: „By Valka, in Atlantis men and women marry whom they please and none else!“ (90). Auch in dem bereits erwähnten unbenannten Textentwurf findet sich eine vergleichbare Situation, die Kull ähnlich kommentiert: „In my land women mate with whom they will and with whom they choose“ („Untitled Draft“ 67). Am deutlichsten zeigt sich Kulls Frust über die Heiratsgebräuche seines Königreichs jedoch in „By this Axe I rule!“. Hier möchte Kull die Heirat zwischen einem Adligen und einer Sklavin gestatten, doch seine Hände sind durch uralte Gesetze gebunden. Erst am Ende der Erzählung zerschmettert der ‚Barbar‘ die Gesetzestafel wutentbrannt mit seiner Axt und verkündet: „Laws that are just shall stand; laws that have outlived their times I shall shatter as I shattered that one!“ (180). Im Gegensatz zu Kull gerät Conan nicht mit den Heiratsgebräuchen des Landes, das er regiert, in Konflikt, dafür mit religiöser Intoleranz. In The Hour of the Dragon wird erwähnt, dass Conan, getrieben von „the broad tolerance of the barbarian“ (156), sich weigerte, eine religiöse Minderheit zu verfolgen. Dass Conan auch in Sachen Religion großen Wert auf individuelle Freiheit legt, geht aus seiner in diesem Zusammenhang getroffenen Aussage hervor: „Crom’s devils! Let men worship what gods they will“ (157). Dass Kull und Conan sich zum König aufschwingen und eine gerechtere Herrschaft ausüben als ihre Vorgänger, bedeutet sicher nicht, dass Howard sich für eine aufgeklärte Monarchie als Staatsform einsetzt. Zu sehr wird betont, wie stark höfische

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Gebräuche die Protagonisten verwirren, und zu negativ werden die Auswirkungen ihrer Herrschaft auf Kull und Conan selbst dargestellt. Während Conan mit seinem Dasein als König noch relativ gut zurechtkommt, scheint es Kull geradezu in die Depression zu treiben. Als Kull in „By this Axe I Rule!“ zunächst nicht in der Lage ist, dem Liebespaar eine Heirat zu ermöglich, ergreift ihn das „sickening, weakening feeling of utter helplessness which had begun to assail him of late“ (165), und er kommt zu der Feststellung: „Kingship was another form of slavery“ (165). Aus all diesen Beispielen geht eindeutig hervor, dass Howards S&S-Texte, geprägt von Howards persönlicher Weltanschauung, stark liberale und antiautoritäre Züge trägt. Die einzigen möglichen Parallelen zwischen Howards Werk und einem faschistischen Weltbild liegen wohl in ‚sozialdarwinistischen‘ Tendenzen, bestimmten rassistischen Elementen sowie einer Begeisterung für nordische Mythologie und okkulte Theorien (wie denen um Thule und Atlantis). Eine genaue Auseinandersetzung mit diesen Aspekten wird in späteren Unterkapiteln stattfinden. Es ist offensichtlich, dass Howards Weltbild nicht ohne Widersprüche ist, etwa was seine liberale Grundhaltung einerseits und einen gewissen, zumindest latent vorhandenen Rassismus auf der anderen Seite betrifft.

3.1.2 Fritz Leiber

3.1.2.1 ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ bei Fritz Leiber

Wie bei typischen S&S-Werken zu erwarten, ist das Spannungsfeld ‚Barbarei – Zivilisation‘ für Leibers Lankhmar-Reihe ähnlich zentral wie für Howards Conan- oder Kull-Texte. Anstelle eines ‚barbarischen‘ Protagonisten, der die ‚Zivilisation‘ kennenlernt und ihre Unzulänglichkeiten aufzeigt, schickt Leiber jedoch zwei Charaktere ins Feld. Hierbei ist unschwer zu erkennen, dass der hünenhafte nordische ‚Barbar‘ Fafhrd sowie der gewiefte, im ‚zivilisierten‘ Lankhmar heimische Gray Mouser jeweils eine Seite dieser Dichotomie repräsentieren. In ihren gemeinsamen Abenteuern wird deutlich, dass Fafhrd sich in eisiger Kälte und auf stürmischer See verhältnismäßig wohl fühlt, während der Mouser sich dort von Naturgewalten bedroht sieht. Der Gray Mouser hingegen fühlt sich in den Labyrinthen der Stadt Lankhmar

129 heimisch und teilt viele Vorlieben der dekadenten Stadtbewohner, die Fafhrd zumindest anfangs sehr fremd erscheinen. Der Weg, der Fafhrd in die ‚Zivilisation‘ führt, ist äußerst interessant: In „The Snow Women“ erfährt man, dass in seinem Heimatland eine matriarchalische, repressive Gesellschaftsform vorliegt, unter der der junge Fafhrd zu leiden hat. Fafhrd sehnt sich danach, die ‚zivilisierte‘ Welt kennenzulernen, obgleich (oder vielleicht gerade weil) ihn seine Mutter und seine Verlobte ständig vor dieser warnen. Einen Ausweg sieht Fafhrd in einer Flucht mit der anmutigen und gebildeten Tänzerin Vlana, die für ihn alle Vorzüge der ‚Zivilisation‘ symbolisiert. Nach gelungener Flucht nach Lankhmar, der größten und repräsentativsten aller ‚zivilisierten‘ Städte, muss Fafhrd jedoch schnell feststellen, dass die ‚Zivilisation‘ ihre dunklen Seiten besitzt. Dies wird bereits im düsteren Erscheinungsbild der Stadt deutlich, mit ihrer verseuchten Luft und ihren in schwarze Togen gekleideten Einwohnern, noch viel mehr jedoch in der Korruption ihrer Herrscher und der Allgegenwart von Dieben und Meuchelmördern. Vor Fafhrds Flucht in „The Snow Women“ erkennt Vlana in diesem „honesty, nobility even, a love of fair play, and a hatred of torture“ (49) – Eigenschaften, die ihn ihrer Meinung nach ungeeignet für ein Leben in der ‚zivilisierten‘ Welt machen. Auch ein anderer ‚zivilisierter‘ Charakter warnt Fafhrd davor, seine Heimat zu verlassen, denn das Leben in der ‚Zivilisation‘ erfordere „low cunning, a smirching of yourself as civilization is smirched“ (59) sowie „a calculated self-evil“ (59). Während Fafhrd sich diese negativen, von der ‚Zivilisation‘ geforderten Eigenschaften jedoch erst aneignen muss, besitzt der Mouser sie offenbar von Beginn an (und setzt beispielsweise in „The Unholy Grail“, noch bevor es ihn nach Lankhmar verschlägt, dunkle Magie ein). Robert H. Waugh bezeichnet dies in „The World and the Wild: The Problem of Civilization in the Works of Fritz Leiber“ als „a measure of the Mouser’s civilized nature“ (14). Zudem ist der Mouser „considerably more perverse in his erotic life than the barbarian“ (Waugh 27), womit er eine weitere Eigenschaft besitzt, die typisch für die ‚Zivilisationen‘ Nehwons ist. S.C. Bryce beschreibt Lankhmar in „Power Plays: Explorations of Social Power in Fritz Leiber’s Fafhrd and the Gray Mouser Adventures“ treffenderweise als „sprawling, filthy, corrupt, crowded, and fiercely patriarchal“ (161). Waugh kommt zu ähnlichen Schlüssen und sieht in der Darstellung Lankhmars eine Kritik Leibers an der amerikanischen Gesellschaft der Mitte des 20. Jahrhunderts (14). Eine Eigenschaft, die ‚Zivilisation‘ bei Leiber zudem besonders auszeichnet, ist

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Theatralik: „For Leiber the theatre is a central product of civilization, the space in which different aspects of art, philosophy, and religion can engage one another playfully, though he is also aware of the theater’s penchant for self-display, vanity, and unreality“ (Waugh 15). Waugh (15 f.) und Bryce (153 ff.) nennen zahlreiche Beispiele für Textstellen, in denen Charaktere mit Schauspielern verglichen werden. Zudem nehmen die beiden Protagonisten häufig Rollen ein und spielen anderen Charakteren etwas vor, um diese zu täuschen, wie etwa bei dem spektakulären und genauestens einstudierten Schaukampf in „The Lords of Quarmall“ (754 ff.). Verkleidung und Masken spielen eine dementsprechend große Rolle, wobei auffällig ist, dass der Mouser weit häufiger Masken trägt als Fafhrd, „perhaps because the hypocrisy of civilization demands it“ (Waugh 17). Die Theatralik, die dem Mouser viel mehr im Blut liegt als Fafhrd, kann dementsprechend als Zeichen dafür interpretiert werden, dass sich bei Leiber hinter dem schönen Schein der ‚Zivilisation‘ dunkle Seiten verbergen. Wie Waugh richtig feststellt, treibt die Verkommenheit der ‚Zivilisation‘ beide Helden zu Versuchen an, dieser zu entkommen (20 f.). Möglichkeiten, aus der ‚Zivilisation‘ auszubrechen, liefern hierbei die Abenteuer, die Fafhrd und der Mouser in fernen Ländern suchen, aber auch erotische Eskapaden und Trunkenheit, die den ‚zivilisierten‘ Alltag zumindest kurzzeitig vergessen machen. Versuche, der ‚Zivilisation‘ zu entkommen, scheinen jedoch zwecklos: Alkohol und Sex stellen auf Dauer keine Lösung dar, und bei aller Befriedigung, die die beiden Helden durch ihre Abenteuer außerhalb Lankhmars erhalten, zieht es sie doch immer wieder in diese Hochburg der ‚Zivilisation‘ zurück, „because civilization provides attractions that barbarism cannot“ (Waugh 21). Waugh weist zu Recht darauf hin, dass ‚Zivilisation‘, trotz all ihrer Makel, äußerst verlockend wirkt, denn „the two heroes never lose nostalgia for [Lankhmar’s] ‘sleazy grandeurs’“ (18). Hierbei dürfte die Möglichkeit, Reichtum und Macht zu erlangen, eine Rolle spielen, aber auch der Umstand, dass ‚zivilisierte‘ Frauen bessere und intelligentere Gefährtinnen darstellen als etwa die ‚Barbarin‘ Mara aus „The Snow Women“. Zudem bietet die ‚Zivilisation‘ mehr Freiraum für erotische Abenteuer, was Waugh durchaus positiv bewertet und mit Leibers Engagement im Rahmen der Sexuellen Revolution der 60er Jahre in Verbindung bringt (14). ‚Zivilisation‘ wird bei Leiber also mit zahlreichen negativen Eigenschaften verbunden und als widersprüchlich und scheinheilig entlarvt, aber trotzdem nicht ausschließlich negativ bewertet. Ähnlich verhält es sich mit ‚Barbarei‘, die zwar mit

131 dem repressiven Regime der Snow Women in Zusammenhang steht, aber auch einen weitgehend ehrlichen Menschen wie Fafhrd hervorbringt. Die Begriffe ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ sind allerdings nicht nur weniger eindeutig positiv bzw. negativ belegt als bei Howard, sondern scheinen sich auch nicht grundsätzlich auszuschließen, wie Waugh feststellt:

Leiber does not glorify the barbarian world. He would not agree with Conan […]. For Leiber, the barbarian world brings a vitality that civilization would sadly lack; but a barbarism whole-heartedly affirmed produces the Mingols89, bent upon a colorful Armageddon. Fafhrd is no longer a barbarian, but he is not civilized; the Mouser is not attracted by the barbarian world, yet his most profound friend is Fafhrd. (20)

Da Leiber in seiner Darstellung von ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ weniger stark wertet als Howard und beide Zustände einer gewissen Ironisierung unterzieht, wäre es sicher falsch zu sagen, dass seine Texte Primitivismus affirmieren. Ansatzweise lassen sich primitivistische Züge jedoch in der positiven Charakterisierung Fafhrds erkennen, der als junger Mann eine gewisse Unschuld mitbringt und bis zuletzt moralisch integrer erscheint als der ‚zivilisierte‘ Mouser. Die lebensfeindlichen Umweltbedingungen und sonstigen Gefahren, die Fafhrd und der Mouser auf hoher See, im hohen Norden, oder auch im Dschungel von Klesh antreffen, deuten auf eine nature red in tooth and claw hin, wie sie typisch für S&S ist. In Verbindung mit der Tatsache, dass der ‚Barbar‘ Fafhrd sich unter extremen Umweltbedingungen oft wesentlich wohler fühlt als der Mouser, erinnert dieses Naturbild zumindest an einen hard primitivism.

89 Wie ich noch an Beispielen aufzeigen werde, wird das Volk der Mingols als ‚barbarisches‘ Reitervolk in seinem Drang nach Eroberung und Zerstörung ähnlich überzeichnet dargestellt wie die Einwohner Lankhmars in ihrer Dekadenz. Beide Gruppen lassen sich als Extrempole der Dichotomie ‚Barbarei – Zivilisation‘ deuten. Dadurch, dass beide zu einem gewissen Grad lächerlich gemacht werden, deutet sich an, dass Leiber sich gegen derartige Extrema wendet. Vielmehr scheint ein goldener Mittelweg die vielversprechendste Lösung.

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3.1.2.2 Gesellschaft und Politik in Leibers Erzählungen

Was konkrete Gesellschaftsentwürfe betrifft, wird weder das Matriarchat der ‚barbarischen‘ Snow Women, noch die patriarchalische Gesellschaft Lankhmars gutgeheißen. Bryce stellt über Lankhmar fest:

Its ruler is infantile, abusive, vulnerable, blind to its goings-on, prone to self-delusion, and ruled by his whim and slippery-tongued councilors. Beneath its would-be totalitarian monarchy, Lankhmar is a wild and monstrous city, whose organized crime and false religions give it the only order it has. (161)

Andere Monarchien kommen in Leibers Erzählungen kaum besser weg, wie Bryce feststellt (161). Quarmall, die nach Lankhmar wohl bedeutendste Stadt Nehwons, zeichnet sich durch eine streng hierarchische Gesellschaft aus. Nur der Alleinherrscher und einige wenige Privilegierte leben an der Oberfläche, während die restliche Stadt sich unter dem Erdboden befindet und Mitglieder ärmerer Schichten gezwungen sind, ihr ganzes Leben unter Tage zu verbringen. Die Maschinen, die die unterirdische Stadt mit Luft versorgen, werden durch die Körperkraft von Sklaven betrieben, was den Unrechtscharakter des Regimes noch verstärkt. Auch das Stammesführertum der Mingols, in das wir in „Rime Isle“ nur kurze Einblicke erhalten, stellt mit seiner wahnwitzigen Bereitschaft zu selbstzerstörerischer Gewalt keine Alternative dar. Einen positiven Gegenentwurf liefert hingegen die Gesellschaft Rime Isles. Es handelt sich um eine Republik, deren Einwohner folgendermaßen beschrieben werden: „The Rime Islanders seemed to live up to first impressions: a large-bodied, sober-clad, supremely practical and supremely confident people, without eccentricities or crochets or even superstitions, who drank little and lived by the rule of ‘Mind your own business’“ („Rime Isle“ 328). Eine der bedeutendsten Figuren auf Rime Isle ist Groniger, der die „law-abiding and hardheaded island ways“ („The Curse of the Smalls and the Stars“ 489) der Inselbewohner schätzt. Zudem ist Groniger, wie die meisten seiner Landsleute, strenger Atheist und zeichnet sich durch „Islish materialism“ („The Mouser Goes Below“ 575) aus. Frauen genießen auf Rime Isle gleiche oder ähnliche Rechte wie Männer, was am Beispiel Cifs und Afreyts deutlich wird, welche einen Sitz im Rat der Insel innehaben. Bryce bezeichnet Rime Isle als „agnostic, liberal, and

133 democratic society in which the genders are more equal“ (162). Die goldenen Reliquien von Rime Isle, die in mehreren Erzählungen eine große Rolle spielen, sagen einiges aus über die Wertvorstellungen der Inselbewohner. Es handelt sich um Cube of Square Dealing, Arrow of Truth, Ruler of Prudence, Cup of Measured Hospitality und Circles of Unity. Auf Rime Isle finden Fafhrd und der Mouser zusammen mit ihren jeweiligen Schiffscrews (bestehend aus nordischen Berserkern und Lankhmar’schen Dieben) gegen Ende Ihrer Karriere eine Heimat, feste Beziehungen und die Aussicht auf einen glücklichen Lebensabend. Auch auf ihre jeweiligen Besatzungen übt die Insel einen positiven Einfluss aus, und so werden Fafhrds Berserker ebenso wie des Mousers Diebe zu friedlichen Bürgern, die ihren ehemaligen blutigen bzw. kriminellen Handwerken weitgehend entsagen. Die Insel liefert ein Beispiel dafür, dass die Spannungen zwischen ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ nicht zwangsläufig im Kampf enden müssen, da sie beiden Gruppen dazu verhilft, einen gesunden, friedlichen Mittelweg zu finden. Aufgrund der positiven Auswirkungen, die das Leben auf Rime Isle auf die Protagonisten und deren Crews hat, ist davon auszugehen, dass die Werte, die diese Insel repräsentiert – Toleranz, Gleichberechtigung und eine weitgehend materialistische Grundeinstellung – auch die Werte sind, die Leiber selbst schätzt und die durch sein Werk affirmiert werden. Bei meiner Beschäftigung mit den weiteren Leitfragen wird eine genauere Untersuchung der Darstellung Rime Isles folglich eine Schlüsselrolle einnehmen. Was die Repräsentation konkreter politischer Ideologien angeht, wurde der Faschismus-Vorwurf gegenüber Howards S&S bereits widerlegt. Eine derart umfangreiche Argumentation ist bezüglich Leibers Erzählungen (die in Alpers’ „Lendenschurz, Doppelaxt und Magie“ ebenfalls Erwähnung finden) sicher unnötig. Waugh erkennt in einigen S&S-Texten Leibers Passagen, die an die Rhetorik des Dritten Reichs erinnern, und folgert: „Nehwon cannot escape the shadow of Nazi Germany“ (25 f.). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Propagierung entsprechender Ideologien, sondern um zynische Anspielungen Leibers.90 Ähnlich wie Howard hegte auch Leiber Abscheu gegen autoritäre und totalitäre Regierungsformen, was sich in diversen Erzählungen (auch außerhalb von S&S) niederschlug: „Leiber wrote politically-oriented stories in which he questioned communism, totalitarianism, and other controlling sorts of regimes, as well as the

90 Das deutlichste Beispiel stellt wohl Hisvets Ausruf aus The Swords of Lankhmar dar: „Today, Lankhmar! Tomorrow, all Nehwon!“ (186). Doch auch die Ansprache des Mousers aus „Rime Isle“, enthält, wie Waugh richtig bemerkt, „shadows of Götterdämmerung“ (25), die an Durchhalteparolen des Dritten Reiches erinnern.

134 efficacy of evolution and war in transferring power to the masses“ (Bryce 160). Gemäß Bryce spiele Politik in den Erzählungen um Fafhrd und den Gray Mouser zwar keine allzu große Rolle, doch spieglen diese trotzdem Leibers politische Einstellungen als „self-described pacifist and feminist“ (160) sowie dessen „self-described liberalism“ (162) wieder. Leiber habe seine „leftist, pacifist, and feminist feelings“ (Bryce 166) in die Darstellung der politischen Machtstrukturen Nehwons eingebracht. Dass Fafhrd im Laufe seines Lebens zwei autoritäre Herrschaftssysteme, mit denen er sich zahlreiche Auseinandersetzungen geliefert hat – das Regime der Snow Women und das Lankhmars – hinter sich lässt, um schließlich in der Republik Rime Isle Frieden zu finden, wertet Bryce als Affirmierung einer liberalen, demokratischen Staatsform (162). Bryce’ Argumentation ist schlüssig. Lediglich die Festellung, die Lankhmar-Reihe sei feministisch geprägt, ist angesichts einiger Textpassagen, auf die unter 3.3.2 genauer eingegangen wird, zu hinterfragen. Sicherlich weist Leibers Weltbild, wie das Howards (und das der meisten Menschen), gewisse Widersprüche auf. Insgesamt scheinen jedoch Parallelen in der politischen Grundeinstellung Leibers und Howards zu existieren, welche sich in ihren jeweiligen S&S-Texten niederschlagen. Bei Leiber, wie auch bei Howard, werden autoritäre Regime überwiegend negativ dargestellt, während persönliche Freiheit und liberale Werte als schützenswertes Gut präsentiert werden.

3.1.2.3 Die Rolle von Ironie und Parodie

Dass Leiber den Konflikt zwischen ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ zwar als zentrales Thema seines Werkes heranzieht, die beiden Pole aber nicht mehr als unvereinbare, schwarz-weiß gezeichnete Extrema präsentiert, zeigt, wie spielerisch er mit den von Howard aufgestellten Konventionen und den hiermit verbundenen Lesererwartungen umgeht. Häufig wird dieser spielerische Umgang durch ironische und parodistische Elemente ergänzt, die zu einer regelrechten Subversion der Gattungskonventionen führen.

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So wirkt etwa Fafhrd mit seinen sieben Fuß91 und seiner muskulösen Statur92 beinahe schon wie ein bewusst überzogener Seitenhieb auf die Muskelprotze, die Howard sowie dessen Epigonen als Protagonisten dienen. Beinahe grotesk wirkt die Tatsache, dass Leibers hünenhafter Titelheld zu Beginn von „The Snow Women“ noch im Zelt seiner Mutter wohnt und von dieser herumkommandiert wird. Grotesk wirkt auch der enorme Größenunterschied der beiden Protagonisten, deren erstes Zusammentreffen in den Straßen Lankhmars Leiber für die bereits erwähnte Anspielung auf das Klischee des tumben ‚Barbaren‘ nutzt, indem er Fafhrd vorschlagen lässt, die Beute „sixty-sixty“ („Ill met in Lankhmar“ 113) zu teilen. Auch die bereits angesprochene Theatralik, auf die Leiber häufig zurückgreift, erfüllt den Zweck von Ironisierung und Parodisierung, denn sie verleiht seinen Texten bisweilen einen metafiktionalen Charakter. Die beiden Auftragsmörder, die in „The Curse of the Smalls and the Stars“ angeheuert wurden, um Fafhrd und den Mouser zu töten, versetzen sich wie Schauspieler in die Rolle ihres jeweiligen Opfers (491), und spätestens, wenn der auf Fahfrd angesetzte Killer kurz vor dem Mordversuch den „climax approaching“ (512) fühlt, wird der selbstreflektierende Charakter der Erzählung evident. Noch deutlicher wird dieser in „The Sadness of the Executioner“. Hier möchte der Tod, dessen Fallen die beiden Helden einmal mehr entkamen, diese nicht persönlich töten, „since the deus ex machina has always struck him as fiction’s – or life’s – feeblest device“ (244). Zu Beginn von „The Mouser Goes Below“, seiner letzten Geschichte um Fafhrd und den Gray Mouser, wendet Leiber sich über den Erzähler direkt an den Leser und spielt besonders deutlich mit dessen Erwartungen. So ist die Rede von Bewohnern Nehwons, die die Abenteuer der beiden Helden – wie die Leser der Erzählungen – verfolgen und unzufrieden sind mit deren häuslichen Ambitionen und den relativ friedlichen Lösungen der letzten Konflikte. Über den bevorstehenden Ruhestand der beiden Helden weiß der Erzähler Folgendes zu berichten: „[L]et such heroes merely whisper a hint about a ‘last adventure’ and their noisiest partisans and most ardent adherents alike will be demanding that it end at the very least in spectacular death and doom, endured while battling insurmountable odds and enjoying the enmity of the evilest archgods“ (518). Für die Bewohner Nehwons, wie für manchen Leser, verüben Helden „who try to step down from their glorious and entertaining destinies“ (520) und

91 Bei der Beschreibung von Fafhrds Äußerem fügt Leiber hinzu: „The ‘seven feet’ refers to his height. He was by no means an octopus missing one limb, but a handsome, red bearded, very tall barbarian“ („The Sadness of the Executioner“ 249). 92 Harry Otto Fischer beschreibt Fafhrds Handgelenke als „thick as a hero’s ankle“ (zitiert nach Leiber, „Fafhrd and Me“ 122).

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„disdain their proper hero-villain roles“ (520) offenbar einen großen Frevel. Wenn Leiber seine Texte auf diese Art als Fiktion entlarvt und ihnen ironisch den Spiegel vorhält, trägt dies zur Subversion von Gattungskonventionen und Lesererwartungen bei. Neben inhaltlichen Elementen ist an dieser Stelle auch Leibers Sprachstil interessant. Dieser weist zahlreiche Einflüsse des Early Modern English auf, wie es in den Dramen Shakespeares Verwendung findet (Waugh 23). Dieser sehr gehobene Stil wird jedoch häufig durch comic devices gebrochen, wie Waugh feststellt:

Parentheses often break up artful sentences and qualify resounding epithets. Anticlimaxes abound: the eroticism of the Mouser’s delicate play with plums, dropping them one after another into the sea, is undercut by a shark that “got a stomachache” (5.22). If euphemisms are frequent, so are puns, contemporary slang, anachronisms, and scientific phrases. (Waugh 23)

Zahlreiche weitere Beispiele findeen sich in „The Curse of the Smalls“, wo die auf Fafhrd und den Mouser angesetzten Auftragsmörder ihre Opfer gleich Theater- Schauspielern zu imitieren suchen und sich dabei Dialoge wie den folgenden liefern:

‘This incarnation likes me and likes me not. ’Tis a balmy journey now but it’ll be long and by all accounts cold as a witchcunt at the end, albeit summer. Arth-Pulgh’s a mean employer, and unlucky. Hand me a medlar from the sack.’ The Death of the Gray Mouser, lithe as a weasel and forever smiling, replied, ‘No meaner or no curster than Hamomel. Working for whom, however, is the pits. I’ve not yet shaken down to this persona, know not its likings. Reach your own apples.’ (481)

Auf diesem Weg vermag Leiber auch auf stilistischer Ebene eine gewisse Ironisierung zu erzeugen. Zugleich parodiert Leiber solche Werke der FF, die sich eines künstlich hochtrabenden, pseudomittelalterlichen Stils bedienen. Der ironische Grundton, der Leibers Lankhmar-Reihe durchdringt, ist bei deren Analyse stets zu beachten. Insbesondere, wenn dieser Grundton ins Zynische abdriftet, etwa wenn ein Charakter abgewandelte Nazi-Parolen von sich gibt, wird eine Interpretation erschwert. Entsprechende Textpassagen haben sicher dazu beigetragen,

137 dass manche Kritiker, wie etwa Alpers, faschistische oder gewaltverherrlichende Elemente bei Leiber zu entdecken glauben.

3.1.3 Samuel R. Delany

Auch in Delanys Werk spielt die Dichotomie ‚Barbarei – Zivilisation‘ eine wichtige Rolle. Seine Nevèrÿon-Erzählungen spielen in einer Welt, in der die ‚Zivilisation‘ noch jung ist und Erfindungen wie Schrift, Geld, Töpferei und Architektur erst wenige Generationen alt sind. Es kommt zu starken Spannungen zwischen ‚Barbaren‘ und ‚zivilisierten‘ Menschen, die einander fremd und unheimlich erscheinen. So spricht der Erzähler in einer auf den ‚Barbaren‘ Sarg fokussierten Passage von „the rough, brutal and inhuman place they called civilization“ („The Tale of Small Sarg“ 181), während der Töpfer Zwon den ‚barbarischen‘ Süden als „strange and terrible land“ („The Tale of Potters and Dragons“ 271) bezeichnet. In mancherlei Hinsicht erfolgt bei Delany eine Subversion bzw. Inversion der üblichen Muster. So wird dunkle Hautfarbe etwa als Zeichen von ‚Zivilisation‘ betrachtet. Außerdem sind ‚Barbaren‘, die bei Delany zumeist aus dem Süden und nicht etwa aus einem eisigen Norden stammen, oft von kleinerer Statur als Angehörige der ‚Zivilisation‘. Das Duo Gorgik-Sarg, das sich in mehreren Erzählungen der Sklavenbefreiung widmet, ist hinsichtlich seiner Erscheinung die genaue Umkehr des Duos Fafhrd-Mouser: Der muskulöse, hochgewachsene Gorgik entstammt der ‚Zivilisation‘ des Nordens, während es sich beim kleinen, schmächtigen Sarg um einen ‚Barbaren‘ aus dem Süden handelt. Delany geht mit den Konzepten ‚Zivilisation‘ und ‚Barbarei‘ differenziert um und vermeidet offensichtliche Wertungen. Die ‚Zivilisation‘ Nevèrÿons besitzt freilich Schattenseiten, allen voran die Sklaverei, welche von Gorgik als ein Grundstein der ‚Zivilisation‘ betrachtet wird: „fire, slavery, cloth, coin and stone – these are the basis of civilized life“ (196). In „The Tale of Gorgik“ stellt der Erzähler fest, dass Gorgik neben seiner Zeit am Hof, in der Armee und in diversen Handelsmetropolen auch durch seine Zeit als Sklave in den Minen zum „optimum product of his civilization“ (96) wurde. Den im Süden lebenden „Barbaren“ ist Sklaverei hingegen unbekannt. Für den ‚Barbaren‘ Sarg ist das Konzept derart verwirrend, dass er nach seiner Versklavung in

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„The Tale of Small Sarg“ zunächst glaubt, er befinde sich im Reich der Toten. Trotzdem ist ‚Zivilisation‘ nicht ausschließlich negativ belegt. Das Übel der Sklaverei wird im Lauf der Nevèrÿon-Reihe durch die Anstrengungen Gorgiks abgeschafft, sodass klar wird, dass eine ‚Zivilisation‘, zumindest ab einer bestimmten Entwicklungsstufe, auch ohne diesen vermeintlichen Grundstein existieren kann. Errungenschaften der ‚Zivilisation‘ werden bei Delany meist differenziert dargestellt und haben sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf seine fiktive Welt und deren Bewohner. Die Einführung einer Währung vereinfacht beispielsweise den Handel, bringt in „The Tale of Old Venn“ aber auch Probleme in die bis dato harmonische, matriarchalisch angehauchte Gesellschaft der Rulvyn, da funktionierende gesellschaftliche Strukturen umgeworfen werden. Ebenso verhält es sich mit der Erfindung der Schrift: Auf der einen Seite erleichtert diese die Kommunikation und erweist sich als nützlich für Protagonisten, z.B. für Gorgik, der aufgrund seiner Fähigkeit, zu Lesen und zu Schreiben, aus der Sklaverei entfliehen kann, oder für Pryn, der dieselbe Fähigkeit in Neveryóna wiederholt hilft, Arbeit zu finden. Andererseits ermöglicht die Schrift aber auch das Buchführen über Sklaven und das Überprüfen der Leistung von Arbeitern, was in Neveryóna dazu führt, dass gebrechliche Arbeiter aufgrund ihrer mangelnden Produktivität Gefahr laufen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder bestraft zu werden. Ein Großteil der Nevèrÿon-Erzählungen spielt in Gebieten, in denen die ‚Zivilisation‘ bereits Einzug gehalten hat. Diejenigen Texte, in denen ‚primitive‘ Stammesgemeinschaften beschrieben werden, stellen diese Gesellschaften aber ähnlich differenziert dar. Eine Ausnahme findet sich in den Rulvyn aus Venns intradiegetischer Erzählung in „The Tale of Old Venn“. Diese haben als Naturvolk bis zum Einzug des Geldwesens ein äußerst harmonisches Leben geführt. Es ist jedoch nicht ganz auszuschließen, dass es sich bei Venn um eine unzuverlässige Erzählerin handeln könnte, da die berichteten Geschehnisse Jahrzehnte zurückliegen. Madame Keyne stellt in „The Tale of Potters and Dragons“ treffenderweise fest: „We civilized peoples are always romanticizing the barbaric“ (217). In „The Tale of Small Sarg“ wird zudem ein wenig harmonisches Bild eines ‚Barbarenstammes‘ gezeichnet. Hier wird erwähnt, dass Sarg, obwohl er Prinz des Stammes war, in seiner Kindheit regelmäßig Hunger leiden musste. Zudem werden grausame Rituale seines Stammes wie eine Steinigung beschrieben (179 ff.). Insgesamt kann in Bezug auf die Nevèrÿon-Reihe also kaum von Primitivismus gesprochen werden.

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Delanys Nevèrÿon-Reihe ist sicherlich nicht frei von Zivilisationskritik, doch überwiegen differenzierte Darstellungen von ‚Zivilisation‘ und ‚Barbarei‘. Delany ist sich des Konstruktcharakters dieser Begriffe bewusst und lässt seinen Charakter Gorgik darüber nachdenken, ob seine ‚Zivilisiertheit‘ etwas anderes ist als die Fähigkeit, im richtigen Zeitpunkt die richtige Geschichte zu erzählen („The Tale of Gorgik“ 96). Hinsichtlich der dargestellten ‚barbarischen‘ bzw. ‚zivilisierten‘ Gesellschaftsformen wird, mit wenigen Ausnahmen wie der Gesellschaft der Rulvyn, kaum gewertet. Anstatt eine konkrete Wertung oder Botschaft zu vermitteln, scheint sich Delany hier noch stärker als Leiber darauf zu konzentrieren, bestehende Gattungskonventionen einer Subversion zu unterziehen. Ähnlich verhält es sich mit der Darstellung politischer Herrschaftssysteme. Es existiert kein Alternativentwurf zur Herrschaft der Child Empress über Nevèrÿon, wobei sich der intrigante Charakter verschiedener Titel- und Würdenträger natürlich als Kritik an dem herrschenden System deuten lässt. Dass Delany an anderer Stelle durchaus klare Gesellschaftskritik anbringt, wird unter 3.3.3 deutlich, wo eine Untersuchung der Repräsentationen von race und gender in der Nevèrÿon-Reihe stattfindet.

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3.2 Weltanschauung und Ethik

3.2.1 Robert E. Howard

3.2.1.1 Das Recht des Stärkeren: Howard und die Evolutionslehre

Eine zu Howards Zeiten einflussreiche wissenschaftliche Strömung ist der nach dem französischen Biologen Jean-Baptiste de Lamarck benannte Lamarckismus93. Obwohl die Theorien des Lamarck zu Howards Schaffenszeiten bereits von Darwins Lehre der natürlichen Auslese verdrängt worden waren, so finden sich doch eindeutige Einflüsse des Lamarckismus in Howards Werk. Besonders deutlich werden diese zu Beginn von „The Children of the Night“, als eine Gruppe Intellektueller ein aus heutiger Sicht pseudo-wissenschaftlich wirkendes Gespräch über Charakteristika bestimmter menschlicher ‚Rassen‘ führt, wobei Professor Kirowan die an Lamarck erinnernde Ansicht vertritt, Merkmale wie Schädelform oder Körpergröße könnten sich durch bestimmte Umwelteinflüsse innerhalb weniger Generationen verändern. Ein Volk, dessen äußeres Erscheinungsbild sich innerhalb weniger Jahrhunderte aufs Extremste veränderte, findet sich bei Howard in Form der Children of the Night, die u.a. in der gleichnamigen Erzählung, aber auch in „Worms of the Earth“, „People of the Dark“ und „The Little People“ auftreten. Bei diesem Volk handelt es sich um die ursprünglichen Ureinwohner Großbritanniens, die von später auftauchenden Völkern verdrängt und schließlich in unterirdische Höhlen getrieben wurden, wo sie ein reptilienartiges, abstoßendes Aussehen annahmen. Während die Children in der ältesten Geschichte, „The Little People“ von 1928, noch als Nachkommen der Pikten bezeichnet

93 Meyers Großes Taschenlexikon liefert folgende Definition:

Lamarckismus, von Lamarck begründete Hypothese, nach der sich bestimmte Merkmale von Lebewesen durch die Wirkung von Umwelteinflüssen verändern und diese Veränderungen auf die Nachkommen vererbt werden, wenn sie bei beiden Elternteilen auftreten. Diese Veränderungen kommen nach Lamarcks Hypothese dadurch zustande, daß stark beanspruchte Organe kräftiger und leistungsfähiger werden, nicht gebrauchte Organe dagegen geschwächt werden, sich verkleinern und schließl. vollständig verkümmern. Diese Veränderungen des Phänotyps übertragen sich nach Lamarck auf den Genotyp, wodurch sie erbwirksam werden. So erklärt der L. die Länge des Halses der Giraffe durch ständiges Hochstrecken des Kopfes bei der Nahrungsaufnahme (direkte Anpassung). - Durch die Ergebnisse der Molekulargenetik ist der L. widerlegt und gilt außerdem durch die Vorstellung einer natürl. Selektion bei primär richtungsloser Veränderung durch Mutation als überholt. Gleichzeitig muß er jedoch als wichtiger Vorläufer des Darwinismus angesehen werden, der der Deszendenztheorie einen wesentl. Anstoß vermittelt hat. (Vol. 12, 316 f.)

141 werden,94 stellt Howard sie in den anderen Erzählungen als Abkömmlinge eines noch älteren Volkes dar – eine Theorie, die er von H. P. Lovecraft übernahm (Burke 193). Die Children oder Little People passen sich, wie in Lamarcks Evolutionstheorie beschrieben, ihrer neuen Umgebung an und entwickeln sich von Menschen hin zu grabenden, unterirdischen Monstern, deren bloßes Äußeres in „Worms of the Earth“ einen römischen Statthalter in den Wahnsinn treibt. Sicher steht der Lamarckismus nicht im absoluten Widerspruch zu Darwins Theorien. Insbesondere die Neolamarckisten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, wie etwa Herbert Spencer95 und Ernst Haeckel, glaubten zwar an eine Weitervererbung erworbener Eigenschaften, übernahmen aber ebenfalls Theorien Darwins (wobei Spencer einen Teil seiner Theorien freilich bereits vor Darwin formuliert hatte). Spencer, „who of all men made the most ambitious attempt to systematize the implications of evolution in fields other than biology itself“ (Hofstadter 5), war der Meinung, die Evolution folge allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, die es ermöglichen, den biologischen Prozess der Evolution auf die Gesellschaft zu übertragen: „The principles of social structure and change, if the generalizations of his system were valid, must be the same as those of the universe at large“ (Hofstadter 38).96 Hiermit schuf Spencer die Grundlage für eine Denkweise, die Hofstadter in Social Darwinism in American Thought als Social Darwinism beschreibt. Der Begriff Social Darwinism bzw. ‚Sozialdarwinismus‘ ist heute jedoch umstritten, da er zum einen schwer zu definieren ist und zum anderen eine äußerst pejorative Färbung besitzt. In „Origins of the myth of social Darwinism: The ambiguous legacy of Richard Hofstadter’s Social Darwinism in American Thought“ bezeichnet Thomas C. Leonard Social Darwinism als „an omnibus term of abuse, enough that essentially no one has ever self-applied the term“ (38) und

94 Die Theorie, dass Legenden um Feen und Kobolde auf unterirdisch lebende Nachfahren piktischer Ureinwohner zurückgingen, entwickelte der Volkskundler David MacRitchie Ende des 19. Jahrhunderts in The Testimony of Tradition und Fians, Fairies and Picts. 95 Hofstadter merkt an: Spencer never discarded his Lamarckism, even when scientific opinion turned overwhelmingly against it (39). 96 Hofstadter weist darauf hin, dass der Ursprung der biologischen Evolutionslehre ohnehin in sozialwissenschaftlichen Beobachtungen liegt:

In applying evolution to society, Spencer, and after him the social Darwinists, were doing poetic justice to its origins. “The survival of the fittest“ was a biological generalization of the cruel processes which reflective observers saw at work in early nineteenth-century society, and Darwinism was a derivative of political economy. The miserable social conditions of the early industrial revolution had provided the data for Malthus’ Essay on the Principle of Population, and Malthus’ observations had been the matrix of natural- selection theory. The stamp of its social origin was evident in Darwinian theory. (38)

142 weist zudem darauf hin, dass der Begriff vor dem Erscheinen von Hofstadters Werk im Jahre 1944 kaum verwendet wurde. Stattdessen habe der Begriff durch Hofstadter wohl überhaupt erst seine heutige Bedeutung erhalten. Auch die Identifikation von Social Darwinism mit Herbert Spencer und William Graham Sumner gehe auf Hofstadter zurück (39 f.). In Ermangelung eines Ersatzbegriffes findet der Begriff ‚Sozialdarwinismus‘ in dieser Arbeit trotzdem Verwendung, um Denkansätze zu beschreiben, die Aspekte des Darwinismus auf menschliche Gesellschaften übertragen. Der Begriff ist hier jedoch nicht als wertend zu verstehen. Während Spencer sich in seiner Übertragung evolutionärer Prinzipien auf die Gesellschaft hauptsächlich mit der Freiheit des Individuums beschäftigte und einen Laissez-faire-Kapitalismus forderte (Hofstadter 46 f.), ging der deutsche Philosoph Ernst Haeckel einen Schritt weiter und übertrug Darwins Evolutionslehre auf alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens.97 Haeckel glaubte, entsprechende Zusammenhänge auch im Wettstreit zwischen Völkern zu erkennen – eine Idee, die bei den Nationalsozialisten Anklang fand.98 Womöglich stellt Haeckels Philosophie eines jener Elemente dar, die zur Assoziation von Robert E. Howards Literatur mit faschistischem Gedankengut führten. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass der deutsche Philosoph den texanischen Autor beeinflusst hat. Haeckels wohl bekannteste Maxime besteht in der biogenetischen Grundregel. Diese drückt aus, dass die Ontogenese die Phylogenese wiederhole, d.h. dass die Entwicklung des Individuums der Entwicklung der Gattung folge bzw. „that the biological history of an individual must in abbreviated form repeat the biological

97 Nachdem Haeckel Darwins On the Origin of Species gelesen hatte, machte er den Darwinismus zum „focal point of his entire scientific and professional life“ (Gasman 6) und wurde „the foremost champion of Darwinism not only in Germany but throughout the world“ (Richards 2). Haeckel machte aus dem Darwinismus bzw. der Evolutionslehre die Grundlage einer ganzheitlichen Philosophie, die alle Aspekte des Kosmos einschließen sollte und die er als ‚Monismus‘ bezeichnete, welcher im Gegensatz zu traditionellen Denkweisen (von ihm ‚Dualismus‘ genannt) nicht zwischen weltlichen und geistigen Aspekten unterscheide (Gasman 6 f.). Mit dieser Philosophie hoffte der Nationalist Haeckel, nicht nur die Welt erklären zu können, sondern auch zur spirituellen, intellektuellen und politischen Emanzipation Deutschlands, welches zu diesem Zeitpunkt noch von Kleinstaaterei geprägt war, beitragen zu können (Gasman 7). 98 Die zentrale These, die Daniel Gasman in The Scientific Origins of National Socialism entwickelt, besteht darin, dass diese Philosophie Haeckels den Weg für die Rassenideologie des Dritten Reiches bereitete. Dieser gewagten These widerspricht jedoch Robert J. Richards, der in The Tragic Sense of Life: Ernst Haeckel and the Struggle over Evolutionary Thought erklärt: „Gasman’s efforts exemplify what might be called the fallacy of mono-causality: the attempt to explain complex historical phenomena by appeal to one simple cause“ (449). Stattdessen stellt Richards relativierend fest: „[W]hile some of Haeckel’s conceptions were recruited by a few Nazi biologists, he hardly differed in that respect from Christian writers. […] One might thus recognize in Haeckel a causal source for a few lines deployed by National Socialists, but hardly any moral connection exists by which to indict him“ (512). Trotzdem ist wohl sicher, dass die Nationalsozialisten zumindest auf einige Konzepte Haeckels zurückgriffen und diese für ihre Zwecke missbrauchten.

143 development of its ancestors“ (Gasman 10). Die Howard-Forscher Rusty Burke (195) und Scott Connors (99 f.) sehen Parallelen zwischen dieser Theorie Haeckels und der Darstellung von ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ bei Robert E. Howard. Ihrer Meinung nach lasse sich aus Haeckels biogenetischer Grundregel folgern, dass aus einer der Dekadenz verfallenen Gesellschaft auch automatisch dekadente Individuen hervorgehen, wie es in Howards Fiktion der Fall zu sein scheint. Es ist äußerst fraglich, ob Burke und Connors Haeckels biogenetische Grundregel richtig deuten. Fest steht aber, dass Howard sich für Haeckel interessierte und diesen wiederholt in Briefen erwähnte, insbesondere im Jahr 1928. In einem Brief aus der Woche vom 20. Februar 1928 an Tevis Clyde Smith bezeichnet Howard Haeckel als Menschen, der es (neben Darwin, Spencer, Huxley und einigen wenigen weiteren) geschafft habe, „beyond the human“ (170) zu blicken. In einem weiteren Briefen an Tevis Clyde Smith, der wohl im März 1928 verfasst wurde, zeigt Howard sich weitgehend überzeugt von Haeckels Ansichten und äußert sein Bedürfnis, die Theorien Haeckels und Spencers in Einklang zu bringen (Letter 056 180 f.). In einem dritten Brief an Smith, der wohl ebenfalls aus dem März 1928 stammt, verteidigt Howard die Evolutionstheorie und äußert sich abschätzig der christlichen Schöpfungslehre gegenüber. Hierzu schreibt er: „The war at present between physical and metaphysical seems to point toward victory for the theologians but truth must triumph and Haeckel, Spencer, Spinoza and such men are sure more right than J. Frank Norris and Billy Sunday” (Letter 057 183). Wie stark Haeckels (oder auch Spencers) Einfluss auf Howard wirklich war, ist schwer einzuschätzen. Vier Jahre nach diesem Briefwechsel mit Tevis Clyde Smith schrieb Howard an Lovecraft: „I used to be a violent admirer of Haekal [sic]“ (zitiert nach Connors 101). Die Tatsache, dass Howard sich zu diesem Zeitpunkt nicht einmal an die Schreibweise von Haeckels Namen erinnert, spricht womöglich eher dagegen, dass seine Bewunderung für den deutschen Philosophen wirklich stark ausgeprägt war. Kein Zweifel besteht hingegen daran, dass in Howards S&S-Texte ein Weltbild dargestellt wird, das an eben jene Aspekte der Theorien Spencers und Haeckels erinnert, die landläufig als ‚sozialdarwinistisch‘ bezeichnet werden. Auch bei Howard werden Grundsätze der Evolutionslehre auf Individuen innerhalb einer Gesellschaft sowie auf konkurrierende Völker übertragen, sodass diese in einem als ‚natürlich‘ erachteten Wettstreit stehen, in dem der Stärkere als Sieger hervorgeht.99 Inwieweit Howard durch

99 Der hiermit oft verbundene Begriff survival of the fittest, der zuerst von Spencer verwendet und dann von Darwin übernommen wurde, ist ebenfalls problematisch. Landläufig wird angenommen, dieser beziehe sich auf die körperlich stärksten Individuen. Stephen Jay Gould weist in „Darwin’s Untimely

144 das Studium Spencers, Haeckels, Huxleys oder Darwins zu dieser Darstellung animiert wurde, ist unklar. Vermutlich wurde er auch von seinem großen Vorbild Jack London inspiriert, in dessen eigenem Werk sich die Theorien von Spencer und Haeckel ebenfalls niederschlagen, und durch den Howard womöglich erst auf diese Theorien gestoßen ist (Burke 195, Connors 104). Ansichten Londons, die man als ‚sozialdarwinistisch‘ bezeichnen könnte, werden u.a. in seinem zu prähistorischen Zeiten spielenden Roman Before Adam deutlich, sowie in dem bereits erwähnten Text „The Human Drift“, der sich u.a. mit Völkerwanderungen sowie kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Völkern, darunter auch ‚Ariern‘, beschäftigt. Der Einfluss der Evolutionslehre (bzw. solcher Strömungen, die diese auf menschliche Gesellschaften übertragen) auf Howards Werk ist kaum zu übersehen, denn die Einwohner seiner Welten befinden sich meist in einem sprichwörtlichen Kampf ums Dasein, wobei stärkere Individuen über schwächere triumphieren, wie etwa Conan über seine zahlreichen Feinde. Die Tatsache, dass der ‚Barbar‘ die Ereignisse in „Beyond the Black River“ unbeschadet übersteht, während sein Begleiter Balthus im Kampf gegen die Pikten stirbt, erklärt Lauric Guillaud folgendermaßen:

The tragic death endured by Balthus appears inevitable to Howard, because the civilized man is condemned in advance by his sentimentality and humanism, tokens of fragility. The effusion of blood, the violence, the savagery are the natural elements of the life led by Conan, who ignores compassion and tenderness. The only vital objective is to survive. (88)

Auch hier liegt also eine Art ‚natürliche‘ Auslese vor. Conan, als ‚Barbar‘ besser angepasst an die harten Realitäten des piktischen Grenzlandes, stellt sich als stärker als sein ‚zivilisierter‘ Freund heraus und überlebt deshalb. Einflüsse dessen, was man als ‚Sozialdarwinismus‘ bezeichnen könnte, finden sich in Howards Literatur aber nicht nur im Hinblick auf das Zusammenspiel von Individuen, sondern insbesondere auf der Ebene der Völker. Diese sind von Grund auf ungleich. Howard weist Völkern häufig bestimmte Eigenschaften zu, die typisch für diese seien. In Conans Hyborian Age sind dunkelhäutige Krieger beinahe immer

Burial“ darauf hin, dass laut Darwin in Wahrheit solche Individuen fitter sind, also geeigneter, zu überleben, die Eigenschaften aufweisen, welche einem Überleben in der unmittelbaren örtlichen Umgebung zuträglich sind (98). Diese Eigenschaften können auch in einem kleineren Gehirn oder einer geringeren Muskelmasse bestehen.

145 blutrünstig, egal ob Sie (wie zumeist) gegen Conan kämpfen, oder diesen unterstützen (man denke an die befreiten Galeerensklaven aus The Hour of the Dragon). Aus Zamora stammen erstaunlich viele Diebe, Stygien bringt eine Unmenge an ‚bösen‘ Magiern hervor, und das Volk der Cimmerier besteht aus so mächtigen und tapferen Kriegern, dass jeder Invasionsversuch zum Scheitern verurteilt ist. Auch in Bezug auf reale Völker arbeitet Howard mit Stereotypen, wie ein Blick auf solche Literatur, die nicht zur typischen S&S zählt, verdeutlicht. So wird Solomon Kane im Laufe seiner Abenteuer beispielsweise „the savage essence of the Anglo- Saxon“ („Wings in the Night“ 282) und „the innate ferocity of the fighting Anglo- Saxon“ („Wings in the Night“ 291) zugeordnet, während Arabern besondere Grausamkeit („The Footfalls Within“ 328) unterstellt wird. Howards im Orient tätige Helden El Borak, Kirby O’Donnel und Steve Clarney werden wiederholt mit einem arabischen bzw. muslimischen Fatalismus und Stoizismus konfrontiert, den ihre afghanischen Verbündeten als „invincible Oriental characteristic“ („Three-Blades Doom“ 92) an den Tag legen. Afghanen quittieren heraufziehende Bedrohungen mit einem Inshallah, anstatt nötige Schritte zu ergreifen („Three-Bladed Doom“ 92), ertragen auch tödliche Wunden wortlos („Three-Bladed Doom“ 159) und sind sich stets sicher, „that all things lay in the lap of Allah („The Fire of Asshurbanipal“ 451). Die Vorstellung, jedes Volk besäße bestimmte Eigenschaften, die es von allen anderen unterscheiden, war zu Howards Zeiten durchaus geläufig (Finn 107; Burke 194). Dieselbe Idee findet sich auch in Howards Briefen wieder, besonders wenn er über seine Abstammung schreibt und hieraus auf seine eigenen Charaktereigenschaften schließt, wie etwa in einem Brief an Harold Preece, in dem er erklärt:

All that is deep and gloomy and Norse in me rises in my blood. I would go east into the sunshine and the nodding palm trees, but I bide and the dream of the twilight of the gods is on me, and the dreams of cold and misty lands and the ancient pessimism of the Vikings. It seems to me, especially in the autumn, that one vagrant Danish strain that is mine, predominates above all my Gaelic blood. (ca. Oct. 1930 87)

Howards Abstammung war für den Texaner von äußerster Wichtigkeit, wie auch daraus hervorgeht, dass sich ein Großteil seiner Geschichten entweder um Nordmänner oder um keltische Helden und deren Vorfahren dreht, zu denen auch Conan als Cimmerier

146 und Kull als Atlanter zählen. Bei der Lektüre von Howards Fiktion wird schnell klar, dass verschiedenen Völkern nicht nur verschiedene Charaktereigenschaften, sondern auch unterschiedliche Wertigkeiten zukommen. Da in seinen Texten Elemente der Evolutionslehre auf menschliche Gesellschaften übertragen werden, herrscht ein Wettstreit zwischen Howards Völkern, bei dem sich das stärkere stets durchsetzt. Besonders herausstechend ist hierbei die Überlegenheit von Völkern, die bei Howard als ‚Arier‘ bezeichnet werden. Der Begriff ‚Arier‘ stammt ursprünglich aus der Linguistik, wurde jedoch ab Mitte des 19. Jahrhunderts von verschiedenen Anthropologen und Schriftstellern, wie etwa dem Franzosen Joseph Arthur de Gobineau, auch in Bezug auf eine vermeintliche Volksgruppe verwendet. Die ‚arische Rasse‘ wurde hierbei mit einem blonden, hochgewachsenen ‚Menschentypus‘ identifiziert, der seinen Ursprung in Nordeuropa habe und die Welt auf Eroberungszügen durchwandert habe. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich diese Theorie bereits zu einer gängigen Lehrmeinung entwickelt. Auch Howard schloss sich offenbar dieser Meinung an bzw. gab sie unreflektiert wieder, denn von Hialmar aus „Marchers of Valhalla“ bis hin zu Aryara aus „The Children of the Night“ sind als ‚Arier‘ bezeichnete Protagonisten stets hochgewachsen und blond. Für Howard liegt die Urheimat der ‚Arier‘ im heutigen Skandinavien, von wo sie sich auf langen Wanderungen, wie wir sie in „Marchers of Valhalla“ oder „The Valley of the Worm“ vorfinden, über nahezu die gesamte Welt verteilten. Wie genau Howard den Begriff ‚Arier‘ definiert und abgrenzt, lässt sich jedoch nicht mit Sicherheit erschließen. Sicher ist, dass für ihn etwa Dorer („Wings in the Night“ 320), Perser („The Children of Asshur“ 371) und Angelsachsen zu den ‚Ariern‘ zählen, während er den Begriff nie im Zusammenhang mit seinen zahlreichen, ebenfalls indoeuropäischen, (proto-)keltischen Helden (allen voran Conan und Kull) gebraucht. Die antisemitische Färbung des Begriffes, die sich in Deutschland gegen Ende von Howards Schaffenszeit bereits vollzog, dürfte keinen Einfluss auf die Verwendung des Begriffes durch den Texaner ausgeübt haben, jedoch schwingt auch bei Howards Beschreibung seiner ‚Arier‘ stets eine Glorifizierung dieser nordischen Krieger mit. Beispiele hierfür finden sich unter anderem in „The Valley of the Worm“, wo der Stamm des Kriegers Niord über einen Stamm der Pikten triumphiert und der Ausgang der Schlacht vom Ich-Erzähler kommentiert wird: „We won because we were a superior race“ (78). Nur drei Seiten weiter wird diese Aussage wiederholt, und später wird

147 hinzugefügt: „I was one of a race destined to become dominant mentally as well as physically“ (90). Ähnlich verhält es sich mit dem Germanen Aryara, dessen Volk in „The Children of the Night“ im Begriff ist, das gleichnamige, häufig als Ungeziefer bezeichnete Volk auszurotten. Aryaras spätere Inkarnation O’Donnel bezeichnet sich selbst als „royal Aryan“ (231) und spricht im Hinblick auf seinen Gegner, der Gene der Children of the Night in sich trägt, von „vestigial serpent-things left to taunt the sons of Aryan“ (231). Nachdem Solomon Kane in „Wings in the Night“ das Volk der Harpyien ausgerottet hat, das von Jason vor Jahrtausenden in die afrikanische Wildnis verjagt wurde, fährt die Erzählung fort:

Kane stood, an unconscious statue of triumph – the ancient empires fall, the dark-skinned peoples fade and even the demons of antiquity gasp their last, but over all stands the Aryan barbarian, white-skinned, cold-eyed, dominant, the supreme fighting man of the earth, whether he be clad in wolf-hide and horned helmet, or boots and doublet – whether he bear in his hand battle-ax or rapier – whether he be called Dorian, Saxon or Englishman – whether his name be Jason, Hengist or Solomon Kane. (320)

Neben dem Verdacht des Rassismus, den solche Zeilen beim heutigen Leser hervorrufen, und auf den später noch genauer eingegangen werden soll, fallen hier Tendenzen ins Auge, die man als stark ‚sozialdarwinistisch‘ bezeichnen könnte. In jedem der drei genannten Fälle handelt es sich um einen Konflikt zwischen Angehörigen unterschiedlicher Völker, der in zweien davon mit der Auslöschung des unterlegenen Volkes endet. Obwohl Fälle existieren, in denen wilden ‚Barbarenvölkern‘ verschiedene Wertigkeiten zugewiesen werden, wie im Fall der Pikten, die Niords Aesir unterliegen, so scheint der Hauptgrund für die Niederlage eines Volkes bei Howard doch meist darin zu bestehen, dass es, durch ‚Zivilisation‘ bedingt, der Dekadenz verfällt, wie in Kapitel 3.1.1 bereits erläutert wurde. Auch das in Howards Werk vermittelte Bild von ‚Zivilisationen‘, welche unweigerlich der Dekadenz verfallen und im Kampf mit ‚Barbaren‘ untergehen, scheint von Theorien beeinflusst, die Darwins Evolutionslehre auf Gesellschaften und Völker zu übertragen suchen. In einer Welt, in der jedes Individuum und jedes Volk sich im Kampf ums Überleben befinden, sind die ‚Barbaren‘ im Vorteil, da ihr Leben sich in der Wildnis abspielt und um ständigen

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Kampf dreht. Am kraftvollsten wirken bei Howard solche Völker, die im permanenten Kriegszustand durch die Welt ziehen, wie zum Beispiel Hialmars Stamm, über den es heißt: „The years of our wandering had instilled in our souls the very spirit of the wild“ („Marchers of Valhalla“ 82). Ein Volk, das diesem kriegerischen Wanderdasein entsagt und sich niederlässt, wird automatisch schwächer. O’Donnel berichtet in „The Children of the Night“, wie seine nomadischen Vorfahren andere, verwandte Stämme, die sich niedergelassen hatten, mühelos bezwingen konnten, was folgendermaßen begründet wird:

Aryans deteriorate swiftly in sedentary and peaceful lives. Their proper existence is a nomadic one; when they settle down to an agricultural existence, they pave the way for their downfall; and when they pen themselves with city walls, they seal their doom. Why, I, Aryara, remember the tales of the old men – how the Sons of the Sword, on that long drift, found villages of white-skinned yellow-haired people who had drifted into the west centuries before and had quit the wandering life to dwell among the dark, garlic-eating people and gain their sustenance from the soil. And the old men told how soft and weak they were, and how easily they fell before the bronze blades of the Sword People. (230)

Der Einfluss solcher Theorien, die Aspekte der Evolutionslehren Darwins bzw. Lamarcks auf menschliche Gesellschaften übertragen, und die man gemeinhin als ‚sozialdarwinistisch‘ bezeichnet, ist im Falle Howards und seiner Fiktion somit insgesamt als erheblich einzustufen.

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3.2.1.2 Robert E. Howard und das Christentum

Während in einigen zentralen Werken der FF, wie Tolkiens LOTR oder Lewis’ Narnia- Reihe, starke Einflüsse des Christentums zu erkennen sind, nimmt diese Religion im Werk Howards eine weit weniger wichtige Rolle ein. Howard hat einige historisch angehauchte Texte verfasst, die das Christentum namentlich thematisieren. Diese zählen zwar sicher nicht zum Kern von S&S, sind an dieser Stelle aber aufgrund ihrer Thematik trotzdem interessant. Zu nennen sind hier einige Abenteuer seiner keltischen Helden Cormac Mac Art und Turlogh O’Brien, die in einer Zeit leben, als ‚heidnischer‘ und christlicher Glaube im Norden Europas aufeinandertreffen. In „The Twilight of the Grey Gods“ kämpft Turlogh O’Brien auf Seiten des christlichen irischen Königs Brian Boru in der Schlacht von Clontarf gegen ‚heidnische‘ Nordmänner. Eine dem eigentlichen Text vorangestellte Notiz in der Anthologie Eons of the Night: Robert E. Howard Vol. V beschreibt die Darstellung des nordischen Glaubens in dieser Erzählung treffendermaßen als „a form of devil-worship owing more to [Howard’s] friend Lovecraft’s evil beings from outer space than the actual faith of Asgard“ (59). In „The Cairn on the Headland“ besucht der Protagonist James O’Brien, ein Amerikaner des 20. Jahrhunderts, den Ort dieser Schlacht und bezieht in seinen Kommentar ebenfalls Position für das Christentum:

Here on this very plain the Dark Ages came to an end and the light of a new era dawned faintly on a world of hate and anarchy. Here, even as you know, in the year 1014, Brian Boru and his Dalcassian ax-wielders broke the power of the heathen Norsemen forever – those grim anarchistic plunderers who had held back the progress of civilization for centuries. It was more than a struggle between Gael and Dane for the crown of Ireland. It was a war between the White Christ and Odin, between Christian and pagan. It was the last stand of the heathen – of the people of the old, grim ways. For three hundred years the world had writhed beneath the heel of the Viking, and here on Clontarf that scourge was lifted forever. […] Here was Ragnarok, the fall of the Gods! Here in very truth Odin fell, for his religion was given its death blow. He was the last of all the heathen Gods to stand before Christianity, and it looked for a time as if his children

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might prevail and plunge the world back into darkness and savagery. [...] The reign of blood and iron was forgotten; the age of the red-handed sea kings passed. The rising sun slowly, dimly, lighted the night of the Dark Ages, and men forgot Odin, who came no more on earth. (40 f.)

Gegen Ende der Erzählung muss James O’Brien Odin selbst entgegentreten, um dessen Auferstehung zu verhindern. Ein heiliges Kruzifix ermöglicht es dem Protagonisten, den nordischen Gott, welcher als ein Monster mit tentakelartigen Armen und furchterregenden Klauen beschrieben wird, wieder von dieser Welt zu verbannen. In „The Dark Man“, einer Geschichte, die wenige Jahre nach der Schlacht von Clontarf angesiedelt ist, findet das Christentum ebenfalls Erwähnung. Der Held der Erzählung, Turlogh O’Brien, ruft selbst noch „Gods that knew not the cross“ (138) an, ebenso wie die Wikinger, die er bekämpft, da sie eine Verwandte entführten. Beim finalen Kampf zwischen Turlogh und den Wikingern erweist sich ein christlicher Priester als tapfer, da er sich um Turloghs Verwandte, Moira, kümmert und sie mit seinem Körper schützt (156). Nach Ende des Kampfes erkennt Turlogh die Tapferkeit des Priesters an und gewährt ihm die Bitte, einen Feind zu verschonen – „not for your oath or your curse, not for your creed but for that you too are a man and did your best for Moira“ (161). Dass der Glaube des Priesters trotzdem nicht mit Turloghs Weltbild und Lebensweise in Einklang gebracht werden kann, wird am Ende der Geschichte deutlich. Als die beiden sich verabschieden, klagt der Priester: „Your hands are red with blood and you follow a red sea-path, yet the fault is not wholly with you. Almighty God, when will the reign of blood cease?“ (166), woraufhin Turlogh kopfschüttelnd erwidert: „Not as long as the race lasts“ (166). Eine ähnliche Rolle nimmt ein Priester in Howards Erzählung „The Temple of Abomination“ ein, welche ebenfalls das Spannungsfeld zwischen christlichem und paganem Glauben thematisiert, jedoch etwa im fünften Jahrhundert angesiedelt ist. In einem Gespräch zwischen dem keltischen Helden der Geschichte, Cormac Mac Art, und seinem nordischen Weggefährten Wulfhere Skull-splitter, äußern sich beide äußerst abfällig über das aufkommende Christentum. So bezeichnen sie Christen als „sickly new sect“ (195) und sind sich einig, dass Gewaltverzicht und Feindesliebe nur von Wahnsinnigen gepredigt werden können. Diese Kernwerte des christlichen Glaubens seien „an insidious and dangerous teaching which may spread like rust on the wheat and undermine the manhood of men if it be not stamped out like a young serpent under

151 heel“ (195). Als die beiden Protagonisten jedoch beim Untersuchen eines unbekannten Tempels auf einen gefangenen, im Sterben liegenden christlichen Priester treffen, ist von dieser Animosität nichts zu spüren. Stattdessen begegnen sie dem Mann, der seine Schmerzen mit Würde trägt und sie uneigennützig auffordert, zu fliehen und ihn zurückzulassen, mit Respekt. Wulfhere spricht ihn sogar mit „friend“ (202) an. Bei „The Temple of Abomination“ handelt es sich um eine unvollendete Erzählung, doch alle Anzeichen sprechen dafür, dass die Helden ihre Abneigung gegen das Christentum zumindest teilweise revidieren. Sowohl der christliche Priester in „The Dark Man“, als auch der in „The Temple of Abomination“, werden von Howard also weitgehend positiv gezeichnet, denn beide handeln uneigennützig und mutig. Andererseits ist keiner der beiden in der Lage, sich oder andere zu verteidigen. Einer kann nur durch kriegerische Mittel befreit werden, der andere findet offenbar den Tod. Wirklich bekämpfen können das ‚Böse‘ nur die zur Waffengewalt bereiten, ‚heidnischen‘ Protagonisten. Hier zeigt sich, dass trotz der Toleranz, die Howard in diesen Erzählungen dem Christentum entgegenbringt, der Gedanke von Gewaltfreiheit und selbstloser Nächstenliebe mit dem ‚sozialdarwinistisch‘ geprägten Weltbild Howards im Konflikt steht. Der von Cormac und Wulfhere so verachtete Gedanke, Unterdrückern zu vergeben oder diese womöglich gar zu akzeptieren, steht zudem im krassen Gegensatz zum Drang nach Freiheit, der sich in Howards Literatur häufig durch bewaffnete Rebellion manifestiert. Auch die Erzählungen um Solomon Kane verbinden historische mit S&S- Elementen. Da der Protagonist als strenger Puritaner dargestellt wird, sind sie für diese Untersuchung ebenfalls von Interesse. Bei einer Lektüre der entsprechenden Texte fällt allerdings schnell auf, dass Kane zwar im Namen Gottes sowohl gegen Dämonen als auch menschliche Verbrecher kämpft, er hierbei jedoch eher als Racheengel auftritt denn als friedfertiger Christ. In „Red Shadows“ trifft er auf eine ihm unbekannte, sterbende junge Frau, die von Verbrechern ermordet wurde. Kane schwört umgehend Rache und tritt eine jahrelange Reise an, bis er den Schuldigen schließlich im tiefsten Afrika zur Strecke bringt. In „Wings in the Night“ gelingt es ihm nicht, die Einwohner eines afrikanischen Dorfes vor harpyienartigen Monstern zu retten, woraufhin er die Dorfbewohner rächt, indem er als „a scourge for the Powers of Evil“ (321) sämtliche Monster dieser Art ausrottet. Kane kennt hierbei keine Gnade oder Barmherzigkeit, sondern handelt nach dem alttestamentarischen Prinzip von ‚Auge um Auge‘. Dies ist in der Welt von Solomon Kane offenbar das probate Mittel, um das ‚Böse‘ zu bekämpfen.

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Der Mensch sei zwar „the sport and sustenance of titanic beings of Night and Horror whose giant wings hover ever above him“ („Wings in the Night“ 315), und doch vermag er, wenn er sich nur entschlossen genug zur Wehr setzt, diese unter Umständen zu besiegen: „Yet it may be in some far day the shadows shall fade and the Prince of Darkness be chained forever in his hell“ („Wings in the Night“ 321). Die einzige Waffe des Menschen sei hierbei „courage that flinches not from the gates of Hell itself, and against such not even the legions of Hell can stand“ („Skulls in the Stars“ 10). Der Zweck scheint mitunter die Mittel zu heiligen: Solomon Kane bedauert zwar, dass er in „Wings of the Night“ eine Herde Schweine töten muss, um die Harpyien zu vernichten, doch sieht er dies als nötiges Opfer (316). Auch die Voodoo-artige Magie seines Freundes N’Longa kritisiert er zwar anfangs, akzeptiert sie aber, als sie ihm weiterhilft. Kane akzeptiert sogar N’Longas magischen ju-ju staff und führt diesen in späteren Abenteuern mit sich. Kanes Einstellung hat mit dem realen puritanischen Glauben freilich wenig zu tun, zumal er wiederholt katholische Heilige anruft. Die Variante des christlichen Glaubens, die Howard hier präsentiert, ist eine auf seine Weltsicht zugeschnittene. Der Mensch soll sich nicht seinem Schicksal bzw. den Mächten des ‚Bösen‘ beugen (der Aspekt des Christentums, den Cormac und Wulfhere kritisieren), sondern sich mit aller Kraft und Eigeninitiative diesen zur Wehr setzen, um sein eigenes Schicksal zu bestimmen.100 Es handelt sich also um eine Variante des Christentums, die eben jene Elemente eliminiert, welche die Priester aus „The Dark Man“ oder „The Temple of Abomination“ daran hindern, das ‚Böse‘ effektiv zu bekämpfen. Was die Conan-Erzählungen als Howards zentrale S&S-Texte betrifft, so findet das Christentum natürlich keine Erwähnung, da das Hyborian Age mehrere zehntausend Jahre vor unserer Zeit angesiedelt ist. Trotzdem erkennt Mathews in seiner Analyse von The Hour of the Dragon zahlreiche christliche Analogien, hauptsächlich solche, die mit Reinkarnation zu tun haben: „Conan has undergone death and resurrection symbolically a number of times. In addition to his apparent death in the battle of the opening pages, he has descended into the underworld and experienced a deathlike paralysis, unconsciousness, and awakening“ (127). Insbesondere in dem Moment, als der totgeglaubte Conan seinem Lehensmann Servius Galannus gegenübertritt, wirkt er gemäß Mathews wie „the risen Christ to his disciples“ (127) und wie „a symbol of death

100 Die Aspekte der Wehrhaftigkeit sowie der Gewaltbereitschaft findet sich natürlich auch in der realen Geschichte des Christentums, etwa bei den Rittern des Deutschen Ordens.

153 and resurrection“ (127). Auch als später eine mysteriöse Gruppe von khitanischen Magiern anstelle eines (erneut totgeglaubten) Conan nur einen Blutfleck an einem Strand vorfindet, liege eine ähnliche Symbolik vor (130). In Bezug auf die bereits mehrfach erwähnte Schlüsselszene, in der Conan die Galeerensklaven befreit, stellt Mathews fest: „The voice of freedom seems to echo the biblical history of the wandering tribes of Israel, who eventually achieved their freedom from slavery in Egypt. There is an overtone of the repeated biblical theme that the low shall rise up“ (132). Mathews Interpretationen sind sicher nicht abwegig, doch gilt es zu bedenken, dass Motive wie eine Rückkehr von den Toten, gerade in Verbindung mit einer Reise in die Unterwelt, nicht spezifisch christlich sind, sondern in zahlreich Mythologien existieren, so etwa der griechischen. Es existiert aber auch eine Conan-Erzählung, in der Howard tatsächlich eine spezifisch christliche Reinkarnations-Symbolik verwendet: In „A Witch Shall be Born“ wird Conan ans Kreuz genagelt, überlebt diese Strafe, die für einen ‚zivilisierten‘ Menschen das Todesurteil bedeutet hätte, jedoch ohne bleibende Schäden, und kehrt zurück, um die Schuldigen zu bestrafen und Gerechtigkeit wiederherzustellen. Diese Symbolik ist jedoch sicher kein Ausdruck einer christlichen Botschaft. Genau wie Solomon Kane (und wie er selbst in The Hour of the Dragon) besiegt Conan das ‚Böse‘ nicht mit Barmherzigkeit, sondern durch Waffengewalt. Wie für Solomon Kane ist auch für Conan Rache ein wichtiger Beweggrund. Die durch die Kreuzigung aufgestellte Analogie zum Leiden Jesu dient wohl eher dazu, Conans Leidensfähigkeit und Härte zu demonstrieren – wobei nicht vergessen werden darf, dass Conan eben nicht am Kreuz stirbt und dabei seinen Peinigern vergibt, sondern überlebt und anschließend Rache nimmt. Dass Howards Weltbild sich kaum mit einem christlichen Glauben vereinen lässt, der auf Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit basiert, wird auch in Howards Aufsatz The Hyborian Age deutlich, in welchem dieser den (fiktiven) Gang der Geschichte zwischen dem Zeitalter Conans und der bekannten Menschheitsgeschichte beschreibt. Beim Fall der hyborischen ‚Zivilisationen‘ spielt eine Episode eine große Rolle, die sich um einen Missionar der Gottheit Mitra dreht, der versucht, das ‚Barbarenvolk‘ der Pikten zu diesem im hyborischen Raum dominanten Glauben zu bekehren. Die moralischen Lektionen, die der Missionar, Arus, den Pikten mit auf den Weg geben möchte, erinnern stark an christliche Lehren: „Doubtless he pointed with repugnance at the rows of skulls which adorned the walls of the hut and urged Gorm to forgive his

154 enemies instead of putting their bleached remnants to such use“ (389). Arus’ Plan geht jedoch nicht auf, denn anstatt Werte wie Nächstenliebe und Versöhnlichkeit anzunehmen, nutzen ihn die Pikten unter dem Häuptling Gorm aus, um Informationen über hyborische Kriegsführung einzuholen sowie die Herstellung von Metallwerkzeugen und -waffen zu erlernen. Mithilfe dieses Wissens gelingt es Gorm, die Pikten zu vereinen und die ‚zivilisierte‘ Welt letztendlich zu überrennen. Arus und Gorm sind prototypische Vertreter von ‚Zivilisation‘ bzw. ‚Barbarei‘ in Howards Universum: „Arus was the highest product of an innately artistic race, refined by centuries of civilization; Gorm had behind him a heritage of a hundred thousand years of screaming savagery – the pad of the tiger was in his stealthy step, the grip of the gorilla in his black-nailed hands, the fire that burns in a leopard’s eyes burned in his.“ (389) Arus’ Philosophie hat hierbei keinerlei Einfluss auf Gorm:

Arus […] had not touched the soul of the pagan, in which lurked the hard fierceness of all the ages. His persuasive eloquence had not caused a ripple in the Pictish conscience. Gorm wore a corselet of silvered mail now, instead of the tiger-skin, but underneath he was unchanged – the everlasting barbarian, unmoved by theology or philosophy, his instincts fixed unerringly on rapine and plunder. (391)

Arus, der seinen Fehler zu spät erkennt, wird schließlich von einem betrunkenen Pikten erschlagen, doch „Gorm was not without gratitude; he caused the skull of the slayer to be set on the top of the priest’s cairn“ (391) – eine Reaktion, aus der hervorgeht, wie immun die Pikten gegenüber seinen Lehren waren. Bei der Geschichte von Arus und Gorm handelt es sich um ein gutes Beispiel dafür, dass Howard ‚Barbarei‘ kaum romantisch verklärt, solange kein Protagonist wie Conan oder Kull vorhanden ist, der dem Leser als Identifikationsfigur dient. Es wird aber auch deutlich, dass Howard dem Christentum kritisch gegenübersteht: Der Priester einer Religion, deren Lehren stark an die christlichen erinnern und der als typisches Produkt einer hochentwickelten ‚Zivilisation‘ bezeichnet wird, trägt eine Mitschuld am Untergang der ‚zivilisierten‘ Nationen. Hier wird impliziert, dass eine christliche Heilslehre, die Vergebung und Nächstenliebe predigt, eine Form von Dekadenz darstellt. Betrachtet man die Summe der Beispiele, die in diesem Unterkapitel zur Untersuchung von christlichen Elementen in Howards Literatur herangezogen wurden,

155 so überwiegen positive Darstellungen des Christentums und seiner Priester. Gleichzeitig zeigt sich jedoch auch, dass Howards Weltbild, in welchem sich sowohl Individuen als auch ‚Zivilisationen‘ und ‚Barbarenstämme‘ in einem ewigen Kampf ums Dasein befinden, inkompatibel mit der christlichen Heilslehre ist. Howards Werk weist eine kritische Grundeinstellung gegenüber dieser auf, vermutlich, da Howard sie als gegenläufig zu seiner Idee von Individualismus und Freiheit empfand. Die Art von Heroismus, die für Howards Werk typisch ist, ist mit modernen christlichen Lehren nur schwer vereinbar, was sich darin zeigt, wie sehr Howard sich bei Solomon Kane auf alttestamentarische Elemente des Glaubens beschränkt. Eine uneingeschränkt positive Darstellung des Christentums erfolgt vor allem dann, wenn Howard es als Gegenpol zu finsteren Mächten einsetzt. In „The Twilight of the Grey Gods“ oder „The Cairn on the Headland“ liefert das Christentum beispielsweise einen Gegenpol zur nordischen Religion, welche zum Zwecke des Schauereffekts bewusst im Stile von Lovecrafts Horror-Mythen um die Great Old Ones gehalten ist.

3.2.1.3 Reinkarnation und Okkultismus

Ein in Howards Literatur häufig auftretendes Konzept, das dem Okkultismus sehr nahesteht, ist das des racial memory. Mehrere seiner S&S-Erzählungen außerhalb des Conan-Universums handeln von neuzeitlichen Protagonisten, die Zugriff auf Erinnerungen ihrer Vorfahren (oder zumindest blutsverwandter Stammesangehöriger) besitzen. Die in diesen vererbten Erinnerungen gespeicherten Informationen liegen zunächst verborgen, können aber durch besondere, meist mit Schock oder Schmerz verbundene Auslöser ans Bewusstsein gelangen (ganz ähnlich wie bei Howards Vorbild Jack London, in dessen The Star Rover der Protagonist seine Visionen hat, während er in einer Zwangsjacke eingesperrt ist). Beispielsweise durchlebt O’Donnel in „The Children of the Night“ die letzten Stunden im Leben von Aryara, nachdem er einen Schlag auf den Schädel mit einer steinzeitlichen Waffe erhalten hat. Ähnlich ergeht es John O’Brien in „People of the Dark“, als er in einer Höhle stürzt, mit dem Kopf aufschlägt und anschließend ein Abenteuer erlebt, das in einem früheren Leben in derselben Höhle stattfand. In den Texten Howards, in denen racial memory eine größere Rolle spielt, teilen

156 die modernen Protagonisten nicht nur Erinnerungen mit ihren Vorfahren, sondern sie bezeichnen sich selbst als eins mit den frühzeitlichen Menschen, deren Geschichten sie erzählen, wie etwa John O’Donnel, der von sich sagt: „I am John O’Donnel and I was Aryara“ („The Children of the Night“ 228) oder James Allison, der über sich preisgibt: „I am one and all the pageantry of shapes and guises and masks which have been, are, and shall be the visible manifestations of that illusive, intangible, but vitally existent spirit now promenading under the brief and temporary name of James Allison („The Valley of the Worm“ 1 f.). Es handelt sich bei den neuzeitlichen Protagonisten also ganz klar nicht nur um Nachfahren, sondern gleichzeitig um Reinkarnationen der Helden aus der Vergangenheit. Die Idee der Reinkarnation war Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts weit verbreitet, nicht zuletzt bedingt durch den Erfolg der theosophischen Schriften von Madame Blavatsky und ihren Anhängern. Im Weltbild der Theosophischen Gesellschaft spielt nicht nur Reinkarnation eine wichtige Rolle, sondern auch untergegangene Völker wie Hyperboreer, Lemurer und Atlanter, welche allesamt auch in Howards fiktiver Erdvergangenheit anzutreffen sind. In Howards Bran-Mak-Morn-Erzählung „Men of the Shadows“ bezeichnet ein Zauberer die Pikten als „first Men“ (23), denen mit Lemurern eine „Second Race“ (24), mit Atlantern eine „Third Race“ (25) und mit Kelten eine „Fourth Race“ (26) folgte. In dieser Version der Menschheitsgeschichte lassen sich eindeutige Anleihen an die Lehren Madame Blavatskys erkennen, die in The Secret Doctrine von einander ablösenden Root Races spricht (darunter ebenfalls Lemurer und Atlanter). Auch in einem Brief an Harold Preece gibt Howard die Lehre der Root Races grob wieder: „The occultists say that we are the fifth – I believe – great sub-race. Two unknown and unnamed races came, then the Lemurians, then the Atlanteans, then we“ („To Harold Preece“, received 20 Oct. 1928 237). Burke und Louinet (350) halten es angesichts der Ungenauigkeit, mit der Howard theosophische Konzepte wiedergibt, für unwahrscheinlich, dass Howard Blavatskys Werk gelesen hat. Wohl aber schien er mit den Lehren der Theosophie zumindest flüchtig vertraut zu sein. Dies hängt sicher damit zusammen, dass viele seiner bevorzugten Autoren von theosophischem Gedankengut beeinflusst wurden, angefangen vom bekennenden Theosophen Talbot Mundy, über Edgar Rice Burroughs, bis hin zu seinen Brieffreunden und Weird-Tales-Kollegen Clark Ashton Smith und H. P. Lovecraft.101 Lin Carter hat

101 Burroughs’ Nähe zur Theosophie wird von Fritz Leiber in „John Carter: Sword of Theosophy“ erläutert. Leiber weist darauf hin, dass die Völker, die Burroughs Mars bevölkern, in ihrem Äußeren stark an verschiedene ‚Rassen‘ erinnern, die Blavatsky in The Secret Doctrine bzw. der Theosoph William

157 sicher Recht, wenn er in „The Magic of Atlantis“ (seinem Vorwort zu einer Sammlung von Erzählungen Clark Ashton Smiths) feststellt:

Madame Blavatsky is really quite an important personage in the history of fantasy. In the course of two interminable and all but unreadable tomes of spurious occult lore – Isis Unveiled and The Secret Doctrine – she codified fugitive and unattached morsels of legend, theory and nonsense into a systematic prehistory of the world. […] This system, percolating down through sensational popularizations and Sunday supplement articles, was adopted lock, stock and barrel by writers for the fantasy pulp magazines, who are thus greatly in her debt. (3)

Neben diversen Autoren könnte Howard auch durch seinen Vater beeinflusst worden sein. Gemäß Mark Finn stand dieser dem Okkultismus nahe (39) und diskutierte mit einem Freund oft über Reinkarnation (113). Robert E. Howard zeigte auch privat großes Interesse am Thema der Seelenwanderung, wie aus zahlreichen von ihm verfassten Briefen hervorgeht. In dem bereits erwähnten Brief an Preece, den dieser am 20. Oktober 1928 erhalten hat, berichtet Howard zum Beispiel, ein Okkultist habe ihm gesagt, Howard besäße eine uralte Seele und sei ein wiedergeborener Atlanter. Howard schließt nicht aus, dass dies zutreffe (237). Howards Freundin Novalyne Price erzählt in ihren Memoiren One Who Walked

Scott-Elliot in The Story of Atlantis beschreiben („John Carter: Sword of Theosophy“ 214). Auch Burroughs Beschreibungen von interplanetaren Reisen durch Gedankenkraft sowie von Luftschiffen, die durch geheimnisvolle Strahlen angetrieben werden, scheinen durch theosophische Konzepte inspiriert (215). Clark Ashton Smith hat sich in seiner Darstellung von Welten wie Hyperborea und Atlantis ebenfalls stark von Blavatsky und Scott-Elliot inspirieren lassen, wie Lin Carter in „The Magic of Atlantis“ feststellt (3 ff.). Bei Lovecraft sind ebenfalls Bezüge zu Blavatskys Lehren vorhanden. So berichtet beispielsweise der Erzähler in „The Call of Cthulhu“: „Theosophists have guessed at the awesome grandeur of the cosmic cycle wherein our world and human race form transient incidents. They have hinted at strange survivals in terms which would freeze the blood if not masked by a bland optimism“ (355). Wenig später erfahren wir, dass der verstorbene Onkel des Erzählers in seiner Beschäftigung mit der anstehenden Bedrohung durch Cthulhu u.a. die Werke Scott-Elliots gelesen hatte (357). Auch erwähnt Lovecraft in seiner Erzählung „“ neben fiktiven Büchern wie seinem eigenen Necronomicon oder Howards auch das Book of Dzyan (1005), welches Madame Blavatsky in The Secret Doctrine beschreibt. Vermutlich hat Lovecraft seine secret books nach Blavatskys Book of Dzyan modelliert (Leiber, „John Carter: Sword of Theosophy“ 213). Auch in der Geschichte „The Diary of Alonzo Typer“, die Lovecraft zusammen mit William Lumley verfasste, wird das Book of Dzyan erwähnt, zusammen mit lords of Venus, wie sie auch in Scott- Elliots The Lost Lemuria vorkommen. Fritz Leiber weist in „John Carter: Sword of Theosophy“ zudem darauf hin, dass die Great Race aus Lovecrafts „The Shadow out of Time“ ebenfalls theosophische Züge trage (213).

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Alone davon, wie Howard ihr eines Tages erklärte:

Ol’ Lindsey and I went to Brownwood a short time ago. [...] We met a man that made me want to stop and knock his damn head off. No reason. But when I saw him, I wanted to do something to him....maybe, way back a thousand years or so ago, you have a controversy with another man. You keep on being born over and over and the memory is gone, but the fear, and the hate or whatever it is, still lingers there, hidden in your brain, making you half afraid and half ready to fight. Well, while you’re being born over and over, that man, too, is being born over and over. [...] Then one day, you’re walking down the street [...] and suddenly, coming toward you is the guy who stole your woman a couple of thousand years ago. You hate him. Instinctively. You don’t know why. The hate is there, but it has been lying there, locked up in the brain cell those thousands of years and all you can see is that here’s a guy you hate. (zitiert nach Grin 145)

Diese Aussage Howards spiegelt nicht nur die Reinkarnationstheorien wieder, die sich in Howards Fiktion finden, sondern wirft die Frage auf, ob Howard selbst ein Anhänger dieser Theorien war. Es gibt zahlreiche weitere Zitate, die dafür sprechen, etwa ein Brief an Lovecraft, in dem Howard von seinen Träumen von alten Zeiten berichtet, in denen er immer ein blonder, blauäugiger ‚Barbar‘ sei (ca. June 1931 209). In einem Brief an Tevis Clyde Smith vom 24. August 1923 erzählt Howard vom Kampf des britannischen Königs Vortigern gegen germanische Invasoren und begründet sein detailliertes Wissen mit den Worten „I know, for then I was a soldier in Vortigern’s army“ (19). In einem Brief an Smith vom 26. August 1925 folgert Howard, dass er in früheren Leben ein friedliebender Intellektueller gewesen müsse, und dass er nun, indem er seine Muskeln trainiere, den Grundstein dafür lege, zukünftig als Krieger wiedergeboren zu werden, denn „the instincts imparted on the mind in this life will go down the ages. And a thousand years from now, I, clothed in another form, may hear the cheering crowd acclaiming my name – the name of a new champion“ (67 f.). Inwiefern Howard wirklich an Seelenwanderung glaubte, lässt sich allerdings schwer beurteilen. Zumindest in dem Brief vom 24. August 1923 verwendet der damals 17- jährige Howard eindeutig einen humorvollen, spielerischen Grundton. In einem Brief an Smith aus dem März 1928 äußert Howard sich zudem völlig gegensätzlich und erklärt:

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„I have always maintained a more or less sardonic attitude toward the occult, seeing therein a purely material opportunity to make money“ (Letter 056 181). Sicher ist jedoch, dass das Prinzip der Reinkarnation auf Howard eine große Anziehungskraft ausübte. Angesichts der vorangegangenen Zitate fragen sich einige Kritiker nicht nur, ob Howard möglicherweise selbst an Reinkarnation glaubte, sondern ziehen sogar in Betracht, dass er nicht zwischen Realität und Fiktion unterscheiden konnte. Sollte Howard dem Okkultisten, der ihn als wiedergeborenen Atlanter bezeichnete, wirklich Glauben geschenkt haben, so ließe sich tatsächlich darüber spekulieren, ob z.B. Kull von Atlantis für Howard vielleicht mehr als eine rein fiktionale Gestalt war, zumal die Atlanter in Howards Werk, ebenso wie die Cimmerier, Vorfahren der Kelten waren, denen Howard sich zugehörig fühlte. De Camp schien dieser Ansicht zu sein, denn als die von ihm und Lin Carter geschriebenen bzw. komplettierten Conan-Geschichten von Fans kritisiert wurden, konterte er in einem Interview mit einer Fanzeitschrift: „[W]e are not crazy the way he was, and hence we find his emotional intensity hard to imitate“ (zitiert nach Herron, „The Dark Barbarian“ 169). Damon Knight attestiert Howard in einer Rezension zu Conan gar „the madman’s advantage of believing whatever he wrote“ (zitiert nach Finn 240). Mark Finn und Don Herron hingegen sind der Meinung, Howard habe sehr wohl zwischen Wirklichkeit und Fiktion unterscheiden können, und die Parallelen zwischen Howards Erzählungen und seinen wirklichen Ansichten zeigten nur, wie sehr der Autor sich in sein Werk eingebracht habe (Finn 95; Herron, „The Dark Barbarian“ 159 f.). Die Frage, was Howard wirklich glaubte, wird sich nie abschließend klären lassen, allerdings spricht seine Vorliebe zur Übertreibung im Stil der texanischen tall tale tradition dafür, dass bestimmte Zitate eher einer lebhaften Phantasie als einem kranken Gehirn zuzuschreiben sind. Als Tatsache steht fest, dass die Idee der vererbten Erinnerungen in Form eines racial memory sowie das okkultistische Prinzip der Reinkarnation maßgeblichen Einfluss auf Howards Werk ausübten.

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3.2.1.4 Dominierende Religionen in Howards Welten

Neben dem bereits erwähnten Glauben an Mitra (welcher außerhalb von „The Hyborian Age“ keine direkte Analogie zum Christentum darzustellen scheint) existieren in Conans Welt zahlreiche weitere Religionen. Cimmerier glauben an Crom, die nordischen Aesir und Vanir an Ymir. In Stygien wird der Schlangengott Set verehrt, in Zamora der Diebesgott Bel. In Kulls Thurian Age ist Valka die dominierende Gottheit, nebenbei existieren in beiden Zeitaltern zahlreiche Glaubensrichtungen, die am Rande erwähnt werden. Es lassen sich hierbei zwei Arten von Religionen bzw. Kulten ausmachen. Zum einen existieren Gemeinschaften, die Götter anbeten, die eindeutig dunkler und teuflischer Natur sind. In Kulls Zeitalter werden in dieser Hinsicht nur der Kult des Black Shadow, welcher nur in der sehr kurzen Erzählung „The Altar and the Scorpion“ erwähnt wird und stark an Lovecraft erinnert,102 sowie der Schlangenkult der serpent men genannt. Obwohl letztere nur in „The Shadow Kingdom“ aktiv auftreten, wird dieser teuflische Kult, dem sich zahlreiche Menschen angeschlossen haben, in mehreren Texten erwähnt. So erfahren wir, dass Kulls Feind Thulsa Doom dem Schlangenkult angehört („The Cat and the Skull“ 115) und dass in der Hauptstadt Valusiens ein Temple of the Serpent existiert, in dem gegen Kull agitiert wird (162). In den Conan- Texten erfahren wir von verschiedensten Kulten um unbekanntere Gottheiten oder Dämonen, mit denen der Cimmerier zu tun bekommt. Besonders interessant ist jedoch, dass auch zu Conans Zeit ein Schlangenkult existiert, der es im finsteren Stygien zu einer Art Staatsreligion gebracht hat. Vermutlich geht die Verehrung des Schlangengottes Set direkt auf den Schlangenkult zurück, der zu Kulls Zeiten bereits aktiv war. Conans wohl bezeichnendste Auseinandersetzungen mit Sets Anhängern findet in The Hour of the Dragon statt. Auf der Jagd nach dem magischen Heart of Ahriman verschlägt es Conan, nach der erfolgreichen Meuterei der Galeerensklaven, in die Gewässer Stygiens, wo er einen Fischer gefangen nimmt. Dieser berichtet von Machtkämpfen zwischen den Priestern Sets und kommentiert diese folgendermaßen:

102 Ein Priester dieses Kultes beschreibt seine Gottheit folgendermaßen: „The real gods are dark and bloody! Remember my words when soon you lie on an ebon altar behind which broods a black shadow forever. Before you die you shall know the real gods, the powerful, the terrible gods, who came from forgotten worlds and lost realms of blackness. Who had their birth on frozen stars, and black suns brooding beyond the light of any stars. You shall know the brain-shattering truth of that Unnameable One, to whose reality no earthly likeness may be given, but whose symbol is — The Black Shadow!“ (137). Die Anleihen bei Lovecrafts Great Old Ones sind unverkennbar.

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„But who am I to say? When priests war with one another a common man can but lie on his belly and hope neither treads upon him“ (204 f.). Diese Haltung zeugt von Unterwürfigkeit gegenüber der herrschenden Klasse und steht im deutlichen Kontrast zu Conans Einstellung, wie aus dessen Reaktion hervorgeht: „Conan snarled in nervous exasperation at this servile philosophy, and turned to his men“ (205). Als Conan an Land geht und die stygische Hauptstadt in Verkleidung betritt, trifft er auf eine Szene, in der Menschen vor einer riesigen Schlange auf die Knie fallen, sodass diese sich ein Opfer ihrer Wahl aussuchen kann:

“The Stygians within Conan’s sight fell to their knees, men and women, and passively awaited their fate. One the great serpent would select, would lap in scaly coils, crush to a red pulp and swallow as a rat-snake swallows a mouse. The others would live. That was the will of the gods. But it was not Conan’s will.“ (208)

Conan tötet die Schlange und ist daraufhin gezwungen, vor dem wütenden Mob zu fliehen, der ihn für diese Blasphemie lynchen möchte (208 f.). Die servile philosophy der Anhänger Sets, die so weit führt, dass man sich blind unterwirft und sein Schicksal passiv hinnimmt, auch wenn es zum Tod führt, bildet den genauen Gegenpol zu Conans unbändigem Freiheitswillen und Kampfgeist. Conans Abneigung gegen eine solche Einstellung erinnert an die Kritik, die Cormac und Wulfhere in „The Temple of Abomination“ zumindest anfangs dem Christentum gegenüber vorbringen, das ebenfalls Unterwerfung predige. Howards Darstellung des Kults von Set lässt sich dementsprechend als kritisch gegenüber dem christlichen Glauben interpretieren, aber auch als religionskritisch im weiteren Sinne – schließlich ist das Christentum nicht die einzige Religion, die in der Menschheitsgeschichte dazu beitrug, bestehende Machtstrukturen zu legitimieren. Dieser ersten, teuflischen Art von Göttern, für die Set wohl das beste Beispiel darstellt, stehen jedoch nicht etwa mächtige Götter des Lichts gegenüber, wie es in typischer FF häufig der Fall ist. Stattdessen zeichnen sich die meisten der etablierteren, nicht ausdrücklich als bösartig dargestellten Gottheiten hauptsächlich durch ihre Abwesenheit und Unbedeutendheit aus. Ruft Conan „By Crom!“, Kull „By Valka!“ oder ein hyborischer Nebencharakter „By Mitra!“ so scheint es sich meistens eher um einen Fluch oder einen Ausdruck der Überraschung zu handeln, als um eine

162

Gebetsformel. Je größer der Ärger des Fluchenden, umso mehr Gottheiten werden häufig angerufen (was auch ein Zeichen für Polytheismus sein mag). Als jemand in „The Phoenix on the Sword“ an Conans Verstand zweifelt, flucht dieser wütend: „By Badb, Morrigan, Macha and Nemain!“ (26). Als der Cimmerier in The Hour of the Dragon ans Bett gefesselt ist und vor sich hin flucht, ruft er ebenfalls eine ganze Reihe von Göttern an: „‘Crom, Ymir, and Mitra!’ raged Conan. ‘Gods and devils, could I but reach the fighting, if but to die at the first blow!’“ (99) Conans Gegenspieler Tarascus ruft unter dem Schmerz einer frisch verarzteten Wunde auch scheinbar willkürlich Gottheiten an: „Ishtar, Mitra and Set! That burns like molten pitch of hell!“ (128) Als Kull von seinem Berater Tu die beleidigende Nachricht eines anderen Königs überbracht wird, reagiert der ‚Barbar‘ mit einem ähnlichen Fluch: „‘Valka, Honen, Holgar and Hotath!’ he roared, mingling deities with heathen gods in a manner that made Tu’s hair rise at the blasphemy“ („Untitled Draft“ 68). Die Tatsache, dass die Namen von Gottheiten häufiger in Flüchen als in Gebeten geführt werden, sowie die scheinbar willkürliche Wahl der jeweils angerufenen Gottheit (auch Conan flucht gelegentlich „By Mitra!“ oder „By Ymir!“) lassen darauf schließen, dass Glaube an und Vertrauen in Götter im Alltag der meisten Menschen in Howards S&S-Universum keine sonderlich große Rolle spielen. Es kommt vor, dass Menschen zu Göttern beten, und das Gebet offenbar erhört wird, wie es in „Black Colossus“ der Fall ist, als Prinzessin Yasmela den Gott Mitra an dessen Altar um Hilfe gegen einen untoten Zauberer anfleht. Der Rat der Stimme, die daraufhin ertönt, lautet: „Go forth upon the streets alone, and place your kingdom in the hands of the first man you meet there“ (161). Da dieser Mann natürlich Conan ist, der den Zauberer ohne jeglichen sichtbaren Beistand Mitras zur Strecke bringt, zeugt dies nicht unbedingt von Mitras Macht auf Erden, außerhalb der Fähigkeit, gute Ratschläge zu geben (sofern man überhaupt davon ausgeht, dass Mitra wirklich zu Yasmela gesprochen hat, und es sich nicht um die Stimme eines versteckten Priester handelte). In „The Altar and the Scorpion“ kommt es ebenfalls zu einer Situation, in der ein Gebet (womöglich) erhöht wird. Zu Beginn der Erzählung betet der junge Protagonist, ein Anhänger des Great Scorpion, an dessen Altar für einen Sieg gegen einen Priester des teuflischen Dark Shadow. Die Geschichte endet damit, dass besagter Priester in einem scheinbaren Augenblick des Triumphs von einem Skorpion gestochen wird und somit den Tod findet. Es ist hierbei unklar, ob der Great Scorpion das Gebet seines Anhängers erhört, oder ob es sich lediglich um einen Zufall handelt. Abgesehen davon wissen wir nicht,

163 ob der Great Scorpion nicht ebenfalls dämonischer oder teuflischer Natur ist – schließlich betet der Protagonist ihn zu Beginn als „God of the crawling darkness“ (135) an. Insgesamt spricht dieses Beispiel also auch nicht gerade für die Macht solcher Gottheiten, die Menschen gegenüber wohlwollend eingestellt sind. Hinzu kommt, dass selbst ein großer Teil derjeniger Götter, die nicht bösartig sind, deswegen noch lange nicht am Wohlergehen der Menschen interessiert sind. Das beste Beispiel hierfür liefert wohl Conans eigene Götterwelt. Der ‚Barbar‘ beschreibt diese in „Queen of the Black Coast“ im Gespräch mit seiner Geliebten Bêlit folgendermaßen:

Their chief is Crom. He dwells on a great mountain. What use to call on him? Little he cares if men live or die. Better to be silent than to call his attention to you; he will send you dooms, not fortune! He is grim and loveless, but at birth he breathes power to strive and slay into a man’s soul. What else shall men ask of the gods? (133)

Dies deckt sich mit der Beschreibung Croms aus „The Tower of the Elephant“:

His Gods were simple and understandable; Crom was their chief, and he lived on a great mountain, whence he sent forth doom and death. It was useless to call on Crom, because he was a gloomy, savage god, and he hated weaklings. But he gave a man courage at birth, and the will and might to kill enemies, which, in the Cimmerian’s mind, was all any god should be expected to do. (64 f.)

In der untergeordneten Rolle, die Religion für Conan einnimmt, sowie in der Passivität der Götter des Hyborian Age, lassen sich abermals religionskritische Elemente in Howards S&S-Literatur erkennen. In „Queen of the Black Coast“ äußert Conan sogar Gedanken, die geradezu agnostisch wirken: „I seek not beyond death. It may be the blackness averred by the Nemedian skeptics, or Crom’s realm of ice and cloud, or the snowy plains and vaulted halls of the Nordheimer’s Valhalla. I know not, nor do I care“ (133). Howard selbst scheint einem Atheismus oder Agnostizismus nicht abgeneigt gewesen zu sein, wie aus seinen bereits erwähnten Aussagen zur Auseinandersetzung zwischen Theologen und Vertretern der Evolutionslehre hervorgeht. Im Jahr 1925

164 schrieb er an Tevis Clyde Smith im Hinblick auf das Leben nach dem Tode einige skeptische Zeilen, welche an die Haltung seines bekanntesten S&S-Charakters erinnern: „Will it be the changing of bodies, the discarding of this form for perhaps a lighter, more beautiful one, or will it be merely the merging of dust to dust? Who knows?“ (zitiert nach Finn 112).

3.2.1.5 Howard und der Existentialismus

An Conans Aussagen in „Queen of the Black Coast“ lässt sich jedoch nicht nur eine Kritik Howards an nutzlos erscheinenden Religionen ausmachen, sondern auch eine konkrete Geisteshaltung, in der Charles Hoffman in seinem Essay „Conan the Existential“ Parallelen zur philosophischen Strömung des Existentialismus erkennt (5 ff.). Hoffman bezieht sich hierbei auf ein berühmtes Zitat Sartres, das einen der Grundsätze des Existentialismus beschreibt: „L’existence précède l’essence“ (Sartre 26) – die menschliche Existenz gehe der Essenz (oder dem Wesen) voraus. Gingen die meisten Philosophen bis dato davon aus, dass der Mensch zu einem bestimmten Zweck erschaffen wurde, so war Sartre der Ansicht, es gebe keine vorgegebene menschliche Natur. Dies unterscheide den Menschen von zweckgebundenen Objekten wie beispielsweise einen Brieföffner, der von Vornherein aus einem bestimmten Grund konzipiert wurde. Die logische Konsequenz dieser Sichtweise führt zu einer weiteren grundlegenden Annahme des Sartre’schen Existentialismus, die dieser in L’existentialisme est un humanisme nennt: „De là le premier principe de l’existentialisme: l’homme n’est rien d’autre que ce qu’il se fait“ (30). Gemäß Sartre bestimmt der Mensch sich und den Sinn seines Lebens nach Eintritt in die Welt selbst. Sartre wendet sich somit gegen Determinismus und betont, dass der Mensch die Möglichkeit zur Wahl hat. Die Philosophin Annemarie Pieper beschreibt Sartres Ansichten folgendermaßen:

Sartre verwendet den Ausdruck Wahl, um noch einmal klarzustellen, dass alles, was ein Mensch ist, Produkt seiner Freiheit ist. Er hat sich gewissermassen [sic] selbst erhandelt und damit als die Person gewählt, die er ist. Alle einzelnen Handlungen gehen auf einen Selbst-Entwurf zurück,

165

durch den sich ein Mensch in seinem Wesen festlegt und zu dem besonderen Individuum gemacht hat, als das er existiert. (200)

Auch die S&S-Texte Howards wenden sich gegen Determinismus. Conan oder Kull werden nicht zu Königen, da es ihr Schicksal ist, sondern da sie sich aus eigenem Antrieb dazu entscheiden und sich die Krone aus eigener Kraft erkämpfen. Die verhältnismäßig schwachen, gleichgültigen und/oder den Menschen nicht wohlgesonnenen Götter, sofern sie überhaupt mit der Schöpfung des Menschen zu tun hatten (Howard liefert für sein S&S-Universum keinen Schöpfungsmythos), geben dem Menschen keine Bestimmung mit auf den Weg. Conan, als der wohl typischste Held in Howards S&S-Literatur, ist, wie Hoffman richtig feststellt, „[t]he consummate self- determining man, alone in a hostile universe“ (8). Die von Hoffman aufgrund der Kürze seines sechsseitigen Essays oft nur angerissenen Parallelen zwischen Howards Werk und existentialistischen Theorien sind es wert, an dieser Stelle genauer analysiert zu werden. Bevor Sartre sein Hauptwerk L’être et le néant verfasste, schrieb er mit La nausée einen Roman, der die Absurdität thematisiert, die aus einer fehlenden menschlichen Natur und einem fehlenden (vorausbestimmten) Sinn im Leben des Menschen hervorgeht. Noch viel stärker steht die Absurdität des menschlichen Daseins jedoch bei Albert Camus im Mittelpunkt. In Le mythe de Sisyphe beschreibt er diese folgendermaßen:

Un monde qu’on peut expliquer même avec de mauvaises raisons est un monde familier. Mais au contraire, dans un univers soudain privé d’illusions et de lumières, l’homme se sent un étranger. Cet exil est sans recours puisqu’il est privé des souvenirs d’une patrie perdue ou de l’espoir d’une terre promise. Ce divorce entre l’homme et sa vie, l’acteur et son décor, c’est proprement le sentiment de l’absurdité. (20)

Aus einigen der Aussagen, die Conan in „Queen of the Black Coast“ trifft, scheint genau diese Art der Absurdität zu sprechen. Über das Jenseits weiß Conan Folgendes zu berichten: „There is no hope here or hereafter in the cult of my people. In this world men struggle and suffer vainly, finding pleasure only in the bright madness of battle; dying, their souls enter a gray, misty realm of clouds and icy winds, to wander cheerlessly throughout eternity“ (33). In „The Phoenix on the Sword“ liefert Conan eine

166 sehr ähnliche Beschreibung des cimmerischen Jenseits (13). Conan hat also, wie Camus, mit der Sinnlosigkeit bzw. Absurdität eines Daseins zu kämpfen, das eines inhärenten Zwecks oder einer Hoffnung auf ein glückliches Leben nach dem Tode beraubt ist. Camus beschäftigt sich mit der Frage, wie man in einem solchen Leben überhaupt noch Zufriedenheit finden kann. Hierzu zieht er den Mythos des Sisyphos heran, dem als göttliche Strafe auferlegt wurde, auf ewig einen Felsen einen Berg hochzurollen, nur um dann ein fürs andere Mal mitansehen zu müssen, wie der Fels den Berg wieder hinabrollt. Camus versteht Sisyphos’ Strafe als Analogie zu der Situation, in der wir Menschen uns täglich befinden, da wir gezwungen sind, ein absurdes Leben ohne Hoffnung auf Besserung oder Erlösung zu führen.103 Gerade in den Momenten, in denen Sisyphos sich der Ausweglosigkeit seiner Situation bewusst wird – in den Pausen, in denen er den Berg wieder hinabsteigen muss – kann er aber gleichzeitig so etwas wie Glück finden: „Toute la joie silencieuse de Sisyphe est là. Son destin lui appartient. Son rocher est sa chose. De même, l’homme absurde, quand il contemple son tourment, fait taire toutes les idoles“ (167). Momente des Glücks entstehen für Sisyphos, wie für den Menschen, der sich der Absurdität seiner Existenz bewusst ist, gerade weil er die Wahrheit erkannt hat und sich nicht in Illusionen stürzen muss. Sein Fels bzw. sein hoffnungsloses Leben gehören alleine ihm, und er ist nicht auf falsche Götter angewiesen. Der Mensch kann der Absurdität des Daseins laut Camus nicht entfliehen, sollte aber trotzdem nicht den Selbstmord suchen, sondern in den Zustand einer „révolution permanente“ (78) treten – ein trotzendes Sich-Auflehnen gegen die eigene ausweglose Situation. Ähnlich wie Camus schafft es auch Conan trotz seiner Einsicht, dass das Leben absurd sei, diesem paradoxerweise glückliche Momente abzuringen:

„I seek not beyond death. […] I know not, nor do I care. Let me live deep while I live; let me know the rich juices of red meat and stinging wine on my palate, the hot embrace of white arms, the mad exultation of battle when the blue blades flame and crimson, and I am content. Let teachers and priests and philosophers brood over questions of reality and illusion. I know

103 Wie bei Sisyphos wird die Situation des Menschen erst in dem Moment tragisch, da er sich der Ausweglosigkeit seiner Lage bewusst wird (111). Lebt beispielsweise ein Christ in der festen Überzeugung, ihn erwarte ein Platz im Paradies, so liegt keine Tragik vor. Dies wäre, also ob Sisyphos bei jedem neuen Versuch, den Felsen hochzurollen, Hoffnung auf Erfolg hätte.

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this: if life is an illusion, then I am no less an illusion, and being thus, the illusion is real to me. I live, I burn with life, I love, I slay, and am content.“ („Queen of the Black Coast“ 133)

Auch Conan flüchtet sich nicht in Illusionen an ein Leben nach dem Tod. Stattdessen kämpft er (wenn auch im wörtlicheren Sinne als von Camus gemeint) gegen die Hoffnungslosigkeit, die ihn umgibt. Camus beschreibt „le défi“ (54) als „seule vérite“ (54) des Menschen, der sich der Absurdität seines Daseins bewusst ist und Tag für Tag gegen diese ankämpft. Defiance gehört sicher auch zu den Eigenschaften, die den Charakter Conans am besten beschreiben, wenn er sich in noch so hoffnungslosen Situationen – etwa angekettet vor seinen Feinden in The Hour of the Dragon – weigert, sein Schicksal hinzunehmen. Dem Existentialismus liegt eine äußerst komplexe Philosophie zugrunde, die man an dieser Stelle nicht in ihrer Gänze erfassen kann, zumal philosophische Strömungen ebenso schwierig abzugrenzen sind wie literarische Gattungen (man bedenke nur, dass Camus sich selbst nicht als Existentialisten betrachtete). Trotzdem erscheint Hoffmans Essay besser recherchiert als z.B. der Aufsatz Connors’, und nach einer Lektüre Sartres und Camus’ lässt sich feststellen, dass Hoffman zumindest nicht ganz falsch liegt, wenn er Howard als „unconscious existentialist“ (6) bezeichnet.104 Sicher lässt sich der Verdacht nicht ganz von der Hand weisen, dass Hoffman mit seinem Artikel eine Aufwertung Howards im Sinne hat. Auch mag man den Begriff unconscious existentialist als Widerspruch in sich empfinden. Trotzdem sind die Parallelen hinsichtlich der Philosophien Sartres und Camus’ sowie Conans skeptisch- nihilistisch-‚heroischer‘ Grundhaltung nicht von der Hand zu weisen. Es ist somit durchaus legitim, bezüglich Howards S&S-Literatur zumindest von existentialistischen Zügen zu sprechen.

104 Unconscious natürlich alleine schon deshalb, da Howard bereits nicht mehr am Leben war, als Sartre und andere Philosophen das theoretische Fundament des Existentialismus legten.

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3.2.1.6 Das resultierende Wertesystem

Alle bisher in Kapitel 3 in Bezug auf Howard angestellten Betrachtungen fügen sich zu einem großen Gesamtbild zusammen. In Howards Weltsicht, die sich (nicht nur) in seiner S&S-Literatur manifestiert, steht die Freiheit des Einzelnen an oberster Stelle. Howards S&S wendet sich gegen Gesellschaftssysteme, die Freiheit einschränken und autoritäre Machtstrukturen etablieren. Sowohl politische Ideologien als auch solche Religionen, die der Rechtfertigung entsprechender Machtstrukturen dienen, werden in Howards S&S überwiegend negativ dargestellt. Eine Rebellion gegen diese ist gerechtfertigt. Blinder Glauben an höhere Mächte, Schicksal oder andere transzendente Instanzen wird bei Howard zudem scharf kritisiert. Seine Helden sind stets in der Lage, durch Eigeninitiative ihre Ziele zu erreichen. Trotz einer pessimistischen Grundstimmung und trotz der Bedrohungen, gegen die der Mensch stets anzukämpfen hat und denen gegenüber er sich als der Stärkere zu beweisen hat, ist er in der Lage, ein gewisses Maß an Zufriedenheit im Hier und Jetzt zu finden. Vergleicht man die Werte, die für Howard ausschlaggebend sind, mit den Werten, die Tolkien in LOTR hervorhebt, so wird klar, dass die Werke beider Autoren – und mit ihnen S&S sowie typische FF, deren zentrales Werk sie jeweils bilden – in dieser Hinsicht im fundamentalen Gegensatz zu einander stehen. Wo Tolkien ein feudalistisches Königtum verklärt, verachtet Howard dieses als Ausgeburt dekadenter ‚Zivilisation‘. Aragorn wird König, da dies seine Bestimmung und sein Geburtsrecht ist – Conan und Kull machen sich selbst aus eigener Kraft und eigenem Antrieb zu Königen und töten hierzu ihre blaublütigen Vorgänger. Ihre Legitimation liegt im Recht des Stärkeren (jedoch womöglich auch im Recht des moralisch Überlegenen – so nennt Mathews neben „physical strength“ (127) auch „courage, instinctive rightness of thinking, and respect for individual freedom“ (127) als Kennzeichen dessen, was Howards kingship of the fittest auszeichnet). Mathews hat deshalb völlig recht, wenn er feststellt: „[Conan’s] appeal as a character is not rooted in the traditional hierarchical valuation of kingship based on lineage and virtue that we find in Tolkien. […] Conan is the American prototype for a bottom-up approach to fantasy“ (118) Dieser bottom-up approach äußert sich auch darin, dass Kull und Conan soziale Außenseiter sind, die sich von ganz unten nach ganz oben hocharbeiten – ganz im Gegensatz zu den Protagonisten Tolkiens, die in der Regel eine angesehene Stellung innerhalb ihrer Gesellschaft besitzen, selbst wenn sie nicht blauen Blutes sind. Mathews

169 bezeichnet die Konzepte Howards und Tolkien auch als die des vertical bzw. horizontal hero (126).105 McCullough weist in „The Demarcation of Sword and Sorcery“ auf einen weiteren Aspekt hin, hinsichtlich dessen sich die Helden in Tolkiens FF und Howards S&S grundsätzlich unterscheiden: In LOTR ziehen die Gefährten in den Kampf, da sie durch äußere Umstände dazu gezwungen werden, bzw. da sie bereit sind, sich für eine größere Sache aufzuopfern. Conan dagegen sucht aus eigener Initiative das Abenteuer und kämpft, da dies seinen Lebensinhalt darstellt. Die Hobbits sind sicher besonders zögerlich, doch auch menschliche Helden wie Aragorn oder Faramir handeln in LOTR eher aus Notwendigkeit denn aus eigener Initiative, wie McCullough richtig feststellt:

Aragorn takes the crown of Gondor, not out of a sense of personal achievement or a lust for power, but because only by doing so can he save the race of man. Perhaps the feelings many [sic] of the heroes of The Lord of the Rings can be summed up in the words of the human warrior Faramir, “War must be, while we defend our lives against a destroyer who would devour all; but I do not love the bright sword for its sharpness, nor the arrow for its swiftness, nor the warrior for his glory. I love only that which they defend.”

Stellt man dieser Feststellung Faramirs die Aussagen Conans gegenüber, die dieser in seiner philosophischen Diskussion mit Bêlit in „Queen of the Black Coast“ trifft, wird besonders deutlich, wie sich die Helden in Howards S&S von denen Tolkiens unterscheiden: Conan lebt allein für die Dinge, die ihm in seiner düsteren Welt Freude bereiten: gutes Essen, Wein, Frauen, Kampf – wobei letzterer keine ultima ratio sondern einen ‚natürlichen‘ Bestandteil der menschlichen Existenz darstellt. Neben der Darstellung der Helden unterscheiden sich Howards S&S und

105 Eine interessante Passage über einen der berühmtesten Könige überhaupt findet sich im Dialog zwischen Cormac Mac Art und Wulfhere Skull-splitter in „The Temple of Abomination“. Unmittelbar bevor die beiden Protagonisten auf das Christentum zu sprechen kommen, erzählt Cormac von König Artus und dessen Rittern. Artus sei in Wahrheit nicht der Sohn Uther Pendragons, sondern „a shock- headed savage with a love for battle“ (206), der weder lesen noch schreiben könne und so unzivilisiert sei, dass Wulfheres Wikinger neben ihm wie feine Damen wirken würden (206). Lancelot sei „[a] renegade Gallo-Roman who has made an art of throat-cutting“ (206). Cormac entmystifiziert hier diejenigen Figuren, die zentral für das höfische Epos des Mittelalters waren und die Vorbilder für zahlreiche edle Ritter innerhalb der FF lieferten. Dies könnte man als Anhaltspunkt dafür sehen, dass Howard sich gegen eine Romantisierung des Königtums im Allgemeinen wendet.

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Tolkiens LOTR auch hinsichtlich des Auftretens höherer Mächte. Tolkiens Kosmologie enthält einen Konflikt zwischen ‚Gut‘ und ‚Böse‘, der von Repräsentanten dieser Mächte auf Erden ausgefochten wird, so etwa Gandalf und Sauron. Bei Howard spielen höhere Mächte zum einen eine geringere Rolle und treten zum anderen moralisch ambivalenter auf, wobei Übernatürliches tendenziell eher mit unheilvollen Kräften in Verbindung gebracht wird. Bei Tolkien existiert eine ‚natürliche‘ Ordnung der Dinge, die allen Wesen einen Platz zuweist. Bei Howard hingegen stehen Menschen und Völker im ständigen Konflikt und schaffen sich ihren Platz im Universum (zumindest temporär) selbst. Der ‚natürliche‘ Zustand ist hier einer des ständigen Kampfes ums Dasein. Entsprechend unterschiedlich fallen Tolkiens und Howards Ansichten zum Thema ‚Auflehnung‘ aus: Bei Tolkien kommt eine Rebellion gegen bestehende Autoritäten einer Todsünde gleich, bei Howard wird sie gutgeheißen und als ‚natürlich‘ erachtet. Während Tolkiens Werk eine optimistischen Grundstimmung innewohnt, „an underlying affirmation that goodness will triumph over evil by grace“ (Mathews 126), ist Howards S&S mit ihrer existentialistisch anmutenden Grundphilosophie von „an overwhelming darkness and despair that can at any moment gain the upper hand“ (Mathews 132) durchzogen. Versucht man nun ein Urteil über die Wertvorstellungen zu fällen, die bei Tolkien bzw. Howard affirmiert werden, so mag man es Tolkien anrechnen, dass dessen Weltbild wohl friedlicherer Art ist, da die ‚natürliche‘ Ordnung der Dinge, die von den Mächten des ‚Guten‘ angestrebt wird, offenbar ein harmonischer Idealzustand ist. Bei Howard hingegen wird körperliche Gewalt als akzeptables Mittel zum Erreichen persönlicher Ziele (die nicht immer moralisch unbedenklich sind) dargestellt. Auf der anderen Seite propagiert LOTR jedoch die Akzeptanz einer Art scala naturae sowie bestehender Autoritäten, die nicht demokratischer Natur sind. Howards S&S, die persönliche Freiheit und Eigeninitiative als höchstes Gut präsentiert, scheint hier in vielerlei Hinsicht moderner und emanzipatorischer als Tolkiens magnum opus.106 Es ist

106 George Knight wendet sich in „Robert E. Howard: Hard-boiled Heroic Fantasist“ vehement gegen Kritiker “[who] applaud the notion of a character such as Aragorn in Tolkien’s Lord of the Rings overcoming great hardships to regain the crown of kingship that is his right by heritage, but […] damn the Howardian barbarian such as Conan or Kull for deposing corrupt monarchs and tearing the crown from their heads with their own blood-covered hands. They simply do not seem to approve of the common man. Instead, their values seem firmly attached to the tradition of the divine right of kings inherited from our European past“ (129). Howards Liebe zum ‚kleinen Mann’ und zum Ausgestoßenen, sowie seine Abgneigung gegenüber organisierten Autoritäten in Form von Regierungen, Religionen und Vorgesetzten „made him unpalatable for critics who prefer aristocracy in their literature, but these are the qualities that place him firmly in the tradition of American literature“ (131).

171 durchaus denkbar, dass typische S&S sich gerade aufgrund der Modernität von Howards Werk, die sich u.a. in einer existentialistisch anmutenden Grundphilosophie niederschlägt, als so offen für neue Entwicklungen bis hin zu Delanys postmodernen Texten erwiesen hat.

3.2.2 Fritz Leiber

3.2.2.1 Einflüsse der Evolutionslehre

Spürt man bei Howard noch den starken Einfluss solcher Strömungen, die Darwins Evolutionslehre auf Individuen und Gesellschaften anwenden, so spielen diese bei Leiber eine geringere Rolle. Das Überleben des Individuums hängt zumindest nicht von körperlicher Kraft ab: Auch ein eher schwacher Mensch wie der Mouser kann durch Gerissenheit sein Überleben sichern – wohingegen der hünenhafte Fafhrd mitunter verletzlicher wirkt, da er häufig auf eine Rettung durch den Mouser angewiesen ist und außerdem auf Rime Isle einen Arm verliert, während der Mouser sämtliche Torturen in „The Mouser Goes Below“ offenbar unbeschadet übersteht. Im Bereich von Völkern und Nationen scheinen in Leibers Nehwon weit weniger kriegerische Auseinandersetzungen vorzuherrschen als in Howards Hyborian Age. Es existiert keine umkämpfte frontier zwischen zwei Völkern, die um Vorherrschaft und Dasein kämpfen wie im Falle von Howards Aquiloniern und Pikten. Die bei Howard bestehende Idee eines ‚Barbarenvolkes‘, das eine dekadent gewordene ‚zivilisierte‘ Welt überrennt, wird bei Leiber nur augenzwinkernd thematisiert, und zwar durch das Volk der Mingols, deren Zerstörungswut und selbstmörderischer Blutdurst in „Rime Isle“ so überzogen dargestellt wird, dass man schon von einer Parodie sprechen kann.

172

3.2.2.2 Leibers Helden und die Moral

Während Conan häufig einer Art Ehrencodex zu folgen scheint, handeln Leibers Helden nahezu durchgehend amoralisch, wie der Autor selbst in einem Vorwort feststellt: „they drink, they feast, they wench, they brawl, they steal, they gamble, and surely they hire out their swords to powers that are only a shade better, if that, than the villains“ („Author’s Note“ 3). Der Erzähler in „The Mouser Goes Below“ spricht von „two humorous dark-side heroes“ (518) und ihrer „hero-villain role“ (520). Zwar bringt Fafhrd eine gewisse Unschuld mit sich, als er aus seiner Heimat in die ‚Zivilisation‘ flüchtet, doch eignet er sich die negativen Eigenschaften, die ein Überleben in Lankhmar erfordert, schnell an. Sicherlich trägt Fafhrd weniger dunkle Züge als sein Weggefährte Gray Mouser, doch schreckt er nicht davor zurück, zu morden, als Söldner tätig zu werden oder Frauen zu betrügen bzw. schwanger zurückzulassen. Im Falle des Mousers stellt sich sogar die Frage, inwiefern dieser nicht nur amoralische, sondern unmoralische bzw. bösartige Züge trägt. Fest steht, dass er ein sehr eitler Mensch ist, denn für die Fahrt nach Rime Isle heuert er eine Crew von Dieben an, die allesamt noch kleiner sind als er (während Fafhrd Berserker anheuert, die zum Teil noch riesenhafter sind als er selbst). Auf der Überfahrt selbst zeigt sich dann die sadistische Seite des Mousers. Das Schikanieren seiner Crew empfindet er in „The Frost Monstreme“ als „delight as well as duty“ (298), und er erfreut sich daran, „[h]ow quaintly Pshawri squealed when shrewdly thwacked with Cat’s-Claw’s scabbard“ (298). Auf einer späteren Handelsreise empfindet er „considerable pleasure in noting that several of [his crew] seemed to be suffering from worse hangovers than his own“ („Rime Isle“ 369). Die sadistische Ader des Mousers erstreckt sich auch auf dessen sexuelle Vorlieben. Dass der Mouser seine Phantasien dabei gerne mit minderjährigen Mädchen auslebt, wie etwa in „The Mer She“ ist freilich nicht unproblematisch. Inwiefern der Mouser als Charakter, sowie Leibers S&S-Texte als Ganzes, misogyne Züge tragen, werde ich in Kapitel 3.3.2 noch genauer untersuchen. In jedem Fall blickt der Mouser in „The Sadness of the Executioner“ auf eine „mazily crooked lifetime“ (241) zurück. Als er in „The Mouser Goes Below“ zum mehr oder weniger unfreiwilligen Voyeur wird, der die sadistischen Liebesspiele seiner ehemaligen Geliebten Hisvet mitansieht, hat diese das Gefühl, eine „evil intelligence“ (610) beobachte sie. Freg, eine Frau, die der Mouser einst schwanger zurückließ, teilt diese Einschätzung über den Mouser: „The best of what I know of the uses of evil and falsity

173 was taught me by that devil“ (654). Andererseits lässt der Mouser seinen Freund Fafhrd nie im Stich – auch nicht, als er in „The Frost Monstreme“ durch Geld in Versuchung geführt wird (295). Zudem scheint das Leben auf Rime Isle einen positiven Einfluss auf ihn zu haben: So wird er sesshaft, geht erstmals eine feste Bindung mit einer Frau ein und äußert nach den Qualen, die er in „The Mouser Goes Below“ erlitten hat (und die vielleicht als Strafe für sein Fehlverhalten in der Vergangenheit zu sehen sind), er sei des Tötens müde (692). Die Frage, inwiefern seine Helden bösartige Züge tragen, beantwortet Leiber selbst folgendermaßen: „I don’t think they’re touched with evil […], rather they’re rogues in a decadent world where you have to be a rogue to survive“ („Author’s Note“ 3). Wie wichtig es in Leibers Welt für das eigene Überleben ist, ein Halunke zu sein, wird in „The Sadness of the Executioner“ deutlich, als der Tod, dem Fafhrd und der Mouser einmal mehr entkommen sind, zum Ausgleich zwei andere Helden tötet, um sein Soll zu erfüllen. Seine Wahl fällt auf „two most noble and blameless heroes […], two brothers sworn to perpetual celibacy and also the rescue of at least one damsel in distress per moon“ (244). Durch die amoralische oder mitunter sogar unmoralische Grundeinstellung seiner Helden wirft Leiber den Ehrencodex über Bord, den typische Helden von S&S (sowie die moralisch meist noch viel integreren Helden anderer FF- Werke) besitzen. Hierbei handelt es sich um ein weiteres Instrument, das Leiber zur Subversion von Gattungskonventionen verwendet.

3.2.2.3 Religion in Leibers Werken

In Leibers S&S-Universum treten Götter und andere höhere Mächte weit stärker und direkter in Erscheinung als bei Howard, so etwa die Vielzahl der Nehwon’schen Götter oder der als Person auftretende Tod, die mit Godsland und Shadowland jeweils einen konkreten geographischen Ort innerhalb Nehwons bevölkern. Sowohl Götter als auch der Tod vermögen es mitunter, Menschen zu ihren Spielbällen zu machen. Als der Mouser in „Rime Isle“ beispielsweise von Loki besessen ist, hat er das Gefühl „of being the tool and sport of mysterious forces vastly more powerful than himself“ (378). Ähnlich verhält es sich in „The Mouser Goes Below“, wo der Mouser es abermals mit Loki und dessen Rache zu tun bekommt: „One thing stood out: any world in which a

174 man could be twitched into his grave by the legerdemain of some mad principality or power was monstrously unfair“ (558). Auch der Tod ist bisweilen in der Lage, über Menschen und deren Schicksal zu bestimmen, wie aus der spielerischen Leichtigkeit hervorgeht, mit der er in „The Sadness of the Executioner“ diverse Bewohner Nehwons tötet, deren Zeit abgelaufen ist. Auch Fafhrd und der Mouser sind wohl Teil der Ränkespiele des Todes, denn sie werden in der gleichen Erzählung als „most useful pawns in Death’s finest games“ (238) beschrieben. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass sowohl feindlich gesonnene Götter als auch der Tod, trotz all ihrer Macht, nie in der Lage sind, Fafhrd und den Mouser zu bezwingen. Die Götter, die einem Triumph über die beiden Helden noch am nächsten kommen, Odin und Loki, sind ausgerechnet solche, die nicht in Nehwon heimisch sind, sondern aus unserer Primärwelt dorthin gelangten. Die Götter Nehwons sind zudem keine erhabenen Wesen, sondern wirken mit ihren Problemen und Streitereien nur allzu menschlich. Bryce drückt es folgendermaßen aus: „Like the authoritarian rulers of Nehwon, the gods of Nehwon are petty, juvenile, demanding, and self-centered, ‘stupid and provincial’ (‘The Curse of the Smalls and the Stars’ 490)“ (164). In „Under the Thumbs of the Gods“ findet sich bei Leiber eine ähnliche Beschreibung: „[T]he gods are jealous, easily angered, perverse, and swift to thwart (258). Noch viel wichtiger ist jedoch eine andere Feststellung Bryces in Bezug auf die Götter Nehwons: „They are jokes, generally used for comedic effect“ (165). Besonders deutlich trifft dies sicherlich auf die ‚Götter‘ bzw. deren Priester in „Lean Times in Lankhmar“ zu, die sich auf den Straßen Lankhmars zu Hunderten tummeln und mit ihrem Leidensweg – „various inevitable tortures, castrations, blindings and stonings, impalements, crucifixions, quarterings and so forth“ (415) – um Aufmerksamkeit buhlen. Bryce sieht hier völlig zu Recht „a thinly veiled lambasting of organized religions“ (163) bzw. „a parody of organized religion (particularly many martyrs and saints of Catholicism)“ (164). Interessanterweise sind die Götter, sogar diejenigen, die keine bloßen Scharlatane sind, sondern es bis nach Godsland geschafft haben, tatsächlich von der Aufmerksamkeit ihrer Anhänger abhängig und nicht in der Lage, ohne diese zu existieren. Wiederholt wird erwähnt, dass ein Gott, der keine Anhänger mehr besitzt, wie ein gewöhnlicher Sterblicher vom Tod abgeholt wird („Thumbs 258“, „Rime Isle“ 340, „Below“ 529). Besonders stark fürchten sich vor diesem Schicksal offenbar die Götter Kos, Mog und Issek – „small-time gods“ („Curse“ 488) aus einer „slum corner of Heaven“ („Curse“ 477), die von Fafhrd bzw. dem

175

Mouser zu einer bestimmten Zeit verehrt wurden. Obwohl Fafhrd den Gott Issek und der eigentlich atheistische Mouser den Gott Mog nur jeweils für einige Wochen (und mit bestimmten Hintergedanken) verehrten, werden die beiden Helden als „the most noteworthy worshippers these three gods had ever had“ („Thumbs“ 258) und als „the two most illustrious (though often back-sliding) worshippers“ („Below“ 527) sowie „chief worshippers“ („Below“ 528) bezeichnet. Genau wie diese Götter eifersüchtig sind, da ihre ehemaligen Anhänger sich auf Rime Isle mit Atheisten umgeben („Curse“ 471 f.), leiden auch die vermeintlich mächtigen Magier Ningauble und Sheelba unter der Abwesenheit ihrer beiden Protegés, ohne die ihre Zaubersprüche nicht mehr zu funktionieren scheinen („Curse“ 470). Freilich gelingt es weder Göttern noch Magiern, die beiden Protagonisten nach Lankhmar zurückzuholen. Abgesehen von Flüchen und Ränkespielen scheint die Macht der Götter Nehwons ohnehin eingeschränkt zu sein. So können diese beispielsweise keine Gedanken lesen („Rime Isle“ 374) und fürchten sich vor womöglich existierenden ‚höheren‘ Göttern, die diese Fähigkeit beherrschen könnten („Thumbs“ 263). Die Abhängigkeit der Götter und anderer höherer Wesen von der Aufmerksamkeit der Menschen stellt in gewisser Hinsicht eine Inversion der Great Chain of Being dar, wie sie etwa in Tolkiens Werk besteht. Zudem wird in „Under the Thumbs of the Gods“ impliziert, dass Götter nicht nur von der Verehrung durch Menschen abhängig sind, sondern es sogar die Menschen sind, die Götter erschaffen: „Godsland is overcrowded, a veritable slum, all because of man’s perverse thirst for variety“ (263). Leiber spielt hier auf den Konstruktcharakter von Religion an. Bedenkt man nun, dass die atheistische Republik von Rime Isle in einem äußerst positiven Licht gezeichnet ist und die größte Bedrohung für diese Insel durch die religiöse Ader Afreyts und Cifs heraufbeschworen wird (welche die Götter Odin und Loki auffinden und gesundpflegen), so sind Leibers Texte um Fafhrd und den Gray Mouser insgesamt als stark religionskritisch zu betrachten. Die Darstellung von Religion bei Leiber erinnert an die Religionskritik Ludwig Feuerbachs, welche dieser in Das Wesen des Christentums entwirft. Feuerbach betrachtet Gott als Projektion menschlicher Wünsche und Sehnsüchte. Alles vermeintlich Göttliche hat dementsprechend seinen Ursprung im Menschen, ähnlich wie die Götter Nehwons, die ohne menschliche Anhänger nicht existieren könnten. Feuerbach wünscht sich eine Verwandlung der Theologie in eine Anthropologie und möchte, dass der Mensch seine Kräfte aufwendet, um anderen Menschen zu helfen, und

176 nicht, um einer imaginären Gottheit zu dienen. Positive Werte wie Liebe, Weisheit und Gerechtigkeit sollen in den Dienst des Menschen gestellt werden. Entsprechende Anklänge finden sich ebenfalls bei Leiber, dessen Helden in der atheistischen Gesellschaft Rime Isles wesentlich mehr Zuneigung und Gerechtigkeit erfahren als zu ihrer Zeit als Abenteurer auf dem religiös geprägten Hauptkontinent. Es ist unklar, ob Leiber Feuerbach gelesen hat. Aufgrund der Rolle, die Feuerbach auf die Entwicklung atheistischer Bewegungen im 19. und 20. Jahrhundert gespielt hat (u.a. durch seinen Einfluss auf Karl Marx), kann man ihn aber in jedem Fall als ideologische Quelle Leibers betrachten.

3.2.2.4 Das resultierende Wertesystem

Leibers Welt ist weitgehend korrupt, wobei ‚Zivilisation‘ sich als noch etwas korrupter als ‚Barbarei‘ erweist. Der ‚Barbar‘ Fafhrd weist vor seiner Ankunft in Lankhmar zumindest Spuren einer kindlich-jugendlichen Unschuld auf, sowie diverse positiven Eigenschaften, die ihn gemäß Vlana ungeeignet für ein Leben in der ‚Zivilisation‘ machen (vgl. 3.1.2). Nun könnte man vermuten, der Mouser habe in seiner Jugend eine ähnliche Unschuld besessen, bevor ihn die traumatischen Erlebnisse in „The Unholy Grail“ prägten. Der Tod seines Meisters, die Folter durch Janarrl und der Einsatz dunkler Magie haben sicher zur Persönlichkeitsbildung des Protagonisten beigetragen, der im letzten Satz der Erzählung erstmals als ‚Gray Mouser‘ anstatt als ‚Mouse‘ bezeichnet wird. Trotzdem gibt es deutliche Hinweise dafür, dass der Mouser von Anfang an eine starke Prädisposition zu dunkler Magie und die damit verbundenen negativen Charakterzüge besaß. So hatte ihn sein Meister bereits in der Vergangenheit als „Gray Mouse, still midway in his allegiance between white magic and black“ (81) bezeichnet, wobei er sich im Klaren war, dass der Mouser den Pfad der Weißen Magie nicht einschlagen würde: „You are more tempted by the hot lips of black magic than the chaste slim-fingered of white […]. I fear you will never be mouse in the end but mouser. And never white but gray – oh well, that’s better than black“ (84). Der Mouser als Produkt der ‚Zivilisation‘ ist also kein ‚gefallener‘ Held. Eine Karriere als amoralischer Überlebenskünstler war ihm als Produkt der ‚Zivilisation‘ – im Gegensatz zu Fafhrd – bereits in die Wiege gelegt. Das ‚Gute‘ existiert bei Leiber aber nicht nur

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(sehr eingeschränkt) in der ‚barbarischen‘ Heimat Fafhrds, sondern (wesentlich deutlicher) auf Rime Isle. Dieser Ort bietet beiden Helden die Möglichkeit, ihr restliches Leben in Frieden zu verbringen und zeigt, dass Leibers Welt, trotz aller Korruption, nicht ganz ohne Hoffnung ist. Wenn Leiber die bevorzugten Tätigkeiten seiner beiden Helden beschreibt – „they drink, they feast, they wench, they brawl, they steal, they gamble“ („Author’s Note“ 3) – so erinnert dies frappierend an Conans philosophische Aussage in „Queen of the Black Coast“: „I live, I burn with life, I love, I slay, and am content“ (133). Genau wie Conan haben Fafhrd und der Mouser keine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Genau wie Conan erwartet die beiden kein vorherbestimmtes Schicksal, liefert ihnen kein höheres Ziel Ansporn. Stattdessen müssen sie ihr Leben selbst mit Sinn erfüllen und tun dies, indem sie sich in wilde Abenteuer stürzen, wie auch Bryce feststellt: „Frequently their only motivation for adventure is curiosity, their only goal quickly turns to survival“ (149). McCullough drückt es folgendermaßen aus: „In short, Fafhrd and the Grey [sic] Mouser are motivated by their lust for life and lust for adventure.“ Höhere Wesen existieren bei Leiber zwar, werden jedoch als so lächerlich dargestellt, dass es keinen Sinn macht, auf sie zu vertrauen. Ironischerweise leiden bei Leiber selbst Götter und, wie Gary William Crawford in „Death, Rebirth and Existentialism“ feststellt, der Tod selbst unter einer „existential crisis“ (83), da sie schließlich allesamt ebenfalls sterblich sind. Ebenso wenig wie bei Howard gibt es in Leibers S&S einen von höheren Mächten vorherbestimmten Sinn des Lebens, und dementsprechend durchdringt Leibers Werk eine Grundphilosophie, die dieselben existentialistischen, pessimistischen Züge trägt wie die Howards und offenbar typisch für S&S ist. Im Falle Leibers wird diese Philosophie noch durch beißende Ironie und Zynismus angereichert. Leibers Welt ist größtenteils, aber nicht absolut korrupt. Der deutlichste Unterschied zwischen Leibers Helden und Howards Conan besteht darin, dass für Fafhrd und den Mouser nach ihrer Niederlassung auf Rime Isle immerhin die Option auf einen friedlichen Lebensabend abseits von Korruption, Kampf und Tod besteht – eine Möglichkeit, die Howard in seiner wesentlich stärker ‚sozialdarwinistisch‘ geprägten Weltsicht für Conan nie in Erwägung zieht.

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3.2.3 Samuel R. Delany

3.2.3.1 Delanys Protagonisten und die Moral

Hinsichtlich ihrer moralischen Integrität gibt es große Unterschiede innerhalb Delanys Protagonisten. Auffällig ist, dass die beiden weiblichen Hauptfiguren Norema und Pryn107 kaum negative Eigenschaften besitzen und an kaum einer Stelle a- oder unmoralisch handeln (im Gegensatz zu einigen weiblichen Nebencharakteren). Auf die Implikationen dieser Beobachtung wird unter 3.3.3 genauer eingegangen. Daneben gibt es aber auch zahlreiche (männliche) Protagonisten, deren Verhaltensweisen sich deutlich amoralischer gestalten. Der unbenannte Schmuggler, aus dessen Perspektive „The Tale of Fog and Granite“ erzählt wird, ist ein Kleinkrimineller, der vor allem auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und dessen Leben von „scheming and scuffling, […] cheating and wheedling“ (33) geprägt ist. Als er auf einer seiner Schmuggeltouren einen Studenten auf seinem Ochsenwagen mitnimmt, so tut er dies nicht aus altruistischen Gründen, sondern um nach außen hin wie ein ehrlicher Händler zu wirken (82). Auch das Verhalten, das er Frauen gegenüber an den Tag legt, wirkt egoistisch. So berichtet er wiederholt von drei Frauen, mit denen er gleichzeitig Affären hatte, bis eine von den anderen erfuhr (50). Auch gegenüber Pryn, mit der er in Neveryóna ein Verhältnis hat, verhält er sich verantwortungslos. Da er sich betrinkt und nicht in der Lage ist, die Rechnung zu bezahlen, ist Pryn gezwungen, sich zu prostituieren (Neveryóna 279 f.). Mit Clodon findet sich in „The Tale of Rumor and Desire“ ein noch wesentlich düsterer Protagonist, der nicht vor sexueller Gewalt, Diebstahl und Mord zurückschreckt. Allerdings wird deutlich, dass Clodons unmoralische Verhaltensweisen teilweise bedingt sind durch dessen traumatische Kindheit (127). Auch scheint Clodon eine sanfte, gutmütige Seite zu besitzen, die zum Vorschein kommt, als er die Schauspielerin Alharid kennenlernt. Diese schafft es sogar beinahe, ihn zu einem geregelten Leben und ehrlicher Arbeit zu bewegen – bis ihn seine Vergangenheit einholt und er gezwungen ist, zu fliehen. Am Ende der Geschichte schlägt er endgültig einen kriminellen Lebensstil ein und wird zu dem wegelagernden Banditen, den der aufmerksame Leser in „The Tale of Fog and Granite“ und „The Game of Time and Pain“ wiedererkennt. Clodon ist jedoch nicht von Grund auf ‚böse‘,

107 Tatsächlich sind Norema in „The Tale of Old Venn“ und Pryn in Neveryóna die einzigen weiblichen Charaktere, aus deren Perspektive eine komplette Geschichte erzählt wird (wobei „The Tale of Old Venn“ natürlich auch einige intradiegetische Erzählungen Venns enthält).

179 sondern ein Produkt seiner Zeit und seines Umfelds. Amoralisches Verhalten gibt es jedoch auch bei zentraleren (und weitgehend positiv gezeichneten) Charakteren der Nevèrÿon-Reihe. Vieles spricht dafür, Gorgik als zentralste Figur zu betrachten. Er übt großen Einfluss auf die Rahmenhandlung rund um Sklaverei und deren Abschaffung aus und dient auch in solchen Erzählungen, in denen er selbst nicht auftritt, anderen Protagonisten als Diskussionsthema. Auch ist es sicher kein Zufall, dass „The Tale of Gorgik“ sowohl die erste als auch die letzte Erzählung in der vierbändigen Nevèrÿon-Reihe darstellt. Gorgik ist wohl auch in moralischer Hinsicht derjenige Protagonist, den man am ehesten als Helden der Nevèrÿon-Reihe bezeichnen könnte, denn ihm gelingt es durch seine militärischen und politischen Anstrengungen, das Übel der Sklaverei abzuschaffen, deren Grausamkeit und Unmenschlichkeit an zahlreichen Stellen deutlich wird. Trotzdem hat auch Gorgik seine finsteren Seiten. In Neveryóna wird angedeutet, und in „The Tale of Fog and Granite“ bestätigt, dass Gorgik während seiner Zeit als Sklave in den Minen an Vergewaltigungen beteiligt war, und dass mit Noyeed wohl auch der Mann, der ihm später als rechte Hand dient und ihn abgöttisch verehrt, zu seinen Opfern zählte. In „The Tale of Gorgik“ erfahren wir, dass Gorgik als Offizier sein eigenes Leben über das seiner Soldaten stellt und einer „strictly selfish ethical matrix“ (92) folgt. Selbst als Gorgik in „The Tale of Small Sarg“ den gleichnamigen ‚Barbaren‘ freikauft, scheinen sexuelle Motive dabei eine ebenso große Rolle zu spielen wie altruistische. Bei Delany erfolgt somit eine ähnliche Subversion der typischen Heldenfigur wie bei Leiber, wobei die Abwesenheit eines ironischen Untertons die Verfehlungen Gorgiks sicher schockierender wirken lässt als die Fafhrds oder des Mousers. Alle bisher betrachteten Protagonisten sind dunkelhäutig und entstammen der ‚Zivilisation‘, doch mit Sarg findet sich in der Nevèrÿon-Reihe auch ein ‚barbarischer‘, hellhäutiger Charakter, dem eine größere Rolle zukommt. Dessen Verhalten ist in moralischer Hinsicht jedoch ebenso ambivalent wie das anderer Figuren. Im Gegensatz zu Fafhrd lässt Sarg bereits in seiner Kindheit jegliche Unschuld und Naivität vermissen, denn sein Leben ist bereits zu diesem Zeitpunkt vom Kampf ums Überleben geprägt, und er muss an brutalen Ritualen wie einer Steinigung teilnehmen („The Tale of Small Sarg“ 179 ff.). Nach seinem Zerwürfnis mit Gorgik, welches in Sargs Gefangennahme durch Sklavenhändler endet, unternimmt er in Neveryóna sogar einen Mordanschlag auf Gorgik (103 f.). Je nachdem, ob man Sargs oder Gorgiks Version der Geschichte Glauben schenkt, mag Sargs Hass auf Gorgik mehr oder weniger

180 gerechtfertigt erscheinen. Auf jeden Fall hat Sarg aber, wie alle von Delany erschaffenen Figuren, seine guten wie seine schlechten Seiten. Nachdem Noyeed Sarg vor den Augen Gorgiks getötet hat, stellt er treffendermaßen fest: „Treachery? Betrayal? The things this dog accused you of, even if you had done them, are nothing so special. Believe me. I’ve done my share of both! If all of us who’d done so had to die for it this day, there’d be few left in Nevèrÿon, either at the High Court or at the Pit!“ (114) ‚Gut‘ und ‚Böse‘ liegen bei keinem einzigen Charakter Delanys in Reinform vor. Hierbei wird kein Unterschied gemacht hinsichtlich verschiedener Hautfarben, gesellschaftlicher Schichten oder der Frage, ob eine Figur der ‚Zivilisation‘ oder der ‚Barbarei‘ entstammt. Auch dieser Aspekt trägt zur Subversion von Gattungskonventionen bei und lässt Delanys fiktive Welt noch ‚realistischer‘ wirken. Lediglich weibliche Hauptfiguren erscheinen in einem moralisch nahezu absolut integrem Licht, was dafür spricht, dass Delanys S&S eine feministische Botschaft enthält.

3.2.3.2 Religion in Delanys Nevèrÿon-Reihe

Die Religion Nevèrÿons findet in den Erzählungen Delanys kaum Erwähnung. In „The Tale of Gorgik“ werden zwar „craftsmen-like gods“ (68) erwähnt, der Erzähler sieht jedoch davon ab, diese Religion genauer zu erklären. Stattdessen deutet er lediglich an, dass die Religion von Nevèrÿon für die ‚Kultur‘ dieses Reiches die gleiche Bedeutung einnimmt wie die Religion des Lesers für dessen ‚Kultur‘ (69). Dies lässt sich bereits als Andeutung dafür interpretieren, dass Delany jegliche Religion als Konstrukt versteht. In „The Tale of Plagues and Carnivals“ erfährt der Leser, dass in Nevèrÿon vor Einführung der namenlosen Handwerkergötter bestimmte ‚barbarische‘ Gottheiten verehrt wurden, von denen man allerdings kaum mehr erfährt als deren Namen. Nur einer dieser ‚barbarischen‘ Gottheiten, der Amnewor, kommt eine gewisse Rolle zu, da diese von einem Magier in einer Calling of the Amnewor genannten Veranstaltung angerufen wird. Die Beschreibung dieser Gottheit durch den Magier erinnert an Lovecrafts Ungetüme (436), doch am Ende der Zeremonie wird dem Leser klar, dass das Monster nur in der Phantasie des Magiers erschienen war. Als die Protagonisten von „The Tale of Potters and Dragons“ in einem Kloster

181 unterkommen, erfahren wir nichts über die religiösen Praktiken der dortigen Priester. Nach einem Trinkgelage fragt sich Norema, „what part the ritual realities of actual religion played in the lives of these rather indolent [monks]“ (250) – eine Frage, auf die wir keine Antwort erhalten. Die Tatsache, dass die vermeintlichen Gottesleute kurze Zeit später einen Mordversuch auf Norema und ihre Gefährten unternehmen, lässt sie jedoch in schlechtem Licht erscheinen. Eine noch deutlichere Religionskritik findet sich in derselben Erzählung, als Raven, eine Kämpferin von der Western Crevasse, die Schöpfungsgeschichte ihres Volkes widergibt (227 ff.). Die Western Crevasse wird von Frauen beherrscht, die ihre Männer unterdrücken und diskriminieren. Aus Ravens Erzählung geht hervor, dass diese Diskriminierung durch die Schöpfungsgeschichte ihrer Religion legitimiert wird, die gleichzeitig erstaunliche Parallelen zur biblischen Geschichte um Adam und Eva in sich trägt – jedoch mit vertauschten Rollen und grotesk übertriebenen, männerfeindlichen Zügen. Durch seine überzeichnete Beschreibung einer religiös legitimierten Diskriminierung von Männern kritisiert der Feminist Delany eindeutig die Rolle der christlichen Religion bei der Unterdrückung der Frau in unserer realen Welt. Wenn Raven nach ihren männerverachtenden Ausführungen erklärt, „our way is the natural way ordained by god herself“ (236), so stellt dies eine Religionskritik dar, veranschaulicht gleichzeitig aber auch den Konstruktcharakter vermeintlich ‚natürlicher‘ Ordnungen. Interessanterweise ist in Delanys S&S-Erzählungen nicht nur die Existenz von Göttern, sondern auch von allen anderen übernatürlichen Wesen fraglich. Engel und Dämonen sucht man vergeblich, und Drachen existieren zwar, sind aber alles andere als die mächtigen, anmutigen oder auch tödlichen Kreaturen, als die man sie aus anderen FF-Werken kennt. Stattdessen sind Drachen vom Aussterben bedrohte Tiere, die nach Durchlaufen eines Trainingsprogramms bestenfalls zu einem kurzen Gleitflug in der Lage sind, wobei sie im Anschluss meist nie mehr abheben können („The Tale of Dragons and Dreamers“ 278 f.). Indem Delany die wohl beliebtesten Fabelwesen der FF derart entzaubert, stellt er klar, dass in seiner S&S für Übernatürliches kein Platz ist – paradoxerweise nicht einmal für Magie. Letztere wird zwar erwähnt, beispielsweise in Bezug auf den Earl Jue-Grutn, der als „insane, a sorceror, or both“ gilt („The Tale of Gorgik 59“) oder Madame Keyne, die in Nevèrÿona von sich selbst behauptet, das Geheimnis der Magie zu kennen. Die Magie Jue-Grutns beschränkt sich jedoch auf die Fähigkeit, seine unzähligen, in verschiedensten Sprachen verfassten Schriftstücke zu

182 lesen, während Madame Keyne ihre Magie mit der Fähigkeit gleichsetzt, Machtstrukturen zu erkennen und in ihrem Sinne zu gebrauchen (Tucker 133 f.).

3.2.3.3 Das resultierende Wertesystem

Daraus, dass Religion, sowie alles Metaphysische, bei Delany kaum thematisiert bzw. als Konstrukt entlarvt werden, geht hervor, dass auch seine Protagonisten, wie die Howards und Leibers, keiner höheren Macht dienen und kein vorherbestimmtes Schicksal zu erfüllen haben. Auch Delanys Figuren sind ihres eigenen Glückes Schmied, obgleich die Einschränkung getroffen werden muss, dass sie wesentlich stärker durch Umweltfaktoren geprägt wurden, auf die sie keinen Einfluss hatten. Sowohl Gorgik als auch Sarg wurden in ihrer Kindheit entführt, und insbesondere Gorgik hat daraufhin einen Entwicklungsprozess durchlebt, der ihn prägte und völlig unfreiwillig zu dem „optimum product of his civilization“ („The Tale of Gorgik“ 96) machte, von dem der Erzähler, sicher nicht ohne Ironie, spricht. Zudem besitzt Gorgik mit seiner Absicht, die Sklaverei in Nevèrÿon zu beenden, im Gegensatz zu Conan oder Fafhrd und dem Mouser durchaus ein Ziel, auf das er die gesamte Reihe über hinarbeitet. In Hinblick auf die Prägung der Charaktere durch ihre Umwelt, sowie den roten Faden, den die Befreiung der Sklaven darstellt, weicht die Nevèrÿon-Reihe also etwas vom typischen S&S-Muster ab. Trotzdem bewegen sich Delanys Erzählungen mit ihrer Zurückweisung von Konzepten wie ‚Schicksal‘ oder einer ‚höheren Ordnung der Dinge‘, die beispielsweise für Tolkiens Werk so zentral sind, durchaus in der Tradition von S&S. Es ist anzunehmen, dass es sich bei der Zurückweisung dieser Konzepte, und der damit verbundenen Wertschätzung von Individualität und persönlicher Freiheit, um eine der zentralen Ideen von S&S sowie um ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen typischer S&S und typischer FF handelt. Wie bei Leiber findet auch bei Delany eine Subversion von gattungstypischen Helden- und Schurkenrollen statt. In der Nevèrÿon-Reihe geschieht dies jedoch weitgehend ohne ironischen Unterton. Nahezu alle Charaktere sind round characters, die Stärken und Schwächen besitzen und, je nach Lebenserfahrung und Prädisposition, sowohl zu guten als auch zu schlechten Taten fähig sind. Hierdurch wirken Delanys

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Figuren äußerst ‚realistisch‘108, und typische Heldengeschichten werden als Konstrukt entlarvt, wie die intradiegetische Erzählung um Gorgik, von der in Nevèrÿon viele verschiedene Versionen existieren und die auch Gorgik selbst immer wieder in verschiedenen Varianten erzählt („The Game of Time and Pain“ 56 f.). Delanys fiktive Welt ist in vielerlei Hinsicht „strange and terrible“ (eine Bezeichnung, die häufig von Raven, aber gelegentlich auch von anderen Charakteren verwendet wird), sowie „brutal and barbaric“ („The Tale of Small Sarg“ 179), was von einer eher pessimistischen Grundeinstellung zeugt. ‚Zivilisation‘ und ‚Barbarei‘ haben ihre individuellen Vor- und Nachteile, doch keine der beiden Lebenswelten verspricht ein leichtes, durchweg angenehmes Leben. Trotzdem ist auch Delanys fiktive Welt, wie die Leibers, nicht frei von Hoffnung. Schließlich gelingt es Gorgik, sein großes Ziel, die Befreiung der Sklaven Nevèrÿons, zu erreichen. Dass das Erreichen dieses Ziels nicht sofort zu Harmonie und Glück für alle Beteiligten führt, sondern zu logistischen und sozialen Problemen („The Game of Time and Pain“ 81 f.), verdeutlicht zum einen Delanys Neigung zu ‚realistischen‘ Darstellungsweisen, zum anderen seine Distanz zu typischer FF, die mit einer eucatastrophe endet.

3.3 Gender und race

3.3.1 Robert E. Howard

Mit Robert E. Howards S&S-Geschichten verbindet man gemeinhin leichtbekleidete, wehrlose Schönheiten, die der Protagonist im Lauf des jeweiligen Abenteuers aus den Fängen eines Schurken oder Ungeheuers befreit. Wie bereits erwähnt, trifft dieses Klischee wohl auf einen großen Teil der pastiches sowie formelhafter S&S zu. Das in Howards Fiktion vermittelte Frauenbild ist jedoch vielschichtiger und war im Laufe seines Schaffens einigen Veränderungen unterworfen. In Howards Kull-Erzählungen, die dieser zwischen 1927 und 1930 verfasste, spielen Frauen noch kaum eine Rolle. So zeigt Kull keinerlei Interesse für die Schönheit, die gleich zu Beginn von „The Mirrors of Tuzun Thune“ an seinen Thron

108 Eine Ausnahme bildet in gewisser Hinsicht Raven, auf die in Kapitel 3.3.3 noch genauer eingegangen wird.

184 tritt, denn „her beauty meant little to Kull“ (55). In zahlreichen anderen Geschichten wird klargestellt, dass Frauen in Kulls Leben keinen Platz haben, denn dieser „was not interested in women“ („The Cat and the Skull“ 89) und „had never been a lover“ („By this Axe I rule“ 164). Wenn man den atlantischen ‚Barbaren‘ nun als Howards „attitudinal doppelgänger“ (xxiii) betrachtet, wie Steven Tompkins es in seiner Einleitung zum Kull-Sammelband von Del Rey tut, so liegt ein Vergleich mit Howards eigenen Ansichten nahe. Bereits mit 17 äußerte er in einem Brief an Tevis Clyde Smith: „No, I’m not a girl-hater. I have the highest respect for the feminine sex. I just prefer other amusements as a general rule. I’m no lady’s man“ (24 Aug. 1923 18). Zwar wurde diese Aussage bereits einige Jahre vor Verfassen der Kull-Erzählungen getroffen, doch ist durchaus möglich, dass Howard diese Einstellung, bzw. eine gewisse Unsicherheit gegenüber Frauen, noch länger beibehalten und auf seine Erzählungen übertragen hat. Denkbar ist auch, dass Howard seine Kull-Geschichten auf jugendliche, männliche Leser ausrichtete und sich dabei an den Präferenzen, die er in seiner eigenen Jugend hatte, orientierte. In vielerlei Hinsicht wurde Kull als Charakter von Conan abgelöst, genau wie Howards Thurian Age vom Hyborian Age abgelöst wurde. Zwar sind die beiden ‚Barbaren‘ in ihrem Äußeren kaum zu unterscheiden und weisen einen sehr ähnlichen Lebenslauf auf, doch was die Darstellung von Frauen angeht, unterscheiden sich die Conan-Geschichten, die Howard von 1932 bis zu seinem Tode im Jahr 1936 verfasste, wesentlich von ihren Vorläufern. Nachdem die ersten Abenteuer des Cimmeriers, mit der Ausnahme von „Queen of the Black Coast“, noch ohne nennenswerte weibliche Nebenrolle auskommen, beginnt mit „Black Colossus“ der Trend zu leicht bekleideten Damen in Not, die Conan aus ihrer misslichen Lage befreien muss. Dieser Trend setzt sich in den folgenden Erzählungen fort, und von „Iron Shadows in the Moon“ bis „The Devil in Iron“ findet sich keine Geschichte, die nicht dieses Muster aufweist. Eine Erklärung hierfür liefert Mark Finn, indem er schreibt: „Robert had a good idea of what was selling, and he tailored the Conan stories to fit the market. [...] Robert [...] went where the sales were, and Conan began rescuing the damsel du jour in each story, albeit with much grumbling and grousing“ (173). Angesichts der Tatsache, dass Weird-Tales- Covers beinahe ausschließlich spärlich bekleidete Frauen enthielten und „Black Colossus“ dementsprechend die erste Conan-Geschichte war, die es auf ein Titelblatt schaffte, ist diese Erklärung sehr plausibel. Man darf allerdings nicht übersehen, dass sich gegen Ende von Howards

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Karriere eine neue Entwicklung vollzog. Seine letzte Conan-Geschichte, „Red Nails“, enthält mit Valeria eine weibliche Protagonistin, die nicht mehr schwach und hilfsbedürftig ist wie viele ihre Vorgängerinnen, sondern beinahe so kampfstark wie der Cimmerier (obgleich auch sie am Ende auf seine Hilfe angewiesen ist). Ähnlich starke Frauenfiguren finden wir bei Howard auch außerhalb seiner zentralen S&S-Werke, beispielsweise Red Sonya aus der 1934 erschienen Geschichte „Shadow of the Vulture“ sowie Dark Agnes, die 1935 in „Sword Woman“ ihren ersten Auftritt in Weird Tales hatte (Finn 186). Red Sonya kämpft an der Seite des deutschen Ritters Gottfried von Kalmbach und scheint hierbei der kompetentere Teil des Duos zu sein, da er trunksüchtig und wiederholt auf ihre Hilfe angewiesen ist. Dark Agnes steht als Heldin im Mittelpunkt, und der Mann, der in zwei von drei Erzählungen an ihrer Seite kämpft, nimmt nur die Rolle eines sidekicks ein. Nach ihrer Schwertkampfausbildung ist sie männlichen Charakteren in jeder Hinsicht ebenbürtig oder überlegen. Es bleibt Spekulation, ob diese Protagonistinnen durch Howards Bekanntschaft mit Novalyne Price beeinflusst wurden, doch fest steht, dass Howards weibliche Charaktere oft mehr als nur damsels in distress waren. Die problematische Rolle der pastiches wird abermals deutlich, wenn man bedenkt, dass Marvel-Autor im Jahre 1973 mit Red Sonja eine Comicfigur erschuf, die vom Namen her zwar an Howards Red Sonya angelehnt ist, jedoch eine wesentlich fragwürdigere Darstellung einer weiblichen Kriegerin liefert. Marvels Red Sonja wurde als Jugendliche vergewaltigt und leistet seitdem einem Schwur Folge, demzufolge sie sich nur einem solchen Mann hingibt, der sie (wie Brünhild im Nibelungenlied) im Kampf besiegt – also ausgerechnet jemandem, der Gewalt gegen sie ausübt. Dass sie als einziges Kleidungsstück einen äußerst knappen Kettenhemd-Bikini trägt, ist aus feministischer Sicht ebenfalls nicht unproblematisch. Da Marvels Red Sonja im Hyborian Age zuhause ist und zusammen mit Conan auftritt, ist kaum verwunderlich, dass sie häufig für eine Kreation Howards gehalten wird – so etwa von Jeffrey Allen Tucker, der sie neben Conan und Kull als einen der wichtigsten S&S-Charaktere Howards bezeichnet (91). Hier liegt also ein weiteres Beispiel dafür vor, wie pastiches (zu denen sich im weiteren Sinne auch Comics zählen lassen) und deren Vermarktung Howards Image negativ beeinflusst haben. Abseits von kampfstarken Heldinnen existieren bei Howard auch Frauen, die mit anderen Attributen zu überzeugen wissen. Mit Bêlit aus „Queen of the Black Coast“ findet sich bereits in einer frühen Erzählung eine Frau in einer Machtposition, die sich

186 durch Führungsqualitäten und taktisches Geschick zum Schrecken der Meere aufgeschwungen hat. Zwar verfällt sie Conan beim ersten Anblick, und man mag Rassismus dahinter vermuten, dass ihre Besatzung ausschließlich aus Nichtweißen besteht, doch vermag sie auch Händler aus westlichen ‚Zivilisationen‘ in Angst und Schrecken zu versetzen und Macht über diese auszuüben. In The Hour of the Dragon, einer von Howards letzten Conan-Erzählungen, tritt mit der alten Magierin Zelata eine Frauenfigur auf, die sich nicht durch Schönheit, sondern durch Weisheit auszeichnet. Sie lebt in Abgeschiedenheit, da sie von der Gesellschaft (die man aus feministischer Sicht mit dem Patriarchat gleichsetzen könnte) als Hexe verachtet wird. Erstaunlicherweise zeigt Conan, der sonst eine tiefe Abneigung gegen Magie und deren Anwender hegt, keinerlei Vorurteile ihr gegenüber. Im Gegensatz zu sämtlichen männlichen Zauberern, denen Conan im Laufe seiner Abenteuer begegnet, ist sie eine positiv gezeichnete Figur, die Conan das Leben rettet (während er sich in Gefahr begibt, um ihres zu retten) und ihm anschließend wertvolle Hinweise mit auf die Reise gibt. Interessant ist in The Hour of the Dragon auch ein zweiter weiblicher Charakter: Zenobia steht als Conans love interest in der Tradition früherer damsels in distress, weicht jedoch von vergleichbaren Figuren ab, die Howard zuvor entwarf. Zwar ist sie Conan vom ersten Augenblick an verfallen, doch scheint die Abhängigkeit zumindest teilweise wechselseitiger Natur zu sein, da sie ihm ebenfalls das Leben rettet, und er am Ende der Erzählung seine Absicht erklärt, sie zu ehelichen. Dies stellt einen gravierenden Einschnitt in Conans bisherigen, von häufig wechselnden Partnerschaften geprägten Lebensstil dar. Ob der ‚Barbar‘ sich tatsächlich in eine Ehe begibt und wie diese aussehen würde, lässt sich nicht überprüfen, da es sich bei The Hour of the Dragon um die chronologisch letzte Conan-Erzählung handelt – es gibt jedoch keinen Grund zur Annahme, dass Conan nicht zu seinem Wort steht. Die Darstellung von Frauen in The Hour of the Dragon findet auch bei Mathews Lob, der feststellt: „The women have a habit of coming along at just the right time to save the hero, as if the hero needed a woman to stay free. And they are certainly more admirable characters than most others in the book“ (123). Es gilt zu bedenken, dass tigerhafte Amazonen wie Valeria sicher kein ‚realistisches‘ Frauenbild liefern, und nicht-sexualisierte Frauenfiguren wie Zelata eine Minderheit darstellen. Der Vorwurf, Frauen bei Howard dienten nur dazu, um vom ‚barbarischen‘ Protagonisten befreit zu werden, lässt sich jedoch durchaus relativieren, wenn man sein Gesamtwerk, insbesondere seine späteren Erzählungen, betrachtet.

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Was das Thema race betrifft, findet sich in Bezug auf Howards Texte häufig der Vorwurf des Rassismus. Der Rassismus wird allgemein als Ideologie verstanden, die die Erdbevölkerung in verschiedene ‚Menschenrassen‘ aufteilt, wobei jeder ‚Rasse‘ bestimmte Charakteristika zugewiesen werden, die nicht auf politische oder soziale, sondern biologische Ursachen zurückzuführen sind. In der Regel erfolgt durch diese Charakteristika eine Auf- bzw. Abwertung bestimmter ‚Rassen‘. Nach dieser Definition ist die in Howards Werk dargestellte Weltsicht eindeutig rassistisch. Die Überlegenheit der nordischen Aesir in „The Valley of the Worm“ über die Pikten ist ausdrücklich biologischer Natur, ebenso die der germanischen Eroberer gegenüber den Children of the Night. Auch im Hinblick auf Nichtweiße spiegelt sich in einigen von Howards Erzählungen Rassismus wieder. In Conans Universum entsprechen Dunkelhäutige oft dem Stereotyp der unmenschlichen Kannibalen, so etwa in „The Vale of Lost Women“, wo Conan eine weiße Frau mit den Worten befreit: „I am not such a dog as to leave a white woman in the clutches of a black man“ (308). Ähnliche Botschaften enthält auch „Marchers of Valhalla“, wo ein Priester der degenerierten Stadt Khemu eine nordische Schönheit misshandelt und deshalb von Hialmar erschlagen wird, woraufhin der Ich-Erzähler James Allison anmerkt: „A man is no better and no worse than his feelings regarding the women of his blood, which is the true and only test of racial consciousness“ (95). Im Jahr 1923 verfasste Howard eine Geschichte namens „The Last White Man“, die jedoch nie veröffentlicht wurde. Mark Finn zufolge findet die Handlung in einer fiktiven Zukunft statt, in der der afroamerikanische Teil der Bevölkerung der USA die Herrschaft der Weißen gebrochen und sich selbst an die Spitze gesetzt hat (85). Howard selbst habe diese Geschichte als Warnung an die ‚weißen Rassen‘ verstanden (79). Diese Erzählung stellt wohl den Höhepunkt von Howards Rassismus dar. Genau wie die Darstellung weiblicher Charaktere veränderte sich aber auch die Darstellung Nichtweißer in seinem Werk. In späteren Solomon-Kane-Abenteuern steht der Puritaner afrikanischen Völkern zum Beispiel offener gegenüber und findet in N’Longa sogar einen Blutsbruder. In „Wings in the Night“ schwingt er sich zum Beschützer eines ihm freundlich gesonnenen afrikanischen Stammes auf, und in „The Footfalls Within“ befreit Kane Afrikaner aus den Händen arabischer Sklavenhändler. Während im 1932 verfassten „Marchers of Valhalla“ noch nordische Berserker ihr Unwesen trieben, verfasste Howard später mit „The Thunder-Rider“ eine ganz ähnliche Reinkarnations-Geschichte um den im modernen Texas lebenden John Garfield, der

188 sich an die Kriegstaten seines Vorfahren Iron Heart vom Stamme der Komanchen erinnert. Auch wenn wir nicht genau wissen, wann Howard „The Thunder-Rider“ geschrieben hat, so tat er dies wohl gegen Ende seines Lebens (Tompkins, The Black Stranger xxi), worauf womöglich auch die Tatsache hindeutet, dass die letzten Seiten der Erzählung nicht mehr ganz fertig ausformuliert sind. „The Thunder-Rider“ erinnert stark an James-Allison-Geschichten wie „Marchers of Valhalla“ oder „The Valley of the Worm“, nur dass es diesmal Komanchen sind, die als „nation of invincible warriors, sweeping a red trail of conquest“ durch „an age of racial drift“ („The Thunder-Rider“ 327) ziehen. Die Tatsache, dass Howard einen amerikanischen Ureinwohner als Protagonisten einer Reinkarnations-Geschichte gewählt und nichtweiße Charaktere gegen Ende seiner Karriere allgemein wohlwollender dargestellt hat, ist wohl als eine Reifung seines Standpunktes zu betrachten. Finn, der diese Ansicht vertritt, führt Howards Kontakt zu afroamerikanischen Geschichtenerzählerinnen in seiner Jugend, seine allgemeine Vorliebe für underdogs sowie seine Bewunderung für den Boxer Jack Johnson als Gründe für diesen Sinneswandel an (80). Sicher ist, dass Howard aufgrund seiner Wertschätzung von persönlicher Freiheit als höchstem Gut eine tiefe Abneigung gegen Sklaverei besaß. Dies wird in der Befreiung dunkelhäutiger Sklaven in The Hour of the Dragon ebenso deutlich wie in einigen von Howards (historischen) Gedichten zum Thema Sklaverei, welche Barbara Barrett in ihrem online erschienenen Artikel „Robert E. Howard and the Issue of Racism: The African and African-American Poems“ untersucht. Zu einem Freispruch hinsichtlich des Rassismus-Vorwurfs reicht dies natürlich ebenso wenig wie ein Hinweis darauf, dass viele Zeitgenossen Howards noch wesentlich rassistischere Ansichten pflegten. Auch gegen Ende seines Lebens hat Howard sich von rassistischem Gedankengut nie völlig abgewandt. Beispielsweise findet sich die Darstellung von Pikten als red devils mit „Beyond the Black River“ von 1935 auch in einer von Howards späteren Geschichten, und obwohl Solomon Kane in späteren Erzählungen wie „Wings in the Night“ oder „The Footfalls Within“ Freunde unter den Afrikanern findet, so stehen diese nicht auf einer Ebene mit dem Puritaner, sondern verehren diesen in der Regel als ihren Herren oder gar Gott. Möglicherweise bieten rassistische Tendenzen Howards (zusammen mit dem Einfluss des unter 2.4.1 erwähnten Frontier Myth) ein weiteres Erklärungsmuster dafür, dass bestimmte, in der Regel dunkelhäutige ‚Barbaren‘ in Howards Fiktion weit grausamer und weniger edel

189 dargestellt werden als die weißen Protagonisten wie Conan, Kull oder Hialmar. Die Figur des Iron Heart ließe sich zwar als Gegenargument anführen, doch nur in beschränktem Maße, da dieser anders als etwa Conan oder Hialmar Gewalt gegen Frauen anwendet, um diese für sich zu gewinnen („The Thunder-Rider“ 340). Auffällig ist, wie deutlich bestimmte rassistische Tendenzen im Widerspruch zu primitivistischen Tendenzen in Howards Werk stehen. Ein möglicher Erklärungsansatz findet sich in der Beobachtung, dass Howard Logik und Kontinuität öfters über Bord zu werfen scheint, wenn es ihm darum geht, eine bestimmte Wirkung beim Leser zu erzeugen (man denke an die unter 3.1.1 erwähnten widersprüchlichen Charakterisierungen Conans). Vermutlich gab es aber auch in Howards eigenem Weltbild zahlreiche Widersprüche, die sich aus dem Einfluss verschiedener Ideologien (wie Rassismus auf der einen und Primitivismus auf der anderen Seite) ergaben, und die Howard erst im Laufe seines Lebens teilweise auflösen konnte.

3.3.2 Fritz Leiber

Betrachtet man Repräsentationen von gender in Leibers Lankhmar-Reihe, so fällt auf, dass die ‚zivilisierten‘ Länder Nehwons beinahe ausschließlich von Männern beherrscht werden. Bei weiblichen Autoritätspersonen handelt es sich allenfalls um Prinzessinnen, die ihrem Vater unterstellt sind. Als Gegenentwurf existiert die matriarchalische Gesellschaft der nordischen ‚Barbaren‘, der Fafhrd entstammt. Sowohl Patriarchat als auch Matriarchat werden, wie unter 3.1.2 erläutert, als wenig erstrebenswert dargestellt. Wie Bryce feststellt, flieht Fafhrd zunächst aus der matriarchalischen, später aus der patriarchalischen Gesellschaft (162), bis er auf Rime Isle eine Gesellschaft vorfindet, die Hoffnung auf einen glücklichen und friedlichen Lebensabend verspricht. Auf Rime Isle sind Männer und Frauen weitgehend gleichberechtigt. Cif und Afreyt sind nicht nur in politischen Ämtern tätig, sondern nehmen auch an Wettkämpfen im Messerwerfen und Bogenschießen Teil, die in anderen Teilen Nehwons als Männerdomäne gelten. Hierbei sind sie sogar in der Lage, Fafhrd und den Mouser zu schlagen („Curse“ 495 ff.). Dass die einzige Gesellschaft, in der Männer und Frauen weitgehend gleichgestellt sind, derart positiv dargestellt wird, ist ein Anzeichen dafür, dass Leibers Lankhmar-Reihe sich für Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern ausspricht.

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Leibers Texte enthalten jedoch auch zahlreiche Elemente, die aus feministischer Sicht äußerst problematisch wirken. Nicht nur der Mouser, sondern auch der in positiverem Licht gezeichnete Fafhrd lassen Frauen wiederholt im Stich – so etwa die schwangere Mara in „The Snow Women“ oder die, wie wir in „The Mouser Goes Below“ erfahren, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls schwangere Friska. Friska hat sogar Verständnis dafür, denn man könne nicht hoffen, dass die „lifelong comrades“ (685) sich für eine Frau trennen würden. Auch Treue erscheint keinem der beiden Helden sonderlich wichtig, nicht einmal in ihren festen, ernsthaften Beziehungen mit Cif und Afreyt. Zwar kann Fafhrd in „Sea Magic“ der Frau widerstehen, der der Mouser in „The Mer She“ erliegt, doch wird in „The Mouser Goes Below“ auch der ‚Barbar‘ untreu. Fafhrds (und Friskas) Tochter Fingers, die vom erotischen Abenteuer ihres Vaters erfährt, hält dies für nicht weiter erwähnenswert, denn es handle sich um „the sort of straying to be expected of men, according to her mother’s teaching“ (672). Die Untreue der beiden Protagonisten hat keinerlei negative Auswirkungen auf ihre Beziehungen zu Cif und Afreyt, und die beiden Frauen bleiben ihren Freunden stets treu. Es scheint also, als würden hinsichtlich sexueller Freiheiten verschiedene Maßstäbe an Männer und Frauen angelegt. Auffällig ist auch, dass wiederholt Orgien beschrieben werden, in denen einzelne Männer mit mehreren Frauen Sex haben, wie etwa Fafhrd in „The Mouser Goes Below“. Gruppensex, an dem mehrere Männer beteiligt sind, wird in der Lankhmar-Reihe jedoch an keiner Stelle thematisiert. Ebenso fällt auf, dass Bisexualität unter den Frauen Nehwons weit verbreitet ist, während Männer keinerlei entsprechende Neigungen zeigen (Bryce 157 f.). Hier scheint es, als würde Leiber die Sex-Phantasien einer jungen männlichen Leserschaft bedienen. Andererseits ermöglicht Leibers ironischer Grundton aber auch eine andere Lesart. Wenn Fafhrd in „The Mouser Goes Below“ im Hinblick auf eine bevorstehende Orgie von „a grand payoff in the great game of trading heroic feats for intimate maidenly favours that all heroes lived or at least hoped by“ (648) spricht und sich hinsichtlich der Zahl der beteiligten Frauen fragt, ob er schon zum „seven-maiden hero“ (649) aufgestiegen sei, wird deutlich, dass Leiber hier mit Konventionen der Untergattung ‚S&S‘ spielt. Man könnte entsprechende Passagen auch dahingehend deuten, dass Leiber sexistische Elemente typischer S&S eben gerade aufzeigt und der Lächerlichkeit preisgibt. Freilich ist der ironische Unterton nicht immer derart offensichtlich, sodass beide Lesarten ihre Berechtigung haben. Noch wesentlich problematischer erscheint eine andere Tendenz in Leibers Werk: Konkrete physische Gewalt gegen Frauen, vor allem sexueller Natur, steht in

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Nehwon geradezu an der Tagesordnung. Zu einem großen Teil wird diese Gewalt durch solche Charaktere ausgeübt, die eindeutig bösartiger Natur sind, wie etwa Quarmal und Igwarl, die Issa (Igwarls Schwester und Konkubine) wie eine Sklavin behandeln und körperlich disziplinieren („Below“ 660 f.), oder Hisvet, die ihre Dienerinnen sadistischen Spielen unterwirft („Below“ 607 ff.). Dass solche Taten vor allem durch Schurken auf Nehwons Festland ausgeübt werden, während sie auf Rime Isle undenkbar wären, spricht dafür, dass Leibers Texte eine gewaltsame Unterdrückung der Frau nicht gutheißen, sondern kritisieren. Aber auch der Gray Mouser übt sexuelle Gewalt aus. Beispielsweise vergewaltigt er in „The Sadness of the Executioner“ ein Mädchen, das ihn töten wollte. Auch erfreut er sich in „The Mer She“ daran, eine vermeintlich minderjährige blinde Passagierin zu züchtigen. Dass die Mer She sich als Bedrohung herausstellt und dem Mouser beinahe zum Verhängnis wird, könnte man wiederum als Kritik am frauenverachtenden Vorgehen des Mousers deuten. Auch die Qualen, die der Mouser in „The Mouser Goes Below“ durchläuft, lassen sich als Strafe für seinen Lebenswandel deuten. Ein Teil dieser Strafe scheint mit seinen sexuellen Perversionen im Zusammenhang zu stehen – schließlich befriedigt ihn Pain, die Schwester des Todes, sexuell und fügt ihm dabei große Qualen zu. Dies ließe sich aus feministischer Sicht so interpretieren, dass auch die frauenverachtende Seite des Mousers von Leiber als negativer Charakterzug angelegt wurde und nicht gutgeheißen wird. Es existieren jedoch auch Passagen in Leibers Werk, die eine gewaltsame Unterdrückung der Frau geradezu zu affirmieren scheinen. Als der Mouser das Mädchen in „The Sadness of the Executioner“ vergewaltigt, wird dies erstaunlich salopp beschrieben: „he proceeded by gradual and not unnecessarily brutal steps to ravage her“ (243). Es wird impliziert, dass das Mädchen im Anschluss noch etwas Zeit mit Fafhrd und dem Mouser verbringt, wobei sie „much of her madness and a little of her hatred of humanity“ (243) verliert. Die Vergewaltigung scheint also positive Auswirkungen auf sie zu haben. An zahlreichen anderen Stellen wird sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen zwar nicht gutgeheißen, aber auch nicht eindeutig verdammt. Cif und Afreyt schämen sich zwar, dem Gott Odin in „Rime Isle“ ihre Nichten zur Verfügung gestellt zu haben, dies scheint jedoch keinerlei weitere Konsequenzen zu haben, weder für die beiden Frauen noch für die Psyche ihrer Nichten. Fafhrds Tochter Fingers ist ebenfalls Missbrauchsopfer, doch auch sie scheint keine psychischen Probleme davonzutragen. Man kann Leibers Texten also durchaus vorwerfen, Missbrauch an Mädchen zu

192 verharmlosen oder zumindest nicht deutlich genug zu kritisieren. Eine der problematischsten Passagen findet sich in „The Mouser Goes Below“, als der Mouser die sadistischen Spiele, die Hisvet mit ihren Dienerinnen betreibt, beobachtet. Leiber beschreibt die erniedrigenden Sexualpraktiken, die den Mouser äußerst erregen, ausführlich und bis ins kleinste Detail. Hierbei drängt sich zumindest der Verdacht auf, dass diese Sexspiele auch anregend auf den (männlichen) Leser wirken sollen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in Leibers Werk sowohl solche Passagen existieren, die sexistisches und frauenverachtendes Verhalten kritisieren, als auch solche, die es augenscheinlich affirmieren oder zumindest verharmlosen. Leibers ironischer Grundton macht es schwierig, eine eindeutige Position des Autors zu erkennen, er kann jedoch auf keinen Fall verhindern, dass einige Texte Leibers aus feministischer Sicht als äußerst problematisch einzustufen sind. Leibers Umgang mit dem Thema race ist weniger problematisch als der Howards, da Leibers Werk weniger ‚sozialdarwinistische‘ Züge trägt. Es besteht kein ständiger Kampf ums Dasein zwischen Völkern bzw. ‚Rassen‘. Dieses Konzept wird allenfalls ironisch thematisiert, etwa im Kampf der Ratten gegen die Menschen in The Swords of Lankhmar. Auch liegen bei Leiber weniger Bezüge zu real existierenden Völkern vor, da es sich bei Nehwon nicht um eine Vorstufe unserer Primärwelt handelt. Eine Ausnahme stellt das Volk der Mingols dar: Sowohl aus ihrem Namen als auch aus ihrem Verhalten wird eindeutig klar, dass diese an mongolische Reiterhorden angelehnt sind. Die Mingols werden als „tireless raptors“ (The Frost Monstreme 293) beschrieben. In „Rime Isle“ wird ihre Mordlust und selbstmörderische Zerstörungswut jedoch derart überzogen dargestellt, dass sie parodistischen Charakter annimmt. Wenn etwa vermeintlich weise Anführer der Mingols die philosophische Frage erörtern, ob es ausreiche, eine Stadt niederzubrennen, oder ob man die Überreste auch noch zu Staub zertrampeln sollte („Rime Isle“ 391), so wirkt dies eher wie ein Seitenhieb auf die oft überzogene Gewaltbereitschaft vergleichbarer Völker in anderen Fantasy-Werken (etwa Howards Hyrkanier). Zudem existiert mit Ourph ein Mingol, der sich Fafhrd und dem Mouser als treuer Freund erweist, den brutalen Wegen seines Volkes entsagt und gemeinsam mit den beiden Gefährten einen friedlichen Lebensabend auf Rime Isle verbringt. Dies deutet darauf hin, dass die Gewaltbereitschaft der Mingols keiner unveränderlichen biologischen Disposition entspringt. Mit Klesh existiert auch ein Land, das an (Subsahara-)Afrika bzw. die

193 klischeehafte Darstellung dieser Region in der Literatur erinnert.109 Obwohl wiederholt angedeutet wird, dass Fafhrd und der Mouser diese Region bereist haben, spielt dort keine einzige Erzählung. Man erfährt jedoch nebenbei, dass dort finstere Kulte existieren („The Seven Black Priests“), sowie diverse Monstrositäten, wie etwa die emperor snake („The Sadness of the Executioner“), luminous flying spiders („Curse“) oder earth-hued tropical Ghouls („Below“). Leiber scheint also dem Klischee des bedrohlichen, mysteriösen ‚dunklen Kontinents‘ zu folgen, ähnlich wie Howard in seiner Beschreibung von Conans Kush oder Solomon Kanes Afrika. Wie so häufig bei Leiber kann man nicht ganz sicher sein, ob diese Klischee affirmiert oder parodiert wird. Auch gilt es zu bedenken, dass beinahe alle Regionen Nehwons mit diversen Bedrohungen natürlicher und übernatürlicher Art aufwarten. Zudem sind nahezu alle Herrscher und Priester korrupt, sodass die Seven Black Priests aus der gleichnamigen Erzählung kaum aus der Reihe stechen. Ihre Bösartigkeit hat nichts mit ihrer Hautfarbe zu tun, sondern vielmehr mit einem sarkastisch-pessimistischem Weltbild, demzufolge ein großer Teil aller Menschen schlecht ist. Dass außer diesen Priestern in der ganzen Lankhmar-Reihe kaum ein dunkelhäutiger Charakter erwähnt wird, mag sich aus heutiger Sicht kritisieren lassen, ist aber sicher auch der Tatsache geschuldet, dass sich S&S als FF in der Darstellung ihrer Welten vor allem am europäischen Mittelalter bzw. der europäischen Antike orientiert. Leibers Texte können insgesamt keinesfalls als rassistisch bezeichnet werden. Vielmehr spricht Leiber sich durch seine Darstellung Rime Isles, wo Menschen aus allen Völkern zusammenkommen, um Handel zu treiben, und wo sich die Protagonisten mit ihren Freunden niederlassen, für ein friedliches Miteinander der Völker aus.

3.3.3 Samuel R. Delany

Während Delanys Texte dem Spannungsfeld ‚Barbarei – Zivilisation‘ relativ wertungsfrei gegenüberstehen, so beziehen diese doch eindeutig Stellung hinsichtlich der Themen gender und race. Hier liegt ein Bezug zu unserer Realität vor, der weit offensichtlicher ist als bei Howard oder Leiber. Wie bereits erwähnt, legen sowohl der

109 In der Namensgebung mag Leiber sich an Howards (oder dem realen) Kush orientiert haben. Interessant ist auch, dass Terry Pratchett mit Klatch einen ähnlich klingenden Namen für einen Kontinent wählte, der u.a. auch (nord-)afrikanische Züge trägt.

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Erzähler in „The Tale of Plagues and Carnivals“ als auch die von Delany kreierte K. Leslie Steiner Wert auf den Realitätsbezug der Nevèrÿon-Reihe. In „Closures and Openings“, einem Anhang in Return to Nevèrÿon, wird Delany noch konkreter: „clearly the Nevèrÿon series is a model of late twentieth-century (mostly urban) America“ (286). Wo Leiber typische S&S-Elemente, die aus feministischer Sichtweise problematisch erscheinen, zwar ironisch überspitzt, sich ihrer in gewisser Hinsicht aber immer noch bedient, geht Delany in seiner Subversion von Gattungsklischees deutlich weiter. Er selbst sieht eines der Hauptziele der Nevèrÿon-Reihe darin, „to articulate for adults the hidden and subterranean [erotic] currents that are forever at play in the largely infantile genre of sword-and-sorcery“ (zitiert nach Tucker 91). Häufig greift Delany hierbei auf das Mittel der Inversion zurück, so etwa bei der Darstellung von sexueller Orientierung. Homosexualität und Bisexualität kommt im Gegensatz zu Leibers (und andeutungsweise Howards) Texten nicht nur bei Frauen vor, sondern auch – und vor allem – bei Männern. Mit Gorgik, Sarg, Noyeed, dem Schmuggler und dem Mummer liegen mehrere zentrale Charaktere vor, die männliche Partner bevorzugen oder zumindest akzeptieren. Gorgiks Name ähnelt zudem dem Wort gorgi, das in der Sprache der Rulvyn sowohl das männliche als auch das weibliche Geschlechtsteil bezeichnet, wie wir in „The Tale of Old Venn“ erfahren. Sicherlich spielt Delany mit seiner Darstellung homo- bzw. bisexueller männlicher Protagonisten auch auf solche Aspekte typischer S&S-Literatur an, in denen man homoerotische Untertöne erkennen könnte (wie etwa einen Fokus auf gestählte männliche Körper). Natürlich wendet Delany sich hierbei nicht nur gegen Konventionen der Untergattung ‚S&S‘, sondern auch gegen eine binäre Darstellung von Geschlechteridentitäten. Der sozialkritische Bezug zur Realität, den Delany anstrebt, wird besonders deutlich bei Pheron aus „The Tale of Plagues and Carnivals“, der sich gerne schminkt, ein Faible für bunte Stoffe hat, und sich als happy handed (offenbar Nevèrÿons Gegenstück zu queer oder ähnlichen Konzepten) identifiziert. Pheron wird als feinfühliger, liebenswerter Mensch beschrieben, der nach seinem Coming-Out auf Unverständnis bei seinem Vater stößt (286 ff.). Nachdem er an einer an AIDS erinnernden Seuche erkrankt, erhält er Unterstützung von einem befreundeten Pärchen, wobei Delany (bzw. der Erzähler, der sich als Delany identifiziert) diesen Erzählstrang abbricht mit dem Hinweis, er zweifle daran, dass ein reales, berufstätiges, heterosexuelles Paar Zeit mit einem an AIDS erkrankten homosexuellen Freund verbringen würde (460).

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Auch hinsichtlich unorthodoxer Sexualpraktiken findet sich bei Delany ein Plädoyer für mehr Toleranz. Wie viele Einwohner Nevèrÿons lebt Gorgik mit seinen männlichen Sexualpartnern eine Meister-/Sklavenbeziehung aus. Abgesehen von der Vergewaltigung Noyeeds in seiner Jugend, geht Gorgik diesen Neigungen nur mit dem Einverständnis seiner Partner nach. Ebenso verhält es sich bei Prostituierten, die sich auf sexuelle Dienstleistungen spezialisiert haben, die man heute der BDSM-Szene zurechnen würde. Als der Bestatter in „The Tale of Rumor and Desires“ Clodon von dieser Möglichkeit, Geld zu verdienen, berichtet, erklärt er diesem, dass dieser keinem Kundenwunsch nachgehen müsse, wenn er nicht möchte (174), und beide Sexualpartner in der Lage sein sollten, das Spiel jederzeit durch ein vereinbartes Zeichen oder Wort zu beenden (175). Dass das Ausleben solcher sexuellen Neigungen ausschließlich auf freiwilliger Basis geschieht und dadurch nie jemand zu schaden kommt, sondern nur Bedürfnisse befriedigt werden, lässt diese im positiven Licht erscheinen. Auch Tucker zufolge steht die sexuelle Befriedigung, die Gorgik durch entsprechende Rollenspiele erlangt, nicht im Widerspruch zum Ziel der Sklavenbefreiung, sondern ist im Rahmen sexueller Selbstbestimmung als positiv zu betrachten (148). Tucker weist zudem darauf hin, dass Sarg womöglich gerade deshalb den Tod finden muss, da er mit seiner eigenen Sexualität, im Gegensatz zu Gorgik, nicht zurechtkommt und es deshalb zum Zerwürfnis zwischen beiden kommt (144). Schenkt man den Worten Gorgiks Glauben, mit denen dieser in Neveryóna seinen Streit mit Sarg beschreibt (249), so erscheint Tuckers Argumentation schlüssig. Ohne Zweifel spricht sich Delany in seiner Nevèrÿon-Reihe für Toleranz hinsichtlich sexueller Orientierung, gender-Identität sowie dem Ausleben unorthodoxer sexueller Neigungen aus. Betrachtet man die in Nevèrÿon herrschenden Machtverhältnisse, so wird klar, dass es sich um eine weitgehend patriarchalische Gesellschaft handelt. Zwar gibt es einflussreiche Frauen wie Madame Keyne, die Vizerine Myrgot oder die Child Empress Ynelgo, doch ist der überwiegende Teil der Entscheidungsträger männlich, und mit Lord Krodar existiert ein Strippenzieher im Hintergrund, dessen Macht womöglich sogar die der Herrscherin übertrifft. Auch Madame Keyne nimmt die Gesellschaft, in der sie lebt, als patriarchalisch wahr und äußert: „I do not like woman’s place in this society“ (213). In „The Tale of Old Venn“ ist von einer „over-masculinization“ (99) Nevèrÿons die Rede. Eine besondere Bedrohung für Frauen stellt die Sklaverei dar, denn jede Frau, die alleine reist, läuft Gefahr, von Sklavenhändlern gefangen zu werden. Sowohl Pryn in Neveryóna (44) als auch Norema und Juni in „The Tale of Potters and

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Dragons“ (264 f.) fürchten sich vor diesem Schicksal. Es finden sich zahlreiche Belege dafür, dass entsprechende patriarchalische Strukturen von Delany stark kritisiert werden. Wie bereits erwähnt, sind Delanys Protagonistinnen moralisch integrer als seine männlichen Hauptfiguren, müssen sich aber vor sexueller Gewalt in Acht nehmen, die von Männern ausgeht.110 Pryn wird bereits kurz nach ihrem Ausreißen von Zuhause sexuell belästigt (Neveryóna 46 f.), und ihre spätere Affäre mit dem Schmuggler führt dazu, dass sie sich prostituieren muss, um eine Rechnung zu bezahlen (279 f.). Als sie kurze Zeit später in einem Dorf ankommt, in dem sie sich zunächst gut aufgehoben fühlt, muss sie feststellen, dass man dort von ihr erwartet, die Rolle einer Prostituierten wahrzunehmen, wenn sie bleiben möchte (325 f.). Es ist offensichtlich, dass Pryn hier Unrecht geschieht. Eine Kritik an patriarchalischen Strukturen findet sich aber auch in anderen Gesellschaftsentwürfen, die Delany konstruiert. Bei den Küstenbewohnern der Ulvayn- Inseln besitzen Frauen mehr Rechte als in Nevèrÿon und sind häufig in typischen Männerdomänen wie der Seefahrt tätig. Besonders positiv gezeichnete Charaktere wie die Erfinderin Venn, die den in Nevèrÿon bekannteren Belham an Genialität noch zu übertreffen scheint, sowie Norema, stammen von diesen Inseln. Auch Madame Keyne, die feministische Gedanken hegt, zeigt sich in „The Tale of Potters and Dragons“ angetan von dieser relativ egalitären Gesellschaft: „We doubtless [sic] idolize your freedoms, here in the mist of civilization’s repressive tools“ (214). Norema habe durch ihre Kindheit in dieser Region im Vergleich zu Madame Keyne „[a] far better upbringing, in a far better land than this“ (215) genossen. Trotzdem ist die Gesellschaft der Küstenbewohner der Ulvayn-Inseln keine perfekte Gesellschaft, denn sie zeigt sich in „The Tale of Old Venn“ intolerant gegenüber der Besatzung eines Schiffes der Western Crevasse. Dieses ist ausschließlich von Frauen besetzt, mit Ausnahme eines als Talisman dienenden Mannes. Dass dieser Mann von den Küstenbewohnern für den Kapitän gehalten wird, ist ein Anzeichen dafür, dass auch diese an patriarchalische Strukturen gewöhnt sind. Das Misstrauen gegenüber der Besatzung des Schiffes wächst so stark an, dass die Männer aus Noremas Heimatstadt sich schließlich entschließen, es zu überfallen und mitsamt seiner Besatzung zu verbrennen. Diese Bluttat wird von der

110 Mit Raven existiert auch ein weiblicher Charakter, der gewaltbereit ist und zudem Menschen aufgrund ihres Geschlechtes objektifiziert und diskriminiert. Raven wird jedoch so überzeichnet, dass klar ist, dass es sich bei ihr um eine Parodie handelt, die nur dem Zweck dient, patriarchalische Strukturen offenzulegen, wie sie in S&S, aber (gemäß feministischer Theorie) auch in unserer Gesellschaft existieren. Eine genaue Beschäftigung mit Raven erfolgt in Kürze.

197 entsetzten Protagonistin Norema als Femizid identifiziert: „There are women in there dying, and our men are killing them“ (170). Verstörend ist für sie ein Dialog zwischen Kindern, die das Geschehen nachspielen und ein Mädchen aus dem Spiel ausschließen, mit der Begründung, nur Männer würden ausziehen und Schiffe verbrennen (167). Dem Leser wird eindeutig klargemacht, dass die männlichen Täter aus Intoleranz und falschen Vorurteilen heraus Gewalt gegen Frauen ausüben. Delanys Erzählung enthält somit eine deutliche Kritik an patriarchalischen Strukturen, wie sie auch an der Küste der Ulvayn-Inseln existieren, wenn auch weniger ausgeprägt als in Nevèrÿon. Neben den Bewohnern der Küste wird mit den Stämmen der Rulvyn eine weitere Gesellschaft erwähnt, die auf den Ulvayn-Inseln ansässig ist. Diese Gesellschaft ist matriarchalisch geprägt. Frauen üben mehr soziale Macht aus als Männer und verrichten die meiste Arbeit, während Männer eher eine Art Prestigeobjekt darstellen („The Tale of Old Venn“ 113). Zahlreiche Attribute, die in unserer Gesellschaft tendenziell eher Frauen zugeschrieben werden, werden in der Rulvyn-Gesellschaft Männern zugewiesen. Diese seien „high on emotions, defenses, pride; low on logic, domestic – sometimes called ‘common’ – and aesthetic sense“ („The Tale of Old Venn“ 123). Die ursprüngliche Gesellschaft der Rulvyn wird von Venn als äußerst harmonisch beschrieben, doch werde diese Harmonie durch den Einfluss der ‚Zivilisation‘ gefährdet. Durch das Aufkommen von Geld als Zahlungsmittel verschieben sich die sozialen Machtverhältnisse zugunsten der Männer, wodurch die bisher bestens funktionierenden Strukturen ins Wanken geraten. Dies wird von Venn äußerst kritisch betrachtet. Zwar besteht die Möglichkeit, dass Venn eine unzuverlässige oder zumindest stark subjektiv geprägte Erzählerin ist, doch lässt sich die Darstellung der Rulvyn als Zeichen für den Feminismus Delanys deuten, da sie wesentlich harmonischer ausfällt als die Beschreibung jeder anderen in der Nevèrÿon-Reihe vorkommenden Gesellschaft. Mit der Western Crevasse existiert eine Region in Delanys S&S-Welt, in der Männer auf ähnliche Art diskriminiert werden wie Frauen in Nevèrÿons (und, aus Sichtweise vieler Feministinnen und Feministen, unserer) Gesellschaft. Zwar spielt dort keine Erzählung, doch liefert Raven immer wieder Einblicke in die Gesellschaft ihrer Heimat. Das patriarchalisch geprägte Nevèrÿon stellt für Raven, wie sie immer wieder betont, ein „strange and terrible land“ („The Tale of Potters and Dragons“ 225) dar, denn sie ist der Meinung, die Männer Nevèrÿons „would take everything away from a woman“ („The Tale of Potters and Dragons“ 225). Wenn Raven ihre Ansichten zu Männern äußert und von ihrer Heimat berichtet, so geschieht dies häufig auf eine

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überzogene, geradezu groteske Weise. Delanys Erzählungen nehmen hier einen stark ironischen, teilweise zynischen Unterton an. So bemerkt Raven in „The Tale of Potters and Dragons“: „In this strange and terrible land, most men have hands like women“ (259). Nachdem Raven in „The Tale of Potters and Dragons“ einen Mann getötet hat, bezieht sie sich wiederholt mit weiblichen Pronomen auf diesen und korrigiert sich anschließend, da sie es nicht gewohnt ist, gegen Männer zu kämpfen (252 f.). Im Gespräch zwischen Raven und Juni zeigt sich, dass die Gesellschaft der Western Crevasse hinsichtlich der Verteilung sozialer Macht zwischen Männern und Frauen eine genaue Inversion der Gesellschaft Nevèrÿons darstellt (260). Männer werden dort als Sexobjekte betrachtet und auf dieselbe Weise eingeschränkt und unterdrückt, wie es gemäß feministischer Theorie in unserer realen Welt mit Frauen geschieht. Raven definiert Männer über ihre Schönheit und bezeichnet viele von ihnen, wie etwa Bayle und den Schmuggler, als pretty. Sie hasst Männer jedoch keineswegs, sondern zeigt sich äußerst galant gegenüber dem Geschlecht, das sie als das schwächere betrachtet. Beispielsweise bietet sie Bayle auf einer Seereise ihre Kabine an und versichert ihm dabei: „I shall not set on you in the night and besmirch your honor“ (237). In „The Tale of Fog and Granite“ erweist sie selbst dem Banditen Clodon gegenüber Gnade und verwundet ihn nur, anstatt ihn zu töten. Als der gerettete Schmuggler sie fragt, warum sie den Banditen verschonte, erwidert sie überrascht: „Do you think women can go around killing just any and all men, like that? What monsters would do such a thing?“ (129). Im Anschluss bietet sie dem Schmuggler ihren Schutz an, möchte jedoch nicht seine Frage nach ihrem Reiseziel beantworten, denn solche Dinge seien „not the business of a wise and pretty man“ (139). Hier spielt Delany darauf an, dass Diskriminierung nicht zwangsläufig mit körperlicher Gewalt einhergeht, und dass das Errichten sozialer Machtstrukturen bisweilen auch unter dem Vorwand geschieht, die diskriminierte Gruppe beschützen zu wollen. In „The Tale of Fog and Granite“ findet sich die Spitze der subversiven Ironie Delanys, denn hier liefert er eine Parodie des Motivs der damsel in distress – dahingehend abgewandelt, dass es sich bei der damsel um den Schmuggler und bei Raven um die Retterin handelt (123 ff.). Der Gerettete ist im Anschluss völlig verstört, verunsichert und weiter auf den Schutz Ravens und ihrer Mitstreiterinnen angewiesen. Hiermit zeigt er genau die Eigenschaften, welche die Frauen der Western Crevasse von einem Mann in einer Notlage erwarten (und die in unserem Kulturkreis bisweilen mit Frauen verbunden werden).

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Interessant ist die Beschaffenheit der Schwerter, die Raven und ihre Begleiterinnen mit sich führen. Diese besitzen zwei parallele Klingen, die sowohl innen als auch außen geschliffen sind. Gemäß Raven erinnert die Form an eine Vagina, und die Schwerter dienen dazu, ungeliebte Dinge abzuschneiden („The Tale of Potters and Dragons“ 264). In „The Tale of Fog and Granite“ äußert sich eine Gefährtin Ravens herablassend über ein Schwert, wie es in Nevèrÿon (und unserer Realwelt) üblich ist: „A blade like this? Stupid. The swords of this country. All outside. No inside. […] No two blades. No good. Just stupid man sword. Unity. Like a silly penis. Nothing“ (136). Hier parodiert Delany zum einen den (nicht nur) in S&S mitunter vorhandenen Fokus auf das ‚Männliche‘ als Norm111 und spielt zum anderen auf Freuds Theorie des Penisneids an. Letztere parodiert er ebenfalls in „The Tale of Old Venn“, wo er einen männlichen Charakter eine ähnliche Theorie entwerfen lässt, welche den anwesenden Frauen, wie dem implizierten Leser, lächerlich erscheint (137 ff.).112 Mit den Frauen der Western Crevasse liefert Delany eine in jeder Hinsicht konsequente, oft humorvoll überzeichnete Inversion einer patriarchalischen Gesellschaft, wie sie in vielen Werken der S&S, aber gemäß feministischer Theorie auch in unserer Realwelt vorliegt. Aufgrund der überspitzten Natur dieser Inversion wirken Ravens Verhalten sowie ihre Erzählungen geradezu grotesk. Hierdurch strebt Delany sicher ebenfalls eine Art Verfremdungseffekt an. Der Text gibt sich dem Leser eindeutig als sozialkritisch zu erkennen und bringt diesen dazu, über Parallelen zwischen diskriminierenden Machtstrukturen, wie sie in der Western Crevasse existieren, sowie vergleichbaren Strukturen in unserer Gesellschaft nachzudenken. Zudem demonstriert Delany den konstruierten Charakter von gender-Unterschieden, indem er zeigt, wie leicht sich Argumentationen, die zu einer Unterdrückung der Frau

111 Auch die Tatsache, dass Raven das Wort woman in Zusammenhängen verwendet, in denen in der englischen Sprache man üblich wäre (um die Menschheit als Ganzes zu beschreiben), stellt eine Anspielung auf das ‚Männliche‘ als Norm dar, wie es sich nicht nur in Delanys fiktiver, sondern auch unserer realen Gesellschaft findet und sich in der Alltagssprache niederschlägt. In „The Tale of Potters and Dragons“ verwendet Delany für Ravens direkte Rede sogar die Schreibweise ‘men (mit Apostroph), um zu zeigen, dass es sich bei Männern in ihren Augen nur um unvollständige Frauen handele, also women, denen etwas fehle. 112 Weitere Seitenhiebe auf Freud finden sich in „The Tale of Plagues and Carnivals“. In dieser Geschichte spekuliert der Erzähler wiederholt darüber, wie verschiedene Charaktere darauf reagieren würden, wenn man ihnen ihr Verhalten mit Hilfe von Freuds Theorien erklären würde (251 ff.). Bei Fällen, in denen ein Anhänger Freuds auf Konzepte wie Penisneid, Sublimierung und unterdrückte Homosexualität zurückgreifen würde, fügt der Erzähler hinzu, dass er eine solche Analyse für fehlerhaft halte (251, 254), wohingegen „Freud’s concepts of the unconscious, transference, repression, or infantile sexuality“ (257) seiner Ansicht nach „basically correct“ (258) seien. Tucker identifiziert „orthodox Freudian psychoanalysis, which privileges male heterosexuality as a norm on which a society is based“ zu Recht als ein Konzept, das Delany zurückweist (144).

200 herangezogen werden, rhetorisch umkehren lassen (wie etwa im Schöpfungsmythos der Western Crevasse). Gleichzeitig dient die Figur Ravens dazu, den Konstruktcharakter von ‚Zivilisation‘ und ‚Barbarei‘ zu unterstreichen: Auf Bayle (241) und Norema (261) wirkt Raven wie eine ‚Barbarin‘, doch Raven selbst ist der festen Ansicht, sie selbst sei als einzige ‚zivilisiert‘: „At any rate there is no civilization where the men cannot grow their nails. I am the civilized one“ (262). Eine Unterdrückung des Mannes, wie sie in der Western Crevasse vorherrscht, wird vom Text jedoch ebenso wenig affirmiert, sondern als ungerecht dargestellt. Nicht nur männliche Zuhörer, sondern auch Norema, die selbst feministische Gedanken hegt und äußerst positiv gezeichnet ist, empfindet den von Raven erzählten Schöpfungsmythos als „awful“ („The Tale of Potters and Dragons“ 235). Delany wendet sich somit nicht nur gegen die Diskriminierung der Frau, sondern gegen jegliche Diskriminierung aufgrund von Geschlechterzugehörigkeit oder gender-Identität. Wie im Falle von gender liegt in Delanys Nevèrÿon-Texten auch hinsichtlich des Konzepts race eine Subversion von Gattungskonventionen und Lesererwartungen vor. In Nevèrÿon gilt dunkle Hautfarbe als ein Zeichen von ‚Zivilisation‘ und Aristokratie und markiert (vermeintlich) „fine, respectable folk“ („The Tale of Gorgik“ 31). Je höher die soziale Stellung einer Person, umso dunkler ist in der Regel ihr Hautton („The Tale of Dragons and Dreamers“ 286). Tucker listet zahlreiche Beispiele dafür auf, wie das Äußere von Mitgliedern der Aristokratie durch racial markers, wie etwa ihre Haut-, Augen-, und Haarfarbe beschrieben wird (94). Hellhäutige ‚Barbaren‘ gehören auf der anderen Seite überwiegend den untersten Gesellschaftsschichten an. Aufgrund der bestehenden sozialen Machtstrukturen werden sie häufig in die Prostitution gedrängt. Zudem machen sie einen Großteil der Sklaven aus. Tucker spricht in diesem Zusammenhang von „social and political marginalizations“ (95) gegenüber ‚Barbaren‘ aufgrund deren weißer Hautfarbe. Stellt man sich die Frage, inwiefern es sich bei der Darstellung der Sklaverei in Nevèrÿon um eine Anspielung auf Geschichte und Gesellschaft der USA handelt, so fällt zunächst ein Unterschied ins Auge: In Nevèrÿon existieren auch dunkelhäutige Sklaven (wie etwa Gorgik in seiner Jugend), wohingegen es in den USA keine oder kaum weiße Sklaven gab (Tucker 95, 100). Abgesehen davon existieren jedoch zahlreiche Parallelen. Gorgik berichtet über seine Zeit als Sklave: „Our history had been denied us […] systematically“ („The Game of Time and Pain“ 74). Dies Aussage erinnert stark an ein Interview, das Delany im Jahr 1993 gab: „When, indeed, we say

201 that this country was founded on slavery, we must remember that we mean specifically, that it was founded on the systematic, conscientious, and massive destruction of African cultural remnants“ (zitiert nach Tucker 103). Eine weitere Parallele zwischen Nevèrÿon und den USA der Vorbürgerkriegszeit sieht Tucker in der Rolle, die literacy für Sklaven einnimmt. Historisch habe die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben, für US- amerikanische Sklaven häufig eine Möglichkeit dargestellt, um Freiheit zu erlangen. Dieselbe Fähigkeit rettet in „The Tale of Gorgik“ Gorgik das Leben und verschafft ihm somit die Chance, zu einem späteren Zeitpunkt freizukommen (Tucker 104 f.). Eine weitere Parallele findet sich, wie Tucker anmerkt, in der Art und Weise, wie Sklaverei in Nevèrÿon bzw. den USA abgeschafft wird bzw. wurde. Gorgiks Kombination aus paramilitärischen und politischen Mitteln erinnert tatsächlich an Sklavenrevolten sowie politische abolitionist movements, die in den USA real existierten (Tucker 114). Zweifellos ist die amerikanische Sklaverei für Delanys eigene Identität von großer Wichtigkeit, denn er selbst ist Nachkomme von Sklaven und hat über die Erzählungen seiner Großmutter, die diese Berichte selbst noch aus erster Hand erhalten hatte, einen Bezug zu dieser Zeit, wie er 1983 in einem Interview äußerte (Tucker 98). In Delanys Nevèrÿon-Reihe finden sich aber nicht nur Anspielungen auf die Sklaverei des amerikanischen antebellum, sondern auch auf die gegenwärtige Situation. In „The Tale of Fog and Granite“ beobachtet der Schmuggler einen jugendlichen ‚Barbaren‘, der mehrere gutsituierte, dunkelhäutige Bürger belästigt (39 ff.), woraufhin ein anderer ‚Barbar‘ dazustößt, der den Pöbler zurechtweist (42). Nahezu dasselbe Ereignis findet in „The Tale of Plagues and Carnivals“ statt, wo der Erzähler (der sich als Delany identifiziert) einen jungen Afroamerikaner auf den Straßen New Yorks dabei beobachtet, wie dieser mehrere Weiße belästigt und anschließend von einem anderen Afroamerikaner zurechtgewiesen wird (365 ff.). Was Wortwahl und Syntax angeht, gleichen sich die Aussagen der pöbelnden Jugendlichen in beiden Erzählungen – mit der Ausnahme, dass das Wort nigger durch barbarian ersetzt wurde. Natürlich ist unklar, ob dieser Vorfall in der Realität wirklich stattgefunden hat, doch wird hier deutlich, dass Delany einen Bezug zwischen gesellschaftlichen Realitäten und seiner S&S-Reihe schaffen möchte. Zudem enthält „The Tales of Plagues and Carnivals“ mit Nari und Zadyuk ein Pärchen, das mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hat wie viele multiethnische Paare in den heutigen USA. So erfahren wir, dass Naris Eltern den ‚Barbaren‘ Zadyuk nur „out of despair“ (250) als Schwiegersohn akzeptierten. Die Frage, wie Delany Diskriminierung aufgrund einer Volkszugehörigkeit oder

202 eines Phänotyps bewertet, ist eindeutig zu beantworten. Indem er Parallelen zur historischen Sklaverei zieht, die heutzutage allgemein als Schandfleck der amerikanischen Geschichte gilt, macht er deutlich, dass auch Sklaverei in Nevèrÿon ein Übel darstellt. Genau wie er die Gesellschaft der Western Crevasse nutzt, um Kritik an geschlechtsbezogener Diskriminierung zu üben, dient ihm die Gesellschaft Nevèrÿons dazu, Diskriminierung anhand von Hautfarbe und kulturellem Hintergrund eines Menschen zu kritisieren. Auch hier liegt eine absolute Inversion der sozialen Machtstrukturen vor, wie sie sowohl in vielen Werken der Fiktion also auch in der Realität existieren bzw. existiert haben. Delany entlarvt den Konstruktcharakter jeder vermeintlichen racial difference, die über das rein Äußerliche hinausgeht. Niemand wird aufgrund seiner Hautfarbe als moralisch, körperlich oder intellektuell überlegen dargestellt. Zwar besitzt der größere Teil von Delanys Protagonisten eine dunkle Hautfarbe, doch finden sich hierunter mit dem Schmuggler und Clodon auch charakterschwächere und negativer gezeichnete Figuren. Dass Nari und Zadyuk eine der wenigen funktionalen und glücklichen Beziehungen führen, die in der Nevèrÿon-Reihe beschrieben werden, ist sicher kein Zufall. Delany wendet sich nicht nur gegen die Unterdrückung einer bestimmten Ethnie, sondern liefert eine konsequente „critique of vertical readings of racial differences“ (Tucker 96). Aufgrund des eindeutig vorhandenen Bezugs zur US-amerikanischen Gesellschaft der Vergangenheit, aber auch der Gegenwart, ist die Nevèrÿon-Reihe hinsichtlich ihrer Darstellung von race als sozialkritisch zu betrachten. Delanys Texte enthalten auch in dieser Hinsicht eine klare Botschaft und somit einen offenkundigeren ideologischen Gehalt als die Erzählungen Howards oder Leibers. Fasst man die bisherigen Ergebnisse zusammen, so wird klar, dass Delany jeden Aspekt einer Gesellschaft verurteilt, der als vermeintlich ‚natürlich‘ präsentiert wird, in Wirklichkeit aber der Unterdrückung dient und, wie Delany zeigt, konstruiert ist. Hier wird der Einfluss Roland Barthes’ auf Delany deutlich, wie Tucker unter Rückgriff auf Zitate aus Barthes’ Mythologies veranschaulicht: „The cultural criticism in which Barthes and Delany […] engage is informed by what Barthes calls ‘a feeling of impatience at the sight of the ‘naturalness’’ that is ascribed to structures that are ‘undoubtedly determined by history’“ (Tucker 133).

203

3.4. Die ökologische Perspektive

3.4.1 Robert E. Howard

Wie die Protagonisten in Tolkiens LOTR, so sind auch Howards ‚barbarische‘ Helden eng mit der ‚Natur‘ verbunden. Wie bereits erläutert, werden die körperlichen Attribute von Howards Helden häufig mit denen von Raubtieren verglichen. In „The Servants of Bit-Yakin“ wird erläutert, dass Conan ein besserer Bergsteiger ist als jeder ‚zivilisierte‘ Mensch: „No man had ever climbed these cliffs, legends said, and none but the priests knew the secret entrance into the valley. Conan did not waste time looking for it. Steeps that balked these black people, horsemen and dwellers of plain and level forest, were not impossible for a man born in the rugged hills of Cimmeria“ (6). Gleiches trifft auf Conans Fähigkeit zu, sich in wilden Urwäldern zurechtzufinden, sich lautlos fortzubewegen oder geringste Geräusche richtig zu deuten. In „Beyond the Black River“ wird dieser Sachverhalt folgendermaßen erklärt: „Conan was as much a part of this wilderness as Balthus was alien to it“ (79). ‚Zivilisierte‘ Fährtensucher können gewisse Fähigkeiten erlernen, jedoch nie zu dem Grad perfektionieren, zu dem Conan sie seit seiner Geburt besitzt (59). Genauso wenig vermag Conans Aufenthalt in ‚zivilisierten‘ Königreichen dessen Fähigkeiten abzustumpfen: „[H]e might have walked with the rulers of civilization; he might even achieve his wild whim some day and rule as king of a civilized nation; stranger things had happened. But he was no less a barbarian“ (79). Der ‚Barbar‘ ist der ‚Natur‘ bei Howard also grundsätzlich wesentlich näher als der ‚zivilisierte‘ Mensch und steht mit dieser in einer engen Verbindung. Diese Verbindung ist jedoch nicht die einer stewardship, wie Tolkiens Children of Ilúvatar sie ausüben. Stewardship impliziert eine ‚natürliche‘ Ordnung der Dinge, in welcher der Mensch das Recht und die Pflicht hat, für die ihm zumindest in gewisser Weise untergeordnete ‚Natur‘ Verantwortung zu übernehmen. Howard jedoch liefert keinerlei Schöpfungsmythos, der darauf hindeutet, dass der Mensch über der ‚Natur‘ stehen könnte. Vielmehr ist der Mensch, wenn auch nur im Falle des ‚Barbaren‘, gleichberechtigter Teil der ‚Natur‘. Das Verhältnis des ‚Barbaren‘ zur ‚Natur‘ ist nicht das einer stewardship, sondern das einer kinship. Dieses Wort wird von Howard wiederholt verwendet, um Conans Beziehung zu Tieren und selbst wildesten Bestien zu beschreiben. In „Red Nails“ wird erklärt, dass Conan „a kinship with all wild things, even dragons“ (222) fühlt, und ebenso heißt es in „Beyond the Black River“ in Bezug

204 auf einen verwilderten Hund, der den ‚Barbaren‘ begleitet: „There was a kinship between [Conan] and the great gaunt brute that glided beside him“ (98). Selbst beim Kampf Conans mit einem schrecklichen Riesenaffen in „Iron Shadows in the Moon“ fühlt eine Zuschauerin „a kinship in the antagonists that was almost appalling. This was less a struggle between man and beast than a conflict between two creatures of the wild, equally merciless and ferocious“ (210). Es gibt also deutliche Anzeichen dafür, dass das bekannte Zitat aus „Beyond the Black River“, ‚Barbarei‘ sei der ‚natürliche‘ Zustand der Menschheit, nicht nur die persönliche Meinung eines Charakters, sondern einen festen Bestandteil der Philosophie darstellt, die Howards S&S-Texten innewohnt. Aus der Feststellung, dass Howards ‚Barbaren‘ eins mit der ‚Natur‘ sind, folgt wiederum, dass ‚Zivilisation‘ und ‚Natur‘ für Howard genauso unvereinbare Gegenpole bilden wie ‚Zivilisation‘ und ‚Barbarei‘. Bei Tolkien handelt der Mensch erst dann wider die ‚Natur‘, wenn er diese durch Technisierung und Industrialisierung bedroht. Bei Howard tut er dies bereits, wenn er sich in Städten niederlässt und den Weg der ‚Zivilisation‘ einschlägt – sobald er sich nicht mehr, wie Conan, auf „the naked fundamentals of life“ („Beyond the Black River“ 79) konzentriert, sondern sich „[t]he warm intimacies of small, kindly things, the sentiments and delicious trivialities that make up so much of civilized men’s lives“ („Beyond the Black River“ 79) zuwendet. Hier stellt sich die Frage, ob die ‚Natur‘ sich bei Howard ähnlichen Gefahren ausgesetzt sieht wie bei Tolkien. Sicherlich trägt die Tatsache, dass S&S typischerweise eher von privaten oder regionalen denn von weltbewegenden Konflikten handelt, dazu bei, dass die ‚Natur‘ kaum derart bedroht wird wie durch die Mächte des ‚Bösen‘ in LOTR. Betrachtet man aber die längeren Conan-Erzählungen, allen voran The Hour of the Dragon, so fällt auf, dass diese durchaus Gefahren enthalten, denen sich die ganze Welt ausgesetzt sieht. Diese Bedrohungen sind ausschließlich magischer Art. In The Hour of the Dragon trachtet der Zauberer Xaltotun danach, das Reich Acheron wiederzubeleben, welches Jahrtausende zuvor mit Hilfe dunkler Magie Angst und Schrecken verbreitete. Ein Verbündeter Xaltotuns, der die Wahrheit erst im letzten Moment erkennt, beschreibt den Plan des Zauberers folgendermaßen:

I tell you he would restore Acheron by his magic, by the sorcery of a gigantic blood-sacrifice such as the world has never seen. He would enslave the world, and with a deluge of blood wash away the present and restore the past! […] Acheron will be Acheron again, and even the hills, the forests and

205

the rivers will resume their ancient aspect. (230 f.)

Zwar verfügen auch ‚Barbarenvölker‘ über Schamanen und Zauberer, diese hegen jedoch nie vergleichbare Pläne. Nur ‚zivilisierte‘ Magier hegen Eroberungspläne, die denen Xaltotuns nahekommen, beispielsweise Toth-amon in „The Phoenix on the Sword“, Thugra Khotan in „Black Colossus“, Tsotha-lanti in „The Scarlet Citadel“ oder die Black Seers in „The People of the Black Circle“. Die Magie dieser Zauberer, sowie die Kreaturen, die diese heraufbeschwören, wird wiederholt als ‚unnatürlich‘ bezeichnet. In „Black Colossus“ zeichnet sich Thugra Khotans Ruhestätte (der dieser nach dreitausendjährigem Schlaf entsteigt) ebenso durch eine „unnaturalness“ (154) aus wie der Nebel, den der Zauberer später verwendet, um seine Schlachtformation zu verbergen (176). In „The Scarlet Citadel“ entsendet Tsotha-lanti einen als „unnatural being“ und als „blasphemy against the eternal laws of nature“ (98) bezeichneten Dämon. Die Zugluft, die Conan später in Tsotha-lantis unterirdischem Gewölbe spürt und die wohl von im Dunkeln unsichtbaren Monstern hervorgerufen wird, nimmt Conan ebenfalls als „a thing unnatural“ (99) wahr. Zauberer vermögen jedoch nicht nur, ‚unnatürliche‘ Dämonen herbeizurufen, sondern offenbar auch, Tier- und Pflanzenleben zu korrumpieren. Beispielsweise erkennt Conan in The Hour of the Dragon „something vaguely unnatural about the appearance of the black horses that drew [Xaltotun’s chariot]“ (104). In „The Scarlet Citadel“ verwendet Tsotha-lanti magische Schlingpflanzen, um einen Gefangenen anzuketten. Diese Pflanzen zeichnen sich aus durch „strangely pointed leaves and crimson blossoms – not the satiny red of natural petals, but a livid, unnatural crimson, like a perversity of flower life“ (100). Dass Magie tatsächlich in der Lage ist, ‚Natur‘ zu bedrohen, geht auch daraus hervor, dass der ansonsten so unerschrockene (und im fairen Kampf normalerweise unbesiegbare) Conan diese fürchtet. Während nahezu allen Begegnungen mit übernatürlichen Gegnern läuft ihm ein Schauer den Rücken hinunter. Allein in „The Scarlet Citadel“ spürt Conan „an icy sensation“ (94), „an icy hand“ (95) und „an icy trickle“ (103) auf seinem Rücken, als er es mit Tsotha-lantis Magie zu tun bekommt, und auch der Anblick Xaltotuns führt in The Hour of the Dragon zu „a chill along [Conan’s] spine“ (108). Das Betreten Stygiens, welches von dunkler Magie beherrscht wird, löst ihn Conan ähnliches Unbehagen aus: „Human foes he did not fear, nor any death by steel or fire. But this was a black land of sorcery and nameless horror“ (The Hour of the Dragon 207).

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Bedenkt man nun, dass im bereits angesprochenen Zitat aus „Beyond the Black River“ nicht nur ‚Barbarei‘ zum ‚natürlichen‘ Zustand der Menschheit erklärt, sondern gleichzeitig ‚Zivilisation‘ als ‚unnatürlich‘ bezeichnet wird, so kann man zu dem Schluss kommen, dass Howard primär zwei Dinge als ‚wider die Natur‘ betrachtet: ‚Zivilisation‘ und Magie. Beide scheinen eng miteinander verbunden, und man könnte argumentieren, dass Magie in Howards Universum auf ähnliche Weise eine Bedrohung für die ‚Natur‘ darstellt wie Technisierung und Industrialisierung bei Tolkien. Howards als Identifikationsfiguren dienende S&S-Protagonisten sind ‚Barbaren‘, wohingegen ‚Zivilisation‘ im Wesentlichen kritisch betrachtet und Magie beinahe ausschließlich als teuflisch dargestellt wird. Magie ist offenbar das einzige Element, das in der Lage ist, ‚Natur‘ zu bedrohen und zu korrumpieren, und ihre (‚zivilisierten‘) Anwender scheinen danach zu streben, die ‚Natur‘ zu unterwerfen. Im Rahmen eines am ecocriticism angelehnten Ansatzes könnte man also durchaus zu einer positiven Bewertung von Howards S&S-Texten kommen und in diesen eine Warnung vor dem Versuch entdecken, sich die ‚Natur‘ untertan zu machen. Diese Lesart ist allerdings dahingehend einzuschränken, dass die bei Howard verteufelte Zauberei in der Realität nicht existent ist und das Schaffen einer Analogie zwischen dem Machtstreben ‚böser‘ Magier in Howards Werk und der in unserer Welt tatsächlich stattfindenden Umweltzerstörung zumindest einiger Vorstellungskraft bedarf. Bei Tolkien fallen entsprechende Interpretationen leichter, da Industrialisierung und Umweltsünden wie die Abholzung von Wäldern auch innerhalb seiner Fiktion bereits stattfinden. Hinzu kommt, dass Tolkiens magnum opus eine deutliche Botschaft enthält, die so bei Howard fehlt. Bedingt durch eine existentialistisch anmutende Grundphilosophie, weist Howards S&S dem Leben des Menschen keinen bestimmten Sinn oder Zweck zu, sodass sie dem Leser auch keine absoluten Ideale präsentiert – Conan folgt zwar einem gewissen Ehrenkodex, doch besitzt er auch amoralische Züge. Bei solchen ‚Barbaren‘, die nicht in der Rolle des Protagonisten auftreten, überwiegt diese Amoralität sogar. Der Kampf ums Dasein, der in Howards S&S geführt wird, und der Züge trägt, die man als ‚sozialdarwinistisch‘ bezeichnen könnte, wird als ‚natürlich‘ erachtet. Howard will keine Anweisungen geben, die zu einem friedlichen Miteinander führen können, da diese Option gar nicht vorhanden ist. Die Dominanz eines hard primitivism sowie einer nature red in tooth and claw macht es bisweilen auch schwer, die ‚Natur‘ als etwas inhärent ‚Gutes‘ zu betrachten, welches sie etwa bei Tolkien darstellt. Durch ihre Wehrhaftigkeit scheint sich die ‚Natur‘ als Ganzes bei Howard,

207 wenn man von magischen Bedrohungen absieht, nicht in der Opferrolle zu befinden, die sie in LOTR mitunter innehat. Selbiges trifft auf den ‚Barbaren‘ als naturverbundenen Protagonisten zu. Trotz dieser Einschränkungen existiert jedoch ein Aspekt, in dem Howards S&S gegenüber der FF Tolkiens aus Sicht eines am ecocriticism orientierten Ansatzes punkten kann: Mit der kinship zwischen Mensch (bzw. ‚Barbar‘) und ‚Natur‘ liegt sicher ein noch egalitäreres Modell vor, als Tolkien es mit seiner stewardship liefert.

3.4.2 Fritz Leiber

Wie bei Howard dominiert auch bei Leiber eine nature red in tooth and claw, die allerlei Gefahren für den Menschen bereithält. Auch Fafhrd ist als ‚Barbar‘ eng mit der ‚Natur‘ verbunden. Der Begriff kinship fällt zwar nicht, doch kommt Fafhrd mit extremen Naturbedingungen wesentlich besser zurecht als der Mouser. Während Fafhrd in „Stardock“ eine erhabene, poetische Beschreibung des gleichnamigen Berges liefert, bezeichnet der Mouser diesen nur als „wart on this frostbit patch of Nehwon’s face“ (588). Sowohl die eisige Kälte in „Stardock“ oder „The Frost Monstreme“, als auch die stürmische See in „Their Mistress, the Sea“ und anderen Erzählungen macht dem ‚zivilisierten‘ Mouser deutlich mehr zu schaffen als Fafhrd. Trotzdem ist Fafhrds Konstitution nicht derart übermenschlich wie die Conans. Beispielsweise ist Fafhrd nicht vor Seekrankheit gefeit, obgleich er sich schneller erholt als der Mouser („Their Mistress, the Sea“ 454). Ein weiteres Beispiel dafür, dass extreme Umweltbedingungen Fafhrd zusetzen können, findet sich in „Stardock“. Im Laufe der Erzählung stellt sich heraus, dass die Besteigung des Berges nicht nur den Mouser, sondern auch Fafhrd an seine Grenzen bringt. Die Behauptung Fafhrds, einen Teilabschnitt bereits in seiner Jugend bestiegen zu haben, erweist sich als Lüge (607). Leiber bewegt sich im Großen und Ganzen in der Tradition Howards, was seine Darstellung von ‚Barbaren‘, ‚zivilisierten‘ Menschen und ihrem jeweiligen Verhältnis zur ‚Natur‘ betrifft. Trotzdem gibt es dahingehend Abweichungen, dass Fafhrd im Vergleich zu Conan wesentlich verwundbarer gegenüber den Bedrohungen wirkt, die die wilde ‚Natur‘ für ihn bereithält.113

113 Man bedenke, dass Conan bereits in seiner Jugend in der Lage war, das Genick eines wilden

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Analog zu Howard steht eine ökologische Botschaft bei Leiber sicher nicht im Mittelpunkt, doch lassen sich durchaus Anspielungen auf eine Bedrohung der ‚Natur‘ durch den Menschen bzw. die ‚Zivilisation‘ erkennen. Bei dem in Lankhmar allgegenwärtigen Smog handelt es sich sicher um eine Anspielung auf die Gegebenheiten in manch realer Großstadt. Als in „Rime Isle“ ein abrupter Kälteeinbruch auf der gleichnamigen Insel eintritt, fürchten einige, dies sei das Ergebnis von „freezing glacial streams [that] had at last tunnelled through Nehwon’s crust and dowsed her inner fires“ (549) – womöglich eine Anspielung auf den Klimawandel. Anders als in Howards S&S stellt Magie bei Leiber kaum eine Bedrohung für die ‚Natur‘ dar. Zwischen Magie und ‚Zivilisation‘ scheint auch bei Leiber ein Zusammenhang zu bestehen. So beginnt der Mouser seine Karriere als Zauberlehrling und beherrscht zumindest ein Minimum an Magie. Fafhrd hingegen steht dieser Magie skeptisch gegenüber, und so heißt es in „Adept’s Gambit“: „Fafhrd did not really believe in magic, least of all the Mouser’s“ (496). Andererseits wird Magie jedoch häufig auch mit ‚Natur‘ in Verbindung gebracht, wie Waugh an zahlreichen Beispielen veranschaulicht (Waugh 17). Insbesondere Khahkht als Wizard of Ice greift auf Naturgewalten zurück und ist nicht nur in der Lage, eisige Kälte und Nebel heraufzubeschwören, sondern auch Fischschwärme als Nahrung für die von ihm kontrollieren Mingol-Horden bereitzustellen („Rime Isle“ 325). Magie ist bei Leiber also, anders als bei Howard, nicht wider die ‚Natur‘. Wie bereits beobachtet, stellen ‚Barbarei‘ und ‚Zivilisation‘ bei Leiber keine eindeutige Dichotomie dar, sondern sind durchaus miteinander vereinbar. Dies wird durch die erfolgreiche Zusammenarbeit Fafhrds und des Mousers deutlich, wie auch Waugh feststellt:

“[The saga] concerns also the oppositions and relations between civilization and the barbarian wilderness; in the earliest stories Fafhrd already represents the attitudes of the barbarian world, the Gray Mouser, the attitudes of the city. Thus the stories already assume that the Word [sic] and the forces that oppose it are capable of reconciliation.“ (14)

Es kommt hinzu, dass mit Rime Isle ein Entwurf existiert, den man als goldenen Mittelweg bezeichnen könnte, und der sowohl den Protagonisten als auch den ihnen

cimmerischen Stieres zu brechen („The Man-Eaters of Zamboula“ 198).

209 untergebenen Berserkern und Dieben sowie dem Mingol Ourph die Aussicht auf einen friedlichen Lebensabend verschafft. Sicher steht eine ökologische Botschaft bei Leiber nicht im Mittelpunkt. Möchte man sich trotzdem auf eine ecocritical reading von Leibers Texten einlassen, so ließe sich aus obigen Ausführungen folgern, dass es sich auch bei ‚Natur‘ und ‚Kultur‘ um keine absoluten Gegenpole handelt, und der Mensch versuchen sollte, sich mit der ‚Natur‘ zu versöhnen und mit dieser in Harmonie zu leben.

3.4.3 Samuel R. Delany

In Delanys S&S-Erzählungen finden verschiedene Eingriffe in natürliche Lebensräume Erwähnung, die schwerwiegende Folgen mit sich ziehen. Als Beispiel hierfür lässt sich das naturverbundene Volk der Rulvyn nennen, dessen Zusammenleben durch Einführung ‚zivilisierter‘ Sitten und Gebräuche (wie etwa einer Währung) in „The Tale of Old Venn“ stark beeinträchtigt wird. Auch die Sklavenhändler Nevèrÿons, die Sarg und andere ‚Barbaren‘ aus ihrer Heimat entführen, führen einen solchen Eingriff in einen natürlichen Lebensraum durch. Beide Eingriffe sind negativ zu bewerten, denn einer führt zur Gefährdung einer funktionalen, harmonischen Gesellschaft, und der andere zu Leid und Tod, auch wenn letzterer im Falle Sargs erst nach vielen Jahren eintritt. Nachdem Delany Wert darauf legt, dass sein S&S-Universum Analogien zu unserer realen Welt aufweist, könnte man diese Stellen, in denen sich eine gewisse Zivilisationkritik andeutet, auch als Warnung vor Umweltzerstörung interpretieren. Allerdings wird bei Delany nirgends auf die Abholzung von Wäldern oder die Bedrohung von Tierarten eingegangen. Die technischen Eingriffe, die Venn oder Belham in der ‚Natur‘ vornehmen, werden an keiner Stelle negativ bewertet, mehrmals jedoch als atemberaubende technische Meisterwerke präsentiert, wie etwa der in Stein gehauene Fußweg, den Clodon und Alharid in „The Tale of Rumor and Desire“ durchqueren. Anstatt vor einer Zerstörung der ‚Natur‘ zu warnen, scheint es dem Autor vor allem darum zu gehen, zu zeigen, welche Auswirkungen der Einfluss der ‚Zivilisation‘ auf Individuen und Gesellschaften hat. Ebenso wenig wird eine Bedrohung des Menschen durch die ‚Natur‘ beschrieben. Mit Ausnahme der zumeist wenig imposanten Drachen findet in der ganzen Nevèrÿon-Reihe keine einzige wilde

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Bestie Erwähnung. Auch müssen Delanys Protagonisten sich nie extremen Umweltbedingungen stellen, abgesehen davon, dass der Erzähler zu Beginn von „The Tale of Small Sarg“ erwähnt, dass der Protagonist in seiner Kindheit Hunger leiden musste. Wie bereits festgestellt, enthalten Delanys Texte, im Vergleich zu den Geschichten Howards und Leibers, eine deutlichere sozialkritische Botschaft. Diese konzentriert sich jedoch weniger auf den ökologischen, sondern stärker auf andere Aspekte des Spannungsfeldes ‚Natur – Kultur‘, insbesondere race und gender.

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4. Fazit und Abschließende Überlegungen

Nach einer ausführlichen Betrachtung der fiktiven Welten von S&S im Spannungsfeld ‚Natur – Kultur‘ scheint eine ecocritical reading hier weniger ergiebig als bei typischer FF im Stile von Tolkiens LOTR. Eine Ursache hierfür findet sich sicherlich in der hybriden Natur der Untergattung ‚S&S‘, die sich aufgrund des Einflusses von Gattungen wie adventure fiction, western fiction oder horror fiction stärker am hard primitivism orientiert. Diesem liegt ein wehrhaftes, von romantischer Verklärung weitgehend freies Naturbild zu Grunde, welches sich kaum eignet, um Geschichten zu erzählen, die als Parabeln auf die Bedrohung der Umwelt durch den modernen Menschen dienen. Bei allen drei untersuchten Autoren lässt sich eine Botschaft erkennen, die offenbar typisch für S&S ist und die Stellung des Individuums in der Gesellschaft betrifft. Mathews stellt in seinem Buch folgende These auf: „Fantasy is a literature of liberation and subversion. Its targets may be politics, economics, religion, psychology, or sexuality. It seeks to liberate the feminine, the unconscious, the repressed, the past, the present, and the future“ (xii). Diese These trifft sicher nicht auf die Gesamtheit der Gattung ‚FF‘ zu, in der es freilich auch Werke gibt, die in unserer Gesellschaft vorhandene repressive Tendenzen affirmieren. Aus der Untersuchung der Weltentwürfe bei Howard, Leiber und Delany lässt sich jedoch folgern, dass der Aspekt der liberation bei S&S verhältnismäßig stark zum Tragen kommt und die ganze Untergattung von einer Grundeinstellung geprägt ist, die die Freiheit des Einzelnen als oberstes Gut betrachtet. Alle drei genannten Autoren wenden sich in ihren Texten gegen Determinismus, autoritäre Systeme und blindes Vertrauen in höhere Mächte. Sie kritisieren somit soziale Machtstrukturen, die dem Individuum einen vermeintlich ‚natürlichen‘ Platz in einer sinnvollen Ordnung der Dinge zuweisen, in Wirklichkeit aber auf dessen Unterdrückung hinarbeiten. Howards und Leibers Texte sind hierbei nicht frei von Widersprüchen, und es finden sich mitunter auch Affirmierungen diskriminierender Strukturen. Bei Howard betrifft dies dessen rassistische Tendenzen, die erst im Laufe seiner Karriere schwächer wurden. Die Werke Leibers sind aus feministischer Sicht problematisch, da sie sich in der Darstellung patriarchalischer Strukturen bzw. frauenverachtenden Verhaltens ambivalent geben. Trotzdem sind die Werke dieser Autoren, und die Untergattung, für die sie typisch sind, hinsichtlich ihrer Wertschätzung persönlicher Freiheit positiv zu bewerten. Der Fokus auf die Freiheit des

212

Einzelnen und die damit verbundene Zurückweisung ‚natürlicher‘ Ordnungen stellt ein entscheidendes Kriterium dar, mit dessen Hilfe sich S&S von typischer FF im Stile Tolkiens, in welcher sich Konzepte wie stewardship oder eine scala naturae finden, abgrenzen lässt. Die in dieser Dissertation getroffene Auswahl an Kernautoren hat sich als geeignet erwiesen, um die fortschreitenden Subversionserscheinungen zu beschreiben, denen S&S unterliegt (und die sich, wie unter 2.4.5 beschrieben, auch bei anderen AutorInnen wie Moorcock oder Russ finden). Eine mögliche Erklärung für diese Erscheinungen findet sich in der Offenheit von S&S gegenüber den Prozessen der Hybridisierung bzw. Chimärisierung, welche wiederum daher rührt, dass S&S von Anfang an eine hybride Untergattung der FF darstellte. Howard erschuf den Archetyp der S&S-Erzählung, welcher zunächst zahlreiche Imitatoren inspirierte. Leibers S&S orientiert sich an von Howard geschaffenen Mustern, unterzieht diese jedoch einer transfiguration, die sich vor allem in einer Ironisierung und Parodisierung äußert. Trotz des allgegenwärtigen ironischen Untertons und der stellenweise vorhandenen Metafiktionalität bewegen sich die Abenteuer Fafhrds und des Mousers aber immer noch in für S&S typischen Bahnen. Ganz anders stellt sich die Situation bei Delany dar. Dieser spielt nicht nur mit den Konventionen von S&S, sondern unterzieht diese einer regelrechten Inversion bzw. Dekonstruktion. Obwohl Delany sich um Subversion bemüht, sind seine Texte nicht unbedingt gegenläufig zu denen früherer S&S-Autoren, sondern lassen sich vielmehr als (vorläufiger) Endpunkt einer Entwicklung betrachten, der S&S von Anfang an unterlag und die Prozesse wie transfiguration, Hybridisierung und Chimärisierung einschließt. Tucker schließt sein Kapitel zur Nevèrÿon-Reihe mit folgender Feststellung zu deren dekonstruktivem Charakter ab: „Therefore, the Return to Nevèrÿon series represents, somewhat paradoxically perhaps, sword-and-sorcery dedicated to demystification“ (149). Nach meinen ausführlichen Untersuchungen bin ich jedoch der Meinung, dass hier gar kein Paradoxon vorliegt, und Delany in mancherlei Hinsicht nur eine konsequentere, (post-)moderne Version einer literature of liberation liefert, wie sie Howard und Leiber bereits verfassten. Wenn Delany den Konstruktcharakter einer jeden gesellschaftlichen Praktik herausstellt, die sich als Teil einer vermeintlich ‚natürlichen‘ Ordnungen verkauft, in Wahrheit jedoch nur dazu dient, bestimmte Machtstrukturen zu festigen, so erscheint dies als Weiterentwicklung der freiheitlichen Botschaft, die bereits bei Howard zu finden ist, dort jedoch noch von Widersprüchen verzerrt wird. Delany

213 beseitigt diese Widersprüche und liefert eine spezifischere, aktuellere Version der für S&S typischen Botschaft. Hierbei macht Delany das ungemeine kreative Potential deutlich, welches die Untergattung ‚S&S‘ dank ihrer Offenheit für Hybridisierungs- und Chimärisierungsprozesse auszeichnet. In der Art und Weise, wie Delany mit den Konzepten race und gender umgeht, lassen sich Hybridisierungs- bzw. Chimärisierungsprozesse erkennen, die mit African American literature bzw. feminist literature in Verbindung stehen. AutorInnen wie Charles Saunders und Joanna Russ machen deutlich, dass es sich bei Delanys S&S um keine isolierte Erscheinung handelt und die Untergattung als Ganzes sich für weitere akademische Studien eignet, auch und gerade im Rahmen moderner Forschungsansätze wie African American studies und gender studies. Sword and sorcery hat sich somit als eine vielfältige Untergattung der fantasy fiction und als interessanter wissenschaftlicher Untersuchungsgegenstand erwiesen.

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Literaturverzeichnis

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