Klaus Beuermann (Hg.) Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten Georg Heinrich Borheck Erschienen im Universitätsverlag Göttingen 2005 Klaus Beuermann (Hg.) Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten unter Beziehung auf die Sternwarte der Universität Göttingen von Georg Heinrich Borheck

Mit einem Geleitwort des Präsidenten der Georg-August-Universität Göttingen, Kurt von Figura und Beiträgen von David Aubin, Klaus Beuermann, Robert Förster, Christian Freigang und Nicolaas Rupke,

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Abbildungsnachweis: Universitäts-Sternwarte Göttingen: 6, 7, 8, 10, 15, 16, 20, 21, 22, 24, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34. K. Reinsch, Universitäts-Sternwarte: 1, 9, 11, 12, 13, 25. R. Förster: 17, 18, 19. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen: 4, 5, 23. Privatbesitz: 2, 3, 14.

Digitalisierungen: Göttinger Digitalisierungszentrum an der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Umschlaggestaltung: Margo Bargheer Satz und Layout: Universitätsverlag Göttingen

ISBN 3-938616-02-4 Inhaltsverzeichnis Kurt von Figura Geleitwort des Präsidenten ...... 7 Klaus Beuermann Vorwort ...... 9 Klaus Beuermann Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts ...... 10 Christian Freigang Architekturhistorische Bemerkungen zur Göttinger Sternwarte ...... 21 Nicolaas Rupke Naturwissenschaftsarchitektur in der Historiographie der Naturwissenschaften ...... 27 David Aubin Astronomical Precision in the Laboratory: The Role of Observatory Techniques in the History of the Physical Sciences ...... 31 Klaus Beuermann Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte ...... 37 Robert Förster Die Sternwarte zu Göttingen im Wandel der Zeiten Umbauten und Restaurierungen ...... 46

Georg Heinrich Borheck Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten mit Beziehung auf die Sternwarte der Universität Göttingen ...... 51 Vorrede ...... 53 Erster Abschnitt ...... 57 Zweiter Abschnitt ...... 61 Dritter Abschnitt ...... 86 Nachschrift ...... 99

Zeittafel zu Georg Heinrich Borheck und zu politischen Ereignissen seiner Zeit ...... 101 Kurzbiografien...... 102 Abb. 1: Universitäts-Sternwarte Göttingen. Blick von Süden (Photo K. Reinsch 2004, Universitäts-Sternwarte) Kurt von Figura: Geleitwort 7

Zeit neu und blieb richtungsweisend für das spätere 19. Jahrhundert. Zum ersten Male wur- den beim Entwurf dieser Sternwarte Aspekte wie die erschütterungsfreie Aufstellung von Instru- menten durch vom übrigen Bau getrennte solide Fundamente, Vermeidung von störenden Luft- bewegungen, sowie hohe Bequemlichkeit und damit effektive Durchführung der Beobachtun- Geleitwort des Präsidenten gen von vornherein konsequent bedacht und der Georg-August-Universität auch gegen einschränkende ökonomische Be- Göttingen grenzungen erfolgreich durchgesetzt. Über lange Strecken liest sich Borhecks Traktat wie ein Plä- doyer für ein Abweichen von der sicher auch in damaliger Zeit in gewisser Weise existierenden öffentlichen Bauordnung. Mit dem Umzug der Astrophysik zu den an- deren physikalischen Instituten in den Nordbe- Das Jahr 2005 ist für die Universität Göttingen reich wird die Sternwarte nun einer neuen Be- und die Universitäts-Sternwarte in mehrfacher stimmung zugeführt. Die Universität plant um- Hinsicht bedeutsam. Zum einen feiert die Uni- fassende Renovierungsarbeiten, die den Haupt- versität das Gaußjahr zu Ehren des 150. Todes- trakt, Seitenflügel und das Nebengebäude der tages dieses Universalgelehrten, der nahezu 50 Anlage einschließen. Nach Abschluss der Arbei- Jahre lang das Amt des Direktors der Göttinger ten werden die historischen Räume des Sternwar- Sternwarte bekleidete. Zugleich verlässt die Ast- tegebäudes für Sonderveranstaltungen und be- rophysik diesen traditionsreichen Wirkungsort in sondere Lehrveranstaltungen zur Verfügung ste- der Sternwarte und zieht in ein neues Gebäude in hen und für eine historische, an Gauß erinnernde den Nordbereich der Universität um, in dem Ausstellung genutzt werden. Als Präsident der zum ersten Male alle physikalischen Institute eine Universität freue ich mich, dass hierdurch zu- gemeinsame Heimstatt erhalten. Schließlich be- künftig die einmalige Chance gegeben ist, Teile endete der damalige Universitäts-Baumeister des für Göttingen und die Universität so bedeu- Georg Heinrich Borheck (1751−1834) im Jahre tenden Gebäudes auch für ein breites Publikum 1805 seine Schrift „Grundsätze über die Anlage zu öffnen. neuer Sternwarten mit Beziehung auf die Stern- warte der Universität Göttingen“, in der er die Architektur dieses bedeutenden Baus beschreibt. Göttingen, im Dezember 2004 Die angestrebte Veröffentlichung des bedeuten- den Traktats konnte wegen der Kriegswirren und politischen Umwälzungen der Napoleonischen Zeit nicht realisiert werden und wird nach 200 Jahren in diesem Jubiläumsjahr nachgeholt. Die in den Jahren 1803−1816 vor dem Geis- Prof. Dr. Dr. h. c. Kurt von Figura martor errichtete Universitäts-Sternwarte setzt mit ihrer an höchsten wissenschaftlichen An- sprüchen orientierten Architektur einen Maßstab, der sie deutlich von früheren Sternwartenbauten abhebt. Die Konsequenz mit der hier die Bedin- gungen für die allerbesten Beobachtungsmög- lichkeiten geschaffen wurden ist für die damalige 8 Kurt von Figura: Geleitwort

Abb. 2: Die neue Sternwarte bey Göttingen ; Stammbuchblatt verlegt bei Wiederhold, Sign. Grape fec., Besitzer Frederic Hessman.

Abb. 3: Private Widmung auf der Rückseite des o.a. Stammbuchblattes vom 24. Februar 1828 : „Freundlich lächle Dir die frühe Sonne, Lieblich blinke Dir der Abendstern, …..“ Klaus Beuermann: Vorwort 9

druck der prächtigen Farbtafeln eine Einführung in Borhecks Werk und fünf Abhandlungen zur architekturgeschichtlichen Einordnung der Göt- tinger Sternwarte, zu wissenschaftshistorischen Aspekten, zur Baugeschichte sowie der geplanten Rekonstruktion ihres Hauptgebäudes und zu Carl Friedrich Gauß’ Wirken in der Sternwarte. Ausgehend von einer früheren Transkription Vorwort Horst Michlings wurden Fehler beseitigt und eine völlig neue digitalisierte Textversion erstellt. Da- bei wurde die zeitgenössische Orthografie – auch bei unterschiedlicher Schreibweise des gleichen Wortes − sowie die etwas gewöhnungsbedürftige Die Göttinger Universitäts-Sternwarte hat durch Zeichensetzung beibehalten. Einige von Borheck ihre bedeutenden Direktoren, darunter Carl in lateinischen Buchstaben eingefügte Worte Friedrich Gauß und Karl Schwarzschild, als Insti- wurden dem Original entsprechend hervorgeho- tution Weltgeltung gewonnen. Als Bauwerk ist ben und Zitate, insbesondere die gutachterlichen sie ein nationales und europäisches Denkmal Äußerungen des Gothaer Astronomen Freiherr ersten Ranges, das zum Zeitpunkt seiner Entste- von Zach, kursiv gesetzt. hung vor 200 Jahren bereits aufgrund seiner Mein Dank als Herausgeber gilt in erster Li- richtungsweisenden Konstruktion große Bedeu- nie den beteiligten Einrichtungen der Universität, tung besaß. Der Bauentwurf wurde von dem die eine Veröffentlichung dieser Schrift zum 200. Göttinger Universitätsbaumeister Georg Hein- Jahrestag ihrer Entstehung im Gaußjahr 2005 rich Borheck in seinem Manuskript „Grundsätze ermöglicht haben. Sie setzen damit anlässlich des über die Anlage neuer Sternwarten mit Bezie- Umzugs der Astrophysik in den Neubau der hung auf die Sternwarte der Universität Göttin- Physikalischen Institute und anlässlich des bevor- gen“ beschrieben, das bis heute in der Universi- stehenden Wechsels in der Nutzung der Stern- täts-Sternwarte verwahrt wird. warte ein Zeichen, das die besondere Bedeutung Borhecks Manuskript ist in zweierlei Hinsicht dieses Baus hervorhebt. Großen Dank schulde ungewöhnlich. Zum einen ist das in feiner Sütter- ich auch der Niedersächsischen Staats- und Uni- lin-Schrift verfertigte und 1805 datierte Manu- versitätsbibliothek, die sich mit ihrem Verlag und skript ein Unikat. Zum anderen ist eine so detail- den an der Herstellung der Abbildungen beteilig- lierte Beschreibung der architektonischen Kon- ten Personen diesem Vorhaben mit großem En- zeption, der technischen Konstruktion sowie der gagement gewidmet hat, insbesondere Margo Begründung der Erstausstattung an Teleskopen Bargheer und Martin Liebetruth. Schließlich und sonstigen Messgeräten für ältere Sternwarten danke ich allen Kollegen, die mir mit Informati- selten. Borhecks Text bezieht sich im Titel aus- onen geholfen haben, insbesondere Axel Witt- drücklich auf Göttingen, doch sind die meisten mann und Hartmut Grosser. Patrick Hessman seiner Argumente allgemeiner Natur und können danke ich für die Herstellung der elektronischen mit Recht auf jeden Sternwartenbau um 1800 Version des Borheckschen Manuskripts und bezogen werden. Die von Borheck 1805 ange- meiner Frau Ingrid für ihr Verständnis angesichts strebte Publikation war deshalb sinnvoll, schei- langer mit der Edition verbrachter Abende. terte aber an den kriegerischen Zeiten und an absonderlichen Zufälligkeiten. Die Historie die- Göttingen, im Januar 2005 Klaus Beuermann ses Vorhabens wirkt in manchen Aspekten wie eine Kriminalgeschichte mit diversen Verschleie- rungen. Auch nach 200 Jahren bleibt Borhecks Manu- skript ein bedeutendes Dokument, das hier zum ersten Male der Öffentlichkeit zugänglich ge- macht wird. Zur Seite gestellt werden der Transkription des Originaltextes und dem Ab- 10 Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts

zwei ebenerdige Meridiansäle − neben einem noch recht unzweckmäßig konzipierten, an anti- kem Vorbild orientierten, zentralen Turm. In Göttingen war 1762 Tobias Mayer gestor- ben, der Direktor der ersten, noch kleinen Göt- tinger Sternwarte auf einem Turm der alten Stadtmauer. Diese alte Sternwarte wurde anschlie- ßend von den Mathematikern Lowitz und Käst- Vorgeschichte und ner verwaltet, bis 1789 Karl Felix von Seyffer als Odyssee des Borheckschen a.o. Professor für Astronomie berufen wurde1. Manuskripts Auch ohne hauptamtlichen Astronomen setzte sich die Universität, wohl auch unter dem Ein- fluss von Lichtenberg, für die Astronomie ein und erweiterte das Inventar um bedeutende In- strumente, wie damals üblich, meist in Form königlicher Geschenke. So ist das große Spiegel- von Klaus Beuermann, Göttingen teleskop von Herschel an die alte Sternwarte gekommen, das dieser im Juli 1786 selbst aufbau- Der Bau der Göttinger Sternwarte erfolgte vor te2. Zu Seyffers Zeit wurde 1791 erstmals der dem Hintergrund astronomischer Entdeckungen Antrag auf den dringend erforderlichen Ersatz gegen Ende des 18. Jahrhunderts, die das Welt- der unzulänglichen Sternwarte auf der Stadtmau- bild veränderten und die Stellung der Astronomie er durch einen adäquaten, dem wissenschaftli- als Naturwissenschaft stärkten. Zunehmende chen und technischen Stand entsprechenden Bedeutung erlangte die Astronomie im 18. Jahr- Neubau gestellt und in den Folgejahren wie- hundert auch im Vermessungswesen zu Lande derholt, bis schließlich 1802 König Georg III und auf See, einem besonderen Anliegen der die Summe von 22680 Talern für den Neubau staatlichen Verwaltungen. In Frankreich und in bewilligte1. Großbritannien waren vor diesem Hintergrund Mit dem Entwurf und Bau der neuen königli- bereits ein Jahrhundert früher das Observatoire chen Sternwarte in Göttingen wurde der Univer- de Paris (1667) bzw. das Royal Greenwich Ob- sitäts-Baumeister Georg Heinrich Borheck servatory (1675) gegründet worden. In Deutsch- (1751-1834) betraut. Borheck nahm die neue land existierte selbst um 1800 noch keine von Aufgabe zum Anlass, sich intensiv mit dem einem Landesherrn für öffentliche Aufgaben Sternwartenbau zu beschäftigen und insbesonde- erstellte und als solche entworfene größere re zu klären, worin die Mängel bisheriger Bau- Sternwarte. Der für Göttingen zuständige Lan- werke bestünden und welche Anforderungen von desherr und gleichzeitig der Rector magnificen- fachastronomischer Seite an ein ideales, auf dem tissimus der Göttinger Universität war seit 1760 neuesten Stand der Architektur und Technik König Georg III, in Personalunion Kurfürst von stehendes Gebäude zu stellen seien. Er konnte Hannover, Enkel und Nachfolger von Georg II sich dabei auf ausführliche Gutachten von zwei (Georg August), dem Gründer der Göttinger namhaften Experten stützen, Justizrat Hierony- Universität. Er war der Adressat für die Bemü- mus Schröter (1745–1816), der die private Stern- hungen der Universität Göttingen, eine den An- warte in Lilienthal bei Bremen betrieb, und Franz forderungen der Zeit entsprechende Sternwarte Xaver von Zach (1754–1832), dem Direktor der zu errichten. Seeberger Sternwarte. Drei im späten 18. Jahrhundert errichtete Sternwarten sind baugeschichtlich bedeutsam, die von Dr. John Radcliffe privat finanzierte Stern- warte in Oxford/England (1772–1778), das Dunsink Observatory des Trinity College in 1 H.-H. Vogt, Geschichte der Göttinger Sternwarte, Dublin/Irland (1783–1785) und die private GEORGIA AUGUSTA, Mai 1992 Sternwarte des Herzogs von Sachsen Gotha und 2 H. Grosser, Historische Gegenstände an der Universitäts- Sternwarte Göttingen, Ein Katalog zum 250-jährigen Beste- Altenburg auf dem Seeberg bei Gotha (1787– hen der Sternwarte, herausgegeben von der Akademie der 1789). Die Sternwarte in Oxford erhielt als erste Wissenschaften zu Göttingen, Kommission für historische Apparate. Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts 11 12

Abb. 4: Vorherige und diese Seite: Faksimile des Edikts von König Jérôme Bonaparte vom 14. Juli 1810, in dem dieser den Weiterbau der Sternwarte nach dem Plan und Anschlag Borhecks befiehlt und 200.000 Francs als Bausumme verteilt über fünf Jahre bereitstellt. Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts 13

Franz Xaver von Zach kannte die Radcliffesche und Pulkowo/St. Petersburg (1839, im zweiten Sternwarte in Oxford aus eigener Anschauung Weltkrieg zerstört und modernisiert wieder auf- und hatte im Auftrage des Gothaer Herzogs die gebaut). erste nach rein wissenschaftlichen Gesichtspunk- Borheck hat die sehr umfangreichen und de- ten konzipierte Sternwarte auf dem Kontinent taillierten Überlegungen der Grundsätze, die bei errichtet. Dazu gehörten die ebenerdige Anlage der Anlage neuer Sternwarten zu bedenken sind, und eine sorgfältige Fundamentierung der In- in seinem zweibändigen Werk niedergelegt, das strumentenpfeiler unabhängig vom Gebäude, so 1805 veröffentlichungsreif war. Es besteht aus dass schwere Instrumente installiert werden dem 135-seitigen Sütterlin-Manuskript und einem konnten und sich ihre Genauigkeit voll aus- Band mit den sechs den Text ergänzenden Farb- schöpfen ließ. Von der gesamten Investition von tafeln sowie sechs weiteren z.T. farbigen techni- 56000 Talern wurden allein 20000 Taler für die schen Zeichnungen. Die Abbildungen geben instrumentelle Erstausstattung ausgegeben3. Auf- sowohl einen ersten Entwurf von 1802 ohne bauend auf den Erfahrungen Schröters und Seitenflügel wieder, wie er wohl für einen zu- Zachs gelang Borheck die Konzeption eines sehr nächst ins Auge gefassten Standort auf dem Wall fortschrittlichen Gebäudes, das die Fehler frühe- in Verlängerung der Nicolaistraße geplant war, rer Bauten weitgehend vermied. Durch den als auch den zweiten stärker klassizistischen kriegsbedingten Baustopp war es Borheck nicht Entwurf von 1803, der zusätzlich die Wohntrakte vergönnt, den Bau der Göttinger Sternwarte zu enthält. Die Ähnlichkeit des zweiten Entwurfs vollenden, und ein Jahrzehnt später, als der Bau mit der Gothaer Sternwarte ist unverkennbar. wieder aufgenommen wurde, entsprach das äuße- Die symmetrische Anlage des Baus mit zwei re Erscheinungsbild seiner Konzeption nicht architektonisch gleich gestalteten Flügeln, jeweils mehr dem Zeitgeschmack. Seine technische bestehend aus Meridiansaal, Vorbereitungssaal Konstruktion wurde jedoch beibehalten und so und Wohntrakt, wurde mit den Ansprüchen ein dauerhaftes und für lange Zeit vorbildliches sowohl von Seiten der Wissenschaft als auch der Sternwartengebäude geschaffen. Auch bei der Lehre begründet. So sollten im Westflügel die Umgestaltung 1887/88 wurde die grundlegende qualitativ besten Instrumente für die fortgeschrit- Konstruktion nicht verändert und erst Anfang tene Forschung stehen, während der Ostflügel des 20. Jahrhunderts, als sich unter dem Direktor der Lehre gewidmet und z.T. mit den noch sehr Karl Schwarzschild der Übergang zur modernen guten Instrumenten aus der alten Sternwarte Astrophysik anbahnte, war die auf die Positions- eingerichtet werden sollte. Für die Ausbildung astronomie ausgerichtete technische Konzeption spielte die Astronomie nicht nur als reine, son- des Gebäudes nicht mehr zeitgemäß4. Trotzdem dern auch als angewandte Wissenschaft eine hat sich dieser Bau aufgrund des beträchtlichen Rolle, mit Bedeutung für die Geodäsie, die Kar- Platzangebots bis heute bewährt. Die Göttinger tographie und die Seefahrt. Diese Konzeption Sternwarte ist die einzige verbleibende deutsche wird in Borhecks Schrift als einmalig in Deutsch- Sternwarte aus der Zeit vor 1870 und, nach Paris land − vielleicht in ganz Europa − bezeichnet6. und Dublin, die drittälteste Sternwarte der Welt Dabei wurde als Grundsatz akzeptiert, dass die in originaler Nutzung5. In den folgenden Jahr- vorgesehene Vereinigung von Lehr- und For- zehnten des frühen 19. Jahrhunderts entstanden schungsaufgaben „nur sehr unvollkommen erreicht ähnliche Gebäude u.a. in Neapel (1820), Ham- würde, wenn die Sternwarte von den übrigen akademi- burg (1825, abgebrochen 1912), Kapstadt (1828), schen Lehranstalten beträchtlich entfernt wäre“7, was Helsinki (1834), Berlin (1835, abgebrochen 1915) z.B. gegen den ebenfalls diskutierten Standort auf dem Hainberg sprach. Der Bau der beiden Wohntrakte, einer für den Direktor und der an- 3 M. Strumpf, Gothas astronomische Epoche, Geiger Ver- lag, 1998. − Nach Tod des Herzogs 1804 musste Franz Xaver von Zach andere Aufgaben am Hof übernehmen und 6 Die zwei Meridianinstrumente der Seeberger Sternwarte unter dem neuen Herzog ließ die Unterstützung für die dienten nur der Forschung und die Adaption dieser Kon- Seeberger Sternwarte nach, 1840 wurde sie aufgegeben und struktion wurde in Göttingen anders begründet. Georg III 1858 abgebrochen. und später Jérôme Bonaparte unterstützten die vorgeschla- 4 Es wurden jedoch noch bis in das Jahr 1923 hinein Inves- gene aufwändige Konzeption jedoch offenbar ohne Vorbe- titionen am Reichenbergschen Meridiankreis getätigt. halte. 5 Dies gilt bis zum Umzug der Göttinger Astrophysik in 7 Dieses und das folgende Zitat entstammen dem in diesem den Physik-Neubau im Jahre 2005. Band abgedruckten Text Borhecks. 14 Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts dere für einen zweiten einzustellenden Beobach- Tatsache, dass diese einen wesentlichen Prozent- ter, wurde mit der enorm erhöhten Funktionalität satz der Bausumme ausmachen würde, zweifellos begründet, denn „wenn eine Sternwarte ganz ihren bewusst und hat diese Kostenaufstellung über- Zweck erfüllen und nicht blos des Nahmens oder der zeugend in seine „Grundsätze“ eingeschlossen. Zierde wegen dastehen soll, so muß mit derselben die Zum Vergleich seien die Erstausstattungsmittel Wohnung des Observators ..... in unmittelbare Verbin- für den Neubau der physikalischen Institute der dung gesetzt ..... seyn ..... denn es treten bei Tage und des Universität Göttingen (2002 − 2005) genannt. Sie Nachts unzählbare Fälle ein, da der Beobachter augen- liegen bei 30% der Baukosten. Sowohl die Göt- blicklich seine übrigen Geschäfte unterbrechen und zu den tinger als auch vorher die Gothaer Sternwarte Instrumenten eilen muß.“ wurden also vergleichsweise sehr gut mit Instru- Die von Borheck übernommenen Empfeh- menten ausgestattet. lungen Zachs enthalten eine lange Liste der er- Auf der Grundlage des Befehls Georgs III forderlichen Instrumente bester Provenienz und wurde der Bau der Sternwarte, wie Borheck in deren Kosten. Addiert man die Einzelpositionen seiner Vorrede berichtet, im Frühjahr 1803 be- auf, so kommt man für die instrumentelle Erst- gonnen. Wegen der erneuten kriegerischen Aus- ausstattung auf die erstaunliche Summe von einandersetzungen wurden jedoch 1804 alle kö- mehr als 2000 Guineas8, was einem Äquivalent niglichen Bauten eingestellt. Zu diesem Zeit- von 15000 Talern oder 2/3 der ursprünglich punkt war der Bau bis zu einer Höhe der bewilligten Bausumme entspricht. Die Gesamt- Grundmauern von 6 Fuß über dem gewachsenen summe der später wirklich durchgeführten Be- Grund und damit bis zur Terrassenhöhe gedie- schaffungen, die Bedeutung dieser Instrumente hen. Borheck zog sich zurück und konzentrierte im realen Beobachtungsbetrieb und die Finanzie- sich auf die Vorbereitung seines Manuskripts zur rungsmodi9 bei ihrer Beschaffung wären einer Veröffentlichung. besonderen Untersuchung wert. Der Gesamt- An der Göttinger Universität gingen die ge- aufwand dürfte beträchtlich gewesen sein10. Tat- planten Berufungen weiter voran. Im Vorgriff sächlich beließ es Gauß nicht bei der Anschaf- auf die neuen Arbeitsmöglichkeiten wurde 1805 fung eines Meridiankreises („ganzen Kreises“), wie Ludwig Harding, der 1804 in Lilienthal den drit- von Zach und Borheck vorgeschlagen sondern ten Planetoiden Juno12 entdeckt hatte, als a.o. beschaffte sinnvollerweise deren zwei, 1818 den Professor und Inspektor an die Sternwarte beru- Repsoldschen Kreis aus für den Ost- fen. Carl Friedrich Gauß, der durch seine Bahn- flügel (Abb. 24) und 1819 den sehr genauen Rei- berechung des 1801 von Giuseppe Piazzi ent- chenbachschen Kreis für den Westflügel. Mit deckten ersten Planetoiden Ceres Weltruhm dem Repsoldschen Kreis hat Harding seine Beo- erlangt hatte13, folgte 1807 als o. Professor und bachtungen für den Atlas novus coelestis von Direktor der Sternwarte. Diese Berufungen er- 1822 gemacht. Der Reichenbachsche Kreis wur- folgten vor dem Hintergrund der neuen Entwick- de von Gauß u.a. für die Landesvermessung lungen auf dem Gebiet der Kosmogonie. Seit eingesetzt und war für ein Jahrhundert das babylonischen Zeiten kannte man sieben sich Hauptinstrument der Sternwarte11. Borheck war bewegende Himmelskörper in einem anschei- sich bei der Abfassung seiner Schrift der Bedeu- nend keinen Änderungen unterworfenen tung der instrumentellen Ausstattung und der Kosmos14.

8 1 Guinea = 21/20 Pfund Sterling entsprach etwa 7 Talern, 1 Pistole (spanische Goldmünze) entsprach etwa 5 Talern 12 Der zweite Planetoid Pallas wurde 1802 von Olbers und 1 Taler = 3 Mark der deutschen Goldwährung. (1758−1840) in Bremen entdeckt. 9 Viele der kostspieligen Instrumente waren Geschenke des 13 Piazzis Beobachtungen vom 1.1.−11.2.1801 wurden im Königs oder von Mitgliedern der königlichen Familie. Septemberheft der von Zach im Jahre 1800 gegründeten 10 Siehe hierzu auch die Ausführungen von David Aubin in Fachzeitschrift Monatliche Correspondenz veröffentlicht und diesem Band. bereits im Dezemberheft wurde die Berechnung der Bahn 11 Zu seiner exakten Ausrichtung wurden 12 km südlich der durch Gauß mitgeteilt, die ihm mit seiner Methode der Sternwarte auf dem Steinkopf bei Friedland das noch exis- kleinsten Quadrate gelang. Vergleichbar schnell publizierte tierende Meridianzeichen und ein entsprechendes abgegan- später Karl Schwarzschild, ein anderer Direktor der Göttin- ges im Norden errichtet. In der Entfernung des Friedländer ger Sternwarte, die allgemeine Lösung der Bewegung eines Zeichens entspricht die Genauigkeit des Reichenbergschen Körpers in der Umgebung eines nichtrotierenden schwarzen Kreises von besser als 1 Bogensekunde einer seitlichen Lochs nur wenige Monate nach Bekanntwerden der Verschiebung von wenigen Zentimetern. Durch Mittelung Einsteinschen allgemeinen Relativitätstheorie im Jahre 1915. vieler Messungen ist damit die Lage des Nullpunkts der 14 Sonne, Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn, hannoverschen Landesvermessung sehr genau bestimmt. die Namenspaten der sieben Wochentage. Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts 15 16 Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts

Abb. 5: Vorherige und diese Seite: Faksimile des Briefs des Generaldirektors des öffentlichen Unterrichts bei der Regierung des Königreichs Westfalen in Kassel, Staatsrat von Leist, vom 23. Juli 1810 an den Prorektor der Univer- sität Göttingen, mit dem er der Universität das Edikt König Jérômes mit der Aufforderung zustellt, den Bau der Sternwarte fortzusetzen und dieser Bewilligung den größtmöglichen Grad der Publizität zu geben. Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts 17

Ende des 18. Jahrhunderts jedoch führten bahn- (1729−1812)16, der sich erboten hatte, über brechende Entdeckungen und Theorien inner- Christian Ludwig Stieglitz17 in Leipzig einen Ver- halb weniger Jahrzehnte zu einem Paradigmen- leger zu finden. Dies misslang jedoch und Heyne wechsel. Eckpunkte dieser Entwicklung waren schrieb Borheck mit Datum vom 19. Juli 180518: Herschels Uranus-Entdeckung 1781, die Entde- Unser Projekt, in Leipzig einen Verleger für Ihre Ge- ckung der ersten Planetoiden zwischen Mars und schichte der Sternwarte zu finden, ist nicht gelungen: sehen Jupiter ab 1801, die Kant-Laplacesche Theorie Sie, hochgeschätzter Herr Oberbaucommissär, beygelegtes der Entstehung des Planetensystems (1755, Schreiben des Herrn Dr. Stieglitz an, so werden Sie nicht 1796), die Gaußsche Bahnberechnung der Ceres weniger unzufrieden seyn als ich es bin. Ich muß also 1801 und die nachfolgende Entwicklung der herumdenken u. abwarten wo sich einmal eine Gelegenheit Störungstheorie, die schließlich zur Voraussage zeiget zum Zwecke zu kommen. Was sagen Sie zu dem der Position des noch unbekannten Neptun Vorschlag von Einrücken in das Berlinsche Journal an durch Le Verrier und seine Entdeckung 1846 honorarium wird da aber nicht zu denken seyn. Nun durch Johann Gottfried Galle (1812 − 1910) müssen Sie ja wohl ein wenig eingerichtet seyn in Ihrem führte15. neuen Haußhalt. Die ietzigen warmen Tage geben bessere Dies mag einen Eindruck von der Euphorie Hoffnung als die vorigen. Mit den besten Wünschen geben, mit der man um 1803 den kommenden beharre ich ergebenst Heyne Entwicklungen in der Astronomie entgegensah. Ergänzt werden muss dieses Bild durch die wich- Hierauf beließ Borheck seine Unterlagen weiter tigen Anwendungsgebiete der Astronomie im in Heynes Obhut, der sie wiederum an Stieglitz Vermessungswesen. Vor diesem Hintergrund ist in Leipzig übergeben hatte. die Schrift Borhecks zu bewerten, mit der er Die Universität Göttingen betrieb während- Maßstäbe für den Bau neuer Sternwarten setzte. dessen den Weiterbau der Sternwarte auch unter Borhecks Untersuchungen gehen über seine dem seit 1807 auf „chateau Royal de Napoléonshöhe“ Aufgaben als Baumeister der Sternwarte sicher- in Kassel residierenden König Jérôme Bonaparte lich weit hinaus. und erreichte schließlich im Frühjahr 1810 die Bei der Herstellung der feinen Risse hatte Bereitstellung von 200000 Francs verteilt auf Borheck seine ohnehin schwachen Augen offen- fünf Jahre. Das vom 14. Juli 1810 datierte Edikt bar überanstrengt. Nach Erliegen der Bautätig- Jérômes19 sagt in Artikel 1: „Il sera construit un keit nahm er deshalb seinen Abschied und suchte nouvel observatoire a Göttingen d’après le plan et le devis ab Juni 1805 Erholung auf dem gepachteten dressé par le Sr. Borheck, architecte de l’Université, les Landgut im Hessischen (s. seine Nachschrift). quel plans et devis nous avons approuvé et approuvons.“ Borheck sah sein Manuskript und die Pläne als Zu diesem Zeitpunkt lagen Borhecks Manuskript sein persönliches Eigentum an und versuchte und seine Pläne in Kassel vor und dienten der diese zu veröffentlichen. Göttinger Verleger Regierung dazu, Entwurf und Kosten zu prüfen. wollten sich jedoch auf seine anspruchsvollen Das Edikt, in dem ausdrücklich auf den von Forderungen hinsichtlich des Drucks nicht ein- Borheck erstellten Plan und Bauanschlag verwie- lassen. Deshalb übergab er beide Bände dem sen wird, stellte der Generaldirektors des öffent- einflussreichen Direktor der Göttinger Biblio- lichen Unterrichts, Staatsrat von Leist, mit thek, Justizrat Christian Gottlob Heyne Schreiben vom 23. Juli 1810 dem Prorektor der Universität Göttingen zu20 und fügte hinzu: „...und ersuche Sie dasselbe bey sämtlichen Professoren

15 Vergleichbar mit diesem Aufbruch zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist die intensive neuerliche Beschäftigung mit 16 Heyne war als Professor für klassische Philologie Mitglied Planetensystemen seit etwa 1995 aufgrund der Entdeckung der Philosophischen Fakultät und war als solcher auch mit vieler größerer Körper im Edgeworth-Kuiper-Gürtel, dem der Sternwarte befasst, z.B. wirkte er als Prüfer für deren äußersten Teil unseres Sonnensystems, und die Entdeckung Inventarlisten und zeichnete diese gegen. von mehr als 100 Planeten um andere Sterne. Zu unserem 17 Verfasser einer Enzyklopädie der Bürgerlichen Baukunst, Sonnensystem gehören der von Claude Tombaugh entdeck- s. auch Fußnote 1 im Beitrag von Christian Freigang. te „Planet“ Pluto (1930) und die nur wenig kleineren Plane- 18 toiden Quaoar (2002) und Sedna (2004). Bei der Benennung Borhecks Manuskript sind neben der Nachschrift die drei der letzteren wurde mit der Tradition der Namensgebung Briefe Heynes beigeheftet, die hier vollständig wiedergege- auf Basis der griechischen Mythologie gebrochen und Na- ben sind. men aus der Mythologie der amerikanischen Ureinwohner 19 Universitätsarchiv Göttingen, Kuratoriumsakten. verwendet. 20 Universitätsarchiv Göttingen, Kuratoriumsakten. 18 Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts circuliren zu lassen, so wie Sie überhaupt bemüht seyn heraus; die Bausachen zumahl gehen ganz durch den werden, dieser großen Königlichen Gnadenbezeugung den Präfect; der arme Oppermann hat eine klägliche Rolle. möglichst größten Grad der Publizität zu geben.“ Der Wo aber ist eine Lage, die nicht kummervoll wäre! Könn- Weiterbau der Sternwarte ging nun planmäßig ten Sie nur einigermaaßen Brod durch die Land- voran und wurde auch durch den nochmaligen wirthschaft erwarten: so wären Sie glücklicher. Danken Regierungswechsel 1813 nur kurz unterbrochen. Sie dem Himmel daß Sie nicht hier geblieben sind: Ihre Im Herbst 1816 war die Sternwarte bezugsfertig. Lage wäre noch schlimmer geworden. Hier ist der gemeine Obgleich Borheck anscheinend 1809 versuchte, Trost: es könnte alles noch schlimmer seyn. Uberlegen Sie wieder Einfluss auf das Baugeschehen zu erlan- alles, und geben Sie mir gewünschten Nachrichten. gen21, wurde die Leitung nun dem viel jüngeren Aufrichtig beharre ich Justus Heinrich Müller (1783–1825) übertragen, Euer Wohlgebohren Ergebenster Freund u. Diener der 1810 zum Distrikts-Ingenieur für öffentliche Heyne Gebäude und 1814 zum Kloster- und Universi- tätsbaumeister22 ernannt wurde. Am 29. Januar 1810 schrieb der 80-jährige Heyne Die zu erwartende Entscheidung der Regie- schließlich noch einmal an Borheck: rung in Kassel zum Weiterbau der Sternwarte Ich bedaure es herzlich, daß ich nach allem Herumsuchen muss schon länger im Raume gestanden haben, u. Herumdenken u. Herumfragen von den von Ew. denn Borheck schrieb bereits am 30. November Wohlgbn. bemerkten 2 Heften doch auch nicht die ge- 1809 an Heyne, anscheinend mit der Bitte um ringste Spur entdecken kann. Auf der Bibliothek haben Rückgabe seines Manuskripts. Heyne antwortete sie nicht gehört; ich für mich wüßte nichts anzufangen ihm mit Brief vom 8. Dezember 1809, dass er (anzufragen?) gewußt haben; Wahrscheinlich müssen Sie alle Bauakten (bereits 1807) an die Präfektur in aus Leipzig vom Hrn. Dr. Stieglitz, der das Werk un- Kassel habe abgeben müssen, darunter vermut- terbringen sollte, nicht wieder zurück gekommen seyn: wo lich auch Borhecks Manuskript und Pläne: von ich wie Sie keine Erinnerung habe, ob, wie u. an wen Wohlgebohrener, Hochzuehrender Herr und Freund die Zurückschickung geschehen seyn mag. Ich habe seinen Brief aufgesucht, kan aber nichts daraus nehmen; will ihn Oft habe ich an Ihre Lage bey unsern traurigen Zeitum- indessen doch zur Einsicht bey legen. Vielleicht haben Sie ständen gedacht, und Sorge getragen − aber Ihr Brief vom ein besser Gedächtniß. 30. Nov. hat mich innig bekümmert und traurig gemacht; denn alles ist noch schlimmer als ich befürchtet hatte. Wind von neuem Bauen ist hier genug gemacht; zuverläs- Viele Hoffnung habe ich von dem erwünschten Erfolg sig ist noch nichts, am wenigsten der Fonds woher. Ich Ihrer neuen Rückkehr zu den Baugeschäften nicht, da ich wünsche Ihnen Muth und Fassung Ihr Schicksal zu die überhäufte Concurrenz und den Vorzug der Auslän- ertragen und voraus Gesundheit, für welche alles doppelt der mehr als zu gut weiß aus den hiesigen Ereignissen. dünkt. Dies empfinde ich bey dem veränderlichen Witte- Fraglich ist, ein Versuch zu machen. Leider habe ich von rung. allen Ihren Rissen nichts in Händen, ich habe alles an Leben Sie wohl. Ergebenst H. den Präfect abgeben müssen um es nach Cassel einzusen- den, bereits im Anfang der neuen Ordnung der Dinge. Borheck machte sich nun selbst auf die Suche Papiere von Ihnen werden noch bey dem Observatorium nach seinen Unterlagen und erfuhr im Frühjahr seyn, aber die sind auch nicht in meiner Gewalt; ich kann 1812, dass seine Schrift zwei Jahre früher in Kas- sie auch nicht zurückerhalten noch Ihnen etwas senden, sel vorgelegen hatte. Wie in seiner Nachschrift wenn ich nicht den Schein von Ihnen erhalte, daß Sie das dargelegt, schrieb er nach Kassel, erhielt keine Empfangene in der bestimmten Zeit wieder zurücksenden Antwort und wurde dort schließlich im Juni 1812 wollen. Melden Sie mir nur den Riß, welchen Sie verlan- persönlich vorstellig. Auf seine Vorhaltungen gen, beschreiben Sie mir ihn, so will ich sehen, ob er viel- erhielt er die Antwort, man habe sein Manu- leicht bey dem Observatorium ist, will Hrn. Oppermann23 skript, das auch von Prof. Gauß befürwortet zu Hülfe nehmen, und bemühet seyn zur Sendung Rath worden sei, für eine offizielle Bauakte gehalten, zu treffen. Ich bin ganz aus den vorigen Verhältnissen wolle aber nunmehr Herrn Müller beauftragen, ihm die Akten auszuhändigen. Wiederum wartete 21 Erwähnt im Brief Heynes an Borheck vom 8. 12.1809. Borheck vergebens. Als er jedoch am 8. Oktober 22 Friedrich Saalfeld, Gelehrtengeschichte der Universität 1812 Müller persönlich in dessen Büro in Göt- Göttingen von 1788 bis 1820, Hannover 1820, S. 382 tingen aufsuchte, konnte er sein Manuskript dort 23 Baukommissar Heinrich Julius Oppermann (1752−1811), Nachfolger von Borheck und Vorgänger von Müller. widerstandslos entgegennehmen. Müller hatte Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts 19

Abb. 6: Vorder- und Rückseite des letz- ten von drei dem Manuskript nachträg- lich beigehefteten Briefen Christian Gott- lob Heynes, datiert vom 29. Januar 1810, in dem er Borheck mitteilt, dass dessen Manuskript unauffindbar sei. 20 Klaus Beuermann: Vorgeschichte und Odyssee des Borheckschen Manuskripts sich die notwendigen Details kopiert und das unter die sechs nummerierten Tafeln eingereiht, Manuskript war für den Bau nicht mehr erforder- die zur Veröffentlichung bestimmt waren. Zu lich. Die Odyssee hatte ein Ende. dieser Zeit waren Drehkuppeln noch nicht üblich An eine Publikation des Manuskripts war und die älteste funktionierende solche Kuppel 1812 wegen des direkten Bezugs auf Göttingen scheint die auf dem (verhältnismäßig kleinen) ohne grundlegende Umarbeitung nicht mehr zu Dunsink Observatory in Dublin gewesen zu sein denken. Da Gauß den so höchst kompetent ent- (1785). In wieweit Müller beim Weiterbau der worfenen Bau trotz gewisser Mängel sehr schätz- Göttinger Sternwarte versucht hat, den von te, kann man vermuten, dass Borheck ihm das Borheck vorgeschlagenen Mechanismus eines Manuskript persönlich übereignet hat. Borheck Holzräderwerks zu realisieren, muss noch geklärt nahm seine Dozententätigkeit über verschiedene werden. Faktisch jedoch hat die Sternwarte bis Zweige der Baukunst 1820 wieder auf24 und starb 1888 keine − oder zumindest keine funktionie- erst 1834. rende − Drehkuppel gehabt. Borhecks Planung Wenn man Borhecks Unterlagen mit moder- muss aus der Zeit heraus beurteilt werden und nen Plänen für Universitätsbauten vergleicht, fällt kann heutigen Maßstäben für eine Bauauftragser- auf, wie viele Details seinerzeit ungeplant bleiben teilung nicht gerecht werden. In jener Zeit spiel- durften und der Entscheidung des Baumeisters ten Improvisation und das Vertrauen in die Fä- vor Ort unterlagen. Nicht hinreichend ausgear- higkeit des Baumeisters, für aufkommende Prob- beitet wurde von Borheck z.B. die Konstruktion leme eine adäquate Lösung zu finden, eine wich- des Deckengewölbes, das die Kuppel und das tigere Rolle als heute. Anderseits waren Ände- dort unterzubringende Teleskop trägt, sowie der rungen am geplanten Bau vermutlich einfacher Mechanismus der geplanten Drehkuppel, wäh- zu erreichen als es heute möglich ist. Auch im rend andere Details, wie der aufwändige Mecha- Abstand von 200 Jahren bleiben Borhecks Pläne nismus zum Öffnen und Schließen der Meridian- für die Göttinger Sternwarte ein großer Wurf spalte, akribisch beschrieben werden. Die Dreh- und sein Schmerz darüber, dass zunächst kriege- kuppel findet im Text nur an einer Stelle Erwäh- rische Ereignisse zum Baustopp führten und nung und die technischen Zeichnungen zu die- dann die neue Westfälische Regierung in Kassel sem Thema (Abb. 26 und 27) ebenso wie eine ihm die Bauleitung nicht wieder übertrug, bleibt Zeichnung zur Gewölbekonstruktion sind nicht verständlich.

24 Friedrich Saalfeld, Gelehrtengeschichte der Universität Göttingen von 1788 bis 1820, Hannover 1820, S. 382. Christian Freigang: Architekturhistorische Bemerkungen zur Göttinger Sternwarte 21

erschütterungsfrei erwiesen hatten, wurde schlie- ßlich das erste Observatorium auf einem der Mauertürme auf der Südseite der Stadt unterge- bracht. Es handelte sich um einen zweizonigen, von einem Kegeldach bekrönten Aufsatz auf rundem Grundriss. In der unteren Zone lief ein Rundgang um, im ausladenden Geschoß darüber befand sich das Observatorium. Trotz mehrerer Architekturhistorische Erweiterungsbauten in Form von Erkern erwies Bemerkungen zur Göttinger sich dieses erste Göttinger Observatorium jedoch Sternwarte schnell als zu klein sowie als technisch ungenü- gend und wurde schließlich 1821/22 vollständig abgetragen. Schon seit Ende des 18. Jahrhunderts sann man hierfür in Hannover auf Abhilfe. Mit der Ausführung wurde der Universitätsbaumeis- ter Georg Heinrich Borheck (1751-1834) beauf- von Christian Freigang, Frankfurt a.M. tragt. Der Architekt hatte sich vor allem durch Umbaupläne der Universität und die Errichtung Architekturgeschichtlich betrachtet stellt die des Accouchierhauses, der ersten eigenständigen Göttinger Sternwarte in mehrfacher Hinsicht ein Frauenklinik in Deutschland, einen lokalen höchst bemerkenswertes Gebäude dar. Zum Ruhm erworben. Die technisch und baukünstle- einen handelt es sich um eine geradezu idealtypi- risch nicht einfache Aufgabe des Sternwarten- sche – und hervorragend erhaltene – Verwirkli- baus löste er mit Hilfe vor allem des Gothaer chung der neuen Baugattung „Sternwarte“ in der Hofastronomen Franz Xaver von Zach und des Zeit um 1800. Zum anderen manifestiert sich mit Justizrates Johann Hieronymus Schröter sowie der Errichtung des Baues ein grundsätzlicher der Angaben des Architekturtraktates von Chris- gestalterischer Umschwung in der Göttinger tian Ludwig Stieglitz1. Zach hatte die herzogliche Baugeschichte. Die repräsentative Architektur Sternwarte auf dem Seeberg bei Gotha, Schröter der Stadt war am Ende des 18. und noch zu An- das Observatorium von Lilienthal erbaut. 1801 fang des 19. Jahrhunderts vor allem von einem hatte Borheck zunächst eine Baustelle unmittel- französisch-klassizistisch geprägten Spätbarock bar außerhalb des Südostabschnitts des Walles gekennzeichnet. Mit dem Bau der Sternwarte vorgeschlagen2. Auf Anraten des 1802 in Hanno- vollzieht sich indessen der Umschwung zu einem ver weilenden Architekten Friedrich Weinbren- „internationalen“ klassizistischen Idiom, welches ner war indessen der heutige Standort vor dem unübersehbar griechisch-antike Formen aufnimmt. Wall bestimmt worden. Hierfür sah Borheck Verantwortlich hierfür war eindeutig der Einfluss zunächst einen Einflügelbau vor, der eine zen- der französischen Verwaltung des Königreichs trale Tambourkuppel, ein flaches Walmdach und Westfalen unter König Jérôme, dem Göttingen einen monumentalen Giebelportikus auf der in der Zeit um 1810 unterstand. Südseite erhalten sollte. Damit hätte der Bau Schon kurz nach Gründung der Universität in einem kleinen Landschlösschen geähnelt. Doch den Jahren 1834/37 setzte der Sternwartenbau im Juli 1802 kam offenbar der Kontakt zu den gewisse Akzente im Baugeschehen der Stadt. vorgenannten Astronomen zustande. Schroeter Obwohl die Astronomie in Göttingen im 18. riet, sich ganz an die vorbildliche, dreiflügelige Jahrhundert bis auf Tobias Mayer (1751 bis 1762) Anlage auf dem Seeberg bei Gotha zu halten. keine bedeutenden Vertreter aufzuweisen hatte, Auf der Grundlage dieser Konsultationen erstell- galt sie als Fach von großem Prestige und wurde te Borheck nun ein umfangreiches Konzept zum reichlich mit guten Instrumenten ausgestattet. Im Bau der Göttinger Sternwarte, welches sich sogar Sinne dieser Förderung war schon 1748 durch in einem handschriftlichen Traktat niederschlug, König Georg August der Bau einer Universitäts- sternwarte genehmigt worden. Den Auftrag hier- zu erhielt der Naturwissenschaftler Johann An- 1 Stieglitz, Christian Ludwig: Encyklopädie der bürgerlichen dreas von Segner. Nachdem sich mehrere Stand- Baukunst, Bd. III. Leipzig 1797, Art. „Observatorium“, v. a. orte vor allem auf Kirchtürmen als zu wenig 23-26 u. Tafelbd, 4. Tl., Taf. I, Fig. 1-2. 2 UAG, Kur. 13 a/8, vol. III 22 Christian Freigang: Architekturhistorische Bemerkungen zur Göttinger Sternwarte das sich noch heute im Besitz der Sternwarte Das umfangreiche Traktat war bis 1805 druc- befindet. Dieses Traktat verdient in architektur- kreif, doch scheiterten Borhecks Bemühungen geschichtlicher Hinsicht besondere Beachtung. um eine Veröffentlichung als eine allgemeine und Denn wie Borheck in seinem Text zu Recht her- aufwendig präsentierte Anleitung zum Sternwar- vorhebt, handelte es sich um die erste umfas- tenbau. Mit der Errichtung des Königreichs sende Erläuterung zu dieser technisch anspruch- Westfalen kamen das Manuskript und die beglei- svollen Bauaufgabe, bei der die Besonderheiten tenden Aquarelle zur Bauverwaltung der Dépar- der Lage und der besonderen statischen Stabilität tementshauptstadt Kassel. Dort wurden sie of- eine gewichtige Rolle spielen. Doch ist die Schrift fenbar als amtliche Pläne, nicht als Erfindung mehr als ein Ingenieurstraktat, äußert sich Bor- Borhecks erachtet, und dienten als Grundlage heck doch in bester architekturtheoretischer bezeichnender Veränderungen. Tradition zum Zusammenhang zwischen der Ganz entsprechend den theoretischen Aus- konstruktiven „Festigkeit“ eines solchen Gebäu- führungen Borhecks besteht sein architektoni- des, seiner Funktion („Bequemlichkeit“) und der scher Entwurf aus einer Dreiflügelanlage. Im „Schönheit“ seines Äußeren. In puncto Beque- Hauptflügel ist das eingeschossige, mit einem mlichkeit fordert er etwa eine Differenzierung vers- Terrassendach gedeckte und von einer zentralen chiedener Gebäudetrakte, von denen das Hauptge- Tambourkuppel mit dem Fernrohr gekrönte bäude mit einer großzügigen Inneneinteilung und Observatorium untergebracht. Die zweigeschos- guter Beleuchtung sowie den notwendigen Öff- sigen, mit flachen Walmdächern gedeckten Sei- nungen für die Instrumente zu versehen sei. An tenflügel enthalten die Wohnungen der Astro- diesen Hauptflügel sollen unmittelbar die beiden nomen. Um eine perfekte Stabilität zu gewähr- Wohntrakte des Sternwartenleiters und seines leisten, liegt der Bau erhöht auf einer Terrassen- Gehilfen anschließen, damit diese jederzeit ihre plattform, von der aus auch Observationen Beobachtungen auch unvorherzusehender Erei- durchgeführt werden sollen. All diese Dispositi- gnisse am Sternenhimmel durchführen könnten. onen entsprechen der Gothaer Sternwarte; für Eine Reihe von Maßnahmen zur Isolierung ge- Borheck handelte es sich aber ganz und gar nicht gen Erschütterung und Temperaturschwankun- um eine sterile Kopie eines Vorbildbaus, sondern gen ergänzt die Vorschläge. Die technische Stabi- um ein in allen funktionalen und ästhetischen lität werde insbesondere durch eine sorgfältig Aspekten umsichtig konzipiertes Projekt – eine nivellierte Terrassierung von knapp zwei Metern Art idealer Sternwarte der Zeit um 1800. Und Höhe erreicht. Die solchermaßen erhöhte Lage nach diesem Plan wurde der Bau der heute noch gibt Borheck denn auch Anlass zu Äußerungen stehenden Göttinger Sternwarte im April 1803 bezüglich der Schönheit des Gebäudes. Da es auch begonnen. sich um ein in besonderem Maße exponiertes Im Vergleich zu dem Erstentwurf von 1802 öffentliches Gebäude handele, müsse es in sei- (Abb. 22) enthielt das nunmehr begonnene nem Äußeren so sorgfältig gestaltet sein, dass es Hauptgebäude einige Veränderungen. An die einen „Charakter“ ausdrücke. Im Fall der neuen Stelle des übergiebelten Säulenportikus ist eine Baugattung „Sternwarte“ sei dieser am ehesten pilastergerahmte Eingangsloggia getreten, in die „ein edler fester [...], der auf die Einbildungskraft zwei dorische Säulen eingestellt sind; der Drei- wirkt, und Stoff zum Nachdenken gibt“. Eine ecksgiebel ist entfallen. Die Eckrisalite des wohlgefällige Proportionierung aller Teile Hauptbaus sind durch Doppelpilaster auffällig („Symmetrie und Eurythmie“) mache „immer markiert. Kein anderes unter den damaligen Göt- einen edlen Eindruck; und dieser kann durch tinger Gebäuden war architektonisch aufwendi- zweckmäßige Anwendung einer Säulenordnung, ger instrumentiert. 1804, als die Terrassierung noch erhöhet werden“. Wenn auch die Ausführun- und die Fundamentierung gerade vollendet wa- gen Borhecks nicht als besonders originell gelten ren, stockten die Bauarbeiten und mussten infol- können, so zeigen sie doch, wie er das Bauwerk auf ge der französischen Invasion im Folgejahr ganz der Grundlage klassischer architekturtheoretischer eingestellt werden. Borheck zog sich auf ein hes- Erörterungen – die sich insbesondere auf die sisches Landgut zurück; seine Pläne gelangten an französische Architekturdebatte der Mitte des 18. die dortige Bauverwaltung. 1810 schließlich wur- Jahrhunderts zurückführen lassen – plant. de der Bau auf Anweisung König Jérômes wieder Christian Freigang: Architekturhistorische Bemerkungen zur Göttinger Sternwarte 23

Abb. 7: Ansicht von Süden und Grundriss der Sternwarte für den Umbau 1887/88. Bis auf die Form der Kuppel, die breiteren Meridianspalte und die kleinen Fenster im Gesims gibt dies die Ansicht des Müllerschen Baus wieder. Die Fundamente in den Meridianzimmern sind auf die zu dieser Zeit noch genutzten Meridiankreise von Reichenbach und Repsold sowie ein Passageinstrument zugeschnitten. An der Stelle des Reichenbachschen Meridiankreises im westlichen Meridianzimmer ist heute noch der Nullpunkt der Gaußschen Landesvermessung zu besichtigen. Im westlichen Vorbereitungsraum, dem damaligen magnetischen Observatorium und der heutigen Bibliothek, ist die noch vorhandene Wendeltreppe eingezeichnet (s. Abb. 13). Im östlichen Vorbereitungsraum war um 1888 die Bibliothek untergebracht. Er wurde 1926 zum Hörsaal umgebaut. 24 Christian Freigang: Architekturhistorische Bemerkungen zur Göttinger Sternwarte aufgenommen, die Baupläne indessen nach einer Der hohe gestalterische Anspruch der Sternwarte Begutachtung des Generalbauinspektors Jus- blieb auch in ihrer ausgeführten Version erhalten, sow3vom Departementsoberbaurat August Leo- wurde aber mit neuen Akzenten bereichert: Die pold Crelle in der äußeren Erscheinung und in Portalloggia mit eingestellten Säulen und das der Konstruktion durchgreifend überarbeitet4. nachfolgende kreisrunde Vestibül gehören zu Durch Justus Heinrich Müller, seit 1814 neuer Standardmotiven des gehobenen Wohnbaues um Universitätsbaumeister, wurde der Bau ausge- 1800. Auch die jüngst in mehreren Schichten führt und bis 1816 vollendet. Crelle bzw. Müller freigelegte Innenbemalung des Vestibüls zeigt, behielten die Disposition Borhecks bei, weil die dass durch einen repräsentativen Charakter die Fundamente bis auf ihre Oberkante bereits er- Würde und Bedeutung der Göttinger Astrono- richtet waren, und änderten nichts an der vorge- mie anschaulich zum Ausdruck gebracht werden sehenen Raumeinteilung, um so mehr aber am sollte. An Kuppelfuß und -scheitel lief in der äußeren Erscheinungsbild der Sternwarte. Schon ersten Ausmalung eine antikisierende Lotus- Borheck hatte das Vestibül kreisrund geplant, Palmetten-Ranke um; die Wände des Vestibüls weil dadurch ein fester Unterbau für die Beo- waren in gemalte Felder eingeteilt. Hinzu kommt bachtungskuppel zu gewährleisten war. Nunmehr die gärtnerische Gestaltung des unmittelbaren erhielt das weiterhin kreisrunde Vestibül vier, in Umfeldes der Sternwarte: nach Süden erstreckt den Diagonalachsen eingelassene Wandnischen, sich die Terrainaufschüttung als breite Terrasse, die wohl zur Aufnahme von Standbildern vorge- von der eine Treppe in den im Sinne eines Land- sehen waren. Wie schon im Projekt Borhecks schaftsparks gestalteten Garten hinaufführt. Auf vorgesehen, erreichte man über große Flügeltü- der Nord- und Südseite durfte jedoch der Blick ren seitlich die beiden Meridiansäle, von denen aus den Meridianspalten nicht behindert werden. jeweils eine weitere große Flügeltür Zugang zu Die architektonischen Ambitionen der Stern- den Räumen in den Eckrisaliten gibt. Im Westen warte führten somit insgesamt dazu, die Göttin- befand sich hier das Labor von Gauss, im Osten ger Architektur auf einen zeitgenössischen aktu- vermutlich die Bibliothek. Vestibül, Meridiansäle ellen Stand zu bringen, dem das spätbarock- und Eckräume durchmaßen somit in voller Höhe klassizistische Idiom Borhecks offenbar nicht den Bau; es bestand also – wie dieser an seinem mehr gerecht wurde5. Auch die Ausbildungswege Äußeren auch anzeigt – keine weitere Gescho- der beteiligten Architekten machen diesen Um- ßeinteilung. In seinem Äußeren wurde der schwung überdeutlich. Borheck hatte in Göttin- Hauptbau in präzise gearbeitetem Sichtquader- gen Mathematik studiert und sich offenbar weit- werk ausgeführt; die Pilaster fielen fort. Die Säu- gehend autodidaktisch sein architektonisches len der Eingangsloggia wurden nunmehr durch Wissen angeeignet. Crelle hingegen hatte 1802 in griechische dorische Säulen ohne Basis ersetzt, Berlin das Große Architekturexamen abgelegt und auch das Gebälk mit seiner Abfolge von und war anschließend Oberbaurat in Westfalen Metopen und Triglyphen archäologisch genau geworden6. Justus Heinrich Müller hatte in Kas- dieser Ordnung angepasst. Die Mauerteile (wohl sel unter Jussow studiert und gearbeitet7. Beide an den Seitenflügeln), die Borheck gemäß seinem schlossen mit ihrem an griechische Formen ange- Traktat unverputzt lassen wollte, waren nunmehr lehnten Vokabular an aktuelle Strömungen in mit einem Putz mit Fugenmalerei versehen wor- Kassel, Braunschweig und Berlin an. Müller sollte den. Somit stellt die Sternwarte den ersten Göt- die neue Formensprache noch für weitere wichti- tinger Bau dar, für den die griechisch-antiken For- ge Bauten in der Universitätsstadt anwenden, men eines archäologisch getreu recherchierenden etwa für die – im II. Weltkrieg zerstörte – Neue Klassizismus verbindlich wurden. Für den al- Anatomie in der Nähe des Bahnhofs sowie für ternden Borheck, der den Bau 1812 besuchte, einen ephemeren Triumphbogen am westlichen war diese Wiederaufnahme griechisch-antiker Ende des Universitätsreitgeländes. Auslöser die- Formen ein Regelverstoß gegen die ihm vertrau- ser Neuorientierung in der Göttinger Architektur tere römische dorische Ordnung, welcher „aus war die Tatsache, dass im Königreich Jérômes bloßem Kunstneid“ vorgenommen worden sei. 5 Vgl. hierzu auch Johann Dominikus Fiorillos kritische Rezension von Borhecks Traktat zum Bau von Landkir- 3 Thiersch, Hermann: Göttingen und die Antike, Göttingen chen, in: GGA 1808, II, 1329-1332. 1926, 57, Anm. 115. 6 Zu Crelle: Allgemeines Künstler Lexikon, Bd. 22, 222 4 UAG, Kur. 13 a 8. 7 Zu Müller: UAG, Kur. 13 d 5, Nr. 2-3, 8-9, 11-15. Christian Freigang: Architekturhistorische Bemerkungen zur Göttinger Sternwarte 25

Kassel die Residenzstadt war und entsprechend Franz Xaver von Zach, der auch Borheck zur Jussow als Generalbauinspektor zuständig für die Seite stand. Als Architekt arbeitete kein geringe- Göttinger Bauaktivitäten war. Crelle überging Bor- rer als Peter Joseph Krahe, der 1803 herzoglicher hecks Plan ebenfalls in seiner offiziellen Funktion Baudepartementsleiter geworden war, das Projekt im Reich von Napoleons Bruder. Jussow oder einer großen zweigeschossige Rotunde aus9. Das Krahe waren in ähnlicher Funktion schon 1808 Tauziehen um Gauß gewann schließlich Göttin- für die Errichtung eines ephemeren Triumphtors gen, selbst wenn die technische Qualität der für den Einzug König Jérômes in Göttingen tätig Sternwarte dem Mathematiker später ungenü- gewesen8. Die neue zentrale Verwaltung wirkte gend erschien. Der aufwendige Entwurf Bor- sich also auch auf das architektonische Gepräge hecks erklärt sich wohl jedenfalls auch aus dieser Göttingens aus, das nunmehr sich von der regio- Konkurrenzsituation, in die er überdies direkt nalen spätbarocken Tradition abwandte. involviert war. Borheck hatte sich nämlich 1803 Um die Bedeutung der Sternwarte in ihrem eben mit seinen Sternwartenplänen auf die vollen Ausmaß zu verstehen, sind indessen noch Braunschweiger Stelle beworben, welche schlie- einige zusätzliche Aspekte anzusprechen: Zur ßlich Krahe erhalten sollte. Auch das ausführli- selben Zeit, in der der Göttinger Bau in Planung che Traktat Borhecks wollte sich ja als allgemein war, bemühte sich der Braunschweigische Her- gültiger Beitrag für die Konstruktion von Stern- zog Carl Wilhelm Ferdinand um eine eigene Uni- warten verstehen und den Verfasser als Spezialis- versität. Er versuchte dazu, den zu dieser Zeit in ten gerade in dieser Bauaufgabe ausweisen. Um Braunschweig und Helmstedt lebenden, bereits so bitterer mag es für ihn gewesen sein, dass er berühmten Mathematiker Carl Friedrich Gauß zu weder die Stelle in Braunschweig erhielt noch die berufen sowie eine große Sternwarte zu erbauen. Fertigstellung der Göttinger Sternwarte nach Als technischer Berater wirkte eben derselbe seinen eigenen Plänen erleben konnte10.

9 Ibid., Bd. II, Braunschweig 1971, 93-95.

10 zusätzliche Literatur: Imhof, Andres: Georg Heinrich Borheck (1751–1834), Leben, Arbeiten und Wirken eines Göttinger Oberbau- commissarius; Magisterarbeit Universität Göttingen, 1997. Oszmer, Sabine: Die Göttinger Universitätssternwarte. Magisterarbeit Universität Göttingen, 1991. „Architektur und Städtebau von der Mitte des 17. Jahrhun- derts bis 1866“, in: Ernst Böhme/Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Göttingen, Geschichte einer Universitätsstadt, Bd. 2. Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Anschluss an Preußen – Der 8 Dorn, Reinhard: Peter Joseph Krahe. Leben und Werk, Wiederaufstieg als Universitätsstadt (1648-1866), Göttingen Bd. III, Braunschweig 1997, 19-20, Kat. 538. 2002, S. 765-812. 26 Christian Freigang: Architekturhistorische Bemerkungen zur Göttinger Sternwarte

Abb. 8: Lageplan der Sternwarte aus der Zeit des Umbaus 1887/88. Links das magnetische Häuschen. Nicolaas Rupke: Naturwissenschaftsarchitektur in der Historiographie der Naturwissenschaften 27

Gegenwärtig gilt das Interesse besonders so nicht-elitären Stätten wie Kaffeehäusern und Gaststätten, aber auch Abendgesellschaften der sozialen Oberschicht. Einen Überblick über die reiche Ernte von Studien zur „geography of scientific knowledge“ aus den letzten beiden Jahrzehnten hat vor kurzem David Livingstone in einem sehr lesenswerten Buch gegeben.2 Der Naturwissenschaftsarchitektur vorliegende Essay soll auf diese historiographi- in der Historiographie der schen Trends aufmerksam machen und dabei Naturwissenschaften eine besondere Kategorie naturwissenschaftlicher Stätten in den Mittelpunkt stellen, nämlich die Gebäude. Gewöhnlich haben Wissenschaftshistoriker die Gebäude naturwissenschaftlichen Forschens, seine „Behausung“, unbeachtet gelassen; das Nicolaas Rupke, Göttingen Interesse galt statt dessen kognitiv-theoretischen Aspekten und, in geringerem Maße, auch der Die Veröffentlichung von Georg-Heinrich Bor- instrumentellen Grundlage wissenschaftlicher hecks (1751–1834) Manuskript über seine Pläne Bestrebungen. Schon seit langem ist beispielswei- für den Bau der Göttinger Sternwarte kommt zu se die große Bedeutung des Fernrohrs und der einem günstigen Zeitpunkt – günstig nicht nur, Luftpumpe bekannt.3 Die Architektur der Bau- weil die Universität Göttingen im Jahr 2005 des werke, in denen Naturwissenschaft tatsächlich 150. Todestages des ersten Direktors der Stern- betrieben wurde und wird, fand jedoch im gro- warte, Carl Friedrich Gauß (1777–1855), ge- ßen und ganzen wenig Interesse und wurde an denkt, sondern günstig ganz allgemein in Hin- die Lokalgeschichtsschreibung verwiesen4. Erst blick auf aktuelle Strömungen in der Histo- seit kurzem werden Gebäude zunehmend als riographie der Naturwissenschaften: Zunehmend wichtige Faktoren für unsere Bemühungen er- wird die wichtige Rolle der architektonischen kannt, die Entwicklung der modernen Naturwis- Stätten und generell der „situatedness“ in der senschaften zu verstehen. In einem neueren Auf- Entwicklung der Naturwissenschaften erkannt. satzband zur Wissenschaftsarchitektur heißt es, Naturwissenschaftliche Rationalität – so wird er- dass „buildings of science literally and figuratively klärt – sei ausnahmslos „positioned rationality“, configure the identity of the scientist and the sie sei „situated“. Die traditionelle abstrahierende scientific field“ und dass „architecture and scien- Perspektive eines neutralen und universalen ce define one another through their encounter“5. „view from nowhere“ sei in Wahrheit selbst eine Schließlich genügen Bauwerke nicht lediglich privilegierte, parteiische Sichtweise, ein „God den praktischen Erfordernissen ihrer Bewohner, trick“1. Dieser Ansatz in der Historiographie der Naturwissenschaften, bekannt als „geography of scientific knowledge“, bezieht eine Vielzahl un- 2 Livingstone, David N.: Putting Science in its Place. Geo- graphies of Scientific Knowledge, Chicago and London, terschiedlicher „Räume des Wissens“ ein, von 2003. See also Withers, Charles W.J.: „The geography of den einzelnen konkreten Orten naturwissen- scientific knowledge“, in: Göttingen and the Development of the Natural Sciences, hrsg. von Nicolaas A. Rupke, Göt- schaftlichen Forschens bis zur räumlichen Mobi- tingen 2002, S. 9-18. lität von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, 3 Oft zitiert wird Shapin, Steven/ Schaffer, Simon: Levia- besonders die Prozesse des Wissenstransfers. Die than and the Air-Pump: Hobbes, Boyle, and the Experimen- tal Life, Princeton 1985. konkreten Orte reichen dabei von ganzen Konti- 4 Ein gutes Beispiel für derartige Lokalgeschichten ist Rie- nente über Länder, Regionen und Städte bis zu cke, Eduard et al.: Die physikalischen Institute der Universi- einzelnen Universitäten und ihren Gebäuden – tät Göttingen, Leipzig und Berlin 1906. Für eine lokalge- schichtliche Darstellung der ersten Göttinger Sternwarte auf Sternwarten, Museen, Laboratorien usw.. einem der Türme der alten Stadtmauer vgl. Aufgebauer, Peter: „Die Anfänge der Sternkunde in Göttingen“, in: Göttinger Jahrbuch 2002, S. 75-92. 1 Vgl. Haraway, Donna: „Situated Knowledges: The Science 5 Galison, Peter: „Buildings and the subject of science“, in: Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspec- The Architecture of Science, hrsg. von Peter Galison und tive“, in: Feminist Studies 14(3) (1988), 575–599. Emily Thompson, Cambridge, MA, 1999, S. 1, 3. 28 Nicolaas Rupke: Naturwissenschaftsarchitektur in der Historiographie der Naturwissenschaften sondern können zu eindrucksvollen Symbolen Accouchierhaus.8 Auch die anatomischen Thea- von Macht werden und denen, die in ihnen leben ter haben in der aktuellen Literatur Beachtung und arbeiten, eine besondere Autorität verleihen. gefunden, darunter so herausragende Beispiele Offensichtliche Beispiele dafür sind Tempel, wie diejenigen in Bologna,9 Leiden und Uppsala. Kathedralen und Paläste. Die Lage derartiger Weiterhin hat die Beschäftigung mit der „All- Gebäude – auf einem Berggipfel, im Herzen tagsgeschichte“ naturwissenschaftlichen Arbei- einer Stadt usw. – , ihre Dimensionen und ihre tens, besonders in den Laboratorien des 19. und architektonischen Merkmale – etwa Kuppeln, 20. Jahrhunderts, dazu beigetragen, das Interesse Türme und dergleichen – sind in vielen Fällen an der Architektur naturwissenschaftlicher Stät- Ausdruck der gesellschaftlichen Stellung, die ihre ten zu erhöhen.10 Bewohner einnehmen. Und obwohl sie nicht in Das neunzehnte Jahrhundert war die Epoche, erster Linie für die Pflege der Naturwissen- in der die Errichtung von Gebäuden für die Na- schaften errichtet wurden, sind sie vielen ver- turwissenschaften in großem Stil begann, und die schiedenen Geistesaktivitäten förderlich, darun- palastähnlichsten von ihnen waren die Natur- ter auch naturwissenschaftlichen. Tatsächlich kundemuseen. Obwohl es Museen dieser Art in gehören im christlichen Abendland Kathedralen Form von „Naturalienkabinetten“ schon seit der zu den ersten Stätten, an denen astronomische frühen Neuzeit und sogar davor gegeben hat, Beobachtungen gemacht wurden, und wie John entstanden größere Gebäude zu dem Zweck, Heilbron in einer höchst originellen Studie be- derartige Sammlungen zu beherbergen und ihre schreibt, dienten Gotteshäuser auch als Sonnen- Vergrößerung anzuregen, in den meisten Fällen observatorien.6 Ebenso ist die Rolle des Herr- erst im neunzehnten Jahrhundert.11 Damals be- scherhofes als Schauplatz naturwissenschaftlicher kamen in den Hauptstädten der westlichen Welt Debatten und der Rezeption naturkundlicher und auf dem Gelände vieler führender Universi- Kenntnisse untersucht worden.7 Universitätsge- täten „Tempel der Natur“ und „Kathedralen der bäude machen keine Ausnahme von der Regel, Naturwissenschaften“ ihren Platz neben den dass architektonische Strukturen ihren Bewoh- älteren architektonischen Komplexen. Diese nern besonderes Ansehen verleihen können, und Bauwerke, ihre genaue Lage, ihre Größe, ihr Stil manches alte akademische Traditionsgebäude und ihre bekanntesten Exponate erlangten eine gibt Zeugnis vom Überlegenheitsanspruch der hohe öffentliche Bedeutsamkeit und wurden Professorenschaft und vielleicht auch von der Objekte von Bürger- und Nationalstolz.12 Die Form und vom Inhalt der Vorlesungen. wichtigsten nationalen Naturkundemuseen, etwa Ebenso wenig machen Gebäude eine Aus- nahme, die für die Naturwissenschaften errichtet 8 Trotz neuerer Forschungen zu diesem Thema ist das wurden, so dass sich auch in ihrer Errichtung Standardwerk zur Krankenhausarchitektur noch immer Thompson, John D./ Goldin, Grace: The Hospital, A Social und ihren architektonischen Merkmalen grund- and Architectural History, New Haven 1975. sätzliche Ansichten über die Stellung der Natur- 9 Die bedeutende Rolle der italienischen anatomischen Theater zeigt Biagioli, Mario: „Scientific revolution, social wissenschaftler in der Gesellschaft ausdrücken. bricolage, and etiquette“, in: The Scientific Revolution in Außerdem können ihre äußere Gestalt und ihre National Context, hrsg. von Roy Porter und Mikulás Teich, innere Raumaufteilung das, was in ihnen abläuft, Cambridge 1992, 11-54. 10 Vgl. z.B.: Laboratory Life. The Construction of Scientific strukturieren und definieren und uns Auskunft Facts, hrsg. von Bruno Latour und Steve Woolgar, Prince- darüber geben, wie naturwissenschaftliche For- ton 1986. schung sich abgespielt hat. Die ältesten natur- 11 Ein früheres Beispiel ist das 1769 eröffnete Museum Fridericianum in der 50 km südwestlich von Göttingen wissenschaftlichen Architekturdenkmale haben gelegenen hessischen Residenzstadt Kassel. Es ist eines der meist eine Verbindung zur Medizin; zu ihnen ersten Gebäude der Architekturgeschichte mit der Funktion eines Museums mit Publikumsverkehr und war bestimmt gehören Krankenhäuser, Irrenanstalten, botani- „zur Aufnahme der Kabinette für Naturgeschichte, Mathe- sche Gärten, Gewächshäuser und, in Göttingen, matik, Physik, Altertümer, Mechanik und Medaillen sowie der öffentlichen Bibliothek“, vgl. Schneider, Helmuth: die Entbindungsklinik, das 1785–1790 errichtete „’Wahrhaft glückliche Tage’. Kassel und die Antike im 18. Jahrhundert“, in: Kassel im 18.Jahrhundert. Residenz und Stadt, hrsg. von Heike Wunder u.a., Kassel 2000, S. 88-102, hier S. 89. 12 Rupke, Nicolaas A.: Richard Owen, New Haven and 6 Heilbron, John: The Sun in the Church, Cathedrals as London 1994, S. 12-105. Forgan, Sophie: „Bricks and Solar Observatories, Cambridge, MA, 1999. bones: architecture and science in Victorian Britain“, in: The 7 Biagioli, Mario: Galileo Courtier, The Practice of Science Architecture of Science, hrsg. von Peter Gallison und Emily in the Culture of Absolutism, Chicago 1993. Thompson, Cambridge, MA, 1999, S. 181-208. Nicolaas Rupke: Naturwissenschaftsarchitektur in der Historiographie der Naturwissenschaften 29 in Berlin, London, Paris und Wien, standen im Bloomsbury im Zentrum Londons, sondern in Wettbewerb miteinander. Das Pariser Muséum South Kensington auf dem Gelände der Weltaus- d'Histoire Naturelle, das aus dem Jardin du Roi stellung von 1862, war ein Hinweis auf die enge entstand, war das erste große Zentrum der na- Verbindung der Sache der Naturwissenschaften turwissenschaftlichen und insbesondere der bio- mit den liberalen, am Unternehmertum orientier- logischen Forschung im Europa des neunzehn- ten Reformen William Gladstones (1809–1898). ten Jahrhunderts.13 Das Museum für Naturkunde Die gewaltigen Ausmaße des Gebäudes, die von in Berlin wurde erst viel später errichtet, als in dem Konservativen Benjamin Disraeli (1804–81) der Folge der Reichsgründung von 1871 die neue und seinen Torys heftig kritisiert wurden, spiegel- Reichshauptstadt Berlin einen enormen Bau- ten das Streben Owens und vieler seiner Wissen- boom erlebte.14 Innerhalb des britischen Weltrei- schaftlerkollegen nach einem sozialen Status wie ches entwickelte sich eine zusätzliche Rivalität dem der traditionellen kulturellen Führungsgrup- zwischen den Museen des Mutterlandes und de- pen – des Adels, der Geistlichkeit und der Judi- nen in den Kolonien. Von Melbourne bis Mont- kative. Außerdem verwies der gotische Stil der real wurden diese Institutionen zu Zentren intel- Architektur auf die traditionelle Verbundenheit lektueller Aktivität und förderten das Entstehen der anglikanischen Naturwissenschaft mit der eines kulturellen Selbstvertrauens in den weit von britischen „natural theology“, während die zen- England entfernten britischen Besitzungen.15 trale Halle des Museums, besonders ihre kathe- In Großbritannien sah man drei Institutionen dralenartigen Gewölbe, auf die sozio-religiösen als die Naturkundemuseen schlechthin an: das Ansprüche Owens hindeuteten, der davon über- hauptstädtische British Museum (Natural Histo- zeugt war, dass Naturwissenschaftler im Auftrage ry) in South Kensington, gegründet von Richard der göttlichen Wahrheit handeln. Die innere Owen (1804–1892); das University Museum in Raumaufteilung in Ausstellungsbereiche, Labora- Oxford, entstanden aus den geologischen Samm- torien, Büros usw. war Teil einer Debatte dar- lungen William Bucklands (1784–1856); und das über, wie Forschung abläuft, und über den Stel- Museum of Science and Art in Edinburgh. Ihrer lenwert des funktionalistischen im Vergleich mit Baugeschichte hat Carla Yanni eine ausgezeich- dem morphologischen Ansatz bei der Erfor- nete Studie gewidmet.16 Am besten untersucht ist schung der Vielfalt des Organischen.18 die Baugeschichte des Museum of Natural Histo- Auch in Göttingen war das neunzehnte Jahr- ry in London.17 Es verfügte über besonders rei- hundert die Epoche, in der man begann, für die che Sammlungen an Exponaten aus den über- Naturwissenschaften Gebäude von einer ge- seeischen Kolonien, beispielsweise Australien wissen architektonischen Pracht zu errichten. und Neuseeland. Aber nicht nur seine naturhisto- Schon in der zweiten Hälfte des vorangehenden rischen Bestände sind eine bedeutende Informa- Jahrhunderts hatte es Einrichtungen für natur- tionsquelle über die Kultur der Naturwissen- wissenschaftliche Forschungen gegeben, aber in schaften seiner Epoche, sondern auch die Gestal- den Privathäusern von Professoren. Ein Beispiel tung dieses Museums. Seine Lage nicht in dafür ist das Chemische Laboratorium, entstan- den 1783, das ein Bestandteil des Hauses war, in dem von 1784 bis 1804 Johann Friedrich Gmelin 13 Laissus, Yves : Le Muséum national d'histoire naturelle, (1748–1804) wohnte. Für Friedrich Wöhler Paris 1995. Vgl. auch Limoges, Camille: „The development of the Muséum d'Histoire Naturelle of Paris, c. 1800-1914“, (1800–1882), der 1836 nach Göttingen gekom- in: The Organization of Science and Technology in France men war, wurde 1842 ein neues reines Laborge- 1808-1914, hrsg. von Robert Fox und George Weisz, Cam- bridge 1980, 211-240. bäude errichtet und 1858–1860 erweitert. In 14 Graefrath, Robert: „Zur Entwurfs- und Baugeschichte einem Gebäudeflügel des alten Universitätskom- des Museums für Naturkunde der Universität Berlin“, in: plexes im Paulinerkloster entlang des Papendieks, Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, R. Math./Nat.wiss. 38 (1989), S. 279-286. ursprünglich für Professorenwohnungen genutzt, 15 Sheets-Pyenson, Susan: Cathedrals of Science, The De- velopment of Colonial Natural History Museums during the Late Nineteenth Century, Kingston and Montreal 1988. 18 Rupke (Anm 12). Vgl. auch Rupke, Nicolaas A.: „The 16 Yanni, Carla: Nature's Museums: Victorian Science and road to Albertopolis: Richard Owen (1804-92) and the the Architecture of Display. Baltimore 1999. founding of the British Museum of Natural History“, in: 17 Speziell zur Architektur vgl. Girouard, Mark: Alfred Science, Politics and the Public Good: Essays in Honour of Waterhouse and the Natural History Museum, London Margaret Gowing, hrsg. von Nicolaas A. Rupke, London, 1981. 1988, S. 63-89. 30 Nicolaas Rupke: Naturwissenschaftsarchitektur in der Historiographie der Naturwissenschaften waren 1793 das Physikalische Kabinett und das Greenwich von 1675 zu den frühen architekto- Physiologische Institut und wenig später auch nischen Stätten der Naturwissenschaften gehö- das Akademische Museum (1796) eingerichtet ren, haben sie bisher weit weniger historiogra- worden. Ein vollwertiges Naturhistorisches Mu- phische Aufmerksamkeit erfahren als beispiels- seum entstand zwischen 1873 und 1877, d.h. wie weise die nationalen Naturkundemuseen.19 In das Berliner Museum für Naturkunde während Deutschland ist die Göttinger Sternwarte ein der frühen Jahre des bismarckschen Kaiserreichs. Meilenstein bei der Institutionalisierung natur- Die ersten architektonisch anspruchsvollen, ei- wissenschaftlicher Forschung und bei der Ent- gens für naturwissenschaftliche Zwecke errichte- wicklung des akademischen Forschungsimpera- ten Gebäude in Göttingen waren die Sternwarte tivs. Das Borhecksche Manuskript ist eine bedeu- (1802–1816) und das Theatrum Anatomicum tende Quelle für das Verständnis der Göttinger (1827–1829; erweitert 1885–1900; zerstört bei Sternwarte als einem der „Räume des Wissens“ einem Bombenangriff 1945). und liefert Material für die Beantwortung der Obwohl die Pariser Sternwarte, erbaut zwischen allgemeineren Frage nach der „Behausung“ as- 1667 und 1672, und das Royal Observa-tory in tronomischer Forschung und deren Bedeutung.

19 Vgl. aber auch Morton-Gledhill, Rowan I.: „The Architec- ture of in the British Isles: A General Study“, in: Vistas in Astronomy 32 (1989), S. 253-83. David Aubin: Astronomical Precision in the Laboratory 31

Astronomers have early on insisted on the preci- sion of their measurements and computations. The transformation of industrial and scientific cultures in the nineteenth century has been traced in part to the rise of “the values of preci- sion” and laboratories in universities and indus- tries have traditionally been seen as central loca- tions in this process. The observatory is arguably Astronomical Precision in the equally important, if only because a number of Laboratory: The Role of these values already pervaded observatory culture Observatory Techniques in the by the end of the eighteenth century.2 History of the Physical Sciences Viewed from today, the eclecticism of obser- vatory scientists in the first part of the nineteenth century may seem puzzling. Famous for his so- cial theory of the average man, Quetelet studied with just as much devotion and enthusiasm shooting stars, the influence of the moon on by David Aubin, Paris climate, probability theory, demography, or cri- minality. Similarly, one is often surprised to learn In the summer of 1829, Adolphe Quetelet who that Gauss, who was one of the greatest mathe- was planning to set up an observatory of his own maticians of his time, spent several years to ob- in Brussels toured to gather informa- serve stars and comets, to triangulate the state of tion from its main astronomers. Influenced by Hannover, or to perform delicate measurements his mentors Alexander von Humboldt and Fran- of the earth magnetic field.3 çois Arago, Quetelet had set out to measure the At the heart of the observatory’s material cul- magnetic field of the earth in the several locati- ture lay a family of scientific instruments, most of ons he visited. One day, he called on Carl Friedrich them, though by no means all, optical. The tele- Gauss in his Göttingen observatory. The next scopes, polariscopes, spectroscopes, magnetome- day, they installed instruments in the garden of ters, clocks, thermometers, hydrometers populat- the observatory, far from any piece of iron to ing the observatory expressed the central concern avoid perturbation on the delicate setup. The of their users: to achieve the highest possible Göttingen astronomer was then sceptical of level of precision in the (mostly quantitative) Humboldt’s grand ambition of turning the study measurement of celestial phenomena. Astronomy of geomagnetism into a global precision science. was the first precision science.4 One year earlier he had had the opportunity to perform some experiments with Humboldt in Berlin and he had not been impressed by the chen, die ich selbst früher für unglaublich gehalten haben würde” (ibid., 2:588). quality of these measurements. 2 M. Norton Wise, ed., The Values of Precision (Princeton, NJ: That summer day of 1829, both Gauss and Princeton Univ. Press, 1995). About observatory sciences, Quetelet held a chronometer in their hand and see David Aubin, “The Fading Star of the Paris Observatory in the Nineteenth Century: Astronomer’s Urban Culture of timed the oscillations of a magnetic needle placed Circulation and Observation,” Osiris 18 (2003), 79-100; and between them. At their utmost surprise, their David Aubin, Charlotte Bigg, and H. Otto Sibum, eds., The Heavens on Earth: Observatory Techniques in the Nineteenth Century respective measurements for the duration of a (forthcoming). hundred oscillations differed by less than a tenth 3 G. Waldo Dunnington, : Titan of Science of a second. “But these observations,” Gauss (New York, Hofner, 1955); Tord Hall, Carl Friedrich Gauss: A Biography, trans. Albert Froderberg (Cambridge, Mass.: apparently exclaimed, “have the precision of MIT Press, 1970). astronomical observations.”1 4 Historians of astronomy can be counted among those who have pioneered the exploration of nontheoretical issues in the history of science, in particular paying considerable 1 Adolphe Quetelet, Sciences mathématiques et physiques au attention to instruments of high precision and their makers. commencement du XIXe siècle (Brussels: Mucquart, 1867), 646. See for example Henry C. King, The History of the Telescope See Gauss to Olbers, 12 October 1829, in C. F. Gauss and (Mineola, NY: Dover 2003 [1955]); Allan Chapman, Dividing H. W. M. Olbers, Briefwechsel, 3 vols. (Hildesheim/New the Circle: The Development of Critical Angular Measurement in York: Georg Olms, 1976), 2:525. “Bei Beobachtung der Astronomy, 1500-1850, 2nd ed. (Chichester: John Wiley & Schwingungsdauer einer Nadel lässt sich eine Schärfe errei- Sons, 1995). 32 David Aubin: Astronomical Precision in the Laboratory

Abb. 9: Detail des Teilkreises mit Nonius auf dem Birdschen Mauerquadranten von 1756, der bis 1816 in der alten und danach in der neuen Sternwarte benutzt wurde (s. Abb. 25). Oben sind die Winkelgrade in Bogenminuten, un- ten in 16-tel Grad unterteilt. Der Nonius gestattete Messungen mit einer Genauigkeit von einigen Bogensekunden. Das Instrument ist heute nicht mehr voll funktionsfähig (Photo K. Reinsch, Universitäts-Sternwarte).

Precision relied on an array of techniques that metric units.6 Nineteenth-century observatory were rooted in the culture of the observatory. scientists were at the forefront of scientific net- Around 1800, there were few places as entirely working. In 1800, an international group of as- devoted to the pursuit of research in the physical tronomers led by Franz Xaver von Zach had set sciences as the observatory. In Paris, Greenwich, up the Vereinigte Astronomische Gesellschaft to and elsewhere, maritime nations maintained large look for what they thought was a missing planet buildings, expensive instruments, and qualified between Mars and Jupiter. They established an early staff for the advancement of knowledge, the international vehicle for communication by publish- improvement of maps, the computation and ing regular observations in Zach’s Monatliche Corre- publication of tables and almanacs, and the de- spondenz (1800-1814), and later in Schumacher’s As- velopment of navigational methods.5 During the tronomische Nachrichten (from 1821).7 French revolution, observatory scientists were entrusted with the determination of the new 6 Ken Alder, The Measure of All Things: The Seven-Year Odyssey that Transformed the World (London: Little, Brown, 2002). 7 The history of astronomy’s early professionalization is well 5 The search for a reliable method for longitude determina- documented. For Germany, see Jürgen Hamel, “H. C. tion at sea looms large in the early history of observatories. Schumacher: Zentrum der internationalen Kommunikation Cf., in particular, Derek Howse, Greenwich Time and the Dis- in der Astronomie und Mittler zwischen Dänemark und covery of the Longitude (Oxford: Oxford Univ. Press, 1980); Deutschland” and Gudrun Wolfschmidt, “Internationalität William J. H. Andrewes, ed., The Quest for Longitude (Cam- von der VAG (1800) bis zur Astronomischen Gesellschaft,” bridge, Mass.: Harvard Univ. Press, 1996); Guy Boistel, W. D. Dick and J. Hamel, eds., Astronomie von Olbers bis L’Astronomie nautique au XVIIIe siècle en France: tables de la Lune Schwarzschild, Nationale Entwicklungen und internationale Bezie- et longitudes en mer, Ph.D. thesis (Université de Nantes, 2001) ; hungen im 19. Jahrhundert/ Acta Historia Astronomiae, 14, 89– and Vincent Jullien, ed., Le Calcul des longitudes. Un enjeu pour 120 and 182–203; Dieter B. Herrmann, “Das Astronomen- les mathématiques, l’astronomie, la mesure du temps et la navigation treffen im Jahre 1798 auf dem Seeberg bei Gotha,” Archive (Rennes: Presses univ. de Rennes, 2002). for the History of Exact Sciences 6 (1969/1970), 326–44. About David Aubin: Astronomical Precision in the Laboratory 33

By 1800, the observatory, therefore, had given visited Zach at the Seeberg Observatory (Gotha), rise to an epistemological space defined by a Gauss was struck by the announcement in Zach’s coherent set of techniques in precision, stan- journal for September 1801 of the discovery of a dardization and networking: the design and ma- new planet (Ceres) by Giuseppe Piazzi. Before nipulation of delicate instruments, the material disappearing behind the Sun, the planetoid had and mathematical treatment of numbers ex- been observed for 41 days only. This short dura- tracted from observation, and the social man- tion made it difficult to compute the size and agement of qualified personnel working together shape of its orbit and thus to predict where and towards common aims, either inside one particu- when the faint light deflected by Ceres would be lar observatory or in collaboration across national visible again. Gauss saw a golden opportunity to boundaries. Borheck’s manuscript is a striking demonstrate his mathematical skills to the astro- testimony to the fact that little was left to im- nomical community when he calculated the orbit provisation when it came to ensure that an ob- of Ceres on the basis of three observations only. servatory yielded only the most precise data. On 1 January 1802, Gauss’s approach was vindi- Borheck divided his memoir into three parts cated when, relying on his computations, Zach concerned with, respectively, the location of the sighted the planet again. observatory, its instruments, and its building. In Early 19th-century German astronomers, von all cases, his utmost concern to which all others Zach, Olbers and Gauss, among others, were were subservient was that the best possible, most drawn to emphasize the need of furthering the precise observational data could be produced in precision of astronomical observation. Variations the observatory. Equally important was the will- in brightness, misrecordings and misprints, and ingness of European states, and especially Ger- errors in the reduction of data marred extent star man ones, to allocate the required funds to this catalogues and made them acutely aware of the enterprise. As Friedrich Bessel wrote Gauss need to rework older catalogues introducing when the Prussian government agreed to set up more precise corrections for astronomical refrac- an observatory in Königsberg: tion, stellar aberration, and the precession of equinoxes. Olbers made a chance discovery of a Dennoch kostet das Gebäude nahe an 20000 Thaler; der second minor planet (Pallas), and in September Grund 6000 Thaler; die Instrumente etwa 4000 Thaler. 1804, Göttingen astronomer Karl Ludwig Har- Es kann sonderbar scheinen, das in den jetzigen Zeiten so ding spotted a third one (Juno). As new data on viel an eine Sternwarte verwandt wird; allein die Zeiten, minor planets gathered, Gauss set out to com- wo das Militair alles wegnahm, sind vorbei, und so wird pute the perturbations due to the gravitational denn das lebhaftere Interesse an wissenschaftlichen Sachen attraction exerted by Jupiter on them. From this erklärlicher.8 work, he developed the least-square method Precision attracted Gauss’s attention to astro- which enabled him to make use of all—not nomy.9 Few of his contemporaries excelled as he merely three—observed positions of a planet.10 did in the several sides of astronomical work, From early on, Gauss felt that observations from the most theoretical studies to routine ob- were as useful to his theoretical undertaking as servation. Having studied astronomy in Göttin- his theory in assisting observation.11 After having gen in 1795–98, assisted Lieutenant K. L. E. von been unsuccessful in his bid for an observatory in Lecoq in his geodetic survey of Westphalia, and Brunswick, Gauss was attracted to Göttingen by the promise of directing a state-of-the-art obser- vatory: „Sie wissen, dass in Göttingen ein Observato- the solidarity of German astronomers, see Gauss to Bessel, 5 March 1820, in Carl Friedrich Gauss and Friedrich rium erbaut wird, wenigstens der Absicht nach so gut, wie Wilhelm Bessel, Briefwechsel, 2 vols. (Hildesheim/New York: irgend eines in der Welt ist.“12 When he moved to Georg Olms, 1976), 1:324. Göttingen Gauss began to observe minor planets 8 Bessel to Gauss, 10 März 1811, in Briefwechsel, 1:144 9 M. Brendel, “Über die astronomischen Arbeiten von regularly in the old observatory of Tobias Mayer. Gauss,” Carl Friedrich Gauss Werke, 11, 2, Abh. 3 (1929), 1– 258. Otto Volk, “Astronomie und Geodäsie bei C. F. 10 Gauss,” C. F. Gauss: Leben und Werke, ed. Hans Reichardt See Oscar B. Sheyhin, “C. F. Gauss and the Theory of (Berlin: Haude & Spenersche, 1960), 207–16; Eric G. For- Errors,” Isis 20 (1979), 21–72. bes, “The Astronomical Work of Carl Friedrich Gauss 11 About theoretical vs. practical astronomy, see Bessel to (1777–1855),” Historia Mathematica 5 (1978), 167–81; also in Gauss, 10 July 1820, in Briefwechsel, 1:358; and Gauss’s reply, 362. Sterne und Weltraum 16 (1977), 158–66. 12 Olbers to Gauss, 12 November 1802, in Briefwechsel 1:107. 34 David Aubin: Astronomical Precision in the Laboratory

He used Mayer’s 6-foot mural quadrant, a pendu- magneticae terrestris ad mensuram absolutam lum clock made by John Stelton and an achro- revocata,” read at the Royal Society of Göttingen matic refracting telescope from the John & Peter on 15 December 1832, Gauss explained that a Dollond firm equipped with micrometers to second experiment could be performed that gave measure small angular distances from neighbor- out an absolute measurement of the field.15 This ing stars with great precision. Although he made was the first non-mechanical quantity to be ex- good use of them, Gauss knew that these in- pressed in terms of mass, length and time. Gauss struments were no substitute to a meridian tran- explained to Olbers: sit circle which he ordered from Johann Georg Ich beschäftige mich jetzt mit dem Erdmagnetismus, Repsold in Hamburg. Custom-made for Gauss namentlich mit einer absoluten Bestimmung von dessen and delivered in 1818, this instrument yielded Intensität. (…) So wie man z. B. von Geschwindigkeit absolute measurement with respect to celestial co- nur durch Ansetzung einer Zeit und eines Raums einen ordinates whereas the Dollond telescope could klaren Begriff geben kann, so, finde ich, muss zur voll- only give relative positions with respect to neigh- ständigen Bestimmung der Intensität des Erdmagnetismus boring stars. From his arrival at Göttingen, Gauss angegeben werden 1) ein Gewicht = p, 2) eine Linie = r, constantly endeavored to equip his observatory und dann man kann den Erdmagnetismus durch with the latest instrumental technology. He ob- p r ausdrücken.16 tained from the Munich workshop of Reichen- bach a new meridian circle to replace Repsold’s, a But more than the pleasure of finding out new Liebherr clock to replace Stelton’s, a repeating facts about the earth magnetic field, what truly circle and a theodolite. attracted Gauss’s interest to geomagnetism was The observatory’s culture of precision had a the prospect of modelling this area of science wide-ranging influence on scientific practice. The more thoroughly on astronomy. After the me- crusade undertaken by Humboldt to survey the chanics of moving bodies and optics, electrody- magnetic field of the Earth provides an example namics would be the next area of physics to be of how observatory techniques were adopted for expressed in the form of analytical laws submit- electromagnetic research. In 1828, Humboldt ted to the test of high-precision measurement: built a small magnetic observatory in Berlin and Fast noch wichtiger aber, als der glänzende Zuwachs initiated a program of coordinated observation at unerwarteter Thatsachen, die in diesen Gebieten entdeckt various locations at prearranged times. This re- sind [the work of Oersted, Ampère, Arago and Fara- quired a precise knowledge of time and of the day], ist der Umstand, dass auch hier die Versuche einer geographical location determined by astronomi- frühere weit überflügelnden Schärfe, und ihre einfachen cal means. Gauss took a major part in Hum- Grundgesetze einer wahrhaft mathematischen Präcision boldt’s survey. Mathematical equations had pre- fähig werden, so dass die Scheidewand zwischen eigentlich viously been used to account for electromagnetic sogenannter Physik und angewandter Mathematik auch phenomena, but Gauss was arguably the first to hier (wie längst in der Bewegungslehre und Optik) zu 13 quantify them. sinken, und die tiefer eingreifende Bearbeitung dem Ma- th By the late 18 century, it had been recog- thematiker anheim zu fallen anfängt.17 nized that the period of oscillation of a suspen- ded needle was inversely proportional to the square Characteristically for an astronomer, Gauss gave root of the magnetic field.14 But such mea- thorough descriptions of the instruments he had surements were relative since the intensity of the taken from the observatory panoply and adapted field could not be separated from the magnetic to geomagnetic surveys. His addition of a tele- moment. In his great contribution, “Intensitas vis scope to Gambey’s dip magnetometer allowed the scientist to observe the needle at a distance and avoid its disturbance though air currents and 13 Olivier Darrigol, Electrodynamics from Ampère to Einstein (Oxford: Oxford Univ. Press, 2000) and Christa Jungnickel and Russel McCormmach, Intellectual Mastery of Nature: Theo- retical Physics from Ohm to Einstein, 2 vols. (Chicago: Chicago 15 Werke V, 79ff., Annalen der Physik (1833). Ostwalds Klassi- Univ. Press, 1986). ker der exakten Wissenschaften 53 (Leipzig: Akademische Ver- 14 Hans Falkenstein, “Die wesentlichsten Beiträge von C. F. lagsgesellschaft, 1894). Gauss aus der Physik,” C. F. Gauss: Leben und Werke, ed. Hans 16 Gauss to Olbers, 18 Februar 1832, 2:584-585. Reichardt (Berlin: Haude & Spener, 1960), 232–51; G. D. 17 Gauss, [Magnetismus und Galvanismus : Amtlicher Be- Garland, “The Contributions of Carl Friedrich Gauss to Geo- richt], (Gauss an Königliches Universitäts-Curatorium, 29. magnetism,” Historia Mathematica 6 (1979), 5–29. Januar 1833), Werke 11:55–8. David Aubin: Astronomical Precision in the Laboratory 35 bodily heat. With his bifilar magnetometer, werden können, die gar nichts zu wünschen übrig lässt. Gauss claimed that “the horizontal part of the Ausgenommen für mich ein angemesseneres Lokal, wo kein earth’s magnetic field can now be observed as Eisen in der Nähe ist und jeder Luftzug abgehalten ist.21 precisely as the stars in the sky.”18 In 1838, Gauss Recognizing the need for a specially-designed published the “Allgemeine Theorie des Erd- environment for his experiments, Gauss had an magnetismus,” in which he expressed the poten- iron-free building set up on the grounds of the tial of the field in terms of a sum of spherical astronomical observatory. This was one of the harmonic functions.19 He then went on to com- first modern physics laboratories. In Germany, pare the results of his theoretical investigations his collaborator Wilhelm Weber wrote to Ed- with observations taken all over the earth. ward Sabine, “until now there existed only collections of As soon as he became interested in magne- physical instruments without permanent facilities for their tism and after Wilhelm Weber was hired as phy- use; there were no physical laboratories or observatories.”22 sics professor by the University in Göttingen, The physical laboratory borrowed heavily from Gauss geared his effort at setting up a new labo- the observatory. Before large physical laborato- ratory, a “magnetic observatory,” where such ries were established in the 1860s and 1870s, it studies could be performed. “Vielleicht wird unser was common to speak of “physical observato- Gouvernement, wenn die Geldklemme nicht zu gross ist, ries” and the laboratory building of the Physi- demnächst nicht abgeneigt sein, ein eigenes magnetisches kalisch-Technische Reichsanstalt was named the Häuschen, worin gar kein Eisen ist, zu errichten.”20 In Observatorium.23 his petition to the Curatorium, Gauss insisted Two years before Quetelet, Jean-Jacques that astronomical precision required thorough Ampère had also visited Göttingen and its obser- mathematical studies, expensive instruments, vatory. On April 22, 1827, he wrote to his father skilled experimenters, and a specific space devo- Adrien-Marie Ampère that his work on the theo- ted to their manipulations: ry of electromagnetism was greatly appreciated in Von jeher schien mir, dass die Apparate, deren man sich Germany and that he should send copies of his für die magnetischen Bestimmungen bedient, sehr unvoll- latest work to the Göttingen library. “I think it is kommen, und in einem schreienden Missverhältnisse gegen as important for the Germans to learn what die Schärfe unserer astronomischen und geodätischen Mes- concerns the sciences from us as it is useful to us to sungen sind. Ich habe seit etwa 5 Monaten angelegen sein study there literary criticism and history.”24 A mere lassen, diesem Uebelstande abzuhelfen, wobei ich gleich decade later, German observatory scientists had Anfangs von einigen schon seit vielen Jahren gehabten much to teach French physicists, not only about Ideen ausging, aber freilich fast jede Woche noch etwas the theoretical development of electromagnetism, Neues gekommen bin. Gegenwärtig habe ich zwei Appa- but also and more importantly about the way in rate fertig (…), womit absolute Dekl. und ihre Aende- which observatory techniques could be success- rungen, Schwingungsdauer etc. mit einer Schärfe gemessen fully transferred into the physical laboratory.

21 Gauss to Olbers, 2 August 1832, in Briefwechsel, 2:587. 22 Weber to Sabine, 20 Feb. 1845; quoted in Jungnickel and McCormmach, Intellectual Mastery, 1:77. My emphasis. 23 David Aubin, “Orchestrating Observatory, Laboratory, and Field: Jules Janssen, the Spectroscope, and Travel,” Nuncius 17 (2003), 143–62. 24 “Tu devrais réserver une certaine quantité d’exemplaires de ton oeuvre dernière pour Bonn, Goettingue, Weimar et l’Allemagne en général. Je crois aussi important pour les 18 Allemands d’apprendre de nous ce qui concerne les scien- Gauss to Olbers, 2 September 1837, in Briefwechsel, 2:649. ces, qu’il nous est utile d’étudier chez eux la critique et 19 Werke V. l’histoire des différentes littératures.” Jean-Jacques Ampère, 20 Gauss to Olbers, in Briefwechsel, 2:590. Correspondance (Paris: Hetzel, 1875), 441–2. 36 David Aubin: Astronomical Precision in the Laboratory

Abb. 10: C. F. Gauß auf der Terrasse der Sternwarte, Lithografie von E. Ritmüller, verlegt bei Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen, Druck bei H. Honig in Göttingen. Entstanden ist dieser Stich ca. 1850. Auf dem Bild sind Person, Teleskop und Lehnsessel im Verhältnis zum Säuleneingang zu groß dargestellt. Das Teleskop ist ein von Fraunhofer gebautes Heliometer, das Gauß 1814 beschafft hat. Es erhielt 1872 ein neues Stativ und befindet sich in dieser erneuerten Form noch im Besitz der Sternwarte. Es wurde bis 1924 benutzt.

Abb. 11: Fraunhofers Heliometer im Jahre 2005 (Photo K. Reinsch, Universitäts-Sternwarte Klaus Beuermann: Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte 37

Altphilologen und ständigen Sekretär der Societät (Akademie) der Wissenschaften Christian Gott- lob Heyne2. In Göttingen wurde dieser Vorschlag sehr freundlich aufgenommen3 aber eine Rufer- teilung zögerte sich hinaus. Gauß hatte 1802 Rufe nach Landshut und St. Petersburg erhalten, aber die Bedingungen sagten ihm nicht zu und er fühlte sich auch seinem Mäzen, dem Braun- schweiger Herzog, verpflichtet. Er lehnte die Carl Friedrich Gauß und die ergangenen Rufe ab und es entstand die Idee, Göttinger Sternwarte eine herzogliche Sternwarte in Braunschweig zu errichten. Die französische Invasion von 1803 unterbrach alle diese Aktivitäten und der Krieg von 1806, in dem der Braunschweiger Herzog zu Tode kam, entzog Gauß seine wissenschaftliche Unabhängigkeit und finanzielle Basis. Anfang 1807 erhielt Gauß das bereits mehrfach erneuerte und von Klaus Beuermann, Göttingen verbesserte Angebot aus St. Petersburg und im April 1807 fragte Heyne bei Gauß an4, ob er „Göt- Carl Friedrich Gauß wurde 1807 zum ersten tingen als einen Zufluchtsort betrachten wolle, so lange bis Direktor der neuen Göttinger Sternwarte berufen die schrecklichen und noch mehr Schrecklicheres drohen- und blieb dies nahezu 48 Jahre lang bis zu seinem den Zeiten, die eine reguläre Berufung unmöglich machten, Tode am 23. Februar 1855. Der Bau der „Neuen vorüber sind“. Noch während er sich brieflich mit Sternwarte“ vor dem Geismartor und die Beru- Olbers beriet, erhielt Gauß im August 1807 den fung von Gauß sind eng verknüpft − allerdings endgültigen Ruf nach Göttingen, den er annahm. nicht in der Weise, dass der Bau eine Berufungs- Im November 1807 zog Gauß mit seiner ersten zusage an Gauß wäre. Universität und Regierung Frau Johanna und Sohn Joseph (benannt nach verfolgten vielmehr den Bau bereits ab 1791 Giuseppe Piazzi, dem Entdecker des Planetoiden (Gauß war damals 14 Jahre alt) mit dem Ziel, Ceres) von Braunschweig nach Göttingen um. auch im Fach Astronomie eine wissenschaftlich Als Gauß nach Göttingen kam, war dort als hervorragende Institution zu schaffen und eine hauptamtlicher Astronom bereits Karl Ludwig erstrangige Berufung durchzuführen. Im Jahre Harding, der Entdecker des dritten Planetoiden 1802 schließlich stellte König Georg III. die er- Juno, tätig, der 1805 als a.o. Professor und In- forderlichen Mittel zur Verfügung und 1803 spektor der Sternwarte berufen wurde. Obgleich wurde der Bau begonnen, aber bald durch die die Anstellungsurkunde für Gauß vom 25. Juli französischen Besetzungen unterbrochen und 1807 ihm die Direktion der Sternwarte gemein- verzögert. sam mit Harding übertrug und Harding 1812 auch zum ordentlichen Professor ernannt wurde, 1. Die Berufung von Gauß nach betrachtete Gauß ihn doch eher als einen Gehil- 5 Göttingen fen . Das Verhältnis war anfangs freundlich, später aber − besonders zu Zeiten der Gradver- Mit der Bewilligung der Mittel für den Bau konn- − te die Fakultät auch ernsthaft die Suche nach messung gespannt. Die Schwierigkeiten auf- einem Kandidaten für die Stelle eines ordentli- grund der politischen Verhältnisse und die Enge chen Professors und Direktors der Sternwarte in der alten Göttinger Sternwarte wurden nur aufnehmen. Den Vorschlag Gauß zu berufen durch die Hoffnung auf bessere Zeiten gemildert. unterbreitete der als Astronom bereits berühmte und in wissenschaftlichen Kreisen sehr einfluss- reiche Bremer Arzt Dr. Wilhelm Olbers1 dem Göttinger Historiker Heeren und wohl auch dem 2 Brief von Olbers an Gauß vom 25. Dezember 1802. 3 M. Brendel in „Über die astronomischen Arbeiten von Gauss“, Gauß Werke, Bd. 11,2, S. 21. 4 Brief von Heyne an Gauß vom 12. April 1807. 1 Olbers hat u.a. auch Bessel (1784−1846) zur Astronomie 5 Wilhelm Olbers, sein Leben und seine Werke, Band 2, gebracht und seine Berufung nach Königsberg bewirkt. Briefwechsel zwischen Gauß und Olbers, Nr. 114. 38 Klaus Beuermann: Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte

Abb. 12 Der östliche Wohnflügel der Sternwarte, in dem von 1816 an Ludwig Harding wohnte, während Carl Friedrich Gauß mit seiner Familie den Westflügel bezog (Photo K. Reinsch, Universitäts-Sternwarte).

2. Gauß’ persönliche Lebensverhältnisse in Göttingen Nach einer anfänglichen behelfsmäßigen Unter- Haushalt führte und bis 1839 Gauß’ Mutter kunft wohnte Gauß mit seiner Familie von 1808 pflegte, die aus Braunschweig zur Familie umzog bis 1816 im Eckhaus Kurze Straße/Turmstraße und im hohen Alter von 95 Jahren starb. nur wenige Schritte von der alten Sternwarte in Am 17. September 1816 zog die Familie in der Turmstraße entfernt. In Göttingen wurde den Westflügel der gerade fertiggestellten Stern- 1808 seine Tochter Wilhelmine („Minna“) gebo- warte um. Dieser Bau bot ihm immens verbes- ren, benannt nach ihrem Paten Wilhelm Olbers. serte Arbeitsbedingungen, verbunden auch mit Ein Jahr später starb seine geliebte Frau Johanna der Verantwortung für die instrumentelle Erst- („Hannchen“) nach der Geburt des Sohnes ausstattung – und einen wunderschönen Spiel- Louis, der nach Ludwig Harding benannt wurde. grund für die fünf Kinder. Nur wenige Jahre Louis starb nur wenige Monate später und im später, 1823, erkrankte seine zweite Frau, war ab Vorjahr war bereits Gauß’ Vater in Braunschweig 1826 schwer leidend und starb 1831. Er schrieb gestorben. Freude und qualvolles Leid liegen hier an den Studienfreund Bolyai: „Wie schwer ein sol- dicht beieinander. Im folgenden Jahr 1810 heira- ches Leiden drückt, ... brauche ich Dir nicht zu sagen. tete Gauß Friederika Wilhelmina („Minna“) Wenn ich ihr nun Glück wünschen darf, von den Leiden Waldeck, Tochter des Professors Johann Peter endlich befreit zu sein: so fühle ich mich selbst dagegen Waldeck. Aus dieser Ehe stammen die später in nun so alleinstehend!6“. In dieser Situation suchte er die USA ausgewanderten Söhne Eugen (geb. in der Beschäftigung mit der Kristallographie 1811) und Wilhelm (geb. 1813) sowie die Tochter Therese (geb. 1816), die ihm nach dem Tod sei- ner zweiten Frau 1831 über 25 Jahre hinweg den 6 Nach Horst Michling, Carl Friedrich Gauß, Verlag Göttin- ger Tageblatt, 3. Aufl. S. 116. Klaus Beuermann: Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte 39

Ablenkung7, bis im Herbst 1831 Wilhelm Weber, Richard Dedekind, der als 20-jähriger Student 27-jährig, seinen Dienst als Professor für Physik eine Vorlesung bei Gauß hörte, beschrieb die Fas- in Göttingen antrat und ihn auf andere Gedan- zination, die der damals schon 73-jährige Gauß auf ken brachte. Gauß hatte Weber drei Jahre zuvor ihn ausübte11: „ ... Er sprach ganz frei, sehr deutlich, in Berlin kennen gelernt und dessen Berufung einfach und schlicht; wenn er aber einen neuen Gesichts- nach Göttingen im Frühjahr 1831 bewirkt. Die punkt hervorheben wollte, wobei er ein besonders charak- Geistesverwandtschaft zwischen den altersmäßig teristisches Wort gebrauchte, so erhob er plötzlich den im Vater-Sohn Verhältnis stehenden Persönlich- Kopf, wandte sich zu seinem Nachbarn12 und blickte ihn keiten bestimmte Gauß’ Arbeitsleben bis zu We- während der nachdrücklichen Rede ernst mit seinen schö- bers Amtsenthebung und Weggang aus Göttin- nen, durchdringenden blauen Augen an. Das war unver- gen und leitete Gauß’ magnetische Schaffenspe- gesslich.“ riode ein. Die Aktion König Ernst Augusts gegen die Göttinger Sieben im Jahre 1837 traf neben Weber auch Gauß’ Schwiegersohn Georg Hein- 4. Wissenschaftliche Arbeiten mit Bezug rich Ewald, der 1830 Gauß’ Lieblingstochter Wil- zur Sternwarte helmine („Minna“) geheiratet hatte. Ewald wurde Gauß’ überragende Bedeutung als Mathematiker umgehend nach Tübingen, Weber später nach ist unumstritten. Seine mathematischen Arbeiten Leipzig berufen. Überraschend starb Wilhelmine entstammen sowohl der Braunschweiger als auch in Tübingen bereits 1840 und im gleichen Jahr ver- der Göttinger Zeit. Einige Arbeiten zur nicht- schied mit Wilhelm Olbers sein väterlicher Freund euklidischen Geometrie und zu elliptischen und spiritus rector der frühen Jahre, zwei Ereig- Funktionen entstanden in Göttingen und wurden nisse, die im 63-jährigen Gauß ein Gefühl der erst mit dem Nachlass der Öffentlichkeit zugäng- Einsamkeit erzeugt haben. 1850 starb auch sein lich. Die rein mathematischen Arbeiten sollen Freund und Kollege Schumacher in Hamburg. An hier nicht betrachtet werden. Bolyai schrieb er bereits einige Jahre vorher: „Es ist Gauß’ Arbeiten auf anderen Gebieten sind der Fluch des Altwerdens, dass man diejenigen die uns nicht weniger bedeutend. Obgleich sein Interesse von Jugend her teuer waren, Einen nach dem Anderen zunächst der Mathematik galt, bereitete sich abtreten sieht, und selbst fast einsam zurückbleibt“8. Gauß ab 1802 durch messtechnische Übungen Gauß starb friedlich am 23. Februar 18559. systematisch auf die Übernahme einer Sternwarte vor. Diese Entscheidung fiel einerseits aus der Befürchtung, als reiner Mathematiker in 3. Vorlesungstätigkeit Deutschland (im Gegensatz etwa zu Frankreich) Gauß hat zeitlebens ungern Vorlesungen gehal- keine Anstellung zu finden13. Andererseits ent- ten, da sie seine Gedanken von den wissenschaft- sprach seine Hinwendung zur Astronomie und lichen Problemen ablenkten, in die er sich gerade Physik auch seinen Neigungen, wie viele seiner tief versenkte. Er ist seiner Lehrpflicht aber stets brieflichen Dispute mit Kollegen über die Rele- nachgekommen und die guten Studenten waren vanz und Genauigkeit einzelner Messergebnisse von ihm fasziniert. Seine von einer kleinen Anzahl zeigen. Gauß’ Wirken lässt sich am besten als das von Studenten besuchten Veranstaltungen fanden eines umfassend tätigen mathematisch motivier- vermutlich in dem als „Studierstube“ mit ten Wissenschaftlers beschreiben. a bezeichneten Raum in Abb. 28 und 29 statt10. Astronomie In Göttingen waren die Beobachtungsmöglich- 7 Nach A. Galle, Über die geodätischen Arbeiten von Gauß, Gauß Werke, Bd. 11.2, S. 135. keiten vor Fertigstellung der neuen Sternwarte an 8 Horst Michling, a.a.O., S. 129. 9 Sein Sterbezimmer ist der als „Besuchszimmer“ 11 Zitiert nach Horst Michling, a.a.O., S. 124. gekennzeichnete Raum c in Abb. 29. 12 D.h. dem ihm zunächst in dem sehr kleinen Vortragsraum 10 Die tatsächliche und heute noch gültige Raumaufteilung sitzenden Studenten. weicht hier von Borhecks Plan in Abb. 29 ab, indem Raum a 13 Lagrange und Laplace erhielten die sehr hohen Gehäl- durch die Verlegung des Treppenhauses auf Kosten der ter von fast 8000 Rtlr. pro Jahr, während Gauß in Braun- Gesindestube h vergrößert und wie die in der Abbildung schweig nur 600 Rtlr. plus Logis erhielt. In Göttingen darüber angeordneten Räume b und c geteilt und mit einem wurden ihm zunächst 1000 Rtlr. geboten, Ende 1824 Vorzimmer versehen wurde. Nach Dr. A. Wittmann (Uni- wurde sein Gehalt auf 2500 Rtlr. erhöht. Auch der 1795 versitäts-Sternwarte und Gaußgesellschaft) war Gauß’ Stu- als Student erwogene Gedanke, Philologie zu studieren, dierzimmer, in dem sein Stehpult stand, der als Kammer war vermutlich in Hinblick auf eine spätere Versorgung bezeichnete Raum b in Abb. 29. gefasst (nach M. Brendel, a.a.O.). 40 Klaus Beuermann: Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte der Geismarlandstraße recht beschränkt. Die Gauß anwandte, aber die vielen hundert höheren erste Periode in Göttingen war daher von Arbei- Terme in den Störungen berücksichtigt der Com- ten in Anschluss an seine Bahnberechnung des puter in Sekundenschnelle. Planetoiden Ceres (1801) bestimmt. Die exakte Die erste im Beobachtungsbuch der neuen Beschreibung der Bewegung kleinerer Massen im Sternwarte eingetragene Notiz von Gauß’ Hand Sonnensystem ist ein hochgradig komplexes datiert vom 13. Oktober 1816. Diese Bücher be- Problem. Gauß bestimmte eine Näherungslösung legen, dass Gauß anstrebte, grundsätzliche Beo- für die Bahn der Ceres unter Anwendung der bachtungen vollständig und mit großer Sorgfalt von ihm schon 1794 entwickelten Methode der zu erledigen. Die ersten Messprogramme betra- kleinsten Quadrate, bei der die Bahnparameter fen z.B. die Schiefe der Ekliptik und die Polhöhe optimal an Beobachtungsdaten angepasst werden des Standorts der Sternwarte, letztere auf den konnten. Mit dieser Publikation wurde Gauß Bruchteil einer Bogensekunde genau. Messungen schlagartig berühmt. Es folgte bis 1805 die Un- dieser Genauigkeit sind erforderlich, um z.B. tersuchung der Bahnstörungen der Ceres und der Eigenbewegungen und Entfernungen (Paralla- Pallas durch die großen Planeten, die in seine xen) von Fixsternen zu messen15. Diese hohe umfassende, zunächst auf Deutsch verfasste Genauigkeit wurde vor allem mit dem exzellen- „Theorie der Bewegung der Himmelskörper“ ten im Oktober 1819 aufgestellten Reichenbach- mündete, die 1809 in lateinischer Sprache als schen Meridiankreis erzielt. Nach Beginn der „Theoria motus corporum coelestium etc.“ publi- Hannoverschen Landesvermessung 1820 traten ziert wurde. In Göttingen widmete sich Gauß rein astronomische Beobachtungen stark zurück. Rechnungen zur Störungstheorie vor allem am Die Freude am Beobachten richtete sich zunächst Beispiel der Pallas, die einen immensen Umfang auf die Landesvermessung, später auf den Magne- annahmen14. Mit mehreren veröffentlichten Ar- tismus und erst im Alter wieder auf die Astro- beiten legte er die Grundlagen für die in späteren nomie. 1846 kehrte Gauß noch einmal zu syste- Jahren sehr erfolgreiche Störungstheorie der matischen Untersuchungen früher beobachteter Planetenbahnen. Mit einer allgemeinen Störungs- Fundamentalsterne zurück und beobachtete Pla- theorie wollte sich Gauß um den prestigeträchti- neten, darunter Neptun. Eine Untersuchung der gen, 1804 von der Pariser Académie des Sciences Sonnenfinsternis vom 28. August 1851 ist wohl für eine solche Theorie ausgesetzten Preis be- seine letzte systematische Beobachtung gewesen. werben und Olbers, der Urheber dieses Preisaus- schreibens, erreichte auf Gauß’ Bitte hin sogar Geodäsie eine mehrjährige Verschiebung des Abgabeter- Die Landesvermessung gehörte um 1800 zu den mins, aber das Vorhaben erwies sich als zu um- allgemeinen Aufgaben der Sternwarten. Gauß fangreich und einen Abschluss hatte Gauß beim befasste sich bereits 1796 und 1798 mit mathe- Bezug der neuen Sternwarte nicht erreicht. Die matischen Problemen der Vermessung und ge- nun anstehenden Reisen und Beratungen für wann ab 1802 durch Vermittlung von Zach auf umfangreiche instrumentelle Beschaffungen bei der Seeberger Sternwarte bei Gotha praktische Reichenbach, Fraunhofer, Utzschneider u.a. lie- Erfahrung. In Göttingen machte er als erstes eine ßen ihm für derart aufwendige numerische Azimutbestimmung, seiner Neigung folgend, Rechnungen nicht mehr die erforderliche Muße grundlegende Messverfahren systematisch aus- und Konzentration. Viele Jahre später sah er sich zuprobieren16. Im Winter 1808/9 studierte Hein- nicht mehr in der Lage, den Zahlenwust zu ord- rich Christian Schumacher bei ihm, der später die nen: Am 21. März 1843 schreibt er an Bessel in dänische Landesvermessung durchführte. Als Königsberg „ ...(dies) hat in mir eine Erinnerung Professor in Kopenhagen lud Schumacher Gauß geweckt, die mir immer schmerzhaft ist, nämlich an meine in einem Brief vom 8. Juni 1816 ein, diese Ver- alte Arbeit über die Pallasstörungen. Sie ist seit fast messung vom dänischen Altona (heute Teil von einem Vierteljahrhundert mir so fremd geworden, dass es mir schwer wird, mich selbst in den vorhandenen Papieren 15 Die Messung der ersten Fixsternparallaxe gelang Bessel zu orientieren ...“. Moderne numerische Rechnun- im Jahre 1838. 16 “... Vom Mittelpunkt der Sternwarte gesehen ist das gen erfolgen nach dem gleichen Schema, das Azimuth von Clausberg 220º24'50''. Die direkte Auflösung des Problems beruht auf 3 sphärischen Dreiecken ...”. Brief von Gauß an Olbers, a.a.O., Nr. 207, Nov. 1807. Gemeint 14 Diese Rechnungen umfassen etwa 800000 Ziffern, wobei ist hier eine Marke auf dem Klausberg im NO des heutigen Gauß täglich etwa 3500 Ziffern berechnen konnte. Göttinger Stadtgebiets, 3 km von der Sternwarte entfernt. Klaus Beuermann: Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte 41

Hamburg) aus nach Süden fortzusetzen − ein Gauß hatte die Anregung dazu erhalten, als er Unterfangen, dessen Finanzierung 1820 von den Turm von St. Michaelis in Hamburg von König Georg IV. bewilligt wurde. Die mit Hilfe Lüneburg aus anpeilte und ihn ein die Sonne von Militärpersonal durchgeführte Hannoversche spiegelndes Fenster des Turms störte. Nullpunkt Landesvermessung hat Gauß mit aller verfügba- dieser Landesvermessung war die Position des ren Zeit bis 1825 beschäftigt. Hierzu gehörten Reichenbachschen Meridiankreises in der Göt- neben der umfangreichen Logistik und vielen tinger Sternwarte18. Zur genauen Nord-Süd- beschwerlichen Reisen zur Erkundung geeigneter Ausrichtung des Meridiankreises ließ Gauß nach Messpunkte und zur späteren Durchführung der längeren Verhandlungen zwei von der Sternwarte Messungen auch der Kauf und die Entwicklung aus anpeilbare Meridianzeichen im Norden und des dafür erforderlichen Instrumentariums. Eines Süden in 5 bzw. 12 km Entfernung errichten. Im der wesentlichen Hilfsmittel für die eigentliche Osten konnte Gauß einen Anschluss an die preußi- Vermessung war der von Gauß erfundene Helio- sche, im Süden an die hessische und nach Westen trop17, der es gestattete einen von der Sonne an die niederländische Vermessung sicherstellen. beschienenen entfernten Messpunkt anzupeilen. Ein Problem stellte der Mangel an weithin sichtba-

Abb. 13 Der westliche Vorbereitungsraum L in Abb. 26. Dieser Raum war ursprünglich Vorbereitungsraum für astronomische Beobachtungen und wurde ab 1831 von Gauß für Messungen zum Magnetismus benutzt. Die Ga- lerie mit Zugang über die Wendeltreppe stammen aus dem Umbau 1887/88 (s. auch den Beitrag von R. Förster). Seit ca.1930 ist hier die Bibliothek der Sternwarte untergebracht (Foto K. Reinsch, Universitäts-Sternwarte).

17 Ein überkommenes Exemplar war auf der 10 DM Bank- note abgebildet und ist in der historischen Sammlung des I. Physikalischen Instituts der Fakultät für Physik der Univer- 18 Die Markierung dieses Nullpunktes ist heute noch in der sität Göttingen erhalten. Sternwarte zu besichtigen. 42 Klaus Beuermann: Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte

Abb. 14 Die Sternwarte in Göttingen, gezeichnet von Friedrich Adolf Hornemann, in Stahl gestochen von E. Wagner, gedruckt bei G. Lange in Darmstadt. Links sieht man die Türme der Johanniskirche und das Dach des magnetischen Observatoriums. Das Bild ist der Schrift über die 31. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte 1854 beigefügt und dürfte mit Gauß’ Billigung aufgenommen worden sein (Besitzer K. Beuermann). ren Erhebungen in der Lüneburger Heide dar, der befasst19, ist allerdings erst 1831 durch Weber zu z.T. nur durch das Hauen von Schneisen durch den nachhaltigen und grundlegenden Versuchen an- Wald behoben werden konnte. Die Strapazen die- geregt worden. Auch Begegnungen und die Kor- ser mehrjährigen Unternehmung werden in respondenz mit Alexander von Humboldt20 ha- Gauß’ Briefen anschaulich geschildert. Nach ben dazu beigetragen, dass sich Gauß physikali- Abschluss der Arbeiten nahm Gauß Urlaub, um schen Fragestellungen zuwandte. Aus Gauß’ Brie- seine damals schon kranke Frau Minna zu einem fen geht jedoch hervor, dass er sich bereits 1806 Kuraufenthalt zu begleiten. mit Fragen des Erdmagnetismus befasste und die Eine Fortsetzung der Vermessung auf das ge- Idee einer Entwicklung nach Kugelfunktionen samte Königreich Hannover fand ab 1828 unter schon im Anfang seiner Göttinger Zeit formu- Gauß’ Leitung aber jetzt durch Mitarbeiter und liert hatte21. Für diese Arbeiten wurde in der durch Gauß’ Sohn Joseph statt. Teile der Daten Sternwarte der neben dem westlichen Meridian- hat Gauß jedoch bis 1838 selbst analysiert. Wis- raum liegende Raum L (Abb. 28, heute Biblio- senschaftliche Früchte der Vermessungsarbeit thek) für magnetische Experimente eingerichtet. waren − zumindest im Grundsatz − eine Grad- Um dem störenden Einfluss von Eisenteilen im messung, d.h. eine Messung des Erdradius und Baukörper zu entgehen, ließ er im Jahre 1833 im grundlegende Informationen zur Gestalt der von Garten der Sternwarte ein eisenfreies, als magne- einer Kugel abweichenden Form der Erde. Theo- tisches Observatorium bezeichnetes Holzhaus retische Arbeiten von Gauß zu diesen Themen haben die Geodäsie und die Mathematik nachhal- tig befruchtet. Hierzu gehören die Theorie der 19 Briefe an Olbers aus den Jahren 1803, 1812, 1820, 1829. 20 Gauß stand spätestens ab 1807 mit Alexander von Hum- konformen Abbildungen und die Flächentheorie. boldt in Kontakt. Wilhelm von Humboldt versuchte 1810, ihn nach Berlin zu berufen. Dieser Versuch wurde 1821−25 Magnetismus und Elektrodynamik noch einmal wiederholt. 21 Briefe an Harding (1806), Encke (1839) und Schumacher Gauß hat sich früh mit Fragen des Magnetismus (1842); nach Cl. Schaefer, Gauß Werke, Bd. 11.2, S. 93. Klaus Beuermann: Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte 43 errichten22. Auf dem Lageplan der Sternwarte Optik (Abb. 8 und 19) ist es ganz links im spitzen Win- Als Astronom kam Gauß zwangsläufig durch die kel des Sternwartengrundstücks dargestellt und Unvollkommenheit der damaligen Fernrohre zu ist auch auf dem Hornemannschen Stich zu er- optischen Arbeiten24. Schon um kompetent in kennen (Abb. 14). Die Beobachtungen in diesem Verhandlungen mit den Herstellern optischer In Gebäude dienten vor allem Untersuchungen des strumente wie Repsold, Reichenbach, Fraunho- Erdmagnetfeldes und seiner zeitlichen Verände- fer, Utzschneider treten zu können, war ein de- rungen23. Der Erfolg dieser Messungen führte tailliertes Verständnis der Entstehung optischer zur Gründung des Magnetischen Vereins und zu Abbildungen erforderlich. Repsold in Hamburg erdumspannenden terminlich festgelegten Mes- z.B. erbat mehrfach genaue Angaben über die sungen des Erdfeldes. Bei der Gründung dieses Eigenschaften der zu schleifenden achroma- Vereins spielte Alexander von Humboldt eine tischen Linsen, die Gauß ihm auch lieferte. Nach maßgebliche Rolle. Besonders wichtig war auch der Methode von Gauß berechnete Objektive die Einbeziehung der Royal Society, die 1839 und Okulare wurden später mit großem Erfolg zustimmte in zahlreichen britischen Kolonien hergestellt25. Auch auf Mikroskope wurde seine Messstationen zu errichten. Der Schwerpunkt Methode mit Erfolg angewandt. Unter den ver- der weltweiten magnetischen Forschung lag nun schiedenen Publikationen auf dem Gebiet der in Göttingen. Wesentliche Beiträge von Gauß zu Optik sind besonders seine „Dioptrischen diesem Wissensfeld sind die Absolutmessung der Untersuchungen“ über die Bildentstehung in magnetischen Feldintensität (Flussdichte oder zentrierten Systemen brechender Kugelflächen Induktion), deren Einheit heute den Namen hervorzuheben, die 1840 erschienen. Vorarbei- Gauß trägt, seine „Allgemeinen Lehrsätze“, die ten dazu entstanden aber nachweislich schon allgemeine Theorie des Erdmagnetismus und die in den Anfängen seine Göttinger Zeit oder Untersuchungen zur Potentialtheorie. Auch Gauß’ sogar davor. Untersuchungen zum Elektromagnetismus und das Gauß’ gesammelte Werke auf den Gebieten heute allen Studierenden geläufige Gaußsche Maß- der Mathematik, Astronomie und Physik wurden system gehen auf Arbeiten in der Sternwarte von der ehem. Königlichen Gesellschaft für Wis- zurück. Schließlich wurde 1833 von Gauß und senschaften zu Göttingen in 12 Bänden in den Weber der Telegraph entwickelt, wie die Tafel an Jahren 1863−1929 herausgegeben. Sie sind die der linken Seite der Fassade der Sternwarte ver- Hinterlassenschaft eines genialen Wissen- kündet. Diese Erfindung wurde später von Sie- schaftlers aus 48 Jahren fruchtbarer Arbeit an der mens und Halske genutzt und verbreitet. Sternwarte der Universität Göttingen.

24 Die Inventarverzeichnisse der Sternwarte aus dem 18. und 19. Jahrhundert verzeichnen mehrere Teleskope und 22 Dieses wurde später auf das Gelände des Instituts für Spektrografen, auch namhafter Hersteller, die in den Kom- Geophysik auf dem Hainberg umgesetzt und soll im Rah- mentaren schlichtweg als unbrauchbar eingestuft werden. men der Restaurierung der Sternwarte an seinen ursprüngli- 25 Steinheil berichtet 1860 über ein nach Gauß berechnetes chen Standort zurückgeführt werden. Fernrohrobjektiv u.a.: „Der erste Blick durch das Fernrohr 23 An den Messungen in Göttingen nahmen außer Gauß wird jedem Kenner sagen, dass es von ungewöhnlicher und Weber noch 7 Hilfskräfte und Gauß’ Sohn Wilhelm teil. Schärfe und Farblosigkeit ist.“ 44 Klaus Beuermann: Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte

Abb. 11: Querschnitt durch das Hauptgebäude der Sternwarte für den Umbau 1887/88 Klaus Beuermann: Carl Friedrich Gauß und die Göttinger Sternwarte 45

Abb. 12: Längsschnitt und Dachaufsicht des Hauptgebäudes der Sternwarte für den Umbau 1887/88. Hier sind vor allem die breiteren Meridianspalte und die Fundamente der Meridiankreise zu sehen. Weitere Details sind im Beitrag von Robert Förster beschrieben. 46 Robert Förster: Die Sternwarte zu Göttingen im Wandel der Zeiten

von Gauß zum magnetischen Observatorium bestimmt, das aber durch die zahlreichen Eisen- teile im Institutsgebäude viele Störfaktoren auf- wies. Daher ließ Gauß im Sommer 1833 nach einem Entwurf des Universitätsbaumeisters Prael in der äußersten westlichen Ecke des Grund- stücks ein kleines Gebäude – das so genannte ‚Gauß-Haus‘ – als magnetisches Observatorium Die Sternwarte zu Göttingen im errichten.2 Es hatte zunächst die Form eines Wandel der Zeiten – Umbauten einfachen Rechteckbaus mit schlichtem Risalit, in und Restaurierungen dem der Nachtwächter der Sternwarte unterge- bracht wurde. In der Zeit bis 1888 wurde das ‚Gauß-Haus‘ zur heutigen T-Form umgebaut und vergrößert. Dieses Gebäude, das 1902 auf das Gelände der Geophysik auf den Hainberg umge- setzt wurde,3 besteht aus einer Holz-Fachwerk- von Robert Förster, Göttingen Konstruktion, in der auch die Verbindungsteile wie Nägel und Schrauben aus Messing oder Kup- Die vor den Toren der Stadt Göttingen zwischen fer gefertigt und damit nicht magnetisch sind. 1803 und 1816 erbaute Sternwarte in Form einer Die oben erwähnten Mängel der Sternwarte Dreiflügel-Anlage setzte sich aus dem Instituts- führten zu einem ersten großen Umbau in den gebäude und zwei Wohntrakten zusammen. Der Jahren 1887/88, der von dem Professor Ernst Direktor der Sternwarte Carl Friedrich Gauß Schering seit 1884 zusammen mit dem Landes- bezog den westlichen Flügel, sein Kollege Karl- bauinspektor Kortüm in die Wege geleitet und Ludwig Harding den östlichen Flügel. Die Frei- unter Professor Wilhelm Schur nach dessen flächen um das Gebäude wurden im Westen als Wünschen ausgeführt wurde. Die Oberbaulei- Wandelgarten mit entsprechendem Wegenetz tung hatte der Bauinspektor Breymann. Begon- und im Osten als Nutzgarten angelegt. Das Ge- nen wurde mit dem Abbruch der Dächer über bäude wurde von Süden erschlossen durch eine den Beobachtungsräumen. Durch den Umbau Zufahrt, die im Oval vor der Haupttreppe ange- wurden die Meridianspalte und die Deckenöff- legt war. Der Zugang für Gesinde und Anliefe- nungen auf 88 cm Breite erweitert. Die Seitenli- rungen erfolgte über einen mit Muschelkalk ge- nien der Meridianspalte wurden mit senkrechten pflasterten Weg auf der Nordseite, der zum In- Rollläden versehen, die sich nach unten aufroll- nenhof führte. Dieser wurde als Wirtschaftshof ten, um nicht für jede Beobachtung den ganzen mit Brunnen und Abfalldeponie genutzt. Da die Spalt öffnen zu müssen. Im übrigen war es der Sicht aus den Meridianspalten nicht verstellt Wunsch von Professor Schur, möglichst „zug- werden durfte, bestand ein Bebauungsverbot für frei“ arbeiten zu können.4 Die Rollläden wurden die Flächen rund um das Gelände der Sternwarte. aus Holz hergestellt, um bei magnetischen Beo- Schon Gauß war mit den Nutzungsmöglich- bachtungen „Einflüsse der senkrechten Eisen- keiten der Sternwarte alles andere als zufrieden.1 massen“5 auszuschließen. Die Öffnungen im Die obere Kuppel ließ sich kaum öffnen und Dach wurden nicht wie bisher mit Klappen ge- wies nur kleine Klappen auf, die einzeln geöffnet schlossen, die mit entsprechenden Gegengewich- werden mussten und nur eine kurze Beobach- ten nach oben aufschlugen, sondern mit einfa- tungszeit der einzelnen Sterne erlaubte. Zudem chen waagerechten Schiebeplatten. Es bestand so bot sie keine Möglichkeit für die Aufstellung die Möglichkeit, nur die eine Hälfte des Dachs zu größerer Instrumente. Auch die Meridianzimmer wiesen Mängel auf, da die Spalte zu eng angelegt waren. Der westliche Vorbereitungsraum wurde 2 Universitätsarchiv Göttingen, Kur 4Vf 48. 3 Vgl. den Brief des Baurats Breymann an den Direktor der 1 Hierzu und zum folgenden: Wever, Umbau der Sternwarte Sternwarte Schur vom 27. Februar 1902 (SUB Göttingen, zu Göttingen. In: Zeitschrift des Architektur- und Ingeni- Ms. Cod. Sternwarte Nr. 9), in dem die Umsetzung des eurvereins zu Hannover 2, 1893, Sp. 157–164, Zeichnungen ‚Gauß-Hauses’ im März 1902 angekündigt wird. Blatt 6–8. Schriftverkehr zu den Baumaßnahmen an der 4 Wever (wie Anm. 1), S. 157. Sternwarte im Bestand SUB Göttingen, Ms. Cod. Sternwar- 5 Vgl. SUB Göttingen, Ms. Cod. Sternwarte Nr. 9 (Schrei- te, hier bes. Nr. 5–10. ben vom 12. 9. 1887). Robert Förster: Die Sternwarte zu Göttingen im Wandel der Zeiten 47

öffnen. Die hölzernen Schiebeplatten konnten mit hergestellt. Die beiden Treppenläufe führen zu ei- Hilfe von Zahnstangen, Zahnrädern, Wellen und nem Podest vor der Eingangstür, das auch als Stell- Kurbeln vom Meridiansaal aus bedient werden und fläche für optische Geräte diente. Diverse heute wurden quer zu den Meridianspalten verschoben. noch im Sandstein befindliche Markierungen dienten Der Raum über dem unteren Gewölbe musste früher zur richtigen Positionierung der Geräte. aus statischen Gründen von dem bei der Erbau- Die astronomischen Beobachtungen fanden ung eingebrachten Bauschutt befreit werden, da seit 1933 nicht mehr in der Sternwarte statt. dieser in den tragenden Säulen des Gewölbes Hierzu diente nun ein Gebäude auf dem Hain- Risse verursacht hatte. Ursprünglich sollte dieser berg, das bessere Arbeitsbedingungen bot. Auch Einschub von Masse dazu dienen, die Instrumen- ein Sonnenlabor wurde 1944 auf dem Hainberg te möglichst erschütterungsfrei benutzen zu kön- erstellt. Das Innere der Sternwarte wurde in der nen. Anstelle der alten, kaum drehbaren Kuppel Folgezeit für die Bedürfnisse neuer Nutzungen wurde eine neue installiert, die leicht von einer umgebaut. Im Jahr 1926 wurde der östliche Me- Person gedreht werden konnte. Offensichtlich ridiansaal aufgelassen und man baute eine Zwi- hatte man bei der Ausschreibung der neuen Kuppel schendecke sowie Trennwände ein, um im Ober- die Bedachung vergessen, so dass die damalige geschoss die benötigten Büroräume zu schaffen Bauverwaltung nachbessern musste. Es wurde eine und im Erdgeschoss den heute noch vorhande- Zinkblecheindeckung gewählt, die als Leistendach nen Hörsaal einzurichten.7 Im gleichen Jahr wur- ausgeführt wurde (Vorläuferkonstruktion zur heuti- den die bis heute erhaltenen Türen mit den gro- gen Stehfalzdeckung). Die Dichtigkeit dieser Ein- ßen Glaseinsätzen an den vier Ausgängen des deckung wurde besonders lobend erwähnt. unteren Kuppelraums eingesetzt. Die Bibliothek Das magnetische Observatorium wurde zu- wurde vom östlichen Vorbereitungssaal in den nächst wieder in den westlichen Vorbereitungs- westlichen Vorbereitungssaal verlegt und die raum verlegt, der mit der noch heute vorhande- hölzerne Galerie zu diesem Zweck mit Regalen nen Galerie und der ebenfalls noch vorhandenen ausgestattet. Erst im Jahr 1932 ist der westliche Wendeltreppe ausgerüstet wurde, um Drähte für Meridiansaal umgebaut worden, zunächst aber kleine herabhängende Magnete durch den Raum nur unter Schaffung von vier Arbeitsräumen im spannen zu können – allerdings mit dem Ver- Erdgeschoss mit einer Zwischendecke. Der Ein- merk „vorläufig“, da man bereits einen Neubau bau einer zweiten Zwischendecke zur Einrich- des Observatoriums plante.6 In diesem Raum tung von Arbeitsräumen im ersten und zweiten wurde ebenso wie im ‚Gauß-Haus’ der Einbau Obergeschoss fand erst 1937 statt. Im Zuge die- von Eisen vermieden, stattdessen verwendete ser Baumaßnahmen wurden die Meridianspalte man auch hier Verbindungsteile aus Kupfer oder geschlossen. Die äußere Gestalt des Gebäudes Messing. Der westliche Vorbereitungsraum wur- blieb bis auf die Eingriffe von 1887/88 weiterhin de später zur Bibliothek umgestaltet. unverändert. Ende des 20. Jahrhunderts wiesen In den Meridiansälen standen die Pfeiler, die als Putz und Sandsteinoberflächen jedoch so große Fundamente der Instrumente dienten, frei von Schäden auf, dass im Jahr 1993 eine Maßnahme anderen Bauteilen einen Meter tief im Erdreich, so zur Fassadensanierung angemeldet werden muss- dass Erschütterungen nicht übertragen werden te. Die Putzflächen waren hohl und fielen an konnten. Im westlichen Meridiansaal wurden her- etlichen Stellen ab, auch der Sandstein zeigte ausnehmbare Fußbodendielen (Fußbodenklappen) deutliche Auflösungserscheinungen, die schon eingebaut, unter denen Sandsteinschwellen zur einige Zentimeter tief in die Oberfläche hinein- zeitweisen Aufnahme von Quecksilberspiegeln reichten. Besonders marode waren der Sockel, (Messung von reflektierten Sternbildern) lagen. Um die Eckquader und die Guttae der Fassade. einen möglichst schnellen Ausgleich der Tempera- Die Fassadensanierung erfolgte nach vorlie- turen zwischen der Innentemperatur der Meridian- genden Befunduntersuchungen und wurde fach- säle und der Außentemperatur zu erzielen, wurden gerecht mit Vierungen und Antragungen ausge- über den Fenstern dicht unter dem Dach kleine führt. Etliche Muster-Sandsteine wurden zur Jalousiefenster angelegt. farblichen Klassifizierung und zur Festigkeitsbe- Im Wirtschaftshof wurde zum Hauptgebäude stimmung vorgelegt. eine neue von zwei Seiten begehbare Freitreppe 7 Hierzu und zum folgenden SUB Göttingen, Cod. Ms. 6 Wever (wie Anm. 1), S. 160. Sternwarte, Nr. 7. 48 Robert Förster: Die Sternwarte zu Göttingen im Wandel der Zeiten

Abb. 17: Das gusseiserne Gitter der Terrassenumzäunung aus dem Jahre 1816 (Photo R. Förster)

Abb. 18: Freilegung früherer Ausmalungen des Kuppelraumes im Erdgeschoss des Hauptgebäudes (Photo R. Förster). Robert Förster: Die Sternwarte zu Göttingen im Wandel der Zeiten 49

Die Guttae oberhalb und unterhalb der Tri- der die Möglichkeit bot, schwere Instrumente ins glyphen mussten zum Teil komplett erneuert Freie zu schieben. Zum Originalbestand gehört werden. Die Befunduntersuchungen sorgten an auch ein noch völlig intaktes Entwässerungssys- manchen Bauteilen für Überraschungen, so wur- tem des Regenwassers als Sandsteingerinne mit de festgestellt, dass die weißen Fenster in der Abdeckplatten, das während der Sanierungsarbei- Erstfassung grün gestrichen waren und dass die ten entdeckt wurde. Es verläuft nur im Bereich großen Institutsfenster wie auch einige Eingangs- der Terrasse bis zur Terrassenmauer, danach türen noch aus der Bauzeit stammen und damit floss das Regenwasser über den Muschelkalkweg zum Originalbestand aus der Zeit von Gauß der Nebeneinfahrt. gehören. Auch das Geländer der Terrassenein- Im Anschluss an die Fassadensanierung sollte friedung ist noch ein Originalbauteil aus der Bau- eine Innensanierung der Sternwarte erfolgen, die zeit von 1803 bis 1816. Bei Freilegungsarbeiten aber bis heute aus Kostengründen immer wieder an den Sockelquadern der Südseite des Gebäudes verschoben wurde. Die Vorbereitungen dazu, wurde unter der rechten Säule, der den Hauptein- Farbfindung im unteren Kuppelsaal und Farb- gang rahmenden Säulen, eine profilierte Sockel- findung im Observatorium wurden aber noch platte in etwa einem Meter Tiefe gefunden. Da durchgeführt und erbrachten erstaunliche Ergeb- die fertig gestellten Kanneluren der Säule bis auf nisse. Im unteren Kuppelsaal sind noch alle frü- die Sockelplatte herunter führen, könnte dieses heren Farbfassungen erhalten. Der Untergrund auf eine Planungsänderung während der Bauzeit aus der Bauzeit von 1816 zeigt im Kuppelbereich schließen lassen. Dabei hätte man von den ur- einen ocker getönten Kalksandputz, auf dem eine sprünglich vorgesehenen Säulenfüßen und Stufen Schablonenmalerei mit floraler Ornamentik in Abstand genommen, um auch am Haupteingang Kalk-Kasein-Farben erkennbar ist. An den Wän- einen stufenloser Übergang zu schaffen, den unterhalb der Profilstuckleiste beginnt die

Abb. 19: Lageplan der Universitäts-Sternwarte Göttingen. Schraffiert gezeichnet sind auf dem Sternwartengelände das 1963 errichtete Büro- und Werkstattgebäude, das Gartenlabor, das Hausmeisterhaus mit Garage sowie das höl- zerne und eisenfreie magnetische Observatorium, das Gauß 1833 errichten ließ. Dieses „Gaußhaus“ wird im Beitrag von Robert Förster beschrieben und befindet sich heute auf dem Grundstück des Geophysikalischen Instituts auf dem Hainberg. Das unbebaute städtische Grundstück, das nördlich der Sternwarte die Verbindung zur Keplerstraße herstellt, soll parkmäßig gestaltet werden und den Blick auf die Sternwarte freigeben. Im 19. Jahrhundert war eine Bepflanzung und Bebauung nicht zugelassen, um eine Behinderung der Beobachtungen zu vermeiden. 50 Robert Förster: Die Sternwarte zu Göttingen im Wandel der Zeiten

Erstfassung mit einem mehrfarbigen Fries, da- Kuppelraum erhält gemäß der Farbfindung den runter in direktem Anschluss zwei rote Bänder. Anstrich der Erstfassung. Im Kuppelbereich ist Es schließt sich eine für den Klassizismus typi- geplant, die Schablonenmalerei mit floraler Or- sche Kassettenaufteilung an. Die Kassetten sind namentik in Kalk-Kasein-Farben wieder anzu- in zwei Rotstufen angelegt und an den Außen- bringen, die Wände erhalten unterhalb der Profil- rändern mit schwarzen Linien als Rahmenillusion stuckleiste den ursprünglichen mehrfarbigen Fries versehen. Der Schlusssockel ist als Marmorillusi- und darunter eine gemalte Kassettenaufteilung im on in warmen Brauntönen (Terra di Siena natur) Stil des Klassizismus, die ebenfalls zum Originalbe- gefasst. Erstaunlich gut ist die dritte Fassung im fund gehört. Die darunter liegenden Altfassungen Kuppelbereich erhalten. Sie zeigt zwischen flora- werden fixiert und bleiben somit späteren Gene- len Elementen zwölf Wappenschilde mit den rationen erhalten. Das eigentliche Observatorium Symbolen der Sternzeichen in warmen Braun- wird ebenfalls nach Befund restauriert. Hier sind Umbratönen vor rauchig-blauem Hintergrund. besonders die Linoleumplatten zu restaurieren und Im Observatorium findet sich in der Kuppel zu ergänzen. Die ehemaligen Wohngebäude von noch ein musterbeschichteter Linoleumbehang Gauß und Harding werden nach Auszug der Ast- aus dem Jahr 1888, der zum einen zur Lichtab- rophysiker einem neuen Nutzer übergeben und sorption diente und zum anderen das Abtropfen erhalten lediglich eine Renovierung. des Schwitzwassers von den Eisenteilen verhin- Die Freiflächen werden, soweit möglich, in dern sollte. Der Befund der ehemaligen Meridi- die Sanierung bzw. den Rückbau einbezogen. So ansäle zeigt auf rötlichem Kalksandsteinputz eine ist geplant, im westlichen Garten das so genannte monochrome umbra-graue Kalk-Kasein-Schicht ‚Gauß-Haus‘ (Magnetisches Observatorium) vom als erste Fassung. Unter dem Kalksandsteinputz Hainberg wieder an seinen ursprünglichen Platz befindet sich ein Natursteinmauerwerk, auf dem zurück zu versetzen und das alte Wegenetz des Reste eines weißen Kalkputzes zu erkennen sind. Gartens wieder anzulegen. Der Weg und der Wirt- Für das Gauß-Jahr 2005 ist die lange erwartete schaftshof auf der Nordseite sollen vom Asphalt Innensanierung vorgesehen, und dies in einem befreit und das Muschelkalkpflaster falls nötig er- deutlich größeren Umfang als bisher geplant. Das gänzt werden. Die hier vorhandenen Parkplätze Institutsgebäude soll in den historischen Zustand sollen auf die Ostseite hinter das Werkstatt- zurückversetzt werden. Das bedeutet, dass die gebäude umgesetzt werden. In die historische völlig verbauten Meridiansäle komplett entkernt Gestaltung des Wirtschaftshofes soll das im Be- und die eingebauten Decken und Trennwände sitz der Stadt Göttingen befindliche, immer noch wieder ausgebaut werden. Wandbeschichtung unbebaute Grundstück nördlich vom Wirt- und Fußboden sollen nach Befund wiederherge- schaftshof einbezogen werden. Es soll hier eine stellt und der geodätische Nullpunkt – abgedeckt visuelle Öffnung der Sternwarte nach Norden durch eine Glasplatte – für den Betrachter zu- mit Bezug auf die Meridianschlitze erfolgen. Die gänglich gemacht werden. Ebenso soll mit dem ehemalige Hauptzufahrt im Süden der Anlage, in ehemaligen östlichen Vorbereitungsraum, der der durch ein gepflastertes Rondell die alte Um- früher teilweise auch als Bibliothek genutzt wur- fahrt nachgebildet ist, soll nur überarbeitet wer- de, verfahren werden. Der westliche Vorberei- den. Die Wiederherstellung des östlichen Gartens tungsraum, heute noch als Bibliothek genutzt, ver- (Obst- und Gemüsegarten) kann heute nicht bleibt allerdings in seiner derzeitigen Gestalt. Die mehr in die Planung eingebunden werden, da eingebauten Bücherregale nebst Umgang und sich hier einige neuere Nebengebäude (Werkstatt, Wendeltreppe stammen noch aus dem 19. Jahr- Labor usw.) befinden, die erhalten bleiben und hundert und sollen erhalten werden. Der untere einer Nachnutzung zugeführt werden sollen.

Abb. 20: Faksimile des Titelblatts des Borheckschen Manuskripts von 1805. An den für eine Vignette reservierten Platz hat Borheck nachträglich das kolorierte Stammbuchblatt von Besemann aus dem Jahre 1814 eingeklebt, das den Rohbau der Sternwarte zeigt. Robert Förster: Die Sternwarte zu Göttingen im Wandel der Zeiten 51 52 Robert Förster: Die Sternwarte zu Göttingen im Wandel der Zeiten

Abb. 21: Faksimile der ersten drei Absätze des 135 Seiten langen Manuskripts von Georg Heinrich Borheck. Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 53

zwei berühmter Astronomen, des Freyherrn von Zach und des Hr. Justizraths Schröter die Plane zu der hiesigen neuen Sternwarte zu entwerfen, welche ich Kennern um so unbesorgter als Mus- ter empfehlen darf, da dieselben vor der Ausfüh- rung des Baues, der sorgfältigste Prüfung der beiden großen Astronomen, vorgelegt sind. Nach dieser, von Sr. Königlich Großbritanni- Vorrede schen Majestät allergnädigst genehmigten Planen, wurde im Frühjahr 1803 der Anfang mit diesem wichtigen Bau gemacht. Leider traf aber in die- sem Jahr die Hannöverischen Lande das harte Schicksahl, von einem französischen Kriegesheer Das Gebieth der bürgerlichen Baukunst ist von in Besitz genommen zu werden, welches die deutschen Baumeistern in ihren mannigfaltigen Folge hatte, daß alle Königliche Bauten einge- Zweigen, von der Bauernhütte an, bis zu stellt wurden; unter welchen eigentlich auch die- Fürsten-Palästen hinauf, reichlich bearbeitet, ser, vor wenig Monaten angefangene Sternwar- aber noch keiner hat es unternommen, durch tenbau, begriffen war. Da indessen die Fürsten- eine Anleitung über die zweckmäßige Anlage thümer Grubenhagen und Göttingen anfänglich und innere Einrichtung der Sternwarten, eine, unbesetzt blieben, und man als wahrscheinlich in neueren Zeiten sehr fühlbar gewordene annahm, daß dieser Zustand nicht von langer Lücke, auszufüllen. Dauer seyn würde: so erhielt ich durch privat In älteren Zeiten, wo man noch nicht die Briefe die Anweisung, die angefangenen Arbeiten großen Vortheile Mauerfester Instrumente kann- des Sternwartenbaues, vorerst nicht zu unterbre- te, bauete man Sternwarten in großen volkrei- chen. Demnach wurde nicht nur im Nachsom- chen Städten; und, um da eine freie Aussicht zu mer 1803, sondern auch im folgenden Jahr der gewinnen, mußte man sich nothwendig über die Bau fortgesetzt, und bis zu Terrassenhöhe, oder Dächer der umgebenden Häuser erheben: und 6 Fuß hoch über der Erde, aufgeführt. auf diese Art entstanden die Observations- Während dieser Bauzeit, und besonders in Thürme in Paris, in Wien, Berlin, Mannheim, den Wintermonaten, bearbeitete ich diese Ab- Petersburg, Copenhagen u.s.w. Daß man aber in handlung, und habe dabei, um im Vortrage eine den neuesten Zeiten, wo die Engländer, und gewisse Ordnung zu beobachten, das Ganze in zunächst diesen, der Freyherr von Zach, das drei Abschnitte getheilt, und astronomische Publikum über die zweckmäßigste im ersten gezeigt, worauf bei der Wahl eines Bauart der Sternwarten augenscheinlich belehrt Bauplatzes zu einer neuen Sternwarte vorzüg- haben, noch auf Thürmen dergleichen Anlagen lich Bedacht genommen werden müsse, wenn macht, wie vor wenig Jahren zu Leipzig auf dem sie den Zwecken der neueren Astronomie hohen Thurm der Pleisenburg geschehen ist: das entsprechen soll, ist kaum zu entschuldigen. der zweite Abschnitt ist der Anlage und inne- Bei solchen Thurmförmigen Sternwarten, ren Einrichtung, und laßen sich keine bestimmte architektonische Re- der dritte der Ausführung des Baues, gewidmet. geln abstrahieren; weil alles den Lokalumständen Die lehrreichen Bemerkungen des Freyherrn angepaßt werden muß: selbst der um die Bau- von Zach über die Nachtheile der Observations- kunst so verdiente Dr. Stieglitz, hat in seiner Thürme, und über die astronomischen Bestim- Encyclopädie der bürgerlichen Baukunst, aus mungen in wie fern bei der Wahl eines Bauplat- Mangel an Hülfsquellen, nur wenige allgemeine zes, auf einen freien Horizont gesehen werden Regeln über den Bau neuer Sternwarten geben müsse, können für alle Anlagen dieser Art, als können, sondern sich vorzüglich mit einer ge- allgemeine Regeln angenommen, und nach der nauen Beschreibung der Seeberger Sternwarte, größeren und kleineren Polhöhe eines Orts, mo- begnügen müssen. Auch ich würde mich nicht an dificirt werden. einen so delikaten Gegenstand gewagt haben, Nicht weniger wichtig sind die Betrach- wenn ich nicht das seltene Glück gehabt hätte, tungen im zweiten Abschnitt über die ver- unter der mündlichen und schriftlichen Leitung schiedenen Instrumente, welche eine voll- Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 55

[Bild nur Stand. Original einziehen und auf DINA3 Faltseite quer einziehen]

Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 57

Stadt selbst, oder, wo dieses wegen des Lokale Schwierigkeiten findet, doch bei derselben, so nahe liegen müsse, daß sie, als in Verbindung mit den übrigen Anstalten stehend, angesehen wer- Erster Abschnitt den könne. Bei keinem Gebäude kömmt es auf einen von Natur festen Boden, so sehr an, als bei einer Von der Wahl eines zweckmäßigen Sternwarte, um für den festen unerschütterlichen Bauplatzes für eine neue Sternwarte. Stand der fixen Instrumente gesichert zu seyn. Es muß also hierauf das Augenmerk zuerst gerichtet werden, und neben diesem, nicht so wohl auf eine, in alle Himmelsgegenden durchaus freie, Eine Sternwarte ist ein Gebäude in welchem so sondern nur auf eine, nach den Lokalumständen wohl absolute als detachirte Beobachtungen nach möglich freie Aussicht, und vorzüglich mit auf allen Himmelsgegenden angestellt werden. Es eine bequeme Lage, gesehen werden; damit nicht muß also jede Sternwarte eine solche Lage erhal- nur der angestellte Lehrer, sondern auch die mit ten, daß der Horizont ganz frei bleibe, damit der ihn in Verbindung stehenden und sich übenden Beobachter mit den astronomischen Werkzeu- Wißbegierigen, so viel es ihre Zeit gestattet, zu gen, das ganze Himmelsgewölbe, übersehen jeder Stunde, mit der möglichst größten Bequem- könne. Diese Grundregel leidet aber in einige lichkeit, die Sternwarte benutzen können. Wie Ausnahmen. Bekanntlich werden Sternwarten schwer es aber falle, in Städten selbst, diese mä- nur selten in beträchtlichen Entfernungen von ßigen Bedingungen zu erfüllen, beweisen die Städten errichtet; und da ist das Lokal nicht im- vielen Thurmförmigen Sternwarten, von deren mer von der Beschaffenheit, daß eine nach allen Unbrauchbarkeit für die jetzige verfeinerte Ast- Weltgegenden unbeschränkte Aussicht zu erhal- ronomie, jeder ächte Astronom überzeugt ist. ten wäre. Nur in gebirgigten Gegenden wird es Allein, es kann, sagt der Freyherr von Zach, möglich, diesen Gebäuden einen solchen Stand- „gebieterische Umstände geben, welche aus gewissen Rück- punkt anzuweisen, daß dem Beobachter ein nach sichten, oder aus Oekonomie, wo man schon vorhandene allen Seiten freier Horizont zu Gebote steht, alte Gebäude benutzen will, eine solche Bauart rechtferti- wenn sich anders eine solche Lage mit dem be- gen können; vorzuziehen wird sie nie seyn, wo man freie absichtigten Zweck vereinbaren läßt. So konnte Wahl hat, und da, wo sie gedrängt war, wird man immer z.B. für Gotha, wo der Herzog und die Herzogin Ursache es zu beklagen haben: denn die Erfahrung lehrt, sich mit der Astronomie als Lieblingswissen- daß Sternwarten, welche das Schicksal haben, auf hohe schaft beschäftigen, der Sternwarte keine vor- Gebäude verlegt zu werden, oft den schönsten und wich- theilhaftere Lage in Rücksicht des überall freien tigsten Vortheilen der praktischen Sternkunde entsagen, Horizonts gegeben werden, als auf dem, von und sie ganz und gar entbehren müssen. Auf einigen kön- dem Freyherrn von Zach gewählten Seeberge. nen so gar die Haupt-Instrumente nicht aufgestellt und be- Hier wohnt der Astronom gleichsam mitten in nutzt werden. So konnte z.B. ein fürtrefliches Ramsden- seinem Element, entfernt von allen Geräusch der sches Passagen-Instrument, das nothwendigste Werkzeug Stadt, und gesichert gegen Ueberlauf unberufener in einer guten Sternwarte, viele Jahre lang auf der Mann- und neugieriger Müssiggänger. heimer Sternwarte nicht gebraucht werden, weil eine Auf- Ganz andere Rücksichten treten bei einer stellung in dem Thurm schlechterdings unmöglich war; es akademischen Sternwarte ein. Diese muß der mußte also ein besonderes Nebengebäude dazu aufgeführt Regel nach zugleich eine Lehranstalt mit sich werden. Der schöne Birdische Mauerquadrant derselben vereinigen, durch welche Studierende so wohl Sternwarte, hängt im obersten Stockwerke des Gebäudes, theoretischen als praktischen Unterricht in astro- an einer so wandelbaren Mauer, daß nach Aussage der nomischen Wissenschaften erhalten sollen; ein dortigen Astronomen, dieses fest seyn sollende Werkzeug, Zweck, der nur sehr unvollkommen würde erreicht immerwährenden Veränderungen unterworfen ist, und das werden, wenn die Sternwarte von den übrigen aka- Instrument einer fortdauernden Berichtigung bedarf, demischen Lehranstalten beträchtlich entfernt wäre. welche dessen Gebrauch höchst unzuverlässig macht. Es muß also als Grundsatz angenommen Zu Petersburg lag ein prächtiger 8füssiger englischer werden: daß eine academische Sternwarte in der Mauerquadrant 30 Jahre lang in seiner Kiste ungenutzt, 58 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten weil man dieses schwere Werkzeug nicht 120 Stuffen Sternwarte allerdings am unrechten Orte stehen. Wenn hoch, im vierten Stockwerk der Sternwarte aufstellen aber an einem Orte der sichtbare Horizont in einer sol- wollte. Der Astronom Henry wagte es jedoch; allein Euler chen Entfernung von einem Kettengebirge begränzt wird, fand sehr bald, daß dieses Mauerfeste Instrument, so wie daß davon nicht mehr als ein Raum von 4 bis 5 Graden es aufgestellt ist, nicht mehr Dienste leiste, als ein gewöhn- am Himmel bedeckt wird, so ist ein solcher Ort deshalb licher beweglicher Quadrant. nicht minder geschickt, der Standpunkt einer Sternwarte Auf der Berliner Sternwarte, konnte man kein zu werden. Dem Astronomen sind nicht alle Theile des Passagen-Instrument aufstellen, welches den ununterbro- Himmels, nicht alle Punkte des Horizonts gleich wichtig; chenen Meridian, vom südlichen bis zum nördlichen Ho- und da die Meinung allgemein ist, daß der Astronom rizont, beschrieben hätte; man mußte daher, um den unumgänglich über einen ganz freien irdischen Horizont nördlichen Himmel zu gewinnen, statt einem, zwei solche herrschen müsse, so will ich mich hierüber etwas näher Mittags-Fernröhre aufstellen. Allein einer der schönsten und kunstmässig erklären. Vortheile geht nun dabei verlohren, nämlich, sich der Der wichtigste und vorzüglichste Theil des gestirnten Lage des Fernrohrs bei Durchgängen hellerer Sterne, über Himmels, auf welchen ein praktischer Astronom zuerst und unter dem Pole, zu versichern. zu sehen hat, ist jener der Mittagsfläche. In dieser muß er, Es müssen daher alle Sternwarten, welche auf Thür- bis auf einen gewissen Punkt, freie und ungehinderte men oder hohen Gebäuden angelegt sind, nicht nur grosse Aussicht haben, weil in dieser Richtung die wichtigsten, und wichtige Vortheile entbehren, sondern auch die Fes- die vornehmsten, und für den Fortgang, und zur Vervoll- tigkeit und Sicherheit der Werkzeuge leidet dadurch sehr. kommnung der Wissenschaft am meisten geeigneten Beob- Die Franzosen haben daher ihren prächtigen Thurm in achtungen gemacht werden. Die astronomischen Werkzeu- Paris, oder das eigentliche Observatorium lieber ganz ge, welche dazu gebraucht werden, sind die eigentlichen verlassen, und kleine Nebengebäude zu ebener Erde an- Meß-Instrumente, oder die fixen Mauerfesten Werkzeuge, zubauen, vorgezogen; wo jetzt die Instrumente aufgestellt welche man nicht solide und behutsam genug aufstellen sind, und alle Beobachtungen gemacht werden. Alles die- kann. Es muß also von Seiten des Baumeisters dafür ses dient zum Beweise, mit welcher Behutsamkeit und Ue- gesorgt werden, daß diese Werkzeuge einen festen und berlegung bei der Wahl eines Bauplatzes müsse verfahren unwandelbaren Grund und Stand erhalten. Der Astro- werden, um ähnlichen Nachtheilen und Fehlern auszu- nom sorgt aber dafür, daß er in dieser Fläche vom Süd- weichen, welche in der Folge unabänderlich seyn würden.“ punkte bis zum Nordpunkte des Horizonts, eine freie und ungehinderte Aussicht insonderheit für das sogenann- Für Göttingen trat ebenfalls der schwierige Fall te Passagen-Instrument, erhalte. Es ist aber, wie schon ein, in der Stadt eine schickliche Stelle, für eine oben erwähnt worden, nicht durchaus nothwendig daß der den jetzigen astronomischen Bedürfnissen ange- irdische Horizont einer Sternwarte so rein abgeschnitten messene Sternwarte, aufzufinden; und man wür- sey, wie ein See-Horizont. Gebirge können daher noch de sich der absoluten Nothwendigkeit haben einen beträchtlichen Theil des Himmels bedecken, ohne fügen müssen, ein Gebäude mit einem beträcht- daß hieraus der allergeringste Nachtheil für das vollkom- lich hohen Unterbau aufzuführen, um nur eini- menste Bedürfnis einer Sternwarte erwachse. Es kömt germassen eine freie Aussicht nach Osten Süden demnach blos hierauf an zu bestimmen, in welcher Höhe und Westen zu gewinnen, wenn sich nicht ein vom Horizont, unsere Beobachtungen beginnen nothwen- zweckmässiger Platz nahe vor dem südlichen dig und brauchbar zu werden. Thore gefunden hätte, der die Anlage einer Bei Meridian-Instrumenten haben meines Erachtens Sternwarte nach der neuesten Art, d.h. wo die nur zwei Nothwendigkeiten dieser Art statt. Die erste ist, Instrumente zu ebener Erde aufgestellt sind, wie daß man mit diesen Werkzeugen, alle planetarische Him- zu Oxford und Seeberg, erbauet werden konnte. melskörper, zu allen Jahreszeiten und in jeder Lage ihrer Ueber die astronomischen Rücksichten bei Bahnen, ungehindert muß erreichen und beobachten kön- der Wahl eines Bauplatzes, in Beziehung auf die nen. Die zweite, daß man diejenigen Fixsterne, welche im Göttinger Sternwarte, bemerkt der Freyherr von Zenith des Beobachtungs-Orts culminiren, noch ungehin- Zach folgendes: dert in ihrer Mediation unter dem Pole beobachten könne. „Es ist ein ziemlich allgemein herrschender Wahn bei Die erste Nothwendigkeit leuchtet von selbst ein, weil Anlegung von Sternwarten, daß man auf solchen eine natürlich der ganz einfache Zweck der praktischen Stern- ganz unbeschränkte Aussicht über das ganze Gebiet des kunde ist, den Lauf der Planeten zu beobachten, um Horizonts haben müsse; und daß ein mit Bergen umgebe- dadurch ihre Theorien und Tafeln nach und nach zu ner Ort, minder geschickt zu einer solchen Anlage sey. verbessern. Da die wichtigsten und bedeutendsten Beob- Im Hochgebirge, oder in einem Schweizerthale, würde eine achtungen, welche in gewisse Punkte der planetarischen Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 59

Bahnen fallen, auch auf alle mögliche Punkte des südli- größte Breite wohl auf 19 bis 20 Grade sich belaufen. chen Mittagskreises fallen können, so ist begreiflich und Wir wollen zu grösserer Sicherheit 22 Grade annehmen; natürlich, daß dieser auch allenthalben frei seyn müsse. so wird dieser Planet bei einer solchen südlichen Breite, in Die zweite Nothwendigkeit, daß man Fixsterne über Göttingen schon unter dem Horizonte durch den Meridi- und unter dem Weltpole bei ihrer Culmination soll beo- an gehen, und daher gar nicht mehr sichtbar seyn: aber bachten können, betrifft das Passagen-Instrument allein. auch schon wegen der Schwäche des Lichts, womit dieser Dies ist das einzige, sicherste und einfachste Mittel, sich kleine Planet glänzt, würde er auch in einer Höhe von der so schwierigen Berichtigung und wahren Lage einer 8 bis 10 Graden in den Dünsten des Horizonts kaum Sternwarte zu versichern. Alle andern Methoden um sichtbar seyn. Folglich können daselbst zu allen Zeiten, dieses zu erreichen, setzen schon gewisse, nicht immer zu und in allen Umständen, alle planetarische Weltkörper erhaltende Bedingnisse voraus: man muß sich dabei auf frei und ungehindert beobachtet, und die beiden vorzüg- Beobachtungen anderer Astronomen, oder auf ihre Stern- lichsten Werkzeuge, das Passagen-Instrument und der Bestimmungen verlassen; oder auch, man muß von dem Mauerquadrant, jederzeit, und unter gar keiner Ein- Gang und Stande seiner Uhr sehr genau unterrichtet seyn, schränkung, gebraucht werden. und ihre Anomalien gut kennen. Diese kann man aber Tiefere Beobachtungen als die so eben erwähnten, sind nur sicher kennen lernen, wenn das Instrument schon in kein dringendes Bedürfnis mehr, für die praktische Stern- der vollkommensten Meridian-Lage ist, welches man aber kunde; und ich kenne nur einen Fall, wo dergleichen nö- eben zu erforschen gedenkt. Man sieht daher, daß bei thig seyn könnten; wenn man nämlich Untersuchungen diesen Methoden gleichsam eine petitio principii zum über die Strahlen-Brechung, anstellen wollte; aber selbst in Grunde liegt, und daß, um doch endlich zum Zweck zu diesem Fall, würde der Göttinger Horizont, diesen und gelangen, man sich einer regula falsi und eines unsichern ähnlichen horizontal-Untersuchungen kein Hinderniß in Tatonnements bedienen müsse. Alle diese Bedenklich- den Weg legen: denn das, was diese Gebirgs-Kette an keiten fallen weg, wenn ein Passagen-Instrument eine Raum im Himmel einnimmt, bleibt immer zu unbedeu- solche Exposition erhält, daß man circumpolar-Sterne tend, als daß es hier ernstlich in Anschlag kommen dürf- über und unter dem Pole, und südliche Sterne mit den te. Den sichersten Beweis davon gewähren uns selbst die nördlichen durch Beobachtungen verbinden kann; wodurch Refractions-Beobachtungen des unsterblichen Tobias man sich unmittelbar, ohne fremder Beihülfe, und ohne Mayer, welcher von dem Standpunkte der alten Sternwar- sich auf Uhren, oder Stern-Katalogen verlassen zu dürfen, te, wie allen Astronomen bekannt ist, aus eigenen Beob- sich der wahren Meridian-Lage des Mittags-Fernrohrs, achtungen fürtrefliche Refractions Tafeln entworfen hat, vollkommen versichern kann. welche mit den Bradleyschen so nahe überein gekommen Wir wollen nun sehen, in wie fern der Göttinger sind, daß sie noch jetzt für die besten gelten, und die Horizont und ihre Meridian-Fläche, einem solchen un- Bewunderung aller Astronomen verdient haben. Also von umgänglichen Bedürfnis Genüge leiste. dieser Seite bleibt gegen den Göttinger Süd-Horizont vom Die größte möglichste südliche Abweichung eines Standpunkte der neu anzulegenden Sternwarte, gar keine Planeten, bestimmt eigentlich die Gränzen, wie weit ein Einwendung übrig. Horizont frei seyn müsse, um einen solchen Weltkörper Was den nördlichen Horizont betrifft, so muß dieser noch beobachten zu können. Unter allen bisher bekann- in der Mittagsfläche einer Sternwarte in so fern frei seyn, ten Planeten, war es die Venus, welche die größte Breite daß an dem daselbst aufgestellten Passagen-Instrumente, erreicht, wegen ihrer großen Nähe bei der Erde; und wenn die Culmination der circumpolar-Sterne über und unter die Umstände zugleich zusammentreffen, daß die untere dem Pole beobachtet werden könne. Allein die Wahl Zusammenkunft mit der Sonne in ihren Gränzen sich solcher Sterne, welche hiezu am geschicktesten sind, ist ereignet, und die Erde in ihrem perihelio ist. Diese Breite nicht willkürlich; sie ist sogar sehr beschränkt. Erstens kann auf 8 bis 9 1/4 Grade gehen. In künftigen Jahr- können nur solche Sterne dazu gebraucht werden, welche hunderten, kann sie noch grösser werden, wenn die Aphe- für den Göttinger Horizont nie untergehen. Zweitens, liums dieses Planeten mit jener des periheliums unserer können nur grössere und hellere Sterne dazu gewählt Erde so zusammentreffen, daß sie die Entfernung der werden, welche man auch am hellen Tage und in den Venus von der Erde noch kleiner; und folglich die geomet- Dämmerungen beobachten kann; denn da die beiden rische Breite noch grösser machen. Allein seit der Entde- Culminationen über und unter dem Pole, jederzeit 12 ckung des allerneuesten Planeten Ceres Ferdinandea, Stunden von einander entfernt sind, so wird die eine Cul- scheint nun diese die größte Neigung der Bahn zu haben, mination meistens bei Tage oder beide, zwischen zwei und daher die größte Abweichung vom Äquator erreichen Dämmerungen, einfallen. Drittens müssen diese Sterne zu können. So weit wir bisher die Bahn dieses neuen nicht zu nahe am Pole seyn; denn da bekanntlich die kaum beobachteten Weltkörpers kennen, dürfte ihre scheinbare Geschwindigkeit, mit der Sterne durch den 60 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

Meridian gehen, wie die Cosinusse der Declinationen die- dieser Himmels-Zone von der größten Amplitudo ortiva ser Sterne abnehmen, und im Pole selbst sogar zum Still- bis zur größten Amplitudo occidua, von der größten stand kommen, so erhält man die Zeitmomente der Cul- südlichen, bis zur größten nördlichen Abweichung, gibt es minationen desto unsicherer, je näher der Stern am Pole keinen Punkt in derselben, wo nicht eines dieser Ereignis- ist, hingegen desto genauer, je mehr er davon entfernt ste- se dermahlen statt haben könnte. Es erheben sich zwar in het. Diese Sicherheit, diese Genauigkeit ist alsdann die- einigen Theilen dieses Horizonts, Gebirgs-Rücken, welche selbe, mit welcher man sich der wahren Meridianlage des einen etwas grösseren Raum am Himmel einnehmen; Passagen-Instruments versichern kann; zu welchem Zweck allein dieser ist sicher nirgend von einem Belange, daß er eigentlich diese Beobachtungen angestellt werden müssen. als ein Nachtheil oder als ein Hinderniß für diese Gat- Die Gränzen dieser Sternen-Auswahl sind demnach tung von Beobachtungen, angesehen werden könnte. Die durch ihre Grösse, und durch ihre Polardistanz genau Unwahrscheinlichkeit, daß irgendein solcher Bergkamm, bestimmt. Es gibt zwar mehrere Sterne am gestirnten eine sehr bedeutende Beobachtung dieser Art verhindern Himmel, welche diese Bedingnisse in den Dämmerungen könnte, ist so groß, daß sich vieleicht ein solcher Zufall in erfüllen; allein es gibt deren im ganzen Sternen Heer, für vielen Jahrhunderten nicht ereignen dürfte. Ja man könnte unser nördliches Deutschland nur zwei, welche derselben eine solche Einwendung gegen den Göttinger Horizont, bei hellen Tage vollkommen Genüge leisten. Der erste ist geradezu für nichtig erklären, da, wenn auch wirklich ein die sogenannte Capella, oder der helle Stern im Fuhr- solcher Fall eintreten sollte, Beobachtungen so nahe am mann; der zweite der sogenannte Deneb, oder der helle Horizonte, und in den Dünsten desselben angestellt, Stern im Schwan. Beide sind Sterne der ersten und zwei- bekantlich keinen solchen Werth haben, daß man ihren ten Grösse, und wegen ihrer grossen Declinationen auch Verlust zu bedauern Ursach hätte, oder denselben wohl durch mittelmäßige Fernröhre bei Tage sichtbar, und we- gar beträchtliche, von einer andern Seite mehr zu bekla- gen ihrer großen Polardistanz, auch mit mässigen Ver- gende Aufopferungen machen sollte. Ich appuyire hier auf grösserungen noch sehr scharf und genau zu beobachten. diesen Grund um so mehr, da bekantlich die obere Spitze In wie fern diese beiden Sterne, für den Göttinger des Hainbergs als ein Standpunkt für die neu zu erbau- Nord-Horizont geeignet seyn, wird sich aus folgenden ende Sternwarte in Vorschlag gekommen ist. Es bedarf abnehmen lassen. wohl keines Beweises, wie wenig es sich mit dem Dienste Die Polhöhe von Göttingen ist bekantlich 50 Grad und mit dem Vortheil der Universität verträgt, daß eine 32 Minuten. Die Declination der Capella ist 44 Grad öffentliche mit einem Lehramte verbundene akademische 13 Minuten nördlich; folglich culminirt dieser Stern in Anstalt, in eine beträchtliche, von sonstigen litterarischen Göttingen unter dem Pole, in einer Höhe über den nördli- und oekonomischen Hülfsmitteln abgesonderte Entfernung chen Horizont von 7 Grad 19 Minuten. Die Declination verlegt werde, besonders wenn dies ohne Noth, und ohne von Deneb ist 44 Grad 35 Minuten nördlich; demnach gebieterische und unabänderliche Umstände veranlaßt, geht dieser Stern durch den Göttinger Nord-Meridian in geschehen sollte. Das Beispiel der Seeberger Sternwarte, einer Höhe von 6 Grad 7 Minuten. Beide Sterne werden welche ebenfalls in einer ziemlichen Entfernung von der noch überdies, durch die Wirkung der Strahlen-Brechung, Stadt Gotha auf einer Anhöhe erbauet ist, kann hier durch die 7 bis 8 Minuten gehoben. nicht zum Vorwand dienen. Diese Sternwarte ist mit Nun noch einige Bemerkungen über die südliche keiner Lehranstalt verbunden, sie ist blosse Privat- Halbkugel des Himmels. In derselben ereignen sich die Liebhaberei eines Fürsten; der solche aus eigenen Cha- vorzüglichsten Erscheinungen, und alle die Himmels- toullgeldern gebauet und ausgerüstet hat; sie ist zu keiner Begebenheiten, auf welche ein sorgfältiger Beobachter, stets öffentlichen Anstalt erhoben, und derjenige, dem dieser ein wachsames Auge haben muß. Sonnen- und Mond- Fürst die Direktion und Aufsicht dieser stattlichen Finsternisse, Vorübergänge der oberen Planeten vor der Sternwarte anvertraut, hat weder Pflichten noch Vor- Sonnenscheibe, Bedeckungen der Planeten und Sterne vom schriften auf derselben zu beobachten, was er thut, ge- Monde, Jupiters-Trabanten-Verfinsterungen u.d.m. kön- schieht ebenfalls aus Privat-Liebhaberei, alles was ge- nen sich nur in diesem Himmels Raume zutragen. In schieht, geschieht blos zum Vergnügen.“ Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 61

Drittens. Nachdem Sr. Königl. Großbrith. Majestät den grossen Apparat des Herrn Justizraths Schröter, für die Göttinger Sternwarte angekauft haben, so muß natür- lich bei der Anlage einer neuen Sternwarte, auch für ihre Zweiter Abschnitt Unterbringung gesorgt werden. Was den ersten Punkt betrift, so ist natürlich, daß, wenn man bei dem heutigen Zustand der astronomischen Über die zweckmäßige Anlage und innere Wissenschaften, derselben beitragen soll, man auch mit Einrichtung einer Sternwarte den nöthigen Hilfsmitteln ausgerüstet seyn muß, um die- sem Zweck zu erreichen. Wenn in unsern Tagen die verfeinerte praktische Sternkunde mit der so sehr vervoll- kommneten Theorie derselben, gleichen Schritt gehen soll; wenn die neu zu erbauende Göttinger Sternwarte in der Die gründliche Darstellung des Freyherrn von That zur weitern Ausbildung und Fortschreitung in Zach über die, bei der hiesigen neuen Sternwarte dieser Wissenschaft beitragen, und bei der Concurenz der zu erreichenden Zwecke, verdient hier, um so Greenwicher, Pariser, Palermer und Seeberger Sternwar- mehr wörtlich angeführt zu werden, da sich hier- te, ehrenvoll und mit Nutzen bestehen soll: so muß sie aus alle die astronomischen und architektoni- nothwendig auch mit solchen Werkzeugen ausgerüstet schen Regeln herleiten lassen, welche bei der werden, mit welchen sich dieses Ziel er reichen läßt. Bevor Anlage und innern Einrichtung einer Sternwarte also von dem Bau und der innern Einrichtung einer zum Grunde gelegt werden müssen. Sternwarte die Rede seyn kann, müssen erst die Gattun- „Ich betrachte“, sagt dieser grosse Astronom, „die Göttin- gen und die Dimensionen der Instrumente, welche darin ger Universitäts Sternwarte unter den jetzigen Umständen aufgestellt und gebraucht werden sollen, bekannt seyn, weil und Bedürfnissen, in einem dreifachen Gesichtspunkt. sich die Anlage des Gebäudes nach der Grösse und dem Erstlich denke ich mir solche, als eine scientifische Bedürfniß dieser Werkzeuge richten muß. Anstalt, durch welche für das Beste und zum Fortgang Ich theile diese Werkzeuge in zwei Classen, in solche dieser Wissenschaft gearbeitet, und zu ihrer stets grösseren welche zum Messen, und in andere welche nur zum Vervollkommung unermüdet, und durch fortgesetzte Schauen gebraucht werden. Ich mache bei jeder dieser Bemühungen beigetragen werden soll. Classen noch eine Unterabtheilung, in solche welche nur Zweitens sehe ich in derselben eine akademische Lehr- für den wirklich dabei angestellten praktischen Astrono- anstalt, in welcher nicht nur die studirende Jugend über- men und Observator zum Gebrauch bestimmt sind; diese haupt, sondern auch junge Männer, welche sich der Schif- müssen von der grössern und vollkommenern Gattung farth widmen, oder Ingenieurs oder Landmesser welche seyn, weil damit für die Erweiterung der Wissenschaft sich zu großen trigonometrisch-astronomischen Landes- gearbeitet werden soll: in andere von der kleineren und Vermessungen qualifiziren wollen, nicht so wohl den geringeren Gattung, wo junge angehende Astronomen ihre theoretischen, sondern den bisher allenthalben noch man- ersten Uebungen machen, und ihren Unterricht dabei gelnden praktischen Unterricht erhalten können. Noch empfangen können, theils weil man ihren noch ungeübten bisher ist meines Wissens in ganz Deutschland – vielleicht Händen, die grössern und kostbaren Instrumente nicht so in ganz Europa – keine solche Anstalt, wo junge Leute bald anvertrauen kann, theils weil sie dadurch eine ange- wissenschaftlich, nach einer gewissen Methode, und nach fangene Reihe sorgfältiger Beobachtungen des wirklichen dem neuesten Zustand dieser Wissenschaft, in der aus- Astronomen stöhren, verderben oder hindern könnten. übenden Sternkunde angeleitet, in der Kunst zu beobach- Nur diejenigen, welche sich mit der Zeit Geschicklichkeit ten angeführt, und in dem astronomischen Calcul des und Festigkeit in der Beobachtungskunst erworben haben, praktischen Astronomen, unterrichtet werden. Die astro- könnten, nach Gutbefinden ihres Lehrers, zu den grössern nomische Beobachtungskunst, kann nicht immer durch Instrumenten zugelassen werden, und dabei die Vollen- Bücher erlernt werden, so wenig als man das Accouchiren dung ihrer Ausbildung erhalten. und die chirurgischen Operationen aus Büchern erlernt; es Das erste und vorzüglichste Meß-Instrument in einer muß durch Anschauen und Vorzeigen erlernt werden. wohl eingerichteten Sternwarte, ist das Passagen- Man hat daher auf wohl eingerichteten Universitäten, Instrument, oder das Mittags-Fernrohr. Es dient zu Accouchir- und Kranken-Häuser, so wie anatomische zweierlei Behuf: Theater; in ähnlicher Hinsicht soll man daher auch ast- 1, zur wahren Zeitbestimmung, der Maaßstab aller ronomische Observatoria haben. himmlischen Bewegungen und Wahrnehmungen; 62 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

Abb. 23: Kupferstich der Ansicht und des Grundrisses der Gothaer Herzoglichen Sternwarte auf dem Seeberg, deren Direktor Franz Xaver von Zach war. Die Seeberger Sternwarte (abgerissen 1858) ist das Vorbild der Göttin- ger Sternwarte und wurde selbst wiederum von Zach aufgrund seiner Kenntnis der Radcliffeschen Sternwarte in Oxford entworfen. Aus dem CATALOGUS NOVUS von F. X. von Zach, Gotha 1792. Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 63

2, zur Bestimmung der sogenannten geraden Aufstei- Zur Uebung für die astronomischen Zöglinge, würde gungen aller himmlischen Weltkörper. ein kleines Passagen-Instrument von etwa zwei Fuß Das erste gibt das wahre Zeitmoment, letzteres den wah- hinreichend seyn. Wolte man hiebei auf Oekonomie ren Ort des beobachteten Gestirns in der Richtung von sehen, so brauchte das Objectiv nicht achromatisch, und Osten nach Westen, im Weltraum. das Werkzeug selbst, statt von Messing, nur von weissem Um mit diesem Werkzeuge die bei dem jetzigen Blech zu seyn, dergleichen, selbst auf der Cambridger Verlangen der Wissenschaft, erforderlichen Beobachtungen Sternwarte sind, womit der berühmte Ludlam, nicht ganz zu machen, muß es von einer solchen Grösse und Güte schlechte Beobachtungen angestellt hat: allein meiner seyn, daß man die Zeitbestimmung damit, bis auf zwei Meinung nach, wäre hier Ersparniß am unrechten Orte, Zehntheil einer Zeitsekunde, und die geraden Aufsteigun- es kömmt dabei kein grosser Gewinn heraus; denn gar zu gen, bis auf drei oder vier Raumsekunden, muß beobach- schlecht dürfen die Werkzeuge doch auch nicht seyn, wenn ten können. Die optische Eigenschaft dieses Fernrohrs der Anfänger damit gute Beobachtungen zu machen ler- muß so beschaffen seyn, daß man Sterne der ersten Grösse nen soll. Ein kleines Passagen-Instrument von 27 Zoll zu allen Tageszeiten damit muß sehen und beobachten Brennweite, 24 Zoll Axe achromatisch, womit ich den können. Diese Bedingnisse schließen alsdann alle übrigen Merkur sehr oft, und Sterne der ersten Grösse, eine halbe mit ein, welche man bei den übrigen Gestirn- und planeta- Stunde vor der Sonne beobachtet hatte, von Ramsden rischen Weltkörpern voraussetzen kann. Aber um diese ganz in Messing verfertigt, kostete nur 30 Guinees. Ein zu erreichen, darf ein solches achromatisches Fernrohr, solches Instrument wäre zum praktischen Unterricht keine geringere Oeffnung, als drei englische Zoll, und äusserst brauchbar: an welchem die Anfänger nicht allein keine geringere Brennweite, als höchstens 5 bis 6 englische die Theorie dieses Instruments, sondern auch dessen ver- Fuß haben, wenn es lichtstark genug seyn, und stärkere schiedene Berichtigungen erlernen, und selbst ausüben, und Vergrösserungen mit Deutlichkeit vertragen soll. Was dabei noch brauchbare Beobachtungen anstellen könnten; über diese Maaßen hinaus geht, ist desto besser, was unter wenn solche nicht unter gewissen schwierigen Umständen zu denselben seyn würde, dürfte allen bekannten Werkzeugen machen sind, welches man alsdann den grösseren Werk- dieser Art, nachstehen. zeugen überlassen muß, und daher nichts auf sich hat, wenn Diejenigen Sternwarten, welche die grössten und solche von den ersten Anfängern übergangen werden. So wie besten Instrumente haben, nämlich 8 Fuß Fokallänge, das Passagen-Instrument das Haupt-Meridian-Meß- 4 Fuß die Axe, und 4 Zoll Oeffnung, sind folgende: werkzeug ist, womit alle Zeit- und Ortsbestimmungen der Greenwich, Oxford, Richmond, Blenheim und See- himmlischen Körper in der Richtung von Osten nach berg. Nur das Oxforder Fernrohr, ist bei den übrigen Westen gemacht werden: eben so ist der Mauerquadrant Dimensionen um 2 Fuß länger. Passagen-Instrumente oder der ganze Kreis, das fixe Meridian-Meßinstrument, von 6 Fuß, besitzt nur die Dubliner Sternwarte, von womit diese Ortsbestimmungen in der Richtung von Süden 5 Fuß die Gothaische Interims-Schloß-Sternwarte, die nach Norden gemacht werden. Beide Werkzeuge müssen Mannheimer, die Palermer; von 3 1/2 und 3 Fuß, die stets verbunden seyn: sie sind das erste und Hauptbedürf- Pariser, die Berliner, die Mailänder, die Pisaer und die nis einer wohleingerichteten Sternwarte; weil durch diese Wilnaer. Die übrigen Sternwarten entbehren dieses Verbindung allein, die besten, und die einzig vorzüglichen Haupt-Instrument entweder ganz und gar, oder sie sind Beobachtungen vollbracht werden. Da wo diese beiden nur von solcher Beschaffenheit, daß sie mit den erwähnten Instrumente gehörig und solide aufgestellt sind, bleibt in in gar keinen Vergleich zu setzen sind. dieser Rücksicht nichts besseres zu wünschen übrig. Hieraus wird es einleuchtend, daß für die neue Stern- Zwischen den genanten beiden Werkzeugen, dem warte in Göttingen, ein solches Fernrohr nicht unter Mauerquadranten oder dem ganzen Kreis, ist die Wahl 5 Fuß Fokallänge betragen dürfe. Ein solches Instrument nicht gleichgültig. würde etwa auf 120 Guinees zu stehen kommen. Das Noch vor 10 oder 12 Jahren, kannte man keinen auf der Seeberger Sternwarte befindliche 8-füssige vom ganzen Meridian-Kreis; die grossen 6 und 8 füssigen seel. Ramsden verfertigte, in seiner Art einzige Werk- Mauerquadranten, waren damals üblich: und da man mit zeug, kam auf 220 Guinees. Das Oxforder Mittags- einem solchen Quadranten, nur in einem Halbkreis des rohr, obgleich zwei Fuß länger, und von Bird verfertigt, Meridians beobachten kann; so werden deren allemal zwei kostete nur 150 Guinees; allein es hat die mannigfalti- erfordert, um damit im ganzen Mittagskreise beobachten gen neuen Einrichtungen und Verbesserungen nicht, wel- zu können. In grossen wohlversehenen Sternwarten, waren che jetzt bei diesen Werkzeugen angebracht sind, wie z.B. daher ein südlicher und ein nördlicher Mauerquadrant. die Beleuchtung der Fäden durch die Axen, die Frictions- Da aber diese Werkzeuge überaus kostbar sind, so sind Rollen in den Pfannen, die beweglichen Oculare u.s.w. meines Wissens in ganz Europa nur zwei Sternwarten, 64 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

welche diesen Vortheil haben, mit zwei Mauerquadran- Mauerquadranten, als in der Militair-Schule zu Paris, in ten, im ganzen und ununterbrochenen Meridian beobach- Blenheim, in Padua, in Göttingen, in Mannheim, in ten zu können. Diese beiden Sternwarten sind die Wien und Petersburg. Allein sie sind überall nur einsei- Greenwicher und Oxforder: erstere hat auch nur einen tig, und müssen, wenn sie nördlich gebraucht werden mittelmässigen Nordquadranten, dessen Gerippe von sollen, mit vielen Umständen, und für so schwere Instru- Eisen ist; nur Oxford hat zwei vortrefliche Birdische mente, nicht ohne Gefahr, von der südlichen Mauer, an 8füssige Mauerquadranten ganz von Messing, welche die nördliche, gebracht werden zusammen 800 Guinees kosteten. Seit einigen Jahren Aber auch zwei Mauerquadranten sind zur Voll- besitzt die Pariser National-Sternwarte auch zwei Mau- ständigkeit nicht hinlänglich: sie ziehen noch ein drittes erquadranten; der nördliche ist aber von kleinerer und Werkzeug nothwendig nach sich, welches zur Stellung und mittelmässiger Gattung, welches ebenfalls bei der Mailän- Berichtigung dieser Quadranten dient; und dieses ist der der Sternwarte der Fall ist. Sonst gibt es wohl noch meh- sogenannte Zenith-Sektor. Der Oxforder von 12 Fuß rere gute 8 und 6füssige Birdische und Ramsdensche und von Sishon verfertigt, kostete 200 Guinees: .

Abb. 24: Meridiankreis von Johann Georg Repsold (1770−1830) in Hamburg. Dieses Instrument wurde 1803 für Repsolds eigene und 1811 von den Franzosen zerstörte Sternwarte gefertigt, von Gauß für die neue Göttinger Sternwarte für 1300 Rtlr. erworben und von Repsold in langwieriger Arbeit 1817 mit einem genaueren Teilkreis versehen (dem „verzweifelten Kreis“ nach Repsolds Bericht). Das Instrument wurde 1818 von Repsold persönlich im östlichen Meridianzimmer aufgestellt. Dies ist der auf S. 63 unten rechts von Borheck erwähnte „ganze Kreis“ (Photo Noelle 1893). Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 65

Abb. 25: 6-füßiger Mauerquadrant von John Bird (1709−1776) in London (s. Text S. 67 oben links). Bird war einer der besten Hersteller feinmechanischer Instrumente seiner Zeit. Das Instrument kam 1756 als Geschenk Georgs II nach Göttingen, wo es anfangs in der alten Sternwarte montiert war. Mit diesem Instrument hat Tobi- as Meyer bis 1758 seinen Zodiakalsternkatalog erstellt (Genauigkeit der Sternpositionen ±2 Bogensekunden). Später wurde er von Gauß benutzt und 1817 im östlichen Meridianzimmer an einem Pfeiler montiert. Ein in Gauß’ Zeit vorgesehener Ersatz des chromatisch nicht korrigierten Objektivs (s. S. 67) unterblieb, weil der neu angeschaffte und im gleichen Raum untergebrachte Repsoldsche Meridiankreis genauere Messungen zuließ.

Hiernach kann man also rechnen, daß zu den Höhen- Wenn ein ganzer Kreis die drei obgedachten Instrumente und Declinations-Beobachtungen, wenn man sich der vollkommen ersetzen; und wenn der praktische Astronom Mauerquadranten bedienen will, drei Werkzeuge nöthig ferner dabei auf die allerdelikatesten Beobachtungen wel- sind, wenn alles vollständig seyn soll; welche zusammen che damit zu machen sind, Rücksicht nehmen will, wo- auf 1000 Guinees zu stehen kommen würden. Diese durch der Zenith-Sektor durchaus entbehrlich gemacht drei so äusserst kostbaren Instrumente sind aber entbehr- werden soll: so hat er meines Erachtens auf folgende der lich, wenn man sich der heut zu Tage weit vorzuziehenden allerschwierigsten und wünschenswerthesten Gattungen ganzen Kreise, bedienen will. Sie ersetzen vollkomner und von Beobachtungen, den Bedacht zu nehmen; eine Arbeit, besser die beiden Mauerquadranten, und den Zenith- welche der praktischen Sternkunde noch künftig auszu- Sektor. Ein solcher ganzer Kreis wäre daher für die neue führen und zu vollenden übrig ist. Der praktische Astro- Göttinger Sternwarte unentbehrlich. nom muß damit die Beobachtungen und Bestimmungen 66 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

1, der Abirrung des Lichts, daß diese kleiner und transportabel sind, und an jedem 2, der Schwenkung unserer Erdaxe, Ort aufgestellt werden können; dagegen die Sectoren auf 3, der jährlichen Parallaxe unserer Erdbahn bei Fix gemauerte Pfeiler für beständig aufgesetzt werden. Der sternen, schönste Aequatoreal-Sektor ist jener, welchen der seel. 4, der eigenen Bewegung der Fixsterne, Ramsden für Sir George Shuckburgh verfertigt, und 5, der mittleren Strahlenbrechung 400 Guinees gekostet hat. Der Declinations Kreis hält genau anstellen und vollbringen können. Alle diese Beo- 4 Fuß im Durchmesser, und das Fernrohr ist von einer be- bachtungen sind noch Desiderata in der Sternkunde. sonderen Güte. Nächst diesem ist der prächtigste Aequa- Einige derselben sind seit dem Jahre 1728 nicht wieder- toreal-Sektor auf Sr. Majestät des Königs Sternwarte in holt worden; andere sind mißlungen. Allein ihre wahre Richmond befindlich. Der Declinations Kreis hat 2 1/2 Bestimmung kann man nur von dem heutigen verfeinerten Fuß. In Greenwich und Oxford sind ebenfalls für- Zustande der praktischen Sternkunde erwarten; wozu trefliche Sektoren; letzterere von Sishon hat 200 Gui- vorzüglich die ganze Kreise, eines der wesentlichsten nees gekostet. Der englische Künstler Edw. Troughton Hülfsmittel sind. verfertigte einen im Jahr 1787 für Portugall, dessen Dec- Um aber den vorgesetzten Zweck damit zu erreichen, linations Kreis 20 Zoll und der Azimuthal-Kreis 34 Zoll muß die Beobachtungsgränze eines solchen Werkzeuges hielt, und 280 Guinees kostete. Hieraus lässt sich ohn- wenigstens so weit gehen, daß man damit bis auf die gefehr schliessen, von welcher Gattung man einen solchen Raumsekunde genau beobachten kann. Der einzige bisher Sektor für die Göttinger Sternwarte bedarf. aufgestellte und fleissig gebrauchte Kreis dieser Art, ist Die neuesten Entdeckungen der Piazzischen Ceres, jener der Palermer Sternwarte; er ist 5 Fuß im Durch- und der 0lbersschen Pallas, machen nunmehr diese Art messer von Ramsden verfertigt, und hat 450 Guinees von Werkzeugen doppelt nothwendig: denn diese licht- gekostet. Allein aus den Beobachtungen zu schliessen, schwache Weltkörper, werden damit an meisten beobachtet welche mit diesem Instrument gemacht, und mir bekannt werden müssen. Soll demnach ein solches Instrument geworden sind, glaube ich nicht annehmen zu dürfen, daß wirklich Nutzen gewähren; und soll man damit Beobach- man damit bis auf eine Sekunde genau beobachten könne: tungen anstellen können, welche den Meridian-Beobach- man wird daher wenigstens auf einem ganzen Kreis von 8 tungen an die Seite gesetzt werden dürfen: so muß ein sol- englischen Fuß Durchmesser rechnen müssen; womit sich ches Aequatoreal-Werkzeug, besonders ein sehr lichtstar- allerdings die Raumsekunden noch beobachten lassen, kes grosses achromatisches Fernrohr mit starker Oeffnung dagegen man bei einem 8füssigen Mauerquadranten im- mindestens von 4 Zoll haben; und dann dürfte man des- merhin auf 4 bis 5 Sekunden noch unsicher seyn kann. sen Preis auf 300 Guinees setzen. Ein solcher Kreis würde etwa auf 6 bis 7hundert Gui- Zur Schonung des Aequatoreal Sektors, weil man nees zu stehen kommen: denn der bei Ramsden für die eines solchen kostbaren Werkzeuges sich nicht zum Su- Seeberger Sternwarte bestellte 8füssige Kreis, war zu 650 chen, und Abfegen des Himmels bedienen kann, und da Guinees accordiert, ist aber nicht fertig geworden.“ man ohnehin auch gute achromatische Fernröhre zu den freien Beobachtungen haben muß, so würde ich noch eine Ausser den Beobachtungen mit den vorhin gute parallaktische Maschine vorschlagen. Die größte und beschriebenen Instrumenten, kommen in der schönste Maschine dieser Art, ist jene des Herrn Justiz- praktischen Sternkunde Fälle vor, wo Beobach- raths Schröter zu Lilienthal. Sie besteht vorzüglich aus tungen ausserhalb des Meridians unumgänglich einem ganz fürtreflich Dollandschen 10füssigen Achro- nothwendig werden. Dieses sind meistens Beob- maten; und da dieses schöne Werkzeug auch dereinst für achtungen von Cometen oder solcher Planeten, die Göttinger Sternwarte bestimmt ist, so bleibt in dieser welche wegen ihrer Lichtschwäche nicht bei Tage Art nichts besseres zu wünschen übrig. beobachtet werden können, und folglich in ihren Um die Vorrichtung zu den fixen Meridian- Quadraturen im östlichen oder westlichen Himmel Instrumenten ganz vollständig zu haben, dazu gehört vor oder nach der Dämmerung beobachtet wer- noch eine astronomische Uhr. Daß diese von der bestmög- den müssen. Die beste und schicklichste Gattung lichsten Gattung seyn müsse, um mit den obbemeldeten von Werkzeugen zu diesem Behuf, sind die soge- Instrumenten im würdigen und nöthigen Verhältniß zu nannten Aequatoreal-Instrumente, oder Aequa- stehen, versteht sich von selbst. Gegenwärtig sind die mit toreal-Sectoren. einem Anker von Diamant, auf Edelstein laufende, mit „Die Aequatoreal-Sectoren sind ebenfalls fixe In- einer Zink-Compensation versehene Arnoldsche Pendel- strumente, das ist, sie drehen sich auf einer im Meridian uhren, die besten. Eine solche Uhr komt auf 110 bis und nach der Polhöhe des Orts befestigten Axe. Sie unter- 120 Guinees zu stehen; so viel kostete die Uhr der scheiden sich von den Aequatoreal-Instrumenten dadurch, Seeberger Sternwarte, und eben so viel eine ähnliche, Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 67 welche erst im Jahr 1802 dahin gekommen ist, ob sie 1, Ein Geotheodolite zu geodätischen und trigono- gleich schon 6 Jahre früher bestellt war. metrischen Operationen; ohngefähr wie der Ramsdensche, Durch diese Instrumente wäre nun für den Observa- welcher dem General Roy und Major Mudge in der tor hinlänglich gesorgt. englischen Vermessung und zur Junction der Pariser und Für die praktische Lehranstalt, würde der, auf der Greenwicher Sternwarte gedient hat. Da Sr. Majestät alten Göttinger Sternwarte befindliche 6füssige Birdsche der König eine so stattliche und königliche Sternwarte in Mauerquadrant, sehr zweckmässig seyn. Dieses in seiner Göttingen erbauen lassen, so werden Höchstdieselben als Art fürtrefliche Werkzeug, bedarf nur einiger Abände- Selbsteigener Kenner dieser Wissenschaften, auch alle die rungen, um das brauchbarste Instrument daraus zu ma- Früchte und den Nutzen erwarten, der hieraus für die chen. So muß es z.B. mit einem achromatischen Objective geographische, statistische und militairische Länderkunde versehen werden, welches es nicht hat. Das Ocular muß Ihrer Churfürstlichen Lande erwachsen kann. Man hätte nach Ramsdens Erfindung zum Verschieben eingerich- demnach meines Erachtens, auch hierauf zugleich Bedacht tet, und das Faden-Netz nach seinem optischen System zu nehmen; daß wenn Sr. Königliche Majestät dereinst eingerichtet werden, wie dieser grosse Künstler es in Blen- eine astronomisch-trigonometrische Aufnahme des Chur- heim bei dem Herzog von Marlborough an den 6füssigen fürstenthums und Dero sämtlichen Herzogthümer anzu- Muralquadranten angebracht hat. Auch dürfte eine neue befehlen geruhen sollten, man auch zugleich mit den dazu Mikrometerschraube daran nöthig seyn, da die alte durch benöthigten Werkzeugen versehen sey; selbst auf den Fall, vielen Gebrauch ausgelaufen ist. Dabei könnte man auch wenn damit, so wie es in England geschehen, und bei dem Ramsdens sinnreiche Vorrichtung anbringen, den todten heutigen verfeinerten Zustande der geodätischen Opera- Gang dieser Schraube zu verhindern. Eben, weil nach tionen unzertrennlich ist, eine so sehr gewünschte, und zu allen diesen Verbesserungen, dieser Quadrant ein ganz nähern Kentniß der Gestalt unserer Erde so nothwendige vorzügliches Werkzeug werden dürfte, wünschte ich, daß Grad-Messung verbunden werden sollte. Der Göttinger das zum Unterricht bestimmte Passagen-Instrument, Sternwarte darf es demnach an den ausgesuchtesten nicht zu schlecht in seiner Art ausfallen möchte: weil man Hülfsmitteln hierzu, nicht ermangeln. alsdann, in Verbindung desselben mit diesem verbesserten 2, Ein der besten englischen Poket-Chronometer. Quadranten, auch noch vortreffliche und höchst brauchba- Ein solches Werkzeug würde nicht allein zu Längen- re Beobachtungen würde anstellen können. Zu diesem Bestimmungen dienen, wenn der Königliche Astronom auf Zweck muß auch auf eine nördliche Mauer in der neuen geographische Expeditionen ausgeschickt werden sollte, Sternwarte Bedacht genommen werden, um diesen Qua- sondern würde auch als eine sehr gute und bequeme astro- dranten nach Norden umzuhängen, wenn dessen Rectifi- nomische Uhr bei einer trigonometrischen Land- cation den angehenden Astronomen gezeigt und gelehrt Aufnahme zu Beobachtungen des Azimuths und Orienti- werden soll. Hiezu müsste man alsdann einen Transpor- rung des Dreieck-Systems dienen. Jungen Leuten, welche teur anschaffen, um dieses Geschäfte leicht, und ohne sich der Schiffahrth widmen, oder zu astronomischen Gefahr vollziehen zu können. Geographen ausbilden wollen, wird man damit Unterricht Zu diesen Instrumenten würde die auf der alten Göt- in der Ausübung der Methode geben, die Länge zur See tinger Sternwarte befindliche Sheltonische Uhr ganz durch solche Zeithalter zu finden, wie ein Register über vortreflich passen. Die Anfänger würden alsdann nicht ihren täglichen Gang zu halten, der mittlere Gang zu be- damit pfuschern, sondern recht gute und brauchbare Beo- stimmen, und nach Umständen zu verbessern sey. Dem bachtungen, anstellen können. Noch würde für die Lehr- Astronomen wird eine solche Uhr zum unentbehrlichen anstalt nöthig seyn: ein beweglicher Quadrant, um damit Geräthe, wenn er die in verschiedenen Theilen der Stern- Anfängern Beobachtungen an Polhöhen, oder correspondi- warte stehenden Uhren, vergleichen, und die Zeit von einer renden Sonnen- und Sternhöhen, oder terrestrische Win- zur andern übertragen muß. Denn da die Uhr beim kel aufnehmen zu lehren. Einen dergleichen Sissonschen Passagen-Instrument diejenige ist, an welcher man die Quadranten besitzt die Göttinger Sternwarte schon. Hie- richtigste Zeitbestimmung erhält, so muß von solcher die Zeit zu könnten noch einige hölzerne und messingene Hadley- an die übrigen Uhren, welche beim Kreis, beim Aequatoreal- sche Sextanten, deren Göttingen einen sehr guten besitzt, Sektor, beim parallaktischen Instrument u.s.w. stehen, nebst künstlichen Horizonten kommen, um Liebhaber, schnell und mit Sicherheit übergetragen werden können. reisende junge Gelehrte, Landmesser, Ingenieurs, Geogra- Auch wenn der Astronom im Freien auf der Terrasse mit phen, und selbst junge Seemänner, in dieser Gatuung von grossen Teleskopen beobachten will, so ist es mit nicht Beobachtungen, unterrichten zu können. geringen Schwierigkeiten verbunden, wenn er die Zeit in Zu den oben beschriebenen Aequatoreal- einiger Entfernung vom Gebäude aus einem Appartement Instrumenten, zu Beobachtungen ausser dem Meridian, der Sternwarte, wo eine astronomische Uhr stehet, mit würden noch nöthig werden: lauter Stimme zugerufen erhalten soll: ein tragbarer 68 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

Taschen-Chronometer hebt diese Schwierigkeit mit einem dienlichen Vorschläge zur Vervollkommnung dieser so Mal; und der Astronom führt seine Zeit stets bei sich in wichtigen Beobachtungen machen könne. Bei Fortsetzung allen Theilen des Gebäudes, in und um die Sternwarte, solcher Beobachtungen wird man wenigstens die Gränzen und selbst da, wo es unmöglich wäre im Freien eine astro- genau kennen lernen, auf welche die Längen-Bestimmung nomische Pendeluhr anzubringen und aufzustellen. durch diese neuesten Hülfsmittel gebracht worden ist, und 3, Einen Troughtonschen oder Mendozaschen Spie- was etwa noch zu wünschen, und zu erlangen übrig blei- gel-Kreis. Da heut zu Tage die Methode der Längen- ben sollte. Bestimmungen durch Monds-Abstände, durch die Ver- Diese drei erwähnten Werkzeuge verursachen einen besserungen der Monds-Tafeln, immer mehr vervollkomm- bedeutenden Aufwand: denn bei den Geotheodoliten net; und so wohl zur See als zu Lande immer mehr in dürfte man wohl keinen geringeren Preis als 150 Gui- Gebrauch gekommen ist: so muß auch für diesen wichtigen nees ansetzen. Wollte man einen Bordaschen Multipli- Zweig des Navigations-Unterrichts, nichts vernachlässiget cations-Kreis mit zwei beweglichen Fernröhren zu demsel- werden. Da man mit solchen Spiegel-Kreisen durch Wie- ben Behuf anschaffen, so würde einer von drei Fuß im derholung und Verdoppelung der Angular-Distanzen des Durchmesser, auf 100 Pistolen zu stehen kommen. Mondes von der Sonne oder den Fixsternen, solche mit Unter 100 Guinees läßt sich kein brauchbarer sehr grosser Genauigkeit erhalten kann: so geben bei dem Chronometer zu Längen-Bestimmungen anschaffen; es jetzigen neuesten Zustande unserer Monds-Tafeln, solche gibt deren aber von der besten Gattung für 120 bis Beobachtungen sehr gute Mittel an die Hand, zur See wie 200 Guinees. zu Lande, genaue Längen-Bestimmungen zu machen. Ein 18zölliger Spiegel-Kreis, kömmt auf 45 bis Ein solches Werkzeug kann daher nicht allein in diesen 50 Guinees, und die besten 10zölligen Sextanten, auf etwas schwierigen Beobachtungs-Methoden, sondern dem 16 bis 20 Guinees zu stehen. dem Astronomen auch zum wirklichen Gebrauch bei geographischen Längen-Bestimmungen dienen. Bekantlich Von Sehe-Werkzeugen rede ich nicht, da die jetzige werden auf grossen und wichtigen Seereisen, die beiden Göttinger Sternwarte, durch die Huld Sr. Majestät des Methoden der Längen-Bestimmungen durch Zeithalter Königs, wo wohl mit einem fürtreflichen 10füßigen Her- und durch Monds-Distanzen immer verbunden, und eine schelschen Spiegel Teleskope, als auch durch die Acquisi- durch die andere verbessert. Noch bisher ist keine Sternwarte tion der Lilienthaler Werkzeuge, hinlänglich versehen ex officio dazu angewiesen, diese für die Schiffahrth so seyn dürfte. An katoptrischen Werkzeugen könnte viel- höchst wichtige Beobachtungsart zu verfolgen, zu verbes- mehr Ueberfluß seyn: dagegen wird die Sternwarte eher sern, oder nur zu prüfen. Die angewiesene Pflicht des einen Mangel an dioptrischen Sehe-Werkzeugen haben; Königl. Astronomen zu Greenwich ist zwar, ununter- ich überlasse es daher denjenigen, welche dieses in der brochen Monds-Beobachtungen anzustellen; wodurch man Nähe beurtheilen können, in wie fern ein oder ein Paar die Mondstafeln verbessern, und das so berühmte Problem Achromaten, etwa mit einem Heliometer oder andern der Meereslänge endlich vollkommen auflösen könne. Mikrometern versehen, nöthig seyn dürften. Dieser Zweck ist auch bereits in hohem Grade erreicht Kleinere, zu einem vollkommenen astronomischen worden, durch die unermüdeten Beobachtungen eines Apparat unentbehrliche Werkzeuge, als Barometer, Flamstead, Halley, Bradley und Maskelyne, durch die Hygrometer, Zähler, Kometensucher, Apparate zur Beo- gründliche Monds-Theorie, eines Euler, d’Alembert, bachtung der Pendellänge, künstliche Horizonte, Him- Clairaut, La Grange und La Place, und durch die mels- und Erdkugeln, können mit geringen Kosten nach ungeheueren Berechnungen eines Tobias Mayer, Mason und nach angeschaft werden.“ und Bürg. Es bleibt uns also nur noch übrig, diese herli- Aus dieser lichtvollen und lehrreichen Darstel- chen Arbeiten auf eine, der heutigen verfeinerten prakti- lung der dem jetzigen verfeinerten Zustand der schen Sternkunde angemessene Art, auf die Erd- und Astronomie, angemessenen wesentlich nöthigen Schiffarths-Kunde anzuwenden, und sie durch Verbesse- Werkzeuge, lassen sich folgende Regeln herleiten, rung der katoptrischen Werkzeuge, auf einen solchen welche bei der Anlage und innern Einrichtung einer Grad der Vollkommenheit zu bringen, der sich jetzt von Sternwarte, wenn sie jenen Zwicken entsprechen unseren so sehr verbesserten Mondstafeln mit Recht erwar- soll, zum Grunde gelegt werden müssen. ten läßt. Dem Göttinger königlichen Astronomen sollte 1, Muß eine Sternwarte aus mehreren Abthei- es daher zur Pflicht gemacht werden, die Methode der lungen bestehen, um die verschiedenen Instru- Monds-Distanzen in anhaltender Prüfung zu erhalten, mente in verschiedenen Lagen gebrauchen zu damit er durch eine vertraute Uebung nach und nach aus können. eigener Erfahrung die Verbesserungen, so wohl im prakti- 2, Müssen diese Abtheilungen in einer Fläche schen als theoretischen Theil, selbst einsehen lerne, und die neben einander liegen, und nicht über einander, Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 69 wie zu Cassel, Mannheim und auf mehreren statt finden, wenn die verschiedenen Abtheilun- Thurmförmigen Sternwarten; weil diese Lage für gen für fixe Instrumente in einer Fläche neben genaue Beobachtungen ganz zweckwidrig ist. einander liegen, und wo diese Fläche nicht auf 3, Dürfen von den fixen Instrumenten, nur einem hohen Unterbau ruhet, sondern nur einige solche in Einer Abtheilung zusammengestellt Fuß hoch über der Horizontalfläche des natürli- werden, welche einen gemeinschaftlichen Meridi- chen Bodens erhaben ist. Hieraus folgt an-Durchschnitt erfordern: wie z.B. der ganze 7, Die wichtige Regel, daß der Fußboden ei- Kreis und das Passagen-Instrument, oder letzte- ner Sternwarte, so wenig wie möglich von den res mit dem Mauerquadranten. Diese Vereini- natürlichen Terrain erhöht angelegt werden muß: gung der Instrumente gewährt den grossen denn in eben dem Verhältnis, als das Mauerwerk Vortheil, daß bei Durchgängen die Antritte in eines Gebäudes höher wird, verstärkt sich auch den Fäden beider Instrumente gleich hinter ein- die untere Fläche der Grundmauer; folglich müssen ander beobachtet, und so ein Instrument durch bei hohen Unterbauten, die Grundmauern oft das andere, und eine Beobachtung durch die eine beträchtliche Breite erhalten, und mit den, andere, nach ein und eben derselben Uhr, berich- für die fixen Instrumente anzulegenden Quader- tigt werden können. pfeilern nothwendig zusammentreffen oder in 4, Bei einer Sternwarte mit welcher zugleich Verbindung kommen. Bei den berühmtesten eine Lehranstalt verbunden ist, müssen diejeni- Sternwarten, als zu Oxford, Greenwich und See- gen Instrumente mit denen der Astronom die berg, ist diese Regel befolgt, und in wie fern ihre feinen für das astronomische Publikum wichtigen Brauchbarkeit den Absichten entspreche, das Beobachtungen anstellt, von denjenigen getrennt zeigen die wichtigen Beobachtungen, welche werden, welche für den Unterricht bestimmt daselbst gemacht werden. sind. Dieses hat auf die Einrichtung des Gebäu- 8, Die Quaderpfeiler für das Passagen- des den grossen Einfluß, daß für diese Zwecke Instrument und Mauerquadranten, müssen ober- verschiedene, von einander abgesonderte Gemä- halb des Fußbodens eine solche Höhe erhalten, cher, angelegt werden müssen. daß die Instrumente so entfernt vom Fußboden 5, Der zweckmässige Gebrauch des Aequa- dazwischen eingelegt und daran befestigt werden toreal-Sektors, womit jeder Punkt des Himmels können, daß selbst die Beobachtungen im Ze- muß übersehen werden können, erfordert einen nith, mit keinen Unbequemlichkeiten für den möglichst freien Horizont, und eine besondere Observator verbunden seyn. Ein gewisses Maaß Vorrichtung seines Obdachs; welches sich, wie für die Höhe der Pfeiler, läßt sich nur alsdann das Dach einer holländischen Windmühle muß festsetzen, wenn die Grösse der Instrumente, drehen lassen, um die Weltkörper in jeder Lage oder vielmehr der Fernröhre bestimmt ist. Im verfolgen zu können. Es kann also dieses In- Allgemein gilt für die Befestigung der Instrumen- strument nicht in die Reihe der übrigen fixen te die Regel: daß die Seheröhre in senkrechter Instrumente gebrachte werden; sondern es muß Richtung, so entfernt vom Fußboden seyn dazu ein besonderes kleines Gebäude errichtet, müssen, daß ein Mann mit rückwärts gebogenem oder, wo ein beschränkter Horizont eine erhöhte Kopfe und kniend, das Auge bequem vor das Lage des Instruments nöthig macht, über der Seheröhr bringen, und im Zenith beobachten Mitte der Sternwarte, eine hervorragende Kup- könne. Hiezu werden drei Fuß und einige Zoll pel, angelegt werden. erfordert. 6, Die fixen Instrumente müssen auf beson- 9, Da bei allen absoluten Beobachtungen auf dere, von dem übrigen Mauerwerk des Gebäudes den richtigen Gang der astronomischen Uhren isolirte Quaderpfeiler gestellt werden. Wird diese alles ankömmt: so dürfen diese nicht auf den Vorsicht nicht gebraucht; und die Pfeiler werden freien Fußboden gestellt werden, sondern müs- mit dem Mauerwerk des Gebäudes in Verbindung sen auf Grundpfeilern ruhen, und oberhalb des aufgeführt: so ist die natürliche Folge, daß das Fußbodens, an aufgerichteten Quaderpfeilern geringste Senken oder Setzen des Mauerwerks, ihre Befestigung erhalten; damit sie vor jeder auf die Pfeiler, und also auch auf die daran be- möglichen Erschütterung gesichert seyen. findlichen Instrumente Einfluß hat; und bevor 10, Die Erfahrung lehrt, daß jede Abwechse- der Fehler entdeckt und gehoben wird, zu fal- lung von Wärme und Kälte den fixen Instrumen- schen Beobachtungen Gelegenheit gibt. Es kann ten nachtheilig werde; es dürfen daher die Zim- aber diese isolirte Anlage der Pfeiler nur alsdann mer worin diese aufgestellt sind, nicht geheizt 70 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten werden. Da aber für den Astronomen, zur Aus- Instrumenten, nach allen Weltgegenden frei beo- dauerung der Kälte in harten Winternächten, ein bachten zu können. Besonders wichtig ist das warmes Zimmer unentbehrlich ist: so muß dieses flache Dach, wenn eine Trigonometrische Lan- mit demjenigen, worin die häufigsten absoluten desvermessung unternommen werden soll; welche Beobachtungen gemacht werden, so nahe wie nothwendig von der Sternwarte durch Beobach- möglich in Verbindung stehen. tungen der terrestrischen Winkel und des Azi- 11, Eben so nachtheilig sind den fixen In- muths ausgehen muß. Auch wegen der zweck- strumenten die Veränderungen, welche man an mässigen Anlage der Durchschnittsklappen, ist den, von Bruchsteinen und Sandquadern aufge- ein flaches Dach wesentlich nothwendig; weil führten Gebäuden, bei Uebergängen von Frost diese Klappen bei einem hohen Dache zu zu Thauwetter, wahrnimmt; weil durch das Aus- schwehr, und das Oeffnen und Verschliessen schlagen der Mauerfeuchtigkeiten, die Metalle der derselben, zu lästig werden würde. Instrumente, und zuweilen auch die Gläser in 14, Eine jede Sternwarte, vorzüglich aber ei- den Fernröhren, anlaufen. Dieses zu verhüten, ne akademische, muß mit einem freien und etwas müssen die innern Wände der Zimmer mit erhöheten Platz umgeben seyn, um darauf mit Holzwerk vertäfelt werden; welches zugleich den beweglichen Instrumenten, freie Beobachtungen grossen Vortheil gewährt, daß die Zimmer im anstellen zu können. Bei Sonnen- und Mond- Sommer bei starker Hitze, und im Winter bei finsternissen, pflegt es immer eine Menge Lieb- heftiger Kälte, nicht so sehr den Einwirkungen haber zu geben, die eine solche Erscheinung der äusseren Luft ausgesetzt sind, sondern sich in durch astronomische Fernröhre zu beobachten einer gemässigten Temperatur erhalten, welches wünschen; auch zu andern Zeiten kommen wohl bei feinen Beobachtungen nicht unwichtig ist. zahlreiche Gesellschaften, um den gestirnten 12, Die Fußböden in den Zimmern der fixen Himmel zu mustern, wozu, so wie zur Prüfung Instrumente müssen aus einem starken Estrich- langer Fernröhre und zu detachirten Beobach- guß bestehen, deren Oberfläche genau nach der tungen, ein geräumiger Platz um die Sternwarte, Wasserwage abgeschliffen seyn muß. Fußböden sehr erwünscht ist. Der Herr Justizrath Schröter von Eichen oder Tannenbohlen zu ebener Erde, sagt: „Es gibt noch andere Rücksichten, die bei der schwinden von den Erdfeuchtigkeiten, wenn sie Anlage einer neuen Sternwarte, es der Klugheit gebieten, auch noch so sorgfältig mit trocknem Sand und auf einen freien Raum um das Gebäude, Bedacht zu Kohlenstaub unterlegt sind; durch das Schwin- nehmen. Denn wer bürgt uns dafür, daß scharfsinnige den aber, entstehen Unebenheiten, welche nicht Erfindungskraft, nicht noch astronomische Werkzeuge nur dem Observator läßtig, sondern auch der hervorbringen wird, die unsere Nachkommen eben so Stellung und Bewegung mancher Geräthe, hin- unentbehrlich halten werden, als wir die uns jezt bekann- derlich werden. Nicht besser sind die mit Stein- ten halten? Werkzeuge, die wahrscheinlich nicht in den platten belegten Fußböden: denn diese werden Gemächern der jetzigen aufgestellt werden können, son- nicht selten durch heftigen Frost in die Höhe dern eigene Bauvorrichtungen erfordern.“ Dazu muß gezogen; und bei veränderter Witterung erfolgt also Platz vorhanden seyn, und zwar für diesem kein so gleichmässiges Zurückziehen, daß der Zweck an der Ost- und Westseite, für obige Boden in einer genau wagerechten Fläche bliebe. Zwecke aber, an der Südseite. Wenn ich nicht irre, so hat der Freyherr von 15, In den Bemerkungen des Herrn Justiz- Zach in der Seeberger Sternwarte, zuerst Dielen raths Schröter heist es: Fußböden in den Zimmern der fixen Instrumen- te gehabt; aber aus jenen Ursachen wieder weg- „wenn eine Sternwarte ganz ihren Zweck erfüllen, und nehmen, und durch Gypsböden, ersetzen lassen. nicht blos des Nahmens, oder der Zierde wegen dastehen Diese Fußböden müssen mit wollenen Teppigen soll, so muß mit der seIben die Wohnung des Observators, belegt werden, um jedes Geräusch, welches entweder in unmittelbare Verbindung gesetzt, oder doch durchs Gehen, oder Umstellen der beweglichen derselben so nahe angelegt seyn, daß es nur wenige Augen- Werkzeuge entstehen kann, zu entfernen, damit blicke bedarf, um aus der Wohnung in die Sternwarte die Pendelschläge der Uhren jeden Augenblick kommen zu können. Dieses ist, nach den Urtheilen aller gehört werden können. ächten Kenner, ein so wesentliches Bedürfniß, daß es ge- 13, Das Dach einer Sternwarte muß so flach rathener seyn würde, den Bau der Sternwarte selbst, als wie möglich angelegt werden; um auf demselben die Miterbauung einer solchen Wohnung zu unterlassen. bei Windstillen Wetter, mit kleinen beweglichen Wenn der Beobachter auch noch so viel Neigung und Ge- Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 71 schicklichkeit zum Beobachten hat, so kann er doch ohne des Gebäudes äussert, als bei einer Sternwarte. sie, nur wenig, und oft gar nichts vollständiges leisten: Diesen Grad von Festigkeit zu erreichen, erfor- denn es treten bei Tage und des Nachts unzählbare Fälle dert in der Ausführung des Baues, um so mehr ein, da der Beobachter augenblicklich seine übrigen Ge- die größte Vorsicht und Aufmerksamkeit, da schäfte unterbrechen, und zu den Instrumenten eilen muß; dieses Gebäude in seinen Umfassungsmauern und wenn dieses nicht mit häuslicher Bequemlichkeit und der Bedachung, keinen Zusammenhang geschehen kann, so geht manche Beobachtung verlohren. erhält, sondern an mehrern Stellen getrennt wird. Bei einer akademischen Sternwarte, macht die Lehran- Diesen Zusammenhang, welcher für die Festig- stalt nur einen sehr geringen Theil von dem aus, was keit eines Gebäudes so äusserst wichtig ist, ver- geschehen muß; man erwartet von ihr originelle gute liehrt eine Sternwarte dadurch, daß in den, für Beobachtungen, und bei einer, an Instrumenten so vorzüg- absolute Beobachtungen bestimmten Zimmern, lich reichen Sternwarte, wie die Göttinger werden wird, sowohl in den südlichen als nördlichen Umfas- siehet ganz Europa dergleichen mannigfaltigenBeobach- sungsmauern, Meridian-Einschnitte angelegt tungen entgegen. Diese können aber nur alsdann geleistet werden müssen, welche sich auch durch das werden wenn die Wohnung des Direktors, in unmittel- Dach erstrecken; wodurch denn alle Verbindung barer Verbindung mit der Sternwarte steht. des Ganzen aufgehoben wird. Wenn diese Tren- Nach der jetzigen verfeinerten Astronomie, gibt es nung der Festigkeit des Gebäudes nicht zum aber Beobachtungswerkzeuge, und der mannigfaltigen Nachtheil gereichen soll: so muß bei der innern Beobachtungen so viele, daß der Direktor der Sternwarte, Einrichtung das Hauptaugenmerk dahin gerichtet unmöglich alles allein, bestreiten kann, sondern ein Ge- werden, daß, wenn mehrere Zimmer für fixe hülfe wesentlich notwendig ist. In Wien , Prag und bei Instrumente nöthig sind, diese nicht unmittelbar mehrern akademischen Sternwarten, die nicht den dritten neben einander, sondern in möglichst größten Theil so viele Werkzeuge haben, als die Göttinger besitzt, Entfernungen angelegt werden; damit die Durch- sind zwei Beobachter angesetzt; und der Erfolg ist, daß schnitte nicht nahe zusammentreffen. etwas geschiehet, was bei andern Sternwarten nicht gesche- Bequemlichkeit, welche durch die den Ab- hen kann.“ sichten entsprechende gute Anordnung der ver- schiedenen inneren Theile erhalten wird, ist einer Es muß also die Wohnung des Direktors Sternwarte eben so wesentlich nothwendig, als entweder von so geräumigen Umfang gebauet jeden andern Gebäude. Diese Eigenschaft wird werden, daß darin zugleich ein zweiter Obser- durch genaue Befolgung obiger Grundregeln, in vator die nöthigen Bequemlichkeiten finde, der Hauptsache erreicht; für einzelne Gegenstän- oder wenn dieses des Lokale oder anderer de aber, bleibt noch einiges zu bestimmen übrig, Rücksichten wegen, nicht ausführbar seyn soll- wohin vorzüglich folgendes gehört: te, eine besondere Wohnung für diesem 1, Die Anordnung der Thüren am Äussern Zweck errichtet werden. und Innern des Gebäudes. Es erfordert nicht Dieses sind die allgemeinen Grundsätze, wel- blos der Zweck, sondern auch die Bequemlich- che bei der Anlage und innern Einrichtung einer keit, daß die für die beweglichen Instrumente Sternwarte, die alle astronomische und andern bestimmten Zimmer, wenigstens nach Süden, Zwecke erfüllen soll, zum Leitfaden dienen. Hauptthüren erhalten, um mit den Instrumenten Die architektonischen Regeln, die bei den nahe vor, oder in den geöfneten Thüren, Beo- Entwürfen einer Sternwarte in Betracht kommen, bachtungen anstellen zu können. In dieser Rück- weichen im Allgemeinen von den, für jedes ande- sicht, müssen die Thüren eine beträchtliche, je- re Gebäude zu einem bestimmten Zweck, in doch gegen das Ganze, verhältnismässige Breite nichts ab. Festigkeit, Bequemlichkeit und Schön- und Höhe erhalten; wovon erstere zwischen 5 bis heit, sind die Haupteigenschaften eines jeden 7 Fuß, und letztere zwischen 13 und 16 Fuß, öffentlichen Gebäudes, und diese müssen sich betragen kann. besonders bei einer Sternwarte vereinigen. Wenn detachirte Beobachtungen angestellt Festigkeit muß jedes Gebäude haben: aber werden sollen, so müssen die Instrumente durch eine Sternwarte muß diese Eigenschaft in einem diese Thüren auf den Observations-Platz ge- so hohen Grade besitzen, als nicht leicht bei bracht werden: folglich muß dieser mit den Fuß- einem andern Bau nöthig ist; weil hier ein gerin- böden der Zimmer, in einer Horizontalfläche ges Senken einzelner Theile oder des Ganzen, liegen; weil im entgegengesetzten Fall das Aus- nicht den nachtheiligen Einfluß auf den Zweck und Einbringen der Instrumente, mit vielen Un- 72 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten bequemlichkeiten vergesellschaftet seyn würde. von 14 bis 15 Fuß erhalten. Diese Thür- und Bei Anordnung der inneren Thüren ist dahin Fensterhöhen, geben zugleich den Maasstab für zu sehen, daß sie der zweckmässigen Stellung der die Höhe des Gebäudes, welche, in architektoni- Instrumente nicht hinderlich seyn, und daß sie, schen Rücksichten, mindestens 20 Fuß betragen wo möglich, in Einer Linie liegen. Ihre Breite muß. Für diese Höhe stimmt auch der Freyherr muß der Breite der äussern Thüren gleich seyn; von Zach aus folgenden astronomischen Grün- damit die beweglichen Instrumente bequem aus den: einem Zimmer in das andere gebracht werden „Je mehr die Meridian-Einschnitte in den Zimmerdecken können: ihre Höhe aber, wird nach der Breite in entfernt bleiben, desto weniger wird der durch die Oeffnung dem Verhältniß wie 2 zu 3 bestimmt. Eben die- einströmende Wind, die Instrumente erreichen und in Be- ses Verhältniß kann auch bei den Haupt- wegung setzen können. Auch aus einem optischen Grunde Eingangsthüren in den mittleren Theil der ist es rathsam, die Objektive von diesen Oeffnungen zu Sternwarte, Anwendung finden; weil diese nicht entfernen: denn je grösser diese Entfernung ist, desto deut- dazu geeignet sind, Beobachtungen durch die- licher wird man bei Tage die himmlischen Körper sehen selben anzustellen. und scharf beobachten können. Ich glaube daher daß eine 2, Die Einrichtung der Fenster und Wetter- Höhe von 20 Fuß, unumgänglich nöthig sey.“ laden. In die Zimmer der fixen Instrumente, gehören auch einige bewegliche Sehewerkzeuge 4, Die Meridian-Einschnitte durch die Mau- zu detachirten Beobachtungen welche durch die ern und das Dach, müssen theils mit geraden – Fensteröffnungen angestellt werden. Dieses setzt theils mit schrägen Thüren und Klappen gegen aber eine freie Durchsicht voraus; und diese zu das Einwirken der Witterung verschlossen wer- erhalten, ist es wesentlich nothwendig, daß die den; und das Oeffnen derselben muß nicht nur Fensterrähme mit Leichtigkeit ganz weggeschafft mit Bequemlichkeit, sondern auch in der mög- werden können. Bei gewissen Beobachtungen am lichst kürzesten Zeit geschehen können. Tage, müssen die Zimmer der fixen Instrumente Zu den obern Theil der Kuppel muß eine be- zum Theil, und oft ganz, verfinstert werden; und queme Trepppe führen, deren Breite nicht unter dazu sind Blend- oder Wetterladen nöthig, womit 3 Fuß 6 Zoll, und die Stuffenhöhe nicht über 8 das Licht, nach den jedesmaligen Bedürfnissen, Zoll betragen darf. gestimmt werden kann. Diese Laden müssen sich Eine Sternwarte mit den oben bemerkten Ei- eben so leicht, wie die Fenster, entfernen lassen, genschaften der Festigkeit und Bequemlichkeit, welches aufs vollkommste dadurch erreicht wird, muß auch auf die Sinne einen angenehmen Ein- daß sowohl Laden als Fenster in ihrer halben druck machen; und dieses wird durch die Schön- Höhe getheilt, und nach Art der so genannten heit erreicht. englischen Fenster, mit Gegengewichten verse- Von den allgemeinen Regeln über die Schön- hen, und hinter die vertiefte und verkleidete heit der Gebäude, will ich nur diejenigen zum Brüstungsmauer, versenkt werden. Grunde legen, welche bei einer Sternwarte, die Um das Licht noch mehr in seiner Gewalt zu auf Architektur, und einen ihr entsprechenden haben, sind auch Vorhänge nöthig; die jedoch Charakter einigen Anspruch machen soll, nicht durchsichtig seyn, und daher aus weisser Leine- dürfen aus der Acht gelassen werden. wand oder Flanell bestehen müssen. Schon im ersten Abschnitt sind die astrono- 3, Nach dem Vorhergehenden, werden in den mischen Gründe angegeben, warum eine Stern- Zimmern so wohl der fixen als der beweglichen warte nicht in einem Thal, sondern auf einer An- Instrumente, durch die Thür- und Fensteröff- höhe gebauet werden muß. Hier kömmt dieser nungen, Beobachtungen gemacht: folglich ist die Gegenstand in architektonischen Rücksichten aufs Höhe der Thüren und Fenster nicht willkürlich, neue in Betrachtung. Daß eine den Zwecken des sondern muß sich nach der Polhöhe jedes Orts Gebäudes angemessene Lage, grossen Eindruck auf richten; um mit einem, nahe vor die Oeffnung unsere Sinne macht, und daß ein erhöht liegendes gebrachten Instrument, die Höhe jedes Planeten, Gebäude, die Blicke der Vorübergehenden weit zu jeder Jahreszeit, und in allen Lagen, erreichen mehr auf sich zieht, als ein niedrig liegendes, wird zu können. Göttingens Polhöhe ist 51 Grad 32 wohl Niemand zu leugnen wagen. Es ist also eine Minuten; es müssen also zur Erreichung jenes Anhöhe der schicklichste Ort für ein Gebäude, das Zwecks, die Thür- und Fensteröffnungen, vom Sensation machen soll: vorzüglich schicklich aber Fußboden des Zimmers angerechnet, eine Höhe für eine Sternwarte mit welcher immer der Begriff Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 73

Abb. 26: Teil des Entwurfs von 1802, der den Querschnitt durch den Zentralteil der Sternwarte mit Details der Mechanik für die damals neuartige Drehkuppel zeigt. Die mechanische Funktion wurde von Borheck nicht be- schrieben und sollte vermutlich während des Baues weiterentwickelt werden. Müllers später realisierte Kuppelkon- struktion war bekanntlich mangelhaft und eine funktionsfähige Drehkuppel erhielt die Sternwarte erst beim Umbau 1887/88. Die zentrale Säule in der Eingangshalle, die das Gewicht des Fernrohres erschütterungsfrei aufnehmen sollte, wurde noch von Borheck zugunsten eines Gewölbes über der Eingangshalle aufgegeben, auf das sich die Fernrohrmontierung abstützt. Dies erlaubte eine repräsentativere Gestaltung der Halle. Abb. 27: Detailzeichnung des Triebwerks zum Drehen der Kuppel von 1803. Die rechts oben eingefügte Nach- schrift Borhecks lautet: NB. Das Stirnrad (gemeint ist Rad C) muß kleiner werden, wenn ein Aequatoreal-Sektor in die Kuppel kömt; weil alsdann der Fußboden noch um 3½Fuß höher gelegt werden muß. Die Funktionsfähigkeit ist schwer einzuschät- zen, denn sie zeigt eine Handkurbel, mit der sich das Triebwerk schwerlich in Bewegung setzen ließe. Abb. 26 dagegen zeigt eine notwendige Untersetzung sowie ein großes mit Handgriffen versehenes Rad, mit dem man die Kuppel vermutlich hätte drehen können. Auch Repsolds Kuppel von 1887/88 enthält eine eisernes „Steuerrad“ zum Drehen der Kuppel, das funktionsfähig ist, aber das nicht benutzt werden darf, weil damit die Blitzableiter der Kuppel beschädigt würden. Die Kuppel war 1945 undicht geworden und wurde zugeschweißt. Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 75 einer weiten unbeschränkten Aussicht verbunden raum haben, und dem einen Zimmer etwas an ist. Je höher also eine Sternwarte gestellt werden Grösse zulegen, und den andern abnehmen kön- könnte, je grösser müsste der Eindruck seyn, den nen. Dieses findet hier aber nicht Statt; denn jedes sie auf unsere Gefühle machte; aber eine solche fixe Instrument erhält seinen bestimmten Platz; Lage läßt sich nicht immer mit den Zwecken ver- der wegen der Meridianurchschnitte, auch nicht einbaren, wovon die Gründe im ersten Abschnitt um einen halben Zoll verändert werden darf. Es angegeben sind. Indessen macht ein freistehendes müssen also die Grössen der Zimmer, genau nach Gebäude, auch ohne auf einer beträchtlichen An- den darin aufzustellenden Instrumenten und übri- höhe zu stehen, immer einen gefälligen Eindruck, gen zum Beobachten erforderlichen Bedürfnissen, wenn nur nicht ein zu beschränkter Raum, dasselbe ausgemittelt werden. umgibt. Das erste Augenmerk bei dem Entwurf dieses Jedes öffentliche Gebäude, muß einen seiner Gebäudes Taf. I, muß auf den mittleren Theil Bestimmung angemessenen Charakter haben. So gerichtet werden: weil sich dieser von den übri- muß z.B. eine Kirche ein feierliches Ansehen gen durch eine Kuppel auszeichnen soll, worin erhalten: ein Pallast, und vorzüglich die Woh- ein fixes Instrument einen zweckmäßigen Stand- nung des Landesfürsten, muß einen Eindruck punkt finden kann. Da aber, ausser diesem fixen von Würde und Grösse machen; ein Prachtge- Werkzeuge noch ein bewegliches zum Aufsuchen bäude muß Pracht und Reichthum zeigen; ein der zu beobachtenden Gegenstände, so wie eine Zeughaus und Stadtthor männlichen Ernst; ein Uhr, ein Schreibpult und ein Paar Stühle, Platz Gefängniß, so wie ein Zuchthaus muß Schauder haben müssen; und überdies der Treppenaustritt erregen; und ein Wohnhaus, so wie ein Land- und die Vorrichtung zum Drehen des Kuppel- haus, muß ein gefälliges und angenehmes Anse- dachs, den Raum beengen: so darf die innere hen haben. Es gibt also eben so viel verschiedene Weite oder der Durchmesser der Kuppel, nicht Charaktere, als es verschiedene Arten der Ge- weniger als 20 Fuß betragen. Im gegenwärtigen bäude gibt (Zeichnungen aus der schönen Bau- Fall sind 22 Fuß für den inneren - und durch kunst von Dr. Stieglitz). Zusetzung zweier Mauerdicken, 26 Fuß für den Aber welchen Charakter muß eine Sternwarte äussern Durchmesser angenommen worden. haben? Diese Frage finde ich nirgends beantwor- Dieses Maaß ist die Grundlage zur Grösse tet; ich glaube aber daß ein edler fester Charakter, des mittleren Theils. Da aber der Kuppelmauer der auf die Einbildungskraft wirkt, und Stoff zum mit Recht der Fehler einer Schwäche würde vor- Nachdenken gibt, der Bestimmung dieses Ge- geworfen werden, wenn man sie nach diesern bäudes am angemessensten seyn dürfte. äussern Durchmesser von dem Fußboden des Symmetrie und Eurhytmie im Ganzen so wie Eintritts an, ohne alles Mauerrecht aufführen in den einzelnen Theilen des Gebäudes, machen wollte: so müssen jenen 26 Fuß, noch auf jeder immer einen edlen Eindruck; und dieser kann Seite 8 bis 9 Zoll, zur Verstärkung der Mauer, durch zweckmäßige Anwendung einer Säulen- zugesetzt werden. ordnung, noch erhöhet werden. Da indessen hier Nach dem Lokale dieser Sternwarte, würde nur von einer besonderen Gebäudeart die Rede dem mittlern Theil zur Rechten, das Zimmer ange- ist; so würde es überflüssig seyn, mehr über die- legt werden müssen, worin die zum Unterricht sen Gegenstand zu sagen. Ich gehe also zur Er- bestimmten fixen Instrumente aufgestellt werden. läuterung der Entwürfe über, bei denen die im Diese bestehen aus einem kleinen Passagen-In- Vorhergehenden bemerkten Regeln und Eigen- strument, und einern südlichen und nördlichen schaften, zum Grunde liegen. Mauerquadranten: Das Passagen-Instrument be- Nicht leicht kömmt es bei der innern Einrich- kömmt den vortheilhaftesten Stand genau in der tung eines Gebäudes auf eine so äuserst pünktli- Mitte des Zimmers, wie durch die beiden Quader- che Erfüllung der Zwecke an, als bei einer Stern- pfeiler A – B angegeben ist, deren Entfernung von warte. Hier müssen alle Abtheilungen nicht nur einander, nach der Länge der Axe bestimmt werden sehr genau den Bedürfnissen angemessen seyn, muß. Für dieses Instrument, und für die beiden sondern auch so neben einander gestellt werden, Mauerquadranten C und D, wird ein gemeinschaft- daß sie bei ihrer Benutzung alle Vortheile und licher Meridian-Durchschnitt durch die Umfas- Bequemlichkeiten darbieten. Dieses fordert man sungsmauern bei a und b angelegt, dessen Weite, in aber von jedem anderen Gebäude auch; allein man Rücksicht der drei Durchsichtslinien, 12 Zoll betra- wird dabei doch immer weit mehr freien Spiel- gen muß. Diesen Durchschnitten werden die Qua- 76 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten derpfeiler der Mauerquadranten so nahe gebracht, Unmittelbar mit diesen Zimmer muß ein zweites als es die isolirte Lage der Grundpfeiler von den für die grösseren beweglichen Instrumente in Ver- Grundmauern des Gebäudes, verstattet. bindung stehen; dessen Breite von jenem zwar Nach der Grösse des hiesigen Mauerquadran- verschieden, aber doch nicht viel geringer seyn ten von 6 englischen Fuß, muß jeder Quaderpfei- kann. Dieses Zimmer F muß nach Süden eine dop- ler oberhalb des Fußbodens, 7 Fuß 6 Zoll Länge, pelflüglichte Thür von mindestens 6 Fuß Breite 3 Fuß Dicke und 10 Fuß Höhe erhalten. Bei ihrer erhalten; um durch diese die Instrumente auf die Stellung ist zu bemerken, daß sie dem Observa- südliche Terrasse fahren zu können. In der östli- tor zur Rechten stehen; weil es nur wenige Men- chen Seite werden zwei Fenster angelegt, durch schen gibt, die mit dem linken Auge durch die welche detachirte Beobachtungen gemacht werden; Fernröhre beobachten. wenn bei windigem Wetter die Instrumente nicht Die Richtung derselben gegen die Einschnit- auf die Terrasse gebracht werden dürfen. te, muß nach dem Durchmesser des Fernrohrs, So wie auf der rechten Seite des mittlern und den Abstand der Gradfläche von dem Pfei- Theils, die beiden Abtheilungen für den Unter- ler, bestimmt werden. Bei den hiesigen Quadran- richt angelegt sind, so sind auf der andern Seite ten, hat das Fernrohr sehr nahe 3 Zoll Durch- zwei gleich große Zimmer zu den feinen Beob- messer, und die Gradfläche steht 4 Zoll von den achtungen erforderlich. In dem Zimmer G, wel- Quaderpfeiler ab. Nach diesen Maassen muß ches für einen Bordaischen Kreis und ein grosses jeder Pfeiler zwei Zoll hinter die Durchschnitts- Passagen-Instrument bestimmt ist, wird durch öffnung zurücktreten, um von derselben durch das die Mitte ein Meridian-Durchschnitt c – d von 12 Fernrohr nur so viel zu bedecken, als die freie Zoll Breite nöthig. Zunächst dem südlichen Ein- Durchsicht erfordert; damit für das Passagen- schnitt c, wird der runde Quaderpfeiler H von 8 Instrument eine völlig freie Durchsicht bleibe. Fuß im Durchmesser, zum Standpunkt des ganzen Die Uhr E dient so wohl bei Beobachtungen Kreises angelegt. Hinter diesen kommen die beiden mit dem Passagen-Instrument an dem südlichen- Quaderpfeiler J für das Passagen-Instrument, und und nördlichen Himmel, als auch mit dem süd- seitwärts, dem Observator zur Rechten, die Uhr K; lichen Mauerquadranten. Sie muß daher einen deren Lage so bestimmt wird, daß sie den Beob- solchen Standpunkt haben, daß sie von dem Ob- achter, wenn er den Kopf seitwärts beugt, im servator bei jeden dieser Fälle übersehen werden Auge stehe. Da aber auch, bei Umdrehung des kann. Deutlicher ist die Lage dieser Verschiede- Seherohrs nach Norden, so wie bei Beobachtun- nen Werkzeuge auf Taf. III − Fig. 1 − nach ei- gen mit dem Bordaischen Kreise − wenn dafür nem grösseren Maasstaabe vorgestellt; wo sie mit nicht eine besondere Uhr aufgestellt wird − die gleichen Buchstaben bezeichnet, und auch die ver- Uhr ins Gesicht fallen muß: so muß nach diesen schiedenen Gesichtslinien angegeben sind, wonach verschiedenen Rücksichten der Stand der Uhr der Stand der Uhr in E bestimmt werden muß. ausgemittelt und so gerichtet werden, wie in K Nach dieser festgesetzten Stellung der In- das Passagen-Instrument in F, kann noch ein strumente, und bei der Nothwendigkeit, daß auf beweglicher Quadrant oder ein Geotheodolit in allen Seiten derselben für mehrere Personen, wel- die Mittagsfläche gestellt, und daselbst gebraucht che in dem Gebrauch dieser Werkzeuge unter- werden. Der übrige Raum dieses Zimmers, dient richtet werden, so wie für einige bewegliche In- zu den oben specificirten kostbaren kleineren strumente und andere Bedürfnisse, Raum vor- Werkzeugen, die nicht in den der Lehranstalt ge- handen seyn muß; und daß, theils zur Erleuch- widmeten Gemächer aufbewahrt werden dürfen; tung des Zimmers, theils zu detachirten Beo- und an den Wänden können Glasschränke für die bachtungen, auf jeder Seite des Meridian- astronomische Bibliothek angebracht werden. Durchschnitts, ein Fenster wesentlich nöthig ist, In die Abtheilung L kommen diejenigen be- läßt sich leicht ermessen, daß diese Gemach nicht weglichen Instrumente, deren sich der Direktor weniger als 20 Fuß Breite und 33 bis 34 Fuß der Sternwarte zu den feinern Beobachtungen Tiefe im Lichten, erhalten dürfe. bedient. Bei nicht so reich dotirten Sternwarten,

Abb. 28: Tafel I. Grundriss des zweiten Entwurfs Borhecks, der für die Erstellung des Fundaments der Sternwarte benutzt wurde und die tatsächliche spätere Raumaufteilung weitgehend korrekt wiedergibt. In der Bauausführung durch Müller wurde die Anordnung der Innen- und Außentreppen sowie einige Wände in den Wohntrakten geän- dert. Dieser Grundriss wird in zweiten Abschnitt des Manuskripts (S. 76 ff) ausführlich beschrieben. Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 77

[Bild nur Stand,. DINA3 Klappseite eineziehen

Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 79 oder da, wo mit derselben die Wohnung des f - g, für das Gesinde bestimmt werden. Ein Be- Astronomen nicht unmittelbar in Verbindung suchzimmer und einige Kammern, so wie eine gesetzt werden kann, brauchte dieses Zimmer Stube und Kammer für den Observatorienwärter, nicht so groß zu seyn, sondern es könnte davon würden die Halbetage ausfüllen, und im Souter- ein Schreibkabinet abgenommen werden, wel- rain findet sich nicht nur der nöthige Raum zur ches mit einen Ofen versehen werden müßte. Küche, Speisekammer und Keller, sondern auch Dieses Kabinet würde alsdann mit den Zimmer für ein Waschhaus zum Gebrauch beider Familien. G durch eine besondere Thür in unmittelbare Diese ganze Anlage umgibt eine Terrasse, Verbindung gesetzt, so daß der Observator in deren Breite nach der West-, Süd- und Ostseite, harten Winternächten jede Beobachtung mit 40 Fuß, und ihre Höhe von den natürlichen Gemächlichkeit abwarten könnte. Weit zweck- Boden an gerechnet, 6 Fuß beträgt. Die äuseren mässiger ist es aber, wenn die Wohnungen der Grenzen sind mit Quaderdocken besetzt, welche Observatoren, mit der Sternwarte vereinigt sind, durch eiserne Stäbe mit einander vereinigt sind, wie hier durch die beiden Flügel M und N ge- und ein Brustgeländer bilden. Zu dieser Terrasse- schehen ist. führt eine Freitreppe, die auf die Mitte der Der westliche Flügel M ist zur Wohnung des Sternwarte gerichtet ist.1 Direktors bestimmt, dessen Studierstube a, mit Zu freien Beobachtungen mit parallaktischen der Sternwarte in unmittelbarer Verbindung Instrumenten dienen die dreieckigten Quader- steht; folglich kann er jeden Augenblick zu den pfeiler m und n, auf welche die Instrumente Instrumenten kommen. Neben der Studierstube gleich so aufgestellt werden können, daß sie in ist eine Kammer b, und an dieser ein Besuchs- ihre richtige Lage kommen. Die Entfernung zimmer c. Auf der andern Seite ist die Wohnung dieser Pfeiler von dem Gebäude, muß so viel d und Schlafkammer e. Zwischen dem Besuch- betragen, daß die darauf stehenden Instrumente zimmer und der Wohnstube, ist ein Vorzimmer f die grösste amplitudo ortiva und occidua beherr- welches in g eine Glasthür hat, die zur Terrasse schen; demnach dient der Pfeiler m für den süd- führt. Die Stube h und Kammer i, ist für das östlichen − und der Pfeiler n für den südwestli- Gesinde bestimmt; und hinter diesen Zimmern chen Himmel. liegt ein Gang k, der zum Einheitzwinkel dient, So viel im Allgemeinen über die Anlage und und zum Abtritt l führt. Die Küche, Speise- innere Einrichtung einer Sternwarte, die mit der kammer und Keller, faßt das Souterrain, und eine Lehranstalt zugleich die Vervollkommnung und Stube und Kammer für erwachsene Kinder, so Erweiterung der Wissenschaft, vereinigen soll. wie Wäsch- und Vorrathskammern finden sich in Jetzt sind noch die speciellen architektonischen der Halbetage; folglich hat dieser Flügel alle Be- Verhältnisse zwischen den verschiedenen Abthei- quemlichkeiten, die einer vollkommenen Haus- lungen, auszumitteln übrig, damit das Äussere haltung wesentlich sind. des Gebäudes seiner Bestimmung entsprechend In dem östlichen Flügel N liegt unmittelbar an werde. Zur Erreichung dieses Zwecks, soll hiebei der Sternwarte, der theoretische Lehrsaal a. Hin- die dorische Säulenordnung zum Grunde gelegt ter demselben ist eine Stube b und Kammer c für werden, weil diese dazu geeignet ist, einem Ge- den zweiten Observator. Wenn man annehmen bäude nicht nur ein dauerhaftes, sondern auch dürfte, daß der zweite Beobachter immer ein ein edles Ansehen zu geben. unverheiratheter Mann sey, so würde derselbe Es sind schon oben die Gründe angeführt, wa- mit zwei Stuben und Kammern, und eine Woh- rum eine Sternwarte nicht unter 20 Fuß Höhe im nung für den Aufwärter ausreichen können: aber Lichten erhalten dürfe; um also jenen Forderungen diese Voraussetzung würde gegen das Interesse Genüge zu leisten, sollen für die äussere Gebäude- dieser wichtigen Anstalt seyn, weil sie manchen höhe 22 Fuß angenommen werden. Aus dieser geschickten Mann zurückhalten würde, eine Stel- festgesetzten Höhe ergibt sich der Maßstab oder le anzunehmen, die ihn, der eingeschränkten der Model, nach welchem so wohl der Grund als Wohnung wegen, von den Genuß häuslicher Aufriß des Gebäudes, entworfen werden muß. Freuden ausschlösse. Es ist daher der Klugheit Bekanntlich wird die Höhe einer dorischen gemäß, die Wohnung des zweiten Beobachters so Säule ohne Säulenstuhl, in 20 Theile getheilt, einzurichten, daß sie für eine Familie zureiche. d e Demnach würde die Stube und Kammer 1 Redaktion: Streichungen im Text zeigen, zeigen, dass − wie auf für die Hausfrau, und die Stube nebst Kammer Taf. I erkennbar − zunächst drei Freitreppen geplant waren. 80 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten wovon das Gebälke vier Theile, und die Säule mit So bald ein Gebäude nach einer gewissen Fuß und Kapitäl 16 Theile erhält. Ein solcher Säulenordnung gebauet werden soll, und der Theil ist der Model, welcher nach Werkmaaß Model derselben festgesetzt so ist, auch die Höhe 13 Zoll und eine Kleinigkeit mehr beträgt. des Gebäudes bis an das Dach, in den einzelnen Nach diesem Modelmaaß, bekömmt der mittle- horizontalen Abtheilungen, ganz genau be- re Theil, worauf die Kuppel ruhet, 25 1/3 Model; stimmt. Bei der dorischen Ordnung bekömmt jede zunächst liegende Abtheilung 21 1/3 und jedes der Säulenfuß einem Model, der Säulenschaft 13 Eckzimmer 20 2/3; also beträgt die Länge des Ge- 1/2, das Kapitäl 1 1/2, der Unterbalken Einem, bäudes überhaupt 109 1/3 Model, oder nach der Fries 1 1/3, und das Kranzgesims 1 2/3 Mo- Werkmaaß gerechnet, 118 Fuß 5 1/3 Zoll. del zur Höhe. Die Tiefe des Gebäudes kann wegen beque- Die Gründe, warum dieses Gebäude ein plat- mer Stellung der fixen - und beweglichen In- tes Dach erhalten muß, sind bereits oben ange- strumente, besonders in den zur Lehranstalt geben. Es müssen aber doch die Dachflächen bestimmten Zimmer nicht geringer als 37 Model eine geringe Neigung zum Abzug des Regens angenommen werden, welches nach Werkmaaß haben; und da unter gewissen Umständen auf 40 Fuß 1 Zoll beträgt. dem Dache Beobachtungen angestellt werden Für dieses 22 Fuß hohe Gebäude, darf die sollen: so muß noch ein besonderer horizontaler Mauerdicke, in Rücksicht der hiesigen Bruchstei- Dielenboden über das Dach gelegt werden, um ne, nicht unter 3 Fuß angenommen werden. bequem darauf gehen, und die Instrumente si- Demnach erhält jedes Eckzimmer 34 Fuß, und cher aufstellen zu können. Um diese wesentliche jedes der für die fixen Instrumente bestimmten Vorrichtung dem äusseren Anblick zu entziehen, Zimmer, deren äussere Mauern um 3 Zoll zu- und zugleich eine Brustwehr um das Dach zu rücktreten, 33 Fuß 6 Zoll Tiefe im Lichten. erhalten, wird ein Geländer oder eine Ballustrade Der mittlere Theil des Gebäudes, bildet beim nothwendig, deren Höhe 4 Model betragen muß. Eintritt von der Südseite, einem runden Vorplatz Durch diese Anordnung gewinnt das Gebäude C, aus welchem man in die angränzenden Zim- nicht nur an seiner scheinbaren Höhe ausseror- mer der fixen Instrumente, so wie zu dem Kabi- dentlich, sondern sein Charakter wird auch da- net gelangt. Um so wohl den nöthigen Raum für durch genauer bestimmt, indem es den Laien die Treppe, als auch einen bequemen Zugang hinter der Ballustrade etwas vermuthen läßt, was nach den obern Kuppelzimmer zu gewinnen, ihm zum Nachdenken Gelegenheit gibt. muß die nördliche Seite des mittlern Theils, einen Um auf dem Dache eine möglichst freie Vorsprung von 4 2/3 Modell erhalten. Communikation zu haben, ist über der Säulen- Zur Erleuchtung der Treppe auf der einen − laube kein Fronton angeordnet. Dadurch ist und des Kabinets P auf der andern Seite, dienen zugleich der Vortheil erreicht, daß in der Unter- die, neben der Hauptthür angelegten schmalen satzmauer der Kuppel, eine zum Dach führende Fenster, deren Breite 2 1/4 Model beträgt. Die Thür, nach Süden, angelegt werden kann; wel- übrigen Fenster erhalten 4 1/2 Model, und die ches im entgegengesetzten Fall, entweder an der Haupt- und inneren Thüren 5 2/3 Model zur Ost- oder Westseite geschehen müßte, die aber Breite im Lichten. wegen der Dachfläche, nicht so bequem aus Bei der Lage der Kuppel über der Mitte des fallen könnte. Der nördliche Vorsprung, worin Gebäudes, würde die südliche Mauer eine un- zum Theil die Kuppel treppe liegt, muß ein Fron- verhältnißmässige Dicke erhalten, wenn man sie bis ton erhalten; für dessen senkrechte Dachhöhe an die vordere Linie vortreten liesse. Diese Un- der fünfte Theil der Gesimslänge, zwischen den zweckmässigkeit wird dadurch vermieden, wenn beiden Ausladungspunkten, angenommen ist. man die Mauer nicht weiter vorspringen läßt, als es Die Brüstung der Fenster ist, vom Fußboden die Grösse der Kuppel erfordert, und den freien der Zimmer an gerechnet, 3 Model hoch: und die Raum, von der vordern Gebäudelinie, bis an die Fensterhöhe, in dem Verhältniß wie 2 zu 5 be- eben bestimmte Gränze, in eine Säulenlaube ver- trägt 11 1/4 Model, oder 12 Fuß 2 Zoll Werk- wandelt. Dadurch erhält das Gebäude nicht nur maaß. Nach der, der dorischen Ordnung ei- eine grosse Zierde, sondern es wird auch der ihm genthümlichen Regel, sollte die Höhe der Fenster eigenthümliche Charakter schärfer bezeichnet, wie zur Breite, sich wie 2 zu 1 verhalten; allein hier aus dem Aufriß Taf. II − A, deutlich in die Augen wird diese vermehrte Höhe wesentlich nothwen- fällt; zu dessen Erläuterung ich jetzt übergehe. dig, um mit den Instrumenten, aus den Fenster 81

Abb. 29: Souterrain und Erdgeschoss des Westflügels der Sternwarte. Küche und Speisekammer sind im Sou- terrain untergebracht, eine Waschküche im Souterrain des Ostflügels. Das Erdgeschoss des Westflügels war die Wohnung der Familie Gauß. Links unten im Uhrzeigersinn beginnend findet man die Studierstube von Gauß, eine Kammer, das Besuchszimmer (Sterbezimmer von Gauß), ein Vorzimmer (Flur), die Wohnstube der Familie Gauß, eine Kammer, die Kammer und Stube für das Gesinde und den Vorplatz mit Treppenaufgang ins Ober- geschoss. Zu den beim Bau erfolgten Änderungen gegenüber diesem Entwurf siehe die Fußnote auf S. 39. 82 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

öffnungen, hoch genug am Himmel, beobachten abzuhalten; weil durch die geöffnete Durch- zu können. schnittsklappe in dem beweglichen Kuppeldache, Die äusseren Thüren der beiden Eckzimmer, Licht genug einfällt. müssen eben so hoch als die Fenster herauf gehen; Der Meridian-Durchschnitt des Kuppeldachs, folglich erhalten diese eine Höhe von 14 1/4 Model geht nicht, wie in den untern Zimmern der fixen oder 15 Fuß 5 Zoll im Lichten. Das Verhältniß Instrumente, vom südlichen Horizont bis zum dieser Thüren, deren Breite 6 Fuß 1 2/3 Zoll be- nördlichen, sondern nur vom ersteren bis zum trägt, kann man eben so wenig, wie das der Fenster, Zenith; weil durch das Drehen des Dachs, die unter die schönen rechnen; weil sie gegen ihre Brei- Durchschnittsöffnung in jede Lage gebracht te etwas zu hoch sind; allein der Zweck muß dieses werden kann. geringe Mißverhältniß rechtfertigen. Eine ganz an- Die westliche Ansicht der Sternwarte, und die dere Bewandniß hat es mit der mittleren Hauptthür. damit in Verbindung stehende Wohnung des Direk- Diese ist nicht, wie jene, dazu bestimmt, in dersel- tors, nebst der vorliegenden Terrasse, ist in B darge- ben mit beweglichen Instrumenten Beobachtungen stellt. anzustellen, sondern dient blos zum Eingang in das Die äussere Façade der Wohnung hat bei ih- Gebäude. Es bedarf daher diese keine so beträchtli- rer Simplicität doch etwas gefälliges, und deutet che Höhe, sondern kann in ihren geraden Gewän- auf einen Bewohner, der nicht im Geräusch und den, in dem Verhältniß wie 2 zu 3 angelegt werden. grossen Verhältnissen, sondern in einer gewissen Diese mindere Höhe läßt oberhalb der Thür, noch häuslichen Zufriedenheit lebt, und seine Zeit ein freies Feld übrig; welches sehr zweckmässig zu den Wissenschaften widmet. Dieser Eindruck einer Inscriptionstafel genutzt werden kann. würde noch verstärkt worden seyn, wenn dem Die Meridian-Durchschnitte, müssen von der ersten Stockwerk eine etwas grössere Fenster- inneren Fußbodenfläche an gerechnet, in einer höhe hätte können gegeben werden; allein Höhe von 5 Fuß, ihren Anfang nehmen; damit dieses war bei der angenommenen Regel das das Auge des Beobachters die freie Durchsicht in Mauerwerk der Wohnung nicht höher, als das horizontaler Richtung habe. Diese Durchschnitte der Sternwarte aufzuführen, unmöglich, wenn gehen in einer Breite von 12 Zoll, loth- und win- anders die Halb-Etage auch noch nutzbar werden kelrecht durch die Mauern, so wie durch die sollte. Bei den jetzigen Verhältnissen, hat das Bedachung, und werden gegen Wind und Wetter, untere Stockwerk 10 Fuß 6 Zoll, und die Halb- durch Thüren und Klappen geschützt. Etage 8 Fuß 6 Zoll Höhe im Lichten; und die Der äussere viereckigte Umfang der Kuppel- Fenster des ersten sind 6 Fuß und die des letzten mauer, geht in dieser Form bis zur Höhe des 3 Fuß 6 Zoll hoch. hintern Frontondachs, und bildet den Untersatz Die Fußböden der untern Zimmer in der der Kuppel. Auf diesem Untersatz fängt die Wohnung, liegen mit der oberen Zockenlinie Rundung der Kuppelmauer an, und bekömmt gleich: in der Sternwarte aber, liegen sie um, die zunächst eine zwei Fuß hohe Plinte. Die Höhe Zockenhöhe niedriger; folglich müssen aus dem der Hauptmauer steht mit dem Durchmesser in Studierzimmer des Direktors, und aus dem theo- dem Verhältniß wie 1 zu 3, welches nach Werk- retischen Lehrsaale, zwei Stuffen zu den Eck- maaß 8 Fuß 8 Zoll beträgt. Ein 12 Zoll hohes zimmern angelegt werden, wie solches auch im Kranzgesims begränzt diese Mauer, und auf den- Grundriß Taf. I, in den Communikationsthüren selben nimt das bewegliche Kuppeldach seinen in p angegeben ist. Anfang, welches 10 Fuß senkrechte Höhe hat; Damit bei Beobachtungen auf dem Sternwar- folglich keine vollkomne Halbkugel bildet. tendache, die freie Aussicht nicht zu sehr be- Die Fenster in der Kuppelmauer sind nach schränkt wird: so ist zur senkrechten Dachhöhe den vier Weltgegenden gerichtet, und gewähren der Wohnungen nur der vierte Theil von der Tie- den Vortheil, daß durch selbige mit kleinen be- fe des Gebäudes angenommen; welches auch um weglichen Instrumenten Beobachtungen ge- so füglicher geschehen kann, da diese Dächer, macht, und Gegenstände für das Hauptinstru- der Dauer und Zierde wegen, mit Schiefersteinen ment aufgesucht werden können. Da aber bei gedekt seyn müssen. Diese geringe Dachhöhe Sternbeobachtungen am Tage, das, durch diese verstattet nicht, die zum Haushalt nöthigen Fenster einfallende Licht, dem Beobachter Wäsch- und Vorräthekammern in dem Boden- nachtheilig werden würde, so müssen Laden und raum anzubringen; und das ist die Ursache, wa- Vorhänge angebracht werden, um das Seitenlicht rum selbige in die Halb-Etage verlegt sind. Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 83

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selbst das grösste Lastgebäude, sicher gegründet und aufgeführt werden könne, wird kein Kunst- verständiger in Zweifel ziehen. Wenn die Damm- Dritter Abschnitt und Lehmlage ausgegraben, und auf den festen Kiesboden die Grundmauern angelegt werden, so ist ein Zusammendrücken des Bodens, durch Über die Ausführung des Baues die aufgesetzte Last, undenkbar; und es kann bei einer sorgfältigen Wahl der Materialien, und re- gelmässigen Aufführung der Grundmauern, gar kein anderes Senken oder Setzen eintreten, als was man von jedem, aus Bruchsteinen bestehen- Es ist eine bekannte Regel, daß die genaue den Mauerwerk, erwartet, ohne davon den ge- Untersuchung des Grundes, der Ausführung des ringsten Nachtheil für das Gebäude befürchten Baues vorangehen müsse, um nach Beschaffen- zu dürfen. Wäre der, unter der Dammerde be- heit der mehr oder mindern Festigkeit des Bo- findliche Lehmboden, mehr bindend gewesen, so dens, beurtheilen zu können, wie tief und in wel- hätte diese Lehmlage nicht einmal bis auf den cher Stärke, die Grundmauern angelegt werden Kiesboden, sondern nur zwei bis höchstens drei müssen. Die Festigkeit, als die Haupteigenschaft Fuß tief dürfen ausgegraben werden: aber wegen eines Gebäudes, beruhet lediglich auf einem dieser sandigen Lehmart, und bei der Wichtigkeit dauerhaften Grunde; und jeder dabei begangene des Gebäudes, ist die Lehmlage ganz, und die obere Fehler, der entweder durch einen nicht ganz Fläche der Kiesschicht ausgeworfen worden; wo- erreichten festen Boden, oder durch fehlerhafte durch denn der Grundgraben an der Westseite, wo Aufführung der Grundmauern entsteht, wird das Terrain am niedrigsten war, 7 Fuß und an der dem Gebäude nachtheilig. Besonders wichtig ist Ostseite, als dem höchsten Punkt, 8 Fuß Tiefe der Grundbau bei einer Sternwarte, und es muß, erhielt, um das Fundament genau wagrecht zu le- so wohl bei Beurtheilung des Bodens, als bei gen. Bei dieser Tiefe des Grundes, mußte die Aufführung des Mauerwerks, weit mehr Vorsicht Grundmauer in zwei Absätzen aufgeführt werden, angewendet werden, als bei jedem andern Ge- davon dem untern 4 Fuß, und dem obern 3 Fuß bäude. Die Regeln welche bei Behandlung der Höhe gegeben sind. verschiedenen Baugründe befolgt werden müssen, Der, dieses Gebäude umgebende Observati- sind jedem Baumeister bekannt; ich gehe also zur onsplatz oder Terrasse mußte nach den hiesigen Beschreibung des Grundbaues über, so wie er bei Lokale, 6 Fuß von dem natürlichen Boden er- diesem Gebäude wirklich ausgeführt ist. höht, angelegt, folglich auch der Untersatz des Der für diese grosse Anlage angekaufte Platz, Gebäudes, zu 6 Fuß hoch, angenommen werden. war von jeher als Gemüsegarten genutzt; folglich Nach dieser Höhenbestimmung der Grund- bestand die Oberfläche aus einer Lage recht guter und Untersatzmauern, und nach der, schon oben Dammerde, die aber doch nur zwei Fuß dick angenommenen Stärke der Hauptmauer zu war. Unter dieser Dammerde, fand sich eine 3 Fuß, ist die Dicke der Grund- und Untersatz- 4 Fuß tiefe Lage mit Sand vermischten Lehm, so mauern auf folgende Art festgesetzt und ausge- wie man ihn zu Mauerarbeiten bei Feuermauern führt worden. gern gebraucht. Darauf folgte eine 8 Fuß tiefe Bei der Beschaffenheit der hiesigen Bruch- Lage recht fest zusammenhängender Kiesgrund, steine, ob sie gleich größtentheils lagerhaft sind, der nicht anders als mit Spitzhacken konnte los- muß bei jedem Absatz oder Grundband, 4 Zoll gehauen werden. Unter diesem stand ein eisen- zum Mauerrecht angenommen werden. Dem- schüssiger Thonmergel, der eben die Festigkeit nach würde der obere Absatz des Untersatzes hatte, und auf 20 Fuß T'iefe von ein und eben 3 Fuß 8 Zoll Dicke erhalten. derselben Beschaffenheit war. Alsdann kam weisser Da aber an den vorspringenden Eckzimmern, Triebsand etwa zwei Fuß tief, und unter diesem die Wandpfeiler 3 Zoll vor der Hauptmauer, und öffnete sich eine sehr reichhaltige Wasserquelle. die Pfeilerfüsse, noch um 4 Zoll weiter vortreten: Dieses sind die verschiedenen Lagen des Grun- so ist das Mauerrecht nach der äussern Seite, zu des, welche sich auf der Baustelle bei Grabung 8 Zoll angenommen worden; folglich erhält die- eines Brunnens fanden. Daß nun auf einem sol- ser obere Satz 4 Fuß Dicke. Jedem der drei fol- chen, von Natur so äusserst festen Boden, jedes, genden Absätze, sind auf beiden Seiten 4 Zoll 86 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

Abb. 31 Tafel III. Detailzeichnung zur Fundamentierung der Säulen, auf denen das Passageinstrument (A – B) und an denen die beiden vorgesehenen Mauerquadranten (C und D) so montiert sind, dass mit dem rechten Auge beobachtet werden kann (vgl. Text S. 76 und den älteren Grundriß in Abb. 22 mit der spiegelbildlichen Anord- nung). Die Trennung der Fundamente von den Mauern des Gebäudes war eine der wesentlichen Neuerungen des Borheckschen Entwurfes gegenüber früheren Sternwartenbauten. Die alte Göttinger Sternwarte auf einem Turm der Stadtmauer wurde u.a. deshalb aufgegeben, weil die mangelhafte Statik exakte Beobachtungen sehr erschwerte. Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 87

Mauerrecht gegeben; Wodurch der untere unter zwei Fuß betragen. Ihre Entfernung von Grundband 6 Fuß Breite bekommen hat. einander, muß etwas grösser seyn, als die Länge An der östlichen und westlichen Giebelseite, der Axe; damit das Instrument bequem in die wo blos Eckpfeiler angeordnet sind, würde es ei- Pfannen gelegt, und wieder ausgehoben werden ne unnütze Verschwendung des Mauerwerks ge- könne, ohne daß die Axe die Pfeiler berühre. wesen seyn, wenn man da ebenfalls 8 Zoll Mau- Für das, in dieses Zimmer bestimmte Passa- errecht hätte annehmen wollen. Hier sind blos gen-Instrument von 3 Fuß Brennweite, und Vorsprünge an den Ecken aufgemauert, und 2 Fuß 6 Zoll Axe, ist der obere gemeinschaftliche zwischen diesen, so wie bei den, um drei Zoll Grundband 8 Fuß lang, 3 Fuß 8 Zoll breit ange- zurückspringenden Mauern der beiden Zimmer legt worden; und da jedem Absatz, auf allen Sei- für die fixen Instrumente, beträgt das Mauerrecht ten 4 Zoll Mauerrecht gegeben sind, so ist der 4 Zoll; bei den Scheidemauern aber nur 3 Zoll. zweite 8 Fuß 8 Zoll lang, 4 Fuß 4 Zoll breit; der Es hat also bei den ersteren der untere Satz der dritte 9 Fuß 4 Zoll lang, 5 Fuß breit, und der Grundmauern 5 Fuß 8 Zoll, und bei den letzte- untere 10 Fuß lang, 5 Fuß 8 Zoll breit . ren 5 Fuß Breite erhalten. Die untern Grundbände dieser drei Pfeiler, So tief als die Grundmauern der Umfassungs- haben jeder 4 Fuß Höhe, und bestehen aus drei wände gelegt sind, eben so tief sind auch die Qua- Lagen Quaderstücken; von dene die untern 12 derpfeiler der Mauerquadranten und Passagen- Zoll, und die beiden folgenden jede 18 Zoll hoch Instrumente gegründet, und in eben so viel Absät- sind. Von den drei übrigen Absätzen, hat jeder zen aufgeführt worden, um den Druck der Pfeiler zwei 18 Zoll hohe Lagen; folglich ist die ganze auf eine breite Grundfläche zu vertheilen. Höhe bis zum Fußboden, 13 Fuß. Nach der Grösse des hiesigen Mauerqua- Oberhalb des Fußbodens, ist jeder Mauer- dranten von 6 englische Schuh, mußte der südli- quadranten Pfeiler aus sieben Lagen zusammen- che und nördliche Quaderpfeiler, oberhalb des gesetzt; deren jede aus einem Quader von 7 Fuß Fußbodens, 7 Fuß 6 Zoll Breite, 10 Fuß 6 Zoll 6 Zoll Länge, 3 Fuß Breite und 18 Zoll Höhe Höhe, und zur Sicherung seines festen Standes, 3 besteht. Diese Lagen sind ohne allen Mörtel so Fuß Dicke erhalten. Jedem der vier Absätze sind, genau auf einander gefugt, daß die Pfeiler, wie nach der schmalen Seite, zur Vergrößerung der aus einem ganzen Stein bestehend, können ange- Grundfläche, 6 Zoll, nach der langen Seite aber, sehen werden. nur 3 Zoll Mauerrecht gegeben. Es ist demnach Diese Anordnung weicht von der gewöhn- der obere Grundband jedes Pfeilers, 4 Fuß breit lichen Meinung der Astronomen ab, welche die 8 Fuß lang, der zweite 5 Fuß breit 8 Fuß 6 Zoll Mauerquadranten-Pfeiler, aus einem einzigen lang; der dritte 6 Fuß breit 9 Fuß lang, und der Stein errichtet wissen wollen; allein bei einer so vierte oder untere, 7 Fuß breit, 9 Fuß 6 Zoll lang. sichern Untergründung, auf einem so äuserst Diese Pfeiler, mit den dazwischen errichteten festen Boden, wo ein Senken nach der einen oder Quaderpfeilern des kleinen Passagen-Instruments andern Seite schlechterdings unmöglich ist, finde sind auf Taf. III im Grundriß Fig. 1, und im Auf- ich keinen einleuchtenden Grund über die riß Fig.2 vorgestellt; wo aus letzteren zugleich Nothwendigkeit eines einzigen Steins. ersichtlich wird, daß die Pfeiler der Mauerqua- Selbst bei einem weniger soliden Grundbau, dranten den Umfassungsmauern zwar nahe würde ein, aus mehreren Stücken zusammenge- kommen, aber doch mit denselben in keiner setzter Pfeiler, den aus Einem Stück vorzuziehen Verbindung stehen: folglich die oben gegebene seyn; weil bei dem erstern weit leichter eine Cor- Regel, über den isolirten Stand der fixen Instru- rection vorgenommen werden könte, als bei den mente, genau erfüllt worden ist. letztern. Auf der hiesigen alten Sternwarte, be- Die beiden Pfeiler, zwischen welchen das steht die südliche Quadrantmauer aus einem Passagen-Instrument eingelegt wird, ruhen auf ganzen Stein, und die nördliche ist aus mehrern einem gemeinschaftlichen Fundament aus Qua- kleinen Quaderstücken zusammengesetzt. Beide dern, welches in eben so viel Absätze getheilt ist, ruhen auf der alten Thurmmauer, deren eine wie die Fundamente zu den Mauerquadranten. Seite, so gut der Witterung ausgesetzt ist, wie die Oberhalb des Fußbodens haben diese Pfeiler 7 Fuß andere: und gleichwohl ist der südliche ganze Höhe; und damit selbige durch ein zufälliges Stein, schon vor vielen Jahren aus seiner Lage heftiges Anstossen, gegen Erschütterungen gesi- gewichen; dagegen der nördliche noch ganz ge- chert bleiben, so darf ihre Breite und Dicke nicht nau Loth- und Wagrecht steht. 88 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

In der Sternwarte auf Seeberg, besteht jeder 4 Zoll lang, 4 Fuß breit, und der vierte 9 Fuß 8 Zoll dieser Pfeiler auszwei auf einander gefugten Gra- lang, 3 Fuß 4 Zoll breit ist. Jeder der beiden Sockel nit- Blöcken. Diese Steinart ist unstreitig, wegen ist 2 Fuß 8 Zoll ins Gevierte und 2 Fuß hoch, und ihrer Härte und Trockenheit, den Sandsteinqua- jeder aus einem Stück bestehende aufgerichtete dern weit vorzuziehen: aber man findet sie nicht Pfeiler, hat 8 Fuß Höhe und 2 Fuß 3 Zoll ins so häufig, und in hiesiger Gegend gar nicht. Wo Gevierte. Die kleinsten Quader welche zu diesem also zu diesen, so wie zu den übrigen Pfeilern für Grundpfeiler genommen sind, halten 13, die fixe Instrumente, Sandsteinquader oberhalb den Übrigen aber 16 − 18 − 20 und 24 Kubikfuß. Fußböden müssen genommen werden, da ist die Der runde Pfeiler H für den bordaischen Vorsicht nöthig, sie einige Jahre zum Austrock- Kreis, ist in seinem ganzen Umfange ebenfalls nen frei stehen, und dann erst mit gutem Oehl- von Quadern in vier Absätzen aufgeführt. Dieser firniß tränken, und zuletzt, mit einer stark de- Pfeiler geht nur bis an die Oberfläche des Fuß- ckenden Oehlfarbe, anstreichen zu lassen. Da- bodens, und bekömmt oberhalb desselben eine durch wird die, für die Instrumente nachtheilige Zocke oder Platte; deren Höhe, nach Verhältniß Einwirkung der Witterung abgehalten; wovon die der Höhe des Instruments, bestimmt wird. Zum Quaderpfeiler auf der hiesigen alten Sternwarte Durchmesser dieser obern Platte, sind 8 Fuß den bündigsten Beweis geben. angenommen, und zum Mauerrecht jedes Absat- Die beiden Pfeiler des Passagen-Instruments, zes 3 Zoll; folglich ist der untere Grundband haben jeder einen Sockel von 18 Zoll Höhe; 10 Fuß im Durchmesser, und jeder folgende wovon 12 Zoll oberhalb, und 6 Zoll unterhalb 6 Zoll weniger. An den beiden untern Grund- des Fußbodens treten. Auf diesen stehen die bänden, besteht jede Lage aus 8 Stück Quadern 6 Fuß hohen Pfeiler, welche mit eisernen Döb- von 2 Fuß 6 Zoll Breite, welche auswendig nach beln in die Sockel versetzt sind. der Rundung behauen, und die Fugenschnitte Die Grösse der einzelnen Quader für jede nach den Mittelpunkt gerichtet sind. An den Lage der verschiedenen Grundbänder obiger drei dritten Grundbande, ist jede Lage aus 6 Stück Pfeiler anzugeben, würde zu weitläuftig seyn; ich Quadern zusammengesetzt, und so auch die erste bemerke also nur, daß so viel wie möglich grosse Lage des obern Grundbandes; die zweite aber, Werkstücke genommen, und diese sehr genau an worauf die Zocke kömmt, besteht aus einem und auf einander gefugt, und die nächst folgen- mittleren Durchbinder von 8 Fuß Länge 3 Fuß den Lagen so geordnet werden müssen, daß eine Breite, und aus zwei Zirkelstücken, welche an gute Verbindung erhalten werde. Die hier ge- jede Seite des Mittelstücks anschließen. brauchten grösseren Quader, halten 24, 21, 20, Auf den Untersatzmauern der Umfassungs- 18, und die kleinsten nicht unter 12 Kubikfuß. wände, ist eine Zocke von einem Model, oder Die Untergründung des Uhrpfeilers besteht, 13 Zoll hoch, und zwei Zoll Vorsprung, ange- bis zur Höhe des natürlichen Bodens, aus gutem ordnet. Dazu sind 18 Zoll hohe Quader genom- Mauerwerk: aber die übrigen 6 Fuß Höhe, bis men: wovon 2 Zoll in die darauf kommende zum Fußboden, sind von Quadern aufgeführt; rauhe Mauer zurück gesetzt sind; und die noch um so wohl dem gerichteten Quaderpfeiler, wor- übrigen 3 Zoll Höhe, treten nach unterwärts, und an die Uhr befestigt wird, ein sicheres Unterlager sind durch die zur Terrasse aufgebrachte Erde, zu geben, als auch die, vor dem Pfeiler wesentlich und inwendig durch die Fußbodendicke gedeckt. nothwendige Vertiefung von 10 Zoll ins Gevier- Die Eckstücke zu den Pfeilerfüssen sind te, zum Versenken der Uhrgewichte, mit der 3 Fuß 6 Zoll lang und eben so breit, und 18 Zoll grössten Genauigkeit anlegen zu können. Die hoch; damit daran der Anlauf noch gearbeitet Höhe eines Uhrpfeilers oberhalb des Fußbodens, werden konnte. Unter jeden Wandpfeiler neben ist mit Sockel und Hauptgesims 7 Fuß; die breite den Thüren, sind die Quader, wegen der Thürzo- Seite, an welcher das Uhrgehäuse befestigt wird, cke, 4 Fuß lang 3 Fuß breit. Die Zwischenstücke beträgt 16 Zoll, und die schmale Seite 12 Zoll. sind von verschiedener Grösse; jedoch haben Die Grundpfeiler des grossen Passagen- die, unter den Fenstern, alle ein bestimmtes Instruments in den Zimner G − Taf. I, sind eben Maaß von 11 Zoll Breite und 16 Zoll Höhe; weil so, wie die kleineren, im Zusammenhange und in hier die in die rauhe Mauer hinauf springende zwei vier Absätzen, aufgeführt; von welchen der unte- Zoll, wegfallen mußten, indem auf die Zocke eine re 11 Fuß 8 Zoll lang, 5 Fuß 4 Zoll breit, der zweite Tafel gestellt ist, wie die Aufrisse Taf. II zeigen. Die 11 Fuß lang, 4 Fuß 8 Zoll breit, der dritte 10 Fuß Ursache dieser schmalen Zockenstücke, liegt in Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 89

Abb. 32: Tafel IV. Detailzeichnung der in Abschnitt 2 und 3 (S. 96) beschriebenen Mechanik der versenkbaren „englischen“ Fenster. In Müllers Bauausführung wurden die heute noch vorhandenen normalen zweiflügeligen Fenster eingebaut, die allerdings beim Beobachten nicht den von Borheck gewünschten freien Ausblick gestatten. 90 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten den im zweiten Abschnitt bemerkten Bequem- kleinere Frictionsrollen nöthig. Die Lage der lichkeiten, wegen welcher die Fensterrahmen und grossen Rollen von 2 1/2 Zoll Durchmesser, ist in Laden, hinter die Brüstungsmauer müssen ver- den beiden Falzen e im Grundriß A angegeben; senkt werden können. Dieses zu erreichen, wird und die Halbzirkel n hinter den Rollen, bedeuten Taf. III, Fig. 2 − A, von der obern Kante der die Gegengewichte, welche aus Cilindern von Fenstersohlbank a, die Brüstungsmauer nach der Bley oder Eisen bestehen können. Im Aufriß B, Rückseite der Sohlbank, so tief nach b in sind die Rollen in den Falzen für die Fenster lothrechter Richtung aufgeführt, als die halbe und Laden, nach ihren Entfernungen von einan- Fensterhöhe beträgt, folglich kann hier die Zocke der angegeben; noch deutlicher aber fallen selbi- nicht mehr als 11 Zoll Breite erhalten. Die halbe ge auf Taf. VI an den im Aufriß gezeichneten Höhe der Fensterrahmen ist 6 Fuß 3 Zoll; die Fenster, in die Augen. Brüstungsmauer a c ist 3 Model, oder 3 Fuß Diese ganze Einrichtung − Grundriß A − 3 Zoll hoch: es muß also die Vertiefung unter- wird durch eine Seitenverkleidung m − o dem halb des Fußbodens von c bis b noch 3 Fuß Auge entzogen. Um aber doch an den Gegenge- 6 Zoll betragen; damit unten auf das Mauerwerk, wichten und Seilen, eintretende Reparaturen mit Leder überzogene Leisten gelegt werden vornehmen zu können, ist die Verkleidung m − o können, worauf die Rahmen und Laden beim nicht angenagelt, sondern an die Scheide bei m, Niederlassen zu stehen kommen. mit Holzschrauben befestigt, und bei o mit einer Taf. IV zeigt die ganze Vorrichtung der beweg- Feder in einer Nuthe in der Vertäfelung o − p, lichen Fenster und Laden im Grundriß A, und im eingelassen. Aufriß B nach einem grösseren Maaßstabe. Die erste Scheide hinter der Fensterleibung Im Grundriß, ist C ein Theil der Fenstersohl- bei a, wird an das Innere des Fenstergewändes, bank, D das Fenstergewände, und E die Schmie- durch drei eingegossene Schrauben befestigt. An gemauer, welche von a bis b, 6 Zoll winkelrecht dieses Stück, werden die Rückleisten des ersten zurücktritt. Hinter diesem Rückstand ab, kom- Falzes, alsdann die zweite Scheidung, und so men die Nuthen oder Falzen, worin die Fenster- wechselsweise bis zur letzten Scheide, welche rahmen und Laden mit ihren Gegengewichten durch die Bekleidung m − o geschlossen wird, auf und nieder laufen. Für die beiden Laden, sind durch Holzschrauben mit einander verbunden; die Falzen e − e, jede einen Zoll breit, bestimmt; damit bei vorfallenden Reparaturen an den Fens- die Zwischenscheiden f sind nur halb so stark, tern und Laden, Stück vor Stück gelöset werden und treten einen schwachen Zoll vor der Leibung könne, ohne daß dabei etwas zu Schaden gehe. des Fensters bei a vor. g und h, sind die beiden Da diese Falze und Scheiden, auch in die ver- Falzen der Fensterrahmen; von denen g für das tiefte Brüstung bis auf den Boden treten müssen: obere Fenster, einem halben Zoll, und h für das so ist zu deren Anbringung unterhalb des Fuß- untere Fenster, einem ganzen Zoll tief ist. Bei bodens, so viel freier Raum nöthig, daß sich ein den, im Grundriß neben einander gezeichneten Mensch bequem bewegen, und die Befestigung Laden k, und Fensterrahmen 1, siehet man, wie der verschiedenen Theile, oder des bereits zu- der untere Fensterrahm an den Seitenstücken bei sammengesetzten Ganzen, auf besonders dazu i um die Scheidendicke ausgefalzt seyn muß; eingemauerten Döbbeln, verrichten könne. Die- damit beide Rahmen dicht hinter einander ser Raum wird dadurch gewonnen, wenn die schliessen. Untersatzmauer nach der vorhin bestimmten So wohl die Fenster als Laden, hängen in Sei- Höhe von 3 Fuß 6 Zoll, so weit von der äussern len mit Gegengewichten, deren Schwere mit der Brustmauer zurückgesetzt wird, daß ein Zwi- angehängten Last in genauem Verhältniß stehen schenraum von 2 Fuß bleibt, wie Taf. III in Fig. muß: damit die Bewegung der Fenster und Laden 2 − A, vorgestellt ist. Diese Höhlung df ist oben nicht nur leicht sey, sondern diese auch in jeder durch die Querlager e gedeckt, welche mit Boh- beliebigen Höhe, zum Feststehen gebracht wer- len überlegt sind, die mit den Gypsboden h − i, den können. Die Rollen über welche die Seile in einer Fläche liegen. Damit die schwachen gehen, treten dicht an die Rahmen und Laden; Mauern b − c und d − i den Seitendruck der da- und dienen zugleich zur Verminderung der Fric- gegen liegenden Erde aushalten können, so sind tion. Da indessen diese Rollen, das Klemmen in selbige aus Quaderstücken aufgeführt. den Falzen beim Auf- und Niederschieben nicht Wenn die Fensteröffnungen ganz geschlossen ganz verhindern würden: so sind noch besondere werden sollen, so ruhen die unteren Laden und Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 91

Fenster auf beweglichen Deckklappen a − b, Taf. ganze Mauerdicke binden, und seitwärts bis an IV − B. Diese Klappen bestehen aus 3/4 Zoll die Fenstergewände treten, begränzt wird. dicken und 12 Zoll breiten Brettern, welche zum Die Fenstergewände von 12 Fuß 3 Zoll Höhe Schutz gegen die Witterung mit Kupferblech Fig. 2 − A, konnten nicht an einem Stück ange- beschlagen seyn müssen. Nach der Länge jeder schafft werden; sie sind also aus drei Stücken Klappe, ist bei c eine eiserne Feder aufgeschro- zusammengesetzt; nämlich aus einem Unterstück m ben, welche in eine, im untern Fensterrahmstück von 6 Fuß Länge; welches mit einem eingegossenen ausgezogene Nuthe greift: damit, wenn die Laden Döbbel auf die Sohlbank versetzt, und oben mit hinter die Brüstungsmauer versenkt, und die einem versenkten Anker in die Seitenquader ver- Fensterrahmen ohne äussern Schutz sind, der ankert ist. Darauf liegt ein Binder n von 15 Zoll Wind das breite Fenster nicht erschüttere, und hoch; und auf diesem steht das obere Gewände o ein Geräusch veranlassen könne, wodurch der von 5 Fuß Länge, welches so, wie das untere, Pendelschlag der Uhren, unhörbar werden wür- durch Döbbel und Anker befestigt ist. de. Aus eben diesen Gründen ist in d ein Leisten Die Durchschnittsöffnungen sind durch in- angebracht, hinter welchen das obere Fenster wendig angebrachte Thüren welche bis zu der tritt, wenn es, einer Beobachtung wegen, nieder Höhe der Dachklappen hinauf gehen, verschlos- gelassen werden muß. Bei a hängt die Klappe mit sen. Um diese Vorrichtungen, und den Mecha- zwei Hespen in Haken, welche hinter dem Ein- nismus zum Oeffnen und Verschliessen der ge- satz auf der Sohlbank eingegossen sind. An der raden Mauer- und schrägen-Dacheinschnitte, im entgegengesetzten Seite, ist ein Angrif e, um die Zusammenhange erklären zu können, muß ich Klappe rückwärts auf die Sohlbank schlagen zu erst über die Construktion des Dachs einige Er- können, wenn die Laden oder Fenster, hinter die läuterungen geben. Brüstung versenkt werden sollen. Bei diesen Jedes flache Dach muß, nach Verhältniß der Zurückschlagen der Klappen, zeigt sich die Tiefe des Gebäudes, eine solche Neigung haben, Zweckmässigkeit der vorspringenden Fenster- daß das Regenwasser abziehen, und durch Rin- Sohlbänke: denn ohne diesen Vorsprung, würden nen abgeleitet werden könne. Bei Bestimmung die Klappen kein volles Auflager erhalten, und dieser Neigung, muß das Materiale der Bedachung vom Winde auf und nieder gehoben werden in Betracht gezogen; und selbige für ein Schiefer- können; wodurch nicht nur Geräusch entstehen dach grösser, als für ein Bleydach, und für dieses würde, sondern auch die Klappen und die vorde- grösser, als für ein Kupferdach, welches die glatt- re scharfe Kante der Sohlbank, beschädigt wer- este Fläche gibt, angenommen werden. den könnte. Die nach auswärts geneigte Lage der Da es nun bei diesem Gebäude auf ein mög- Klappe, ist zum Abzug des Wassers bei Schlagre- lichst flaches Dach; zugleich aber auch auf einen gen, wesentlich nothwendig: und damit hinter guten Abzug des Regenwasser ankömmt: so wird dem Leisten d, die Feuchtigkeiten nicht stehen eine Kupferbedachung den Vorzug haben; und bleiben, hat selbige in der Mitte einem Ein- für diese ist eine Neigung des achten Theils der schnitt, wodurch das Wasser abziehen könne; zu halben Balkenlänge hinreichend. dessen Beförderung die Klappe, von beiden En- Dem Hauptgebälke welches über den Zim- den gegen die Mitte, einen geringen Fall hat. mern der fixen Instrumente 33 Fuß 6 Zoll zwi- Bei den Meridian-Durchschnitten durch die schen den beiden Umfassungsmauern frei liegt, Mauern, kömmt es vorzüglich auf eine dauerhaf- muss in sich selbst so viel Stärke gegeben wer- te Verbindung des Mauerwerks an; weil an diesen den, daß es sich nicht beugen oder brechen kann; Stellen der Zusammenhang des Gebäudes ganz weil wegen der durchaus freien Meridian – aufgehoben wird. Es sind demnach diese Durch- Durchschnitte, weder unter noch oberhalb der schnitte und die vollen Mauern unter denselben, Balken, durchlaufende Träger dürfen angeordnet aus Quadern aufgeführt. Diese Durchschnitte werden. Es muß also auf jedem Balken ein Hän- nehmen in einer Höhe von 5 Fuß, vom Fußbo- gewerk errichtet, und so verbunden werden, den an gerechnet, ihren Anfang, wie in Taf. III wie der Durchschnitt des Dachs auf Taf.V, Fig. 1 in Fig. 2 − B,angegeben ist. Der Quader a, ist, zeigt. Die Hauptbalken a sind 9 Zoll breit, 11 wie eine Fenster-Sohlbank, mit einem Wasserfall Zoll hoch, und die Streben b, von eben der versehen, um den einfallenden Regen abzuleiten. Stärke, sind auf die Hauptbalken mit doppelten Auf dieser Sohlbank fängt der Einschnitt an, der Versatzungen eingesetzt, und durch eiserne durch die Quader b – c − d, welche durch die Schraubenbolzen c verbunden. (Man könnte das 92 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

Abb. 33: Tafel V. Detailzeichnung der in Abschnitt 3 (S. 93-96) beschriebenen Konstruktion des nahezu flachen Da- ches, der Teilung des Daches an den Meridianspalten und deren Schließmechanismus. Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 93

Gebälke dieser Decke noch auf andere Arten braucht derselbe nur in einer Breite von 6 bis 8 konstruiren, z.B. durch Bohlenlagen oder durch Fuß, längs der Ballustrade, angelegt zu werden, quer liegende Balken, welche zwischen diesen wie hier von f bis g geschehen ist; und der übrige gehängten Balken und auf der Scheidemauer ihr Theil des Dachs, von g bis zum Förstenpunkt h, sicheres Auflager erhielten. Da indessen hier kann frei bleiben. nicht der Ort ist, die verschiedenen Konstrukti- Die Unterlager dieses Fußbodens, ruhen bei f onen frei tragender Decken zu erläutern: so auf dem Quadersockel der Ballustrade, und bei p in gebe ich blos die bei diesem Gebäude ausge- eisernen Gabeln; welche auf jeder Sparre oder Stre- führte Verbindung an, und überlasse es dem be, eingeschlagen werden. Die Belegung besteht aus Ermessen eines Jeden, ob er in ähnlichen Fällen 7 bis 8 Zoll breiten, und 1 1/2 Zoll dicken Dielen; von dieser oder einer andern Anordnung, wozu volle Dielen nach der Länge durchschnitten, Gebrauch machen wolle.) Ueber den Streben, und so neben einander gelegt sind, daß die Fugen sind in Entfernungen von 2 Fuß geschnittene 1/4 Zoll von einander stehen, damit der auffallende Latten c − e befestigt;damit die Verschaalungs- Regen durchziehen könne. Wollte man volle Dielen dielen, nach der Länge aufgenagelt werden kön- 14 bis 16 Zoll Breite nehmen: so würden sich diese nen: weil sie in dieser Richtung weniger dem nicht nur zu sehr werfen, und einen unebenen Bo- Werfen ausgesetzt sind, als wenn sie in die quer den machen; sondern es würden auch zu wenig unmittelbar auf den Streben befestigt werden. Fugen entstehen, durch welche das Regenwasser Ein zweiter Vorteil der durch diese Anordnung abziehen könnte, folglich die Bedielung weit eher in erhalten wird, besteht darin, daß die Hängesäulen Fäulung kommen. Man könnte zwar den Abzug d zu oberst um die Lattendicke volles Holz be- des Wassers durch Einbohren einiger Löcher be- halten; welches den beiden Versatzungen sehr zu fördern; allein dadurch würden die Dielen ge- statten kömmt. Die Hauptbalken und Streben, schwächt, und durch die rauhen Bohrlöcher die bestehen aus Tannenholz, die Säulen aber aus Feuchtigkeiten weit mehr in das Holz geleitet wer- gesundem Eichenholz von zwölf Zoll breite und den, als durch die geraden und glatten Fugen ge- 9 Zoll Dicke: damit das Hirnholz der Steben, das schieht. Die obere Fläche des Bodens wird abge- Längenholz der Säulen nicht eindrücken, und ein hobelt und nebst den Fugen mit gekochten Leinöhl kleines Senken verlassen könne; welches erfolgen in vier verschiedenen Zeiträumen getränkt; wo- dürfte, wenn zu den Säulen ebenfalls Tannenholz durch das Einsaugen des Regens verhütet, folg- gewählt würde. lich eine längere Dauer erhalten wird. So geringe die angenommene Neigung des Zur Sicherung der Unterlager gegen Fäulung Dachs auch ist; indem sie mit der Horizontallinie müssen an den Stellen, wohin die Fugen der nur einen Winkel von 7 Grad macht: so würde Dielen treffen, schmale Blechstreifen aufgenagelt selbige doch der Aufstellung beweglicher In- werden, welche zu beiden Seiten etwas übertre- strumente hinderlich werden; und zwar um so ten, wie Fig. 2 nach einem grössern Maaßstabe mehr, da die Zusammensetzung der Kupferplat- angegeben ist; wo a die Gabel, worin das Unter- ten durch Ueberfalzen geschieht, wodurch die lager b ruhet, c das aufgelegte Blech, und d die Dachfläche uneben wird. Es muß daher über Dielen darstellt. diesem Kupferdach noch ein horizontaler Fuß- Bei der Anlage der Dachrinnen k, Fig. 1, ist boden angelegt werden, um die Instrumente in die Vorsicht nöthig, selbige mit der äussern Seite, jeder Lage bequem gebrauchen zu können. Die- in eine in die Quader eingehauene Falz i, treten ser Fußboden muß hinter der Ballustrade so weit zu lassen; damit keine Feuchtigkeiten hinter der herunter treten, als eine gewöhnliche Fenster- Rinne durch, bis zum Mauerwerk dringen kön- brüstung beträgt; damit man auf der Gränze des nen. Zum festen Auflager der Rinnen, werden Dachs sicher gehen könne. Da es ohne allen über die Mauer Eichenbohlen gelegt, welche Nutzen seyn würde, diesen Boden über die ganze nach der Vertiefung der Rinnen, ausgearbeitet Dachfläche fortlaufen zu lassen; weil auf demsel- seyn müssen. ben nur mit kleineren beweglichen Instrumenten Die Decken der verschiedenen Zimmer, Beobachtungen gemacht werden; indem die müssen zu mehrerer Zierde, als Spiegelgewölbe grösseren, wofür ohnehin die untere Terrasse gebildet werden. Zu diesem Zweck, so wie zur bestimmt ist, zu beschwerlich hinauf zu bringen, grösseren Tragbarkeit der Hauptbalken, dienen und bei nicht ganz windstillem Wetter zu sehr die, in den Ecken angeordneten 8 Zoll starken Erschütterungen ausgesetzt seyn würden: so Kopfbänder n, welche so wohl Mauerwärts in die 94 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten

Abb. 34: Tafel VI. Detailzeichnung zur Konstruktion und Bedienung der Türen vor den Meridianspalten. Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 95

Säulen l, als in die Hauptbalken a, mit Versatzun- 7 Fuß hoch 13 Zoll breit, bestehen aus Holz; und gen eintreten. An die bündige Seite dieser Kopf- kommen mit der inneren Vertäfelung der Mauer bänder, werden abgerundete Bohlenstücke gena- in eine Fläche. Die untere A, hat in der Mitte bei gelt, und darauf die, durch doppelte Linien be- b ein verdecktes Zugschloß, welches durch eine zeichnete Bretter-Verschaalung, befestigt. damit in Verbindung gebrachte Schnur, geöffnet Bei Bestimmung der Lage und Anzahl der wird; die mittlere Thür aber, wird vermittelst A Hauptbalken, müssen die , zunächst den Meridi- und C, durch folgende Vorrichtung verschlossen an-Durchschnitten, zuerst angeordnet, und drei gehalten. Zoll entfernter von einander gelegt werden, als Von der untern Kante der Thür B an gerech- die Weite der Durchschnittsöffnungen durch die net, geht durch selbige, in einer Höhe von 12 Mauern beträgt; damit die, nach der Oeffnung Zoll, ein Rundzapfen c. An diesem ist auf der gekehrten Seiten der Balken und Streben, ver- Rückseite eine eiserne Stange befestigt; welche kleidet werden können, wie in Fig. 3 im Grundriß sich oben in einem Blechschieber d endigt, des- durch die Dielendicken a − a, und im Aufriß Fig. sen Mittelzapfen hinter einem auf der obern 4 durch die Vertäfelung b − b angegeben ist. Thür C befestigten Kloben greifft. Auf der Vor- Diese Seitenverkleidungen müssen, zur zweck- derseite der Thür B, steht mit dem Rundzapfen c, mässigen Vorrichtung der Klappen, womit die eine Zugstange e in Verbindung, welche so weit Dachöffnungen geschlossen werden, zwei Zoll auf der Thür A herunter tritt, daß der untere über die Bedachung hinaus treten, wie der Angriff f, nicht mehr als höchstens 6 Fuß vom Durchschnitt Fig. 5 bei a − a zeigt. Auf diesem Fußboden entfernt ist; um sie mit der Hand be- Vorstand a, ruhen die Deckklappen c; welche auf quem erreichen zu können. Da diese Stange beiden Seiten b − b etwas überstehen, auch oben niedergezogen wird, so muß durch die Thür und abgerundet, und mit Kupferblech überzogen Stange unmittelbar unter dem Rundzapfen, ein werden müssen, um den Regen seitwärts zu lei- schmaler Einschnitt seyn, dessen Länge mit dem ten. Jede Klappe c − c Fig. 4, wird mit vier lan- 4zölligen Ueberstand des Blechschiebers d, in gen Häspen d in Haken gehängt, welche hinter Verhältniß steht. dem Vorstand auf die Sparren eingeschlagen Die Manipulationen beim Oeffnen und Ver- werden. schliessen dieser drei Thüren, lassen sich eben so Die Thüren zum Verschliessen der Durch- wenig beschreiben als durch Zeichnungen ver- schnittsöffnungen in den Umfassungsmauern, sinnlichen: indessen will ich doch die Ordnung werden nach ihrer Höhe in drei Theile getheilt. der Handgriffe bemerken; und annehmen, daß Jede dieser Thüren A − B − C Taf. VI, muß für die Thüren geschlossen seyn und daß sie alle drei sich geöfnet werden können, je nachdem eine in einem Moment geöffnet werden müßten. Observation, höher oder niedriger am Himmel, In diesem Fall wird die Zugstange f e c d her- gemacht werden soll. Bei einer Beobachtung unter gezogen, und zugleich das Zugschloß in b, nahe am Horizont, werden die untere und mittle- und die Federklappe a, vermittelst der dazu ge- re Thür A und B, und bei einer noch höheren, die hörigen Schnur, geöffnet. Alsdann wird durch die obere C geöfnet, und die übrigen bleiben, bei zugstange, die mittlere Thür B wieder dicht vor kaltem oder windigem Wetter, verschlossen: so die Oeffnung gebracht, und in eben dem Augen- wie sie alle drei ungeöffnet bleiben, wenn eine blick die Zugstange in die Höhe geschoben; wo- Beobachtung sich mehr dem Zenith nähert, wo- durch der Blechschieber d, hinter die obere Thür zu blos die Dachklappen aufgemacht werden. C greift, und so, mit der Thür B zugleich, auf und Die obere Thür C, 5 Fuß hoch, und wegen an die Wand zurück geschlagen werden kann. der Falzen 13 Zoll breit, ist dem Schlagregen am Die Thür A wird entweder mit der Schnur, oder meisten ausgesetzt; und muß daher aus starken mit der Hand, an die Mauer zurückgelegt. Soll Eisenblech verfertigt werden. Sie hängt in zwei blos die mittlere Thür B für sich allein geöffnet Gewinden, und hat in der Mitte ihrer Höhe, eine werden, so ist weiter nichts nöthig, als durch die Federklappe a, mit der sie beim Verschliessen Zugstange den Blechschieber d hinter der obern unter einem Klapphaken greift; beim Oeffnen Thür zurück zu ziehen, und die Thür zur Seite zu aber, durch eine an der Federklappe befestigte schlagen. Wenn endlich die beiden untern Thü- und herabhängende seidene Schnur, nach unter- ren geschlossen bleiben, und nur die obere ge- wärts, und hinter dem Haken weggezogen wird. öffnet werden soll, so wird die Zugstange herun- Die beiden übrigen Thüren B und A, jede tergezogen, die Federklappe a gelöset, alsdenn 96 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten mit dem Blechschieber die Thür C zurückge- stänge mit der Kette nach unterwärts gezogen, schlagen, und die mittlere B wieder zugemacht. folglich die Klappe F aufgewunden. Damit aber Zu allen diesen Proceduren, wird nicht so viel die Klappe nicht weiter, als es die freie Durch- Zeit erfordert, als zum Durchlesen des hierüber sicht erfordert, zurückgezogen werden könne, gesagten nöthig ist, so bald Jemand in den für und beim entgegengesetzten Drehen, die Klappe jeden Fall eigenen Handgriffen gehörig geübt ist. zum Verschliessen der Oeffnung wieder vorwärts Die obere Blechthür C, welche Taf. V − Fig. gedrängt werde; so ist an dem Gestell C, eine 4 − nach ihrer Dicke vorgestellt und mit a − e doppelarmige Stahlfeder p befestigt; wodurch bezeichnet ist, tritt bis unter die schräge Dach- beide Zwecke erreicht werden. klappe c − c. Diese gegenseitigen schrägen Klap- Die Zenithklappe h − h, Taf. V, Fig. 4, hängt pen treffen am Förstenpunkt nicht unmittelbar in zwei Wirbelhespen, und hat hinter sich eine zusammen, sondern jede ist um zwei Zoll kürzer; besondere doppelarmige Stahlfeder O; welche wodurch eine vier Zoll weite Oeffnung g ent- das gänzliche Zurückschlagen der Klappe ver- steht, die mit einer besondern kleinen Klappe h − hindert, und das Vorwärtsschieben befördert. h von 8 Zoll Breite, unter den Nahmen Zenith- Beim Aufwinden der südlichen oder nördlichen klappe, bedeckt wird. Dachklappe, wird die Zenithklappe zugleich mit Zum Oeffnen und Verschliessen der Klappen aufgehoben; und so auf jedem Fall, eine freie c − c, wird nach ihrer halben Länge, hinter jeder Durchsicht ins Zenith erhalten. derselben, ein aus Eisen verfertigtes Gestell i, auf Bei der Anordnung dieser Klappen muß da- die Sparren befestigt, welches aus einem aufrecht hin gesehen werden, daß sie nach derjenigen stehenden Pfosten mit drei Stützen besteht, wovon Seite, woher an häufigsten Winde kommen, auf- die beiden Seitenstützen mit k bezeichnet sind. schlagen; damit das Einströhmen des Windes in Die hintere ist hier durch den geraden Pfosten die Durchschnittsöffnungen, durch die aufge- gedekt; wird aber auf Taf. VI, wo bei C das Ge- stellten Klappen abgehalten werde. stell von der Seite vorgestellt ist, in g sichtbar. In Ueber die innere Einrichtung der Kuppel und dieses Gestell kömmt zu oberst eine metallene Konstruktion der Marschinerie zum Drehen des Rolle, über welche eine auf der Klappe F in h Kuppeldachs, läßt sich nur alsdann etwas zuver- befestigte Kette läuft, und von da an, über das lässiges, und für alle Fälle anwendbares sagen, Dach, bis zu dem Punkt i fortgeleitet wird, wo in wenn das für das obere Kuppelzimmer bestimm- dem Zimmer in lothrechter Richtung i − k, das te Instrument, wirklich vorhanden ist; weil nach Oeffnen und Verschliessen der Klappe gesche- der Grösse seines Fußgestelles und seiner Höhe, hen muß. Es ist daher bei i eine zweite Rolle, und so wohl der Pfeiler, auf welchem es ruhen muß, zu dieser ein besonderes Gestell G nöthig. und die Fußbodenlage des Zimmers, als auch die, Das Eindringen der Feuchtigkeiten in die zur horizontalen Bewegung des Kuppeldachs Oeffnung, durch welche die Kette durch das nöthigen Maschinerien, angeordnet werden müs- Dach geht, zu verhindern, muß eine metallene sen. Göttingens Sternwarte kömmt einst in den Hülse oder Cylinder l, auf der Dachfläche befes- Besitz des vortrefflichen zehnfüssigen Dollands, tigt, und durch diesem die Kette, oder besser ein des Herrn Justizraths Schröter, welches, nach Gestänge, bis in den Schlußpunkt eines zweiten den Urtheilen aller Kenner, ein so äusserst voll- Cylinders m, welcher sich über dem untern auf- kommnes Werkzeug ist, daß es einen ausge- und niederschiebt, geleitet werden. Das Gestänge zeichneten Standpunkt verdient, der sich denn in geht durch die Decke auf der Vertäfelung der dem obern Kuppelzimmer finden würde. Könnte Mauer herunter; und steht mit einer Schraube ich diesen Fall bestimmt annehmen, so wäre ich ohne Ende oder Winde n, in Verbindung, deren im Stande nach diesem mir genau bekannten Kurbel o, vom Fußboden des Zimmers, 3 Fuß Instrument, die innere Einrichtung der Kuppel erhöht angebracht ist. Das Eisen in der Winde, darzustellen und zu erläutern; allein dieses get- muß auf zwei Fuß Länge verzahnt seyn; seine raue ich mir nicht: indem sich mit der größten Breite kann einem Zoll und seine Dicke 3/4 Zoll Wahrscheinlichkeit voraussetzen läßt, daß Sr. betragen. Die Zähne dürfen nicht über 1/4 Zoll König1. Großbritth. Majestät die hiesige Stern- von einander entfernt seyn, und müssen 1/4 Zoll warte mit einem Aequatoreal-Sektor zu beschen- tiefe Zwischenräume haben. ken geruhen werden, welcher alsdann, als fixes Beim Oeffnen einer Dachklappe wird an der Instrument betrachtet, und in Rücksicht seines Kurbel o rechts gedrehet; und dadurch das Ge- Gebrauchs, nothwendig in dem obern Kuppel- Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten 97 zimmer aufgestellt werden müßte. Aber von bestimmte Instrument einen unerschütterlichen welcher Grösse und Beschaffenheit wird dieses Standpunkt erhält. Diese Pfeiler müssen auf ei- Instrument seyn? Diese im voraus nicht zu be- nem unwandelbaren Grunde ruhen; und da die antwortende Frage, gebietet mir über die richti- Ruhepunkte nicht auf die Umfassungsmauern, gen Standpunkte der Pfeiler, des Fußbodens und sondern mehr nach der Mitte hintreffen: so wird der Maschinerie, Stillschweigen, wenn ich mich es nothwendig, diesen runden Raum mit einem nicht dem Vorwurf aussetzen will, etwas willkür- Gewölbe dergestalt zu schliessen, daß der Schluß- liches angenommen und Kupfertafeln und Text punkt die obere Fläche des Fußbodens bildet. auf eine unnütze Art vermehrt zu haben. Was Kann ein solches Gewölbe nach einem hal- aber im allgemeinen bei dem innern Bau der ben Zirkelbogen angelegt werden, so ist es am Kuppel beobachtet werden muß, besteht im geschicktesten die Last der Pfeiler zu tragen. folgenden. Sollten aber Schwierigkeiten eintreten, welche die Der erste Fußboden in der Kuppel, muß mit Anlage eines Halbzirkelgewölbes nicht gestatte- dem Fußboden des platten Dachs in einer Fläche ten: so muß entweder ein gedruktes Bogen- oder liegen; um die beweglichen Instrumente mit Be- auch ein Spiegelgewölbe gewählt werden; so quemlichkeit aus der Kuppel auf das Dach schaf- wenig das letztere auch dazu geeignet ist, eine fen zu können. Damit aber die Instrumente nach aufgesetzte Last zu tragen. Um diese Last für das jedesmaligen Gebrauch nicht in die unteren Gewölbe so unschädlich wie möglich zu machen, Zimmer, oder oben in die Kuppel, gebracht wer- müssen die Pfeiler aus leichten Tuftsteinen oder den dürfen; weil selbige durch unbehutsames Mauerziegeln aufgeführt, und zu oberst mit einer Tragen leicht Schaden nehmen könnten: so muß Stein- oder Marmorplatte bedeckt werden, die auf diesem ersten Kuppelboden, so viel freier der Grösse des Instruments, oder vielmehr des- Raum seyn, daß daselbst die Instrumente ihren sen Fußgestelles, angemessen ist. beständigen Stand haben, und von demselben Bei einem Spiegelgewölbe kann der Fall ein- mit leichter Mühe durch die nach Süden angeleg- treten, daß ein Theil der Pfeiler, auf den geraden te Thür, auf das platte Dach geschafft werden Spiegel zu stehen kömmt. Alsdann müssen eiser- können. Bei allzu windigem Wetter, da die In- ne Stäbe 3 Zoll hoch und 1 1/2 Zoll breit, über strumente auf dem freien Dache einen unsiche- das Gewölbe gelegt werden; welche nicht nur auf ren Stand haben würden, kann selbst von diesem den Widerlagen, sondern auch auf den Umfas- Platze ab, durch die südliche Thür, und durch die sungsmauern ruhen; wo sie auf Quaderstücken nach Osten und Westen angelegten Fensteröff- einzulassen, und mit Querstangen zu versehen nungen, beobachtet werden. Zur vollkomnen sind; wodurch sie zugleich Anker für die ganze Erreichung dieser Zwecke, wäre es sehr er- Kuppelmauer abgeben. Daß diese Stäbe so einge- wünscht, einen durchaus freien Raum zu haben; legt werden müssen daß sie auf dem Fußboden allein dieser läßt sich um deswillen nicht gewin- nicht sichtbar seyn, und zugleich das Gewölbe, nen, weil auf dieser Bodenfläche Pfeiler errichtet vorzüglich aber den Spiegel, nicht unmittelbar werden müssen, auf welchen das für die Kuppel berühren dürfen, versteht sich von selbst. 98 Georg Heinrich Borheck: Grundsätze über die Anlage neuer Sternwarten Georg Heinrich Borheck: Nachschrift 99

Diese veränderten Umstände liessen mich glauben, daß der Bau der Sternwarte nie fortge- setzt werden würde, weshalb ich auf meine Ab- handlung weit wenigern Werth legte, und sie ruhig in Heynens Händen ließ. Endlich erschien im Frühjahr 1810 ein Königl. westphl. Dekret, worin es hieß: 1 Nachschrift daß nach den Planen und Anschlage des Universitäts Baumeisters Borheck, der Bau der neuen Sternwarten in Göttingen, ausgeführt werde etc. und dieses verscheuchte meine bisherige Gleich- Im Jahre 1805, als ich diese Abhandlung nebst gültigkeit. Ich schrieb also an Heyne und bath den nöthigen Rissen zum Druck ausgearbeitet um die Rücksendung meiner Abhandlung, erhielt hatte, wollte weder Herr Dieterich noch Hr. aber die unangenehme Antwort, daß er die von Ruprecht, den Verlag dieses Werks übernehmen; mir, bei meinem Abgange von Göttingen, erhal- weil ich dabei die Bedingung machte, daß es in tenen officiellen Bauakten, hätte abgeben müs- groß Folio mit lateinischen Lettern auf Schweit- sen, und aus Versehen auch mein Werk über die zerpappier gedrukt, und die Risse von guten Anlage neuer Sternwarten, ausgehändigt habe, Meistern in Kupfer gestochen werden sollten. leider aber nicht bestimt sagen könne, ob das Dieses Ablehnen war meinem Hochverehrten alles nach Hannover oder Cassel gekommen sey. Freunde weyl. Geheimen Justizrath Heyne, sehr So mußte ich nun meine mühevolle Arbeit unangenehm; weil er wünschte, daß es der ge- gleichsam als verlohren ansehen; ein Verlust, der lehrten Welt bekannt würde, daß in Göttingen mir weit weniger empfindlich gewesen wäre, eine, der neuen Astronomie eben so entspre- wenn ich die Gewissheit ihrer Vernichtung ge- chende als prachtvolle Sternwarte, aufgeführt habt hätte: aber der Gedanke, ob nicht vieleicht werde, und der Grund bereits dazu gelegt sey. Er dieses Werk in solche Hände gekommen sey, daß erboth sich daher, einigen Buchhändlern in Leip- davon bei der Ausführung des Baues, Gebrauch zig den Antrag zu machen, dieses Werk in Verlag gemacht werden könne, war mir höchst unange- zu nehmen. Ich war damit zufrieden, übergab nehm, und ließ mich die große Anstrengung ihm das Manuskript mit den dazu gehörigen meiner schwachen Augen, bei Verfertigung der Rissen, und reiste im Juni 1805 nach einem im feinen Riße, innigst bedauern, mußte mich dar- Hesseschen gepachteten Landguthe ab, um mei- über zufrieden geben; weil ich nicht wußte an nen sehr geschwächten Augen, durch land- wen ich mich deshalb wenden sollte. Zufällig wirthschaftliche Beschäftigungen, Erholung zu machte ich im Frühjahr 1812 die Bekantschaft verschaffen. eines Districts-Baumeisters – Reinhold, der spä- Nach Verlauf von ein paar Monaten schrieb terhin als Bauinspektor in Königl. Hannövr. mir der würdige Mann, daß die Leipziger Buch- Diensten sich durch die Schrift: Der deutsche Han- händler sich ebenfalls auf den Verlag dieses dels-Kanal, oder die schiffbare Verbindung der deutschen Werks nicht einlassen wollten; weil dazu ein be- Meere u.s.w. bekant gemacht hat – der mir versi- trächtlicher Vorschuß gehöre, und der Buchhan- cherte, daß er vor etwa zwei Jahren, im Oberbau- del jetzt ganz im Stocken sey. Beruhigen sie sich collegio zu Cassel, eine von mir geschriebene hierüber schrieb er, ich will ihr Mascpt. bei mir Abhandlung, unter dem Titel: Grundsätze über die behalten, und den ersten günstigen Zeitpunkt, Anlage neuer Sternwarten, nebst dazu gehörigen für ihre, und zugleich für meine Wünsche nut- Planen, gesehen habe, und daß ich mich deshalb zen. Aber die Zeiten wurden immer ungünstiger, an den General-Baudirektor Joussow, wenden bis endlich der gänzliche Umsturz unserer ange- möge. Ich schrieb also an diesen, legte Heynens bohrnen Landesverfassung eintrat, und das Kö- Briefe als Beweise bei, daß diese Abhandlung nigreich Westphalen gegründet wurde. nicht zu meinen ehemaligen Dienstarbeiten ge- höre, sondern aus einem bloßen Fehlgriff dHr. Geh. Justizraths Heyne, an das Oberbau- 1 Die Nachschrift hat Borheck Ende 1812 oder 1813 ver- fasst. Departement eingeliefert sey. 100 Georg Heinrich Borheck: Nachschrift

Lange wartete ich auf eine Antwort aber ver- Abhandlung nebst Rissen, die ich denn auch so gebens, und reiste daher im Juni nach Cassel, um gleich als mein Eigenthum in Besitz nahm. Herr mit Hr. Staatsrath von Leist und Hr. General- Müller machte dagegen keine Einwendungen, Baudirektor Joussow, über diese Angelegenheit sondern entschuldigte die verzögerte Aushändi- mündlich zu reden. Beide Herren gaben mir zu gung damit, daß er noch manches, den inneren vernehmen, daß man meine Abhandlung als ein Bau betreffend zu copiren und zu ercerpiren, officielles Aktenstück angesehen, was sie dHr. nöthig gefunden habe. Professor Gaus in Göttingen zur Beurtheilung Bei Besichtigung des in den Umfassungs- und zugeschickt hätten, und da dieser seinen Beifall Scheidewänden beinahe vollendeten Baues, fand darüber bezeugt habe, so sey es dem Distrikts- ich, daß man der Hauptfassade eine andere Dekora- Baumeister Müller mit dem Befehl eingehändigt, tion gegeben, die dorischen Wandpfeiler und Fens- nach dieser Anleitung den Bau der Sternwarte tereinfassungen weggelassen, und alles schlicht auszuführen. Ich berief mich auf Heynens Briefe, gemacht hatte. Damit nun diese aus bloßem Kunst- woraus klar hervorgehe, daß diese Arbeit mein neid gewählte Abänderung der Dauerhaftigkeit privat Eigenthum sey, bath ernstlich um die nicht schade, so hat man die ganze Vorderfacade Rückgabe derselben, und erhielt endlich die Ver- von Sandsteinquadern aufgeführt, und den übri- sicherung, daß dem Baumeister Müller aufgege- gen von rauhen Steinen verfertigten Umfassungs- ben werden solle, das Werk zurück zu schicken. mauern, durch einem Bewurf und Anstrich mit Von jetzt an sahe ich mit jeden Posttage der Leimfarbe, das Ansehen von Quadermauern zu Ankunft meiner Arbeiten entgegen, aber leider geben gesucht. Diese Abweichung von der reinen vergeblich. Ich beschloß daher, um an die Wahr- dorischen Ordnung, hat sich auch auf die beiden heit zu kommen nach Göttingen zu reisen, be- freien Säulen des Haupteinganges und das suchte am 8ten October 1812 den Baumeister Kranzgesims erstreckt. Auch hat man der Treppe Müller, und fand auf dessen Arbeitstisch meine zur Kuppel, eine andere Lage gegeben. Zeittafel zu Georg Heinrich Borheck und zu politischen Ereignissen seiner Zeit 101

Georg Heinrich Borheck Politische Ereignisse der Zeit

1751 geboren in Göttingen 1760 Georg III, König von Großbritannien und Kurfürst von Hannover, Beginn der indus- 1771 Studium der Mathematik in Göttingen triellen Revolution 1779* Entwurf einer Anweisung zur Landbau- 1776 Unabhängigkeitserklärung der USA kunst, Teil 1 1780 Ernennung zum Klosterbaumeister für Ca- lenberg und Göttingen sowie zum Universi- 1781 Aufhebung der Leibeigenschaft in Öster- täts-Baumeister, Lehrbefugnis an der Univer- reich und in anderen deutschen Staaten sität, Beteiligung an der Planung für eine neue Bibliothek 1784 Planung und Errichtung (bis 1787) des Ac- couchierhauses in Göttingen 1787 Entwurf und Bau der Michaeliskirche 1789 Französische Revolution 1791 Erste Pläne für eine neue Sternwarte 1792 Frankreich erklärt Österreich den Krieg, 1792* Anweisung zur Landbaukunst, Teil 2 „Marseillaise“ 1793 Kirchenbau in Mengershausen 1799 Napoléon Bonaparte Erster Konsul 1801 Pläne für einen Neubau der Bibliothek 1802 Georg III bewilligt die Mittel für den Bau der 1802 Borheck beginnt Planung der Sternwarte Göttinger Sternwarte 1803 Baubeginn der Sternwarte 1803 Franzosen besetzen Hannover 1804 Bauarbeiten an der Sternwarte eingestellt 1804 Napoléon Bonaparte Kaiser der Franzosen, 1805 Borheck beendet Manuskript zur Sternwarte, plant Landung in England dessen Publikation scheitert; geht wegen Au- 1805 Napoléon siegt bei Austerlitz genleidens in Pension und zieht nach Wolf- hagen/Hessen 1806 Napoléon siegt bei Jena und Auerstedt, 1806* Anweisung über die zweckmäßige Anlegung Herzog Ernst, Gauß’ Mäzen, stirbt, der Landkirchen, mit 13 K. Kontinentalsperre gegen England 1807 25. Juli Berufung von C. F. Gauß 1807 im August Errichtung des Königreichs West- 1810 Edikt Jérômes zum Weiterbau der Sternwar- falen unter Jérôme Bonaparte te nach Borhecks Plänen, Überarbeitung der Architektur durch Jussow und Crelle, Übertragung der Bauleitung an Justus Heinrich Müller 1812 Rückgabe des Manuskripts und der Pläne zur 1813 Napoléon verliert die Völkerschlacht bei Sternwarte an Borheck Leizig, Jérôme dankt ab, Wiederherstellung 1813 Das Gesuch Borhecks um Wiedereinstellung der Herrschaft Georgs III bleibt erfolglos 1814 Wiener Kongress, Hannover Königreich 1816 Fertigstellung der Sternwarte durch Justus Heinrich Müller 1820 Borheck nimmt Lehrtätigkeit wieder auf 1820 Georg IV König von Großbritannien und 1822* Lehrbuch der Landbaukunst für Baumeister Hannover und Landwirthe, 2 Bde. m.K. 1826* Gründliche Anweisung zur richtigen Anlage der Beutelmaschinen und der deutschen 1830 Wilhelm IV König von Großbritannien und Oelmühlen, m.K. Hannover 1834 Tod Borhecks; er hinterlässt seine Ehefrau 1837 Ernst August König von Hannover und eine Tochter Amtsenthebung der Göttinger Sieben Victoria Königin von Großbritannien * Publikationen Borheck 1839 Preußen verbietet die Kinderarbeit 102 Kurzbiografien

Kurzbiografien

DAVID AUBIN, geb. 1967, “maître de conféren- CHRISTIAN FREIGANG, geb. 1959, Studium von ces” for the history of mathematical sciences am Kunstgeschichte und Klassischer Archäologie in Institut de mathématiques de Jussieu, Université München, Bonn und Berlin; Lehrtätigkeiten in Pierre-et-Marie-Curie (Paris 6), Arbeitsschwer- Genf, Göttingen und Freiburg; seit 2003 Pro- punkte: History of Observatories, 18th-20th fessor für Kunstgeschichte an der Johann Wolf- centuries. gang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Associate im International Center of Medieval KLAUS BEUERMANN, geb. 1937, Studium der Art, Arbeitsschwerpunkte: Geschichte der Archi- Physik und Mathematik in Kiel und Göttingen, tektur und Architekturtheorie, Bildkünste des Auslandaufenthalte California Institute of Tech- Spätmittelalters. nology und Harvard University, Professor i.R. an der Universität Göttingen. 1994 − 1996 Direktor NICOLAAS RUPKE, geb. 1944, Professor und der Universitäts-Sternwarte, 1997 − 1999 Dekan Direktor am Institut für Wissenschaftsgeschichte der Fakultät für Physik der Universität Göttin- der Universität Göttingen. PhD Princeton 1972, gen. Arbeitsschwerpunkte: Kompakte Sterne, Forschungsstellen u.a. an der Smithsonian Insti- Röntgenastronomie. tution, Universität Oxford/UK, der Wellcome Institution/UK und dem Institute of Advanced ROBERT FÖRSTER, geb. 1954, Dipl.-Ing., Archi- Studies/Australien. 1997/98 Nelson O. Tyrone tekt im Universitätsbaumanagement Göttingen, Jr. Professor of the History of Medicine-elect an Projektleiter für Universitätsbauvorhaben, Ar- der Vanderbilt University. Arbeitsschwerpunkte: beitsschwerpunkte: Sanierung und Restaurierung Geschichte der Bio- und Geowissenschaften der historischer Universitätsgebäude wie Aula, Audi- späten Neuzeit, nationale Wissenschaftsgeschich- torium, Universitäts-Sternwarte, Heyne-Haus u.a. te Deutschlands und Großbritanniens.