Die Demokratie Nigerias in Ihrer Heiklen Zweiten Phase
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Tunde Fatunde Die Demokratie Nigerias in ihrer heiklen zweiten Phase Als die gewählten Vertreter des Volkes am 29. Mai Als im Mai 1999 Olusegun Obasanjo als demokratisch 1999 auf der Bundes-, Regional- und Kommunal- gewählter Präsident Nige- ebene ihren Amtseid leisteten, trat Nigeria formell in rias mit der Lösung der von die erste Phase der Demokratie ein. Wie nicht anders den Militärregimes hinter- zu erwarten, sah sich die neu gewählte demokrati- lassenen Problemen beauf- tragt worden war, hatte das sche Regierung sofort mit enormen Problemen kon- Land einen ersten Schritt in frontiert, denn die früheren Militärregimes waren Richtung Demokratie ge- äußerst korrupt und standen auch deswegen den Lei- tan. Seitdem haben sich die den der nigerianischen Bevölkerung gleichgültig Lebensbedingungen der Nigerianer deutlich verbes- gegenüber. Die Nigerianer wiederum erwarteten sert. Mit einer umfassen- durchaus berechtigterweise, dass sich die demokrati- den Kabinettsumbildung sche Regierung unter der Führung von Olusegun will Obasanjo nun den Kampf gegen die Korrup- Obasanjo mit eben diesen Problemen auseinander- tion verstärken, aber auch setzen werde, zu denen die heruntergewirtschaftete die in vielen Bereichen be- Infrastruktur (Straßen, Telekommunikation, Schu- reits begonnenen Reformen len, Krankenhäuser) genauso gehörte wie die vorantreiben und somit das Ansehen der Landesfüh- Arbeitslosigkeit, die ethnischen und religiösen Kon- rung im In- und Ausland flikte und die Auswirkungen der jahrelangen Isolie- weiter verbessern. Der Prä- rung Nigerias in der internationalen Gemeinschaft. sident selbst hat sich bis- Nach eineinhalb Jahren ziviler Demokratie sind die lang als äußerst integrer, weitsichtiger und um sub- nigerianischen Wähler mit den Leistungen der Regie- stanzielle Reformen be- rungsorgane im Bereich der Legislative, Exekutive mühter Politiker gezeigt, und Jurisdiktion nicht völlig zufrieden. So wies zum dessen Erfolge, so bei- Beispiel der Präsident der nigerianischen Anwalts- spielsweise bei der Aufar- beitung der diktatorischen kammer, Chris Okocha, anlässlich eines Höflich- Vergangenheit sowie bei keitsbesuches bei dem nigerianischen Staatsoberhaupt der Herausführung des darauf hin, dass sich die Lebens- und Arbeitsbe- Landes aus der internatio- nalen Isolation, weltweit dingungen der Nigerianer seit dem Eintritt in die höhste Beachtung fanden. Demokratie am 29. Mai 1999 nicht verbessert hätten. Sein persönliches Charisma Er forderte den Präsidenten dringend auf, nach einer hat ihn zu einer Symbolfi- Lösung für das Problem der ständigen Verschlechte- gur werden lassen, der viele auch eine Führungsaufgabe rung der Lebensumstände der nigerianischen Bürger innerhalb der gesamten Re- zu suchen. Olu Falae, der bei den Präsidentschafts- gion wünschen. wahlen im Februar 1999 unterlegen war, wies Oluse- KAS-AI 6/01, S. 103-120 103 gun Obasanjo darauf hin, dass eine Kabinettsumbil- dung dringend erforderlich sei, bei der noch unver- brauchte, integre Persönlichkeiten in das Kabinett aufgenommen werden müssten, die in der Lage seien, einen Beitrag zur Wiederbelebung der nigerianischen Wirtschaft zu leisten. Des Weiteren erklärte Olu Falae, er als Wirtschaftswissenschaftler sehe den Prä- sidenten als einen Mann von Integrität und visio- närem Weitblick. Er sei jedoch von Menschen umge- ben, deren egoistischer Ehrgeiz die Lösung der Probleme behindere, die im Laufe der jahrelangen Herrschaft korrupter und unfähiger Militärregimes 1) Punch, 4.2.2001, S. 1. entstanden seien.1) Auch von verschiedenen Berufs- 2) Vanguard, 3.2.2001, S. 9. verbänden und demokratischen Organisationen in der Zivilgesellschaft Nigerias wurde der Präsident aufgefordert, sein Kabinett aufzulösen und Persön- lichkeiten als Minister einzusetzen, die bereit seien, sich ernsthaft mit den schwerwiegenden Problemen zu befassen, denen sich das Land gegenübersehe. Angesichts dieser zahlreichen Forderungen kündigte der Präsident eine „umfassende“ Kabinettsumbil- dung an. „Anläßlich einer Pressekonferenz, bei der die Kandidatenliste für den Senat vorgestellt wurde, sagte Ibrahim Imam, ein leitender Mitarbeiter des Präsidialamts, der Präsident sei über das Problem der Integrität besorgt, und dieses Anliegen habe für ihn auch bei der Zusammenstellung des ersten Kabinetts im Vordergrund gestanden. Die Regierung befinde sich aber nunmehr in der zweiten Runde, die Flitter- wochen seien vorbei, und es seien konkrete Ergeb- nisse gefragt. Deswegen habe für den Präsidenten auch die Leistungsfrage bei der Umbildung des Kabinetts im Vordergrund gestanden.“ Die Bedeutung der Kabinettsumbildung Die von dem nigerianischen Staatsoberhaupt Oluse- gun Obasanjo zuletzt vorgenommene Kabinettsum- bildung dient vornehmlich der Sicherung der Konti- nuität, dem Kampf gegen die Korruption und den Vorbereitungen für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2003.2) Kontinuität Die Kabinettsumbildung brachte keine grundlegen- den Änderungen. Sie gibt vielmehr den meisten 104 Ministern Gelegenheit, die Zielsetzungen der Regie- rung Obasanjo auch weiterhin zu unterstützen. Die im Kabinett verbleibenden Minister behielten sämt- lich ihre früheren Funktionen. Nur in zwei Ministe- rien fanden unbedeutende Änderungen statt, näm- lich im Verteidigungs- und im Justizministerium. General Theophilus Danjuma, der de facto als Vizepräsident fungiert, behält das Verteidigungsmi- nisterium. Er ist Präsident Olusegun Obasanjos alter ego. Danjuma gehört nicht derselben ethnischen Gruppierung an wie der Präsident; er stammt aus dem Bundesstaat Taraba und verfügt in der Zentral- region Nigerias, die auch unter dem Namen „Middle Belt“ bekannt ist, über den größten politischen Ein- fluß. Danjuma, ein Christ, der gegen die biafrani- schen Sezessionisten gekämpft hat, teilt Obasanjos politische Ansichten völlig. Beide sind Gegner der mit der Forderung nach Einführung der sharia ver- bundenen extremistischen islamischen Ideologie. Vorstellungen wie die Einrichtung einer souveränen Nationalkonferenz, die Schaffung eines Polizeistaats und die absolute Kontrolle sämtlicher Ressourcen durch die Bundesstaaten lehnen sie strikt ab. Die schrittweise Übertragung bestimmter Machtbefug- nisse an die Bundesstaaten wird von Danjuma jedoch unterstützt. Danjuma ist dabei, die Streitkräfte umzustruktu- rieren und ihnen ein nationales Gesicht zu verleihen. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes wurden ihm drei Staatsminister zur Seite gestellt, zu denen auch eine Frau gehört. Chief Bola Ige hat seinen Posten als Justizminister behalten. Er gilt als der Ideologe des Staates und spielt auch weiterhin in zweifacher Hinsicht eine bedeutende Rolle in der Regierung Obasanjo: Als Vizepräsident der Afenifere, der einflussreichsten politischen Organisation unter den Yoruba im Süd- westen, kann er seinen Einfluss bei allen sechs Zivil- gouverneuren dieser Region zur Geltung bringen, um ihre politische Unterstützung für die Regierung Obasanjo zu sichern. Mit großer Sicherheit wird er eine wichtige Rolle bei der anstehenden Änderung der Verfassung von 1999 spielen. Weiterhin gehört es zu seinen Aufgaben, dafür Sorge zu tragen, dass die Bundesregierung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und besonders im Bereich der Wirtschaft und 105 der Religion das einflussreichste und mächtigste aller Staatsorgane ist und bleibt. Auch er teilt die politi- schen Ansichten des Präsidenten und des Verteidi- gungsministers. Ihm zur Seite steht Musa Adullahi, ein Anwalt aus Nassarawa, der ebenfalls die Ansich- ten des Präsidenten teilt. Vor der Kabinettsumbildung wurde häufig darü- ber spekuliert, dass Finanzminister Chiroma Adamu das Kabinett würde verlassen müssen. Nach einem schweren Autounfall wurde er nach Deutschland geflogen, wo er sich einer schweren Operation unter- ziehen musste. Das war etwa im April letzten Jahres. Adamu ist zwar wieder im Lande, aber er ist behin- dert und erscheint kaum noch in seinem Büro. Trotz- dem amtiert er aus rein politischen Gründen auch weiterhin als Finanzminister. Als Angehöriger der in der Nordwestregion ansässigen Kanuri verfügt Chiroma über beträchtlichen politischen Einfluss. Er verbleibt deshalb im Kabinett, um Olusegun Oba- sanjo politischen Rückhalt zu geben. Die übrigen im Amt verbliebenen Minister haben seit dem Antritt der Regierung Olusegun Obasanjos relativ gute Leistungen gezeigt. Der Kampf gegen Korruption und Ziellosigkeit Bei einigen Ministern wurde offiziell kein Grund für ihre Amtsenthebung genannt. Verlässlichen Quellen zufolge gab es für ihre Entlassung jedoch zwei Gründe, nämlich korruptes Verhalten und politi- schen Ehrgeiz. Korruptes Verhalten Aus der Umgebung des Präsidenten verlautet, dass von den folgenden Ministern große Summen unter- schlagen wurden, die ursprünglich für Investitions- projekte bestimmt waren: General David Jemibewon, der Polizeiminister, Professor Tunde Adeniran, der Minister für Bildung und Erziehung, und Ibrahim Bunu, der für die Hauptstadt Abuja zustän- dige Minister. Politischer Ehrgeiz Anderen Ministern, die ihres Amtes enthoben wur- den, wurde vorgeworfen, sie hätten ihre Ziele allzu hoch gesteckt. Sie hatten in aller Stille eine Kampa- 106 gne begonnen mit dem Ziel, in ihren jeweiligen Bun- desländern im Jahr 2003 das Amt des Gouverneurs zu übernehmen. Für ihr Amt als Minister blieb ihnen demzufolge nur wenig oder gar keine Zeit. Es han- delt sich um: Sango Damishi, den Sportminister und Graham Douglas, den Minister für Tourismus. Unfähigkeit Wegen Unfähigkeit verloren zwei Minister ihr Amt, nämlich Hassa Adamu, der Landwirtschaftsminister und Tom Menakaya,