Katholische Juden? Katholische Juden? Eine Ethnografi E Zu Den Xuetes Auf Mallorca
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Göttinger Studien zur Kulturanthropologie / Europäischen Ethnologie ie Nachfahren zwangsgetaufter Juden auf Mallorca, die sogenannten DXuetes, stehen im Fokus dieser Ethnografi e. Bis in das 20. Jahrhundert 1 Göttingen Studies in Cultural Anthropology / European Ethnology wurden diese katholischen Mallorquiner von der Mehrheitsbevölkerung als Juden ausgegrenzt und verfolgt. Beleuchtet wird hier eine Gegenwart, in der sich manche Xuetes immer noch wie „nicht Fisch, nicht Fleisch“ fühlen. Bisher wurde die Geschichte der Xuetes von Historikern zumeist als „Vergangenheit, die nicht vergehen will“ aufgefasst und als Apologie für Kirche und Staat ver- fasst. In dieser empirischen Studie haben Xuetes und Nichtxuetes erstmals selbst das Wort. Das Ergebnis ist kein „Triumph des Glaubens“, so ein zeitgenös- sischer Bericht über die kollektive Zwangstaufe, sondern die Geschichte einer Traumabewältigung. Mit theoretischen Ansätzen zu Trauma, Tabu, Erinnerung und Identität werden Identifi kationsprozesse in all ihrer Mühe, Lust und ihrem Erkenntnisbestreben differenziert dargestellt. Christian Riemenschneider Christian Riemenschneider Katholische Juden? Katholische Juden? Eine Ethnografi e zu den Xuetes auf Mallorca ISBN: 978-3-86395-212-9 Universitätsverlag Göttingen Universitätsverlag Göttingen ISSN: 2365-3191 Christian Riemenschneider Katholische Juden? Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International Lizenz. erschienen als Band 1 in der Reihe „Göttinger Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie“ im Universitätsverlag Göttingen 2016 Christian Riemenschneider Katholische Juden? Eine Ethnografie zu den Xuetes auf Mallorca Göttinger Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie, Band 1 Universitätsverlag Göttingen 2016 Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http://dnb.dnb.de> abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein Anschrift des Autors Christian Riemenschneider E-Mail: [email protected] Dieses Buch ist auch als freie Onlineversion über die Homepage des Verlags sowie über den Göttinger Universitätskatalog (GUK) bei der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (http://www.sub.uni-goettingen.de) erreichbar. Es gelten die Lizenzbestimmungen der Onlineversion. Satz und Layout: Sascha Bühler Umschlaggestaltung: Margo Bargheer Titelabbildung: Christian Riemenschneider © 2016 Universitätsverlag Göttingen http://univerlag.uni-goettingen.de ISBN: 978-3-86395-212-9 ISSN: 2365-3191 1. Einführung 9 1.1 Eine E-Mail aus Mallorca 9 1.2 Einordnung der Arbeit 11 1.3 Problemstellung und Aufbau der Arbeit 13 1.4 Das ethnografische Selbst oder Reflexionen eines fremd-vertrauten Themas 17 1.5 Reflexionen der Feldforschung in Palma 20 2. Erkenntnisleitende Ansätze: Identifikation und Erinnern 37 2.1 Identität, Identifikation: Orientierungsversuche in einem Problemfeld 37 2.2 Theorien des Erinnerns und Nichterinnerns 48 3. Kreuzweg der Religionen. Ethnohistorie der Juden, conversos und Xuetes in Mallorca 63 3.1 Die jüdische Gemeinschaft von der Antike bis zur Zwangstaufe 1435 64 3.2 Die conversos zwischen Assimilation und Kryptojudaismus 76 3.3 Inquisitorische Verfolgung und Ethnogenese der Xuetes 85 4. Gegenwärtige Identifikationsprozesse als Xuetes 95 4.1 Annäherung an das Feld: ethnografische Ausschnitte 95 4.2 Erzählen. „Ich, Catalina Valls, Xueta“. Die Bewältigung stigmatisierter Identifikationen in lebensgeschichtlichen Erzählungen mallorquinischer Xuetes 123 4.3 Erinnern. „Sich erinnern heißt auch nach Identität fragen“. Debatten um ein Mahnmal für die verfolgten Juden, conversos und Xuetes 149 4.4 Erproben sozialer Beziehungen. Vom Regen in die Traufe? Identifikationsprozesse onv Xuetes in der Begegnung mit etablierten jüdischen Institutionen 186 4.5 Essen. Kulinarische Praxis als Identifikationspraxis: sefardische borekitas und mallorquinischer Schinkenspeck 236 5. Ausblick 255 5.1 Neueste Nachrichten aus Mallorca. „Meilensteine“ am Weg in die Zukunft? 255 5.2 „Die lebendige Geschichte der Xuetes“: Die Schaffung von Kulturerbe 274 6. Zusammenfassung 289 7. Anhang 299 7.1 Materialien 299 7.2 Mündliche Quellen 303 7.3 Literaturverzeichnis 305 7.4 Zeitungsartikel 320 7.5 Andere schriftliche Quellen 322 7.6 Filme und Fernsehbeiträge 322 7.7 Onlinequellen 323 Dank Für Unterstützung in jeglicher Form bedanke ich mich herzlich bei Regina Bendix und Gudrun Schwibbe. Auch ein herzlicher Dank geht an Brigitta Hauser-Schäub- lin. An alle Personen, die in Mallorca ihre Zeit mit mir geteilt haben, geht ebenfalls ein besonderer Dank. Hier möchte ich Joana, Ferran, Xisca, Carlos, Esteban und seine Frau Antonia sowie meine Nachbarin Cristina und ihre Familie nennen. Dan- ke auch an Toni, Esteban und Bartolomeu für die Wohnung über der Silberschmie- de und stets neue Geschichten. Shaul möchte ich danken für die Einladung in das Jüdische Lehrhaus – und Natasha für die Einladung zu einem köstlichen Schabbat- essen. Jacqueline Tobiass bot mir Kontaktmöglichkeiten, ihr umfangreiches Archiv und vorzüglichen Kaffee, Hering und Wodka. Danke! Pedro de Montaner war ein kontroverser Diskussionspartner und unterstützte mich freigebig mit Literatur. Ebenso freigebig mit Literatur war Lleonard Muntaner. Mittlerweile verstorben sind Catalina Valls Aguiló de Son Servera, Joana Angue- ra Maura und Benjamin Klein, deren Herzlichkeit mich berührt hat. Maria Josep Estanyol von der Universitat Barcelona half mir mit dem Einstieg in die Forschung vor Ort, nicht zuletzt durch Sprachpraxis en català; gracies! Für vertiefte Einblicke ins Katalanische und Mallorquinische ein Dank auch an Jasmine Aboitiz Gómez und Pere Bonnín. Bei der langwierigen Arbeit der Transkription halfen mir Javier Requena Raboso, Maria Ximena Ordoñez und Susana Artigas Guntín. Muchísimas gracias, os debo algo. Für Literaturtipps, Diskussionen, Korrekturlesen, offene Ohren und viel geteil- te Zeit danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen Karin Bürkert, Victoria Heg- ner, Torsten Näser, Anna-Carolina Vogel und Nadine Wagener-Böck ganz herzlich; ebenso dem Lektoren Marcus Böck. Sascha Bühler hat sich der Arbeit des Endlek- torats und Formatierens angenommen. Dafür mein ausdrücklicher Dank. Dorothee Geßner und Mathias Venus haben mich in ihrem Haus mit Garten beherbergt, bekocht, mir zugehört und über die Arbeit diskutiert. Danke an die Nussmäuse. Mein Dank gilt auch dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) für das Anschubstipendium. Im Anschluss wurde die Arbeit durch das Evangeli- sche Studienwerk Villigst e.V. und die Graduiertenschule für Geisteswissenschaften Göttingen (GSGG) gefördert. Der Druck wurde durch die Geschwister Böhringer Ingelheim Stiftung für Gei- steswissenschaften und das Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethno- logie der Georg-August-Universität Göttingen gefördert. 1. Einführung 1.1 Eine E-Mail aus Mallorca „Ich nehme an, du hast schon von der großartigen Neuigkeit gehört, wir sind su- perglücklich. Wir haben es ja immer gewusst, aber jetzt wurde es von einem Rab- binatsgericht bestätigt: XUETES=JUDEN!!!“1. In diesen knappen Zeilen teilte mir Xisca aus Mallorca ihre Begeisterung darüber mit, als Nachfahrin von Juden, die vor Jahrhunderten unter Zwang getauft worden waren, endlich offiziell als Jüdin anerkannt worden zu sein. Schließlich hatte sie sich nie als richtige Katholikin ge- fühlt. Ihre Mail erreichte mich über zwei Jahre nach meiner Forschung in Mallorca. Anscheinend hatte sich seitdem einiges getan. Und ich konnte Xiscas Aufregung gut nachvollziehen, nachdem ich mich nun schon länger mit der Identitätssuche von Xuetes auseinandergesetzt hatte. Angefangen hatte die Auseinandersetzung mit der Thematik allerdings recht unaufgeregt. Irgendwann im Sommer 2005 klingelte mein Telefon. „… Katholische Juden?“, fragte ich etwas befremdet zurück. „Na ja, also … jüdische Katholiken eben, in Mallorca“, informierte mich mein Freund Javi, der aus Barcelona anrief. Er erzählte mir von einem dokumentarischen Beitrag im 1 Francisca „Xisca“ O., persönliche E-Mail-Kommunikation am 12.7.2011. 10 1. Einführung dortigen Fernsehen, in dem es um eine bis unlängst diskriminierte Minderheit, die Xuetes2, ging. Wir unterhielten uns noch eine Weile. Nachdem ich aufgelegt hatte, ging der Hinweis auf die „jüdischen Katholiken“ in meinem Kopf herum. Ist das nicht ein Widerspruch? Wie kommt es zu der Umschreibung dieser Gruppe? Mal- lorca hatte ich bisher nicht auf der Landkarte meines schon länger bestehenden Interesses an jüdischen Kulturen gehabt. Im Vergleich zu Lappland, Bali oder gar Vanuatu schwingt für im Fach Ethnologie Sozialisierte bei der Nennung Mallorcas kaum das Versprechen relevanter Erfahrung mit. Weitere Recherchen zu den „jü- dischen Katholiken“, den Xuetes, hatten allerdings mein Bild rasch verändert und Interesse geweckt, dass ich schließlich ins Zentrum meines Dissertationsvorhaben stellte. Während des Einlebens auf Mallorca wunderte ich mich bald über so einiges, vor allem über mein vorheriges Desinteresse an der Insel. Aus der Distanz ist das Eigene der Insel hinter Fantasien des Tourismus verborgen. Vor Jahren hatte ich in Deutschland die Aussage einer Frau mitbekommen, die Mallorca jedes Jahr be- sucht: „Ja, war mal wieder herrlich. Wenn bloß aber diese Ausländer