Böhse Onkelz" Und Ihre Bezüge Zum Rechtsextremismus 109
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1 3 Schriftenreihe des Fachbereichs Öffentliche Sicherheit Herbert Kloninger (Hrsg.) Rechtsextremismus als Gesellschaftsphänomen Jugendhintergrund und Psychologie Brühl / Rheinland 2006 4 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-938407-09-3 ISSN 0946-5782 Druck: Statistisches Bundesamt Zweigstelle Bonn Herausgeber: Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Fachbereich Öffentliche Sicherheit Layout: Werner Grünewald Umschlaggestaltung: Jörg Fandrey Umschlagabbildung: Wolf-Rüdiger Marunde: Wahler- folge der Neonazis in Berlin, o.J., mit freundlicher Ge- nehmigung des Künstlers (www.wolf-ruediger- marunde.de). www.fhbund.de 5 Inhaltsverzeichnis VORWORT 7 DIRK SELLMEIER DIE PSYCHOLOGIE DES RECHTSEXTREMISMUS UND IHR TRANSFER AUF AUSGESUCHTE WISSENSCHAFTLICHE STUDIEN 11 DIRK KARWEHL MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN DER JUGENDARBEIT MIT RECHTSEXTREMISTI- SCHEN JUGENDLICHEN UND JUNGEN ERWACHSENEN 75 STEPHAN RICHTER "GEHASST - VERDAMMT - VERGÖTTERT" DAS PHÄNOMEN DER EHEMALIGEN SKINHEAD- KULTBAND "BÖHSE ONKELZ" UND IHRE BEZÜGE ZUM RECHTSEXTREMISMUS 109 THOMAS ERKENS DIE HITLERJUGEND - DAS PLANMÄßIGE VORBEREITEN EINER GENERATION AUF DEN KRIEGSEINSATZ 190 7 Vorwort In der allgemeinen Öffentlichkeit ist das Thema Rechtsextre- mismus in den vergangenen Jahren vor allem mit fremden- feindlicher Gewalt und rassistischem Gedankengut in Verbin- dung gebracht worden; auch das Verbotsverfahren gegen die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) fand seine Auslöser und wesentliche Begründung in (z.T. noch un- geklärten) Gewaltaktionen, die im Sommer 2000 zu einer leb- haften Diskussion um mögliche staatliche Sanktionen gegen den Rechtsextremismus „aus der Mitte der Bevölkerung“ und schließlich zur Antragstellung vor dem Bundesverfassungsge- richt führten. Politische Signal- und Zeichensetzung traten damals in den Vordergrund, die geistig-politische Auseinan- dersetzung an der vordersten Front überlagerte die Aufarbei- tungsansätze, die sich zuvor mit Ursachen und Hintergründen des Rechtsextremismus-Phänomens beschäftigt hatten. Ge- genüber dem Primat kraftvollen politischen Handelns traten die eher subtilen Überlegungen zurück, aus den Erscheinungs- formen des Rechtsextremismus Rückschlüsse auf Veränderun- gen oder Verwerfungen in der Gesellschaft zu ziehen und hier mit geeigneten Maßnahmen anzusetzen. Die Koordinaten verschoben sich völlig, als die Anschläge auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 die Rechtsextre- mismus-Debatte in Deutschland verdrängten und die globale Bedrohung durch das weltweite Netz der Terrororganisation Al Qaida schlagartig verdeutlichten. 8 Die vorliegenden „Beiträge“ greifen das Thema Rechtsextre- mismus wieder auf und gehen dabei gemeinsam von der Er- fahrung aus, dass das politische Verhalten Jugendlicher und Heranwachsender die besondere Beachtung verdient. So sind sowohl die Gewaltanschläge mit rechtsextremistischem Hin- tergrund als auch Mitgliederzuwachs und Militanz bei der NPD in den letzten Jahren vor allem auf die Mitwirkung jun- ger Menschen zurückzuführen. Der erste Beitrag greift verschiedene psychologische Erklä- rungsansätze für rechtsextremistisches Verhalten auf und ü- berträgt sie auf insgesamt vier ausgewählte Studien aus den letzten Jahren. Bemerkenswert sind hier ergänzend zu dem zahlenmäßig festgestellten „Rechtsextremismuspotenzial“ in den jährlichen Verfassungsschutzberichten die festgestellten Gefährdungen und Affinitäten in weiten Bevölkerungsteilen, denen es mit politischer Aufklärung und Bildung zu begegnen gilt. Wesentlichen Anteil an der Aufklärung zum Rechtsextremis- mus trägt die Jugendarbeit auf nationaler und internationa- ler Ebene. Die vielfältigen Möglichkeiten, junge Leute auf den verschiedenen Ebenen zu erreichen, zeigt die nachfolgende Darstellung mit weiteren umfangreichen Fundstellen auf. Auf die beispielhaft geschilderte Jugendarbeit der Stadt Gifhorn in Niedersachsen ist besonders hinzuweisen. Mit der ersten deutschen Skinhead-Kultband „Böhse Onkelz“ beschäftigt sich die nächste Arbeit, die ihre Entwicklung aus 8 9 der rechtsextremistischen Szene heraus nachzuvollziehen sucht. Hervorzuheben sind Textanalysen, ideologische Bewer- tung und gegenwärtiges Selbstverständnis der „Böhsen On- kelz“, die in Teilen der Skinhead-Szene immer noch zu Unrecht der rechtsextremistischen Szene zugerechnet werden. Fast anachronistisch wirkt heute die letzte Ausarbeitung über „Die Hitlerjugend“, die in einem geschichtlichen Rückblick die zweckbestimmte, staatlich instrumentalisierte Jugendarbeit in der Zeit des Nationalsozialismus darstellt. Zu den dunklen Ka- piteln deutscher Militärgeschichte gehört, wie jugendlicher Idealismus im zweiten Weltkrieg ohne Erfolgsaussicht miss- braucht wurde. Bemerkenswert die ausgeprägt ideologische Prägung, wie sie in den beigefügten Rechtsvorschriften zum Ausdruck kommt. Brühl, im Juni 2005 Herbert Kloninger 9 11 Dirk Sellmeier Die Psychologie des Rechtsextremis- mus und ihr Transfer auf ausgesuchte wissenschaftliche Studien 13 Vorwort Sinn und Zweck der vorliegenden Arbeit soll es sein, auch dem mit der Materie der politischen Psychologie nicht Ver- trauten Einblick in ausgesuchte theoretische Erklärungsmodel- le für rechtsextremistisches Handeln von Menschen zu geben. Was motiviert den Einzelnen zu Intoleranz, Fremden- feindlichkeit und nationalistischem Denken? Was treibt die Gruppe rechtsextremistischer Gewalttäter zur Jagd auf Aus- länder? Warum „scheint ...der Rechtsextremismus dem Nor- malen – dem gesunden Volksempfinden entsprechend – viel näher als der Linksextremismus“1? Wie verhält es sich mit der oftmals kolportierten Annahme, dass die latente Anlage für rechtsextremistische, explizit rassistische Gesinnung nicht die Inkarnation im Rechtsextremisten betrifft, sondern in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt ist?2 Fragen, auf die diese Arbeit versucht, Antworten zu geben. Gerade im ersten Teil wird dabei der abstrakten, rein begrifflichen Betrachtungsweise das Hauptaugenmerk zugewendet. Unmöglich ist es jedoch, eine allgemein gültige Wahrheit zur Erklärung des Phänomens „Rechtsextremismus“ zu präsentieren, ist das Problem doch zu differenziert und komplex. Aus diesem Grund greift der Verfas- 1 HACKER, Friedrich: Das Faschismus - Syndrom. Psychoanalyse ei- nes aktuellen Phänomens. Hrsg. von Doris Mendlewitsch. ECON- Verlag GmbH, Düsseldorf, Wien, New York, 1990, S. 74 2 Vgl. LIPSET, Seymor Martin: Der Faschismus, die Linke, die Rechte und die Mitte. In: Ernst NOLTE (Hrsg.): Theorien über den Faschis- mus. Neue wissenschaftliche Bibliothek / Geschichte, Bd. 21. Verlagsgruppe Athenäum, Hain, Scriptor und Hanstein, König- stein im Taunus, 1967, S. 449-491 14 ser aus dem Konglomerat und der Summe von Ursachen se- lektiv jene heraus, die sich mit den Erscheinungen und Zu- ständen des bewussten und unbewussten Seelenlebens be- schäftigen. Nur so ist es möglich, planmäßige Verfahrensweise und Methodik als Arbeitsmaßstab zu gewähr- leisten. Am Ende einen Erklärungsversuch aus ausschließlich psychologischer Warte abgegeben zu haben, der per se ei- nen Mosaikstein bei der Ursachenforschung des Rechtsextre- mismus darstellt, ist erklärtes Ziel. Im zweiten Teil der Arbeit soll der Versuch unternommen wer- den, die theoretischen Ausführungen anhand soziologischer Erhebungen anerkannter Institute zu verifizieren. Es ist hilfreich, hierbei nur auf ausgewählte Ergebnisse dieser Studien einzu- gehen, um Überblick und vorgegebenen Umfang zu wahren. 1. Begriffsbestimmung „Psychologie des Rechts- extremismus“ 1.1 Ideologieelemente des Rechtsextremismus Rechtsextremismus ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Erscheinungsformen, die sich gegen die fundamentalen Prin- zipien des demokratischen Rechtsstaats richten. Hierbei kön- nen in einer definitio ex positivo bestimmte Kriterien und Merkmale subsumiert werden, die zum Teil sehr unterschiedli- che politische Ausdrucksformen repräsentieren. Mehr oder minder eigen sind allen diesen Erscheinungsformen bestimm- te ideologische Basiselemente, die zu einer näheren Definition des Terminus „Rechtsextremismus“ führen. 14 15 Als erste Definitionskomponente zu nennen ist der Nationa- lismus, der als Ideologieelement einer inhaltlichen Aufberei- tung bedarf. So wird „in der Literatur in diesem Zusammen- hang immer von einem ’übersteigerten’ oder ’völkisch fun- dierten’ Nationalismus gesprochen und eine ’normale’ Variante offenbar als nicht-rechtsextrem empfunden“3, was implizit verdeutlicht, dass detaillierte Attribute augenschein- lich erst die für unsere Zwecke notwendige Phänomenologie ermöglichen. Ausgehend von dieser offensichtlich diffusen Begriffsfindung mit der ihr innewohnenden Verständnisschwie- rigkeit kann nach überwiegender Meinung in der Politikwis- senschaft schon dann von Nationalismus gesprochen wer- den, wenn bei der normativen Bindung an gesellschaftliche Werte a priori die ’Nation’ steht. Humanistische Prinzipien und Menschenrechte werden dabei dieser Kategorisierung unter- geordnet und das gesamte Selbstverständnis einer ’Nation’ zur ausschließlichen, allein gültigen, wertsetzenden Instanz er- höht.4 Das Individuum degeneriert zum Objekt, das sein ge- samtes Handeln zum Nutzen dieser Schicksalsgemeinschaft einzusetzen hat. Auf diese Art und Weise erreicht der Nationa- lismus die Negation der Freiheits- und Gleichheitsrechte und 3 PFAHL-TRAUGHBER, Armin: Rechtsextremismus.