SEITE 34 · DIENSTAG, 28. FEBRUAR 2017 · NR. 50 Kultur FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Oden an die Inniglichkeit Die Musette neu erfunden Richard Galliano im Großen Saal der Alten Oper Drei Freunde müsst ihr sein: Angeführt von der Geigenvirtuosin Mee- çaise“ voll erotisierender Sehnsucht, mit Die britische Band sun Hong Coleman stellte das Stuttgar- Ankündigungen von Dramatik, die sich in der ausverkauften ter Kammerorchester im jüngsten Pro- schließlich doch nicht zuspitzt, sondern, Jahrhunderthalle Frankfurt. Arte-Konzert im Großen Saal der Alten immer im engen Kontakt mit dem Or- Oper sein „ernstes“ Knowhow in den chester, lyrisch ausklingt. Beeindru- Von Christian Riethmüller Dienst süffiger Unterhaltungsmusik: Im ckend waren die klanglichen Verschmel- vorbehaltlosen Einsatz der Musiker in zungen des Akkordeonklangs, etwa mit Ein heftiger Lärm? Geh’ weiter. Solchen den Rumänischen Volkstänzen von Béla der Solovioline, der Harfe oder dem Kla- wird es von der Londoner Band The XX Bartók vollführte man innerlich Drehun- vier, dass man in der vollkommenen Ab- nie zu hören geben, selbst wenn sie ihre gen, Sprünge und jähes Innehalten bis stimmung der Musiker untereinander Songs mit Titeln wie „A Violent Noise“ kurz vor dem Umfallen. Die großen Tem- kaum unterscheiden konnte, welche versieht. Und daher wohlklingt es beim poschwankungen waren gewagt und Klangkomponenten von welchem Instru- Konzert des Trios in der seit Wochen aus- durften es sein, weil die Geigerin sich si- ment stammten. „Schaffe einen Mu- verkauften Jahrhunderthalle Frankfurt cher sein konnte, dass der Klangkörper sette-Neuve-Stil, wie ich den Tango Nue- manchmal auch vor sich hin als solle ein ihr hellwach folgte. Den fröhlichen Ge- vo erfunden habe“, soll Astor Piazzolla Wellnesszentrum bespielt werden. Doch sichtern der Musiker nach zu urteilen, dem jungen Franzosen geraten haben. mit solch hingetupften Klängen haben hatten sie auch selbst großen Spaß da- Als Galliano zwei Werke von Piazzol- Sängerin und Gitarristin Romy Madley bei. In zwei Kompositionen von Georg la spielte, „Adios Nonino“ und das „Con- Croft, Sänger und Bassist Oliver Sim und Breinschmid, „Wien bleibt Krk“ und certo pour Bandoneon (Aconcagua)“, der produzierende Keyboarder Jamie „Musette pour Elisabeth“ schmunzelte schuf er dabei eine völlig andere Klang- Smith nicht nur einen Nerv getroffen. Ihr man über das gekonnte Zigeunerjazz- lichkeit, im Vergleich geradezu blutrüns- Dream Pop genannter Sound gilt seit dem Idiom, über ein bratschistisches Rau- tig, gefährlich, mit messerscharfen Ak- im Jahr 2009 veröffentlichten Debüt als cherstimmen-Imitat und ein humoristi- zenten und dazu kontrastierendem maßgeblich im Indie-Pop-Bereich, was be- sches Cello-Glissando vor der Schluss- Schmuseteil voll innigstem Balgvibrato. sonders Jamie Smith manchen Produzen- Stretta. Allen Bemühungen des Publikums ten- und Remixjob bei berühmten Kolle- Als Star des Abends spielte Richard zum Trotze blieb es bei zwei Zugaben: gen wie Adele, Alicia Keys, Drake oder Galliano zunächst sein „Habanerando“ Richard Gallianos „Tango pour Claude“ Gil Scott-Heron eingebracht hat. auf dem Bandoneon, auf dem Knopfak- und „Oblivion“ von seinem Ratgeber As- Obwohl Post-Punk und New Wave eini- kordeon dann seine „Petite suite fran- tor Piazzolla. DORIS KÖSTERKE gen Einfluss auf die Musik des Trios ha- ben, drängelt hier nichts oder bricht sich zickig-zackig Bahn. Statt Wut regiert schüchterne Freundlichkeit, die Oliver Die Dächer von Venedig Sim sogar einmal ins Publikum fragen lässt, was die drei an ihrem freien Tag Drei Freunde: Romy Madley Croft (links), Oliver Sim (Mitte) und Jamie Smith (rechts) sind The XX. Foto Patrick Junker Christoph Thoma in der Ausstellungshalle Schulstraße 1a nach dem Konzert denn in Frankfurt un- ternehmen sollten. Zumindest nicht nach So war Venedig selten oder noch nie zu beim Kontaktkopierabzug gleich groß. einem Spiegelkabinett suchen, hätte man Crofts verstärkt, die in diesem Fall an wie „Performance“ auffällt, den Croft des gut achtzig Minuten dauernden Kon- sehen: Auf die unzähligen Dächer der Dabei wird das Negativ direkt auf das ihnen zurufen können, war doch die Band Chris Isaaks „Wicked Games“ denken las- ganz allein interpretiert und so in ganz zerts, das zaghaft Formen eines DJ-Sets Lagunenstadt bietet Christoph Thoma Fotopapier gelegt, angepresst und be- auf der Bühne der Jahrhunderthalle von sen. Der leicht schläfrig wirkende Wech- besonderem Maße der Sehnsucht Aus- annimmt, so weit, wie dies bei The XX mit einer Fotografie aus ungewohnter lichtet. Diesen Prozess wendet Thoma sich langsam drehenden silbernen Spie- selgesang Crofts und Sims tut hier ein üb- druck verleiht, geht es doch gerade in eben möglich ist. Als nämlich doch viele Höhe einen neuen und faszinierenden mit heutigen Mitteln an. Seine Arbei- gelquadern umgeben, die vielleicht auf riges, dem aber die Rhythmen, die Jamie den neuen Liedern um Verlust und das Zuhörer anfangen zu tanzen, ist mit Blick. Der reicht von der Bronzeglocke ten, die alle digital aufgenommen wur- den Titel ihres aktuellen Erfolgsalbums „I Smith an seinen Konsolen und Pulten in Glück des Wiederfindens. „Loud Places“ schon ein Track von samt den zwei Hammermännern des den, haben durch das Verfahren jegli- See You“ anspielten. Über zwei Jahre ha- der DJ-Kanzel erzeugt, sanft auf die Das Glück des Wiederhörens befällt Smiths Soloalbum am Start, den er auf ei- Torre dell‘Orologio bis zu den entfern- chen digitalen Charakter verloren. ben die drei Freunde daran gearbeitet und Sprünge helfen. Diese Rhythmen dürfen das Publikum allerdings erst etwas später nem eher eigenartigen Beat ausklingen Doch der Eindruck von Raum und Tiefe testen Stadtteilen. Dort lassen sich für wird durch das Verfahren der Kallitypie sich dabei wohl auch wiedergefunden, auch einmal stolpern oder sich wie verzie- als Croft und Sim mit dem superben „Infi- lässt, um dann in der Stretta doch noch al- den Betrachter dieses Bildes sogar die nachdem Smith zwischenzeitlich unter hender Rauch auflösen, bis nur noch nity“ vom Debütalbum zu einem ihrer be- les in die Waagschale zu werfen. Die Zu- noch verstärkt. nun winzigen Menschen auf ihren Dach- Wie Thoma berichtet, waren sein Stu- dem Namen ein Soloalbum ver- Sims tiefergelegter Bass zu vernehmen zwingendsten Duette ansetzen und mit gaben „“, das umjubelte „Intro“ terrassen erkennen. Die 120 mal 160 öffentliche und vielleicht sogar auf dem ist. „VCR“ gleich noch einen weiteren Hit sowie „Angels“ geben im Schnelldurch- dium und die Tätigkeit als Bauinge- Zentimeter große Vedute gehört in ih- nieur eine Grundlage dafür, das Verfah- Sprung war, das gemeinsame Projekt zu Die gute Akustik in der Jahrhundert- vom Debüt hinterherschicken, dem lauf einen Ausblick auf alle drei Alben rer räumlichen Tiefe und mit den vielen verlassen. halle ist ein Segen für diese minimalisti- Smith einen etwas offensiveren Rhyth- der Band und wirken mit den aufgepump- ren in diesem Umfang überhaupt umset- wirklichkeitsgetreu abgestuften Grautö- Das zarte „Say Something Loving“ sche, manchmal dahinschwebende Mu- mus gönnt, wie er überhaupt mit dem ten Beats wie ein gelungener Mix, der zen zu können. Und so ist die Wirkung zum Auftakt des Frankfurter Konzerts sik, die ja die weiten, leeren Räume auslo- Fortlauf des Konzerts Dynamik und das Gefühl der Monotonie wirkungsvoll nen zu den bemerkenswerten Fotoarbei- der wolkenverhangenen Felsen, die auf darf man durchaus als Ode an die neue ten will, die in britischen Clubsounds wie Rhythmen anzieht, ohne aber vielleicht vertreibt. Mögen sich die Songs der Band ten, die Thoma nun für kurze Zeit in der Arbeit „Furtschellas“ (so heißt eine hochalpine Gegend im Engadin) zu se- Inniglichkeit hören, den Eindruck nicht Dubstep bedeutsam sind. In solchen Räu- gleich „Dangerous“ zu klingen. Bei die- auch ähneln, versteht sie es doch, sie der Sachsenhäuser Ausstellungshalle Schulstraße 1a zeigt. hen sind, auch besonders plastisch. Ne- zuletzt durch jene herrlich schlichten, men herrscht durchaus auch Stille oder sem Song dürfen aber immerhin die Fan- spannend zu gestalten. Heftigen Lärm ben diesen Kallitypien ist außerdem mit Hall unterlegten Gitarrenmotive Andacht, was besonders bei einem Song faren dröhnen, Signal für den Endspurt braucht es in diesem Fall dann gar nicht. Bei der Abbildung der „Dächer“ han- delt es sich um eine Kallitypie, wie ein eine reizvolle Serie mit herkömmlichen 1884 erstmals erwähntes und 1889 pa- farbigen Fotografien der Nordsee ausge- tentiertes fotografisches Verfahren ge- stellt. kcd. nannt wird. Die Fotoapparate der Früh- Die Schau in der Ausstellungshalle Schulstraße Die Freiheit, einen Weg zu finden zeit waren sehr groß, und die ebenso 1a ist bis zum 5. März zu sehen. Öffnungszeiten sind morgen und am Donnerstag von 18 bis 20 großen Negative, damals aus Glas, wur- Uhr, am Freitag, am Samstag und am Sonntag Im Projekt „Next Generation“ versuchen Nachwuchskräfte sich an Kunst für ein junges Publikum den während der Aufnahme in der Ka- von 14 bis 18 Uhr. Die Finissage am Sonntag be- mera belichtet. Positiv und Negativ sind ginnt um 16 Uhr. Erst sind die Kleinen mehr an den tollen sich im Sommer, während der Arbeits- Rutschen, Wippen und Sandhäuschen in- phase am Mousonturm, verfestigt haben. teressiert. Dann aber gewinnt das Unge- Das geht beinahe allen so. Und doch wohnte ihre Aufmerksamkeit: Zwei jun- hat Marcus Droß, Dramaturg am Mouson- ge Frauen, über ihren schwarzen Trikots turm und Betreuer des „Next Generation bunte Tüllröcke, huschen durch den Workspace“, sie immer wieder ermun- Sand, machen leise Trippelgeräusche auf tert, nicht an ein fertiges Stück zu den- dem Stahl der Rutsche, malen Kreise in ken, sondern an ihre Möglichkeit, frei zu den Sand, hüpfen, ahmen die Kinder forschen und zu verwerfen. „Auch die nach. Und immer wieder sind es die Kin- Präsentation ist Teil dieser Recherche“, der, ein, zwei, drei Jahre alt, die ihrer- so Droß. Eine Freiheit, die es im Berufs- seits imitieren, was diese beiden seltsa- alltag des Theaters äußerst selten gibt: men Großen ihnen vormachen: ein zar- Alles ist normalerweise darauf angelegt, ter Austausch, der dem Spielplatz einen nach etwa sechs Wochen Proben ein ferti- neuen, kunstvollen Zauber verleiht. ges Stück zu produzieren. Das Festival „Playground“ haben die beiden Tanz- und der Mousonturm hingegen setzen pädagoginnen und Choreographinnen darauf, dass ihr Projekt nachhaltige Wir- Annasara Yderstedt aus dem norwegi- kung zeigt. „Das war ein Konzept, das schen Stavanger und Annika Keidel aus wir alle erst lernen mussten – dass es ein Frankfurt ihre Tanzperformance für Ausprobieren bleibt, dass wir Zeit und Kleinkinder genannt. Sie ist Teil des Fort- Raum haben“, gibt Wicki Bernhardt zu. bildungsprogramms „Next Generation Dennoch gibt es bei den „Tryouts“ kurze Workspace“, das jetzt zeigt, was junge Vorstellungen zu sehen, Performances, Theatermacher aus der Region und aus Installationen, Interaktionen im Freien. Annasara Yderstedt (rechts) und Annika Keidel performen für Kleinkinder. Foto J. Alabi aller Welt innerhalb eines Jahres an Ide- Bei Katharina Speckmann und Gesa Be- en für neue Formen der darstellenden ring, die das Stück „Monster“ erarbeitet Kunst für Kinder, Jugendliche, aber auch Nigeria, Ines Wuttke, Mari-Liis Tigasson, Im Lauf der nächsten Tage können Er- haben, etwa lernen Zuschauer von acht „Dächer von Venedig“, Kallitypie, 2015 Foto Christoph Thoma altersübergreifend entwickelt haben. Die Katharina Speckmann, Gesa Bering und wachsene und Kinder von etwa zwei Jah- Jahren an auf eine subtile und lustige 2016 begonnene Kooperation des regio- Milena Wichert aus Frankfurt, Christina ren an sieben „Tryouts“, Versuchsvorstel- Weise das Fürchten – in einer Viertelstun- nalen Festivals für internationales junges Rauchbauer aus Wien und Liljan Halfen lungen des erarbeiteten Materials, erle- de. Nun haben die Ersten vor, vollständi- Theater „Starke Stücke“ und des Frank- aus Leipzig sowie Janna Athena Pinsker ben, im Frankfurter Mousonturm, im ge Produktionen aus dem Material zu er- furter Mousonturms soll das klassische und Wicki Bernhardt aus Gießen am E-Werk Bad Homburg und im öffentli- arbeiten. Der Erfolg hat sich herumge- Smetaks Wiederentdeckung Kindertheater um ästhetische Möglich- Frankfurter Mousonturm zwei Wochen chen Raum. sprochen: Für dieses Jahr gab es gut 70 keiten erweitern, es für den Theaternach- probieren, vieles verwerfen, neu anset- Die Bilanz des Jahres fällt bei den Bewerbungen für „Next Generation Vier Uraufführungen durch das Ensemble Modern wuchs interessant machen und den inter- zen, sich austauschen, unter anderem mit Nachwuchskünstlern rundum positiv Workspace“ aus aller Welt, mit Beginn nationalen Austausch fördern. Nun geht Philipp Karau als Mentor. Karau, der mit aus: „Ich habe schon bei der ersten Pha- der „Starken Stücke“ an diesem Donners- Begeisterung schlug den Musikern und drucksvolle Skulpturen sind, oft mit Ka- die erste Staffel zu Ende. seiner Gruppe Skart seit einiger Zeit pro- se, während des Festivals, und danach, tag fangen zwölf neue Teilnehmer ihren Komponisten entgegen, wo immer sie in lebassen. Ihre mikrotonalen Stimmun- Yderstedt und Keidel sind einander fessionelle Performances mit Kindern er- zurück in Lagos, gemerkt, wie stark mich „Workspace“ an. Am Montag, dem 6. Brasilien nach Walter Smetak gen verzichten auf tradierte musikali- bei „Starke Stücke“ 2016 begegnet, als arbeitet, die vor einem Mehrgeneratio- das, was ich gesehen und diskutiert hat- März, wenn die jetzige „Next Genera- (1913–1984) fragten. Das internationale sche Ordnungen und intendieren eine zwei der zwölf Teilnehmerinnen des Pro- nenpublikum gespielt und oft sehr kon- te, bewegt hat“, sagt Joshua Alabi, der in tion“ sich mit einem Präsentationsabend Projekt „Re-inventing Smetak“ ermög- voraussetzungslose und gemeinschafts- jekts. Nach ersten Ideen und Diskussio- trovers diskutiert werden, lobt das For- Lagos mehrere Stücke inszeniert und verabschiedet, werden sie die Staffel lichte vier Komponisten, aus einer Be- stiftende, meist improvisierte Musik. Da- nen schon während des Festivals, wo sie mat und die Allianz aus Mousonturm, auch schon mit anderen deutschen Thea- übernehmen. EVA-MARIA MAGEL schäftigung mit dem vielseitigen Vor- mit wollte Smetak einen Zustand der Eu- zahlreiche Stücke sahen und mit erfahre- „Starke Stücke“ und der Kindertheater- termachern gearbeitet hat. In einem di- kämpfer einer brasilianischen Gegenkul- biose erarbeiten, in dem Menschen aus- Von morgen an finden weitere Versuchsvorstellun- neren Kollegen diskutieren konnten, ar- szene jenseits aller Fragen nach Sparten cken Buch hat Alabi den gesamten Pro- tur heraus eigene Kompositionen zu geglichen und gut miteinander umge- gen statt. Der Eintritt ist frei, um Anmeldung unter hen. beiten sie, auch über die räumliche Dis- und Formen. Das sei produktiv und biete zess des „Workspace“ dokumentiert. Ir- der E-Mail-Adresse [email protected] wird ge- schaffen, die nun im Mozartsaal der Al- tanz, zusammen. Im Sommer konnten die Möglichkeit, eine eigene Formspra- gendwann stand da: „Keine neuen Ide- beten, das detaillierte Programm ist im Internet un- ten Oper Frankfurt vom Ensemble Mo- Dieser Gedanke schien die Komponis- Yderstedt und Keidel, Joshua Alabi aus che zu entwickeln. en!“ – jetzt arbeitet er nur mit denen, die ter der Adresse www.mousonturm.de zu finden. dern uraufgeführt wurden. ten dieses Abends wenig interessiert zu Ursprünglich hatte der Musikwissen- haben. Immerhin parallelisierte Lisa schaftler Max Nyffeler auf Smetak auf- Lim kreisförmige Strukturen in Smetaks merksam gemacht, der auf undogmati- Instrumenten mit den gleichberechtig- Getanzte Gottessuche sche Weise das Bewusstsein von Men- ten sozialen Strukturen in brasiliani- schen erweitern wollte. Nyffeler führte schen Kreistänzen. Ihre Komposition daher auch das Einführungsgespräch, „Ronda – The Spinning World“ (2016) Die Theaterperipherie spielt im Titania Bockenheim Hadi Khanjanpours neues Stück „Allah liebt man(n)“ ist ein gefälliges Stück. „Instrumentari- das passenderweise unter einer an ein um“ von Daniel Moreira gewann einen ten ist das Stück immer dann, wenn die Zu Beginn ist da nur unbeholfenes Tau- der sich als „König der Liebe“ bezeichnet Liebe zu Gott wird im Sprechen und Tan- Hüttendach erinnernden Bambuskon- eigenen Reiz, indem es an ein selbster- meln. Ein Mensch, der seinen Körper und ihm den Weg zu einfachen göttlichen zen der beiden Akteure aber unversehens beiden jungen Akteure durch Bewegung struktion stattfand. Der Komponist Ar- schaffenes Video über Smetaks Instru- nicht unter Kontrolle hat, ein Mann, der Wahrheiten weist. Amin Biemnet Haile eine sehr konkrete Liebe zu einem sehr und Gesten sprechen und zum klagenden thur Kampela spielte damit in „. . .tak- mente gekoppelt war. „Volvere“ (2017) mühsam sein Gleichgewicht sucht und verkörpert den Meister, auch sein Spiel be- wirklichen Mann. Körper und Geist, Gesang Ashkan Hasiris ihre Anziehung tak. . .tak. . .“ auf den Gemeinschaftsge- von Paulo Rios Filho war ein lebhaftes nur unter größter Anstrengung überhaupt darf kaum der Sprache Worte, oft versteht Trieb und religiöse Sublimation kommen und Abstoßung spürbar werden lassen. danken Smetaks (Spitzname: „Tak-tak“) Spektakel voller instrumentaler und den aufrechten Gang erlernt. Der zerrisse- man die Gebärden und Grimassen mehr sich in die Quere, und auf die Sünde folgt Wie zwei in geheimer Verbindung stehen- an: Die Konstruktion verband verschie- stimmlicher Gefühlsausbrüche. Doch ob- ne Körper sagt, wozu noch die Sprache als alle Rede. unweigerlich der Tod als Strafe und Über- de Körper prallen sie mal aufeinander, ver- dene (unorthodoxe) Instrumente mitein- wohl Dirigent Vimbayi Kaziboni den fehlt: Hier ist einer außer sich, ein Welt- Sehr bewusst heißt die neue Produkti- windung irdischer Niedrigkeit zugleich. beißen sich geradezu ineinander, um im ander. Wenn eines bedient wurde, Aufführungen noch eine eigene Faszina- und Selbstzweifler ohne inneren Halt. on der Theaterperipherie deshalb auch „Allah liebt man(n)“ wird so einerseits nächsten Moment, wie durch umgekehr- schwangen auch die anderen mit. Leider tion hinzufügte, konnten die vier Kompo- Oliver Konietzky spielt in Hadi Khan- im Untertitel „Ein poetischer Tanz“. In zum getanzten Manifest der Gottesliebe, ten Magnetismus gelenkt, auseinanderzu- ging dieser Effekt aber in einer allgemei- sitionen nicht wirklich begeistern. Wäh- janpours neuem Stück „Allah liebt kaum mehr als einer Stunde wird nichts stellt zum anderen aber auf engstem stieben. Katharina Wiedenhofer hat als nen Reizüberflutung unter. rend Smetaks Instrumente filigran klin- man(n)“ diesen verlorenen Sucher, und Geringeres umkreist als die ewig bren- Raum die Frage nach den Unzulänglich- Choreographin entscheidenden Anteil am Smetak war als von Anthroposophie gen und dadurch eher locken als lenken, die ersten zehn Minuten gehören ganz nende Frage nach Gott, nach dem Sinn keiten des Menschen, mit dem hohen Ide- Gelingen des Stücks, das rational man- und Theosophie inspirierter Cellist, wirkte die Lautstärke der Kompositio- ihm. Begleitet von ihrerseits den richtigen des Lebens. Die Antworten des jungen al umzugehen. ches zu wünschen übrig lässt, dessen Bot- Komponist und Orchestermusiker 1937 nen geradezu totalitär. Oder überzeug- Rhythmus suchenden Trommelschlägen Meisters stammen zumeist aus den Schrif- Die von Hadi Khanjanpour geschriebe- schaft aber trotzdem jenseits der Worte aus der Schweiz nach Brasilien emi- ten sie vielleicht auch allein schon des- (Percussion, Gesang und Gitarre: Ashkan ten des persischen Sufi-Mystikers Rumi, nen Texte umkreisen das Thema recht verstehbar ist. MATTHIAS BISCHOFF griert. Ein kurzer Film von José Walter halb nicht, weil sie Konstrukte waren, Hasiri), zuckt er aus dem Dunkel des Büh- der im 13. Jahrhundert lebte und in seinen holzschnittartig. Die Sprachmagie, mit Nächste Aufführungen am 4., am 8. und am 30. Lima zeigte einen ruhigen Menschen mit während die von Smetak intendierte Frei- nenhintergrunds im Titania Bockenheim Werken die Liebe als zentrale Kraft des der Rumi Gott als Geliebten feierte, fin- März, jeweils von 19.30 Uhr an im Titania Bocken- großer innerer Sicherheit. Er baute einfa- heit und Offenheit sich eher in der Impro- langsam ins Helle. Bis er auf einen trifft, Universums pries. Aus der spirituellen det man hier nicht. Am eindrucksvolls- heim, Basaltstr. 23. che Instrumente, die gleichzeitig aus- visation einstellt? DORIS KÖSTERKE