Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken.

1 Impressum. Inhalt.

Herausgeberin und Medieninhaberin: Bezirksvorstehung Josefstadt

Autorinnen: Mag. a Theresa Aigner, Mag.a Claudia Kahla Cover-Foto: Alma Johanna Koenig (Quelle: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands)

Satz: Julia Kolda

Druck: AV + Astoria Druckzentrum GmbH Erscheinungsdatum: 04/2012

Die Broschüre wurde von der Kulturabteilung der Stadt Wien durch eine Wissenschafts- und Forschungsförderung unterstützt.

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Impressum. Inhalt.

Impressum und Inhalt 3

Vorwort 5

Marie von Ebner-Eschenbach. Schriftstellerin 9

Rosa Mayreder. Schriftstellerin und Frauenrechtlerin 13

Eugenie Schwarzwald. Vorreiterin der Mädchenbildung 15

Therese Schlesinger. Publizistin, Politikerin und Frauenrechtlerin 17

Maria Franc. Erste Bezirksvorsteherin Wiens 19

Anna-Lülja Praun. 25 Architektin und Designerin, Pionierin der Baukunst

Alma Johanna Koenig. Autorin, Schriftstellerin 27

Lisette Model. Fotografin 31

Muriel Gardiner Buttinger. Psychoanalytikerin 33

Herta Staub. Schriftstellerin 35

Statements. Josefstädterinnen von heute 39

Feministische Räume in der Josefstadt 41

Literaturübersicht 42

3 SedisVorwort. eat. Percide comnien emposam, corerspit.

Liebe Josefstädterinnen und den Milena Verlag, der 1980 im Kon- liebe Josefstädter! text der Frauenbewegung gegründet wurde. Egal wohin wir schauen, das Wirken von Frauen wird kaum dokumentiert Großer Dank gebührt in diesem Zu- bzw. wahrgenommen: weder in Wis- sammenhang Frau Maria Ettl, der Lei- senschaft oder Kultur noch in den terin des Bezirksmuseums, sowie Frau Geschichtsbüchern. Auch in unserer Petra Unger und Frau Dr.in Irmtraut Stadt werden die Leistungen der Frau- Karlsson, die beide in den vergange- en noch nicht entsprechend gewürdigt. nen Jahren Frauenspaziergänge in der Die Josefstadt passt ebenfalls in dieses Josefstadt durchgeführt haben und auf Bild: Von allen nach Persönlichkeiten deren Recherchen zurückgegriffen wer- benannten Straßen- und Platznamen den konnte. Besonderer Dank gilt Frau in der Josefstadt sind nur drei nach Mag.a Theresa Aigner und Frau Mag.a Frauen, hingegen 27 nach Männern Claudia Kahla für das Zusammentra- benannt. Die Zeit ist reif, die Frauen gen des Materials, die Interviews und besser ins Bild zu rücken! das Verfassen der Broschüre.

Um diesem Thema Rechnung zu tra- Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim gen, soll das Leben und Wirken nam- Lesen! hafter Josefstädterinnen sichtbar gemacht werden. Aus diesem Anlass Herzlichst haben die Josefstädter Bezirkspoliti- das Redaktionsteam kerinnen in gemeinsamer Arbeit, über alle Parteigrenzen hinweg, diese Bro- schüre ermöglicht. Sie gibt einerseits Einblick in die Lebenswerke von Frauen, die in unserer unmittelbaren Nachbar- schaft gewohnt haben und anderer- Mag.a Veronika Mickel seits in Josefstädter Institutionen wie Bezirksvorsteherin

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. SedisVorwort. eat. Percide comnien emposam, corerspit.

und die Bezirksrätinnen

Mag.a Johanna Klösch (ECHT) Stefanie Vasold (SPÖ)

Mag.a Doris Müller (Grüne)

Birgit Ossberger (FPÖ) Renate Kaltenegger (ÖVP)

5 Einleitung der Autorinnen.

Die Josefstadt ist mit einer Fläche gemein eingetreten sind. Auch heute von gut einem Quadratkilometer der noch wird die Josefstadt als ein Bezirk kleinste Bezirk in Wien. Was aber Ge- des Bürgertums und der BeamtInnen, schichte und Gegenwart von Frauen aber auch als Heimat von Intellektu- betrifft, kann die Josefstadt auf Gro- ellen, KünstlerInnen und Schauspie- ßes verweisen. Neben historischen lerInnen beschrieben. Aber in den Persönlichkeiten, denen diese Bro- Aufzählungen der historisch-pro- schüre gewidmet ist, sprechen auch minenten Bezirkseinwohner(Innen) die Fakten der Gegenwart eine deut- kommen Frauen kaum vor. Marie liche Sprache: Die Bezirksvorstehung, von Ebner-Eschenbach ist dabei wohl das Gefängnis, das Bezirksmuseum, die prominenteste und findet so als der frühere Frauenverlag (heute einzige ihren Platz neben Namen Milena-Verlag), das Frauencafè: All wie Ödön von Horvath, Milo Dor, HC diese Institutionen werden von Frau- Artmann und anderen „großen Per- en geleitet und stehen teilweise als sönlichkeiten“, auf die die Josefstadt feministische Institutionen grund- stolz ist. sätzlich für die Sichtbarmachung, die Gleichberechtigung oder aber auch Dass auch die erste weibliche Bezirks- für Raum für Frauen. vorsteherin Wiens aus der Josefstadt gekommen ist, dass eine Pionierin Dass solch gesellschaftlich relevante der Mädchenbildung, Künstlerinnen, Positionen von Frauen eingenommen Architektinnen oder große Wider- werden, ist weder selbstverständlich standskämpferinnen in der Josefstadt noch kurzfristig gewachsen. Die Ge- gelebt und gewirkt haben, bleibt da- schichte der Josefstadt ist geprägt bei meist unerwähnt. Das zu ändern von den Leistungen unterschiedlichs- ist das erklärte Ziel dieser Broschüre. ter Frauen, die interessiert, engagiert, Dabei soll auch nicht unerwähnt blei- kämpferisch und mutig für Frauen, ben, dass nicht nur in der Vergangen- aber auch für die Verbesserung gesell- heit große Frauen hier gelebt haben, schaftlicher Rahmenbedingungen all- sondern die Josefstadt auch heute

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Einleitung der Autorinnen.

noch Wohnort vieler starke Frauen- der Fakten, die in dieser Broschüre figuren ist: darunter beispielsweise dargestellt werden, sind Ergebnisse Marianne Mendt, Luise Martini, Su- ihrer Recherchen. sanne Scholl. Diese Broschüre erhebt keinen An- Diese Broschüre versteht sich als spruch auf Vollständigkeit oder Abge- Nachlese für all jene, die sich für Frau- schlossenheit. Das Ziel muss sein, das en und ihr Wirken, für die Geschichte Bild von Frauen in Geschichte und Ge- und die Flecken, die in ihrer Aufarbei- genwart kontinuierlich zu erforschen tung zu wenig beleuchtet werden, und zu dokumentieren. Erst wenn interessieren. Sie versteht sich au- Geschichte nicht mehr die Geschichte ßerdem als Unterlage und Begleiterin von Männern über Männer ist, rücken für die Frauenspaziergänge, die nun wir der Gleichberechtigung von Frau- schon seit einigen Jahren auch in der en und Männern ein Stückchen näher. Josefstadt durchgeführt werden. Und Erst wenn unser Bewusstsein und un- sie versteht sich nicht zuletzt als ein ser Blick auch für Ungerechtigkeiten Sammelwerk all jener Leistungen, die und Unterschiede in der geschichtli- schon von anderen Frauen auf dem chen Betrachtung von Männern und Gebiet der Aufarbeitung von Frauen- Frauen geschult ist, kann ein ganz- geschichte erbracht wurden. An die- heitliches Bild zusammengesetzt ser Stelle gilt großer Dank Christine werden. Und eben dieses ist notwen- Klusacek, Irmtraut Karlsson und Petra dig, um die Gegenwart zu verstehen Unger, die auf unterschiedliche Art und in einem emanzipatorischen Sin- die Frauengeschichte des achten Be- ne zu verändern. Dazu möchte diese zirks untersucht, erforscht, beschrie- Broschüre einen Beitrag leisten.  ben, dokumentiert, sichtbar gemacht, geteilt und publiziert haben. Ihrer bis- herigen Arbeit ist es zu danken, dass die Frauengeschichte der Josefstadt kein unbeschriebenes Blatt ist. Viele Die Autorinnen der Broschüre

7 SedisMarie eat.von PercideEbner-Eschenbach. comnien emposam,Schriftstellerin corerspit.

Als Marie von Ebner-Eschenbach mit elf Jahren die Bücher ihrer verstor- benen Großmutter in die Bibliothek auf Schloss Zdislawitz einordnen soll, erwacht ihr literarisches Interesse. Sie beginnt ohne Vorgaben, frei nach ihrer Wahl, die Bücher zu lesen und Am 13.09.1830 wird Marie Ab 1888 große Erfolge am entwickelt durch dieses Selbststudi- von Ebner-Eschenbach auf Theater der „Freien Bühne“ um ihren später so bedeutenden Bil- Schloss Zdislawitz bei Krem- in Berlin. dungs- und Schriftstellerinnendrang. sier in Mähren geboren. Von Seiten der Familie wird dieser 1899 erhält Marie von Entwicklung eher mit Ablehnung be- 1848 heiratet sie ihren 15 Ebner-Eschenbach als erste gegnet. Einzig ihre zweite Stiefmut- Jahre älteren Cousin Moritz Frau das Österreichische ter – die vierte Ehefrau des Vaters – von Ebner-Eschenbach. Ehrenzeichen für Kunst und unterstützt ihr literarisches Interesse Wissenschaft. und Talent. Nach der Hochzeit mit ih- Ab 1858 versucht sie – zu- rem Cousin Moritz von Ebner-Eschen- nächst ohne Erfolg – durch 1900 erhält sie das Ehren- bach zieht das junge Paar zunächst Theaterstücke Bekanntheit doktorat der Universität nach Klosterbruck in Südmähren, zu erlangen. Wien anlässlich ihres 70. kehrt dann aber zurück nach Wien. Geburtstags. 1876 feiert sie ihren ersten Eine gescheite Frau Erfolg mit dem Vorabdruck Am 12.03.1916 stirbt Marie hat Millionen geborener des Kurzromans „Bozena“ in von Ebner-Eschenbach im Feinde – alle dummen Männer. der „Deutschen Rundschau“. Alter von 86 Jahren in Wien. Nach fast 20 Jahren erfolgloser Be- 1880 literarischer Durch- mühungen am Theater erlangt Marie bruch mit der Erzählung 1876 schließlich mit dem Vorabdruck „Lotti, die Uhrmacherin“ und des Kurzromans „Bozena“ in der dem Werk „Aphorismen“. „Deutschen Rundschau“ als Schrift-

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. SedisMarie eat.von PercideEbner-Eschenbach. comnien emposam,Schriftstellerin corerspit.

stellerin Bekanntheit. Der literarische Frauen in ihren Werken werden zwar Durchbruch gelingt ihr dann durch in traditionellen Frauenrollen darge- die Veröffentlichung ihrer Erzählung stellt, sind aber dennoch aktiv und „Lotti, die Uhrmacherin“ (1880). handlungsstark. Marie setzt sich für Durch diese Erfolge beginnen sich zu- die Bildung und Autonomie von Frau- nehmend auch Verlage für die mitt- en ein, die Förderung ihrer Fähigkei- lerweile 50-jährige Schriftstellerin zu ten und die Anerkennung weiblicher interessieren. Die Veröffentlichung Leistung. 

Das Recht des Stärkeren ist das stärkste Unrecht. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass bis heute nicht hinreichend historisch nach- der „Dorf- und Schlossgeschichten!“ gewiesen ist, ob Marie von Ebner-Eschenbach (1883) mit der berühmtesten Novel- tatsächlich in der Josefstadt gelebt hat. Ihr wird le „Krambambuli“, der „Aphorismen“ in Publikationen zwar die Wohnadresse Len- (1880) und des Romans „Das Gemein- augasse 2 zugeordnet, bewiesen ist dieser Um- dekind“ (1887) macht Marie zu einer stand dennoch nicht. Trotzdem soll sie in dieser der bekanntesten Schriftstellerinnen Broschüre nicht fehlen, da sie eine sehr wichtige im deutschsprachigen Raum. und in vielen Bereichen exemplarische Rolle in der Wiener Frauengeschichte einnimmt. In ihren sozialkritischen Novellen und erzählerischen Dichtungen themati- siert sie mit viel politischem Bewusst- sein und psychologischem Scharfblick Erste Frauenbewegung immer wieder Werte wie Toleranz, Mitmenschlichkeit und Verständnis. Aus den revolutionären Ereignissen Obwohl sie sich nie explizit der Ersten um das Jahr 1848 entstand auch in Frauenbewegung anschließt, finden Österreich eine Frauenbewegung, sich vor allem in den „Aphorismen“ die vor allem das Recht der Frau auf durchaus feministische Ansätze. Die Bildung und Ausbildung, eine Bes-

9 serung der Sittlichkeitsverhältnisse die erste Frauenbewegung mehr und und das Frauenwahlrecht forderte. mehr auf die Erlangung des Frauen- Frauen erkannten, dass es ihnen ohne stimmrechts, das in Österreich erst entsprechende Ausbildung bzw. ohne 1918 eingeführt werden sollte. Zugang zu Bildungsinstitutionen nicht möglich war, ihre ökonomische Existenz unabhängig von ihren Män- nern zu sichern. Das patriarchale Eherecht dieser Zeit legte eine klare Hierarchie innerhalb der Ehe fest und machte den Mann zum Familien- oberhaupt. Die Forderung nach einer Besserung der Sittlichkeitsverhält- nisse beinhaltete daher das Postulat einer verbesserten Rechtsposition für Frauen innerhalb der Ehe, aber auch veränderte Scheidungsgesetze, die Bestrafung von sexuellen Übergriffen und Überlegungen zur Abtreibung.

Selbst den wenigen wohlhabenden Frauen wurde durch die Einführung des allgemeinen und gleichen Wahl- rechts 1907 die Möglichkeit der po- litischen Stimmabgabe genommen. Das allgemeine Wahlrecht war ein reines Männerwahlrecht und Frauen waren von der Teilnahme an poli- tischen Vereinen komplett ausge- schlossen. Daher konzentrierte sich

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Foto: Österreichische Nationalbibliothek 11 SedisRosa Mayreder.eat. Percide Schriftstellerin comnien und emposam, Frauenrechtlerin corerspit.

Am 30. November 1858 wird Rosa May- reder in Wien geboren. Sie wächst mit zwölf Geschwistern auf und beneidet ihre Brüder um deren Ausbildung. Der konservative Vater erlaubte ihr, an den Österreichische Nationalbibliothek Österreichische Foto: Griechisch- und Lateinstunden ihrer Brüder teilzunehmen. Außerdem erhält sie Unterricht in Französisch, Malerei und Klavier. Sie beschäftigt sich schon als junges Mädchen mit Wagner, Scho- Am 30.11.1858 wird Rosa 1905 veröffentlicht May- penhauer und Nietzsche, sie interessiert Obermayer als Tochter eines reder ihren feministischen sich intensiv für die Wissenschaft und reichen Gastwirts in Wien Essayband „Zur Kritik der stößt sich an dem Umstand, dass diese geboren. Weiblichkeit“. damals fast ausschließlich Männern vorbehalten war. 1881 heiratet Rosa 1881 heiratet sie Karl 1919 wir Mayreder zur Vor- ihren Jugendfreund, den Archtiekten Mayreder. sitzenden der „Frauenliga für und späteren Rektor der Technischen Frieden und Freiheit“ (IFFF). Universität, Karl Mayreder. Mit ihm lebt 1892 gründet Mayreder mit sie einige Jahre in der Florianigasse 21 in anderen Frauen den „Allge- 1928 sollte Mayreder zur Eh- der Wiener Josefstadt. Die Ehe verläuft meinen Österreichischen renbürgerin der Stadt Wien harmonisch, bleibt kinderlos. Frauenverein“. gewählt werden. Weil sie sich öffentlich zu ihrem jü- Rosa Mayreder lernt die Frauenrecht- 1897 gründet sie gemein- dischen Großvater bekennt, lerinnen Marie Lang und Marianne sam mit Olga Prager u.a. die wird ihr dies verwehrt. Hainisch, die als Vertreterinnen der „Kunstschule für Frauen und bürgerlichen Frauenbewegung in Ös- Mädchen“. 19.1.1938 stirbt Rosa Mayre- terreich gelten, kennen. Gemeinsam der in Wien. mit Marie Lang und Auguste Fickert Ab 1899 gibt sie mit Auguste gründet sie 1892 den „Allgemeinen Fickert die Zeitschrift „Doku- 1997 wird sie auf der Österreichischen Frauenverein“, des- mente der Frau“ heraus. 500-Schilling-Banknote sen Vorstandsmitglied und Vizeprä- abgedruckt sidentin sie wird. Ab 1899 gibt sie

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. SedisRosa Mayreder.eat. Percide Schriftstellerin comnien und emposam, Frauenrechtlerin corerspit.

gemeinsam mit den beiden Frauen Bertha von Suttner in der Friedens- die Zeitschrift „Dokumente der Frau“ bewegung und wird Vorsitzende der heraus. Auch ihre literarischen Erst- „Frauenliga für Frieden und Freiheit“ lingswerke, Novellen und Romane (IFFF). Ihre Kritik richtet sich gegen alle befassen sich mit den Problemen von Formen des Militarismus, den sie als Frauen angesichts herrschender Kon- typisch männliches Machwerk sieht. ventionen. Im Kreis von Marie Lang 1923 folgt ihr zweiter feministischer in der Villa Bellevue in Wien-Grinzing, Essayband „Geschlecht und Kultur“, in der hauptsächlich aus Theosophen dem sie ihre philosophischen Gedan- besteht, lernt Rosa Mayreder unter ken zu den Themen Sexualität, Liebe anderem Hugo Wolf und Rudolf Stei- und Ehe darlegt. ner kennen. Mit Hugo Wolf verbindet sie eine sehr freundschaftliche Bezie- 1928 wird Rosa Mayreder die Ehren- hung, sie arbeiten auch miteinander: bürgerschaft der Stadt Wien zugesagt. Mayreder schreibt einen Textentwurf Nachdem sie sich aber öffentlich zu ih- für das Libretto von Wolfs Oper „Der rem jüdischen Großvater bekennt, wird Corregidor“, die 1896 in Manheim ur- sie nur zur „Bürgerin der Stadt Wien“ aufgeführt wird. Von Rudolf Steiners gewählt. 1938 stirbt die Schriftstelle- Weltanschauung distanziert sich May- rin, Sozialkritikerin, Malerin, Musikerin reder immer mehr, Steiner jedoch ver- und Frauenrechtlerin im Alter von 80 ehrt Rosa Mayreder bis zu seinem Tod. Jahren in Wien. Sie ist auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt. 1897 gründet Mayreder zusammen mit anderen Frauen den Verein „Kunstschu- Nach Rosa Mayreder wurde die May- le für Frauen und Mädchen“, der später redergasse im 22. Bezirk () umbenannt wird in „Wiener Frauen- benannt. Auf der „neuen“ 500-Schil- akademie“. 1905 veröffentlicht Rosa ling-Banknote, die 1997 gedruckt Mayreder ihren ersten feministischen wurde, ist Mayreder gemeinsam mit Essayband „Zur Kritik der Weiblichkeit“. ihrem Mann und mit den Teilneh- merinnen des Bundestags Österrei- Vor dem und während des ersten chischer Frauenvereine 1911 in Wien Weltkriegs engagiert sie sich mit abgebildet. 

13 Eugenie Schwarzwald. Vorreiterin der Mädchenbildung

Eugenie Schwarzwald, die heute als große Vorreiterin der Mädchenbil- dung, Pädagogin, Sozialreformerin

Österreichische Nationalbibliothek Österreichische Foto: und Frauenrechtsaktivistin gilt, wird am 4.7.1872 in Polupanowka in Ga- lizien geboren. Sie besucht in Wien eine Lehrerinnenbildungsanstalt, be- vor sie von 1895 bis 1900 Philosophie und Germanistik an der Universität Zürich studiert – der einzigen Hoch- schule im deutschsprachigen Raum, an der Frauen damals zum regulären Studium zugelassen waren. Sie pro- Am 4.7.1872 wird Eugenie Ab 1911 führt sie die Schule moviert als eine der ersten Österrei- Nußbaum in Polupanowka als Mädchenrealgymna- cherinnen zur Dr. phil. in Galizien geboren. sium, die erste Schule an der Mädchen in Österreich Am 16. Dezember 1900 heiratet Euge- 1895 – 1900 studiert sie maturieren konnten. nie Hermann Schwarzwald, mit ihm an der Universität Zürich lebt sie in der Josefstädterstraße 68. und promoviert als eine der Während des ersten Sie übernimmt das Mädchenlyzeum ersten Österreicherinnen zur Weltkrieges organisiert sie am Franziskanerplatz 5 im ersten Be- Dr.phil. Hilfsprojekte. zirk und erweitert dieses schrittweise zu einem Schulzentrum mit Volks- 1901 übernimmt sie das 1933 wird sie während eines schule, Gymnasial- und allgemeinen Mädchenlyzeum am Franzis- Auslandsaufenthaltes vom Fortbildungskursen. Die offizielle Lei- kanerplatz. „Anschluss“ überrascht und tung ihrer Schule bleibt Schwarzwald flüchtet in die Schweiz. ihr Leben lang verwehrt, sie muss so- gar einen Mann anstellen, der diese Am 4.7.1940 stirbt Eugenie nach außen hin übernimmt. Auch ihr Schwarzwald in Zürich. akademischer Grad wird in Österreich

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Eugenie Schwarzwald. Vorreiterin der Mädchenbildung

nie anerkannt. Ab 1911 führt Schwarz- Szene des beginnenden 20. Jahrhun- wald die Schule als Mädchenrealgym- derts, darunter waren Elias Canetti, naisum mit acht Klassen. Es handelt Robert Musil, Rainer Maria Rilke, Paul sich um eine der ersten Schulen in Lazarsfeld oder Alma Mahler-Werfel. Österreich, an der Mädchen maturie- Die Gastgeberin, die auch „Frau Dok- ren konnten. Die Grundideen ihrer Pä­ tor“ genannt wird, schafft es, Persön- dagogik sind von Gewaltfreiheit, För- lichkeiten unterschiedlichster Coleur derung der Kreativität und der freien in ihrem Heim zu versammeln: Von Entfaltung jedes Kindes geprägt. Eu- Othmar Spann, einem der geistigen genie pflegt den Gedankenaustausch Väter des Ständestaates, über Karl mit Maria Montessori und ihre Ideen Popper bis hin zu SozialistInnen und sind später Grundlage für Otto Glö- KommunistInnen. ckels umfassende Schulreform. Während des ersten Weltkriegs orga- Das Mädchenrealgymnasium über- nisiert sie Gemeinschaftsküchen, Al- siedelt 1913 in die Wallnerstraße 9 ters-, Erholungs- und Lehrmädchen- im ersten Bezirk. Eugenie Schwarz- heime. Ab 1933 hilft sie Flüchtlingen wald gelingt es, namhafte Persön- aus Deutschland, 1934 unterstützt lichkeiten als Lehrer für ihre Schule zu sie verfolgte SozialdemokratInnen. gewinnen, darunter Oskar Kokoschka, 1938 wird sie während eines Aufent- Adolf Loos, Arnold Schönberg oder haltes in Dänemark vom „Anschluss“ Hans Kelsen. überrascht. Sie kehrte nicht mehr nach Wien zurück und kann in die Die Wohnung der Schwarzwalds im Schweiz flüchten. In Österreich wird achten Bezirk, die Adolf Loos gestal- ihr gesamtes Eigentum „arisiert“ und tet hat, entwickelt sich zum Treff- ihre Schule geschlossen. punkt bekannter Persönlichkeiten des damaligen Wien. In ihrem Salon tum- Im Jahr 2011 wurde im 22. Bezirk (Do- melt sich die „Créme de la Créme“ der naustadt) der Eugenie-Schwarzwald- intellektuellen und künstlerischen Weg nach ihr benannt. 

15 Therese Schlesinger. Publizistin, Politikerin und Frauenrechtlerin

Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Therese Schlesinger wird am 6. Juni 1863 als Tochter eines jüdischen Pa- pierfabrikanten in Wien geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters wird die Mutter, welche die Leitung der Fabrik übernimmt, zur Ernährer­ von links vorne beginnend: Adelheid Popp, Therese Schlesinger, Anna Boschek, Emmy Freundlich, Maria Tusch, Amalie Seidel. in der achtköpfigen Familie und zur prägenden Figur in Thereses Leben. Therese ist die Schwester des Journa- listen Gustav Eckstein, des Universal- gelehrten Friedrich Eckstein und der Am 6.6.1863 wird Therese 1919 wird sie als eine der Feministin Emma Eckstein. Im elter- Schlesinger in Wien geboren. ersten Frauen ins Parlament lichen Betrieb lernt Therese die sozi- gewählt . alen Missstände jener Zeit kennen. 1888 heiratet sie Viktor Als Frau ist ihr der Zugang zu einem Schlesinger. 1919 –1923 gehört sie der Studium verwährt, sie erhält Privat- konstituierenden National- unterricht und bildet sich autodidak- 1896 lernt sie führende Per- ratsversammlung und dem tisch weiter. sönlichkeiten der Sozialde- Nationalrat an. mokratie kennen. 1888 heiratet sie den Bankbeamten 1923 – 1930 gehört sie dem Viktor Schlesinger, der aber bald an 1897 wird sie Mitglied der Bundesrat an. Tuberkulose stirbt. Sozialdemokratischen Arbei- terpartei. 1938 flieht sie – als Jüdin und Therese ist eng befreundet mit den Sozialdemokratin doppelt Frauenrechtlerinnen Marie Lang und 1911 übernimmt sie beim verfolgt – vor den Nazis nach Auguste Fickert (siehe S. 13) und ersten internationalen Frau- Frankreich. engagiert sich schließlich selbst in entag, der am 19.1. abgehal- der bürgerlichen Frauenbewegung, ten wird, den Vorsitz. 1940 stirbt sie dort in einem wird Mitglied im „Allgemeinen Ös- Sanatorium in Blois. terreichischen Frauenverein“ (der als

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Therese Schlesinger. Publizistin, Politikerin und Frauenrechtlerin

radikaler Flügel der ersten Frauenbe- weiblichen Abgeordneten im Nati- wegung gilt) und im Lese- und Debat- onal- und Bundesrat: Von 1919 bis tierclub „Libertas“. 1923 ist sie Mitglied der konstituie- renden Nationalratsversammlung In ihren Publikation fordert Schlesin- und des Nationalrats, danach gehört ger die Zulassung von Frauen zum sie bis zum Jahr 1930 dem Bundesrat Hochschulstudium, die Verbesserung an. des Arbeitsschutzes für Frauen, vor allem aber kämpft sie für die Einfüh- Nach dem „Anschluss“ Österreichs rung des Frauenwahlrechts. Sie lernt flüchtet sie vor den Nationalsozialis- führende Persönlichkeiten der Sozi- ten nach Frankreich, wo sich Freunde, aldemokratie kennen, darunter Adel- die dort im Exil leben, ihrer anneh- heid Popp, Anna Boschek oder Victor men. Sie stirbt am 5.6.1940 in einem Adler. Sie tritt in Folge der Sozialde- Sanatorium in Blois. mokratischen Arbeiterpartei bei, hält zahlreiche Vorträge und publiziert Im Jahr 2006 wurde der Therese- Artikel und Aufsätze. 1901 ist sie Mit- Schlesinger-Platz in der Josefstadt gründerin des Vereins sozialdemokra- nach ihr benannt. Zuvor war dieser tischer Frauen und Mädchen. nach dem christlich-sozialen Reichs- ratsabgeordneten Josef Schlesinger Während des ersten Weltkriegs wird benannt, der unter Bürgermeister Schlesinger eine der führenden Per- Lueger tätig und für seine besonders sönlichkeiten im „linken Flügel“ rund aggressive, antisemitische Rhetorik um Friedrich Adler und Otto Bauer, bekannt war. Der bedeutende öster- die an der Spitze des Kampfes gegen reichische Schriftsteller und Publizist den Krieg stehen. Karl Kraus bezeichnete ihn in der „Fackel“ wegen seiner besonders ag- Mit der Einführung des Wahlrechts gressiven, antisemitischen Rhetorik für Frauen 1918, beginnen für Schle- als einen Vordenker der „Theorie der singer ihre Jahre als eine der ersten Rassenreinheit“. 

17 SedisMaria eat.Franc. Percide Erste Bezirksvorsteherin comnien emposam, Wiens corerspit.

Maria Franc wird am 25.9.1906 in Wien geboren. Sie besucht Pflicht- schule und Handelsschule. Danach bemüht sie sich um einen Büropos- ten und wird Kassierin, Verkäuferin und Beamtin bei der großen Schuh- firma Delka. 1934 kommt sie als Buchhalterin mit der christlich-so- zialen Gewerkschaft in der Laudon- gasse in Berührung und betätigt sich dort zum ersten Mal politisch. 1938 setzt der „Anschluss“ Österreichs ihrem politischen Schaffen ein Ende. Sie heiratet Hans Franc, den sie bei den christlichen Gewerkschaftern kennen gelernt hat. Nach der Auf- lösung der Gewerkschaft durch die Nazis geht sie zurück zu Delka und ist dort bis zum Kriegsende beschäf- tigt. Während des Krieges betätigt Am 25.9.1906 wird Maria Ab 1950 ist sie Vorsteherin sie sich karitativ im kirchlichen Um- Franc in Wien geboren. des Fürsorgeamts. feld. 1945 wird ihre Tochter Hannerl geboren, ihr Sohn ist bereits schul- 1934 betätigt sie sich 1959 wird sie zur ersten pflichtig. erstmals bei der christlich- weiblichen Bezirksvorsteher­ sozialen Gewerkschaft. in gewählt. In den folgenden Jahren ist sie zu- hause bei den Kindern. Nach den 1938 – 1945 gibt sie ihre 1971 stirbt Franc in Wien. Gemeinderatswahlen 1949 kehrt politische Tätigkeit auf und Franc als Bezirksrätin in die Politik engagiert sich karitativ. zurück, 1950 bekommt sie die Stelle

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. SedisMaria eat.Franc. Percide Erste Bezirksvorsteherin comnien emposam, Wiens corerspit.

des Fürsorgeamtsvorstandes ange- von den Frauen mit einem kleinen boten, die engagierte Maria Franc Triumphgefühl aufgenommen wur- nimmt an. Im Rahmen dieser Arbeit de. Die Wahl des Bezirksvorstehers betreut sie Arme, Alte, Flüchtlinge für die Josefstadt fiel auf eine Frau. und Hungernde. In Ihrer Zeit in der Und somit ist Maria Franc Wiens ers- Fürsorge ist Franc eine hartnäckige ter und einziger weiblicher Bezirks- Spendensammlerin und lässt sich vorsteher“, schreibt die „Neue Illus- nicht entmutigen. In der Josefstadt trierte Wochenschau“ am 21.2.1960. hat sie es aber nicht immer leicht – Liest man weiter, wird deutlich, dass schon in der Monarchie haben sich auch Journalisten noch nicht so dort hohe Beamte angesiedelt, die recht wussten, was sie von der „Frau sich von einer Frau nichts abknöpfen Bezirksvorsteher“ halten sollten. So lassen wollen. Maria Franc nimmt werden gleich im nächsten Absatz es dennoch unermüdlich mit dem ihre mütterlichen Qualitäten zur Be- beamteten Josefstädter Patriarchat schreibung ihrer Person herangezo- auf und ist auch als Bezirksreferen- gen. Nichts desto trotz arbeitet Franc tin der Frauenbewegung aktiv. Eine engagiert im Bezirksamt, ihre Tür Frau als Fürsorgeamtsvorstand – das steht den Bürgerinnen und Bürgern war bereits ein Novum, aber keines- immer offen, auch wenn ihre Amts- wegs das Ende von Francs politischer stunden nur von 08.00 bis 12.30 Karriere. dauern. Nach wie vor sind ihr soziale Tätigkeiten ein besonderes Anliegen. 1959 passiert das bisher Unmög- Maria Franc bleibt nur eine Periode liche: Maria Franc wird zur ersten im Amt. Warum sie nicht weiter ge- weiblichen Bezirksvorsteherin ge- macht hat, ist auch heute noch ein wählt, obendrein als Schwarze im Rätsel, es dürften die Männer ge- Roten Wien. „Zum Jahresende gab es wesen sein, die den Posten des Be- im Wiener Bezirk Josefstadt eine Sen- zirksvorstehers wieder in männlicher sation, die von Männern vielleicht Hand sehen wollten und mit Intrigen mit skeptischem Achselzucken und den Abgang Maria Francs eingeleitet

19 haben. Sie nimmt die männerbünd- lerische Aktion schweigend hin und geht. Maria Franc stirbt am achten Jänner 1971 an Brustkrebs.

Heute kennt kaum jemand den Na- men der ersten weiblichen Bezirks- vorsteherin Wiens. Sie ist fast aus der öffentlichen Wahrnehmung ver- schwunden – in der Josefstadt ist der Gemeindebau in der Lange Gasse 21-23, Ecke Zeltgasse nach ihr benannt. 

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Legende.

1. Marie von Ebener-Eschenbach – Lenaugasse 2

2. Rosa Mayreder – Florianigasse 21

3. Eugenie Schwarzwald – Josefstädterstraße 68

4. Therese Schlesinger – Schlesingerplatz

5. Maria Franc – (Bezirksvorstehung) Lange Gasse 21-23

6. Anna Lülja Praun – Bennogasse 8

7. Alma Johanna Koenig – Pfeilgasse 47-49

8. Lisette Model – Josefsgasse 9

9. Muriel Gardiner Buttinger – Lammgasse 8

10. Herta Staub – Schönborngasse 6

11. Kubus Valie Export – Gürtelbogen 48

12. Frauencafé – Lange Gasse 11

13. Milena-Verlag – Wickenburggasse 21

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12 Anna-Lülja Praun. Architektin und Designerin, Pionierin der Baukunst.

Anna-Lülja Simidoff wird am 29. Mai 1906 in Sankt Petersburg als Tochter einer russischen Gynäkolgin und ei- nes bulgarischen Juristen geboren. Mit der Familie zieht sie zunächst nach Sofia, dann in die Schweiz und wächst nach eigenen Aussagen mehr- sprachig, liberal und kosmopolitisch auf. Durch ihr Elternhaus kommt sie auch zum ersten Mal in Berührung mit dem zeitgenössischen Wiener Möbeldesign. Das führt sie nach Graz, wo sie 1924 als einzige Frau ihres Jahrgangs das Architekturstudi- um beginnt. Studentinnen waren an Foto: APA der Technischen Hochschule erst seit 1919 zugelassen. Von 1930 bis 1936 lebt und arbeitet sie mit dem steiri- schen Architekten und überzeugten Sozialisten Herbert Eichholz zusam- men. Er wird 1943 als Widerstands- kämpfer hingerichtet. 1937 arbeitet sie im Atelier von Clemens Holzmeis- Auszeichnungen: ter in Wien. Sie ist beteiligt an den Projekten für das Parlament in Anka- 1981 Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst ra und das Festspielhaus in Salzburg.

2001 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1938 wird sie nach dem „Anschluss“ verhaftet, aber nach Durchsuchung 2002 Ehrendoktorat der TU Graz ihrer Wohnung noch am selben Tag

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Anna-Lülja Praun. Architektin und Designerin, Pionierin der Baukunst.

freigelassen. Von nun an lebt sie in Sie selbst hatte als Motto: Frankreich und Bulgarien und kehrt Die Gültigkeit der Form muss so lange erst 1942 wieder nach Wien zurück, währen, wie das Material hält. wo sie noch im selben Jahr den Archi- tekten Richard Praun heiratet. 1947 arbeitet Praun an der Wiederherstel-  lung des im Krieg schwer beschädig- ten Schlosses Belvedere in Wien mit. Ab 1952 hat sie ein eigenes Atelier in Wien. Praun entwirft Häuser, Einrich- tungen, Geschäfte, Möbel, Beleuch- tungskörper und Keramik. Mit ihren Arbeiten schafft sie einen Typus, der eine Brücke zwischen der Tradition des Wiener Möbels und der Moder- ne herstellt. Materialgerechtigkeit, streng durchkomponiertes Gestalten und höchste Qualitität der handwerk- lichen Ausführung wird zu ihrem Mar- kenzeichen. Sie hat prominente Kun- den – darunter Herbert von Karajan, für den sie eine Ofenbank entwirft, oder Wolfgang Denzel, dessen Häuser, Geschäfte und Yachten sie ausstattet.

Anna-Lülja Praun stirbt am 28. Sep- tember 2004 in ihrem Haus in der Wiener Josefstadt. Anlässlich ihres 100. Geburtstages wurde an diesem Haus eine Gedenktafel angebracht.

25 Alma Johanna Koenig. Autorin, Schriftstellerin

Alma Johanna Koenig wird als Tochter von k. u. k. Hauptmann Karl und dessen Frau Susanne Koenig in Prag geboren. Als Alma ein Jahr alt ist, übersiedelt die Familie nach Wien. Alma wächst in bürgerlichen Verhältnissen auf, ihre Er- ziehung ist stark autoritär geprägt. Ihre Eltern waren vom jüdischen Glauben zum Katholizismus übergetreten.

Am 18.8.1887 wird Alma 1930 kehrt sie zurück nach Alma verbringt eine einsame Kindheit, Johanna Koenig in Prag Wien und lässt sich 1936 versorgt von wechselnden Kinder- geboren. scheiden. mädchen, hat Angst um die herzkran- ke Mutter und fürchtet sich vor dem 1921 erscheint Alma Zwischen 1933 und 1938 Vater, der vorzugsweise im Kasernen- Johanna Koenigs erster publiziert Alma, die Jüdin ton mit der Familie spricht. Er stirbt Gedichtband. ist, unter schwierigsten im Jahr 1919. Alma besucht die Schule Bedingungen. des Wiener Frauenerwerbsvereins. Der 1921 heiratet sie den Schulbesuch wird aber durch Krank- Konsul Bernhard Freiherr von 1942 wird sie nach Minsk heiten häufig unterbrochen. Ehrenfels. deportiert und stirbt dort. Alma eignet sich im autodidaktischen 1925 erhält sie den „Preis 1977 wird der Alma-Johan- Studium klassischer Literatur, skandi- der Stadt Wien“ für ihren na-Koenig-Weg im 23. Bezirk navischer Mythen, Skalden- und Min- Roman „Die Geschichte von nach ihr benannt. nesängen, sowie bei Vorträgen des Half, dem Weibe“. berühmten österreichischen Schau- spielers Josef Kainz jene Bildung an, 1925 – 1930 lebt Alma die später zur Grundlage ihres lite- Johanna Koenig mit ihrem rarischen Schaffens wird. Ihre ersten Mann in Algier. veröffentlichten Gedichte erscheinen

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Alma Johanna Koenig. Autorin, Schriftstellerin

in Zeitschriften unter dem Pseudonym „Die Geschichte von Half, dem Wei- Johannes Herdan, dem Mädchen- be“ den „Preis der Stadt Wien“. namen ihrer Mutter. Sie ist nicht die Einzige, die ihre Werke unter einem Die Beziehung zu ihrem Mann, von männlichen Namen der Öffentlichkeit dem sie sich 1936 scheiden lässt, ge- präsentiert – viele Frauen sahen sich staltet sich schwierig, das verarbeitet damals dazu gezwungen. Alma tat es sie in mehreren Werken. 1930 kehrt aus Rücksicht auf ihre Familie. 1918 Alma Johanna Koenig krank, mittel- erscheint ihr erster Gedichtband „Die los und enttäuscht nach Wien zurück, Windsbraut“. ihren Lebensunterhalt verdient sie sich mit Vorträgen über historische Der erste Weltkrieg ist für Alma, wie Persönlichkeiten. Nach der Macht- für viele andere Frauen ihrer Gene- übernahme Hitlers in Deutschland ration, auch eine Befreiung von tra- werden ihre Werke verboten, da sie ditionellen Rollenbildern und Ver- Jüdin ist. Sie werden auch in Öster- haltensmustern. 1921 heiratet Alma reich nicht mehr gedruckt. den österreichischen Konsul in Algier, Bernhard Freiherr von Ehrenfels, und In der Zeit von 1933 bis 1938 publi- folgt ihm dorthin. Dies brachte Ma- ziert sie unter schwierigsten Bedin- terial für zahlreiche nordafrikanische gungen in zwei Wiener Tageszeitun- Skizzen und Erzählungen. Alma lebt gen Feuilletons und Erzählungen, mit ihm zwischen 1925 und 1930 in macht Buchbesprechungen für den Algier. Rundfunk und hält Lesungen in pri- vaten Zirkeln. Zu ihren FördererInnen 1922 erscheint Alma Johanna Koe- und FreundInnen gehören namhafte nigs erster Roman: „Der heilige Pa- Schrifsteller wie Alfred Grünwald, last“ erregt wegen seines erotischen der sie zum Schreiben anregt, Ste- Inhalts Aufsehen, begründet aber fan Zweig, Franz Karl Ginzkey, Jakob auch den Erfolg Koenig. Im Jahr 1925 Wassermann oder Felix Salten. Enge erhält sie für ihren Wikingerroman Freundschaften pflegt sie mit der

27 Dichterin Helene Lahr, Käthe Braun, Bezirk () wurde im Jahr 1977 Julia Wagner-Jauregg und Emil Lucka. der Alma-Johanna-Koenig-Weg nach Ab 1933 ist sie mit dem um 27 Jahre ihr benannt.  jüngeren Studenten Jan Tauschinski liiert, der nach dem Krieg ihren Nach- lass verwaltet und 1957 den Alma Jo- hanna Koenig Preis stiftet.

Mit dem „Anschluss“ Österreichs 1938 verschwinden auch die Möglichkeiten zur Publikation. Im Herbst 1938 wird sie, wie viele andere, aus „rassischen Gründen“ entrechtet und aus ihrer Gemeindewohnung im Dr.-Ferdinand- Kronawetter-Hof, Pfeilgasse 47 – 49 vertrieben. Ihre Bücher werden ver- boten. Bis 1942 muss sie acht mal die Wohnung wechseln. In der Zeit, die sie in immer größer werdender Isola- tion in Wien verbringt, schreibt sie ihr wichtigstes Prosawerk „Der jugendli- che Gott“ (1940 – 1942). Im Mai 1942 wird Alma Johanna Koenig von ihrer letzten Unterkunft im ab- geholt, ins Ghetto nach Minsk depor- tiert und kommt vermutlich dort ums Leben.

An sie erinnert ein „Stein der Erinne- rung“ vor ihrem Wohnhaus. Im 23.

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. 29 Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes des österreichischen Dokumentationsarchiv Foto: Lisette Model. Fotografin

Ihre ersten Jahre verbringt Lisette Model, damals noch Elise Amelie Fe- licie Stern, mit ihrer Familie in einem Wohnhaus in der Josefsgasse. Sie studiert Harmonielehre und Kontra- punkt sowie Gesang in Wien. Nach dem Tod ihres Vaters übersiedelt Lisette mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach Frankreich. Dort gibt Am 10.11.1901 wird Lisette Ab 1939 entstehen ihre sie bald das Singen auf und beginnt Model als Elise Amelie Feli- wichtigsten und berühmtes- ihre Leidenschaft fürs Fotografieren cie Stern in Wien geboren. ten Fotoserien wie „Schau- zu entdecken. Bei einer Reise nach fenster-Spiegelungen“ oder Nizza lernt sie nicht nur ihren späte- 1926 stirbt ihr Vater und sie „Laufende Beine“. ren Ehemann – den russischen Maler übersiedelt nach Frankreich. Evsa Model – kennen, es entstehen 1941 findet ihre erste auch jene Fotografien, mit denen ihr 1933 gibt Lisette das Singen Einzelausstellung in der New der künstlerische Durchbruch gelingt: auf und interessiert sich für Yorker Galerie der Photo Lisette fotografiert Nobelurlauber an Fotografie. League statt. der Promenade des Anglais. Schon bei ihren ersten Fotografien berück- 1935 erreicht sie ihren Ab 1957 beendet sie ihre sichtigt Lisette einen Ratschlag, den künstlerischen Durchbruch eigene Karriere und beginnt sie von der französischen Portrait- mit einer Fotoserie über an der New Yorker School for Fotografin Rogi André erhalten hat Nobelurlauber in Nizza. Social Research Fotografie zu und der ihre Karriere stets begleiten unterrichten. sollte: „Fotografiere nichts, das dich 1937 heiratet sie den russi- nicht selbst interessiert.“ schem Maler Evsa Model. 1983 stirbt Lisette mit 82 Jahren in New York. Mit dem Erscheinen der ironisch-kri- 1938 wandert Lisette in die tischen Bilderserie über Nobelurlau- USA aus. ber in Nizza in der kommunistischen

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Lisette Model. Fotografin

Parteizeitschrift „regards“ gelingt weitere berühmte Fotoserien: Liset- Lisette der künstlerische Durchbruch. te fotografiert auf einer Hundeaus- Gemeinsam mit ihrem Ehemann emi- stellung im Madison Square Garden, griert sie 1938 in die USA, wo das wobei sie die Linse immer in Augen- Museum of Modern Art 1940 ihre höhe der Abgebildeten hält, was eine Bilder zunächst in einer Gruppen- Verzerrung der Gesichter zur Folge Auszeichungen: ausstellung zeigt. Dadurch knüpft hat und die gelangweilte Dekadenz 1965 Guggenheim Lisette rasch Kontakte zu amerikani- dieser Gesellschaftskreise zum Aus- Fellowship schen KollegInnen. Sie fotografiert druck bringt. Zudem portraitiert sie hauptsächlich in New Yorker Hotels, berühmte JazzmusikerInnen und 1968 Ehrenmit- Bars und Nachtlokalen. In dieser Zeit KünstlerInnen wie Frank Sinatra, Ella gliedschaft bei entstehen auch ihre berühmtesten Fitzgerald oder Louis Armstrong. der American Fotoserien wie „Schaufenster-Spie- Association of gelungen“ und die Serie „Laufende Bevor Lisette 1983 in New York stirbt, Magazine Photo- Beine“. Bei ihren fotografischen Expe- beendet sie ihre eigene Karriere als graphers rimenten mit spiegelnden Schaufens- Fotografin, um an der New Yorker 1973 Creative Artists terscheiben versucht Lisette den Un- School for Social Research Fotografie Public Service terschied zwischen Innen und Außen, zu unterrichten. Dabei ermutigt sie Program Award zwischen Vor und Hinter dem Spiegel ihre StudentInnen – zu denen auch 1981 Ehrendokto- aufzuheben. Durch das Fotografieren die später berühmte Fotografin und rat New York von Beinen in den New Yorker Stra- Fotojournalistin Diane Arbus zählt School for Social ßen verschwinden die Unterschiede – stets ihren eigenen Weg zu finden Research zwischen den Fotografierten nahezu und sich nicht von ihren Bildern be- 1982 The Medal of the völlig – sie bleiben lediglich in der einflussen zu lassen.  City of Paris Qualität der Schuhe bestehen.

1941 zeigt die New Yorker Galerie der Photo League dann die erste Einzel- ausstellung mit Lisettes Fotografien. In den folgenden Jahren entstehen

31 SedisMuriel eat. Gardiner Percide Buttinger. comnien Psychoanalytikerin emposam, corerspit.

Muriel Morris wurde am 23. November 1901 in Chicago als Tochter einer Fami- lie reicher Fleischindustrieller geboren. In den Jahren 1918 bis 1922 besucht sie das Wellesley College bei Boston und studiert Geschichte. Als sie wegen ihres Literaturstudiums nach Oxford geht, lernt sie den Engländer namens Gardiner kennen, den sie auch heiratet und mit dem sie eine Tochter hat. Die Ehe scheitert aber bald und so kommt Gardiner 1926 nach Wien, weil sie sich einer Psychoanalyse bei Sigmund Freud unterziehen will. Nachdem sie dieser als Patientin ablehnt, beginnt sie in Am 23.11.1901 wird Muriel 1938 schließt sie ihr Medi- Wien ein Medizinstudium, um selbst Morris in Chicago geboren. zinstudium mit der Promoti- Psychoanalytikerin zu werden. on und dem Doktorat ab. 1918 – 1922 besucht sie das Trotz ihrer großbürgerlichen Herkunft Wellesley Colloge bei Boston, 1938 betätigt sie sich im sympathisiert Muriel Gardiner mit den heiratet und lässt sich wie- Widerstand gegen den Na- Ideen der Sozialdemokratie. Nach den der scheiden. tionalsozialismus und muss Bürgerkriegsereignissen im Jahr 1934, schlussendlich nach Paris in deren Folge die Sozialdemokraten 1926 kommt sie nach Wien. flüchten. verboten werden, beginnt Gardiner sich auch aktiv für ihre Überzeugun- 1934 lernt sie den Sozialis- 1940 emigriert sie mit ihrem gen zu engagieren. In diesem Jahr ten Joseph Buttinger kennen, Mann und ihrer Tochter in lernt sie Joseph Buttinger kennen, der fängt an sich im Widerstand die USA. damals der Vorsitzende der illegalen gegen das austrofaschisti- „revolutionären Sozialisten“ war und sche Regime zu betätigen. verliebt sich ihn. Später sollte Buttinger

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gemeinsam mit Otto Bauer und Fried- Wohnung in der Lammgasse als die rich Adler die politische Linie der öster- geheime Staatspolizei (Gestapo) die reichischen Exil-SozialdemokratInnen beiden verhaften will. Ihnen gelingt bestimmen. Durch ihn kommt Muriel die Flucht durch ein Dachbodenfens- Gardiner zu den „revolutionären Sozia- ter und über die Dächer der angren- listen“ und betätigt sich im politischen zenden Häuser. Nach der dramati- Widerstand, wo sie unter dem Code- schen Flucht aus dem Haus folgt sie namen Mary agiert. Zunächst gegen Buttinger, der zu diesem Zeitpunkt das austrofaschistische Regime: Sie bereits Obmann der „Auslandsvertre- versteckt RegimegegnerInnen in ihrer tung der österreichischen Sozialisten“ Wohnung in der Lammgasse und ver- ist. Die beiden heiraten. Anfang 1940 schafft ihnen Pässe und Geld. Auch ihr gelingt es Gardiner gemeinsam mit ih- Haus in Sulz im Wienerwald stellt sie rem Ehemann und ihrer Tochter in die für konspirative Treffen zur Verfügung USA einzureisen. Dort betätigt sie sich und steuert Geld für widerständische in den Kriegsjahren in der Flüchtlings- Zwecke bei. hilfe. Später kann sie dann endlich als Ärztin und Psychoanalytikerin arbei- Gardiner bleibt auch 1938 noch in ten. Sie verfasst mehrere Bücher, da- Wien, obwohl sie unter der nunmehri- runter auch Erinnerungen an die Zeit gen nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich: In „Code Name Mary: als „jüdischer Mischling ersten Grades“ Memoires of an American Woman in gilt. Im Juni 1938 erlangt sie die Pro- the Austrian Underground“ verarbei- motion und das Doktorat in Medizin. tet sie autobiografisch ihre Erlebnisse Sie riskiert ihr Leben und versucht viele in Wien. Als Autorin ist sie vorrangig Verfolgte zu verstecken und zu retten. unter dem Namen Muriel Gardiner Doch schon bald überstürzen sich die bekannt. Ereignisse. Im 10. Bezirk () wurde 1989 Felix Augenfeld, der bekannte Ar- der Muriel-Gardiner-Buttinger-Platz chitekt, ist gerade zu Besuch in ihrer nach ihr benannt. 

33 Herta Staub. Schriftstellerin

Herta Staub stammt aus einer wohl- habenden Familie, mit der sie in der Schönborngasse wohnt. Doch wäh- rend des Ersten Weltkrieges ereilen Am 21.12.1908 1954 erscheint ihr Drama die Familie mehrere Schicksalsschlä- wird Herta Staub in Wien „Söhne der Freiheit“ und sie ge, die das Ende des Wohlstands zur geboren. wird mit dem Dramenpreis Folge haben. Der Bruder erkrankt von Oberösterreich ausge- und wird ein Pflegefall. Der Vater Ab 1930 ist sie erstes weibli- zeichnet. kehrt schwer krank aus dem Krieg ches Redaktionsmitglied der zurück. Herta besucht zunächst das Wiener Zeitung 1962 gründet Herta Staub Realgymnasium in der Lange Gasse, die Rudolf-Kassner-Gesell- muss dann aber an die Bürgerschu- 1933 erscheint ihr erster Ly- schaft. le der Zeltgasse wechseln und wird rikband „Das Schaukelpferd“. 1920 nach Holland geschickt. Dort 1970 wird ihr der Professor­ genießt sie das kulturell vielfältige 1933 erscheint ihr erster innentitel verliehen. Leben, das ihr die Familie, bei der sie Roman „Flori und die Welt- untergebracht ist, bieten kann. Sie flieger“. 1990 wird ihr das große, geht in die Oper und in Museen und silberne Ehrenzeichen entdeckt ihre Leidenschaft für Kunst 1937 erscheint der Roman der Republik Österreich und Kultur. Als sie zwei Jahre später „Blaue Donau ade“. verliehen. nach Wien zurückkehrt, muss sie jedoch gegen ihren Willen eine Aus- 1943 wird sie zum Dienst 18.8.1996 stirbt Herta Staub bildung an der Lehranstalt für Frau- beim Bergungstrupp des in Wien. enberufe absolvieren. In ihrer Freizeit Denkmalamtes verpflichtet. besucht sie das Volkstheater und Kurse an der Volkshochschule, wo sie 1945-49 ist sie Kunstreferen- Vorlesungen von Viktor Matejka hört. tin des Wiener Kulturam- In dieser Zeit beginnt Hertas literari- tes unter Stadtrat Viktor sche und publizistische Tätigkeit. Sie Matejka. veröffentlicht ihre ersten Gedichte

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Herta Staub. Schriftstellerin

und beginnt ab 1930 als erste Frau in ria“ (1943) und „Söhne der Freiheit“ der Redaktion der Wiener Zeitung zu (1954), sowie die Gedichtbände „Der arbeiten. Mit dem „Anschluss“ Öster- Feen-Rufer“ (1954) und „Welt als Ver- reichs an Hitlerdeutschland wird die such“ (1978) heraus. Durch die Grün- Redaktion 1938 aufgelöst und Herta dung der Rudolf-Kassner-Gesellschaft erhält Schreibverbot. Während des und die Arbeit an der Gesamtausgabe Krieges hält sie Kontakt zu Wider- der Werke des Philosophen, mit dem standsgruppen und wird 1943 zum sie bis an sein Lebensende befreun- Arbeitsdienst verpflichtet. Sie setzt det war, schreibt Herta immer selte- durch, dass sie in den Bergungstrupp ner an ihrer eigenen Lyrik. Nach dem des Denkmalamtes aufgenommen Erscheinen ihres letzten Gedichtban- wird und arbeitet unter anderem an dem von Bomben beschädigten Dach Wir stehen von Anfang an in Opposition zu der Piaristenkirche und im Belvedere. allem bisherigen. Wir sehen zu welchem Unheil Nach dem Krieg wird sie engste Mit- es führte und fühlen uns verpflichtet, die arbeiterin und Vertraute von Stadt- Sache anders anzupacken. rat Viktor Matejka im Kulturamt der Stadt Wien. Als der ehemalige Chef- des löst sie die Wohnung ihrer Familie redakteur der Wiener Zeitung Edwin in der Schönborngasse auf und zieht Rollet, der gemeinsam mit Matejka in ihre erste eigene Wohnung. In ih- nach Dachau deportiert worden war, ren letzten Jahren reist Herta viel, bis wieder zurückkehrt, macht er Herta sie am 18. August 1996 mit 88 Jahren einen Heiratsantrag, den sie jedoch in Wien stirbt.  ablehnt. „Für Herta Staub war die Angst vor der Versklavung durch ei- nen Mann ständig präsent“, erklärt die Biographin Lisa Fischer. Herta nimmt nach dem Krieg auch ihre schriftstellerische Tätigkeit wieder auf und bringt die Dramen „Hono- (Foto siehe nächste Seite)

35 Foto:Literaturhaus Wien

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. 37 Frauen in der Josefstadt heute.

Maria Ettl, Leiterin des Bezirksmuseum Josefstadt – Gewinnerin „Josefstädterin 2011“

Die Auszeichnung zur Josefstädterin des Jahres war auch eine Anerkennung der Leistung des Bezirksmuseums für die Aufarbeitung der Geschichte und Dokumen- tation der Gegenwart der Josefstadt für zukünftige Generationen.

Auch weiterhin soll das Bezirksmuseum für alle WienerInnen eine offene Platt- form für Konzerte, Ausstellungen, Initiativen und ein Ort der Kommunikation sein. Daraus sind viele persönliche Freundschaften entstanden und ich hoffe, es werden noch viele mehr.

Foto: Privat

Dr.inphil. Irmtraut Karlsson – Jurymitglied für „die Josefstädterin 2011“

Ehemalige Abgeordnete zum Bundesrat und Nationalrat, Wahlkreis Wien Innen West, damit direkt für die Josefstadt, Schriftstellerin, Vorsitzende des Kultur- vereins „Freundinnen und Freunde der Josefstadt“, stellv. Vorsitzende des Ver- eins „Steine der Erinnerung an die Opfer des NS Regimes in der Josefstadt“.

Den Frauen ihr Recht!“ Ich bin stolz darauf, dass es mir mit Hilfe der Enkelin, Dr.in Eva Schmidt-Kreilisheim, gelungen ist, dieses so oft anonym verwendete Sujet der Josefstädter Künstlerin Marianne Saxl-Deutsch zuzuordnen. Das NS-Regime hat am 26.5.1942 ihr Leben im Vernichtungslager Maly Trostinec ausgelöscht. Ihre Kunst kann nicht vernichtet werden. Foto: Privat

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Frauen in der Josefstadt heute.

Dr.in Susanne Scholl – Jurymitglied für die „Josefstädterin 2011“ Freie Autorin und Journalistin

Ich wohne seit mehr als 30 Jahren in der Josefstadt und genieße es, in der Stadt wie auf dem Dorf zu leben. Als meine Kinder klein waren, bekamen sie in jedem Geschäft ein Zuckerl oder ein Blattl Wurst. Das ist es, was das heimelige Gefühl ausmacht. Im Übrigen gilt für die Josefstadt, was ganz allgemein gilt: Erst, wenn Foto: Jaqueline Godany wir keine eigenen Frauenbroschüren, Frauentage, Frauenenquetten und Frauen- preise mehr brauchen, werden wir wirklich gleichberechtigt sein.

Dr.in Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek – Jurymitglied für „die Josefstädterin 2011“

Die Josefstadt ist seit vielen Jahren mein Wohnort. Die Erhaltung der hohen Le- bensqualität, der abwechslungsreichen Grätzel-Struktur und der Grünbereiche halte ich für wesentliche Ziele auch in den nächsten Jahren. Das gute nachbar- schaftliche Zusammenleben von Alt und Jung, von StudentInnen und Berufstä- tigen, von Familien und Singles muss in seiner Vielfalt gefördert und erhalten bleiben. Foto: Sabine Hauswirth/ÖNB

Hofrätin Mag.a Helene Pigl, Leiterin der Justizanstalt Wien-Josefstadt – Jurymitglied für „die Josefstädterin 2011”

Als Leiterin der Justizanstalt lebe und arbeite ich quasi in einer Stadt in der Stadt, der Josefstadt. Dieser Bezirk ist einfach perfekt, da er mir alles bietet, was ich während des Tages brauche!

39

Foto: Privat Feministische Räume in der Josefstadt.

Kubus – Valie Export Das Frauencafé Wien – aus dem FC-Manifest Der Kubus von Valie Export wurde im Jahr 1999 auf Initiative der damali- Das Frauencafé Wien ist seit über gen Frauenabteilung unter den Stadt- 33 Jahren Umschlagplatz feministi- bahnbögen errichtet. Dabei handelt scher Debatten, Theorien, Praxen und es sich um einen gläsernen Raum, der Hedonismen und damit der älteste mit wechselnden künstlerischen Aus- Frauen*Raum Wiens, der aktuell von stellungen bespielt wird. Selbst die einem feministischen Kollektiv selbst- Verbindungselemente bestehen aus organisiert gestaltet wird. Glas, da der Kubus als transparenter Raum einen Kontrast zur Geschlossen- Das Frauencafé versteht sich als Platt- heit gesellschaftlicher Systeme bilden form für verschiedene feministische soll und als Gegensatz zum Klischee Konzeptionen. Für uns geht es nicht da- der Ghettoexistenz feministischer rum, dass alle Menschen und Projekte Kunst konzipiert wurde. Valie Export im FC dieselbe Politik teilen, sondern gilt heute als eine der bekanntesten dass eine kritische und respektvolle und einflussreichsten Künstlerinnen Auseinandersetzung über verschiede- Österreichs. Ihre Kunst ist geprägt von ne Feminismen geführt wird. Im Frau- feministischem Aktionismus – ihre encafé finden verschiedene Projekte wohl berühmteste Aktion war im Jahr und Veranstaltungen statt. Der formel- 1968 das „Tapp- und Tastkino“. Sie zog le Rahmen für die politischen Debatten mit einer Box vor ihrer Brust durch die und die strukturellen Entscheidungen Straßen. Durch eine Öffnung auf der ist das monatlich stattfindende, ba- Front konnte man ihre Brüste ertas- sisdemokratisch organisierte Plenum. ten. Mit dieser Aktion wollte sie auf Ein weiterer zentraler Ort der Ausei- den „Betrug des Voyeurismus“ hinwei- nandersetzung im Frauencafé ist die sen und forderte eine sexuelle Revo- Vereinsbar, an der das Kneipenkollektiv lution, die nicht nur auf der visuellen, ausschenkt und Politik über‘n Tresen sondern auch auf der physischen Ebe- gelebt wird. Gemeinsames Tun, Debat- ne stattfindet.  tieren, Trinken und Feiern schafft Aus- einandersetzungen und Vernetzungen. Die Kneipe ist weder professionell noch profitorientiert – ohne Konsumzwang, dilettantisch und mit viel Bier.

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. Feministische Räume in der Josefstadt.

Eingeladen sind alle Frauen, Lesben, Zweite Frauenbewegung Transgender Personen und Intersex Personen.  In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun- derts erwachte die „neue“ oder die „zweite“ Frauenbewegung, in deren Milena-Verlag Zentrum der Slogan „Das Private ist politisch“ stand. Zentraler Gedanke Der Milena-Verlag wurde 1980 im war, dass beinahe alles, was Frauen in- Kontext der Frauenbewegung als dividuell als schwierig, als einschrän- ein autonomes Projekt schreibender kend oder hindernd empfanden, ihren Frauen gegründet, die sich mit ihren Ausgang in gesellschaftlichen Struk- Texten im Bereich der etablierten kon- turen fand und findet. Was bislang als ventionellen Verlagsprogramme nicht „Privatangelegenheit“ galt, begannen zu Hause fühlten. Sie wollten ein Fo- Frauen nun öffentlich zu diskutie- rum für Literatinnen – im Gegenzug ren und in Frage zustellen. Im Fokus dessen, dass Autorinnen den Kollegen standen die gesamtgesellschaftlichen gegenüber unterrepräsentiert waren. Verhältnisse, die Frauen ökonomisch So entstand der Wiener Frauenverlag, benachteiligten und in wirtschaftli- der seit 1997 Milena Verlag heißt. che Abhängigkeit zwangen. Eben die- Aus dem Projekt wurde ein professi- se wirtschaftliche Abhängigkeit von oneller Publikationsort. Das Team hat Frauen wurde als Rahmen erkannt, sich in den vergangenen 20 Jahren in dem Diskriminierung und Gewalt verändert und bewegt – dabei ist das gedeihen können. Unterschiedlichste Programm ständig gewachsen. Heute Forderungen, Initiativen, Einrichtun- publiziert der Verlag zwischen 15 und gen und Netzwerke entstanden. Ge- 18 Titel pro Jahr, allerdings nicht mehr tragen waren sie vom Anspruch auf ausschließlich von weiblichen Autor­ Ermächtigung und Eigenständigkeit innen. (Text von der Website: www. der Frauen. Eine feministische Gegen- milena-verlag.at.)  kultur erstritt autonome Frauenräu- me, weil Frauen einen Raum, durchaus im doppelten Wortsinn, erhalten soll- ten, in dem sie unabhängig und ohne männlich-patriarchale Einflussnahme denken und reden, in dem sie diskutie- ren und handeln konnten.

41 Literaturübersicht.

1. Literatur

• Karlsson, Irmtraut. 2010. Frauen graben, wo sie stehen. Wien: ÖGB Verlag.

• Karlsson, Irmtraut; Kerry Manfred; Walzer, Tina. 2008. … Lebte in der Josef- stadt. Steine der Erinnerung 1938-1945. Wien: Milena Verlag.

• Klusacek, Christine; Stimmer, Kurt. 1991. Josefstadt. Beiseln, Bühnen, Be- amte. Korneuburg: Mohl Verlag.

• Litsauer, Alexander; Litsauer, Barbara (Hg.). 2010. Verlorene Nachbarschaft. Jüdische Emigration von der Donau an den Rio de la Plata. Wien: Mandel- baum Verlag.

• Unger, Petra: Unterlage zu den Frauenspaziergängen in der Wiener Josef- stadt.

Frauen in der Josefstadt. Ihr Leben. Ihre Arbeit. Ihr Wirken. 2. Internet

• aeiou: Das Kulturinformationssystem des bm:bwk www.-forum.org

• Ariadne: frauenspezifische Information und Dokumentation (Österreichi- sche Nationalbiblitohek) www.onb.ac.at/about/ariadne.htm

• biografia: www.biografia.at

• Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie: www.dasrotewien.at

3. Sonstiges

• Recherche im Bezirksmuseum Josefstadt

• Interviews

43 Frauen in der Josefstadt.

Die Geschichte der Josefstadt ist geprägt von den Leistungen unterschiedlichster Frauen, die interessiert, engagiert, kämpferisch und mutig für Frauen, aber auch für die Verbesserung gesellschaftlicher Rahmendedingungen im Allgemeinen eingetreten sind. Dennoch sind jene Frauen aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden, oder wurden gar nicht erst in die Geschichtsschreibung aufge- nommen. Denn noch immer ist die Geschichte zu weiten Teilen eine von Män- nern über Männer. Das zu ändern und bedeutenden Frauenpersönlichkeiten jene Öffentlichkeit zu verschaffen, die sie verdient haben, ist das Ziel dieser Broschüre. Sie richtet sich an alle, die sich für Frauen und ihre Leistungen, aber auch für die Geschichte und die Flecken, die in ihrer Aufarbeitung zu wenig beleuchtet wur- den, interessieren.