ZEHNTES GESELLSCHAFTSPOLITISCHES FORUM DER BANKEN

Nach der Wahl: Deutschland im Aufbruch? Schönhauser Gespräche Das Forum Das Gesellschaftspolitische Forum der Banken, als Schönhauser Gespräche nach dem früheren Veranstaltungsort benannt, zielt auf Dia- log. Im Mittelpunkt steht der freie Austausch von Meinungen, Argumenten und Informationen zu den Problemen unserer Zeit. Zum Gespräch ein- geladen sind alljährlich hohe Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Das Thema Für Deutschland bleibt eine Bilanz und Neubestimmung der Politik auf der Tages- ordnung. Wo stehen wir nach der Wahl? Was muss geschehen, damit das Land im internationalen Leistungsvergleich wieder nach vorne kommt? Wird es gelingen, bei den gesellschaftlich notwen- digen Reformen endlich den überfälligen Schritt von der Erkenntnis zur Umsetzung zu vollziehen? Was können wir dabei aus den Erfahrungen unserer europäischen Nachbarn lernen? Wie können wir den wirtschaftlichen und politischen Aufbruch schaffen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Zehnten Schönhauser Gespräche. ZEHNTES GESELLSCHAFTSPOLITISCHES FORUM DER BANKEN

Nach der Wahl: Deutschland im Aufbruch? Inhaltsübersicht

Begrüßung und Einführung 5 Dr. Rolf-E. Breuer, Präsident, Bundesverband deutscher Banken, Berlin, und Vorsitzender des Aufsichtsrates, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main

Wo steht Deutschland nach der Wahl? 9 Dr. Klaus von Dohnanyi, Bundesminister a.D.,

Erfolgreiche politische Reformen: Das Beispiel Niederlande 19 Wim Kok, Ministerpräsident a.D. der Niederlande, Den Haag

Erfolgreiche politische Reformen: Das Beispiel Schweden 29 Per Westerberg, Minister a.D., Stockholm, in Vertretung und im Namen von Carl Bildt, Ministerpräsident a.D. von Schweden, Stockholm

Diskussion 35 Moderation: Dr. Hans D. Barbier, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn

Einleitende Statements: Prof. Dr. h.c. Roland Berger, Chairman, Roland Berger Strategy Consultants, München Jürgen Peters, Zweiter Vorsitzender, IG Metall, Frankfurt am Main Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin, Institut für Demoskopie, Allensbach

Von der Erkenntnis zur Umsetzung: 57 Die politischen Reformen anpacken! Prof. Dr. Roman Herzog, Bundespräsident a.D., München Diskussion 69 Moderation: Prof. Dr. h.c. Joachim Fest, Publizist, Kronberg/Taunus

Einleitende Statements: Nina Hauer (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin Hildegard Müller (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin Alexander Bonde (B´90/Die Grünen), Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin Daniel Bahr (FDP), Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin

Zusammenfassung und Ausblick 95 Dr. Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Berlin

Verabschiedung 103 Dr. Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandes, Bundesverband deutscher Banken, Berlin

Dinner-Speech am Vorabend: 105 Europe – unfinished business Rt. Hon. Peter Mandelson, Member of Parliament, London

Die Redner 114

Die Teilnehmer 120

Die bisherigen Veranstaltungen – Schönhauser Gespräche 128

Bundesverband deutscher Banken 2 3 „Es fehlt in Deutschland an Leadership.“ Begrüßung und Einführung

DR. ROLF-E. BREUER, Präsident, Bundesverband deutscher Banken, Berlin, und Vorsitzender des Aufsichtsrates, Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlich willkommen zu den Zehn- ten Schönhauser Gesprächen. Ein besonderes Willkommen gilt denjenigen unter Ihnen, die keine Chance hatten, schon gestern mit uns zusammen zu sein. Wir freuen uns, dass Sie unserer Einladung so zahlreich gefolgt sind, zeigt uns dies doch, dass die Schönhauser Gespräche mehr und mehr an Interesse und Akzeptanz ge- winnen und dass viele von Ihnen sozusagen zu Serientätern geworden sind. Ich begrüße ganz besonders Herrn Kok, der zu uns sprechen wird, und hätte gern auch Herrn Bildt – wie im Programm angekündigt – hier heute begrüßt. Leider hat ein Krankheitsfall in seiner engsten Familie ihn daran gehindert, heute zu uns zu kommen. Stattdessen erwarten wir Herrn Per Westerberg, den ehemaligen Industrie- und Han- delsminister im Kabinett Bildt, der im Namen von Herrn Bildt zum selben Thema zu uns sprechen wird.Wir können also von zwei europäischen Ministerpräsidenten deren Er- fahrungen zu ähnlichen Problematiken wie denjenigen,die uns heute plagen,hören.Ich hoffe, wir können daraus etwas lernen. Das Thema ist Ihnen bekannt, meine Damen und Herren.Wir haben es schon lan- ge vor der Wahl formuliert und nach der Wahl hat es umso mehr an Aktualität gewon- nen: „Nach der Wahl: Deutschland im Aufbruch?“ Das Fragezeichen drückte seinerzeit, als wir das Thema formulierten, in der Tat nur eine Fragestellung aus. Heute klingt si- cherlich mehr Skepsis mit, ob Deutschland in der Tat im Aufbruch ist; Skepsis, hie und da sogar eine gewisse Resignation, eine Haltung des „wohl kaum“ oder „leider nicht“, sind doch die Nachrichten, die wir gegenwärtig empfangen, nicht dazu angetan, uns in irgendeiner Weise euphorisch zu stimmen. Ich bin weit davon entfernt, Horrorgemälde malen zu wollen. Das widerspricht auch meinem Naturell: Ich neige eher zu Optimismus – aber das wird mir schwer ge- macht. Ich zähle nur vier der jüngsten Nachrichten auf, die Sie alle kennen: Die Finanz- lücken im Bundeshaushalt sind größer als geahnt; die Neuverschuldung steigt mehr als vorausgesehen;die Wirtschaftsforschungsinstitute sagen eine Abkühlung voraus und kei- nen Aufschwung; die Wende am Arbeitsmarkt stellt sich weder dieses Jahr noch aller Vo- raussicht nach im nächsten Jahr ein. Das sind Hiobsbotschaften, die dazu angetan wären, zur Reformfreudigkeit aufzu- rufen, zu sagen: Hier muss etwas geschehen. Die Fülle sich häufender schlechter Nach- richten muss Anlass sein, über eine grundsätzliche Wende nachzudenken. Wir müssen

Bundesverband deutscher Banken 4 5 BEGRÜßUNG UND EINFÜHRUNG

den Weg von der Erkenntnis – in der Dia- eher näher an den Abgrund heranzu- gnose, in der Analyse sind wir Meister – führen, als dass sie von ihm wegleiten. zur Umsetzung finden. Was uns in diesem Lande fehlt, ist lei- Was müssten wir tun? Auch hier sind der das Bewusstsein für den Reformbe- vier Punkte zu nennen, ohne dass es sich darf. Aus einer Umfrage,die unser Verband um umwälzende Neuigkeiten handelt.Das durchgeführt hat, geht hervor, dass sieben Wichtigste sind die Entkrustung und die von zehn befragten Deutschen keine – ich Entbürokratisierung am Arbeitsmarkt. Zu betone: keine – Aufbruchstimmung ver- nennen sind ferner die Senkung der Lohn- spüren. Es ist kein Konzept zu nebenkosten, die Entlastung der Unter- Der Aufschwung, den wir dringend erkennen. Es fehlt an der Entschlossenheit, nehmen von zu hohen Abgaben und Steu- nötig haben, beginnt, wie wir alle wissen, im Grundsatz etwas zu ern – das gilt insbesondere für den deut- in den Köpfen. Offensichtlich ist aber in ändern. schen Mittelstand – und schließlich Re- den Köpfen noch nicht das Bewusstsein formen, welche die Eigenverantwortung eingekehrt, dass ein dringender Aufbruch stärken und die sozialen Sicherungssyste- als Voraussetzung des Aufschwungs von- me entlasten. nöten ist. Ich glaube persönlich: Die Men- Noch einmal: An diesen vier Forde- schen in diesem Lande wären bereit, sich rungen ist nichts Revolutionäres. Wir re- dieser Herausforderung zu stellen. Die den darüber seit mindestens vier Jahren, eben zitierte Umfrage enthält nämlich eigentlich schon länger.Aber die Marsch- auch folgende drei interessanten Ergeb- route, welche die neue Regierung einzu- nisse: schlagen offensichtlich willens ist, ist von Erstens: 45 Prozent der Befragten den Herbstgutachtern und den fünf möchten, dass der Markt- und Wettbe- Weisen schlicht als wachstumsfeindlich werbsgedanke gestärkt wird. Sie sind also bezeichnet worden. Dieses Prädikat ist nicht dafür,dass mehr soziale Absicherung außerordentlich besorgniserregend. Mehr geschaffen wird, sondern sie sind dafür, noch: Es ist kein Konzept zu erkennen. Es dass mehr Markt geschaffen wird. fehlt an der Entschlossenheit, im Grund- Zweitens: 71 Prozent der Befragten satz etwas zu ändern.Was uns vorgeführt sind für eine stärkere leistungsbezogene wird, ist ein Flickenteppich an Maßnah- Differenzierung bei Löhnen und Gehäl- men,die kurzfristig Löcher stopfen sollen, tern. Sie sind also nicht für eine stärkere aber nicht der große Wurf. Angleichung der Einkommen. Zu Recht heißt es: Über den Abgrund Drittens: Drei von vier befragten kann man nicht in kleinen Schritten Deutschen ziehen eine zusätzliche private schreiten. Was wir jetzt sehen, sind hie Altersvorsorge einer Erhöhung der gesetz- und da kleine Schritte, aber sie scheinen lichen Rentenversicherung vor. Auch hier DR. ROLF E. BREUER

gibt es also eine Absage an ein staatliches der außen- und sicherheitspolitischen Versorgungssystem, stattdessen eine Be- Herausforderungen. In dieser Beziehung fürwortung der privaten Eigenverantwor- ist die Situation denkbar schlecht.Wir ha- tung und der Eigeninitiative. ben es uns mutwillig schwerer, wenn Das sind gute Voraussetzungen für ei- nicht gar unmöglich gemacht, der Erwar- ne Regierung, die bei der Bevölkerung für tung unserer Partner gerecht zu werden. einen Aufbruch werben würde. Dieser Drittens:Wir sollten das Vertrauen in Satz ist absichtlich in der Konditionalform die noch junge europäische Währung,den formuliert, denn die gegenwärtige Bun- Euro, nicht leichtfertig und ohne Grund desregierung wirbt nicht. Es fehlt, wie die zerstören. Der Euro befindet sich noch im Engländer sagen würden, an Leadership. Kindheitsstadium. Er bedarf nach wie vor – Es wird nicht geführt im Sinne von „Wir trotz offensichtlichen Erfolges – der Pfle- wollen weniger Staat, wir wollen mehr Ei- ge. Die am Stabilitäts- und Wachstumspakt genverantwortung und mehr individuelle von Maastricht genährten Zweifel sind Entfaltung“. nicht dazu angetan, den Willen, das Stabi- Drei Bereiche scheinen mir zudem litätsziel zu erreichen, nachdrücklich zu besonders wichtig zu sein: untermauern und damit dem Euro zu An- Erstens: Wir sollten, so wie wir das erkennung außerhalb der Währungszone heute Morgen versuchen,aus den Reform- zu verhelfen. erfahrungen unserer europäischen Nach- Diese drei Voraussetzungen, meine barn lernen.Wenn man schon ablehnt, bei Damen und Herren, sollten uns auf dem nachzuschlagen,sollte man Weg durch den heutigen Konferenztag be- Es fehlt, wie die Engländer sagen wür- wenigstens auf das hören, was uns bei- gleiten. Ich schließe mit einem Zitat von den, an Leadership. spielsweise Wim Kok und Carl Bildt zu be- Hebbel. Er hat gesagt: „Es gehört manch- richten haben. mal mehr Mut dazu, seine Meinung zu än- Zweitens:Wir sollten wirtschaftliche dern, als ihr treu zu bleiben.“ Dies sollte und politische Verantwortung nur mit un- eine Mahnung an die Bundesregierung seren Partnern in Europa und in der sein. Noch ist es Zeit umzukehren. Noch Welt übernehmen, nicht gegen sie. Hier ist dieser Mut gefordert, noch ist Gelegen- schließe ich die Vereinigten Staaten von heit dazu, ihn zu beweisen. Ich wünsche, Amerika ausdrücklich ein.Wer in jüngster ja ich hoffe, die Gelegenheit dazu würde Zeit in den Vereinigten Staaten unterwegs nicht ungenutzt verstreichen. war, weiß und vermag zu beurteilen, was dort zerbrochen und nicht geheilt ist.Dies wäre eine Voraussetzung für eine aktivere Teil- nahme unseres Landes an der Bewältigung

Bundesverband deutscher Banken 6 7 „Wie kommt es, dass es über die Notwendigkeit marktwirtschaftlicher Reformen zwar einen Konsens gibt, und doch so wenige zielführende Entscheidungen getroffen werden?“ Wo steht Deutschland nach der Wahl?

DR. KLAUS VON DOHNANYI, Bundesminister a.D., Hamburg

Meine Damen und Herren! Wir können unser Gespräch gewiss mit dieser ge- meinsamen Feststellung beginnen: Noch keine Bundesregierung stand so kurz nach ih- rer Wiederwahl vor einem solchen ökonomischen, finanzpolitischen und Vertrauens- Scherbenhaufen. Und noch nie, jedenfalls in meiner Erinnerung, tönte die Kritik an Ko- alitionsvereinbarungen, an Regierungserklärung und an den ersten, konkreten Ent- scheidungen der neuen Regierung, aus so unterschiedlichen politischen Lagern so einhellig wie seit dem 22. September. Wir werden im Verlauf unserer Beratungen Beispiele aus unserer europäischen Nachbarschaft hören,die uns helfen könnten aus den Erfahrungen anderer zu lernen um Richtung,ebenso wie Konkretisierung einzelner Reformschritte,auf die unser Land nun schon so lange und immer ungeduldiger wartet, besser zu formulieren. Diese Debatte ist aber sicherlich sinnvoller nach diesen Beiträgen. Ich will versuchen mit meinen einleitenden Worten den Blick auf einige deutsche Besonderheiten zu lenken. Ich möchte Antworten suchen auf Fragen, die in unserer auf- geregten tagespolitischen Debatte so vielleicht seltener zu hören sind und die,so scheint mir, doch die deutsche Lage etwas überzeugender erklären. Zunächst: Woher kommt es, dass die Bundesrepublik Deutschland, deren Volks- wirtschaft über so viele Jahrzehnte ein westliches Vorbild sozialer Marktwirtschaft war, die als „deutsches Modell“ Bewunderer und Nachahmer weltweit fand,innerhalb nur ei- nes Jahrzehnts zum „Schlusslicht“ der Euro-Zone wurde,zum angeblich „kranken Mann“ Europas,zum „Sanierungsfall“ – um nur einige der gängigen Beschreibungen unserer La- ge zu erwähnen? Und wie ist es zu erklären, dass es über die Notwendigkeit marktwirtschaftlicher Reformen unseres Sozialstaates zwar von der Wissenschaft über die Wirtschaft bis in breite Bevölkerungsschichten einen Konsens gibt,und doch so wenige zielführende Ent- scheidungen getroffen werden? Wer versagt hier: die Politiker, die Wirtschaft? Fehlt die Einsicht der Interessengruppen, die Bereitschaft der Bürger und Wähler? Oder gibt es vielleicht Hindernisse,die im politischen System unserer Entscheidungsprozesse liegen? Schließlich werde ich kurz skizzieren,was wir vielleicht tun müssten um unser Land wie- der nach vorne zu bringen. Betrachtet man die wirtschaftliche Lage Deutschlands historisch,so fällt schon dem bloßen Auge auf: Bis in die frühen 90er Jahre wies die „alte“ Bundesrepublik, im Ver- gleich mit den großen europäischen Nachbarn und auch mit den USA, einen positiven

Bundesverband deutscher Banken 8 9 WO STEHT DEUTSCHLAND NACH DER WAHL?

Datenkranz auf. Exportstärke, gesamtwirt- Konsolidierungskurs. schaftliche Wachstumsraten, Geldwertsta- Was ist geschehen? Lag es am Aus- bilität und Arbeitslosenquote bestätigten bleiben der Reformen des Sozialstaates? das Modell Deutschland rundum. Gab es zu wenige Impulse für unterneh- Ich will nur wenige Zahlen aus dem merisches Handeln? Zu hohe Unterneh- Jahr 1989 nennen. Das Wachstum des rea- menssteuern oder zu hohe Löhne und zu len Bruttosozialprodukts lag in Deutsch- niedrige Gewinne? So müssten wir wohl land bei 4 Prozent. Kein anderes Land in vermuten, zögen wir unsere Schlüsse aus Europa lag auf dieser Höhe. Die USA wie- den Streitpunkten der öffentlichen Debat- Woher kommt es, dass sen damals ein reales Bruttosozialpro- te, aber auch aus den Gutachten der deut- Deutschland zum duktwachstum von 3 Prozent auf. Das schen Wirtschaftsforschungsinstitute oder „Schlusslicht“ der Euro-Zone wurde? Bruttosozialprodukt pro Kopf betrug in des Sachverständigenrats. Deutschland,die OECD gleich hundert ge- Auch der letzte Bericht des Sachver- setzt, 92,7. Frankreich lag damals bei 85, ständigenrats ist, wie wir wissen, höchst Großbritannien bei 76,1. Dass der ent- kritisch gegenüber der geplanten Regie- sprechende Wert für die USA damals sehr rungspolitik und mahnt durchgreifende viel höher lag, hatte auch mit dem Dollar- Reformen der Arbeitsmärkte und Sozialsys- kurs zu tun. teme erneut dringlich an. Aber in einem Die Arbeitslosenquote betrug damals unterscheidet sich dieser Bericht von sei- in Deutschland 5,5 Prozent, in Frankreich nen Vorgängern: Zum ersten Mal – und 9,5 Prozent,in Großbritannien 6,2 Prozent man muss schon sagen: endlich! – hat der und in den USA 5,3 Prozent. Hinsichtlich Sachverständigenrat die Reihenfolge ver- der Inflationsrate war im Jahr 1989 ändert: Nun werden die Folgen der deut- Deutschland sozusagen der Meister. schen Vereinigung an erster Stelle ge- 1989 war nicht nur ein günstiges nannt; die Rigiditäten des Arbeitsmarktes Stichjahr.Trotz der schon damals heftigen folgen an zweiter Stelle,und zur Erklärung Debatte über die Notwendigkeit grund- der Wachstumsvorteile einiger europäi- sätzlicher Reformen des Sozialstaates, wa- scher Nachbarn werden dann noch an ren die vorangegangenen Jahre im inter- dritter Stelle die für diese Länder positi- nationalen Vergleich nicht wesentlich ven Folgen der Konvergenz-Dynamik auf- ungünstiger. Deutschland (West) hatte geführt. 1989 sogar mit –0,2 Prozent des öffentli- Den Akzent auf die Vereinigungsfol- chen Defizits am BSP einen ausgegliche- gen zu legen heißt nicht, die Versäumnis- nen Haushalt erreicht – wenn auch durch se der Deregulierung der Arbeitsmärkte „außerordentliche Erträge“ – und lag und das Fehlen längst überfälliger Sozial- langfristig auf einem aussichtsreichen staatsreformen zu bagatellisieren. Wenn DR. KLAUS VON DOHNANYI

die Grenzen des Nationalstaats vor dem europäischen Konkurrenten –, so meint Wettbewerb aus anderen Gesellschaftssys- die Kommission, gehen auf die Folgen der temen – man nennt das Globalisierung – Vereinigung zurück, und es könnte sogar kaum noch direkten Schutz gewährleisten sein, dass dies die Folgen der Vereinigung können, kann nur eine Stärkung der eige- noch immer unterschätzt. nen Wettbewerbsfähigkeit, nur eine Stär- Zweitens: Eine wesentliche Rolle kung und Erhöhung der Beweglichkeit spielt dabei der konsumorientierte Trans- von Unternehmen und Individuen, also fer von jährlich etwa 4 Prozent des west- Sozialstaatsreformen sind für Deutschland nur ein Mehr an ermöglichter und erlebter deutschen Sozialproduktes in die neuen lebenswichtig. Eigenverantwortung helfen. Im Blair- Länder.In unverminderter Höhe seit 1990 Schröder-Papier war das alles schon ein- netto rund 70 Milliarden Euro pro Jahr. mal vernünftig buchstabiert. Peter Man- Drittens: Es seien diese hohen Trans- delson hat diese unausweichliche Konse- ferbelastungen,die zunächst zu der hohen quenz gestern noch einmal brillant for- Staatsverschuldung, dann zu den hohen muliert.Wo finden sich diese Erkenntnisse Zinslasten und schließlich zu den hohen aber in der Politik? Steuern, Abgaben und heutigen Defiziten Also: Sozialstaatsreformen sind auch geführt haben. für Deutschland lebenswichtig. Und doch Viertens: Im Vergleich zu diesen Fak- gingen wir fehl, wenn wir meinten, das ten spielen nach Auffassung der Kommis- Ausbleiben von ausreichenden Arbeits- sion die Rigiditäten der Arbeitsmärkte in marktderegulierungen, Rentenreform, Ge- Deutschland für die deutsche Wachstums- sundheitsreform und Steuerreform sei schwäche eine eher nachrangige Rolle; al- schon die entscheidende Ursache unserer lerdings drängt auch die Kommission heutigen Wachstumsschwäche. natürlich um so mehr auf Flexibilisierung. Nicht die deutschen Wirtschaftsfor- Fünftens: Für diese These spricht schungsinstitute,sondern die Europäische auch, dass Westdeutschlands Wirtschaft Kommission hatte zum ersten Mal im Mai seit den 80er Jahren nichts von ihrer ehe- dieses Jahres einen Bericht über die Wirt- maligen, hohen Wettbewerbsfähigkeit ein- schaft Deutschlands veröffentlicht, der gebüßt habe. Also: Im Westen sind wir in den gesamtdeutschen Folgen der Vereini- Europa nicht das Schlusslicht! gung auf den Grund geht. Und dieser Be- Sechstens: Die offenkundigen Proble- richt kommt dann zu einem Ergebnis, das me Deutschlands seien also sehr langfris- wenig in die deutsche Debatte passt: tiger Natur und ließen sich nur lösen, in- Erstens: Zwei Drittel der heutigen dem die Probleme des Aufbaus Ost gelöst deutschen Wachstumsschwäche – im Ver- würden; dies jedoch sei eben kurzfristig gleich mit Deutschlands wesentlichen nicht möglich.

Bundesverband deutscher Banken 10 11 WO STEHT DEUTSCHLAND NACH DER WAHL?

Nach der Kommission haben nun die Industrie der Länder im Osten steht, auch US-amerikanische Forschungsinstitu- aber die „neuen“ Länder wurden und wer- te diese Blickweise bestätigt.Ich zitiere als den dabei behandelt, als gehe es allein um Beispiel einen sehr eingehenden Bericht die Probleme einer Teilregion, nicht um von Goldmann Sachs von Ende Oktober die Folgen dieser Teilregion für das ganze 2002. Dort heißt es „Deutschlands unter- Deutschland. Schließlich umfasst der durchschnittliche Wachstumsleistung ist Osten doch ein Drittel der Fläche, ein kein neues Phänomen; sie kann zurück- Fünftel der Bevölkerung, aber nur ein verfolgt werden auf die deutsche Vereini- Zehntel des Sozialproduktes und nur gut „Deutschlands unter- gung im Juli 1990“. Auch hier folgt dann ein Zwanzigstel des Exports von Deutsch- durchschnittliche die Feststellung, diese Probleme Deutsch- land. Und die Arbeitslosigkeit in Ost- Wachstumsleistung ist kein neues Phänomen.“ lands könnten noch 10 bis 15 Jahre an- deutschland ist, richtig gerechnet, trotz halten. Transfer fast dreimal so groß wie im Seit Mitte der 90er Jahre vermeiden Westen! die Bundesregierungen getrennte Statisti- Die DDR hatte 1989 etwa 9 Millionen ken für die „neuen“ Länder und die „alte“ Beschäftigte,davon über 40 Prozent in der Bundesrepublik. Ich erinnere mich genau, Industrie. Faktisch hatte kein einziger die- was man mir im Bundeswirtschaftsminis- ser Beschäftigten einen marktwirtschaft- terium antwortete, als ich gemeinsam mit lich wettbewerbsfähigen Arbeitsplatz; drei der großen Wirtschaftsforschungs- keiner der planwirtschaftlich organisier- institute bemüht war,eine Fortsetzung ge- ten Betriebe hatte zu Marktbedingungen trennter Statistiken zur Volkswirtschaftli- erworbene Kunden. Eigentlich konnte chen Gesamtrechnung beider ehemaliger und kann doch niemand erwarten, dass Teile Deutschlands zu erreichen: Das Bild nach einer Vereinigung nun im Westen sei wegen der Unternehmensverflechtung alles so bleiben werde wie es war! Ge- Ost/West nicht mehr eindeutig, hieß es. messen an dieser Perspektive hat sich die Und, wichtiger, wir seien doch nun ein alte Bundesrepublik doch bis heute als Land, und Teilstatistiken erweckten nur stark und äußerst stabil erwiesen! Das Unmut in Ostdeutschland. wird auch von der Kommission so gese- Politische Rücksichtnahmen haben hen. uns jahrelang das zentrale Thema Deutsch- Wenn wir also heute die Lage lands ausklammern lassen: Die gesamt- Deutschlands nach der Wahl betrachten, deutschen Folgen der Vereinigung. Die dann müssen wir zunächst erkennen: Die Folgen der Vereinigung nämlich nicht nur inzwischen lang andauernde Wachstums- für den Osten, sondern für das ganze schwäche ist weniger die Folge der den- Deutschland. Man erfährt zwar wie es um noch notwendigen und unbewältigten DR. KLAUS VON DOHNANYI

Sozialstaatsreformen als die Folge unbe- wird. Aber seit 1990 hat die Politik der wältigter Vereinigungsprobleme. Bundesregierungen nicht verstanden,dass Warum ist dies so wichtig? Es gibt weder Abschreibungen noch Investitions- zwei bedeutende Gründe: Einmal hören hilfen den Unternehmen des verarbeiten- wir von den Kritikern der Flexibilisie- den Gewerbes im Osten entscheidend hel- rungspolitik immer wieder: Das habt ihr fen werden. versucht, es hat nichts genutzt, also brau- Attraktiv wird ein Standort für die In- chen wir wieder mehr Staat. Und zum an- dustrie nämlich nur durch besonders at- deren: Die deutsche Politik braucht mehr traktive Ertragschancen. Diese hat die intellektuelle Aufmerksamkeit für die ge- Bundespolitik der ostdeutschen Region samtdeutschen Vereinigungsfolgen, weil von Anbeginn verweigert, obwohl sogar sonst auch eine fortschreitende Flexibili- der doch eher westdeutsch dominierte sierung und Sozialstaatsreform am Ende BDI noch Mitte der 90er Jahre bereit war wenig an der deutschen Wachstums- der ostdeutschen Region einen großen schwäche ändern werden. Wettbewerbsvorteil in Form substanzieller Da die Bundesregierungen seit über steuerlicher Wertschöpfungspräferenzen einem Jahrzehnt diesen zentralen Zusam- langfristig einzuräumen. Infrastruktur und menhang nicht erkannt haben, gibt es Wissenschaftsförderung, Kern auch der auch bis heute kein strategisches Konzept heutigen Aufbaupolitik,sind eben nur not- für das Problem Aufbau Ost. Der Solidar- wendige, aber nicht hinreichende Bedin- pakt reicht zwar bis zum Jahre 2019; der gungen für einen erfolgreichen Aufbau Ausbau ostdeutscher Infrastruktur, ein- Ost. In den Kalkulationen des industriel- schließlich der Universitäten und wissen- len Unternehmers für eine Standortent- schaftlichen Forschungseinrichtungen, scheidung vergehen nämlich angesichts und auch die finanziellen Hilfen für Un- kurzer Lebenszyklen moderner Maschi- ternehmensgründer und Investitionen, so- nen die Abschreibungen und Zuschüsse Attraktiv wird ein Standort nur durch lange dies nach EU-Recht erlaubt bleibt, schnell.Was als Standortvorteil letztlich al- besonders attraktive sind notwendig.Wir müssen im Osten at- lein zählt sind dauerhaft günstige Ertrags- Ertragschancen. traktivere Standorte für industrielle An- chancen. siedlungen schaffen. Die Vision einer ost- Diese werden nun aber erneut durch deutschen Dienstleistungsgesellschaft das Versprechen einer Angleichung der übersieht, dass es ohne Unternehmen des Löhne und Gehälter des öffentlichen verarbeitenden Gewerbes auch kein star- Dienstes in Ostdeutschland bis 2007 be- kes Dienstleistungsgewerbe geben kann, droht. Denn die These, niedrigere Löhne weil dieses immer in erster Linie von unter- im Osten förderten die Abwanderung nach nehmensnahen Dienstleistungen getragen Westen, ist ein Märchen! Die Menschen

Bundesverband deutscher Banken 12 13 WO STEHT DEUTSCHLAND NACH DER WAHL?

wandern ab wegen geringerer Lebens- Bundestagswahl gegenübersieht, war vor- chancen, diese aber werden nur durch aussehbar. Nachdem schon 1998 die einen wirtschaftlichen Aufbau entstehen. damals neue rot-grüne Regierung ihre Wenn der Stadtstaat Berlin jetzt die Tarif- Chance vertan hatte, eine ungeschminkte gemeinschaft des öffentlichen Dienstes, Bilanz des vereinigten Deutschlands vor- also den Flächentarifvertrag des öffentli- zulegen,die Aktiva und die Passiva der Ver- chen Sektors, verlassen will, dann tut die einigung aufzudecken, Rückstellungen für Stadt nur, was zwei Drittel der ostdeut- die längst erkennbaren Risiken zu bilden schen Industriebetriebe längst getan ha- und eine Restrukturisierung des Landes ben und der Rest gerne tun würde und zur Bewältigung der Probleme in Angriff eigentlich auch tun müsste. zu nehmen, nachdem dies alles 1998 ver- Was können wir noch tun? Nach 12 säumt wurde, fehlt auch jetzt wieder ein Jahren Vereinigung ist es für vieles zu spät. erkennbares Gesamtkonzept. Zum Beispiel für regionale Steuerpräfe- Hier komme ich nun zu meiner zwei- renzen. Ostdeutschland braucht vielmehr, ten Frage:Warum kommt Deutschland po- neben weiterhin deutlicher Lohnzurück- litisch nicht voran? Ich glaube nicht, dass haltung, eine regionale Option für Flexibi- die deutschen Politiker weniger intelli- lisierungen aller unternehmensrelevanten gent, weniger tatkräftig oder weniger mu- Deutschland braucht Regulierungen. Damit könnten die neuen tig sind als ihre Kolleginnen und Kollegen endlich eine ehrliche Länder zum Vorreiter des Westens werden. in den europäischen Nachbarländern, de- Bilanz des Aufbaus Ost. Ostdeutschland braucht ferner eine poli- ren Reformerfolge uns heute so oft vorge- tisch vorgegebene Konzentration der För- halten werden. Aber so, wie die Aufgabe derungen auf verdichtete Standorte (Clus- des Aufbaus Ost eine Besonderheit ter). Die Bundesregierung denkt nun, wie Deutschlands im europäischen Vergleich ich höre, über eine Neuordnung der För- darstellt,so weist Deutschland auch in der dermerkmale nach; diese Chance kehrt Struktur seiner politischen Entschei- nicht wieder und muss unbedingt genutzt dungsprozesse eine Besonderheit auf: Wir werden. Und, vor allem, Deutschland sind ein föderalistisch aufgebautes Land braucht endlich eine ehrliche Bilanz und mit 16 Mitgliedstaaten, von denen einige eine nachvollziehbare langfristige Per- größer sind als die Mehrheit der Mitglied- spektive des Aufbaus Ost,insbesondere an- staaten der Europäischen Union. gesichts der erneuten Gefährdung Ost- Die Zeit erlaubt mir nicht,auf die Pro- deutschlands durch die EU-Osterweite- blematik des Föderalismus im Allgemeinen rung. einzugehen. Nur soviel: Dezentralisation Das Desaster, dem sich die Bundesre- erweist sich in komplexen Systemen – gierung nur wenige Wochen nach der auch der Wirtschaft – als ein erfolgreiches DR. KLAUS VON DOHNANYI

Organisationsprinzip.Sicherlich hat politi- Einnahmen. So herrscht in der deutschen scher Föderalismus auch Nachteile. Zum Praxis eher ein System komplex organi- Beispiel eine gewisse politische Langsam- sierter Verantwortungslosigkeit. keit, geringere intellektuelle Verdichtun- Seit Jahren wird über diese Lage dis- gen in einer zentralen Metropole und da- kutiert. Bis 2004 sollen im Bundesrat Ver- mit gewisse Behinderungen im Entstehen besserungsvorschläge zur Entflechtung nationaler Eliten, und eine Tendenz zum von Zuständigkeiten erarbeitet werden; Provinzialismus.Das alles ist bekannt.Den- sogar – ein Lichtblick – die Koalitionsver- Ohne eine Entflechtung noch besteht in der Welt ein wachsendes einbarung erwähnt dieses Thema jetzt als der Zuständigkeiten wird Deutschland im Interesse am politischen Föderalismus. Aufgabe. Dennoch zeigt die Bundesregie- Reformstau stecken bleiben. Großbritannien, und in diesen Tagen rung erneut fatale Tendenzen zur Zentrali- Frankreich, sind Beispiele. sation: Auf dem Bildungssektor, wo doch Allerdings gilt auch für föderale eindeutig Länderzuständigkeit besteht Strukturen das eiserne Gebot jeder erfolg- und wo Wettbewerb herrschen sollte,dort reichen Organisation: Verantwortungen ausgerechnet soll es zusätzliche zentrale müssen eindeutig zugeordnet sein und wo Steuerungsinstrumente geben. Eine hekti- Verantwortung getragen werden soll, dort sche Reaktion auf PISA, die es zu verhin- muss es Entscheidungsfreiheit, Zuständig- dern gilt. keit für die eigenen Ressourcen und Re- Denn ohne eine pragmatische Ent- chenschaftspflicht geben. Werden diese flechtung der Zuständigkeiten von Bund Grundsätze befolgt, dann ist allerdings und Ländern wird Deutschland im Re- Wettbewerb zwischen den föderalen Mit- formstau stecken bleiben.Man schaue nur gliedstaaten unvermeidlich und Ungleich- auf das Schicksal des Zuwanderungsgeset- heiten – wie in allen Wettbewerbssituatio- zes oder auf die Hartz-Initiativen des Bun- nen – sind die unausweichliche, logische destages der vergangenen Woche. Konsequenz.Der Föderalismus verliert sei- Wenn man von der ja auch polemi- nen Sinn,ja er wird zur Belastung und Läh- schen Kritik gegen die zweite Regierung mung, wenn er nicht als Wettbewerbsfö- Schröder absieht, dann ist Konzeptlosig- deralismus praktiziert wird. keit wohl der häufigste Vorwurf. Könnte Wir alle wissen, dass unser Föderalis- dieser Vorwurf seinen Grund auch darin mus, dieser so genannte „kooperative Fö- finden, dass wir seit Jahren – schon lange deralismus“, dem nicht entspricht. Bund vor Rot-Grün, aber bis heute unverän- und Länder sind jeweils viel zu häufig ge- dert – an den tieferen Ursachen der deut- meinsam verantwortlich,die Länder teilen schen Probleme vorbeidiskutieren? die Steuern in komplizierten Verfahren mit Ist es nicht ein fataler Denkfehler, dem Bund und haben sonst kaum eigene zum Beispiel, das Thema Aufbau Ost nur

Bundesverband deutscher Banken 14 15 WO STEHT DEUTSCHLAND NACH DER WAHL?

als ein Problem von Leipzig, Rostock oder nächsten Wahl gilt überall, ist er aber bei Frankfurt/Oder zu diskutieren, wenn der uns vielleicht nur der Rand einer Unter- Aufbau Ost doch längst auch ein Auszeh- tasse? rungsthema von Frankfurt am Main, Düs- Deutschland nach der Wahl: Meine seldorf und München geworden ist? Kann größte Enttäuschung ist, dass die Bundes- denn ein Land, in dem 4 Prozent des jähr- regierung es auch mit ihrer buchdicken Der Weg aus der lichen, von kaum 65 Millionen Menschen Koalitionsvereinbarung nicht fertig ge- Gefahr kann nicht mit der ehemaligen West-Republik erwirt- bracht hat, die zentralen Probleme unse- niedrigen Steuern gepflastert sein. schafteten Sozialprodukts, vorrangig an res Landes ehrlich und im Zusammenhang die Sozialsysteme der ehemaligen Ost-Re- zu beschreiben und ihre zweite Chance gion, mit knapp 16 Millionen Menschen, dann dafür zu nutzen, den steinigen Weg übertragen werden, überhaupt ein Nied- aus der Gefahr zu weisen – denn in Ge- rigsteuerland sein, wie die Opposition fahr ist Deutschland. dies anstrebt? Müssten wir nicht erken- Der Weg müsste mit der Einsicht in nen, dass angesichts des unabweisbaren die schwer wiegenden Folgen der Vereini- Transferbedarfs die Senkung von Lohn- gung beginnen und von dieser Einsicht ab- und Einkommensteuern, die zur Stärkung geleitet zu besonderer Aufmerksamkeit für des Mittelstandes gewiss unbedingt und einen systematischen Aufbau Ost einer- dringend notwendig ist, auch bei konse- seits und für die zukünftige Wettbewerbs- quentem Sparen nur durch eine Erhöhung fähigkeit des Standortes Deutschland an- der indirekten Steuern möglich gemacht dererseits führen, weil Deutschland eben werden kann? Und wird dann nicht un- besser mit der Globalisierung und Euro- verständlich, dass bei der Mehrwertsteuer päisierung umgehen muss als seine Nach- ausgerechnet Deutschland am unteren En- barn, wegen der schweren Last die wir zu de der europäischen Steuersätze liegt? Wä- tragen haben. Der Weg aus der Gefahr re eine Erhöhung dieser indirekten Steuer könnte sodann nicht mit niedrigen Steu- nicht auch ein Weg um die Belastung der ern gepflastert sein, sondern niedrigere bei uns so begünstigten Rentner ein we- Lohn- und Einkommensteuern müssten, nig gerechter zu gestalten? Warum wird trotz eisernen Sparens, trotz einer wach- aber die Frage der Mehrwertsteuer prinzi- senden Selbstbeteiligung der Bürger an piell tabuisiert? Fehlt der Mut,die Einsicht Rentenbeiträgen und Gesundheitsabga- – oder beides? Oder stehen eben jeweils ben, schrittweise – und konjunkturell an- Landtagswahlen bevor, die das Gewicht gepasst – zu höheren Mehrwertsteuern des Bundesrats entscheidend beeinflus- führen. Der Weg aus der Gefahr bedingt sen? Wie, zum Beispiel, jetzt in Hessen schließlich eine konsequente Entflechtung und Niedersachsen? Der Tellerrand der von Bund- und Länderzuständigkeiten, DR. KLAUS VON DOHNANYI

ebenso wie mehr Beweglichkeit der Be- die wichtigsten Gegner auf der steinigen triebe zum Beispiel in den Tarifverträgen, Strecke zu mehr Freiheit, mehr Beweg- angesichts ihrer immer unterschiedliche- lichkeit und mehr Eigenverantwortung ren Konkurrenzbedingungen im globalen vielleicht am Ende doch eher mitnehmen Wettbewerb. als Union und FDP. Diese Regierung, das mag manchen Hier liegen Verantwortung und Chan- erstaunen zu hören, hätte für einen sol- ce des Bundeskanzlers.Ich jedenfalls habe chen Weg eigentlich bessere Voraussetzun- die Hoffnung noch nicht aufgegeben. gen als die Opposition, denn sie könnte

Bundesverband deutscher Banken 16 17 „Kein Land kann sich auf Dauer erlauben, sich von äußeren Entwicklungen abzusondern.“ Erfolgreiche politische Reformen: Das Beispiel Niederlande

WIM KOK, Ministerpräsident a.D. der Niederlande, Den Haag

Meine Damen und Herren! Es ist eine besondere Ehre und zugleich auch eine große Freude, zu den Schönhauser Gesprächen einen Beitrag liefern zu dürfen. Ich bin sehr überrascht und auch berührt, dass mein ehemaliger Kollege und guter Freund bereits gestern Abend und auch heute Morgen bei uns ist. Das bringt mei- ne Erinnerung an die Atmosphäre im Europäischen Rat im Laufe der vergangenen Jahre zurück, wo es manchmal viel Streit gab – nicht so sehr zwischen Deutschland und den Niederlanden –, in dem wir aber auch vieles erreicht haben, auch vieles, was jetzt etwas gefährdet erscheint. Die unumkehrbare Einführung des Euro war ein ganz besonderes Ereignis. Das zentrale Gesprächsthema der heutigen Tagung ist die Notwendigkeit von Struk- turreformen in einem breiten Bereich, nicht zuletzt, um die Dynamik und die Wachs- tumskraft der Wirtschaft zu entfesseln. Diese Notwendigkeit gilt sicher nicht nur für Deutschland, so sehr Ihr Land aus verständlichen Gründen gerade jetzt auch im Mittel- punkt steht.Das langsame Wachstum innerhalb Europas als Ganzes beunruhigt mich und auch in anderen europäischen Ländern sind gewisse Erstarrungsphänomene feststellbar, die dringend angepackt werden müssen und können. Deutschland und die Europäische Union befinden sich finanziell,wirtschaftlich und auch politisch gesehen in einer strategisch wichtigen Phase:Die deutschen Wähler konn- ten kürzlich ihre politische Wahl treffen und wir stehen außerdem am Vorabend des end- gültigen Beschlusses über die historische Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue Mitgliedstaaten. Der Erfolg von notwendigen Reformprogrammen ist von vitaler Bedeutung für die Verstärkung und manchmal sogar die Rückgewinnung des Vertrauens der Bürger, gera- de jetzt, denn diesem Vertrauen muss wohl in gewisser Weise der Rücken gestärkt wer- den. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der vor einigen Jahren vom Europäischen Rat geschlossen wurde, um einen soliden und wertbeständigen Euro zu gewährleisten, wird in letzter Zeit öfters und außerdem nicht immer auf eine gewissenhafte Weise zur Dis- kussion gestellt. Davon geht, innerhalb und außerhalb Europas, keine vertrauensbilden- de Wirkung aus. Das ist gefährlich. Außerdem sind in der internationalen Finanz-,Wirtschafts- und politischen Welt, in der wir leben, Anzeichen einer gewissen Instabilität unübersehbar.Das sollte,um Missver- ständnisse zu vermeiden, meiner Meinung nach nicht zu Euroskepsis führen. Europa ist voller Überzeugung gebildet worden. So wie Deutschland ein vereinigtes Deutschland

Bundesverband deutscher Banken 18 19 ERFOLGREICHE POLITISCHE REFORMEN: DAS BEISPIEL NIEDERLANDE

ist, so ist Europa ein geeintes Europa. Die ben angesichts der großen politischen, Heilung ist aber noch nicht zu Ende. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen bevorstehenden Beschlüsse über die Er- Fragen, die einer dringenden Lösung be- weiterung müssen noch gefasst werden. dürfen. Dazu kommt noch, dass die finan- Dem wird ein weiterer Anpassungsprozess zielle und wirtschaftliche Ausgangslage folgen. Europa soll weiter vertieft und ver- jetzt erheblich komplizierter ist als vor breitert werden.Wir werden uns natürlich vier Jahren. Das ist ebenfalls die Folge des Mühe geben müssen,um dies sorgfältig zu relativ geringen Wachstums und der heu- tun. Zu Euroskepsis besteht kein Grund. tigen Unsicherheiten in der Weltwirt- Es gibt viele Gründe dafür, sich sehr kri- schaft. tisch und auch präzise um die Zukunft Eu- Meine Damen und Herren, ich habe ropas zu bemühen, aber das ist meiner mir ganz ehrlich die Frage gestellt: Wel- Meinung nach nicht mit einer Euroskepsis chen Beitrag könnte ich, mit meinem nie- verbunden. derländischen Hintergrund, zu Ihrem Ge- Ich habe ganz bestimmt nicht vor, dankenaustausch liefern? Vielleicht wäre den Verlauf und das Ergebnis der letzten es hilfreich, wenn ich Ihnen kurz gefasst Europa soll weiter Bundestagswahlen politisch zu analysie- etwas über meine eigenen Erfahrungen im vertieft und verbreitert werden. ren.Dafür habe ich auch gute Gründe.Wie Laufe der Jahrzehnte, zuerst als Gewerk- Sie zweifellos wissen, fand vor einem hal- schaftsführer, dann als Politiker, Finanzmi- ben Jahr in meinem Land ein politischer nister und Ministerpräsident, bei den An- Erdrutsch von ungeahntem Ausmaß statt. strengungen für eine starke, konkurrenz- Es fällt mir als ehemaligem Ministerpräsi- fähige und moderne Wirtschaft, für einen denten noch immer schwer, für die turbu- hohen Grad an Beschäftigung und für aus- lenten Ereignisse,die dem zugrunde lagen, gewogene Sozial- und Arbeitsverhältnisse eine schlüssige Erklärung zu finden. Dass berichte. die Niederländer im kommenden Januar Ich lege Ihnen diese Erfahrungen dar schon wieder zur Wahlurne müssen, um in dem Bewusstsein, dass die Niederlande ein neues Parlament zu wählen, sagt viel viele Male kleiner sind als Deutschland über die noch immer nicht wiedergekehr- und außerdem eigene Traditionen und te innere Stabilität aus, die für unser Land Merkmale haben,die nicht auf andere Län- jahrzehntelang so kennzeichnend war. der übertragbar sind. Außerdem: Wir hat- Ende des vergangenen Monats hat ten keine Vereinigung – doch,mit Belgien; Bundeskanzler Schröder mit seiner rot- aber das ist schon lange her. Außerdem bin grünen Koalition seine zweite Legislatur- ich mir der Tatsache sehr bewusst, dass periode begonnen. Leicht wird es die das niederländische „Erfolgsmodell“ im neue deutsche Regierung sicher nicht ha- Laufe der Zeit etwas von seinem Glanz WIM KOK

verloren hat. Die politischen Entwicklun- In der Gesellschaft wuchs damals das gen in meinem Land, über die ich gerade Bewusstsein,dass es so wirklich nicht wei- sprach, illustrieren das. tergehen konnte.Wir fühlten die Krise,be- Ich führe Sie kurz zurück bis zum An- sonders auch auf dem Gebiet der Jugend- fang der 80er Jahre. Die niederländische arbeitslosigkeit. Es ist so ziemlich das Wirtschaft stand zu dieser Zeit schlecht Schlechteste, was man erleben kann, da,schlechter als die Wirtschaft in anderen wenn junge Männer und Frauen mit abge- Ländern, wo man natürlich ebenso unter schlossener Ausbildung auf die Frage, was der internationalen Wirtschaftsrezession sie nun tun werden, antworten müssen: zu leiden hatte. Nicht zu Unrecht sprach Wir haben zwar eine Ausbildung, aber wir man damals von der Dutch Disease, der finden keinen Job. niederländischen Krankheit. Ich war in dieser Zeit Vorsitzender Strukturanpassungen blieben zu lange aus. Eine wichtige Ursache dafür war die des FNV, des niederländischen Pendants Art und Weise, wie in der Vergangenheit zum DGB. Die wachsende Sorge, die in- mit unserem wichtigsten Bodenschatz, nerhalb der Gewerkschaftsbewegung in dem Erdgas,umgegangen worden war.Die Bezug auf die schlechte Verfassung unse- vom Staat genutzten Einnahmen daraus rer Wirtschaft und die daraus hervorge- waren natürlich sehr willkommen, aber henden desaströsen Folgen für den Be- sie wurden im nicht produktiven Bereich schäftigungsgrad und die Zukunft unseres eingesetzt,besonders für Umverteilungen, Systems der sozialen Sicherheit bestand, die bereits einen hohen Anteil am Natio- schuf die Grundlage für den so genannten naleinkommen repräsentierten. „Akkoord van Wassenaar“ von 1982.In die- Die sozialen Folgen der Wirtschafts- sem mehrjährigen Vertrag vereinbarten krise,in die wir stets tiefer hineingerieten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer Leitlinien wurden auf diese Art im übertragenen Sin- für einen Verzicht auf nominelle und rea- ne wegmassiert.Strukturanpassungen blie- le Lohnerhöhungen zugunsten der Erho- ben zu lange aus. Inzwischen hatte sich lung der Gewinne, um mehr Arbeitsplätze die Lohn-Preis-Spirale zu drehen begon- zu schaffen. Unter anderem wurden da- nen, die Wettbewerbsposition wurde da- mals Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohn- durch sehr geschwächt und die Rentabi- ausgleich beschlossen.Es hat mich damals lität der Unternehmen geriet immer mehr viel Mühe gekostet, nicht nur zu Hause, unter Druck.Die Arbeitslosigkeit nahm im- sondern auch im Ausland, zu erklären,dass mer schneller zu, auch unter gut ausgebil- man unter gewissen Umständen so etwas deten Jugendlichen,und erreichte einen nie tun muss, um eine Verstärkung der Krise gekannten Umfang. Das Haushaltsdefizit zu verhüten.Diese zentralen Vereinbarungen war haushoch. bildeten die Basis für die Verhandlungen

Bundesverband deutscher Banken 20 21 ERFOLGREICHE POLITISCHE REFORMEN: DAS BEISPIEL NIEDERLANDE

in den einzelnen Betriebszweigen und Un- schließend die Kabinette in den 80er und ternehmen. 90er Jahren mit wechselnden politischen Von den Arbeitnehmern wurde Zusammensetzungen diesen Vertrag wei- eigentlich zum ersten Mal in voller Breite ter unterstützt. Das heißt natürlich kei- Der Prozess der ein Lohnopfer zugunsten einer mögli- nesfalls, dass es in diesen Jahren keine Gesundung nahm viel Zeit in Anspruch. cherweise zu erreichenden Verbesserung Konflikte zwischen den Sozialpartnern un- der Beschäftigungslage gefordert. Es ist tereinander oder zwischen den Sozial- wohl unnötig, zu erwähnen, dass das eine partnern und dem Staat gegeben hätte. In harte Prüfung für das gegenseitige Ver- der Regel wurde jedoch ganz erheblich in trauen der Sozialpartner darstellte.Es zeig- Konsultation und Beratung investiert:Kon- te sich, dass das Vertrauen, das man sich sultation und Beratung über die Verwirkli- gegenseitig bewies, letztendlich, trotz vor- chung der Ziele,die für die wirtschaftliche handener Spannungen, nicht fehl am Plat- und die soziale Zukunft der Niederlande ze war. von essenzieller Bedeutung waren; Kon- Die Schlüsselworte in diesem Vertrag sultation und Beratung aber auch über die von Wassenaar waren:Verantwortung, Be- konkreten Beiträge, die jeder dazu leisten ratung und Partnerschaft, keine Polarisie- könnte,verbunden mit einem klaren Blick rung. Dabei berief man sich auf die in den für die jeweilige Verantwortung der un- Niederlanden bereits jahrzehntelange Tra- terschiedlichen Parteien. dition der institutionalisierten sozialöko- In der Wirtschafts- und Sozialpolitik nomischen Beratungen auf allen Ebenen, der im Laufe der Jahre aufeinander fol- auch als Poldermodell bezeichnet.So wur- genden Regierungen haben im Wesentli- de die Basis gelegt für die Gewinnerho- chen vier Elemente einen zentralen Platz lung in den Betrieben, für eine immer eingenommen: größere Verringerung der Arbeitslosigkeit, Erstens, eine strenge Haushaltsdiszi- auch unter Jugendlichen,und – besonders plin. Der Vertrag von Maastricht, der Ende in der zweiten Hälfte der 90er Jahre – für 1991 zustande kam,verpflichtete auch un- einen auch für europäische Verhältnisse ser Land, das Haushaltsdefizit bis unter spektakulären Anstieg des Arbeitsplatzan- 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu gebots. senken. Dafür waren in der ersten Hälfte Der Prozess der Gesundung nahm der 90er Jahre einschneidende und viel Zeit in Anspruch, denn wir mussten manchmal äußerst unpopuläre Sparmaß- einen sehr langen Weg gehen.Und obwohl nahmen erforderlich. Ich sage das als da- bei dem Vertrag von Wassenaar streng ge- maliger Finanzminister. Ich weiß, wie viel nommen die damalige Regierung kein Schmerzen das innerhalb der eigenen Verhandlungspartner war, haben an- Partei gekostet hat. Danach, als auch das WIM KOK

Wirtschaftswachstum eine erheblich gangsposition zu schaffen, um die in Zu- höhere Rate erreicht hatte,wurde die Poli- kunft durch die Überalterung unserer Ge- tik der Defizitreduzierung fortgesetzt. sellschaft stark ansteigenden direkten und 2001 konnte – zum ersten Mal und vorerst indirekten Kosten auffangen zu können. nur vorübergehend – sogar ein bescheide- Das sind vier Gründe für eine konse- ner Haushaltsüberschuss erzielt werden. quente und strenge Haushaltspolitik, die Warum wurde die ganzen Jahre hin- fortgesetzt wurde, jedes Jahr erneut, auch durch ein starker Akzent auf eine straffe wenn es wirtschaftlich besser ging. Führung der Haushaltspolitik gelegt? Ich Das zweite Element der politischen nenne Ihnen dafür vier Gründe: Neuordnung war die Umstrukturierung - um Raum zu schaffen für steuerli- von Teilen der sozialen Sicherheit. Auch che Erleichterungen, damit ermöglicht das ist kein einfaches Thema. Der nieder- Solidarität ist keine Einbahnstraße. wurde, die Lohnnebenkosten zu senken ländische Versorgungsstaat wurde nach und so die Arbeitsplatzsituation zu ver- dem Zweiten Weltkrieg in nicht geringem bessern, eine einschneidende Reform des Maße durch Zutun der Sozialdemokratie Steuersystems durchzuführen und,falls er- und der Gewerkschaften aufgebaut. Das forderlich, auch die frei verfügbaren Ein- ist etwas, worauf man stolz sein kann. kommen der Bürger zu stützen; Aber gerade derjenige, der heutzutage die - um Investitionen in den Bereichen Grundwerte Gemeinschaftssinn und Soli- Gesundheit, Sicherheit und Bildung ver- darität in unserer Gesellschaft aufrechter- stärken zu können, aber auch neue politi- halten möchte, muss die Frage, ob Rechte sche Prioritäten wie ökologische Erneu- und Pflichten sich noch in ausreichendem erung und technologische Innovationen Maße im Gleichgewicht befinden, kritisch zu setzen. Beides ist in einer Zeit, in der beleuchten. Solidarität ist keine Einbahn- Nachhaltigkeit und die Entwicklung, An- straße. So ist zum Beispiel das Recht auf wendung und Nutzung von Kenntnis und vielfältige Sozialleistungen – es sei denn, Wissen für Mensch, Gesellschaft und Wirt- man ist krank, gebrechlich oder schon zu schaft stark an Bedeutung gewinnen, von alt – unwiderruflich mit der Bürgerpflicht vitalem Interesse; verbunden, nach bestem Vermögen für - um im Geiste des Stabilitäts- und den Arbeitsmarkt zur Verfügung zu ste- Wachstumspakts eine Pufferzone zu schaf- hen – eine Pflicht, der auch nachzukom- fen,die es ermöglicht,auch in Zeiten eines men ist. Konjunkturtiefs automatische Stabilisatoren Die Zusammensetzung der Gesell- wirken zu lassen, ohne ein direktes Risiko schaft, also auch die der Arbeitnehmerpo- der Überschreitung des Defizitplafonds; pulation, hat sich im Laufe der Jahre - um rechtzeitig eine solide Aus- grundlegend verändert. Auch die Menta-

Bundesverband deutscher Banken 22 23 ERFOLGREICHE POLITISCHE REFORMEN: DAS BEISPIEL NIEDERLANDE

lität ist anders als in den Jahrzehnten nach die Wünsche vieler flexibel eingestellter dem Zweiten Weltkrieg. Was früher nicht Arbeitssuchenden und Arbeitnehmer im in bedeutendem Umfang vorkam – Miss- Weg.Vieles, was die Hartz-Kommission für brauch von Sozialleistungen, Betrug und Deutschland festgestellt hat, war in den Umgehung von Gesetzen –, ist jetzt häufi- Niederlanden vor sechs, sieben Jahren ger zu verzeichnen,auch aufseiten der Un- auch hochaktuell. Ich meine rück- Das System der ternehmer. Dadurch sind strengere Kon- blickend, dass das erste Kabinett aus Sozi- Arbeitsvermittlung trollen und Sanktionen wegen unsozialen aldemokraten und Liberalen auch durch wurde einschneidend modernisiert. Verhaltens unvermeidlich geworden. seine Zusammensetzung in der Lage war, Nicht nur um das soziale Sicherheitssys- diesen Durchbruch, von dem ich sprach, tem finanzieren zu können, sondern auch zu bewirken – unterstützt durch einen his- zugunsten einer ausreichenden und soli- torisch zu nennenden Vertrag zwischen den Basis in der Gesellschaft wurde des- Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Wir er- halb in den Niederlanden im Laufe der Jah- reichten damit mehr Flexibilität und konn- re eine Reihe von Reformen durchgeführt, ten gleichzeitig ausreichende Beschäfti- die mehr Stimuli und Anreize enthielten gungssicherheit und sozialen Schutz er- und somit zu einer größeren Effizienz bei- halten. Natürlich war das eine nicht ohne tragen konnten. das andere möglich. Auch in anderen Be- Ein Thema, bei dem zu wenig Resul- reichen konnte in diesen Jahren die Starr- tate verbucht werden konnten, ist unstrit- heit durchbrochen werden, wie zum Bei- tig die Verringerung der dauerhaften Er- spiel durch die Einführung längerer Laden- werbsunfähigkeit. Das ist ein schwacher öffnungszeiten. Punkt. Im Gegensatz dazu wurde das Sys- Und nun zu dem vierten, aber ganz tem der Arbeitsvermittlung einschneidend sicher nicht unwichtigsten Punkt: Ein Teil modernisiert und an die moderne Zeit an- unseres Beschäftigungserfolgs lässt sich gepasst. Kundenausrichtung, Checks and durch eine spektakuläre Erhöhung der An- Balances, mehr Effizienz und weniger Ri- zahl der Teilzeitjobs erklären.Darüber gibt gidität sind hier die Stichworte. es manche Missverständnisse, auch in Das führt mich zum dritten Thema, Deutschland,wie ich gespürt habe.Meiner der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts.Mit- Meinung nach gibt es daran nichts zu te der 90er Jahre wurde in den Niederlan- bemängeln. Teilzeitarbeit hat in den Nie- den in dieser Hinsicht ein radikaler Durch- derlanden – das möchte ich nachdrücklich bruch, eine Trendwende, erzielt. Die Orga- betonen – in jeder Hinsicht den gleichen nisation des Arbeitsmarkts, einschließlich Stellenwert wie Vollzeitbeschäftigung. Es der Arbeitsgesetzgebung, war viel zu starr gibt keine rechtlichen oder versicherungs- geworden und stand einer Anpassung an technischen Unterschiede. Die Frauen ha- WIM KOK

ben in unserem Land in den vergangenen sellschaftlich nützliche Arbeit verrichten. Jahrzehnten einen großen Teil ihres histo- Meine Damen und Herren, ich kom- risch erklärbaren Rückstands auf dem Ar- me langsam zum Schluss. Die Niederlande beitsmarkt aufgeholt.Teilzeitbeschäftigung sind seit Anfang der 80er Jahre, als sie bietet vielen von ihnen, aber auch einem ernsthafte wirtschaftliche und soziale wachsenden Teil der männlichen Erwerbs- Schwierigkeiten hatten, einen langen Weg tätigen interessante und vollwertige Mög- der Gesundung gegangen, mit dem Ergeb- lichkeiten für die Kombination von Arbeit, nis eines zur Jahrhundertwende – nach in- Familien- und Versorgungspflichten. ternationalen und objektiven Maßstäben Das ist ein Thema, das, wenn ich es beurteilt – hohen Grades der Beschäfti- richtig verstehe,auch in Deutschland ganz gung.Die Entwicklung ging von der Dutch oben auf der politischen und sozialen Disease zum Dutch Miracle. Beides ist et- Agenda steht. Dies ist übrigens ein Be- was übertrieben;aber so ist es nun einmal reich, in dem auch in unserem Land noch im Leben. Ich habe das gerade ein wenig eine Menge geschehen muss, sowohl bei beleuchtet. der Gesetzgebung als auch bei den Tarif- Sowohl das Verantwortungsbewusst- verträgen. sein als auch das Bedürfnis der Sozialpart- Was wir weiterhin in den Niederlan- ner zusammenzuarbeiten hat sich als es- den jahrelang sehr konsequent getan ha- senziell für die Gesundung unseres Landes ben,ist die zielgerichtete Stimulierung der erwiesen. Ebenso wichtig war die Tatsa- Arbeitsbeteiligung von Arbeitssuchenden che, dass aufeinander folgende Regierun- mit geringer Ausbildung, unter anderem gen verschiedenster politischer Zusam- durch steuerlich geförderte Möglichkeiten mensetzungen bereit waren, in das Pol- Die Entwicklung ging von der Dutch Disease der Schulung und Berufsausbildung, aber dermodell,in dem gegenseitiges Vertrauen zum Dutch Miracle. auch durch Beitragssenkungen, die es für und Verständnis für unterschiedliche Ver- Arbeitgeber reizvoll machten, Arbeitneh- antwortungsbereiche im Mittelpunkt stan- mer in gering bezahlten Funktionen ein- den, zu investieren. zustellen oder zu halten. Das regelmäßig erkennbare Reform- Ein weiteres sehr erfolgreiches Ele- bedürfnis in unserem Land – ich spreche ment unserer Beschäftigungspolitik war nur für die Niederlande – wurde zweifel- die Schaffung von so genannten Melkert- los durch das in breitem Umfang vorhan- Arbeitsstellen, nach dem damaligen Ar- dene Bewusstsein beeinflusst, dass in ei- beitsminister benannt, vor allem im nicht nem Zeitalter der zunehmenden Globali- kommerziellen Bereich, in dem sehr sierung ein Land mit einer offenen Wirt- viele Langzeitarbeitslose eine sinnvolle schaft und einer hohen internationalen Beschäftigung gefunden haben und ge- Abhängigkeit sich nicht lange – und ganz

Bundesverband deutscher Banken 24 25 ERFOLGREICHE POLITISCHE REFORMEN: DAS BEISPIEL NIEDERLANDE

sicher nicht ungestraft – den Luxus erlau- der offensichtlich nicht so leicht zu ben kann,sich von den Entwicklungen,die konzipieren ist. Das viel gerühmte, nur sich außerhalb des Landes vollziehen, ab- hier und da manchmal auch geschmähte zusondern. Poldermodell kann meiner Meinung nach Es besteht also nicht so sehr die Fra- seine Funktion noch immer beweisen, ob- ge, ob man gezwungen ist, Reformen wohl die Basis von gegenseitigem Vertrau- durchzuführen und sich anzupassen, son- en und Stabilität, die die Niederlande tra- dern wann und wie. Durch rechtzeitige ditionell so kennzeichnete, in letzter Zeit Beratungen zwischen allen Beteiligten,oh- ein wenig Schaden genommen hat. ne vom Primat der Politik Abstand zu neh- Welche Botschaft enthält das soeben men, baut man einen Wettbewerbsvorteil Gesagte für Deutschland? Ich überlasse Wir dürfen nicht in gegenüber den Ländern auf, die weniger das gern dem Urteil jedes Einzelnen. Ich Blaupausen denken. anpassungswillig sind, und man kann per habe Ihnen nur von Erfahrungen in einem saldo mit mehr Verständnis und einer brei- kleinen Nachbarland berichtet, mit ganz teren Basis in der Gesellschaft rechnen. eigenen Traditionen und Charakteristiken, In gewisser Weise sind die Niederlan- die nicht ohne weiteres auf andere über- de wohl irgendwie ein Opfer des eigenen tragbar sind.Wir dürfen nicht in Blaupau- wirtschaftlichen Erfolgs geworden.Die Ar- sen denken. Jedes Land hat seine eigenen beitslosigkeit früherer Zeiten ist umge- politischen und sozioökonomischen Be- schlagen in einen Mangel an Arbeitskräf- dingungen und Verhältnisse. Aber eine ten,der in vielen Unternehmen erkennbar Sache steht fest: Die Notwendigkeit einer wird,auch wenn er sich seit Beginn dieses Strukturreform und Strukturmodernisie- Jahres, wegen der rückläufigen Konjunk- rung ist momentan ganz besonders groß, tur, verringert hat. Die gespannte Arbeits- in Deutschland, in jedem anderen Land marktsituation hat den jahrelangen Pro- Europas und in Europa als Ganzem, gera- zess gemäßigter Lohnerhöhungen been- de in dieser Zeit der wirtschaftlichen Stag- det und die relativ hohe Inflation hat un- nation, auch in dieser Zeit der wachsen- seren Wettbewerbsvorsprung gegenüber den Unsicherheit. Die Dringlichkeit dazu dem Ausland deutlich schrumpfen lassen. kann gar nicht genug betont werden. Es Die Niederlande spüren jetzt die sich dar- wird natürlich Mut, manchmal Schmerzen aus ergebenden Folgen in Kombination und großer Anstrengungen bedürfen, um mit dem momentan so gut wie nicht vor- die notwendigen Erneuerungen durchzu- handenen Wirtschaftswachstum. führen,aber wir haben keine andere Wahl. Das verlangt einen neuen Policy Mix, E

Bundesverband deutscher Banken 26 27 „Europa wird nur dann auf Erfolgskurs bleiben, wenn auch Deutschland, das wirtschaftlich stärkste Land im europäischen Geleitzug, Erfolg haben wird.“ Erfolgreiche politische Reformen: Das Beispiel Schweden

PER WESTERBERG, Minister a.D., Stockholm, in Vertretung und im Namen von Carl Bildt, Ministerpräsident a.D. von Schweden, Stockholm

Meine verehrten Damen und Herren! Lange Zeit hat man in vielen Ländern – und auch in Schweden selbst – von einem „Modell Schweden“ gesprochen: ein funk- tionierender Wohlfahrtsstaat,der soziale Sicherheit mit einer prosperierenden Wirtschaft verband. Und lange Zeit war dies auch so. Zur Vorgeschichte: Schweden war noch Mitte des 19. Jahrhunderts eine der ärms- ten Nationen Europas. Aber dann, in der Zeit zwischen 1870 und 1970, erreichte das Land – zusammen mit Japan – die höchsten Wohlstandszuwächse weltweit. In der Fol- ge entwickelte sich Schweden zu einem der reichsten Länder der Erde.Es war eine wah- re Erfolgsgeschichte. Schwedens Aufstieg zur Wohlstandsgesellschaft vollzog sich vor allem in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Während in den meisten anderen Ländern Europas die industrielle Kapazität und die gesellschaftliche Infrastruktur vom Krieg zerstört worden waren, konnte Schweden in diesen Jahren seine industrielle Basis aus- bauen und gleichzeitig vom Wiederaufbau und der wirtschaftlichen Reintegration des westlichen Teils Europas profitieren. Der wirtschaftliche Aufschwung in dieser Zeit machte es den jeweiligen Regierungen möglich, einen Beschluss nach dem anderen zu fassen, der zu einem Ausbau vielfältiger sozialstaatlicher Leistungen führte. Es waren die „goldenen Jahrzehnte“ des „schwedischen Modells“. Seit Anfang der 70er Jahre änderte sich jedoch vieles. Besonders eindringlich kann man dies an der dramatischen Entwicklung der schwedischen Krone nachvollziehen,die seit Mitte der 70er Jahre im Verhältnis zu den meisten anderen europäischen Währun- gen rund 90 Prozent ihres Wertes verloren hat. Natürlich haben wir in Schweden während dieser Jahrzehnte über die Ursachen dieser Probleme und die notwendigen politischen Schritte zur Verbesserung der Lage sehr lebhafte politische Diskussionen geführt. Wahlkampf auf Wahlkampf war mehr oder weniger von der Frage nach der Zukunft des Wohlfahrtsstaates dominiert. Schon Anfang der 80er Jahre hatten die bürgerlichen Parteien – den Kern bildete eine informelle Allianz zwischen der Moderaten und der Liberalen Partei – ein über- zeugendes Reformkonzept für unsere Wirtschaft entwickelt. Dann kamen 1982 die So- zialdemokraten erneut an die Regierung und haben mit einer großen Abwertung der Krone die Politik des so genannten „dritten Weges“ eingeleitet. Vorschläge zu einer grundlegenden Reform der Wirtschaft – mit Blick auf Steuersystem, Subventionen oder staatliche Monopole – wurden lange Zeit abgelehnt.

Bundesverband deutscher Banken 28 29 ERFOLGREICHE POLITISCHE REFORMEN: DAS BEISPIEL SCHWEDEN

Natürlich lassen sich für die schwere Kri- aber die Reform wurde durch eine Um- se der schwedischen Wirtschaft Anfang verteilung der Steuerlast finanziert, womit der 90er Jahre eine Reihe von Ursachen es zu neuen Problemen in anderen Berei- Mehr Wettbewerb zu nennen. Der „dritte Weg“ war gescheitert, chen der Wirtschaft kam. schaffen war von stra- was auch vom damaligen Finanzminister Vom Herbst 1991 an begannen wir tegischer Bedeutung. Kjell-Olof Feldt bestätigt wurde. Hinzu ka- mit dem Versuch einer weitreichenden Re- men aber auch die – im Verhältnis zu an- form der Wirtschaftspolitik.Wir sprachen deren Ländern – langfristig geringeren bewusst nicht von einem dritten Weg,son- Wachstumsraten, ein erheblich stärkerer dern ich sprach von einem europäischen Kostenanstieg als zum Beispiel in der Bun- Weg und oft auch vom einzigen Weg, der desrepublik und eine nur schwache Zu- in der neuen Situation eigentlich möglich nahme der Produktivität. Kurzfristig kam war. Unser Ziel war eine glaubwürdige dazu eine am Anfang noch begrenzte, spä- neue Wettbewerbsfähigkeit der schwedi- ter dann aber dramatische Krise in Teilen schen Wirtschaft. des Finanzsektors Schwedens – eine Folge Ein wichtiger Teil unserer Maßnah- der Politik der späten 80er Jahre. men war ein rigoroser Abbau von ver- Schließlich sollten wir auch nicht die schiedenen Regulierungen und Monopo- erheblichen Spannungen und wirtschaftli- len. Im Telekomsektor führten wir – und chen Probleme vergessen, die 1992/93 Finnland folgte uns dabei nach wenigen den gesamten Europäischen Wirtschafts- Monaten – die radikalste Liberalisierung raum erfassten. Wir waren während die- durch, die es damals in Europa gegeben ser Zeit alle von den Turbulenzen auf den hat. Dadurch schafften wir in den nächs- Devisenmärkten betroffen. Im schwedi- ten Jahren in diesem Zukunftsbereich ei- schen Fall führte das in einem Zeitraum nen der dynamischsten Märkte der Welt. von fast genau zehn Jahren zu einer un- Auch für die Gemeinden und Länder freiwilligen Abwertung der schwedischen schafften wir größere Freiräume. Wir be- Krone,als wir die Parität unserer Währung gannen damit, in den Bereichen Schule, zum damaligen Ecu nicht aufrechterhalten Kinderfürsorge und Gesundheitswesen konnten. die Vielfalt von verschiedenen Leistungs- Auch schon vor dem Regierungs- anbietern zu fördern und dabei eine ge- wechsel im Oktober 1991 hatte man mit meinsame Finanzierung anzustreben. gewissen Reformmaßnahmen in Schwe- Mehr Wettbewerb im privaten wie im öf- den begonnen. Eine große Steuerreform fentlichen Sektor zu schaffen war von stra- hatte das Ziel, den Einkommensteuersatz tegischer Bedeutung. auf 50 Prozent zu begrenzen. Das war im Wichtig war natürlich auch eine Ver- Vergleich zu vorher zwar ein Fortschritt, besserung der Bedingungen für die PER WESTERBERG

Wirtschaft, vor allem für den Mittelstand. Diskussion über die Frage, ob eine Be- Die Steuersenkungen waren zwar nur mo- grenzung des Haushaltsdefizits überhaupt derat,aber dennoch wichtig.Hinzu kamen sinnvoll und notwendig sei. Nachdem es verschiedene Maßnahmen zur Entbüro- darüber Konsens gab, blieb nur noch die kratisierung im Verhältnis zwischen Staat Frage, die Staatsausgaben zu begrenzen und Wirtschaft. Sehr schwierig, aber be- oder die Steuern zu erhöhen. sonders wichtig waren die Maßnahmen Unsere Politik damals war eine Poli- zur Liberalisierung des Arbeitsrechts, zur tik der Sparmaßnahmen. Dabei versuch- neuen Regelung des Arbeitsmarkts.Das ha- ten wir oft, Maßnahmen strategisch so an- ben wir aber später angepackt, als eigent- zulegen,dass ihr Effekt Jahr für Jahr größer lich nötig gewesen wäre. wurde.Ein konkretes Beispiel dafür ist das Infolge dieser Maßnahmen kam es – stufenweise Zurückfahren der damals sehr trotz der nach wie vor schwierigen wirt- hohen Mietsubventionen, einer der da- schaftlichen Lage – zu einem neuen Opti- mals am stärksten wachsenden Posten des mismus in weiten Teilen des schwedi- Staatshaushalts.Die Beschlüsse von Anfang schen Mittelstands. der 90er Jahre führten letztlich zur voll- Natürlich waren alle diese Maßnah- ständigen Abschaffung dieser Subventio- men nicht unumstritten. Es gab im schwe- nen am Ende der 90er Jahre. Das war die dischen Reichstag Kampfabstimmungen größte einzelne Sparmaßnahme über die zu jedem dieser Punkte. Die Opposition, lange Periode hinweg. vor allem der Gewerkschaften, war stark. Aufseiten der Sozialdemokraten fasste Schließlich befanden wir uns in einer Zeit man natürlich vor allem verschiedene steigender Arbeitslosigkeit, was die Aufga- Steuererhöhungen ins Auge. Und als die ben nicht einfacher machte. Aber trotz- Sozialdemokraten Ende 1994 die Regie- dem gab es in der Bevölkerung grundsätz- rungsmacht zurückeroberten,wurden vie- Unsere Politik damals war eine Politik der lich Verständnis für unsere Politik. le der Sparmaßnahmen, die wir beschlos- Sparmaßnahmen. Der schnelle Anstieg der Arbeitslosig- sen hatten, durch Steuererhöhungen er- keit und der kräftige Rückgang der ge- setzt. Die sozialdemokratische Regierung samten Wirtschaft zwischen Ende 1990 setzte die Politik der finanziellen Konsoli- und Anfang 1993 führten zu einer raschen dierung zwar fort, aber mit Mitteln, die Erhöhung des Haushaltsdefizits. Die Auf- meiner Meinung nach zu einer Begren- gabe, die öffentlichen Ausgaben durch zung des langfristigen Wirtschaftswachs- Sparmaßnahmen zu begrenzen, wurde da- tums führten. mit dringlicher als je zuvor. Auch in dieser Unser Ziel Anfang der 90er Jahre war Frage gab es unterschiedliche politische der „Neustart“ Schwedens als Wirtschafts- Meinungen. Anfangs gab es auch eine nation. Zehn Jahre später müssen wir uns

Bundesverband deutscher Banken 30 31 ERFOLGREICHE POLITISCHE REFORMEN: DAS BEISPIEL SCHWEDEN

natürlich fragen, ob wir damit Erfolg hat- der damals beschlossenen Maßnahmen ten oder nicht. Meine Antwort ist: teilwei- für mehr Flexibilität und Wettbewerb bei se ja – und teilweise nein. öffentlichen Leistungen – vor allem auch Die Konsolidierung des Staatshaus- bei den so genannten „Freischulen“ und halts ist uns gelungen.Mit der heutigen et- bei der Kinderfürsorge – funktionieren was schwächeren wirtschaftlichen Ent- noch und werden sogar ausgebaut. wicklung sehen wir zwar wieder einige Alles dies ist von großer Bedeutung. Steuern kann man Tendenzen der ökonomischen Abschwä- Wir haben das „Modell Schweden“ in ei- nicht senken, ohne chung, aber im Vergleich mit anderen eu- nigen Bereichen radikal reformiert,aber in auch die Ausgaben zu senken. ropäischen Ländern ist unsere Lage trotz- anderen Bereichen haben wir noch nicht dem noch ganz gut. genug getan. Wir haben noch immer die Wir haben darüber hinaus weitere höchste Steuerbelastung weltweit. Für strukturelle Reformen von großer Bedeu- größere Unternehmer sind die Steuern oft tung durchgeführt. Vergessen wir nicht, mit denen in anderen Ländern der EU ver- dass Schweden seit 1995 Vollmitglied der gleichbar,aber für den Mittelstand und vor Europäischen Union ist.Wir haben jetzt ei- allem für Kapital und Arbeit – beide! – ne unabhängige Zentralbank, ein System sind unsere Steuern viel höher, als das mit einer Begrenzung der öffentlichen langfristig mit einer guten Wettbewerbs- Ausgaben und ein viel besseres Entschei- fähigkeit zu vereinbaren ist. dungsverfahren für Haushaltsfragen im Steuern kann man nicht senken, oh- Reichstag. Am Arbeitsmarkt wurden eben- ne auch die Ausgaben zu senken – auch falls wichtige Reformen für ein flexibleres hier gibt es noch viel zu tun. Seit drei Jah- System bei den Lohnverhandlungen be- ren haben wir einen starken Anstieg der schlossen. Ausgaben für verschiedene Formen der Von erheblicher Bedeutung war die Krankenversicherung. Blickt man nur auf Vereinbarung zwischen den Regierungs- die Statistik, so scheint es wie eine neue parteien und den Sozialdemokraten über Pest, die über unser Land gekommen ist, eine grundlegende Reform des Rentensys- aber auf der Straße und in den Kranken- tems. Als unsere Regierung antrat, haben häusern sieht man überhaupt nichts da- wir dies zu einer der dringlichsten Aufga- von.Es handelt sich hier um ein Problem – ben gemacht – und es ist uns auch gelun- ein großes Problem –,das vor allem auf die gen, einen guten Kompromiss zu errei- Konstruktion dieser Systeme zurückgeht. chen. Im Vergleich zu den meisten ande- Das zeigt ganz deutlich den großen Bedarf ren Ländern Europas haben wir jetzt ein an weiteren Maßnahmen im gesamten Be- Rentensystem, das auch für die nächsten reich der Sozialversicherungen. Generationen stabil ist. Und auch einige Schweden war eigentlich nie ein PER WESTERBERG

Modell – und es ist auch heute kein Mo- unterstreichen, das Land für den europäi- dell. Wir haben unsere eigenen Erfahrun- schen und darüber hinaus für den globa- gen gemacht und wir haben versucht, von len Wettbewerb fit zu machen. anderen Ländern zu lernen. Die Diskus- Wenn ich die Diskussion richtig ver- sion um die Notwendigkeit weiterer und folgt habe, dreht sich auch die Debatte in noch radikalerer Reformen bleibt in Deutschland seit geraumer Zeit um die Schweden auf der Tagesordnung. Ich gehö- Frage, wie das Land wieder den Weg zu re zu denen, die einen Bedarf für weitere mehr wirtschaftlicher Dynamik finden Schritte sehen. kann.An dieser Frage haben aber auch al- Lassen Sie mich mit einem Blick auf le anderen Staaten Europas großes In- die Zukunft abschließen.Wir hoffen, dass teresse;denn Europa wird nur dann auf Er- im nächsten Jahr eine Volksbefragung end- folgskurs bleiben, wenn auch Deutsch- lich auch den Weg frei macht für den Bei- land, das wirtschaftlich stärkste Land im tritt Schwedens zur Europäischen Wäh- europäischen Geleitzug, Erfolg haben rungsunion und damit zur gemeinsamen wird. Ich würde mich freuen, wenn ich Währung.Schweden wird daraus viele Vor- mit meinen Ausführungen zu den schwe- teile ziehen können. Dieser Schritt wird dischen Reformerfahrungen auch ein aber auch die Notwendigkeit noch einmal klein wenig dazu beigetragen hätte.

Bundesverband deutscher Banken 32 33 „Es stellt sich die Frage: Wie viel Freiheit wollen wir dem Bürger zumuten?“ Diskussion

Moderation: DR. HANS D. BARBIER, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn Einleitende Statements: PROF. DR. H.C. ROLAND BERGER, Chairman, Roland Berger Strategy Consultants, München JÜRGEN PETERS, Zweiter Vorsitzender, IG Metall, Frankfurt am Main DR. RENATE KÖCHER, Geschäftsführerin, Institut für Demoskopie, Allensbach

Dr. Hans D. Barbier: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle kennen die Skizze eines Entscheidungsbaums.Nach dieser Methode könnte man auch an unser The- ma herangehen. „Deutschland im Aufbruch?“:Wenn ja, dann könnten wir jetzt essen ge- hen; wenn nein, dann müssen wir uns fragen, warum nicht.Wir hätten uns für den Fall, dass Deutschland nicht im Aufbruch ist, zu fragen:Wer ist schuld? An wem liegt es? An Personen, an der Regierung, an dieser Koalition, an jener Koalition, am , am Bundesrat, an den organisierten Gruppen, den Arbeitgeberverbänden, den Gewerk- schaften? Wir müssten aber wohl auch die Frage stellen: Liegt es vielleicht an unserer Ver- fassung? Könnte es sein, dass sich auf Dauer erweist, dass das Zeigen auf den jeweils an- deren und seine Qualifizierung als Blockierer noch nicht so sehr des Pudels Kern ist, sondern dass wir uns erst jetzt bewusst werden,dass diese Verfassung für bestimmte Zei- ten sehr gut war, dass wir aber nicht bemerkt haben, dass sie für Zeiten, die Aufbruchs- entscheidungen, Führungsmut und Ähnliches erfordern, doch nicht geeignet ist? Dr. Helmut Kohl: Ich will hier weder einen Vortrag noch ein Koreferat halten. Sie werden verstehen, dass einiges von dem, was der von mir sehr geschätzte Klaus von Dohnanyi gesagt hat, mich schon etwas vom Stuhl gerissen hat. Um zu dem zuletzt Gesagten Stellung zu nehmen: Ich warne davor,die Überlegung anzustellen, weil es uns jetzt miserabel geht, die Verfassung zu ändern. Das ist eine pri- ma Verfassung. Ich kann nur davor warnen, die Verfassung ändern zu wollen, denn sie würde dadurch nicht besser.Wenn man die Amendments der letzten 50 Jahre hinsicht- lich der deutschen Verfassung betrachtet, muss man sich fragen, ob die Verfassung da- durch besser geworden ist. Das Maß an Intelligenz und Lebenserfahrung, das die Ver- fassungsväter und -mütter im Parlamentarischen Rat aufbrachten, war mindestens dem kongenial, was Bundestag und alle anderen aufbrachten. Ich bin da also sehr viel opti- mistischer und positiver. Im Übrigen wird man dieses Ziel gar nicht erreichen. Insofern, Herr Barbier, ist das zwar ein sehr gutes Thema für Leitartikel, aber die Wirklichkeit des Lebens bleibt da- hinter zurück.

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Vieles von dem, was Klaus von Dohnanyi waren beispielsweise im Frühjahr 1997 in sagte, akzeptiere ich absolut.Auch er hat, völliger Übereinstimmung mit ganz we- wenn man so will, die Frage der Verfas- sentlichen Repräsentanten der deutschen sung berührt, indem er die Frage nach Sozialdemokratie, was die Steuerreform dem Föderalismus stellte. Ich stimme ihm anlangte. Sie werden sich daran erinnern. zu, dass es gut wäre, man käme hinsicht- Das ist aus ganz anderen Gründen im lich der Wahltermine zu einer Regelung, Handstreich gefallen. wie es sie in den USA mit der Zwischen- Ich möchte, jedenfalls wenn ich da- wahl gibt.Als Zeitzeuge muss ich Folgen- bei sitze, nicht den Eindruck aufkommen Man kommt nur des sagen. Ich habe fast sechs Jahre in ei- lassen, ich glaubte daran, dass man die dadurch weiter, dass ner Kommission mitgearbeitet, zusammen Situation durch eine Veränderung von Be- man umdenkt. mit einem unvergesslichen bayerischen stimmungen verbessern könnte. Ich glau- Innenminister, der damals mit sehr viel be, man kommt in der Tat nur dadurch Charme die Probleme zu lösen versuchte. weiter, dass man umdenkt. Wir sind damals gescheitert und wir wer- Nun zu Ihrer Hauptthese, Herr von den auch jetzt wieder scheitern. Dohnanyi, die ich ja kenne und die eine Herr von Dohnanyi, ich meine, trotz ganze Menge Richtiges enthält.Allerdings des Föderalismus haben wir in der Bun- haben Sie vergessen, das erste Kapitel der desrepublik vernünftige Regelungen er- Entwicklung vorzutragen. Wie war denn zielt. Nach meiner Erfahrung fehlt uns – 1990 die Situation? In Ihren Ausführungen da nehme ich meine eigene Partei nicht kam die psychologische Lage in Deutsch- aus; das ist keine parteipolitische Frage – land überhaupt nicht vor. Sie haben zu eine bestimmte Verfassungsgesinnung im Recht das Jahr 1989 erwähnt. Es ist doch Hinblick auf den Föderalismus, nämlich nicht zu leugnen, dass 1989 – das verges- dass man bei aller kämpferischen Ausein- sen die meisten – das Zeitfenster hinsicht- andersetzung bereit ist, aufeinander zuzu- lich der deutschen Einheit nur für ein paar gehen, um im Sinne des Staates zu einem Monate geöffnet war.Wim Kok wird sich Ergebnis zu kommen. Ich glaube, wenn daran erinnern, wie wenig beliebt das man über die verfasste öffentliche Mei- Thema der deutschen Einheit in der Eu- nung die Gesinnung und das Denken in ropäischen Union war. Das gilt nicht für dieser Richtung verändern würde, könnte Wim Kok persönlich,sondern hier könnte man hier zu einem Ergebnis kommen. Ich ich niederländische Landsleute nennen, bin da so skeptisch nicht. die uns „in Liebe zugetan“ waren. Ich halte es selbst in der jetzigen Zu Anfang gab es eine große Be- schwierigen Situation nicht für ausge- geisterung. Ich will in diesem Kreis aber schlossen,zu Regelungen zu kommen.Wir auch darauf verweisen, dass sich die Führung der deutschen Industrie mit der Wahrheit. Die psychologische Lage war Gründung neuer Betriebe in den neuen völlig anders. In Leipzig gab es den Ruf: Ländern sehr zurückgehalten hat. Die Wenn die D-Mark nicht nach Leipzig Fälschungsgeschichte in Bezug auf Elf kommt, dann gehen die Leipziger zur D- Aquitaine ist ein Beispiel dafür. Dass Elf Mark! Heute lese ich gelegentlich von Aquitaine gekommen ist, lag ja daran, dass ganz klugen Lehrstuhlinhabern,man hätte wir gesagt haben:Wir müssen in den neu- so nicht vorgehen dürfen, wie es gesche- en Ländern wenigstens noch einen Stand- hen ist. Als damals Beteiligter kann ich nur ort für die Großchemie halten. Die sagen: Ich habe keine Chance gesehen, es Großchemie in Westdeutschland war die- anders zu machen. ser Meinung überhaupt nicht. Als François Herr von Dohnanyi, Sie haben mit ei- Mitterrand aus ganz anderen Gründen – nem Satz das Rentensystem erwähnt. Man nicht aus Gründen der chemischen Indus- kann in der Tat darüber diskutieren,ob die trie – sagte, die Republik Frankreich müs- vollzogenen Schritte unter allen Gesichts- se die größte Investition im vereinten punkten die richtigen waren.Diese Schrit- Deutschland in den neuen Ländern vor- te waren aber unausweichlich, wenn man nehmen,quasi als Prototyp,hat das zu viel in der damaligen Situation politisch eini- Ärger geführt, weil es sich ja um einen germaßen überleben wollte.Mir war – das Staatsbetrieb handelte. bekenne ich ganz offen; aber damit stehe Ich gehöre nicht zu denen, die ge- ich nicht allein – das tief greifende Aus- wusst oder geglaubt haben, dass im Som- einanderleben in Deutschland zwischen mer 1990 die Sowjetunion vor dem Zu- West und Ost in seiner ganzen Breite so sammenbruch steht. Heute gibt es ja Leu- nicht bewusst. Die Zerstörung des Mittel- te, so genannte Kremlastrologen, die das stands und die völlige Veränderung in den angeblich genau wussten. Die teuersten Denkstrukturen bis hin zur religiösen Sub- Ich habe keine Chance gesehen, es anders zu und besten Nachrichtendienste der Welt, stanz in den einzelnen Regionen hatten machen. nämlich die der Amerikaner und der Isra- enorme Folgen. Wir waren damals nach elis, und auch der ganz hervorragende Anmahnung aller Fachleute, nicht zuletzt deutsche BND wussten dies nicht. Wenn des Deutschen Bauernverbandes, der sich man eine derartige Meinung geäußert hät- ja immer durch eine besondere Weitsicht te,wäre man öffentlich als reif für das Nar- ausgezeichnet hat,zu der Überzeugung ge- renhaus zur Schau gestellt worden. kommen, dass wir bezüglich der landwirt- Mit dem Zusammenbruch der Sow- schaftlichen Strukturen das tun müssen, jetunion und dem Ende des Comecon ist was sich gehört:Wir geben das Eigentum für die Betriebe in den neuen Ländern die an diejenigen zurück, die enteignet wur- Exportbasis entfallen. Auch das gehört zur den.Wir waren der Meinung – so lauteten

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auch die Prognosen –, dass ungefähr 50 Zunächst ein Kompliment an die Ver- Prozent derer, die damals enteignet wur- anstalter, dass sie uns die Entwicklung in den, anschließend wieder einen Betrieb den Niederlanden und in Schweden vor aufmachen, also so genannte Neueinrich- Augen führen.Man könnte weitere Länder ter würden. in dieser Hinsicht hinzufügen, beispiels- Wir haben dann allerdings sehr rasch weise Finnland,Irland oder Dänemark.Ein festgestellt, dass diese Auffassung einen Däne beispielsweise,dessen Arbeitskosten entscheidenden Denkfehler enthielt: Die- bei 24,50 Euro liegen, kann von dieser jenigen, die damals enteignet worden wa- Summe 19,50 Euro netto mit nach Hause ren, lebten gar nicht mehr und die Enkel nehmen.Ein Deutscher,dessen Arbeitskos- dachten gar nicht daran, nach alter Väter ten sich auf 26,50 Euro belaufen,kann nur Sitte Bauern zu werden.Nur knapp 10 Pro- 11,50 Euro mit nach Hause nehmen, den zent derer, die ihre Flächen zurückbeka- Rest muss er abliefern. So viel zum Thema men, eröffneten einen bäuerlichen Be- Umverteilung. Wir können aus dem Bei- trieb.Wenn man es genau analysiert, muss spiel der Niederlande und Schwedens ler- man sogar sagen, dass es unter den Ost- nen: Es geht also. deutschen nur 7 Prozent waren;3 Prozent Am meisten hat mich am Beispiel der derer, die bäuerlich tätig wurden, kamen Niederlande beeindruckt – ich denke, das aus Westdeutschland. könnte und müsste man auch in Deutsch- Ich habe dieses Beispiel erwähnt, land lernen –, dass man einen Konsens in weil es die tief greifende Veränderung in Verantwortung für die Gemeinschaft fin- den Denkstrukturen verdeutlicht. Das hat- den kann, dass es sich bei einem Konsens te enorme Wirkungen auf die ganze Ent- nicht um einen faulen Kompromiss han- wicklung. Ich bleibe trotzdem dabei, da- deln muss,wie wir in Deutschland oft den- Wir können aus dem mit hier kein Zweifel aufkommt: Bei allen ken.Der Verzicht auf Lohnerhöhungen zu- Beispiel der Niederlan- Fehlern, die wir gemacht haben, ist es für gunsten von Gewinnen, weil dies gesamt- de und Schwedens ler- nen: Es geht also. mich eine wunderbare Vorstellung, heute wirtschaftlich sinnvoll ist, Arbeitszeitver- in diesem Saal zu sitzen und darüber nach- kürzungen ohne Lohnausgleich, weil dies zudenken, welche Fehler wir gemacht ha- gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist, diese Art ben. von konstruktivem Konsens für eine Volks- Prof. Dr. h.c. Roland Berger: Wir wirtschaft – natürlich nur auf Zeit – ist ein wollen ja über die Übertragbarkeit der Re- Beispiel dafür, wie man mit Blick auf das formen beispielsweise in den Niederlan- Ganze konstruktiv wirken kann. den und in Schweden auf Deutschland In Schweden hat man die Wahl ge- sprechen. Dabei muss man sich natürlich wonnen trotz des Hinweises darauf, dass mit dem System Deutschland beschäftigen. auf die Bevölkerung harte Reformen und zusätzliche Belastungen inklusive Steuer- Ein Hauptproblem in Deutschland, belastungen und Abstrichen am Sozialstaat das uns von anderen Ländern unterschei- zukommen würden. Aus Schweden kann det, ist der Korporatismus in diesem Lan- Die Gewerkschaften betreiben Lohnpolitik man lernen, dass die Bevölkerung nicht de, der auf absoluten Eigennutz gründet. zulasten der Arbeits- unbedingt im Wahlkampf belogen werden Um Herrn Peters eine Vorlage für seine losen. will, um nach der Wahl betrogen zu wer- nachfolgenden Ausführungen zu liefern, den. So etwas erleben wir ja mehr oder möchte ich darauf hinweisen:Hierzulande weniger zurzeit in Deutschland. sind die Gewerkschaften Vertreter nur de- Aus Finnland und auch aus Schweden rer, die Arbeit besitzen; der Rest interes- kann man lernen, wie man eine Gesell- siert sie kaum. Die Gewerkschaften be- schaft durch von der Gesellschaft selbst, treiben Lohnpolitik systematisch zulasten aber auch von der Politik unterstützte In- der Arbeitslosen und derer, die morgen ar- novationspolitik von der klassischen In- beitslos sein werden; denn Lohnsteige- dustriegesellschaft in eine Hochtechnolo- rungen, die signifikant über der Produkti- giegesellschaft und eine anspruchsvolle vitätssteigerung liegen, tragen auf Sicht zu wissensbasierte Dienstleistungsgesellschaft einem Rückgang der verfügbaren Arbeits- überführen kann. menge und damit letztlich auch zu einem Wir müssen es ernst nehmen, wenn Rückgang der Zahl der Arbeitsplätze bei. auf dem diesjährigen World Economic Fo- Ähnliche Beispiele ließen sich natürlich rum in New York in erster Linie nicht über auch für die Wirtschaftsverbände finden. die Japanese Disease gesprochen wurde – Wir denken zu wenig in Richtung Ge- diese ist quasi schon abgehakt –, sondern samtverantwortung und Dialog. über die German Disease.Wir müssen et- Ein anderes Problem in Deutschland was tun. Natürlich ist die Situation in ist die Reformbereitschaft. Vielleicht Deutschland anders als in anderen Län- weckt ja der gestrige Titel der „Bild“-Zei- dern. Wir haben die Wiedervereinigung tung: „Steuern! Schulden! Arbeitslose! mit ihren Lasten, bei uns ist der Anteil der Kanzler, uns reicht’s!“ die Reformbereit- Industrie am Bruttosozialprodukt höher schaft der Deutschen.Ich glaube,die Deut- als in den Niederlanden und in Schweden, schen haben es satt, mit Konzeptionslo- wobei man berücksichtigen muss,dass die sigkeit, Inkompetenz und dem Gefühl des Industrie innerhalb längerer Zeiträume re- Wahlbetrugs leben zu müssen, mit der Ah- agiert.Wir haben den Föderalismus,der als nung, einem Etikettenschwindel aufzusit- Wettbewerbsföderalismus eine gute Sache zen, indem ihnen Enteignungsprogramme ist, der aber,wie Herr von Dohnanyi sagte, durch Steuer- und Abgabenerhöhungen als als komplex organisierte Verantwortungs- Sparprogramme verkauft werden.Das alles losigkeit natürlich ein Problem darstellt. kann aus meiner Sicht nur in einen Verlust

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des Vertrauens in die Politik und die Wir sind aus meiner Sicht weiter denn je Führungseliten unseres Landes überhaupt von einem Wettbewerbsföderalismus, den münden. ich für gut halte, entfernt. Ich halte den Wir müssen, ob man es nun Verfas- Wettbewerbsföderalismus mit seiner de- sungsänderung nennt oder wie auch im- zentralen Aufstellung für eine große Stär- mer,die politischen Entscheidungsprozes- ke Deutschlands beispielsweise gegen- se in diesem Land überdenken. Es stellt über Frankreich. sich die Frage, ob eine Änderung in der Wir müssen den Föderalismus aber Verfassungsgesinnung realistischer ist als quasi säubern und ihn zu seiner ur- eine Veränderung der Verfassung selbst.Da sprünglichen Natur zurückführen: zu ei- bin ich mir nicht sicher. Wir wissen aus nem Wettbewerb der verschiedenen Ebe- der Wirtschaft, dass Unternehmen nur nen um die besten Standorte,um die Men- dann überleben können,wenn ihre eigene schen, um die Kapitalressourcen, um die Anpassungsfähigkeit und -willigkeit größer intellektuellen Ressourcen.Die Besten sol- ist als die Veränderungen im Umfeld: im len entsprechend belohnt werden. Wettbewerb, in der Technologie, bei der Wir müssen beispielsweise darüber Konkurrenz, bei den Kunden. Wenn ein nachdenken, ob ein Länderfinanzaus- Unternehmen diese Anpassungsfähigkeit gleich, wie wir ihn heute haben, der die verliert,fällt es zurück,opfert vielleicht so- Leistungsfähigen bestraft und die Leis- gar seine Existenz. Wir befinden uns in tungsschwachen belohnt, richtig ist. Bei- Deutschland in genau dieser Position.Wir spielsweise ist Berlin in der Tat pleite. sind einfach zu langsam. Wir wissen – Berlin kann nicht überleben, wenn nicht auch aus den Erfahrungen der Niederlan- ein Dritter hilft. Der Dritte sind wir alle, de, Schwedens, Finnlands und Irlands –, sind die 15 anderen Bundesländer sowie was zu tun ist.Wir haben kein Erkenntnis- der Bund. Wenn Berlin mehr tut, stellt defizit, sondern ein Handlungsdefizit. Ich es sich auf der Einnahmenseite zunächst glaube, man muss die politischen Ent- einmal schlechter, weil es dann weniger scheidungsprozesse überdenken. Mittel aus dem Finanzausgleich erhält. Ich nenne ein Beispiel. Es ist zu fra- Ein solches System sollte verändert wer- gen: Ist die Arbeitsteilung zwischen den den. Dazu bedarf es keiner Verfassungsän- Wir müssen die politi- Ländern Europas und in Deutschland zwi- derung;darüber könnte man sich auch auf schen Entscheidungs- prozesse überdenken. schen Bund, Ländern und Gemeinden anderem Wege einigen. noch sauber? Oder ist sie nicht so ange- Ich möchte schon die Frage stellen, legt, dass fast alles, was versucht wird, von ob in der jetzigen Zeit das deutsche Ver- der anderen Ebene jeweils blockiert wird, hältniswahlrecht der Weisheit letzter dass auch sehr vieles doppelt getan wird? Schluss ist.Wir haben in Deutschland fast immer mit kleinen Koalitionen regieren dieses System in den letzten 40 Jahren im- müssen, mit knappen Mehrheiten, die den mer die besten Köpfe an die Spitze unse- Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsa- rer Gesellschaft gebracht hat – Anwesende men Nenner fast diktiert haben. Ich frage natürlich ausgenommen. mich,ob ein Mehrheitswahlrecht,das dem Ich rege an, über das Thema der poli- Wahlgewinner, der 45 Prozent der Stim- tischen Entscheidungsprozesse nachzu- men errungen hat, 70 Prozent der Abge- denken und weniger zum 500.Mal die Fle- ordnetensitze beschert, nicht besser ist, xibilisierung des Arbeitsmarkts zu thema- weil es ihn in die Lage versetzt, auch ein- tisieren, denn dazu ist bereits alles gesagt. mal Entscheidungen gegen die rechte Wenn Deutschland seine Anpassungs- oder die linke Seite seiner Partei durchzu- fähigkeit nicht erheblich verstärkt, um bringen. Es ist fast unmöglich, ein Land sich der Veränderungsgeschwindigkeit in vernünftig zu regieren, wenn alle 80 Tage seinen Nachbarländern anzupassen, wird eine Wahl ansteht.Jede Wahl wird zu einer es weiter ärmer werden. Abstimmung über die jeweilige Bundesre- Wäre die deutsche Wirtschaft in den gierung hochstilisiert.Das kann nicht rich- letzten zehn Jahren so schnell gewachsen tig sein. Eine Verlängerung der Legislatur- wie die amerikanische – ich weiß, wir alle periode auf fünf Jahre würde wenigstens wollen keine amerikanischen Verhältnisse, dazu führen, dass eine Bundesregierung aber das Geld hätten wir ganz gern –,dann mindestens dreieinhalb Jahre zum Regie- hätte jeder Deutsche pro Jahr 4 000 Euro ren Zeit hätte,ohne auf Wahlkämpfe Rück- mehr in der Tasche. sicht nehmen zu müssen. Dies alles legt den Gedanken nahe, Es ist unmöglich, ein Land vernünftig zu re- Ich glaube schon, dass man darüber ob nicht doch etwas an unserem System gieren, wenn alle 80 nachdenken sollte, ob wir 16 Bundeslän- des Blockierens,der zu hohen Staatsquote Tage eine Wahl ansteht. der benötigen. Berlin und Brandenburg usw. geändert werden müsste. haben – bis jetzt erfolglos – eine Fusion Dr. Hans D. Barbier: Das Wahlrecht versucht. Sie denken wenigstens weiter. ist ein gutes Beispiel dafür, dass es un- Man müsste auch die Frage stellen, möglich ist,ein so genanntes einfaches Ge- wie man ein Engagement von klugen Leu- setz durchzubringen. Ein solches Gesetz ten herbeiführen könnte, die bereit sind, ist nur im technischen Sinne einfach. sich auf Zeit für die Gesellschaft politisch Jürgen Peters: Ich werde mir jetzt zu engagieren, aber nicht unbedingt vor- nicht erlauben,ein so breites Feld zu bear- haben, den gesamten Weg durch die Par- beiten und eine Beurteilung dessen vorzu- teieninstitutionen zu absolvieren. Wir in nehmen,was unsere Kolleginnen und Kol- Deutschland haben das System des Berufs- legen in den Niederlanden und in Schwe- parteipolitikers. Ich bin nicht sicher, dass den mit auf den Weg gebracht haben.

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Wir wissen auch, welche Probleme dort Viel entscheidender aber ist: Die Un- herrschen. Im Augenblick gerät das nie- ternehmen wollen nicht, jedenfalls über- derländische Modell sehr unter Druck. wiegend nicht, insbesondere solche Un- Von einigen wird es als nicht mehr trag- ternehmen, die amerikanische Verhältnis- fähig angesehen. Mittlerweile schmoren se schaffen wollen. Dort zählen die Pro- im Hintergrund ganz ernsthafte Probleme. Kopf-Ziffern. Teilzeitarbeit bedeutet dort, Das Gleiche gilt für Schweden. dass sich die Zahl der Köpfe vergrößert. Ich nehme jetzt einmal einen Teilbe- Das ist dann nicht konsensfähig. Hier gibt reich unter die Lupe,der offenkundig – je- es Bremsvorgänge, denen wir etwas ent- denfalls in einer bestimmten Phase – für gegensetzen müssen. jeden interessant war, nämlich die Teil- Herr Berger,natürlich versuchen wir, zeitarbeit. Es war ein neues Wort für den, auch mithilfe der Arbeitszeitpolitik die Ar- wenn man so will, Schlüssel zum Erfolg. beitslosigkeit zu bekämpfen.Ich weiß,das Wir haben Tarifverträge abgeschlossen, hören Sie nicht so gern.Wir haben in Nie- nach denen die Teilzeitarbeit nicht nur dersachsen sogar ein kleines Modellpro- möglich ist, sondern sogar gefördert wird. jekt gestartet. Nun gibt es auch ein Gesetz,nach dem ein Prof. Dr. h.c. Roland Berger: Es geht entsprechender Anspruch besteht. um die Lohnpolitik, nicht um die Arbeits- Die Realität aber ist: Es hat sich nicht zeitpolitik! viel geändert.Warum ist das so? Ich möch- Jürgen Peters: Lohnpolitik oder Ar- Teilzeitarbeit war ein te jetzt keine Vorwürfe erheben, sondern beitszeitpolitik, das ist letztlich auch eine neues Wort für den Schlüssel zum Erfolg. einfach eine Beschreibung der Situation Frage der Kosten. Ob Sie es so oder an- geben. Zum einen hat sich nicht viel geän- dersherum machen, ist eigentlich doch dert, weil sich viele die Teilzeitarbeit fi- egal. Der einzige Unterschied besteht da- nanziell nicht erlauben können.Es kommt rin: Wenn man die Zuwachsraten in eine etwas hinzu, bei dem ich sage, dass wir Arbeitszeitverkürzung umwandelt, ist das dafür vielleicht auch einen anderen Be- von der Inflation unabhängig,während die griff finden müssen: Teilzeitarbeit wird Löhne durch die Inflation aufgefressen von vielen Arbeitnehmern mit hälftiger werden können. Arbeitszeit mit allen Folgen, die sich dar- In Niedersachsen haben wir die Ver- aus ergeben, verwechselt.Wir haben neu- kürzung der Arbeitszeit zum Zwecke der lich auf einer großen Konferenz einen Einstellung weiterer Arbeitnehmer per Ta- neuen Begriff gefunden: abgesenkte Voll- rifvertrag vorgesehen.Wir waren uns darin zeit. Auf diese Weise wollen wir den etwas mit den Arbeitgebern einig.Wir haben fest- negativen Touch beseitigen. Ob das hilft, gestellt, dass dieses Modell außerordent- werden wir sehen. lich schlecht begleitet wurde. Ich weiß, dass viele sofort den Lohn ment in den Unternehmen und gegen die und die Lohnhöhe als das entscheidende Unternehmen wird. Wir müssen feststel- Phänomen ansehen. Meiner Ansicht nach len, dass im Wirtschaftsraum Stuttgart, ja erfolgt damit eine maßlose Überschätzung in Baden-Württemberg überhaupt, das der Lohnpolitik. Wir haben in der Metall- Lohnniveau sehr viel höher ist als in Nord- Es gibt eine maßlose Überschätzung der wirtschaft die Lohnquote von 25 Prozent rhein-Westfalen. Dafür gibt es zwei we- Lohnpolitik. im Jahr 1995 auf jetzt 20 Prozent zurück- sentliche Gründe. Der erste Grund ist si- geführt. Es hat sich also ein Kostenvorteil cher, dass sich im Raum Stuttgart die Be- von 5 Prozent ergeben.Dahinter stehen si- reiche Forschung und Entwicklung kon- cherlich auch Leistungsverdichtungsmaß- zentrieren, was gemeinhin höhere Ent- nahmen und Probleme anderer Art,auf die gelte mit sich bringt. Der zweite Grund ich jetzt nicht weiter eingehen möchte. liegt in Folgendem. Es geht immer auch Wir hatten in den letzten zehn Jahren ei- um die Frage, wie man einen Tarifvertrag ne Phase – ob wir immer Ja sagen konn- anwendet,wie die Eingruppierung erfolgt. ten, lasse ich einmal dahingestellt –, in der Da stellen wir im Stuttgarter Raum eine wir den verteilungsneutralen Spielraum weit höhere Eingruppierung fest als bei- nicht ausschöpfen konnten. Der Kritik ge- spielsweise in Nordrhein-Westfalen. rade unserer niederländischen Kollegen Eine weit verbreitete Auffassung be- an uns setze ich entgegen: In dieser Phase sagt, der Lohn müsse nur niedrig genug gab es keineswegs einen Zuwachs der sein,dann füge sich alles von selbst.Es gibt Zahl von Arbeitsplätzen.Im Gegenteil,wir unterhalb der Facharbeitergruppe vier haben weiterhin Arbeitsplätze verloren, oder fünf Lohngruppen. Es ist festzustel- insbesondere in der Metallwirtschaft, weil len, dass sich in der Lohngruppe eins – in unabhängig von der Entwicklung der manchen Gebieten ist das die Lohngruppe Lohnhöhe kein Unternehmen auf Ratio- zwei – nicht einmal 1 Prozent der Be- nalisierung und Produktivitätssteigerung schäftigten befindet. Bis zur Lohngruppe verzichten will.Das ist eigentlich auch der drei sind es nicht einmal 3 Prozent. Erst Schlüssel, um mehr zu erwirtschaften und die Lohngruppen vier und fünf sind stär- dieses Mehr auch zu verteilen.Insofern sa- ker besetzt. ge ich immer:gemach,gemach,wenn man Wir müssen Acht geben, dass wir dem Lohn eine solche Bedeutung zumisst. nicht in falsche Spuren geraten und ein Es wird immer vom Einheitslohn ge- Phänomen skizzieren, das uns möglicher- sprochen.Das stimmt aber hinten und vor- weise nicht hilft,das allerdings bei einigen ne nicht. Der Flächentarifvertrag ist für peripheren Problemen hilft. Die Gewerk- uns ein Synonym dafür, dass der Tarifver- schaften haben sich nie geweigert, dort, trag kein zusätzliches Konkurrenzinstru- wo Probleme sind, und dann, wenn es

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nicht zu einer sich verschärfenden Kon- behalten müssen. Ich habe die Sorge, dass kurrenz zu anderen Faktoren kommt,auch sich ein Partikularinteresse von bestimm- Niemand will die Aus- das Thema Arbeitskosten anzupacken und ten Gruppen in den Vordergrund spielt dehnung der Verleih- arbeit verhindern. beispielsweise sanierungsbegleitende Maß- und andere auf der Strecke bleiben. nahmen zu befürworten. Wir wollen insbesondere Langzeitar- Bei Folgendem bekomme ich lang- beitslosen die Chance geben, wieder in sam Bedenken: Aus der Hartz-Kommission den Arbeitsmarkt integriert zu werden. kam der Vorschlag, zur Beschleunigung Das geht über eine solche kurzzeitige Ver- der Vermittlung das Modell der Personal- mittlung. Wir sagen, wir sollten das we- Service-Agenturen zu schaffen.Früher hat- nigstens modellhaft prüfen. Ich sehe, dass ten wir die Personalreserve im Betrieb; es leider manches in den Hintergrund rückt, gab sogar die Entwicklung von Einsatzbe- was in den Vordergrund gestellt werden trieben. Wir haben den Vorschlag ge- sollte. macht, überbetrieblich solche Einsatzbe- Sie können sich ja vorstellen,dass wir triebe zu organisieren, die mit der Arbeits- bei einer solchen Diskussion nicht still verwaltung zusammenarbeiten sollten. sind. Wir werden auch nicht akzeptieren Nun kam ein solcher Vorschlag, nach können, dass das Grundprinzip „gleicher dem eine vermittlungsorientierte Leihar- Lohn für gleiche Arbeit“ aufgegeben wird. beit möglich sein soll. Wir haben dazu Ja Mit den großen Verleihunternehmen sind gesagt. Aber nun müssen wir feststellen, wir uns einig. Die Befolgung des Grund- dass sich die ganze Diskussion nur noch satzes „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ auf die Frage konzentriert, wie die ge- ist für diese Unternehmen überhaupt kein werbsmäßige Verleiharbeit organisiert Problem.Aber andere möchten hier einen werden kann. Das führt völlig weg von zusätzlichen Profit erzielen. Für eine sol- dem eigentlichen Problem. Niemand will che Entwicklung stehen wir nicht zur Ver- die Ausdehnung der gewerbsmäßigen Ver- fügung. leiharbeit verhindern. Jedes Verleihunter- Wir sagen Ja zur gewerblichen Verleih- nehmen kann heute 100 000 Arbeitslose arbeit, wenn die Bedingungen vernünftig zusätzlich einstellen. Es muss nur wissen, sind. Wir stimmen auch zu, in den Tarif- wohin diese Personen verliehen werden verträgen Öffnungen für diese besonderen sollen.Wenn man nicht weiß, wohin man Gruppen vorzusehen, die vielleicht eine verleihen soll, wird man auch niemanden andere Einarbeitungszeit oder eine ganz einstellen. verschiedenartige Einarbeitungszeit benö- Wir werden den ersten Teil der Akti- tigen. Aber der Grundsatz darf nicht ver- vitäten hinsichtlich der Personal-Service- loren gehen. Agenturen sehr viel stärker im Fokus Im Übrigen ist dieser Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gang Diskussion die Arbeitslosigkeit immer als und gäbe. Wir werden ohnehin eine EU- monolithischen Block betrachtet, was ein Richtlinie bekommen, die diesen Grund- krachender Unsinn ist.Die Arbeitslosigkeit satz zementiert.Wir müssen,wenn wir un- ist ein ganz heterogenes Phänomen. sere Bereitschaft zum Mittun bekunden, Wer die Arbeitslosigkeit schon so un- immer wieder feststellen, dass ganz ande- sauber analysiert, der kommt auch zu sol- re Interessen verfolgt werden,die mit dem chen verschwiemelten Lösungskonzepten eigentlichen Thema gar nichts mehr zu wie jenem, dass man der Arbeitslosigkeit tun haben, dass jemand für sich Vorteile primär dadurch Herr werden könnte, dass aus der Not der anderen ziehen will. Sie man die Vermittlung beschleunigt, nicht werden verstehen, dass wir dazu nicht die aber dadurch, dass man Arbeitsplätze Hand reichen wollen. schafft, auf die Arbeitslose vermittelt wer- Dr. Renate Köcher: Ich möchte an den könnten. Herrn von Dohnanyi anknüpfen,der einen Genauso muss beunruhigen, wie we- ganz gravierenden Punkt vorgetragen hat. nig öffentlich über die europäische Inte- Er hat nämlich gesagt: Das Land führt kei- gration diskutiert wird,über die Frage,wie ne sauberen Analysen durch; deshalb unser zukünftiges Konzept von Europa kommt es auch nicht zu vernünftigen Kon- aussieht. Mich friert, wenn ich sehe, wie zepten für die Lösung seiner Probleme. Er wenig und wie leichtfertig über die Frage hat das am Beispiel Ostdeutschlands und diskutiert wird: Wo sind die Grenzen Eu- des Föderalismus erläutert. ropas? Wie stellt sich die Rolle der Türkei Ich stimme Herrn von Dohnanyi voll im Verhältnis zu Europa dar? und ganz zu, dass es eigentlich überfällig Wenn Unternehmen auf die saubere ist, neu über die Frage nachzudenken, wie Analyse und deren Umsetzung verzichten, man Ostdeutschland helfen kann, mög- gehen sie unter. Das ist die Härte und zu- Ich würde nicht sagen, dass die Deutschen lichst rasch aus der Rolle des Abhängigen gleich der Vorteil der Wirtschaft, dass sie reformunwillig sind. in die Rolle des Starken hineinzuwachsen. unter „Androhung des Todes“ zum Rea- Mich beunruhigt die Zahl,dass 70 Prozent litätssinn erzieht. der unter 30-Jährigen und auch noch die Für den Staat gilt das nicht.Herr Berger große Mehrheit der 30- bis 45-Jährigen in hat eben das Beispiel des Landes Berlin Ostdeutschland davon überzeugt sind, angeführt. Ich würde nicht sagen, dass die dass sie im Westen die besseren Chancen Deutschen reformunwillig sind; die Deut- hätten, und dass es einen anhaltenden schen tragen außerordentlich viele Verän- Exodus gerade qualifizierter Kräfte aus derungen in den Unternehmen mit. Die dem Osten in den Westen gibt.Wir haben Betriebsräte in den Unternehmen tun in Deutschland in der öffentlichen außerordentlich viel, um eine rasche

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Veränderung in den Unternehmen zu be- erzieht die Bevölkerung zu einer immer werkstelligen. Für mich ist interessant, stärkeren Erwartung an den Staat.Insofern dass viele Unternehmensleitungen und trägt der Staat eine wesentliche Verant- Mitarbeiter sagen: Unser Betriebsrat ori- wortung dafür, ob sich die Bevölkerung entiert sich in erster Linie am Unterneh- überhaupt zutraut, Aufgaben in eigener men und erst in zweiter Linie an der ge- Verantwortung zu erfüllen. werkschaftlichen Linie. Je ausgeprägter Hierbei geht es auch um die Glaub- diese Haltung ist, desto positiver wird die würdigkeit. Mittlerweile ist es so, dass bei Arbeit des Betriebsrats bewertet. den Bürgerinnen und Bürgern eine Alarm- Das Reformklima hat zwei Aspekte: glocke schrillt, wenn die Politiker den Be- Auf der einen Seite gibt es eine hohe Ver- griff Eigenverantwortung in den Mund änderungsbereitschaft im betrieblichen nehmen.Dann sagt man sich:Jetzt wird es Bereich, auf der anderen Seite gibt es eine teuer;ohne dass der Staat meine Lasten re- zu geringe Veränderungsrate im Bereich duziert, will er, dass ich zusätzliche Aufga- des Sozialstaats.Hier besteht durchaus ein ben selber finanziere. Es ist aber wichtig, Zusammenhang. Die Bevölkerung erwar- ob der Staat glaubwürdig vermitteln kann, tet immer weniger Sicherheit von der dass er sich aus Aufgabengebieten zurück- Wirtschaft.Sie erlebt tagtäglich,dass selbst zieht und dies die Lasten der Bürger ver- die Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft mindert. zu havarieren drohen, was zum Teil dann Sowohl die privaten Haushalte als ja auch Realität wird. Die Bevölkerung auch die Unternehmen wollen vor allen Es gibt eine zu geringe fragt sich, woher Sicherheit erwachsen Dingen Planungssicherheit für ihre Zu- Veränderungsrate im Bereich des Sozial- kann,wer noch Garant von Sicherheit sein kunft. Die Verlässlichkeit der Politik und staats. kann. Es ist nahe liegend, in diesem Zu- die Einschätzung, ob die Politik ein lang- sammenhang auf den Staat zu kommen. fristiges Konzept hat, wohin sie will, und Für den Staat bedeutet es eine große Ver- ob sie dieses Konzept auch konsequent suchung, dieser Erwartung gerecht zu verfolgt, sind entscheidend. Ein solches werden und dafür in Gestalt von Abstim- Vertrauen fehlt im Moment leider. mungsergebnissen gewissermaßen den Dr. Hans D. Barbier: Wir sollten uns Lohn einzufahren. jetzt der Frage widmen: Könnte es sein, Je weiter ein Staat ausgreift, desto dass die allseits als so schmerzlich emp- mehr verändern sich die Einstellungen der fundene Handlungsstarre auch etwas mit Bevölkerung gegenüber dem Staat. Je der politischen Verfasstheit und insofern mehr der Staat sich anmaßt zu können, auch mit der Verfassung zu tun hat? desto mehr erwartet die Bevölkerung von Prof. Dr. Arnulf Baring: Ich möchte ihm. Das heißt, ein ausgreifender Staat die Bemerkung von Altbundeskanzler Kohl aufgreifen, dass die Verfassung im Ich finde es schon eine wichtige Dis- Grunde perfekt sei und es ohne große Än- kussion, wenn es um die Frage geht: Brau- derungen abgehen werde. Ich erinnere chen wir nicht eine Regelung für den in- mich,dass im Parlamentarischen Rat Theo- nenpolitischen Notstand? Reichspräsident dor Heuss darauf hingewiesen hat, dass es Ebert hat in ganz krisenhaften Zeiten der eine durchaus problematische Auffassung Republik eine ausgemacht segensreiche sei, zu meinen, die Weimarer Republik sei Rolle gespielt, indem er Dinge, die parla- an der Verfassung zugrunde gegangen. Er mentarisch nicht durchzusetzen waren, hat das meines Erachtens im Zusammen- durch Notverordnungen in Gang gesetzt hang mit Artikel 48 gesagt. Wir haben im hat. Grundgesetz die Rolle des Bundespräsi- Die Diskussion in der Öffentlichkeit denten bewusst auf die eines Redners bei ist oberflächlich, wenn es um Notverord- der Eröffnung von Ausstellungen und ähnli- nungen und Artikel 48 geht.Da kommt im- chen wegweisenden Medienereignissen re- mer gleich Hitler ins Spiel. Aber wir haben Brauchen wir nicht eine Regelung für den innen- duziert. Dafür sprach vieles, weil das Parla- doch überhaupt nicht das Problem, dass politischen Notstand? ment und die von ihm gewählte Regierung radikale Flügel existieren, die dem Land die Geschicke des Landes leiten sollen. gefährlich werden könnten. Das ist weder Seit einiger Zeit stellt sich die Frage: rechts noch links der Fall. Die Tatsache, Was passiert eigentlich, wenn das Parla- dass wir im Grunde genommen ineffi- ment und die Regierung, die sich gegen- ziente Großparteien haben und nur die wärtig weitgehend außerhalb des Parla- demokratischen Flügel der FDP hier und ments angesiedelt hat – es werden alle der Grünen da eine gewisse Bewegung möglichen Kommissionen und Experten- suggerieren, lässt die Frage aufkommen: gremien berufen, die mit dem Parlament Was machen wir eigentlich,wenn diese In- nichts zu tun haben; so wird bewusst an effizienz der Mitte sich fortsetzt? der Schwächung des Parlaments mitge- Man braucht wahrscheinlich – nicht wirkt –,handlungsunfähig sind oder lauter unter dem gegenwärtigen Bundespräsi- flatterhafte Beschlüsse fassen, welche die denten, der unter anderen Voraussetzun- Probleme verschlimmern und nicht lösen? gen gewählt worden ist – eine Diskussion Was ist eigentlich, wenn das so weiter- über die Frage der Wahl des Bundespräsi- geht? Wenn ich die Lage richtig einschät- denten. Wir brauchen keine Diskussion ze, wird es so weitergehen. Dem eher über einen Ersatz der Verfassung durch ei- oberflächlich interessierten und am ne andere Verfassung,sondern wir müssen Durchwursteln orientierten Kanzler über eine Ergänzung des Grundgesetzes kommt dabei eine entscheidende Bedeu- diskutieren. Das Grundgesetz ist aus der tung zu. Angst heraus entstanden, der Führerstaat

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könnte zurückkehren. Das war vor 50 Jah- Herr Berger hat eben darauf hinge- ren eine berechtigte Angst, aber heutzuta- wiesen, dass in Deutschland der Arbeit- ge ist es eine vollkommen absurde Angst. nehmer von seinem Arbeitseinkommen in Heutzutage geht es um den Stillstand hin- Höhe von 26,50 Euro nur noch 11,50 Eu- Ist nicht auch die sichtlich der unglaublich komplizierten ro für sich behält. Dabei sind noch nicht Verfassung an diesem Stillstand schuld? Machtverteilung, welche die Verfassung die indirekten Steuern berücksichtigt: vorsieht und die sich in den letzten 50 Jah- Ökosteuer, Zigarettensteuer, Sektsteuer. In ren immer stärker herausgebildet hat, so- Wirklichkeit verfügt der Arbeitnehmer nur dass weder Gemeinden noch die Länder noch über ein Drittel seines Gehalts. noch der Bund eigenständig handeln kön- Das erinnert mich an das vorindus- nen. Selbst eine handlungsbereite Regie- trielle Deputatsystem, als der Unterneh- rung könnte nach der nächsten Landtags- mer sagte: Du musst mit deinem Einkom- wahl auflaufen. men bei mir einkaufen, sonst machst du Herr Kohl hat darauf hingewiesen, mit deinem Geld zu viel Unsinn! Man dass das Bestreben, Bundestags- und Land- muss sich das einmal vorstellen: Der Ar- tagswahlen an einem bestimmten Tag beitnehmer hat nur noch ein Drittel sei- durchzuführen, beim Versuch stecken ge- nes Einkommens zur Verfügung, über blieben ist. zwei Drittel verfügt die Sozialbürokratie! Es bleibt alles stecken. Alle Proble- Das liegt am System. Wir haben ein kol- me, die Herr Berger angesprochen hat, lektiv versichertes System mit einer Fülle sind wichtig. Aber nichts wird geschehen; von perversen Anreizsystemen. Das ist so; es gibt einen umfassenden Stillstand. Eine das kann man im Einzelnen durchdekli- der Fragen, die gestellt werden müssen, nieren. lautet:Ist nicht auch die Verfassung an die- Immer dann, wenn es kollektive Ver- sem Stillstand schuld? sicherungen gibt, gibt es auch solche An- Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Starbatty: reizsysteme. Man stelle sich nur einmal Herr von Dohnanyi, Sie haben gesagt, Ih- vor, unsere PKW-Versicherung wäre kol- nen erscheine die Erhöhung der Mehr- lektiv organisiert. Man muss die Pflicht- wertsteuer plausibel, um die Einkommen versicherung durch die Pflicht zur Versi- indirekt und nicht direkt zu belasten. Dies cherung ergänzen. wäre immerhin besser als das, was derzeit 1990 lag in den europäischen Län- geschieht. Man kennt die Konsequenzen dern die Abgabenquote bei gut 40 Prozent der einzelnen steuerlichen Wirkungen und die Staatsquote bei knapp 50 Prozent. noch gar nicht. Man wird sich wundern, Heute, gut zehn Jahre später, hat sich die was dabei alles herauskommt. Das könnte Situation in allen kleineren Ländern ver- in die falsche Richtung führen. ändert, auch in Großbritannien: Die Abga- benquote liegt deutlich unter 40 Prozent, Nachdenken anzuregen, das Fragezeichen auch die Staatsquote ist deutlich zurück- in unserem Thema: „Deutschland im Auf- gegangen. In drei europäischen Ländern bruch?“ entfernen.Nachdem so gut wie al- ist dies nicht geschehen: in Frankreich, in le Ratschläge der interessenungebunde- Italien und in Deutschland. Die kleinen nen Fachleute aus Deutschland, aus den Länder, die eine Steuerreform durchge- Nachbarländern, aus der OECD und auf führt und ihre Haushalte saniert haben,er- der Weltebene, die es seit Jahren gibt, na- wirtschaften Überschüsse. Die Tatsache, hezu vollends in den Wind geschlagen dass wir die Steuern erhöhen, könnte zur wurden, stelle ich fest: Deutschland ist im Folge haben, dass wir glauben, etwas an- Aufbruch zu einer weiteren Entmündi- deres müsse nicht noch zusätzlich getan gung des Einzelnen, zu mehr Staatsabhän- werden. gigkeit,zu einem sozialistischeren Modell. Ich habe das Gefühl, dass das politi- Ich persönlich glaube nicht,dass sich sche Handwerk zurzeit etwas merkwürdig die Mehrheit der Deutschen in einem sol- betrieben wird. Ich verstehe es als Aufga- chen Modell einrichten möchte oder dass be des politischen Handwerks, dass be- sie ihre Kinder oder Enkel zwingen will, stimmte Entscheidungen, die getroffen sich dort – beginnend mit der Lufthoheit werden müssen, auch wirklich getroffen über den Kinderbetten – einzurichten.Ge- Diese Kommissionen stellen eine Flucht vor werden. Zurzeit ist es eher so, dass beim nau das sollte zum Gegenstand der Dis- der Verantwortung dar. Vorliegen von Problemen neue Kommis- kussion der Öffentlichkeit mit den Prinzi- sionen eingesetzt werden, so zuletzt die palen gemacht werden.Ich vermute sogar, Rürup-Kommission. Jeder weiß doch, was dass in dieser Diskussion, wenn sie denn zu tun ist. Jeder Minister könnte, wenn er so deutlich geführt wird, wie sie geführt Expertenrat hinzuzieht, innerhalb einer werden muss, wenn sie sich nicht in Quis- Woche einen Plan auf dem Tisch haben, quilien verliert, etwas von diesem Wir-Ge- wie das Rentensystem zu verbessern ist. fühl einer hoch fragmentierten Gesell- Dazu bräuchte man Herrn Rürup nicht, schaft entwickelt werden kann, wie es der sich dazu ja im Übrigen früher bereits Wim Kok aus den Niederlanden berichtet geäußert hat. Ich glaube, diese Kommis- hat. Mir hat ein früherer niederländischer sionen stellen eine Flucht vor der Verant- Außenminister einmal im Angesicht einer wortung dar. Die Politik selber muss ent- deutschen und einer niederländischen scheiden, was getan werden soll. Das kön- Fahne gesagt: Uns sagt unsere Fahne viel nen nicht irgendwelche Kommissionen mehr als euch Deutschen eure Fahne. tun. Diese Fragen sollten tagtäglich zur Dr. Gert Dahlmanns: Ich möchte,um Diskussion gestellt werden. Das wäre viel- etwas zu provozieren und damit zum leicht zwar nicht ein Beitrag zur Verfas-

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sungsdiskussion, aber ein Beitrag zur das Gesamtgefüge. Das kann man aber Verfasstheit unserer Gesellschaft und un- relativ leicht korrigieren. Man muss nur serer Politik. den Mut haben,die Kompetenzkataloge zu Prof. Dr. Rupert Scholz: Ich halte es durchleuchten. Das ist fast Verfassungs- für einen großen Fehler, wenn man in technik. Es wurde auch schon der Finanz- Deutschland glaubt,die Probleme,die man ausgleich angesprochen. Hier gibt es ab- im politischen und im ökonomischen Sys- solut wettbewerbstödliche Situationen tem hat, über die Verfassung lösen zu wol- und Konstellationen. len.Unsere Verfassung hat – das muss man Ich bin ganz und gar nicht der Mei- sich immer wieder vor Augen führen – die nung, Herr Baring, dass man in das politi- soziale Marktwirtschaft möglich gemacht. sche Führungssystem eingreifen muss. Sie Diese Verfassung hat ein Höchstmaß an in- beklagen völlig zu Recht die „Kommissio- nerer Organisationsfähigkeit und sozialer nitis“, die Selbstentmündigung des Parla- Gerechtigkeit möglich gemacht.Diese Ver- mentarismus, die dahinter steckt. Herr fassung ist ein Meisterwerk. Starbatty hat dazu deutliche Worte gefun- Diese Verfassung ist Es ist ein reines Verdrängungsmanö- den. Die Stärke dieser Verfassung besteht ein Meisterwerk. ver, wenn man glaubt, dass man die eigentlich darin, dass sie den Parlamenta- Schwächen im politischen System, die rismus in die Pflicht nimmt, seiner Verant- heutzutage vorhanden sind, verfassungs- wortung zu genügen. Wenn hier vom rechtlich beseitigen könnte. Wir haben Führungsmangel gesprochen wird, wenn nach der Wiedervereinigung die Verfas- an den Reichspräsidenten erinnert wird, sung intensiv diskutiert. Wir haben da- wenn gar in die Diskussion geworfen mals festgestellt: Diese Verfassung ist nach wird,den Bundespräsidenten vom Volk di- wie vor vorbildlich und gut. rekt wählen zu lassen,muss ich darauf hin- Natürlich gibt es auch Punkte, über weisen: Die Konsequenz wäre die endgül- die man reden wird und reden muss. Mit tige Deparlamentarisierung. Es war klug, Recht ist der Föderalismus angesprochen die Kanzlerdemokratie einzuführen,einen worden. Der Föderalismus ist in der Tat starken Kanzler zu installieren, der ande- notleidend geworden. Das Prinzip von rerseits aber auch voll verantwortlich ist, Wettbewerb und Dezentralisation funktio- von der Richtlinienkompetenz bis zur Per- niert nicht mehr. Der operative oder uni- sonalhoheit über sein Kabinett. Die Tatsa- tarische Bundesstaat ist viel zu zentral ge- che, dass es hinsichtlich der Koalitionen worden. Die Länder haben zu wenig Zu- gelegentlich schwierig ist, wenn sich der ständigkeiten. Das kompensieren sie über kleinere Partner hinstellt und bestimmt, den Bundesrat und sie mischen sich in die wer Minister wird, hat ja nichts mit Ver- Bundespolitik ein.Dadurch vermischt sich fassungsfragen zu tun. Die Zahl wirklicher Verfassungsfragen, bei denen man ver- wird: Reform bedeutet Kündigung, nünftig fortbildend das eine oder andere Reduzierung des Besitzstands – nicht in korrigieren kann, ist sehr begrenzt. Süddeutschland,jedenfalls nicht in diesem Man sollte um Himmels willen nicht Umfang, aber in den neuen Ländern und an die Verfassung herangehen oder die in einem erheblichen Teil der nördlichen Verfassung zum Sündenbock für die Pro- deutschen Länder. bleme machen, die wir haben. Unsere Ver- Ich habe den Eindruck, dass das fassung hat gezeigt, was sie an Leistungs- Schröder-Blair-Papier längst abgelegte His- fähigkeit zu mobilisieren vermag. Das ist torie ist. In der Zwischenzeit stellt man nach wie vor gültig,man muss es nur prak- vielmehr die Frage: Wie können wir die tizieren. Man muss den Mut zur Entschei- Politiker der PDS mit aufnehmen? So geht dung und zur Verantwortung haben. Ich man in eine völlig andere Richtung. Das möchte das aufnehmen, was Herr von scheint mir die zentrale Problematik zu Dohnanyi eingangs vorgetragen hat: Die sein, die wir nicht durch eine Verfassungs- Entwicklung darf nicht in eine komplexe diskussion zudecken sollten. Verantwortungslosigkeit einmünden, son- Prof. Dr. Wolfgang Böhmer: Wenn dern Verfassung ist auch Verpflichtung.Die ich Sie richtig verstanden habe, verehrter Debatte darf nicht in einer Alibidiskussion Herr von Dohnanyi, haben Sie die Rezep- darüber enden,ob die Verfassung geändert te und Vorschläge, die jetzt in der Diskus- werden muss. sion stehen, auch nicht als für die Lösung Dr. Günther Beckstein: Ich möchte unserer Probleme geeignet dargestellt. nachdrücklich die Ausführungen von Wenn das so ist, dann kann man das Pro- Man muss den Mut zur Entscheidung und zur Herrn Professor Scholz unterstützen, dass blem nicht dadurch lösen, dass man er- Verantwortung haben. nicht unsere Verfassung das Problem dar- klärt: Wir müssen die Verfassung ändern, stellt. Ich halte eine Nichtentscheidung damit niemand mehr widerspricht. Man immer noch für besser als eine falsche Ent- kann doch sagen: Zum Glück gibt es die scheidung. Im Moment gibt es eindeutig Möglichkeit, dass widersprochen werden falsche Konzepte. Nach der Wahl ist noch kann. nicht einmal ansatzweise eine Blockade Das hat im Übrigen 1997 der damali- beispielsweise durch den Bundesrat oder ge niedersächsische Ministerpräsident kleine Mehrheiten erkennbar. Schröder mit ähnlichen Formulierungen Ich sehe es als ein zentrales Problem im Bundesrat zum Ausdruck gebracht. Of- an, dass das, worüber großer Konsens fensichtlich hängt die Sichtweise vom je- herrscht, nämlich dass die Privatisierung weiligen Standort ab, von dem aus man etwas Gutes ist, von einer großen Mehr- diskutiert. heit der Bevölkerung anders empfunden Es ist jetzt nicht unsere Aufgabe,die Ver-

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fassung zu ändern, sondern wir brauchen en werden in Deutschland oft als Hindernis bessere Konzepte, um die Probleme zu lö- für Reformen angesehen. Das sehe ich sen. Ich höre immer wieder,dass der Wett- nicht so,obwohl ich sehr gern denjenigen bewerbsföderalismus als erstrebenswertes Recht gebe, die in gewisser Weise von den Ziel dargestellt wird. Auch aus der Sicht Parteien enttäuscht sind.Ich habe den Ein- eines neuen Bundeslandes haben wir kei- druck: Solange wir als Vertreter einer Par- ne Hemmung,das so zu formulieren,wenn tei uns selber loben und die anderen im- wir uns darauf einigen, dass zu einem or- mer als schlechter darstellen, tragen wir dentlichen Wettbewerb die Chancen- zu einer bestimmten Politikverdrossenheit gleichheit am Start gehört. Solange dieser bei. Ich habe den Verdacht, dass in Zustand nicht erreichbar ist, ist das für Deutschland derjenige die besten Wahl- mich eine Schimäre, der ich politisch chancen hat, der den Mut hat zu sagen: nicht allzu viel abgewinnen kann. Wir wollen uns nicht im Vermittlungsaus- Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, schuss von Bundestag und Bundesrat wie- Zu einem ordentlichen schon jetzt durch eine Neusortierung der dersehen,sondern wir lösen die Probleme Wettbewerb gehört die Kompetenzzuweisungen manches in die- gemeinsam. Das würde mit Sicherheit zu Chancengleichheit am Start. ser Richtung zu tun. Es gibt ja Bundeslän- einer großen positiven Resonanz in der der, die der Meinung sind, wir müssten Bevölkerung führen. jetzt eine Vermögensteuer einführen. Ich Jörg Schönbohm: Wir sind uns einig: fände es überhaupt nicht schlecht, wenn Die Staatsquote soll gesenkt werden.Dann diese Kompetenz den Länderregierungen müssen wir aber auch sagen, welche übertragen würde, damit jedes Bundes- Staatsaufgaben reduziert werden sollen.In land, wenn es eine Mehrheit dafür ge- diesem Zusammenhang muss geklärt wer- winnt, so agieren kann. Ich persönlich bin den:Welche Anforderungen haben wir an der Meinung, dass dies die beste Garantie den Staat? Da geraten wir,glaube ich,in et- dafür wäre, dass es in Deutschland dazu was gefährliches Fahrwasser; aber wir nicht kommt. Aber darüber kann man müssen uns damit befassen. gerne reden. Dasselbe gilt für die Er- Ich darf daran erinnern, wie gering höhung der Erbschaftsteuer. Auch sie ist die Staatsverschuldung war, als Willy eine reine Ländersteuer. Auch hier könn- Brandt Bundeskanzler wurde,wie stark sie te man unter diesem Gesichtspunkt darü- seitdem erhöht wurde und welche An- ber diskutieren. Hier sehe ich einen be- spruchshaltung gegenüber dem Staat sich stimmten Reformbedarf, aber das bedeu- seitdem entwickelt hat. tet nicht, dass das Grundgesetz grundsätz- Wilhelm von Humboldt, der in Ber- lich geändert werden muss. lin – unweit von hier – die nach ihm be- Das politische System und die Partei- nannte Universität gründete, hat 1812/13 Gedanken über die Grenzen,die Aufgaben schläge von Herrn Eichel als Bundesrats- und die Wirksamkeit des Staates niederge- präsident, die Vorschläge von Herrn schrieben. Wenn wir darüber einig sind, Biedenkopf und die große Rede von Herrn Wir entmündigen den Bürger durch die Art, dass wir heute vom Menschenbild des Clement in dieser Frage endlich ernst neh- wie wir Politik betrei- mündigen Bürgers ausgehen,dann müssen men. Diese Fragen müssen zwischen dem ben. wir das, was Herr Professor Starbatty ge- Bundesinnenminister als dem Verfassungs- sagt hat, ernst nehmen und feststellen: minister und dem Bundeswirtschaftsmi- Wir entmündigen den Bürger durch die nister, der daran interessiert sein muss, Art, wie wir Politik betreiben. Das gilt für dass Entscheidungen getroffen werden, alle Parteien; ich nehme meine eigene ausdiskutiert werden. Als man mit gutem Partei gar nicht aus. Grund erwarten konnte, dass Herr Stoiber Wie viel Freiheit wollen wir dem Bür- der neue Bundeskanzler werden würde, ger zumuten? Wo muss der Staat helfen? haben die Herren Wulff und Koch sofort Wir brauchen natürlich auch ein moder- gesagt: Wir dürfen Derartiges aber nicht nes Bildungssystem. Mir sind die entspre- in den ersten hundert Tagen machen,denn chenden Probleme nicht erst seit den Er- wir haben doch im Februar 2003 unsere gebnissen der PISA-Studie bekannt.Ich bin Landtagswahlen. in meinem Leben zehnmal umgezogen Ich bin wie Herr Scholz der Meinung, und weiß daher, wie unterschiedlich die dass unsere Verfassung ein Meisterwerk Bildungssysteme in Deutschland sind. Die ist.Allerdings ist diesem Meisterwerk vie- Kernaufgaben können wir definieren. les hinzugefügt worden. Es stellt sich die Frage, ob auch von Herr Bundeskanzler Kohl,Sie werden dieser Veranstaltung die Kraft ausgeht, die sich daran erinnern, dass ich Ihnen gele- Diskussion über unser Menschenbild zu gentlich geraten habe:Wenn Sie die Hoch- führen und zu fragen, ob wir fortfahren schulen in Deutschland reformieren wol- wollen, den Bürger durch den Staat da- len, dann müssen Sie das Hochschulrah- durch zu entmündigen, dass er beispiels- mengesetz abschaffen. Ich habe es zwar weise von seinem Verdienst nur noch ein selber eingeführt,aber es ist unnötig.Sie ha- Drittel behalten kann. ben mir damals gesagt, ich solle Ihnen die Dr. Klaus von Dohnanyi: Ich habe Mehrheit verschaffen. Dazu war ich, wie keineswegs Verfassungsänderungen das ich offen zugebe, nicht mehr in der Lage. Wort reden wollen, sondern es geht um Ich halte beispielsweise die Gemein- die Verfassungspraxis. Es geht darum, dass schaftsaufgabe Bildungsplanung für eine wir die Vorschläge beispielsweise von sehr problematische Sache,weil sie die Zu- Herrn Stoiber hinsichtlich der Entflech- ständigkeiten der Länder und den Wettbe- tung – ich glaube, es sind 135 –, die Vor- werb zwischen den Ländern beeinträchtigt.

Bundesverband deutscher Banken 52 53 DISKUSSION

Es geht darum,durch die Verfassungspraxis, im Wesentlichen Unternehmen mit durch die tatsächliche Entflechtung – da- unzureichendem Eigenkapital, ungeheuer zu brauchte man keine Verfassungsände- krisengeschüttelt durch ihre besondere rungen, nicht einmal ein Hochschulrah- Lage. Diese Unternehmen werden, sobald mengesetz – zur dezentralen Verantwor- sie Steuern zahlen müssen, wie ein west- tung zurückzukehren.Das würde sich von deutsches Unternehmen voll herangezo- den Ländern auf die Betriebe und auf die gen. Das kann nicht funktionieren. Mein Individuen übertragen. Appell lautete, darüber erneut nachzu- In einem Land unserer Größe und denken und die Realitäten zu erkennen. mit unserer Verfassung kann am Ende nur Ich möchte mit folgendem Bild die Eigenverantwortung auf den verschie- schließen.Deutschland hat zwei Beine:ein denen Ebenen dazu führen, dass man mit östliches und ein westliches.Wenn das ei- den Problemen fertig wird. Herr Bundes- ne nicht erstarkt,wird Deutschland immer kanzler Kohl, ich glaube, ich war der erste hinken. Sozialdemokrat,der im November 1989 ei- Ein weiteres Beispiel:Wenn ein Schiff nen großen Aufsatz über die deutsche Ein- leckgeschlagen ist und man sich nur um heit verfasst hat. Ich bin Ende Novem- den Motor kümmert, weil das Schiff nicht ber/Anfang Dezember 1989 für die mehr schnell genug ist, und man hofft, Währungsunion eingetreten. Insofern un- dass das Leck irgendwie geschlossen wird, terscheiden wir uns nicht. dann kann das nicht funktionieren. Was uns bis heute unterscheidet, ist Es kommt darauf an, den Aufbau Ost Nur die Eigenverantwor- die Praxis im Umgang mit der Industrie in als ein zentrales Thema auch des Westens tung kann dazu führen, dass man mit den der Zeit ab November 1989. Es wurden und nicht nur des Ostens zu begreifen. Problemen fertig wird. keine ausreichenden Anreize für die in- Dieser Aufgabe haben wir uns neu zu stel- dustrielle Ansiedlung durch langfristige len,auch intellektuell.Wir können die Ent- Perspektiven, durch bessere Gewinnchan- scheidungsfähigkeit in unserer Republik cen gegeben. Man hatte die Hoffnung, Ab- dadurch stärken, dass wir die Verfassung schreibungen und Zuschüsse könnten ein zwar nicht ändern, sie aber besser prakti- Ersatz sein für fehlende langfristige Per- zieren. Ich denke, Roman Herzog wird da- spektiven hinsichtlich besserer Erträge. zu anschließend auch noch einiges aus- Wir haben heute in Ostdeutschland führen. Bundesverband deutscher Banken 54 55 „Man müsste es nur anfangen und nicht wieder jahrelang in Kommissionen diskutieren.“ Von der Erkenntnis zur Umsetzung: Die politischen Reformen anpacken!

PROF. DR. ROMAN HERZOG, Bundespräsident a.D., München

Meine verehrten Damen und Herren! Die Unterscheidung zwischen der Er- kenntnis und der Umsetzung, die dem Thema meines heutigen Vortrags zugrunde liegt, stammt aus der „Adlon-Rede“ oder „Ruck-Rede“, die ich vor jetzt fünfeinhalb Jahren ge- halten habe. Ich habe damals gesagt:Wir haben kein Erkenntnisproblem, die Aufgaben liegen eigentlich vor der Tür, sondern wir haben das Problem der Umsetzung. Wenn ich mir die letzten Wochen, um nicht zu sagen: die letzten Monate in unse- rem Lande ansehe, dann habe ich das Gefühl, dass dazwischen doch noch etwas nötig ist.Wenn man die Probleme direkt vor der eigenen Tür liegen sieht, ist es günstig, sich ein doch etwas konkreteres und möglicherweise vom Üblichen, von der herrschenden Lehre abweichendes Problemverständnis zuzulegen, sich einige Grundideen anzueig- nen,von denen aus man zunächst einmal die notwendigen Reformen konzipieren kann. Das hat meistens auch noch den angenehmen Vorteil,dass der Hörer und später das Ob- jekt von Reformentscheidungen einigermaßen weiß, wohin die Reformen gehen sollen, möglicherweise auch, bis zu welchem Grad sie gehen sollen. Wir haben im Augenblick eine Situation, in der man nur weiß, dass sehr vieles ver- fahren ist,dass vieles geändert werden muss,aber aus lauter Angst vor den Wählern,den Medien und sonstigen politischen Größen unseres Landes wird immer nur in ganz klei- nen Schritten vorgegangen. Das wird als Reform ausgegeben. Drei Wochen später sieht man, dass die nächste Reform eigentlich schon kommen muss. Es geht also darum, längerfristige, ja sogar grundsätzlichere Strukturen unserer Pro- bleme und vor allen Dingen Möglichkeiten ihrer Lösung oder zumindest ihrer Minde- rung aufzuzeigen. Ich halte das für ganz entschieden wichtig, weil es in unserem Volk – davon bin ich überzeugt – immer noch starke Kräfte gibt, die zu Opfern bereit sind, die auch einsehen, dass unsere heutigen Schwierigkeiten ohne Opfer nicht bewältigt wer- den können, die aber nicht bereit sind – ich halte das für eine absolut richtige mensch- liche Verhaltensweise –, Opfer hinzunehmen, ohne zu wissen, wann das nächste Opfer kommt, in welche Richtung die Opferentwicklung geht, wen es treffen soll, wen es ir- gendwann später treffen soll. Solange diese Sicherheit nicht jedenfalls vorhersehbar für einige Jahre – für fünf, sechs Jahre – gegeben ist, werden wir auch unsere Mitbürger nicht zur Hinnahme wirk- licher Opfer und wirklicher Lasten bringen können. Ich möchte die Dinge an drei Beispielen, die Sie alle kennen und zu denen ich von mir aus gesehen eigentlich nichts wirklich Neues berichten kann, darstellen: erstens

Bundesverband deutscher Banken 56 57 VON DER ERKENNTNIS ZUR UMSETZUNG: DIE POLITISCHEN REFORMEN ANPACKEN!

hinsichtlich des Umgangs unseres Staates unsere Wirtschaft gestaltungsfreier, risi- mit unserer Wirtschaft, zweitens hinsicht- kofreier zu stellen? lich der Bildungspolitik und drittens hin- Es gibt seit Jahren die Klagen aus der sichtlich der Gesundheitspolitik. Wirtschaft, die sich zum einen auf die Be- Wenn wir an die Wirtschaft denken, lastung mit Steuern und Abgaben bezie- Warum wird immer nur dann wissen wir,dass die Wirtschaft im Au- hen – darüber will ich nicht sprechen –, über das fehlende Geld genblick nicht florieren kann, weil sie von aber zum anderen auch auf die Unmenge gejammert? allen Seiten eingeschnürt und zurückge- von Rechtsvorschriften, von Genehmi- drängt wird. Wir alle kennen die Diskus- gungsvorbehalten, von Berichtspflichten, sion um die finanzielle Seite der Medaille, von Anzeigepflichten, von Statistikbelas- also um die Frage:Wie groß darf der Anteil tungen usw.Das belastet die Wirtschaft zu- des öffentlichen Sektors am Bruttosozial- sätzlich.Ich stelle mir allen Ernstes die Fra- produkt, des Sektors, der durch staatliche ge:Warum wird immer nur über das feh- Maßnahmen umverteilt oder gestaltet lende Geld gejammert? Wenn das eine nur wird, überhaupt sein? Ich will das heute in ganz geringen Margen bewegt werden nicht weiter ansprechen, weil ich davon kann, warum packt man das andere nicht ausgehe, dass darüber bereits diskutiert an? Ich will auch hier sagen, was ich seit wurde. vielen Jahren erkläre: Diese so genannte Natürlich kann im Augenblick auf Normenflut, die nicht nur unser privates dem Gebiet der Steuertarifgesetzgebung Leben, sondern vor allem unser wirt- nicht sehr viel geschehen, es sei denn, schaftliches Leben aufs Äußerste ein- man nähme ganz große Risiken auf sich. schnürt, kommt nicht aus dem, was ich Mich wundert Folgendes, meine Damen ironisch gern den „furor legislativus ger- und Herren: Bei der Frage nach der Höhe manicus“ nenne, den deutschen Rege- des öffentlichen Sektors geht es in letzter lungswahnsinn. Es gibt ganz wenige Vor- Instanz nicht um das Geld,sondern um die schriften, die einfach aus Beamten-,Abge- Frage,wie viel Gestaltungsfreiheit,wie viel ordneten- oder Ministerwillkür konzipiert Entscheidungsfreiheit der Wirtschaft, werden. Es geht vielmehr um lauter Vor- ihren Repräsentanten, den Unternehmern schriften, hinter denen eine vernünftige und den Unternehmen, übrig bleibt. Überlegung steckt. Wie gesagt: Die finanzielle Seite wer- Aber wir wissen schon aus dem pri- de ich nicht ansprechen.Ich werde einfach vaten Leben: Nicht alles, was gut gemeint die Frage stellen: Wenn man sieht oder ist, ist auch gut.Wir wissen, dass Vernunft glaubt, dass im Augenblick die finanzielle Unsinn werden kann und Wohltat Plage. Seite nicht wirklich bewegt werden kann, Aus Tausenden von gut gemeinten und im gibt es dann keine anderen Möglichkeiten, Übrigen für sich gesehen durchaus PROF. DR. ROMAN HERZOG

vernünftigen Vorschriften wird in der Anzeigepflichten irgendeines Wirtschafts- Summierung Unsinn und Strangulierung unternehmens gegenüber den Behörden unserer wirtschaftlichen und auch von ge- gesprochen. Ich habe von den Statistik- sellschaftlichen Abläufen. Um die Sum- pflichten gesprochen, von denen manche mierung geht es. vernünftig sind, während die meisten ein- Ich frage mich im Ernst:Warum geht fach nur aus einem Vollständigkeitswahn eine Regierung, statt Kommissionen ein- von Ministerien, Verbänden, Parlaments- zusetzen – es gibt im Übrigen Kommissio- ausschüssen usw. resultieren. nen, die sich mit diesen Fragen schon be- Sie haben in den letzten Tagen die fasst haben –, nicht hin und sagt:Wir strei- Stellungnahme des Statistischen Bundes- chen jetzt – ich will ja nicht übermäßige amts und der Statistikämter der Länder Ansprüche anmelden – 20 Prozent aller gehört, die behaupten, auf diese Weise Vorschriften, die unsere Wirtschaft stran- würden in Deutschland jährlich 100 Mil- gulieren? lionen Euro zum Fenster hinausgeworfen. Dann geht es um die Frage der Aus- Ich kann die Zahl nicht bestätigen. Ich Aus Tausenden von gut gemeinten Vorschriften wahl. Weil die Irrationalität unserer Nor- wundere mich auch, warum die Statis- wird in der Summierung menflut nicht aus der einzelnen Vorschrift tikämter nicht früher darauf hingewiesen Unsinn und Strangulie- rung. kommt, sondern aus der Summierung, haben. Man könnte einmal ein Bündel da- glaube ich nicht, dass man rational einzel- von abschaffen, selbst wenn einige Statis- ne Vorschriften streichen kann. Man muss tikverwalter, also solche, die irgendwann Blöcke streichen und erklären:Wir schau- einmal in einem Parlamentsbeschluss auf- en einmal, ob es ohne diese ganzen Vor- genommen haben,dass darüber jedes Jahr schriften geht, auch unter Inkaufnahme unter Beilage von 17 Statistiken Bericht er- des Risikos, dass man die eine oder ande- stattet werden muss,darüber gemütskrank re Vorschrift, die sich doch als wichtig er- werden.Wir müssten das hinnehmen. weist,wieder in Kraft setzen muss,was re- Ich sehe hier Herrn Professor Baring, lativ rasch möglich ist. Ich bin nicht ver- dem jetzt immer entgegengehalten wird, liebt in den Ausdruck „Ruck“, aber ohne er habe dazu aufgerufen, „Auf die Barrika- einen Ruck geht es in dem Zusammen- den!“ zu gehen, noch dazu in einer so re- hang nicht. volutionären Zeitung wie der „Frankfurter Ich will noch ein paar andere Bei- Allgemeinen Zeitung“.Dazu bin ich vorhin spiele erwähnen. Die Verwaltungsverfah- vom Fernsehen befragt worden. Ich habe ren, die wir unserer Wirtschaft – im Übri- gesagt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass gen nicht nur der Wirtschaft – antun, spie- Herr Baring nicht weiß, wie das in len ja genauso eine riesige Rolle. Ich habe Deutschland laufen würde. Um auf eine vorhin von der unendlichen Menge von Barrikade zu steigen, muss man eine

Bundesverband deutscher Banken 58 59 CHANCEN UND GRENZEN DER NATION

Barrikade bauen. Dazu bedarf es in eines Handwerksmeisters oder eines mit- Deutschland mindestens fünf oder sechs telständischen Unternehmens ist das sehr Genehmigungen; da gibt es gar keinen wohl möglich. Zweifel.Wenn Sie die letzte Genehmigung Wir beklagen uns mit Recht über die haben, sind acht oder zehn Monate ins unendlich vielen Mitspracherechte, die es Warum spricht niemand Land gegangen, meine Damen und Her- in solchen Verfahren gibt: Da muss diese über eine wirkliche Ver- ren! Auf die Barrikaden bringen Sie uns auf Behörde noch angehört werden, die Ge- waltungsreform bei uns? diese Art und Weise nicht, Herr Baring. meinde muss noch angehört werden, je- Warum machen wir das alles? Es ist ner Verband muss noch angehört werden. natürlich in vielen Fällen durchaus not- Diese können beliebig lange mit der Ab- wendig, bevor man eine Produktion oder gabe ihrer Stellungnahme warten und da- eine sonstige ökonomische Maßnahme mit sogar eine Verhinderungsstrategie be- zulässt, vorher zu prüfen, ob alles in Ord- treiben. Warum sagt man nicht: Wenn ihr nung ist und davon keine Gefahren ausge- euch innerhalb von vier Wochen nicht hen. Man könnte aber durchaus einen re- meldet, gilt eure Zustimmung als erteilt? levanten Prozentsatz dieser Genehmi- Das ist doch eine ganz einfache Sache. gungsvorbehalte aus den Gesetzen strei- Dort, wo schwierige Probleme auftreten, chen oder zumindest mehr von dem ist die Ausfilterung sofort möglich. Dort, praktizieren,was es in einzelnen Gesetzen wo die Ausfilterung nicht stattfindet, weil schon gibt,nämlich indem man sagt:Wenn die betreffenden Anhörungsberechtigten innerhalb von vier Wochen oder innerhalb sich nicht melden, ist der Schluss zu zie- von sechs Wochen die Genehmigung hen, dass keine Gefahr von dem Projekt nicht abgelehnt wird, gilt sie als erteilt. ausgeht. Sowohl eine Reduzierung der Das gibt es ja schon vereinzelt.Dies hat so- exekutiven Mitspracherechte als auch ei- gar im Baurecht Eingang gefunden, ob- ne Abkürzung durch Fristsetzung in Ver- wohl man gemeint hat, dann würden He- fahren können durchaus hingenommen katomben von Familien unter dem Schutt werden, jedenfalls in vielen Verwaltungs- zusammenstürzender Häuser begraben.So bereichen,mit denen wir es zu tun haben, ist es natürlich nicht gekommen. vor allen Dingen in solchen,wo Neues ent- Man kann eine solche Genehmigung stehen soll. Das ist ja häufig die ganz ent- zumindest in vielen Fällen durchaus fin- scheidende Frage. gieren, wenn sie nicht binnen einer be- Ich stelle die Frage: Warum spricht stimmten Frist verweigert worden ist. Das niemand über eine wirkliche Verwal- gilt natürlich nicht bei der Errichtung ei- tungsreform bei uns? Ich gehe davon aus, nes Kernkraftwerks; das ist klar. Aber bei dass wir in eine Zeit hineingehen, in der dem normalen wirtschaftlichen Handeln bei sich immer rascher verändernder PROF. DR. ROMAN HERZOG

Gesellschaft und sich immer rascher ver- dem Staatssekretär einfällt, das für richtig ändernder Wirtschaft auch immer rascher zu halten,ist eine offene Frage.Umgekehrt staatliche Reaktionen notwendig sind. gilt: So ein politischer Input von oben Man kann das als Reformen bezeichnen kann nach diesem Maßstab auch immer oder auch nicht. Das Wort Reformen ist weiter versickern, sodass am Schluss ein mittlerweile so disqualifiziert, dass ich es nichts sagender Bescheid herauskommt. ungern in den Mund nehme.Es kommt un- Meine Damen und Herren, warum ter Umständen auf ein rasches Reagieren packen wir das nicht einmal an? In der im positiven wie im negativen Sinne an. Verwaltungs- und in der Organisations- Jetzt mache ich Ihnen eine Rechnung wissenschaft weiß man seit Jahren, dass auf, die ich heute auch nicht zum ersten wir flachere Behördenorganisationen Mal verkaufe. Ich gehe davon aus, dass brauchen,selbst wenn dabei die eine oder der durchschnittliche deutsche Beamte fif- andere Beförderungsstelle für Beamte ty/fifty zur Reform bzw. zur Nichtreform wegfällt. Das könnte man ja auch anders neigt. Ich glaube, dass das eine sehr be- regeln.Warum gehen wir nicht auf Minis- amtenfreundliche Deutung ist;aber lassen terien zu, die aus drei statt aus sechs In- wir das einmal. Einem Referenten im Mi- stanzen bestehen? Das kostet kein Geld. nisterium fällt ein Problem auf und er hat Das könnte man alles regeln, aber man tut eine Problemlösung.Es besteht eine Wahr- es nicht. scheinlichkeit von 50 Prozent,dass das ge- Ich will nur noch ein ganz einfaches Das Wort Reformen ist mittlerweile so disquali- schieht.Er muss aber seinen Referatsleiter Beispiel anführen, weil ich gehört habe, fiziert, dass ich es dazu bringen, das weiter nach oben zu ge- dass hier heute Morgen bereits über Ver- ungern benutze. ben. Auch hier gilt die Regelung fifty/fifty, fassungsänderungen gesprochen wurde. also beträgt die Wahrscheinlichkeit nur Landauf, landab gibt es ein großes Weh- noch 25 Prozent. Beim Unterabteilungs- klagen über die Zustimmungsrechte des leiter ist es wieder fifty/fifty; damit sind Bundesrats. Es klagt immer die jeweilige wir schon bei 12,5 Prozent. Beim Abtei- Regierungsmehrheit. Das ist klar, weil lungsleiter ist man bei fifty/fifty schon bei meistens die Opposition die Mehrheit im 6,25 Prozent. Bundesrat besitzt. Man fühlt sich behin- Das bedeutet keine sehr große Re- dert.Es ist für die Opposition genauso hin- formneigung, meine Damen und Herren, derlich, wenn sie immer Kompromisse auch in Punkten, bei denen es gar nicht eingehen muss. Man sagt: Das ist eben so. um ideologisch bestimmte Reformen Als das Grundgesetz in Kraft gesetzt geht, sondern einfach um das Reagieren wurde,hat man damit gerechnet,dass etwa auf vorhandene Chancen oder vorhande- 10 Prozent aller Bundesgesetze Zustim- ne Bedrohungen.Ob es dem Minister oder mungsgesetze sind, also der Zustimmung

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des Bundesrats bedürfen. Heute liegt die einen Mann damit beschäftigen, alle diese Zustimmungsquote bei etwa 60 Prozent. kleinen Vorschriften aus den Gesetzent- Es gibt im Wesentlichen nur zwei würfen herauszuixen, damit die Zustim- Gründe, warum ein Gesetz zustimmungs- mungsbedürftigkeit entfällt.Das hat offen- bedürftig ist: auf der einen Seite, wenn es sichtlich nicht funktioniert.Wenn die klei- um Geld geht. Bei den Steuern und Abga- nen Prügel nicht funktionieren, muss man ben ist völlig klar: Geld ist Macht, Geld ist die großen Prügel kommen lassen. Dann Verantwortung, Geld ist Gestaltungsmög- kann man ins Grundgesetz schreiben: lichkeit.Wenn wir uns einen Bundesstaat Dem Bund ist es verboten, solche Vor- leisten, muss das wirklich einvernehmlich schriften aufzunehmen. Dann gibt es kei- verteilt werden. ne Vorschriften mehr,die ein Riesengesetz Ich wäre sogar dafür, die Zustim- wegen eines einzigen Paragraphen zu- mungsrechte des Bundesrats in diesem stimmungsbedürftig machen. Darüber Punkt zu erweitern, wenn es, wie das in wird die jeweilige Opposition klagen,aber Die Länder wissen den letzten Jahren, und nicht erst in den irgendwann einmal müssen wir da durch; selber, was richtig ist. letzten vier Jahren, immer wieder passiert dann haben wir vielleicht noch 10 oder ist, eine ständige Verlagerung der Finanz- 15 Prozent zustimmungsbedürftige Geset- verantwortung von oben nach unten gibt. ze. Dann soll man nicht auf der einen Sei- Der größere Teil der Zustimmungsge- te von Blockade schreien und auf der an- setze kommt daher,dass an einigen Stellen deren Seite vom Verlust an föderaler Mit- im Grundgesetz steht: Wenn in einem entscheidungskompetenz. Man muss sich Bundesgesetz Behördenorganisation und entscheiden: Entweder lässt man alles Verwaltungsverfahren der Länder geregelt beim Alten – dann darf man nicht klagen – werden, ist das ganze Gesetz zustim- oder man will nicht mehr klagen müssen, mungsbedürftig. Dafür gibt es keinen dann muss man die Dinge ändern. Es geht Grund. Ich sehe überhaupt nicht ein, war- mit einem Federstrich, in diesem Falle um der Bund auf Behördenorganisation also des verfassungsändernden Gesetzge- und Verwaltungsverfahren der Länder Zu- bers. griff haben soll. Die Länder wissen selber, Ich komme zur Bildungspolitik. Da was richtig ist; sie sind auch nicht von der höre ich wieder: Es ist kein Geld für Bil- Dummheit geplagt, schon gar nicht von dung da, wir müssen dringend alle mögli- der verfahrens- und organisationsrechtli- chen Steuern einführen oder wieder ein- chen Dummheit. führen, damit Geld für Bildung da ist. Mei- Sowohl Bundeskanzler Helmut ne Damen und Herren, so wie unser Bil- Schmidt als auch Bundeskanzler Helmut dungswesen im Augenblick ist, würde ich Kohl haben einmal erklärt, sie würden keine müde Mark bzw. keinen müden PROF. DR. ROMAN HERZOG

Euro – genau genommen müsste man sa- es ihnen noch einmal zu erklären. Das gen: keine müden 50 Cent – in dieses Bil- ganz Einfache, was man das Nacharbeiten dungswesen stecken – vielleicht in die ei- in der Schule nennt, ist den Lehrern zu- ne oder andere Ganztagesgeschichte; dar- nehmend abhanden gekommen.Das ist ih- über lässt sich reden.Es ist schlicht falsch, nen weggenommen worden. dass die entscheidende fehlende Ressour- Infolgedessen zeigt sich jedenfalls für ce in unserem Bildungswesen das Geld ist. mich: Die entscheidende Ressource in un- Natürlich tut einem guten Bildungswesen serem Bildungswesen, die an erster Stelle Geld immer gut. Aber unser Bildungswe- steht, ist nicht das Geld – das natürlich sen krankt an ganz anderen Dingen. auch –, sondern die Zeit, die den Lehrern Die PISA-Studie, die ich weiß Gott und den Schülern zum Lernen und zum nicht verabsolutieren will – ich habe Verinnerlichen bleibt. Das gilt im Übrigen schon besser fundierte Studien gelesen –, auch für jeden Einzelnen bei seiner Le- sagt beispielsweise aus: Die Schüler kom- bensplanung hinsichtlich der Zeit, die er men aus der Schule und wissen gar nicht, für seine Ausbildung braucht und die im- was sie dort gehört haben. Sie lernen das mer länger wird, auch wenn er kein Faul- kleine Einmaleins und am Ende können pelz ist. sie es nicht. Oder sie lernen sonst irgend- Die Antwort kann eigentlich nur sein: etwas über Goethe, Schiller oder Wilhelm Wir müssen den Kindern in unseren Schu- Busch – das bleibe dahingestellt –,aber sie len nicht mehr beibringen, sondern weni- wissen es dann nicht mehr. Das kommt ger, das aber richtig. Das gilt auch für vie- Es ist schlicht falsch, dass die entscheidende doch nicht von der Dummheit der le andere Dinge in den Gymnasien und fehlende Ressource Schüler, das kommt auch nicht von der den weiterführenden Schulen, über die in unserem Bildungswe- sen das Geld ist. Ungeeignetheit der Lehrer, meine Damen ich hier nicht diskutiere. Wir müssen ih- und Herren. Im Prinzip kommt es daher, nen die Fähigkeit beibringen,selbstständig dass wir jetzt 30, 40 Jahre lang immer zu lernen. Es ist ein Missstand, dass an un- mehr in unsere Lehrpläne hineingepackt seren Universitäten im Grunde den Stu- haben. Die Folge ist, dass von den Lehrern denten nicht mehr zugemutet wird, die verlangt wird,den Schülern alles Mögliche Hälfte des Tages mit dem Selbststudium zu beizubringen, was unsere Eltern und verbringen.Wir haben die große Chance, Großeltern nie gehört haben, jedenfalls das unter Zuhilfenahme des Computers zu nicht in der Schule gelernt haben. tun. Es ist nicht entscheidend, ob in jeder Die Folge ist: Es fehlt die Zeit dafür, Schule ein Computer steht. Natürlich mit den Schülern das einmal Gelernte or- muss in jeder Schule ein Computer ste- dentlich einzuüben. Es fehlt die Zeit, die hen.Im Grunde sollte jeder Schüler seinen schwächeren Schüler nachzuziehen und eigenen PC haben. Aber wenn man ihm

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nicht beibringt, was er damit anfangen es lauter unbestimmte Rechtsbegriffe, die kann, außer sich mit Computerspielen zu jeder auslegt, wie er will, oder auch gar beschäftigen, dann hat die Sache keinen nicht auslegt. Man kommt auch nicht vo- Sinn. ran durch neue Gesetze und neue Verord- Wir reden ohnehin ständig vom le- nungen. benslangen Lernen,das uns,unsere Kinder Es gibt einen ganz einfachen Trick, und unsere Enkel begleiten wird. Wenn meine Damen und Herren: Man nehme das Leben sowieso aus lebenslangem Ler- bundes- oder meinetwegen auch landes- nen besteht – ich halte das für unver- einheitliche zentrale Prüfungen. Diese meidlich –, dann brauchen wir den armen steuern das Bildungswesen besser, zuver- Kindern doch nicht alles in den vier Jah- lässiger und auch wohldosierter, wenn ren Grundschule und in den acht oder man es gut macht, als das bisher der Fall neun Jahren Gymnasium einzutrichtern. ist. Dann ist die Gleichheit hergestellt, Dann tun wir gut daran, ihnen ein solides dann hört auch das ewige Geschrei auf, Wir brauchen landes- Grundwissen – im Übrigen auch ein bil- dass in dem einen Land das Abitur leichter einheitliche zentrale dungsmäßiges Grundwissen – und darü- zu erreichen ist als in dem anderen Land. Prüfungen. ber hinaus das Arbeiten beizubringen. Das kann man dann feststellen.Macht man Meine Damen und Herren, das alles es bundeseinheitlich, kann man es oh- geht natürlich auch nur unter der Voraus- nehin feststellen. Mir würde schon die setzung wieder wachsender Leistungsan- Landeseinheitlichkeit reichen, wie es sie forderungen.Wir wissen doch seit 20 Jah- seit eh und je in Bayern und in Baden- ren – ich wundere mich nur, warum man Württemberg gibt.Wenn jedes Land seine dazu eine PISA-Studie gebraucht hat –, Prüfungsfragen für eine bestimmte dass es mit den Leistungsanforderungen Schulart gedruckt auf den Tisch legen an unseren Schulen erstens ungenügend muss, braucht man nicht sehr viele Spe- und zweitens relativ ungleich in den ein- zialisten,um zu überprüfen,wo es leichter zelnen geografischen Gliederungen unse- oder wo es schwerer ist oder ob alle un- res Heimatlandes bestellt ist. gefähr auf demselben Niveau prüfen. Natürlich muss man auf eine beson- Anders wird es nicht gehen. Da gibt nene Weise vorgehen, natürlich auf eine es noch eine Menge zu tun, im Einzelfall humane Weise.Das Bimsen hat überhaupt eine Menge zu überlegen. Das Ganze keinen Sinn mehr in unserer Zeit. Forma- muss – das sage ich ausdrücklich – auf ei- le Neuerungen, wie ich sie jetzt schon ne humane Weise geschehen und so, dass wieder höre,dienen dazu nicht:neue Lehr- die weniger begüterten und die weniger pläne, neue Staatsverträge zwischen den gut ausgestatteten Schichten unseres Ländern. In letzteren steht vieles; da gibt Volkes die Chance des Klassenaufstiegs PROF. DR. ROMAN HERZOG

behalten oder noch stärker bekommen. ist das Gesundheitswesen. Da bestimmen Die begüterten Schichten und ihre törich- ein Arzt und ein Patient, was ausgegeben ten Kinder – soweit es törichte Kinder wird. Millionen von Patienten und Hun- sind – dürfen nicht vor dem Abstieg be- derttausende von Ärzten bestimmen, was wahrt werden,sondern da muss Butter bei ausgegeben wird. Das Ganze ist so etwas die Fische. wie die nach oben offene Richterskala in Man könnte das ohne weiteres tun. der Seismologie, nur mit dem Unter- Millionen von Patienten und Hunderttausende Man müsste es nur anfangen und dürfte es schied, dass man beim Erdbeben weiß, von Ärzten bestimmen, nicht wieder jahrelang in Kommissionen dass es auf der Richterskala nicht weit was ausgegeben wird. und sonstigen Gremien diskutieren. Es über 10 hinausgehen kann. Beim Gesund- ließe sich schon anpacken, selbst wenn heitswesen ist auch das nicht garantiert. nicht alles auf Anhieb ideal wird. Das ist Meine Damen und Herren, das kann überhaupt kein Argument, denn das, was auf die Dauer kein Zustand sein. Ich lasse wir im Augenblick haben, ist ganz be- alle Belastungen für die Wirtschaft weg, stimmt nicht ideal. ich lasse alle Belastungen für die Privat- Lassen Sie mich ein letztes Beispiel haushalte weg, ich lasse alle sonstigen bringen, die Gesundheitspolitik. Norma- Überlegungen, die man in dieser Hinsicht lerweise ist es im menschlichen Leben anstellen kann, beiseite – allein schon we- so – ich weiß nicht, ob Ihnen das aufge- gen des soeben Geschilderten geht es fallen ist –: Wenn jemand etwas werden nicht. Es war deswegen ganz konsequent, oder etwas schaffen will,dann fragt er,was dass in den letzten Jahren versucht wor- das voraussichtlich kosten wird, ob er das den ist, eine Deckelung herbeizuführen. Geld dafür hat, ob er dafür Kredite auf- Dass sie im Einzelnen nicht funktioniert nehmen oder vielleicht ein oder zwei Jah- hat, mag sein; das gebe ich gern zu. re Geld zusammenlegen muss, um es sich Wenn das so ist, dann gibt es nur dann leisten zu können. Das heißt, man zwei Möglichkeiten, idealtypisch gespro- überlegt, was finanziell geht, dann wird chen: Entweder müssen wir uns dazu be- entschieden, was gemacht wird, in wel- quemen, zu sagen, bei den ganz großen chem Umfang und in welcher Qualität es und teuren medizinischen Leistungen gemacht wird. So machen wir es, wenn wird irgendwo ein Strich gezogen. Das wir einen Schrank kaufen, so machen wir möchte ich unter gar keinen Umständen – es, wenn wir ein Haus bauen, so macht es das will ich auch ganz deutlich sagen –, jeder Unternehmer, so macht es sogar der denn das führt dazu, dass beispielsweise Staat mit seinem Staatshaushalt. bei einem 76-jährigen Herzpatienten die Es gibt,soweit ich das sehe,einen ein- komplizierte und teure Operation noch zigen Bereich, in dem das anders ist: Das vorgenommen wird,bei einem 82-jährigen

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Patienten nicht. Wer möchte auf dieser mir niemand bestreiten können. Dass das Rampe stehen? alles sehr schwer zu konkretisieren ist, ist Oder wir müssen am anderen Ende eine Selbstverständlichkeit. Ich frage der Fahnenstange ansetzen. Wenn man mich: Warum starren wir immer wie das eingeladen ist, kommt man gelegentlich Kaninchen auf die Schlange? Warum ver- auch in Bäder.Ich war einmal Innenminis- suchen wir es nicht einfach einmal, zu- ter und bin daher schon an dem interes- mindest gedanklich? Das ist eigentlich das siert, was sich in den Bädern in den Käst- Schlimmste,was wir im Augenblick haben: chen befindet.Wenn man sieht, wie viele diese Denkverbote. Da sitzt irgendwo in Medikamente dort zu finden sind, fragt einer Verbandsbürokratie einer, der sagt: man sich, ob das alles nötig ist und ob es, Aha, jetzt will die Regierung die Lösung A falls es nötig sein sollte, gesund ist, dass herbeiführen. Wenn aber die Lösung A die Leute das zu sich nehmen. kommt, könnte daraus B entstehen.Wenn Dann muss man eben am anderen En- B erst da ist, könnte daraus C entstehen. de der Fahnenstange etwas tun, bei der Wenn C da ist, kann D entstehen. D will „luxuriösen Normalausstattung“,wenn Sie ich um gar keinen Preis, also muss ich mir diesen Begriff abnehmen. Das wird schon A bekämpfen. Das ist eigentlich das natürlich einen großen Ärger geben. Die So geschieht es, statt dass man sagt: Schlimmste, was wir Pillenindustrie wird nicht glücklich darü- Jetzt sehen wir einmal, wie sich das ent- im Augenblick haben: diese Denkverbote. ber sein.Die meisten Ärzte bekommen auf wickelt. Man muss nicht immer schon im diese Weise auch weniger Krankenschei- Vorfeld die großen Kriegsschauplätze ne; das muss man auch zugeben. eröffnen. Es wird nur eines von beiden gehen. Das sind die Denkverbote,die bei uns Natürlich kann man auf jeder Komple- von Verbänden kommen, die aus politi- xitätsebene das eine oder andere strei- schen Ideologien kommen, auch von der chen. Es wird nur dadurch gehen, dass Angst der Menschen vor dem Neuen. Ich man sagt: Diese und jene Leistungen gibt stelle die Frage: Warum fangen wir nicht es noch, andere nicht mehr. Man muss wenigstens versuchsweise zu denken an? oben oder unten oder auf andere Weise Von einem Ruck rede ich ja gar nicht eingreifen. mehr, aber das Denken kann doch nicht Die Richtigkeit dieser Betrachtung wird verboten sein. !

Bundesverband deutscher Banken 66 67 „Die Menschen müssen erwarten können, dass ihnen gesagt wird, wohin die Reise gehen soll.“ Diskussion

Moderation: PROF. DR. H.C. JOACHIM FEST, Publizist, Kronberg/Taunus Einleitende Statements: NINA HAUER (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin HILDEGARD MÜLLER (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin ALEXANDER BONDE (B’90/Die Grünen), Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin DANIEL BAHR (FDP), Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin

Prof. Dr. h.c. Joachim Fest: Herr Herzog, ich danke Ihnen sehr, sicherlich im Na- men aller hier Anwesenden. Ich danke zumal dafür, dass Sie das Spektrum unserer Dis- kussion, die jetzt beginnen soll, sehr erweitert haben. Wir haben heute Vormittag vor allem über wirtschafts- und sozialpolitische Fragen diskutiert, die sich im Laufe der letz- ten Wochen und Monate, vielleicht sogar im Laufe der letzten Jahre ergeben haben. Sie haben, wie ich finde, mit Recht darauf hingewiesen, dass die Thematik,mit der wir es zu tun haben, sehr viel umfassender ist. Ich hoffe, dass einiges davon auch in der Diskussion ein Echo findet. Die Diskussion wird eingeleitet mit kurzen Statements von vier jungen Bundes- tagsabgeordneten,die nicht für ihre Partei,sondern für sich selber sprechen.Es sind:Frau Nina Hauer,SPD, Frau Hildegard Müller,CDU, Herr Daniel Bahr,FDP,und Herr Alexander Bonde, B’90/Die Grünen. Nina Hauer: Verehrte Damen und Herren! Lieber Herr Herzog,Ihre Rede war nicht unheikel, denn Sie haben hier vor einem Publikum gesprochen, das mit einem nicht unerheblichen Anteil am Entstehen der vielen Bürokratie, der vielen Gesetze beteiligt war. Fast alle,die hier sitzen,kennen aus ihrer persönlichen Perspektive die Tätigkeit für Interessengruppen, für das, was man sich selber als Bürgerin oder Bürger wünscht, ken- nen die Zwänge, unter denen Politiker stehen, was in der Summe dazu führt, dass un- sere Gesetzgebung so bürokratisch ist, und wissen, dass vieles von dem, was wir tag- täglich in den Behörden erleben, bewirkt, dass die Dinge eher blockiert denn vorange- trieben werden. Der Titel dieser Veranstaltung:„Deutschland im Aufbruch?“ soll ja eigentlich das Ge- genteil suggerieren.Ich möchte an das anknüpfen,was Sie,Herr Herzog,in Ihrer berühm- ten „Ruck-Rede“ gesagt haben:Wir haben in Deutschland kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.Wenn ich mir die Entwicklung der letzten Wochen anschaue, ha- be ich den Eindruck: Mittlerweile sind wir wieder beim Erkenntnisproblem angelangt. Die neue Bundesregierung sieht sich der Notwendigkeit gegenüber, sich der Frage zu stellen, ob alle Probleme, die es derzeit in Deutschland gibt, schon vor der Wahl

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bestanden haben und ob man darauf hin- haben, was ihre Lobbyarbeit angeht. Wir gewiesen hat. Das war natürlich der Fall. haben aber nicht den Mut, die Frage an- Wir sind uns alle einig, unabhängig zusprechen, welche Voraussetzungen ge- von der Parteizugehörigkeit,dass es einige geben sein müssen,damit wir für die Men- Bereiche gibt, in denen wir dringend, mu- schen in unserem Lande ein Gesundheits- tig und mit größeren Schritten als bisher, system haben, das alle bezahlen können Reformen wagen müssen. Die Tatsache, und das so funktioniert,dass das Heilen im dass im politischen Alltagsgeschäft jetzt so Vordergrund steht und nicht der Geld- getan wird,als sei das gar nicht der Fall,als beutel. sei es völlig neu, dass unser Staat über- Es ist natürlich richtig, dass die Poli- schuldet ist, dass unsere sozialen Siche- tik auch externen Sachverstand hinzu- rungssysteme veraltet sind, ist ein Teil des zieht. Ich weiß, dass es tagesaktuell ist, Problems. Kommissionen zu kritisieren. Ich halte es Wir haben uns im Hinblick auf die aber für waghalsig, Kritik zu üben, wenn Staatsverschuldung ehrlich der Frage zu Politiker die Chance nutzen, Erfahrungen stellen, in welchen Zeiträumen die Regie- und Wissen aus anderen Bereichen zu nut- rung denken darf. Haben wir nicht die zen und das weitere Vorgehen zu beraten. Pflicht,eine Verteilung nicht nur zwischen Ich finde,es ist in unserem Lande ein Fort- oben und unten vorzunehmen, sondern schritt, dass die Entscheidung nicht allein auch zwischen den Generationen? Das ist, dem Beamtenapparat und dem Politiker, wenn man sich das Rentensystem an- der jede Legislaturperiode neu zur Wahl schaut, eine Aufgabe, die nicht ohne wei- steht, überlassen bleibt, sondern dass man teres zu bewältigen sein wird. Die ent- sich des externen Sachverstands bedient. sprechende Debatte wird zwar derzeit in Keine Regierung und keine Partei Es ist richtig, dass die der Öffentlichkeit geführt, aber ich kann hätte ein so mutiges Konzept wie das der Politik auch externen Sachverstand hinzu- nicht erkennen, dass es einen entspre- Hartz-Kommission vorgefunden,wenn wir zieht. chenden politischen Meinungsstreit gibt. die Erarbeitung von Vorschlägen allein Ich kann nicht erkennen, dass von der ei- dem politischen Geschäft überlassen hät- nen oder der anderen Seite ein Vorschlag ten. gemacht wird.Das ist ein Problem,das wir Wir sollten über die mittlerweile ein- auch bei der Auseinandersetzung in unse- getretene Entwicklung froh sein. Wir ha- rem politischen System haben. ben seit heute eine neue Gruppe von Ex- Dasselbe gilt für das Gesundheitssys- perten.Ich denke,auch diese Kommission tem. Es gibt eine Reihe von Interessenver- wird nicht länger als ein Jahr benötigen – bänden, die sich sehr intelligent und auch die Hartz-Kommission hat ja auch nicht mit sehr großer Vehemenz etabliert lange getagt – um einen Vorschlag zu unterbreiten, wie wir vorgehen können, dass die Regierung endlich Verantwortung um unsere sozialen Sicherungssysteme zu für ihr eigenes Handeln übernehmen und retten. Dafür brauchen wir das Parlament nicht immer nur auf die Vergangenheit als Ort des Austauschs von politischen verweisen sollte. Wir verstehen Opposi- Konzepten, dafür brauchen wir auch die tion so, stärker eigene Konzepte zu ent- Medien zur Darstellung der unterschiedli- wickeln. Wir werden bei jedem Gesetz- chen Meinungen. Wir benötigen den entwurf von Rot-Grün Alternativen vor- Ideenwettbewerb aller Institutionen, die stellen und deutlich machen,dass auch an- in diese Problematik involviert sind. dere Wege gegangen werden können. Hildegard Müller: Die hohen Erwar- Wir haben heute Morgen sehr ein- Die Verkrustungen sind tungen an diese Runde sind mir im Verlauf dringlich, wie ich finde, geschildert be- in den letzten 20 Jah- ren nicht geringer der Mittagspause noch einmal sehr deut- kommen, dass gerade auch Sozialdemo- geworden. lich geworden,als uns viele freundlich auf kraten in Schweden und in den Nieder- die Schulter klopften und meinten, man landen bereit und fähig waren, starke Re- sollte jetzt doch konkret werden.Anknüp- formen durchzuführen und mitzutragen. fend an das, was Nina Hauer gesagt hat, Es hat dort Reformkoalitionen gegeben, möchte ich darauf hinweisen,dass die Ver- die mit dem, was zurzeit in Deutschland krustungen in den letzten 20 Jahren nicht geschieht, nicht vergleichbar sind. geringer geworden sind. Nichtsdestotrotz Ich stelle die Frage, ob die jetzige Re- stellen sich die vier Vortragenden, die in gierung strukturell gesehen fähig ist, sol- den Bundestag gegangen sind, der Aufga- che Reformen durchzuführen. Wenn im be,den Versuch zu starten,dass etwas bes- Vorfeld der Wahl nicht so eindeutig falsche ser wird. Zahlen genannt worden wären, wäre das Zur Situation in meiner Partei möch- Vorschaltgesetz zum Gesundheitswesen te ich nur kurz sagen, vielleicht etwas nicht innerhalb von einer Woche durch überhöht: Wir haben ein Menschenrecht den Bundestag gepeitscht worden. Man auf einen Neuanfang.Zum einen war in 16 hätte konkreter an vernünftigen Lösungen Jahren Regierungszeit von Helmut Kohl zur Erreichung der Beitragssatzstabilität nicht alles falsch. In dieser Zeit sind sehr arbeiten können.Was hier passiert, ist das viele richtige Punkte beschlossen worden. Gegenteil von langfristigen Überlegungen. Am Ende sind wir dafür abgewählt wor- Herr Peters stellte heute Vormittag den, dass wir uns in der Regierungsver- die Frage, warum in Deutschland die Teil- antwortung nicht ausreichend erneuert zeitarbeit nicht durchdringt. Er hat in die- haben. sem Zusammenhang einen Punkt nicht an- Aber wir sind mittlerweile im fünften gesprochen: die enge Koppelung unserer Jahr nach unserer Regierung. Ich finde, sozialen Sicherungssysteme mit der

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abhängigen Beschäftigung. Wer den Men- verdienstvoll es auch in der Vergangenheit schen nicht soziale Sicherung verschafft, war. Es lässt sich nicht rekonstruieren. kann nicht erwarten, dass sie ihre Vollzeit- Das Hochhalten der paritätischen Fi- beschäftigung in eine Teilzeitbeschäfti- nanzierung in unserem Lande verstehe ich gung umwandeln. nach wie vor nicht. Der Arbeitgeberanteil Wir erleben in dieser Republik mei- ist genauso wie der Arbeitnehmeranteil ner Meinung nach zurzeit an drei Achsen letztlich Lohnbestandteil und eine Ausga- eine Veränderung.Damit meine ich die Be- be des Arbeitgebers. deutung der Familie, des Eigentums und Herr Herzog hat richtigerweise das des Mittelstands. Ich halte das, was hier Gesundheitssystem angesprochen. Wenn geschieht, für geplant. Ich habe andere unser Land so stark altert, wie es der Fall Vorstellungen.Ich will die Familie,die Ver- ist,besteht die Notwendigkeit,massive Re- antwortung übernimmt. Ich meine, dass formen im System durchzuführen. Wenn ein Staat die Bildung von Eigentum för- das Land so stark altert,werden die Kosten dern muss. Dass in diesem Jahr im Mittel- für Gesundheit und Pflege weiter steigen. Es geht um die Frage: stand 300 000 Arbeitsplätze verloren ge- Wir müssen dringend überlegen, wie die mehr Verantwortung hen, bedeutet eine Strukturveränderung Eigenverantwortung hier gestärkt werden oder mehr Vergesell- schaftung? in unserem Lande. kann. Meines Erachtens geht es um die Fra- Zur Ehrlichkeit gehört meines Erach- ge: mehr Verantwortung oder mehr Verge- tens auch, dass der Staat in Zukunft deut- sellschaftung? Ich glaube, mehr Verant- lich sagen muss, dass er nur noch die wortung ist der einzige Ausweg aus einem Grundversorgung sichern kann. Es stellt zentralen Problem,das ich gleich noch mit sich die Frage, wie wir es ermöglichen, vier konkreten Punkten ansprechen dass gerade Bezieher kleinerer Einkom- möchte, bei dem wir nicht länger eine Vo- men zusätzlich eine private Vorsorge auf- gel-Strauß-Politik betreiben dürfen. bauen können. Dem wird entgegengehal- Ich nenne zunächst die demographi- ten, das sei unsozial. Dazu sage ich: Sozial sche Verwerfung. Sie wird seit 20 Jahren ungerecht ist es, ein System vor die Wand besungen, aber letztlich wurde nicht viel fahren zu lassen;denn diejenigen,die dann konkret verändert. Zur Ehrlichkeit gehört im wahrsten Sinne des Wortes hinten her- auch die Aussage, dass das System der aus- unterfallen, sind gerade die Bezieher klei- schließlich paritätischen Finanzierung der ner Einkommen. Wer heute über andere sozialen Sicherungssysteme über die ab- Möglichkeiten verfügt, hat längst Alterna- hängige Beschäftigung gescheitert ist. Es tiven ergriffen und zusätzliche Versiche- wird wegen des Altersaufbaus unserer rungen im Gesundheits- und im Renten- Bevölkerung nicht wiederkommen, so bereich abgeschlossen. Aber viele Einkommensbezieher werden ein böses verehrten Damen und Herren! Im Verlauf Erwachen erleben, wenn absehbar die so- dieser Tagung sind bereits viele wichtige zialen Sicherungssysteme nicht weiter fi- Punkte angesprochen worden. Ich möch- nanziert werden können. te mich in meinem Statement schwer- Ein Land, dessen Bevölkerung immer punktmäßig auf die Frage der Generatio- älter wird, muss sich um seine Innova- nengerechtigkeit beschränken.Die beiden tionskraft sorgen. Ich glaube, das Zeitfens- Vorrednerinnen haben schon einige Punk- ter für Reformen ist kleiner, als wir alle te im Zusammenhang mit der Rente ange- denken. Es ist von zehn Jahren die Rede, sprochen. Die Diskussion über die Gene- bis 50 Prozent der Bevölkerung über 60 rationengerechtigkeit ist tagesaktuell. Wir Jahre alt sind. Angesichts der derzeitigen vier Parlamentarier in dieser Runde sind dramatischen wirtschaftlichen Entwick- uns als junge Abgeordnete in dieser Bezie- lung müssen wir darauf hinweisen, dass hung in unseren Positionen ein Stück wir viel weniger Zeit haben. näher, als das im Hinblick auf die gesamt- Wie kann eine Lösung aussehen? Der gesellschaftlichen Aspekte der Fall ist. Solidarausgleich in unserem Lande muss Große Teile dessen,was wir heute im neu organisiert werden. Meines Erachtens Bereich des Sozialen,aber auch im Bereich müssen alle Einkommensarten zu einem der Finanzen tun, entspricht nach wie vor gewissen Prozentsatz einbezogen werden. nicht dem, was ich als Generationenge- Das kann aber nicht bedeuten, dass wir rechtigkeit definieren würde,nämlich eine zur Lebensstandardsicherung zurückkeh- nachhaltige Finanzierung vorzusehen, die ren. Es kann hier nur um eine Grundsi- nicht auf Kosten der jüngeren Generation cherung gehen. geht. Wir müssen dringend mehr Geld in Ich bin seit wenigen Tagen Mitglied die Hände der Bürgerinnen und Bürger ge- des Haushaltsausschusses des Deutschen ben. Hier erinnere ich an die Steuerre- Bundestages. Ich habe als 27-Jähriger ein form. Die Möglichkeiten aus dem Ausland großes Problem, wenn ich sehe, dass etwa sind heute Morgen bereits beschrieben 60 Prozent der Ausgaben im Bundeshaus- worden. Ich erinnere daran, dass die Steu- halt vergangenheitsbezogen sind. Das erreform von Herrn Stoltenberg massive macht 42 Prozent unserer Ausgaben für Entlastungswirkungen gezeitigt und Kräf- die – im weitesten Sinne definiert – Al- te in der Wirtschaft freigesetzt hat. Es be- terssicherung aus. Jeder Euro ist in dieser Das Zeitfenster für Reformen ist kleiner, darf erneut dieser Kräfte, welche die Men- Hinsicht gerechtfertigt und beruht auf An- als wir alle denken. schen befähigen, die Verantwortung zu sprüchen; das will ich nicht bestreiten. übernehmen, die wir von ihnen fordern. 17 bis 18 Prozent geben wir für Zinszah- Alexander Bonde: Meine sehr lungen aus.Wir finanzieren damit Projekte,

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die ihre Wirkung bereits in der Vergan- in der Rentenversicherung zunehmend genheit entfaltet haben. Man kann sich bekommen, dass für 30 Jahre Erwerbsar- darüber streiten,wie viel der restlichen 40 beit eine vollständige Absicherung erfolgt. Prozent auf den Bereich der Investitionen Mathematisch funktioniert das nicht.Es ist entfallen. Diese Debatte möchte ich hier daher ein Gebot der Ehrlichkeit, dass man jetzt nicht führen. in Politik und Gesellschaft offen über die- Aus der Sicht der jungen Generation se Fragen diskutiert und thematisiert, was muss man deutlich sagen, dass die finan- die Entwicklung eigentlich bedeutet. zielle Bilanz für die junge Generation gra- Damit komme ich zu der Frage, wie vierende Folgen hat. Ich finde, dass wir als wir politisch mit solchen Dingen umge- Jüngere große Teile der älteren Generation hen.Wir erleben seit Jahrzehnten – dage- auf diesem Sektor in die Verantwortung gen sind der Kollege Bahr und ich als Mit- nehmen müssen. Gerade wir jungen Abge- glieder von kleinen Parteien eher gefeit als ordneten müssen dies tun. Insofern ist die Vertreter der großen Volksparteien –, manches, was ich in diesen Debatten hö- dass jedes Mal vor den Wahlen diejenige re,wohlfeil – entschuldigen Sie bitte den Volkspartei, die gerade nicht regiert, ihr Ausdruck –, aus der Position heraus for- Recht wahrnimmt, sich von den Mel- muliert, dass man seinen Teil des Kuchens deämtern die Adressen der Seniorinnen 60 Prozent der Aus- bereits fest in der Hand hat, dass fest ver- und Senioren geben zu lassen. Dann erle- gaben im Bundeshaus- briefte Ansprüche vorhanden sind, deren ben wir einen Rentenwahlkampf. Das ist halt sind vergangen- heitsbezogen. Durchsetzung innerhalb unseres Rechts- eine ungute Situation. systems, innerhalb unserer Tradition ge- Ich möchte noch eine tagesaktuelle währleistet ist. Die Rechte der jungen Ge- Schlussbemerkung machen. Man kann neration sind in solchen Debatten,wie wir Rot-Grün ja für vieles schelten; den einen sie heute zum Teil führen, mehr semanti- oder anderen Schuh ziehen wir uns auch sches Beiwerk. an.Man muss nach der Wahl aber auch ein Ich will das nicht weiter vertiefen, Stück Ehrlichkeit praktizieren, ob man sondern ein Stück weit als Provokation in sich nun in der Opposition befindet oder den Raum stellen. Das könnte man auch nicht. Bei vielem, was ich an Kritikpunkten noch an vielen anderen Punkten durchde- höre – auch im Rahmen dieser Tagung –, klinieren. ist ein Stück Unehrlichkeit im Spiel.Viele Wir müssen bei vielen Fragen auch derjenigen, die heute die Kürzungsvor- der sozialen Sicherung darüber reden,was schläge der Koalition kritisieren,sind noch die gegenwärtige und die zukünftige Si- vor wenigen Wochen mit dem Schlagwort tuation bedeutet,ob sich eine Gesellschaft „Subventionen abbauen!“ durch die Lande eine Situation erlauben kann, wie wir sie gezogen. Wenn sich Rot-Grün diese Liste vornimmt und Einsparvorschläge macht, allem die Verantwortung für manche gehen dieselben Leute auf die Barrikaden. Schritte wegzuschieben. Gleichwohl Ich finde, da ist mehr Ehrlichkeit gefor- möchte ich im Hinblick auf die gegenwär- dert. Als junger Abgeordneter muss man tige Situation festhalten, dass schnell die diese Ehrlichkeit einfordern. Frage auftauchen kann:Warum wählen wir Erlauben Sie mir abschließend fol- überhaupt noch? Warum gibt es im Wahl- gende Provokation:Wir können als Junge kampf einen Wettstreit der Ideen und Kon- nicht alles so stehen lassen, wie es in zepte, wenn nach der Wahl als erstes Mit- wohlfeilen Runden diskutiert wird. tel zur Lösung der drängendsten Probleme Daniel Bahr: Meine sehr verehrten der Sozialsysteme nicht etwa ein Konzept Es kann schnell die Frage auftauchen: Damen und Herren! Herr Herzog hat – vorgelegt wird,nicht eine Diskussion über Warum wählen wir wie ich finde: zu Recht – das Thema Re- dieses Konzept entsteht, sondern die Pro- überhaupt noch? form angesprochen und gesagt, dieser Be- blemlösung auf eine neue Kommission griff sei heutzutage disqualifiziert.Da kann verschoben wird? Ich frage mich, warum ich nur zustimmen. Ich habe den Ein- wir überhaupt noch ein Parlament druck, dass der Begriff Reform bei jedem wählen,wenn wir,die wir neu in den Bun- Thema als negativ wahrgenommen wird, destag gekommen sind, um dort mitzu- nämlich als nächste Steuererhöhung. wirken, feststellen müssen, dass immer Sie haben davon gesprochen, Herr mehr auf Kommissionen übertragen wird? Herzog, dass wir in Deutschland zuneh- Prof. Dr. h.c. Joachim Fest: Viel- mend ein Umsetzungsdefizit, aber kein Er- leicht beantworten Sie auch die Frage, kenntnisdefizit haben. Nina Hauer hat warum sich das Parlament dies gefallen dem widersprochen. Ich meine, in der po- lässt. litisch interessierten Mehrheit der Gesell- Daniel Bahr: Das frage ich mich schaft haben wir kein Erkenntnisdefizit, manchmal auch. Wir sind lautstark dage- sondern ein Umsetzungsdefizit. Vielleicht gen vorgegangen. Ich muss Alexander trifft das nicht auf jedes Regierungsmit- Bonde von den Grünen zustimmen: Die glied zu,aber grundsätzlich sind wir in der Grünen sind lautstark in die Medien ge- Gesellschaft wesentlich weiter,als uns das gangen und haben die Vorschläge kriti- manchmal von Politikern aller Parteien siert, woraufhin man den Auftrag an die weisgemacht wird. Kommission ein bisschen konkreter ge- Ich will gar nicht verhehlen, dass fasst hat. Kommissionen, Bündnisse für Arbeit auch Ich wünsche mir mehr Diskussionen schon in vorhergehenden Koalitionen gän- im Parlament. Auch da möchte ich eine gige Mittel waren,um eine Diskussion erst Kritik anbringen – das wurde vorhin auch einmal ein wenig wegzuschieben, vor von Hildegard Müller erwähnt –: Wer solche

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Gesetze in einer Woche durchpeitscht, Wettstreit der verschiedenen Ideen. Wir braucht sich nachher nicht zu wundern, benötigen eine Abgrenzung zwischen den dass manche handwerklichen Fehler vor- Parteien, damit deutlich wird, wo die Vi- handen sind. Die Diskussion über die Vor- sionen, die gesellschaftlichen Konzepte schläge war nicht ausführlich genug. Ich sind. bin Mitglied des Ausschusses für Gesund- Ich sage ein bisschen platt:Wenn wir heit und Soziale Sicherung. Was die Vor- eine gemeinsame Soße anrühren, die die schläge angeht, haben wir einen Parforce- Unterschiede verdeckt, wird das meiner ritt erlebt. Befürchtung nach eher Parteien nützen, Wie können wir es besser machen? die noch nicht im Bundestag sitzen und Wir müssen neu über Roland Berger hat heute Morgen vorge- an den Rändern der Gesellschaft agieren. den Begriff der Gerech- schlagen, das Verhältniswahlrecht abzu- Was wird inhaltlich zu tun sein? Ich tigkeit diskutieren. schaffen.Ministerpräsident Böhmer hat er- glaube, wir müssen neu über den Begriff klärt, er wünsche sich einen Politiker, der der Gerechtigkeit diskutieren. In der bis- einmal die unterschiedlichen gesellschaft- herigen Diskussion wird viel zu sehr da- lichen Interessen zusammenführt und die nach gefragt: Was können wir noch ver- Parteien an einen Tisch bringt, damit ge- meintlich Soziales für die Bedürftigen in meinsam ein Konsens gefunden werden der Gesellschaft tun? Wir vergessen, dass kann. Ich glaube, beide Vorschläge dienen häufig viele Maßnahmen unter dem Deck- der Sache nicht. Die Aufhebung des Ver- mantel der Gerechtigkeit ergriffen wer- hältniswahlrechts wäre vielleicht für die den, diese aber den wirklich Bedürftigen eine oder andere Partei eine gute Lösung, gar nicht zugute kommen. Sie sickern in- aber man muss sehen, dass auch die Par- nerhalb der Strukturen – Herr Herzog hat teien selbst von unterschiedlichen In- die Hierarchien erwähnt – gar nicht teressen geprägt sind.Wir sehen doch bei durch. Wir müssen – da hat Alexander Landesregierungen, die mit absoluter Bonde vollkommen Recht – den Begriff Mehrheit regieren,dass von ihnen der not- der Gerechtigkeit weiter fassen. Es geht wendige Ruck nicht kommen kann. Ich auch um die Gerechtigkeit unter den Gene- bin also skeptisch, ob das ein guter Weg rationen.Was nach heutiger Interpretation wäre,um die unterschiedlichen Interessen des Begriffs Gerechtigkeit gerecht sein zusammenzuführen. mag, beispielsweise für die Älteren in der Es gibt in der Gesellschaft den Gesellschaft, muss nicht unbedingt gene- großen Wunsch nach Konsens. Ich glaube rationengerecht sein. Die Diskussion über aber, diese Konsenssucht, dieses Konsens- die Gerechtigkeit unter den Generationen bedürfnis hemmt uns eher. Meiner Mei- muss wesentlich stärker forciert werden. nung nach brauchen wir viel mehr den Ich glaube, auch da ist die Gesellschaft schon wesentlich weiter, was die aktuelle wesentlich weiter.Vielleicht registriert das Diskussion zeigt.Ich denke,die Regierung der eine oder andere Politiker nicht. Heu- hat sich verkalkuliert mit ihrer Einschät- te ist die Erkenntnis vorhanden, dass wir zung:Wenn wir es hinsichtlich der Rente uns nicht mehr auf den Vollkaskostaat ver- bei den Älteren so belassen,wie es ist,und lassen können, dass wir uns insbesondere nur die junge Generation belasten, wird bei der Alterssicherung nicht nur auf die uns das gesellschaftlich gesehen die Mehr- Systeme verlassen dürfen, in die wir ein- heit bringen. Wir stellen fest, dass in der gezahlt haben, sondern dass wir wesent- gesamten Gesellschaft eine große Enttäu- lich mehr in Eigenverantwortung vorsor- schung über diese Politik vorhanden ist, gen müssen.Aber daraus muss die Politik weil kein Konzept erkennbar ist. auch die richtigen Konsequenzen ziehen. Vor ungefähr acht Jahren haben wir Ich spreche jetzt das Thema demo- Jungen Liberalen ein zweiseitiges Papier graphische Entwicklung an. Mich ärgert mit dem Titel: „Der Aufschrei der jungen die Diskussion über die Lebensarbeitszeit, Generation“ formuliert. Dort wurden kei- wie sie im Moment geführt wird.Wir sind ne großen Einschnitte formuliert,sondern uns einig:Wir haben in Deutschland eine es wurde lediglich festgestellt, dass von al- wesentlich zu geringe Lebensarbeitszeit. len Parteien eine Politik betrieben Ich finde, die Diskussion über die Frage, wurde – damals war die FDP in der Koali- ob das gesetzliche Renteneintrittsalter auf tion –, die zulasten der jungen Generation 67 oder auf 70 Jahre heraufgesetzt werden geht. Wir haben auf den Altersaufbau un- müsste, ist eine Stellvertreterdiskussion. serer Bevölkerung hingewiesen, den man Die viel spannendere Frage lautet: Wie ja nicht wegdiskutieren kann. Wir haben schaffen wir es, die Lebensarbeitszeit ins- deutlich gemacht,dass die Entwicklung ei- gesamt zu erhöhen,indem – wie das in an- Wir haben in Deutsch- land eine zu geringe nen solchen gesellschaftlichen Druck er- deren Ländern der Fall ist – wesentlich Lebensarbeitszeit. zeugen wird, dass frühzeitig Reformen an- früher in den Beruf eingestiegen wird? gepackt werden müssen. Hildegard Müller hat eben zu Recht ge- Daraufhin wurden wir vom damali- sagt: Uns geht die Innovationskraft verlo- gen Arbeitsminister Blüm und seinem SPD- ren, wenn es immer weniger junge Men- Kompagnon Dreßler als „sozialegoistische schen gibt. Die Innovationskraft geht uns Popper“ beschimpft, die sich nicht gesell- aber auch dadurch verloren, dass die jun- schaftspolitisch engagieren wollen, son- gen Menschen immer später in ihren Be- dern nur an ihre eigenen Interessen den- ruf eintreten.Wir brauchen ja 13 Jahre bis ken. Ich war darüber völlig erstaunt, weil zum Abitur.In Deutschland erfolgt die Ein- unser Ansinnen ja ein völlig anderes war. schulung durchschnittlich erst mit 6,9 Jah- Ich glaube, die heutige Diskussion ist ren. Es spielt auch noch eine Rolle, dass

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wir in Deutschland im Gegensatz zu vie- reformieren. Das wird die Zukunftsaufga- len anderen Staaten noch die Wehrpflicht be für die nächsten vier Jahre und auch haben. Zu erwähnen sind auch die langen darüber hinaus sein.Wir müssen die Inno- Ausbildungszeiten an den Universitäten vationskraft über alle Generationen hin- und Hochschulen. weg nutzen. Die Problemlösung kann nicht nur in Wim Kok: Die Quote der Beschäftig- der Heraufsetzung des gesetzlichen Ren- ten zwischen 55 und 65 Jahren liegt in teneintrittsalters bestehen. Wir müssen den Niederlanden niedriger als in uns auch fragen, warum die Menschen in Deutschland. Das ist schwacher Punkt, Deutschland so früh in Rente gehen. In wie ich ganz offen sagen muss. Deutschland arbeiten nur 39 Prozent der Prof. Dr. h.c. Joachim Fest: Herr zwischen 55 und 65 Jahre alten Bevölke- Herzog hat darauf hingewiesen, für Refor- rung. In den Niederlanden sind es bei- men bedürfe es eines Konzepts. Mir liegt spielsweise 70 Prozent. Auch in anderen daran, dass in der nun folgenden Diskus- Ländern gibt es einen wesentlich stärke- sion das Augenmerk auf die verschiedenen ren Arbeitsmarkt für ältere Arbeitskräfte. Konzepte gerichtet wird, die ja, wie Herr Das ist in Deutschland aufgrund bestimm- Bahr richtig gesagt hat, fast ununter- ter Einstellungshemmnisse gerade für äl- scheidbar geworden sind. Es geht letzten tere Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- Endes um ein Gesellschaftsbild und da- mer nicht der Fall. hinter auch um ein Menschenbild, das in Noch vor zwei Jahren wurde uns in den Konzepten einer Partei sichtbar oder den Diskussionen erklärt: Die Probleme auch nicht sichtbar wird. Wir müssen uns fragen, am Arbeitsmarkt lösen wir dadurch, dass Prof. Dr. Werner Jann: Ich möchte warum die Menschen wir die Rente mit 60 Jahren einführen.Das zunächst zwei kurze Vorbemerkungen ma- in Deutschland so früh in Rente gehen. im Hartz-Konzept vorgesehene Bridgesys- chen,damit ich nicht missverstanden wer- tem suggeriert ja auch, dass man die Pro- de. Auch ich halte die Sozialstaatsreform bleme am Arbeitsmarkt dadurch löst, dass für lebensnotwendig, wie Herr von man die Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Dohnanyi ausgeführt hat. Ich bin der Mei- nehmer viel früher in Rente schickt. Wir nung, dass eine Verdeutlichung der Dring- müssen uns vielmehr fragen:Wie schaffen lichkeit durch Skandalisierung sinnvoll wir es, die Innovationskraft auch älterer sein kann. Menschen in den Arbeitsmarkt zu inte- Herr Mandelson hat in seinen gestri- grieren? gen Ausführungen seinen Landsleuten, Wir müssen nicht nur unsere sozia- was Europa angeht, „a little less hysteria“ len Sicherungssysteme, sondern auch un- geraten. Er hat es – dazu war er vielleicht ser Bildungssystem und den Arbeitsmarkt zu diplomatisch – nicht auf Deutschland bezogen. Ich möchte auch der deutschen schwächer als der deutsche Bundeskanz- Diskussion etwas weniger Hysterie anra- ler,überspitzt formuliert.Daran kann es al- ten. Ich glaube, dass eine gewisse Form so wohl nicht liegen, dass wir bei uns kei- der öffentlichen Hysterie Veränderungen ne Reformen hinbekommen. eher verhindert. Ich komme zu dem, was Herr Bahr Ich komme jetzt auf etwas zu spre- die Konsenssucht genannt hat. In den uns Es spricht nichts dafür, dass die deutschen chen, was ich etwas polemisch als Neode- heute Morgen vorgeführten Beispielen Politiker dümmer sind zisionismus bezeichnen möchte. Es gibt Schweden und Niederlande ist es offen- als ihre internationalen Kollegen. die Vorstellung:Es wird nicht mutig genug sichtlich so, dass man dort sehr viel kon- entschieden, es wird nicht schnell genug sensorientierter ist als bei uns. Daran, dass entschieden, es wird nicht hart genug man in einem Land Konsens zu erzielen durchgegriffen. Wenn aber schnell ent- versucht, kann es meiner Meinung nach schieden wird,beispielsweise hinsichtlich nicht liegen. Das am stärksten konsensori- der Hartz-Kommission, dann ist es auch entierte Land der Welt ist vermutlich die nicht recht, dann liegen handwerkliche Schweiz. Auch dort bekommt man Refor- Mängel vor. Eine der populärsten Begrün- men hin. Ich warne davor, dass man ein dungen lautet:Die Politiker sind zu dumm. System, in dem der Staat eher verhandelt Herr Berger hat es vornehmer ausge- als dirigiert,bei dem er netzwerkartig han- drückt: konzeptionslos. Es spricht nichts delt und nicht hierarchisch steuert, ein- dafür, dass die deutschen Politiker düm- fach über Bord wirft. mer und konzeptionsloser sind als ihre in- Ich bin der Meinung, dass Kommis- ternationalen Kollegen. Man muss sich sionen durchaus einen Sinn machen. Sie wundern, warum junge Menschen noch schaffen Öffentlichkeit. Es ist ja nicht so, Politiker werden; denn damit wählen sie dass die Hartz-Kommission Öffentlichkeit einen Job, der hinsichtlich des Images verhindert hat, sondern sie hat in der Tat durch nichts mehr unterboten werden Öffentlichkeit erst geschaffen. Es gibt in kann. Deutschland viele Beispiele dafür,dass Re- Die zweite Begründung lautet: Die formen – ich nenne hier die Finanzreform Verfassung ist schuld. Dazu nenne ich die und die Gebietsreform – durch Kommis- Stichworte Föderalismus und Konsens.Ich sionen vorbereitet wurden. Kommis- glaube, dass der Föderalismus extrem mo- sionen sind sehr gut geeignet, um die Auf- dern ist und dass es gefährlich wäre, den merksamkeit der Öffentlichkeit noch Föderalismus aufzugeben.Wir werden um stärker auf ein bestimmtes Thema zu len- den Föderalismus beneidet. Die USA ha- ken und bestimmte Lösungen sehr dezi- ben einen starken Föderalismus. Der ame- diert in die Öffentlichkeit zu bringen. rikanische Präsident ist sicherlich Ein Parlament, das sich durch einen

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Kommissionsbericht beeindrucken lässt, Das ist etwas, was mich ärgert, weil ich ist sein Geld nicht wert. Natürlich muss glaube, dass das, was uns die Parteien lie- am Ende das Parlament entscheiden, aber fern, unterschiedlich ist.Wir sollten nicht es muss auch erklären, was es an Kom- so tun, als seien diese Unterschiede nicht missionsergebnissen nicht gut findet. vorhanden. Wenn man wirklich der Meinung ist, Zu den Kommissionen möchte ich dass unser zentrales Problem die Lohn- nur einen ketzerischen Satz sagen: Ich ha- kosten und die Lohnnebenkosten sind – be nichts gegen die eine oder andere Kom- ich bin der Meinung, dass es zwar ein Pro- mission, aber bei 51 Kommissionen inner- Es geht immer wieder blem, aber nicht das zentrale Problem halb einer Legislaturperiode und bei dem um die Frage: Traue ich ist –, dann handelt es sich um ein Problem zu verzeichnenden Gesetzesoutput darf den Menschen etwas zu oder nicht? der Tarifpartner. Die Lohnkosten und die man doch kritisch nachfragen, ob hier Lohnnebenkosten werden in Deutschland nicht einfach die Öffentlichkeit beschäf- vor allem von den Tarifvertragsparteien tigt und das Parlament vielleicht unterbe- festgelegt. Wir haben in Deutschland die schäftigt werden soll. lange Tradition,dass die Kosten für die Mo- Es geht in unserem Land immer wie- dernisierung der Volkswirtschaft auf die der um die Frage:Traue ich den Menschen Arbeitslosenversicherung, dann auf die etwas zu oder nicht? Will ich mehr Staat Rentenversicherung und schließlich auf oder will ich die Menschen dazu befähi- die Krankenversicherung abgeschoben gen,Verantwortung wahrzunehmen? wurden. Ich beginne bei der Familie. Im Wahl- Tarifverträge tragen immer zwei Un- kampf habe ich mir monatelang angehört, terschriften. Wenn man Druck ausüben wenn ich gesagt habe, ich wolle ein Fami- will – ich bin der Meinung, dass man dies liengeld zahlen, damit die Familie ent- tun muss –, dann muss man sagen: Wenn scheiden kann, wie sie die Betreuung or- ihr der Meinung seid, dass dies das Pro- ganisiert, ob sie das selbst in die Hand blem ist, dann fordert die Tarifvertragspar- nimmt oder Betreuung einkaufen will, ich teien auf, dort etwas zu tun. wollte die Frauen ja nur zurück an den Ich meine also: Wir brauchen Struk- Herd bekommen. Wer meine Biographie turveränderungen und Strukturveränderun- betrachtet, wird nicht automatisch den gen bedürfen der Öffentlichkeit. Dazu sind Eindruck gewinnen, dass das meine Mei- Kommissionen geeignet. Ich finde auch, „a nung ist. Hier werden Bilder aus den letz- little less hysteria“ wäre angebracht. ten 16 Jahren gepflegt, vielleicht auch um Hildegard Müller: Ich habe mich einen Popanz aufrechtzuerhalten. spontan zu Wort gemeldet,als eben gesagt Es geht darum,ob ich die Menschen da- wurde,das sei alles nicht so unterschiedlich. zu befähige, verantwortlich zu entscheiden, was gut für sie ist, oder ob ich der Mei- gordischen Knoten durchschlagen kön- nung bin,sie sind tendenziell dazu nicht in nen. der Lage, deshalb sind staatliche Betreu- Dr. Hans D. Barbier: Herr Bahr, Sie ungseinrichtungen zu schaffen. In dem haben gesagt, wir müssten uns Gedanken Wir laufen weiter der Illusion nach, dass ein Ziel, dass mehr Frauen in den Beruf kom- darüber machen, wie wir die Frage beant- System der Gleichheit men müssen, sind wir uns hoffentlich alle worten können: Wie verlängern wir die gerecht wäre. einig. Die Grundsatzfrage ist, ob man den Lebensarbeitszeit? Die liberale Antwort ist Einzelnen stärkt oder ob man die Meinung klar: Wir schaffen das, indem wir die Men- vertritt, der Staat wisse, was gut für den schen an den Kosten der Nichtanwesen- Einzelnen sei. heit am Arbeitsmarkt stärker als bisher be- Ein Wort zur Bildungspolitik.Das Dra- teiligen.Wenn für das Individuum die Aus- matischste an der PISA-Studie ist für mich, bildung kostenlos ist, darf man sich nicht dass unser System eine der geringsten so- wundern, dass sich die Menschen dafür zialen Durchlässigkeiten aufweist. Trotz- bis zum 28.Lebensjahr Zeit nehmen.Wenn dem laufen wir weiter der Illusion nach, die Ausbildung etwas kostet, dürfen wir dass ein System der Gleichheit gerecht wä- darauf setzen,dass die Universitäten etwas re.Hier sage ich:Mut zur Differenziertheit! zügiger verlassen werden und man viel- Auch hier geht es um die Frage: Trauen leicht schon mit 24 Jahren in den Arbeits- wir den Menschen etwas zu oder meinen markt eintritt. wir,der Staat wisse schon,was gut für den Wir müssen uns abgewöhnen, auf Bürger ist? Blüm’sche oder Dreßler’sche Beschäfti- Auch bei der Tarifpolitik, bei der Ar- gungsbrücken hereinzufallen.Wir müssen beitsmarktspolitik ist die Frage zu stellen, den Menschen sagen:Ihr könnt mit 30 Jah- ob wir beispielsweise einem Arbeitgeber ren zu arbeiten anfangen und könnt mit zutrauen, mit dem Arbeitnehmer etwas 55 Jahren aufhören, aber dann wird die auszuhandeln, oder ob ein betriebliches Rente wahrscheinlich sehr klein sein, um- Bündnis für Arbeit gleichbedeutend ist mit so dünner, je älter ihr werdet. Dies muss dem Untergang des Abendlandes. man den Leuten sagen. Das könnten die Ich finde, darüber müssen wir disku- beiden Volksparteien tun, wenn wahr- tieren. In dieser Beziehung haben die scheinlich auch mit mäßiger Begeisterung; Christdemokraten, die FDP und die Grü- die beiden kleinen Parteien,von denen die nen ein anderes gesellschaftliches Bild als eine noch liberal ist und die andere es ein- die Sozialdemokraten. Das ist ein Konflikt, mal war, könnten versuchen, das auch zu der schnellstmöglich ausgetragen werden tun. sollte. Dann werden wir sehen, ob wir Herr Bonde, Sie haben gesagt – in dieser Beziehung nicht manchen das gilt für die drei anderen Bundestags-

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abgeordneten ebenso –: Wir müssen das gewesen, dass die Beiträge bei 19,1 Pro- Problem der Generationengerechtigkeit zent bleiben,sondern die Konsequenz wä- neu bedenken;es geht ja nicht an,dass die re gewesen, dass wir im nächsten Jahr ei- Jungen immer mehr belastet werden und nen Rentenbeitragssatz von 19,9 Prozent die Alten nicht.Vor wenigen Tagen hat der gehabt hätten. Ich teile Ihre Meinung hin- Deutsche Bundestag ein Rentengesetz ver- sichtlich der Auswirkung der Rentenge- abschiedet, bei dem es gereicht hätte, setzgebung. Das habe ich auch öffentlich wenn sechs junge Bundestagsabgeordnete gesagt. der Koalitionsfraktionen gesagt hätten: Es bestehen ja Ansprüche. Die Emp- Nein, das machen wir nicht mit. Hier ging fängerinnen und Empfänger der Gelder es wieder um ein Gesetz gegen die von Ih- haben ein Anrecht auf diese Zahlungen; nen zu Recht angemahnte Generationen- das ist wohl verdient über Beitragszahlun- gerechtigkeit.Es wurde wieder einmal der gen. Ich will ja niemandem während sei- Beitragssatz angehoben.Damit wurden er- nes Lebensabends die Gelder streitig ma- neut Ansprüche durch die höheren Beiträ- chen. ge bedient und es wurden Ansprüche ge- Bis Anfang des nächsten Jahres be- schaffen, die nie bedient werden. kommen Sie keine Rentenreform hin. Das Das war ein eklatanter, ein offen- ist, gleichgültig, was man tut, bei dem mo- sichtlicher Verstoß gegen das,was Sie wol- mentanen politischen Klima ohne Oppo- len.Warum hat es nicht sechs junge Abge- sition nicht möglich. Die Opposition ist ordnete aus den Koalitionsfraktionen ge- immer gegen das, was man tut, zum Teil geben – die anderen haben ja Pause –, die aber auch mit schlechtem Gewissen. Inso- mit Nein gestimmt haben? Worauf speku- fern bekommt man keine Rentenreform lieren Sie? Warum sind Sie diszipliniert? hin, die den Forderungen der Generatio- Wir müssen das Pro- Warum stehen Sie nicht auf und sagen: nengerechtigkeit und einer Senkung der blem der Generationen- gerechtigkeit neu „Wir reden fünf Minuten lang dagegen Lohnnebenkosten entspricht. bedenken. und wenn man uns nicht folgt,werden wir Insofern habe ich gemeinsam mit vie- so nicht abstimmen“? Das wäre doch ganz len anderen in meiner Fraktion, aber auch leicht gewesen. bei der SPD, die das ähnlich sehen, dem Alexander Bonde: Ich kann Ihnen Beitragssatzsicherungsgesetz mit Bauch- diese Frage ganz leicht beantworten. Sie grimmen zugestimmt,mit der Brücke,dass werden es verfolgt haben: Ich habe zu- eine Kommission an eine Strukturreform sammen mit Kolleginnen und Kollegen der Rentenversicherung herangeht.Das ist aus meiner Fraktion so argumentiert. Die der Preis, den diejenigen zahlen mussten, Konsequenz einer Ablehnung des Bei- die das in der Koalition anders sehen, um tragssatzsicherungsgesetzes wäre ja nicht Leute wie mich dazu zu bekommen, die Mehrheit beim Beitragssatzsicherungsge- Hinsichtlich der außenpolitischen setz zu ermöglichen. Bei einer Ablehnung Bedeutung Deutschlands hat sich nach wäre die Konsequenz gewesen, dass man dem Krieg eine Änderung vollzogen, die durch noch höhere Lohnnebenkosten ge- in dieser Weise von uns allen nicht erwar- nau solche Effekte in einem noch größe- tet wurde. Innerhalb weniger Jahre haben ren Ausmaß erzielt hätte, die wir gemein- sich die Verantwortungsbereitschaft und sam kritisieren. die Rolle Deutschlands verändert. Vieles Manchmal sind die Fragen nicht so von dem, was früher in diesem Zusam- einfach auf ja oder nein eingrenzbar. Das menhang diskutiert wurde, gibt es heute Manchmal sind die Fragen nicht so einfach ist vielleicht keine schöne Erkenntnis, in der öffentlichen Diskussion, in den Me- auf ja oder nein ein- aber Teil des Jobs, den wir im Parlament dien und im Parlament längst nicht mehr. grenzbar. erfüllen müssen. Wenn das Nein so Ich finde, das ist ein Riesenfortschritt. schlimm ist wie das Ja, dann muss man Hier wurde die Frage aufgeworfen, sich überlegen, wie man das meiste her- ob man den Menschen mehr Geld in die ausholt.Wir haben für eine Übergangszeit Hand geben soll. Es hat noch zu keiner eine Lösung gefunden, die zulasten der Zeit angesichts der Situation, in der sich jungen Generation geht, aber wir haben die öffentlichen Kassen heute befinden, damit die Perspektive für eine grundle- auch nicht zu Zeiten von Herrn Stolten- gende Reform zugunsten der jungen Ge- berg, den Mut gegeben, den Menschen neration geschaffen.Wir als Junge müssen Geld in die Hand zu geben, wie das durch da durch, haben damit aber die Perspekti- unsere Steuerreform geschieht. ve, einen gewaltigen Schritt in Richtung Sie haben sicher Recht, Herr Barbier: Generationengerechtigkeit voranzukom- Der Mut einiger Helden im Parlament men. würde sicher dazu führen, dass Abstim- Nina Hauer: Die Unterschiede sind mungen blockiert werden. Ich glaube, alle von Ihnen, Herr Fest, vermisst worden; in der Koalition haben für ihre Politik und von Frau Müller sind sie betont worden. für ihr Projekt geworben. Es geht darum, Wenn sich in den letzten vier Jahren ge- dass die gewünschte Politik betrieben zeigt hat, wie groß die Unterschiede zwi- wird,nicht darum,dass es Helden gibt,die schen den beiden großen Volksparteien blockieren. Deswegen ist es schon not- sind, dann bezieht sich das nicht auf die wendig, sich entsprechend zu beteiligen. ideologische Richtung und das dahinter Wir reden in Deutschland schon viel stehende Weltbild, sondern darauf, inwie- länger über das Problem der Rentenversi- weit man zu akzeptieren bereit ist, dass cherung. Hätten wir die Blüm’sche Kon- die Lebensrealität vieler Menschen anders zeption verwirklicht, hätten wir heute ei- ist, als man es gern hätte. nen Rentenbeitrag von 22,2 Prozent.Mich

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würde rein theoretisch interessieren, was seiner Fraktion bleibt.Wir werden sehen, dann los wäre.Wir wären damit das Risiko wie scharf seine Streitaxt ist, wenn die eingegangen, dass wir die Kaufkraft und Kommission mit ihrer Arbeit am Ende ist. die mittelständische Wirtschaft am Strunk Dann müssen wir allerdings etwas zu se- erwürgen. hen bekommen, Herr Bonde. Wir haben einen Kurswechsel ge- Dr. Gert Dahlmanns: Wir sind – mit schafft, was die Vorstellung angeht, dass „wir“ meine ich nicht nur die politische die Alterssicherung immer an die Er- Kaste, sondern zu großen Teilen auch die werbsarbeit geknüpft werden muss, dass öffentliche Diskussion – nicht ehrlich,was es das Umlagemodell und die paritätische die Darstellung der Sachverhalte angeht. Finanzierung geben muss.Wir sind in die Dabei denke ich an die Darstellung der de- kapitalgedeckte Altersversorgung einge- mographischen Entwicklung über Jahre Wir sind nicht fokus- stiegen. Sie müssen zugeben, liebe Damen hinweg. Wir sind auch nicht ehrlich, was siert auf eine klare Vor- und Herren, dass Sie das uns Sozialdemo- die Darstellung überhaupt angeht. Ich ha- stellung von Zukunft. kraten nicht zugetraut hätten, dass ausge- be von mehreren Vertretern der Gewerk- rechnet wir einen solch mutigen Schritt schaften gleich lautend gehört, man wer- tun. de alles tun, damit der Arbeitnehmer noch Es kann nicht bei diesen relativ klei- aufrecht durch seinen Betrieb gehen nen Änderungen bleiben. Sie bilden aber kann. eine gute Grundlage.Wir täten gut daran, Dazu muss ich sagen: Es wird sehr uns darüber zu unterhalten,wie wir das in viel dafür getan, dass der Arbeitnehmer anderen Bereichen auch schaffen, damit durch seinen Betrieb schleichen muss, in nicht das eintritt, was viele von uns Deut- der fürchterlichen Erwartung, dass er we- schen denken: dass wir über vieles jam- gen ebendieser Politik bald keinen Ar- mern und nicht sehen,was wir in den letz- beitsplatz mehr hat. ten Jahren erreicht haben. Wir sind auch nicht konsistent.Auch Prof. Dr. Roman Herzog: Ich möch- von der jetzigen Regierung wird der Mit- te Herrn Bonde hilfreich zur Seite treten. telstand immer wieder aufgefordert auf- Herr Barbier,Sie haben in Wirklichkeit die zustehen. Die Bürger werden aufgefordert Frage gestellt, warum Herr Bonde am An- aufzustehen, damit sie auf eigenen Beinen fang seiner politischen Laufbahn diese stehen können. Gleichzeitig werden sie nicht gleich auf dem Altar der Prinzipien permanent mit einer solchen Gewalt in geopfert hat.Vor solchen Fragen stand je- die Knie getreten, dass sie gar nicht auf- der von uns schon einmal; ich bin sicher: stehen können. Sie auch. Wir sind schließlich nicht fokussiert Mir ist es lieber, wenn so einer in auf eine klare Vorstellung von Zukunft.Wir bekommen diese Vorstellung auch nicht Wenn man das als Beispiel für den Fö- von der Regierung, ebenso nicht von den deralismus zitiert, muss man darauf hin- Kommissionen. Eben wurde die ziemliche weisen, dass dort wirklich Föderalismus Gewissheit ausgesprochen,dass,wenn die praktiziert wird. Natürlich ist ein solcher Kommission in einem Jahr ihren Entwurf Föderalismus zukunftsreich und besser als vorlegt, klar sei, wohin die Reise gehen ein verkrusteter Zentralismus. soll. Das ist meiner Meinung nach ganz Ich möchte Frau Müller sehr unter- und gar nicht zu sehen. stützen bei ihrer Forderung, dass wir eine Die Menschen in einem Staat müssen grundsätzliche Debatte auch über unter- erwarten können, dass sie gut regiert wer- schiedliche Zukunftsperspektiven führen den, dass ihnen gesagt wird, wohin die müssen, und zwar offen und mutig. Aller- Reise gehen soll.Ich glaube,wir müssen in dings hatte ich nicht den Eindruck, dass die in eine Aufbruchphase eintretende öf- sich eine der beiden großen Parteien im fentliche Diskussion einbringen: Ehrlich- Wahlkampf dieser Auseinandersetzung keit, Konsistenz und Fokus auf ein Zu- wirklich gestellt hat. Das ist das wirkliche kunftsbild, das wir wählen und auch ab- Problem. Wir leben doch in einer Vierau- wählen können. gengesellschaft. Unter vier Augen werden Dr. Klaus von Dohnanyi: Ich möchte alle diese Dinge diskutiert.Wenn es aber in nur eine kurze Bemerkung zu den Aus- die Öffentlichkeit geht, hört das auf. führungen von Herrn Professor Jann ma- Man hat während der Regierungszeit chen. Wenn Sie den Föderalismus in den von Helmut Kohl gesagt, er sei eigentlich USA und in der Schweiz zitieren, dann zi- der letzte erfolgreiche sozialdemokrati- tieren Sie den wirklichen Föderalismus. sche Regierungschef eines großen Landes Das ist eine ganz andere Struktur als bei in Europa. Daran war viel Wahres. Die zen- uns. Diese Unterschiede muss man in der trale Frage ist jene nach der Eigenverant- Darstellung erwähnen. In der Schweiz wortung.Diese Debatte muss geführt wer- Die Menschen in einem Staat müssen erwarten wird ertragen, dass zwischen dem Kanton den. Sie muss auch operationalisiert ge- können, dass sie gut Jura und dem Kanton Zug ein Einkom- führt werden. Dann muss man vor der regiert werden. mensunterschied in Höhe von 50 Prozent Wahl beispielsweise sagen, dass sich der besteht. In den USA wird ertragen, dass Einzelne am Gesundheitssystem zu betei- das Sozialsystem auf die einzelnen Staaten ligen hat. übertragen wurde und dass Wisconsin ein In unserer Verfassung ist nicht ohne völlig anderes Sozialsystem, ein weitge- Grund das konstruktive Misstrauensvotum hend abweichendes Sozialsystem ent- verankert. Wir haben einen sehr starken wickelt hat im Vergleich zum Staat Kanzler. Es wäre nützlich, wenn wir uns Maryland. ab und zu trauen würden, es dazu

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kommen zu lassen, dass eine Regierung, geschaffenen Organisationen, die fast ein die ja nicht abwählbar ist, keine Mehrheit pseudo-speziesartiges Eigeninteresse ent- im Parlament erhält, auch nicht mit ihren wickeln, wie das Interesse der Parteien eigenen Leuten. Das Parlament würde un- oder das Interesse von Betrieben. geheuer gewinnen, wenn die so genann- Aber was ist das ultimate Interesse? Wofür ist der Politiker ten freigegebenen Abstimmungen – bei- Ich glaube, im deutschen Grundgesetz eigentlich verantwort- spielsweise über ethische und moralische steht, dass sich die Politiker verpflichten, lich? Fragen – öfter tatsächlich freigegeben die Interessen des deutschen Volkes zu würden, denn letzten Endes haben wir ei- wahren.Worin bestehen diese Interessen? ne sehr stabile Struktur,sodass man, wenn Sie bestehen gewiss in der Zukunftssiche- man einmal eine Abstimmung verliert, ja rung. Dabei spielt die Erhaltung des inne- nicht notwendigerweise gleich die Regie- ren Friedens und damit auch die Zivilisie- rungsfähigkeit verliert, wie das beispiels- rung des Wettbewerbs sicher eine große weise in Großbritannien der Fall ist. Rolle. Dazu wäre sehr viel zu sagen. Es würde uns schon sehr helfen, Ein weiteres wichtiges Thema im Zu- wenn wir mit diesen Fragen ein bisschen sammenhang mit der Erhaltung des inne- lockerer umgingen. Dann hätte Herr ren Friedens, das bereits angesprochen Bonde den ihm dann auch zumutbaren wurde,ist jenes der Population:Wir haben Mut vielleicht gefunden zu sagen: mit mir nicht genügend Nachkommen.Das müsste nicht. eigentlich alle aufregen, auch die Unter- Prof. Dr. Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Wir nehmer, denn ihnen wird ein sehr wichti- haben heute von gesellschaftspolitischen ges Käuferpotenzial mit einem hohen Fragen gesprochen,vom Wettbewerb,vom Standard wegbrechen, wenn keine Ände- wettbewerbsfeindlichen Klima, vom glo- rung eintritt.Kaum jemand redet darüber; balen Wettbewerb. Zuletzt tauchte noch dieses Problem wird unter den Tisch ge- die Frage auf: Wofür ist der Politiker ei- kehrt. gentlich verantwortlich? Wir brauchen in der Tat eigene Nach- Ich glaube,man muss klarstellen,dass kommen. Die offizielle Zahl der Abtrei- der Wettbewerb beim Menschen als einem bungen in unserem Land liegt bei etwa sozialen Wesen auf verschiedenen Ebenen 150 000.Inoffiziell liegt sie bei etwa 250 000. stattfindet. Es gibt Interessen auf der fami- Gelänge es durch politische Maßnahmen, lialen Ebene, auch auf der individuellen nur die Hälfte dieser abgetriebenen Kin- Ebene. Das Streben nach Ansehen und der am Leben zu erhalten, wäre unser Be- Macht zur Sicherung der eigenen Subsis- völkerungsproblem eigentlich gelöst.Maß- tenzbasis ist uns allen zu Eigen, interes- nahmen wurden verschiedentlich bereits santerweise aber auch den von uns diskutiert, aber nur in kleinen Kreisen: Unterstützung von Müttern, Anregung, das gerade, was sie entschieden haben. dass sie ihr Kind auch akzeptieren, Geset- Ich stehe zu dieser Verantwortung,sa- ze, welche die Adoption erleichtern, usw. ge aber gleichzeitig:Wir müssen Vorbilder Die Politiker sind für die Zukunft des haben. Wenn wir in unserer Gesellschaft Volkes oder der Nation – wie immer Sie es darüber sprechen müssen,dass es Minister nennen wollen – mit verantwortlich. gibt, die Probleme mit Bonusmeilen ha- Wolfgang Grupp: Ich bin ein Mittel- ben,dass es Minister gibt,die mit Schwarz- ständler, und zwar seit 33 Jahren. Ich be- geldkoffern durch die Gegend laufen, dass schäftige am Standort Deutschland 1 200 es Unternehmer gibt,die mit Millionen ab- Mitarbeiter. Ich produziere in der Textil- gefunden werden, wenn sie zuvor Milliar- branche. Ich garantiere die Arbeitsplätze, den in den Sand gesetzt haben, während ich garantiere auch den Kindern meiner am Schluss der Arbeitnehmer die Zeche Mitarbeiter einen Arbeitsplatz. zahlen muss, dann können wir nicht die Nach der Wende haben wir mitge- ganze Zeit sagen: Es geht ja nicht vor- nommen, was mitzunehmen war,und seit- wärts! dem jammern wir. Das Thema „Deutsch- Wir haben Top-Mittelständler, die Tag land im Aufbruch“ gab es schon vor zehn und Nacht arbeiten, damit sie vorankom- Jahren, damals allerdings mit einem Aus- men. Es gibt auch Großunternehmer, die rufezeichen. Damit wollte man dokumen- dies tun. Aber es gibt einige wenige, die Unsere 4 Millionen Arbeitslosen sind von tieren:Wir befinden uns im Aufbruch.Heu- unser Ansehen verschlechtern.Diese müs- der Wirtschaft bezahlt, te wird es mit einem Fragezeichen formu- sen wir eliminieren. Deshalb verlange ich, nicht vom Staat. liert. Ich frage mich:Wenn in einem Staat ausschließlich Leistung zu honorieren. die Kassen leer sind, wer ist dann dafür Diejenigen, welche die Leistungen erbrin- verantwortlich, die Politiker oder die Un- gen, dürfen nicht noch höhere Abgaben ternehmer? Wenn die Haushaltskasse leer zahlen müssen, sondern sollen Steuervor- ist, ist derjenige dafür verantwortlich, der teile, Steuersenkungen bekommen. Nicht die Haushaltskasse normalerweise füllt, al- diejenigen sollen Steuervorteile erhalten, so der Familienvater. Wir Unternehmer die auf die Schnelle kassieren und zum sind für die Wirtschaft in Deutschland ver- Schluss sagen: Jetzt überlasse ich den Bet- antwortlich.Wer hat nach dem Krieg,nach tel dem Staat. diesem größten Desaster, das Wirtschafts- In der Wirtschaft gibt es außer den wunder geschaffen? Das waren die Unter- Maschinen auch das Humankapital. Unse- nehmer und nicht die Politiker,wenn auch re 4 Millionen Arbeitslosen sind von der natürlich die Politiker diese Entwicklung Wirtschaft bezahlt, nicht vom Staat. Je- mit ihrer Politik begleitet haben. Die Un- mandem, der mir erklärt, er müsse 500 ternehmer haben gehaftet, sie standen für Leute entlassen und sie in Rumänien neu

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einstellen, weil dort die Löhne niedriger brauchen Vertrauen in der Wirtschaft, wir sind, sage ich: Diese 500 Mitarbeiter hat müssen vorangehen;dann kommen die an- die Wirtschaft auf dem Wege der Umver- deren auch und die Sozialkassen werden teilung mit bezahlt. Es ist Aufgabe der Po- nicht mehr geplündert. litiker, endlich dafür zu sorgen, dass die Prof. Dr. h.c. Joachim Fest: Herr 4 Millionen Arbeitslosen wieder in den Grupp, wenn Sie die Rolle der Politik so Wirtschaftskreislauf zurückkehren und die minimieren, wie Sie es zumindest zu Be- Unternehmer nicht erklären:Wir bauen in ginn und am Ende Ihrer Ausführungen ge- Deutschland Arbeitsplätze ab und schaffen tan haben, dann fällt mir folgender Satz sie in Niedriglohnländern neu. Die Unter- ein, der neulich kommentierend im „Daily nehmer ihrerseits müssen sich bewusst Telegraph“ stand: Das Problem der Deut- sein, dass sie Verantwortung für ihre Mit- schen ist nicht, dass sie keinen Ludwig arbeiter tragen. Erhard haben, sondern das Problem der Früher war es so, wenn ein Unter- Deutschen ist, dass sie nicht einmal be- nehmer 100 Mitarbeiter mehr hatte, dann greifen, dass sie einen brauchen. war er auch um 100 Mitarbeiter reicher. Thomas Weisgerber: Mein Sujet er- Ich erwarte von den Noch vor zehn Jahren hat man sich auf der streckt sich auf die Einbeziehung von Ex- Unternehmern, dass sie Schwäbischen Alb die Arbeitskräfte ge- perten.Frau Hauer,ich bin der Meinung,es jetzt die Ärmel hoch- krempeln. genseitig abgeworben. Anfang der 90er ist richtig,das zu tun,denn so viel,wie ver- Jahre wurden bei uns Arbeitnehmer mit abschiedet wird, kann kein Mensch im einem nicht tragbaren Stundenlohn von Kopf haben.Es ist richtig,Herr Bonde,dass 26 DM abgeworben. Das haben die Unter- Generationengerechtigkeit herrschen nehmer in guten Zeiten getan und nun muss. Hinsichtlich der deutschen Rege- wird reklamiert. lungswut nenne ich als Beispiel die priva- Als die Regelung eingeführt wurde, te deutsche Altersvorsorge.Vor drei Jahren dass es im Krankheitsfall 80 Prozent Lohn- hat die Gerke-Kommission einen entspre- fortzahlung gibt, war ich der Erste, der chenden Vorschlag gemacht. Dieses Vor- dies praktiziert hat. Aber was haben die schlags haben sich das Ministerium und Großunternehmen gemacht? Zuerst ha- die Regierung bemächtigt.Das Gesetz um- ben sich alle beklagt, dass es eine solche fasst zehn Paragraphen, die Rechtsverord- Regelung nicht gibt;als sie eingeführt wur- nung hat 14 Seiten, die Durchführungs- de, haben sie diese nicht praktiziert. verordnung durchschlägt gerade die Ein- Ich erwarte von den Unternehmern, zentimetergrenze. dass sie jetzt die Ärmel hochkrempeln, Das Ergebnis ist: Wir haben gerade Vorbilder für unsere Gesellschaft sind und einmal 4,2 Millionen abgeschlossene Ver- sagen: nicht immer nur jammern, wir träge.Da ist der Punkt gekommen,an dem man sagt:Wenn man sich denn schon Ex- Fachleuten besetzt ist, die glasklare Urtei- perten ins Boot holt, ist es auch sinnvoll, le abgeben, die hinterher von der Politik auf die Experten zu hören und nicht das diskutiert werden können, um sie allge- ganze System auf den Kopf zu stellen, so- mein verträglich zu machen. Es sollte Man muss sich fach- lichen Rat holen und dass es in der Abwicklung nicht mehr nicht im Vorfeld etwas erzeugt werden, dann unabhängig ent- handhabbar ist. was nicht wirklich ein Ergebnis ist, son- scheiden. Als weiteres Beispiel möchte ich die dern lediglich die Folge einer Verwässe- Hartz-Kommission erwähnen. Hier hat es rung. Ich hätte gern Ihre persönliche Mei- Vorschläge gegeben, die einvernehmlich nung gerade auch zur Rürup-Kommission mit den Gewerkschaften verabschiedet gehört. wurden. Ich frage mich, warum man in Hildegard Müller: Kommissionen letzter Minute den Gewerkschaften nach- machen nur dann Sinn, wenn ich mir mit gegeben hat, obwohl diese zuvor bereits ihnen nicht meine eigene Wirklichkeit hin- ihr Okay gegeben hatten. Manchmal hat zimmern möchte. Deutschland hat ja man ja den Eindruck, dass die Gewerk- schon ein Problem damit, dass die Politik schaften der Aufsichtsrat des Bundestags sich bestmöglich beraten lässt. Das hat sind. auch viel zum schlechten Eindruck von Mich interessiert:Was hätten Sie hin- Kommissionen beigetragen. Man darf die sichtlich der absolut danebengegangenen Ergebnisse nicht vorwegnehmen; ande- Umsetzung der Expertenvorschläge in renfalls kann man sich die Kommissionen den beiden von mir angesprochenen Fäl- gleich sparen. Man muss sich fachlichen len anders gemacht? Rat holen und dann unabhängig entschei- Detlef Bierbaum: Ich möchte die den. vier jungen Abgeordneten fragen, was sie Nina Hauer: Lieber Herr Weisgerber, sich unter einer Kommission vorstellen. wenn es wirklich so wäre, dass die Aufga- Soll eine Kommission, wie Herr Weisger- be einer Kommission darin besteht, schon ber gerade sagte, mit unabhängigen Fach- vorher die Interessen auszugleichen und leuten besetzt sein? Oder repräsentiert Vereinbarungen zu unterschreiben, wäre sie, wie das derzeit bei der Rürup-Kom- das Parlament in der Tat überflüssig. Es ist mission sehr stark in den Vordergrund vielmehr Aufgabe einer Kommission, ei- rückt, die Konsenssituation in Deutsch- nen gemeinsamen Vorschlag zu präsentie- land, was zu der Situation führt, dass die ren. Vor allen Dingen das Parlament hat Ergebnisse von der Regierung oder der dann die Aufgabe,die widerstreitenden In- Opposition bestellt worden sein könnten? teressen auszugleichen und Lösungen zu Meine Vorstellung von einer Kom- finden. Genau das ist geschehen. Ich kann mission ist die, dass sie mit unabhängigen ein Scheitern nicht erkennen. Ich finde,

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die Vorschläge der Hartz-Kommission und Insofern fühle ich mich von unter- auch ihre Umsetzung sind eine mutige Re- schiedlichen Personen in dieser Kommis- form. sion, von denen ich weiß, dass sie sach- Einer der schlimmsten Punkte in un- kundig sind und in diesem Themenkreis serem Staat ist eine solche sich selbst be- fundiert arbeiten, sehr gut vertreten. Des- aufsichtigende Behörde, in der Spitze pa- halb glaube ich auch, dass uns diese Kom- Die Vorschläge der ritätisch besetzt von Arbeitgebern und Ar- mission einen sehr guten Entwurf liefern Hartz-Kommission und ihre Umsetzung sind beitnehmern, die 90 000 Menschen be- wird, mit dem wir als Koalition politisch eine mutige Reform. schäftigt, die den ganzen Tag nichts arbeiten und eine Reform einleiten kön- anderes machen,als Papiere von der einen nen. Seite auf die andere Seite des Schreibti- Prof. Dr. Roman Herzog: Vorhin ist sches zu schieben. Das zu reformieren ist schon mit Recht darauf hingewiesen wor- kein Pappenstiel. Die Hartz-Kommission den, dass, wenn in Deutschland etwas hat hervorragende Vorschläge gemacht. nicht funktioniert, entweder der Födera- Wir haben sie auch so umgesetzt.Ich kann lismus oder das Wahlrecht reformiert wer- die anders lautende Kritik überhaupt den muss. Ich wundere mich nicht, dass nicht teilen. mein Freund Roland Berger heute wieder Thomas Weisgerber: Herr Bonde,Sie das Wahlrecht verkauft hat. Ich bezweifle, haben vorhin gesagt, Sie hätten Ihre Zu- dass er gesagt hat, welche Fragen dabei stimmung im Parlament mit der Bedin- auftreten. gung verknüpft, eine unabhängige Kom- Es gibt ja zwei große Typen von mission einzusetzen. Meinen Sie, die Kom- Mehrheitswahlrecht. Die eine Art ist das mission fühlt sich unabhängig? britische Mehrheitswahlrecht, bei dem in Alexander Bonde: Für mich ist ent- jedem Wahlkreis mit relativer Mehrheit ge- scheidend, dass in dieser Kommission ein wählt wird: Derjenige, der die meisten paar sehr interessante Leute vertreten Stimmen hat, zieht in das Parlament ein. sind, die gerade hinsichtlich der Genera- Wenn Sie sich die Parteienstruktur in tionengerechtigkeit, auf die es mir an- Deutschland mit vier oder fünf Parteien kommt,bisher sehr viel Arbeit geleistet ha- vorstellen, sehen Sie, dass jemand auf die- ben. Ich nenne beispielhaft Herrn Profes- se Weise mit 25 Prozent der Wählerstim- sor Rürup.Es sind auch zwei junge Frauen men ins Parlament einziehen könnte. in dieser Kommission vertreten, von de- Wenn das in weiten Teilen passiert, dann nen ich mir erhoffe, dass sie in dieser Be- haben Sie – das ist anders als in Großbri- ziehung sehr genau hinschauen werden. tannien – eine parlamentarische Mehrheit, Ich denke beispielhaft an die Bundesvor- die vielleicht 40 oder 41 Prozent der sitzende der Wirtschaftsjunioren. Wähler hinter sich hat. Ich bin der Meinung,das wäre nicht ak- be, sogar noch länger – die Gaullisten re- zeptabel. Aber Sie brauchen meine Meinung giert. Das war wie von Gott gewollt. nicht zu akzeptieren. Ich bin aber ganz si- Anschließend ist es François Mitterrand cher:Das würde das deutsche Volk,wenn es gelungen,eine rot-rote Koalition zu bilden, zum ersten Mal passiert, nicht hinnehmen. die entsprechend lange regiert hat. Es bleibt die französische Methode Im Augenblick versucht Chirac, der übrig, die wir mit gewissen Modifikatio- im Grunde durch einen Zufall wiederge- nen in Deutschland schon während des wählt worden ist, unter der Führung von Kaiserreichs hatten: Im Wahlkreis muss je- Juppé eine neue Partei zu gründen.Wenn mand mit absoluter Mehrheit gewählt ihm das gelingt, kann das wiederum 15 werden. Dann steht in einigen Wahlkrei- Jahre Regierung eines Lagers bedeuten. sen der Abgeordnete schon im ersten Ich setze dem entgegen:Es ist uns nie Wahlgang fest, in allen übrigen Wahlkrei- gut bekommen, wenn eine Koalition in sen muss eine Stichwahl stattfinden. Deutschland so lange regiert hat, egal wer Es steht fest, dass in allen diesen das war. Ich setze dem ferner entgegen: Wahlsystemen mindestens zwischen den Dann müssen wir auch wollen, dass zwar Wahlgängen, zum Teil schon vor dem er- auf der unteren Ebene des Parteiensys- sten Wahlgang, Wahlkoalitionen geschlos- tems noch ein paar Parteien mehr entste- sen werden und geschlossen werden müs- hen werden,als das bisher der Fall ist,dass sen. Die Parteien sagen:Wir treten jeweils sich aber darüber,in der oberen Etage, ein mit einem eigenen Kandidaten auf, aber Zweiparteiensystem entwickelt, ein – je- im zweiten Wahlgang unterstützen wir denfalls nach den französischen Erfahrun- Es ist uns nie gut bekommen, wenn eine denjenigen, der die meisten Stimmen hat. gen – instabiles, weil dort immer die eine Koalition so lange Das heißt – das ist die Erfahrung der Seite unterliegt, weil sie sich nicht zu or- regiert hat. Fünften Französischen Republik –, es gibt ganisieren vermag, während die andere à la longue ein doppelstöckiges Parteien- Seite ständig siegt, weil sie sich zu organi- system. Es gibt eine Reihe von Parteien sieren vermag. und es gibt ziemlich feststehende Par- Ich wage den Zweifel anzubringen, teibündnisse, die zuerst bei der Stichwahl ob das der Weisheit letzter Schluss ist. Ich und dann im Allgemeinen auch bei der Re- bin kein begeisterter Anhänger des gegen- gierungsbildung eine Rolle spielen. wärtigen Verhältniswahlrechts, aber ich Wir haben das in Frankreich erlebt: frage doch, ob es nicht besser ist als das, Zunächst waren die Gaullisten mehrheits- was – jedenfalls unter den deutschen Ver- fähig und auf der Linken hat es keine hältnissen – anderenfalls herauskäme. mehrheitsfähigen Koalitionen gegeben. Es Das war das Wort zum Sonntag. Ich haben über drei Wahlperioden – ich glau- schließe.

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Prof. Dr. h.c. Joachim Fest: Viele gesagt, vielleicht steht hinter allem, dass Fragen,die hier aufgeworfen wurden,kön- wir keine zureichende Vorstellung von der nen wir nicht mehr behandeln. Herr Zukunft haben. Herzog hat vorhin darauf aufmerksam ge- Herr Baring hat gestern in kleinem macht, dass wir an einer Regelungswut Kreis erzählt, wann immer er die Frage fast ersticken. Ich habe unlängst gelesen, stelle, was in 100 Jahren wohl aus uns dass eines der statistischen Ämter, von de- Deutschen geworden sein werde, erhalte nen vorhin bereits die Rede war, veröf- er zur Antwort: In 100 Jahren gibt es uns fentlicht hat,dass es in diesem Lande über Deutsche doch gar nicht mehr. 70 000 Steuervorschriften gibt. Das ist gar Vielleicht ist das der Kern der Krank- nicht mehr zu übersehen. Vielleicht sitzt heit, an der wir leiden. Es ist jedenfalls ei- ein Schlaumeier hinter dem Ganzen, eine ne Anregung, die ich Ihnen geben möch- Art Weltgeist der Bürokratie, der dafür te, die des Nachdenkens wert ist. sorgt, dass am Ende so viele Gesetze vor- Ich weiß nicht, ob wir das Fragezei- handen sind, dass sich kein Mensch mehr chen aus dem Thema dieser Veranstaltung durchfindet und jeder machen kann, was entfernen können.Ich glaube es eigentlich er will.Vielleicht ist das die geheime Logik nicht. Aber das sei Ihnen überlassen.Jeder dahinter. möge darüber nachdenken und in seinem Frau Müller und andere haben Ehr- Kreis dafür wirken, dass bei der Themen- lichkeit angemahnt. Sie gehört zum demo- stellung dieses Tages zukünftig vielleicht kratischen Prozess.Vielleicht hat es in letz- etwas weniger Fragezeichen auftauchen. ter Zeit an ihr gefehlt.Herr Dahlmanns hat Bundesverband deutscher Banken 92 93 „Große Umbruchzeiten schaffen sich in der Regel auch große Lösungen.“ Zusammenfassung und Ausblick

DR. ANTJE VOLLMER, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Berlin

Meine Damen und Herren! Wenn ich gewusst hätte, dass Roman Herzog, unser verehrter, ewig junger ehemaliger Bundespräsident das „Wort zum Sonntag“ bereits spricht, hätte ich es nicht tun müssen.Aber nun will ich mich nicht drücken. Ich habe den Eindruck, dass wir nicht nur eine sehr qualitätsvolle Diskussion hat- ten, sondern dass sich auch im Laufe der Diskussion stimmungsmäßig etwas verändert hat. Ich beginne mit einem Zitat von Mark Twain:Wenn du nicht weißt, wohin du willst, was beklagst du dich,wenn du nicht ankommst? Ich finde,das ist immer wieder ein sehr wichtiges Zitat.Viele der Debatten, die wir führen, haben damit zu tun, dass wir mehr darüber klagen,dass wir nicht ankommen,als dass wir klären,wohin wir eigentlich wol- len. Am Anfang der Diskussion ist, glaube ich, sehr deutlich gesagt worden, dass es kei- ne Aufbruchstimmung gibt.Von einigen ist sogar erklärt worden, wir brächen stracks in die völlig falsche Richtung auf. Herr Baring hat gesagt, wir seien auf dem besten Weg,ei- ne Art „DDR light“ zu werden. Ein Ergebnis der Untersuchung des Bundesverbands deutscher Banken besagt,dass die öffentliche Übellaunigkeit, deren Existenz niemand widersprechen kann, immer noch kontrastiert wird von einem nach wie vor ungebrochenen privaten Wohlgefühl. Immerhin 52 Prozent der Deutschen sagen immer noch, dass ihre persönliche wirt- schaftliche Lage gut ist. Immerhin 37 Prozent erklären, das sei teilweise so. Nur 11 Pro- zent – immerhin 11 Prozent – sagen, ihre wirtschaftliche Lage sei richtig schlecht.Was die persönliche Zukunft betrifft, so sagen immerhin noch 66 Prozent, sie sei gut; 31 Pro- zent sind pessimistisch. Also bezieht sich doch die melancholische bis depressive, zu- nehmend aggressive und auch populistische Stimmung mehr auf den Zustand des öf- fentlichen und des politischen Lebens. Ich finde, Herr von Dohnanyi hat in einem für mich brillanten Vortrag neue Aspek- te vorgetragen, nämlich auch auf unsere Schwierigkeiten zu schauen. Er hat gesagt, dass zwei Drittel der Wachstumsschwäche in unserem Land vereinigungsbedingt sind. Die Frage ist interessant, warum wir das so wenig nutzen.Wir haben es nicht nur am Anfang der Vereinigung zu wenig genutzt.Es ist ja oft darüber gesprochen worden,dass die deut- sche Bevölkerung damals viel opferbereiter gewesen wäre.Warum nutzen wir dies nicht auch jetzt als Argument? Es wäre interessant, dieser Frage nachzugehen. Ich vermute,man redet deshalb so wenig darüber,weil man noch immer meint,dass sich der Westen desolidarisieren würde, wenn dies gesagt würde. Ich finde, dass diese

Bundesverband deutscher Banken 94 95 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Auffassung nachhaltig eine Unterschät- aufgetaucht ist, lautet, dass der Föderalis- zung der Bereitschaft bedeutet,ernsten La- mus, wie er im Augenblick praktiziert gen gewachsen zu sein, die sowohl im wird,nicht richtig und auch unterhalb sei- Westen als auch im Osten vorhanden ist. ner Möglichkeiten genutzt wird. Da sind Es wäre besser gewesen,wenn der Westen sehr viel gute Vorschläge gemacht wor- Sehr ermutigend waren seine Aufgabe und die Schwierigkeiten, den. Roman Herzog hat gesagt: Inzwi- die Beispiele aus unse- die er weiterhin zu bewältigen hat, deutli- schen sind 60 Prozent der Gesetze im ren europäischen Nach- barländern. cher erkannt hätte und der Osten besser Bundesrat zustimmungspflichtig; es müss- begriffen hätte, dass er nicht der Verlierer, te doch zu schaffen sein,dass man die Ver- sondern der Gewinner der Vereinigung ist. antwortlichkeiten und die Zuständigkei- Man hätte die Entwicklung als eine Art ten, aber auch die Entscheidungsmöglich- von Laboratorium für die viel größere Ver- keiten zum Wohle des Ganzen etwas ent- einigung verstehen können, die uns in zerrt. Das muss aber auch ein Prozess des ganz Europa bevorsteht. Gebens und Nehmens sein,das heißt,man Man könnte die Situation auch so be- muss den Ländern etwas dafür geben,dass trachten, dass Deutschland das erste Land sie bestimmte Mitentscheidungsmöglich- ist, das mit diesen besonderen Belastun- keiten verlieren. gen Erfahrungen sammeln konnte, die auf Sehr schön und, wie ich finde, auch ganz Europa zukommen,dass Deutschland sehr ermutigend waren die Beispiele aus also eine Art Lehrwerkstatt für das ist, was unseren europäischen Nachbarländern. es in der Europäischen Union geben wird. Wir können voraussetzen, dass die Grund- So könnte die Europäische Union viel bes- stimmung sowohl in den Niederlanden als ser auf das vorbereitet werden, was sie ir- auch in Schweden auf demselben sozial- gendwann an Einigungsleistung zu erbrin- demokratisch-protestantischen kulturellen gen hat. Milieu basiert. In diesen beiden Ländern Dieser Gedanke hat mich regelrecht haben die Schwierigkeiten der innerge- elektrisiert, auch als Form einer ganz an- sellschaftlichen Veränderung subjektiv deren politischen Botschaft, welche die und objektiv gesehen dieselbe Grundlage schwierige Lage nicht verkennt, sondern wie bei uns. Es ist ermutigend, wenn man sie nutzt, um neue Aufgaben zu formulie- sieht, dass man von der Krankheit zum ren. Man könnte ja auch überlegen, wel- Wunder kommen kann. In Schweden hat che Aufgaben irgendwann Länder wie man es sogar geschafft, das Wohngeld zu Korea vor sich hätten, wenn sie sich ver- streichen. Das ist eine Subventionskür- einigen sollten. Aber das ist ein weites zung,die in Deutschland schwer fällt,weil Feld. es dort nicht einmal gelingt, die Steinkoh- Ein Aspekt, der heute immer wieder lesubventionen zu kürzen. DR. ANTJE VOLLMER

Ich denke, eine Frage haben wir zu und vielleicht den Vorrang diplomatischer wenig behandelt – sie stellt gewisser- Lösungen und eine gewisse Kriegsuntaug- maßen das Lackmuspapier bezüglich der lichkeit,die einige zwar bedauern,von der Übellaunigkeit dar:Nämlich warum dieses viele jedoch denken, dass sie uns stärker Land, in dem einerseits die Menschen per- in andere Formen der Konfliktlösung ge- sönlich sagen, dass sie ganz gut leben, an- drängt hat. dererseits die öffentliche Stimmung so Frau Köcher hat darauf hingewiesen: schlecht ist und die Unternehmer – hier- Wir brauchen am Anfang eine saubere Ana- zu haben wir mit Leidenschaft vorgetra- lyse. Sie hat erklärt: Es gibt eine zu gerin- gene Ausführungen gehört – und nicht nur ge Veränderungsbereitschaft im Sozial- die Politiker hinter ihren Möglichkeiten staatsbereich und – als Folge der Globali- zurückbleiben, von außen her immer sierung – eine zu hohe Veränderungs- noch mit so ungeheuer großer Bewunde- bereitschaft im betrieblichen, im rung betrachtet wird. Ich finde, dass gera- unternehmerischen Bereich. Vielleicht ist de im Zeitalter der Globalisierung das In- das eine interessante Definition der Span- teresse am europäischen Way of Life und nung, dass man in dem einen Bereich an damit auch am deutschen Way of Life ge- Dynamik zulegen muss, während man in stiegen ist. Ich halte es für sehr interes- dem anderen Bereich – auch hier verwei- sant, dass man uns diese Art von Glück se ich auf die Ausführungen von Herrn Dieses Land hat eine Reihe von Neuerungen zwar von außen zudefiniert, wir sie aber Grupp – vielleicht ein bisschen an Dyna- aufzuweisen, um die offensichtlich nicht mehr spüren. Die Be- mik abbauen muss bzw.ein bisschen mehr uns viele beneiden. wunderung des Auslands für uns beruht Verantwortung für das eigene Land ein- zum einen darauf, dass man feststellt: Die- fordern dürfte. ses Land hat es geschafft,nach der Zeit des Die Griechen haben gesagt, dass das Totalitarismus einen Mittelstand und bür- Schöne immer wahr ist. Roman Herzog gerliche Eliten hervorzubringen, einen weist immer darauf hin, dass das Einfache Geist von Freiheit und Individualismus, vernünftig ist und dass das Vernünftige Wohlstand und sozialen Konsens zu schaf- einfach ist. Er hat das an den Beispielen fen.Es ist,verglichen mit anderen Ländern des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft, und deren Parlamenten, doch noch weit- der Verwaltungsreform, der Bildungspoli- gehend korruptionsfrei, es ist stabil – das tik und der Gesundheitspolitik dargestellt. ist die Kehrseite der geringen Reformdyna- Ich glaube, die meisten konnten ihm zu- mik –, es hat eine Reihe von Neuerungen stimmen. aufzuweisen, um die uns viele beneiden, Ich möchte zum Schluss auf das zu beispielsweise die Entwicklung einer Zivil- sprechen kommen, was ich während die- gesellschaft, eine ökologische Erneuerung ses Tages an Verbesserungsvorschlägen

Bundesverband deutscher Banken 96 97 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

registrieren konnte, die im Plenum teil- Programme, ganz im Sinne von Mark weise mehr, teilweise weniger akzeptiert Twain, damit man weiß, in welche Rich- zu werden schienen. Vieles bezog sich – tung man geht. das freut mich natürlich – auf das parla- Sie haben gesagt,Herr von Dohnanyi, mentarische System. Ich glaube, es wäre Helmut Kohl könne man in gewisser Hin- schon ganz viel gewonnen, wenn das Par- sicht als besten sozialdemokratischen lament mehr Zeit hätte, vor allen Dingen Kanzler betrachten. Die Mehrzahl unserer Parlament sein zu dürfen und nicht Wahl- Bundesregierungen wurde von einer kon- kampfmaschine oder Parteienbesitz. servativen Mehrheit geführt.Trotzdem be- Schon die Verlängerung der Wahlperiode klagen alle als Ergebnis dieser vielen, vie- und die Konzentration der Wahltermine len Jahre, dass wir zu viel von sozialde- auf zwei – einen Landtagswahltermin und mokratischem Sozialstaat haben, zu viel einen Bundestagswahltermin – würden Staatsnähe und dergleichen. Das ist ein in- ungeheuer viel Zeit für das freimachen, teressanter Punkt. Vielleicht ist es an die- was wir wirklich brauchen. ser Stelle wirklich wichtig zu fragen: Wie Schwieriger ist die Frage zu beant- ließe sich das Spektrum deutlicher und worten: Wie rekrutieren wir die Eliten? unterscheidbarer differenzieren? Ich glau- Arnulf Baring hofft immer noch darauf, be, dass die Parteien von ihrer Tradition dass wir einmal eine demokratisch legiti- und ihrer Farbe her Rechte und Pflichten mierte Führungsfigur von großem Vor- haben. So wie ich finde, dass die Steuerre- Die Parteien sollten bildcharakter bekommen. Ich habe ihm form und der Abbau von zu viel Staatszu- ihre Hauptaufgabe er- füllen, nämlich Unter- bereits gestern erklärt: Ich glaube, die Zeit ständigkeit gerade von konservativen Par- schiede und Differen- ist vorbei, dass diese große prägende teien hätten geleistet werden müssen, so zen herauszuarbeiten. Führungsfigur aus dem Parteiensystem richtig ist das, was Herr von Dohnanyi ge- kommt. sagt hat, nämlich dass die Aufgabe, die Ge- Viel wichtiger wäre – das wurde hier werkschaften in die ganz sicher schwieri- immer wieder angesprochen und hat, gen Reformen mit einzubeziehen, im We- glaube ich, sehr viel Zustimmung gefun- sentlichen eine Aufgabe zwar nicht so sehr den –: Wenn wir schon diese Parteien ha- von Rot-Grün, aber doch von sozialdemo- ben und sie uns sozusagen die großen Ge- kratischer Regierungsführung ist. Man nies nicht liefern, sollten sie wenigstens wird sehen, wie weit man kommt. ihre Hauptaufgabe erfüllen, nämlich deut- In dieser Situation, da sich meiner liche Unterschiede und Differenzen her- Meinung nach die Parteien nicht deutlich auszuarbeiten, damit sich das Volk ent- genug programmatisch unterscheiden,fin- scheiden kann – nicht für die großen Vor- de ich persönlich, dass das Sich-Verlassen bildfiguren, aber vielleicht doch für die auf Kommissionen eigentlich eine Krücke DR. ANTJE VOLLMER

ist, die dem Parlament letztendlich nicht populistische Debatte zu überstehen. Das gut tut.Es wäre besser,wenn die großen Un- ist nicht gut. terscheidungen, die im Sinne von Roman Wenn sich das Parlament selbst die- Herzog einfacher sein müssten, mehr in ses Sachverstandes bedient, also das Parla- Große Umbruchzeiten den Parteien deutlich würden und damit ment eine Kommission einsetzt, ist das schaffen sich in der Regel auch große dem Wähler deutlicher zur Entscheidung vollkommen in Ordnung. Wir reden hier Lösungen. vorgelegt würden, sodass diejenigen ar- aber über außerparlamentarische Kom- beiten, die über die entsprechenden Man- missionen, über Regierungskommissio- date verfügen. Mein größtes Problem hin- nen, die sich letztendlich in der öffentli- sichtlich der Kommissionen besteht nicht chen Meinung vorbei an den gewählten nur in einer gewissen Schwächung des Mandatsträgern ihre Zustimmung holen. Parlaments, sondern auch darin, dass da- Eine solche Entwicklung wäre, wie ich durch politische Macht an Gruppen geht, glaube, auf Dauer wirklich schwierig. die eigentlich kein Mandat haben. Ich fin- Herr Kok, Sie haben den schönen de, wir dürfen nicht von dem Moment ab- Satz benutzt:Wir fühlten die Krise. Damit gehen, dass man ein Mandat benötigt. Die haben Sie eigentlich vollständig erklärt, Wähler müssen auch deutlicher wissen, warum Sie in der Gesellschaft plötzlich was sie erwarten können. auch für unpopuläres Verhalten die Unter- Mir scheint das Zurückgreifen auf stützung bekommen haben. Ich glaube, Kommissionen nicht so sehr das Ergebnis wir haben im Laufe dieser Veranstaltung von Feigheit zu sein, sondern eher ein Er- etwas deutlicher diese Krise gefühlt und gebnis von Mediendemokratie.Wir haben gespürt. Große Umbruchzeiten schaffen eine Mediendemokratie, die gerade das in sich in der Regel – da gebe ich die Hoff- Wahlen gewonnene Mandat permanent in nung nicht auf – auch große Lösungen. Es populistischen Kampagnen zerreibt. Sie muss nur genügend Menschen klar sein, müssen nur in die Zeitungen dieser Tage dass es sich um eine solche große Um- schauen, um festzustellen, dass es nicht so bruchzeit handelt.Vielleicht befinden wir sehr um die Frage geht, ob die Probleme uns wirklich in einer Situation – das war gelöst werden, sondern man macht den das Gute an der Runde mit den jungen Par- Politikerberuf, den Abgeordnetenberuf lamentariern –, dass das Schauen auf die letztendlich zu einer ehrlosen Sache.Dann Generation, die im Wesentlichen die Bun- greift man zu Kommissionen, weil sie desrepublik aufgebaut hat und enorme scheinbar für eine bestimmte Zeit dieser Opfer gebracht hat, abnimmt. Diese Gene- populistischen Kritik entzogen sind und ration hat das Gefühl, dass ihr eine gewis- für eine bestimmte Zeit helfen, diese se Genugtuung für diese Aufbauleistung öffentliche Zerreibungsdebatte, diese zusteht. Dieses Gefühl haben die Politiker

Bundesverband deutscher Banken 98 99 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

durch Rentensteigerungen und das Sich- Generation kann man im Hinblick auf die Kümmern um die Altersarmut befriedigt, Bilanz ihres Lebens mehr zumuten. Sie weil das aufgrund der Biographie dieser kann etwas mehr schultern zugunsten der Bürger, welche die Bundesrepublik Generation der heute noch Jungen. Deutschland aufgebaut haben, historisch Wenn sich dieses subjektive Gefühl gerecht war. mit dem Gefühl vermischt, dass wir uns Diejenigen, die jetzt allmählich ins wirklich in einer großen Krise befinden Rentenalter kommen, gehören einer Ge- und dass insofern die Republik insgesamt neration an, welche die Fülle und das zu verteidigen ist, dann kann darauf auch Glück dieser Republik im Wesentlichen die Politik bauen. Jedenfalls sollte sie es bereits hat genießen können. Dieser versuchen. K

Bundesverband deutscher Banken 100 101 Verabschiedung

DR. MANFRED WEBER, Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandes, Bundesverband deutscher Banken, Berlin

Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Es ist mir ein Anliegen,Ihnen,Frau Dr.Vollmer, herzlich für die Zusammenfassung und den Ausblick zu danken. Ich glaube, ich sollte Ihre Ausführungen nicht weiter kommentieren; wir sollten sie wirken lassen und mitnehmen,wie wir überhaupt,so meine ich,viele Anregungen mit nach Hause neh- men können. Ich wünsche mir, dass das eine oder andere im jeweiligen persönlichen Wirkungsfeld ein bisschen weitere Kreise zieht. Nicht alles,was wir heute gehört haben,war neu.Wer hätte dies auch erwarten kön- nen? Schließlich diskutieren wir über manche Probleme, die uns heute beschäftigt ha- ben,schon seit vielen Jahren,ohne dass sich – nach meinem Urteil:leider – wirklich Ent- scheidendes verändert hätte.Vielleicht ist es mit Deutschland so wie mit einem schlech- ten Schüler: Man muss die Hoffnung haben, dass durch häufige Wiederholung am Ende doch etwas hängen bleibt und die Situation etwas besser wird. Um im Bild zu bleiben: Das Fazit unserer Gespräche könnte vielleicht auch lauten, wir haben noch Hausaufga- ben zu erledigen, und wenn wir dies nicht tun, dann kommt der Zeitpunkt, da die Ver- setzung gefährdet ist. Heute war mehrfach von der Stimmungslage in der Bevölkerung die Rede. Ich möchte aus unserer aktuellen Umfrage zum Schluss noch ein Ergebnis hervorheben,das diese Situation treffend darstellt. Nur jeder zehnte Deutsche findet, dass die gesell- schaftlich notwendigen Reformen in unserem Lande schnell genug vorankommen. Kurt Tucholsky hat einmal gesagt: Das Volk versteht das meiste falsch, aber es fühlt das meiste richtig. Er hat damit in vielerlei Hinsicht Recht gehabt. Es mag sein, ja, es ist gewiss so, dass in der Bevölkerung sehr unterschiedliche Vor- stellungen darüber bestehen, von welcher Art die notwendigen Reformen sein sollten. Die gemeinsame Haltung aber ist:Wir brauchen mehr Dynamik, mehr Mut. Es braucht in der Tat einen neuen Aufbruch, wirtschaftlich und politisch. Lassen Sie uns gemein- sam an diesem Ziel arbeiten, jeder an seinem Platz, allen Schwierigkeiten und allen Hin- dernissen zum Trotz. Ein Wort noch in eigener Sache. Im Laufe dieses Tages war immer wieder auch die Rede von Bedenkenträgern, von Interessengruppen, die letztlich Reformen blockieren. Vielleicht werten Sie es als ein kleines Zeichen der Hoffnung: Sie waren, ja, Sie sind im- mer noch auf der Veranstaltung eines deutschen Verbandes. Ich danke Ihnen für Ihre engagierte Teilnahme. Ich würde mich freuen, Sie im nächsten Jahr wieder begrüßen zu können.Auf Wiedersehen!

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Europe – unfinished business RT. HON. PETER MANDELSON, MP

Dinner-Speech am Vorabend des Zehnten Gesellschaftspolitischen Forums der Banken Schönhauser Gespräche 20. November 2002, Hotel Adlon, Berlin

Bundesverband deutscher Banken 104 105 „Europe – unfinished business“ Europe – unfinished business

RT. HON. PETER MANDELSON, MP Member of Parliament, London

L adies and Gentlemen! I’m very pleased to come to Berlin. It’s a privilege to be here. Rolf (Breuer) was kind enough to credit me with Tony Blair’s election victory and it’s true I did make some contribution to that. In Britain I’m known as the architect of New Labour. For some, I’m the saviour of socialism in Britain; for others I’m afraid I’m the betrayer of socialism in Britain. However, we did win an extremely large majority. I’m in the presence of some very distinguished people at my table. A few years ago I was privileged to be in the City of London to hear a tremendous speech delivered in the Guildhall by Chancellor Kohl when he became a Freeman of the City of London. And I would simply like to say that while for you Chancellor Kohl is the father of the united ,for us – the people of my generation – he is a giant of the modern Eur- ope. And that reputation he will always have. I’m acutely aware that my speech now stands between you and your dinner. I once listened to a French minister declare at the beginning of his remarks on an occasion like this that no one should speak at dinner for longer than they are able to sustain the act of making love.Now I have been asked to speak for between fifteen and twenty minutes – and this will be a challenge. After all, I’m not French, I’m English. But I will do my best. But what I want to do this evening is to take as my theme not just Europe and the future and continuing construction of Europe. I want to take as my theme this evening what Europe hopes for from Germany. If you don’t mind. I cannot speak on behalf of all Europe.Indeed I cannot even speak on behalf of the British government although I am, by now, fairly familiar with the views of the British Prime Minister. In all our countries we are coming to terms with three distinct but inter-related forces. First, globalisation and knowledge – the transfer from a national to a world stage of the benefits of markets and enterprise, the rapid transfer of technologies and greater trade liberalisation, and the increasing importance of knowledge and human ca- pital,as our national economies are exposed to more intense international competition. To benefit fully from the opportunities of this new world, our economies need to be more flexible and dynamic in response to inevitable change. Manufacturing may suc- ceed in maintaining its share of national output through extraordinary attention to pro- ductivity,quality and innovation – but the number of jobs in manufacturing is bound to fall. Services must grow to fill the gap.And the opportunity is there: not just to satisfy the spending power of a wealthier society but to meet its changing needs.

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IT-based and communications ser- As a modern social democrat I wel- vices that exploit the potential of new come that. For people to think for them- technology;education services that satisfy selves and to lead more open, free lives is the demands of a knowledge economy; welcome. We should be celebrating indi- services that cater to the new and diverse vidualism, not condemning it. Not trying Collective structures needs of two earner families and an ageing to push people back into boxes or into are in decline through- population; financial services – very many compartments or to traditional loyalties as out society. services for which there will be growing if there were some automatic, inherited demand in our changing society. lifestyle or political affiliation that by So there is no need for despair about some law people must continue to re- the potential for new jobs in the know- spect regardless of their changing lives. ledge economy in my very firm view.And But when this risks the erosion of co-ope- most of these jobs will be high quality ration and solidarity, and the breakdown knowledge jobs. It is a myth that the only of community bonds and respect for alternative to being the workshop of the others in society,this may generate intole- world is to become an economy of clothes rance and anti-social behaviour of a de- boutiques and hamburger stands. I have structive kind which reads across to peo- no objection to either of those two things, ple’s political behaviour. but they will not be the only alternative to Thirdly, alongside individualism, there what we have traditionally done and to is a greater recognition of interdepend- the employment we have traditionally ence. Political problems are bigger than generated in our economies. any nation state can solve.That is the cen- But success in the knowledge eco- tral idea of our European Union – the rec- nomy does require above all else flexibil- ognition that there are challenges, there ity and faster response to market change. are problems that we can only address and Governments have to strike a difficult bal- which we can only solve by working to- ance between offering job protection to gether in co-operation. Indeed, some of employees and easing the inevitable eco- these problems may be bigger than any- nomic adjustment. thing can solve – but that should not stop Alongside the emergence of the us trying. But when it comes to global global knowledge economy we have, sec- warming, the safety of our food or terror- ondly, the rise of individualism. Collective ism, there is a real sense that we are all in structures are in decline throughout so- the same boat together. And I think peo- ciety.In politics traditional class identities ple increasingly recognise that at all levels are weakening – and that is as true of Ger- of society. many, I suggest, as it is of Britain. All governments need to adapt their RT. HON. PETER MANDELSON

economic and social models and thinking Chancellor himself understands and recog- to these three forces – globalisation, indi- nises. vidualism and interdependence – other- That’s why we want more,not less,of wise employees and trade unions will suf- Germany. And we want this not only in fer as much as bosses and banks.The pain, economic, employment and welfare pol- the consequences will not be restricted to icy – as the government has started to one part of society.These consequences do – but in the conduct of foreign and de- will be felt by everyone throughout so- fence policy,and in relation to the institu- ciety. tional future of the European Union. Which brings me, if I may, to Ger- Let me comment briefly on each of many.And let me anticipate, in a scrupu- these three areas: lously neutral – well at least diplomatic – First, labour market and welfare state way, your discussion tomorrow.When ask- reform.At the European Council in Lisbon There is still too much emphasis in Europe ing himself a similar question to the one I two years ago, European leaders acknow- on subsidies and state am addressing tonight – what do we ex- ledged that the EU was not living up to its aids. pect of Germany – Chancellor Schröder economic potential. They set a ten-year caused controversy in the election cam- goal of becoming the most competitive paign by suggesting that the answer may and dynamic knowledge-based economy be found in a Deutscher Weg, a German in the world. way. Can any of us be really satisfied with Why should there be controversy? I the progress that is being made? I do not suggest Germany’s friends and partners, think so.There is still too much emphasis like New Labour in Britain, are perfectly in Europe on subsidies and state aids, la- comfortable with a German way.Europe’s bour market regulation and measures to economic recovery and enduring indus- block mergers and acquisitions in order to trial strength depend on Germany protect the industrial status quo against coming to terms in its own way with glob- the effects of globalisation. alisation. Structural change is the only Of course, there have been achieve- long-term answer even where this means ments – new jobs have been created, overcoming the reluctance of important there are many more women in work, groups in society: of course social con- there has been telecom liberalisation and sensus is desirable and of course social internet access has doubled across the EU. consensus is important, but it cannot, I Germany’s own digital catch up has been suggest, be an excuse for immobilism – truly impressive. and even worse paralysis. Muddling But everyone realises we have to do through is not an option, as I believe the more – much more. We need a genuine

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opening up of energy and financial markets do not believe the British government has to bring down costs to business and the any atavistic or anachronistic fears of a consumer. We need to invest in lifelong bigger German role. If there is any inhib- learning and updating skills. We need to ition about that, in my experience it reduce the burden of taxes and social comes from the Germans themselves, not charges on jobs, especially low paid jobs from other people. that offer routes for the unemployed back Indeed,a bigger German role is a pre- into the labour market. That’s precisely condition for, not a contradiction of, a what we’ve been doing in Britain with more effective and united European way tremendous success.In my constituency – that I would like to see in foreign and de- a poor constituency in the north east of fence policy matters. Only a more assert- England – unemployment has been halved, ive Germany, willing to do more, espe- youth unemployment cut by two thirds since cially in reforming its armed services, will 1997. Can you imagine what that means be big enough to deliver the needed step- for a town and a community like mine? change in the EU’s collective capabilities We need to re-think welfare benefits that are still largely dependent on French to ensure that they offer proper incentives and British resources. to take jobs and train for those new skills I do not underestimate what Ger- that people need in order to gain employ- many is already doing around the world ment in the new economy. and from February next year Germany will Let me reassure you, if you need re- take the lead role in Afghanistan. And I assurance.I am not suggesting there is any understand the very severe budgetary single model – Rhineland, Anglo-Saxon, constraints Germany faces – but this Neue Mitte or Third Way – of a social mar- makes more intensive co-operation, and ket economy that can be rolled out across more intelligent use of existing defence We need to reduce the Europe. There is no single blueprint for resources all the more necessary. burden of taxes and social charges on jobs. adapting to globalisation and building the Procurement co-operation will become knowledge economy. more and more a central issue to achieve The Lisbon process combines the a real European defence in the future.We Sinatra doctrine – “I did it my way” – with need a new, clearer specialisation of roles the Nike imperative of “Just do it”. I sug- within the alliance, and pooling of roles, gest to you that the key now is for each for example in strategic airlift. Britain country to meet the targets and bench- tends, I have to say, to be rather hesitant marks set out in the European Employ- about all this, but we too will need to ment Strategy. change our thinking in order to come to Second, foreign and defence policy. I terms with the new realities in the RT. HON. PETER MANDELSON

Europe of the future. construction and to the development of Which leads to the third area, the the European house would be enhanced if future of Europe.This is too big a topic for there was a little less British hysteria about a few observations – nonetheless, let me Europe from certain quarters, and less de- make some. fensiveness in others. Equally,I should say Mr Blair’s view is clear, and he will that Britain’s European spirit – and it is a expand on it in a speech next week. He strong and growing European spirit – will wants, the British government wants, I not be enhanced by any sense that France want,“more Europe”, not less.That is the and Germany are making secret deals that settled view of the British government, effectively exclude Britain. that is a tenet of New Labour: we want I say this in particular because I be- more Europe – greater shared sovereignty lieve this approach is especially unhelpful The British government wants „more Europe“, where this enables member states to tackle to the campaign we are mounting which not less. the challenges they can no longer meet on will lead in due course to an assessment, their own. But the Prime Minister also which will lead in due course to the ap- wants this integration rooted more in the plication of certain tests, which will in democratic institutions and accountabil- time lead to a referendum about Britain’s ity of each member state in order to over- entry to the single currency. If people in come the democratic and credibility def- Britain feel that European affairs are being icit that exists in the minds of too many of fixed by two countries from which we in our European citizens. This is not about Britain are excluded that is not an incen- the old intergovernmental versus federal tive to vote in favour of going further into battle line.That’s settled. Nobody is seek- Europe and signing up to Europe’s single ing to reopen that argument and I hope currency. no one in Germany will reignite this old We recognise – and I want to stress argument either in the months to come. this – that without a close German-Franco The Prime Minister recognises also the co-operation there will be less progress in need for stronger collective institution- Europe. Look at the progress in the Europe al structures – including a stronger, more that was created between France and Ger- effective Commission – but this will be many in the generation of Mitterand and acceptable to our citizens only if member Kohl.That motor needs to work still today, states are given a bigger role in EU for example if enlargement is to happen accountability and receive appropriate smoothly and if CAP reform is ever to be- policy room for manoeuvre. come a reality, as it needs to do. It hardly needs saying by me that But Gerhard Schröder has an oppor- Britain’s own contribution to European tunity to build as close a relationship with

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Britain with Tony Blair as Prime Minister, internationalist foreign policy. as Konrad Adenauer built with Charles de Germany is important,and important Gaulle forty years ago. Germany does not in particular as a friend and ally of Britain. need to make a choice between Britain Therefore we expect a lot from you, even and France; instead it has an historic op- though you are doing a lot already. I have portunity to develop a new partnership no doubt that the co-operation between without disrupting the old one. our two countries, and the closeness Ladies and gentlemen, may I say this forged by our governments’ two leaders, in conclusion.The German way that I, and will lead both to greater – mutual – people in my generation, welcome is a expectations and even greater delivery in commitment to the values and continued the future.That must be good for Germany construction of the European house based and Britain, and – I suggest – it must be on economic strength and reform, social good for Europe as a whole. cohesion and new ideas in welfare,and an S

Bundesverband deutscher Banken 112 113 Die Redner

Dr. Rolf-E. Breuer, geboren 1937 in Bonn, studierte nach einer Banklehre Jura an den Universitäten Lausanne, München und Bonn. 1967 promovierte er zum Dr. jur. an der Universität Bonn. Nach einer Tätigkeit in der Karlsruher Niederlassung der Deutschen Bank wechselte Breuer 1969 in die Börsenabteilung in der Frankfurter Zentrale der Bank.1974 wurde er Leiter und Direktor der Börsenabteilung,im Jahr 1985 Mitglied des Vorstandes. 1997 folgte die Berufung zum Sprecher des Vorstandes und Chairman des Group Executive Committees. Seit Mai 2002 ist er Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Bank. Dr. Breuer ist seit November 2001 Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken.

Dr. Klaus von Dohnanyi, geboren 1928 in Hamburg, absolvierte in München das Studi- um der Rechtswissenschaften. Im Jahr 1950 promovierte er zum Dr. jur. Zwischen 1953 und 1960 war er für die in und Köln tätig. In den Jahren von 1960 bis 1968 arbeitete er als Geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Marktforschung und Unternehmensberatung Infratest. Seine politische Karriere begann 1968 als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft. 1972 wurde er zum Bun- desminister für Bildung und Wissenschaft und 1976 zum Staatsminister im Auswärtigen Amt ernannt.Zwischen 1981 und 1988 war er Erster Bürgermeister der Freien und Han- sestadt Hamburg. Dr. Klaus von Dohnanyi ist Autor und Herausgeber mehrerer Sach- bücher und Mitglied des Club of Rome.

Prof. Dr. Roman Herzog, geboren 1934 in Landshut, studierte Rechtswissenschaften in München.1958 promovierte er zum Dr.jur.und wurde 1966 als Professor für Staatsrecht und Politik an die Freie Universität Berlin berufen. Drei Jahre später schloss sich eine Professur für Staatslehre und Politik an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer an. Im Jahr 1973 wurde er Bevollmächtigter des Landes Rheinland-Pfalz, 1978 Minister für Kultur und Sport in Baden-Württemberg und 1980 Innenminister des Lan- des. Zwischen 1983 und 1987 war Professor Herzog Vizepräsident des Bundesverfas- sungsgerichts, von 1987 bis 1994 dessen Präsident. In den Jahren 1994 bis 1999 be- kleidete er das Amt des Bundespräsidenten. Wim Kok, geboren 1938 in Bergambacht, studierte am Niederländischen Ausbildungs- institut für das Ausland „Nijenrode“. 1961 wurde er Assistent für internationale Angele- genheiten der Baugewerkschaft im Gewerkschaftsbund der Niederlande (NVV). Im Jahr 1969 übernahm er die Aufgabe des Sekretärs des NVV und wurde von 1973 bis 1985 Vorsitzender des NVV.Von 1979 bis 1982 war er auch Präsident des Europäischen Ge- werkschaftsbundes (EGB).Von 1986 bis 1989 und von 1994 bis 1998 war er als Frak- tionsvorsitzender der Partei der Arbeit Mitglied der Zweiten Kammer der Generalstaa- ten. 1989 wurde er im Kabinett Lubbers Stellvertretender Ministerpräsident und Minis- ter für Finanzen.Von 1994 bis zum Frühjahr 2002 war er Ministerpräsident und Minis- ter für Allgemeine Angelegenheiten.

Rt. Hon. Peter Mandelson, geboren 1953 in Hendon,studierte Philosophie,Politik und Wirtschaft am St. Catherine’s College in Oxford. Er arbeitete als TV-Produzent und wur- de 1985 zum Direktor für Wahlkampf und Kommunikation der Labour Partei ernannt. Seit 1992 ist er Mitglied des britischen Unterhauses. Peter Mandelson war zwischen 1997 und 1998 Minister ohne Geschäftsbereich und anschließend Wirtschaftsminister, zwischen 1999 und 2001 Minister für Nordirland. Im Jahr 1996 veröffentlichte er ge- meinsam mit Roger Liddle das Buch „The Blair Revolution“. Er ist Vorsitzender des Po- licy Networks, einem europäischen „Think Tank“, und der UK-Japan Group, die sich um die Förderung der Beziehungen beider Länder bemüht.

Dr. Antje Vollmer, geboren 1943 in Lübbecke, studierte Evangelische Theologie in Berlin, Heidelberg,Tübingen und Paris. In der Zeit von 1969 bis 1975 war sie als Assis- tentin an der Kirchlichen Hochschule Berlin tätig, absolvierte ein Zweitstudium im Be- reich der Erwachsenenbildung und promovierte zur Dr. phil.Von 1976 bis 1982 arbei- tete sie als Dozentin in der ländlichen Bildungsarbeit in Bielefeld-Bethel. In den Jahren 1983 bis 1990 war sie Mitglied der Fraktion Die Grünen im Deutschen Bundestag und zeitweise als Fraktionssprecherin tätig. Überwiegend publizistischen Tätigkeiten widmete sie sich in den Jahren 1991 bis 1994.Außerdem arbeitete sie in einer Epilep- sie-Klinik in Bethel. Seit 1994 ist Frau Dr.Vollmer wieder Mitglied des Deutschen Bun- destages und dessen Vizepräsidentin.

Bundesverband deutscher Banken 114 115 DIE REDNER

Dr. Manfred Weber,geboren 1950 in Altenkofen, ist seit 1992 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken und seit 1997 Mitglied des Vorstandes. Er studierte Nationalökonomie in Frankfurt am Main und promovierte anschließend.Von 1980 bis 1985 arbeitete er in der Hauptabteilung Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank.Von 1986 bis 1991 war er als Leiter des Büros des Vizepräsidenten der Deutschen Bundes- bank und von 1991 bis 1992 bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel tätig. Seit dem Jahr 2000 bis Oktober 2002 war Dr.Weber zudem Chairman of the Executive Committee der Europäischen Bankenvereinigung.

Per Westerberg,geboren 1951 in Nyköping, ist seit 1979 Mitglied des schwedischen Parlaments. Nach beruflicher Tätigkeit im Management verschiedener schwedischer Industrieunternehmen war Westerberg von 1991 bis 1994 Industrie- und Handelsmini- ster in der Regierung Bildt und als solcher verantwortlich für wegweisende Struktur- veränderungen des schwedischen Wirtschafts- und Sozialsystems in Richtung größerer Liberalisierung und Privatisierung.Westerberg ist Vorsitzender des Umwelt- und Land- wirtschaftsausschusses des schwedischen Parlaments und ehemaliger Vorsitzender des Industrieausschusses. Er gehört dem Vorstand der Moderaten Sammlungspartei Schwe- dens an. Moderation/Statements

Daniel Bahr, geboren 1976 in Lahnstein,absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Dresdner Bank in Schwerin. Zurzeit studiert er als Förderstudent des Finanz- institutes Volkswirtschaftslehre in Münster.Bahr ist seit 1990 Mitglied der Jungen Libera- len und trat 1992 in die FDP ein. Seit 1999 ist er Bundesvorsitzender der Jungen Libera- len.Im Mai 2001 wurde er Ordentliches Mitglied des FDP-Bundesvorstandes.Daniel Bahr ist seit September 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages.

Dr. Hans D. Barbier, geboren 1937 in Mönchengladbach, studierte Nationalökonomie in Saarbrücken und fand nach der Promotion zum Journalismus.Fünf Jahren Korrespon- dententätigkeit bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgten zwölf Jahre bei der Süd- deutschen Zeitung. 1986 kehrte Barbier zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung zurück und leitete bis zum Frühjahr 2002 das Ressort Wirtschaftspolitik. Seit Januar 2002 ist Dr.Barbier Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung.Der Nationalökonom hat zahlreiche Auszeichnungen für seine ordnungspolitischen Kommentare erhalten,u.a.die Bernhard- Harms-Medaille des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, den Ludwig-Erhard-Preis für Wirt- schaftspublizistik und den Karl-Bräuer-Preis des Bundes der Steuerzahler.

Prof. Dr. h.c. Roland Berger, geboren 1937 in Berlin,studierte Betriebswirtschaftslehre in München und Hamburg. Er ist Chairman und Global Managing Partner von Roland Ber- ger Strategy Consultants, München.Vor der Gründung von Roland Berger & Partner im Jahr 1967 war er als Berater und zuletzt als Partner bei einer der heute führenden ame- rikanischen Beratungsgesellschaften in Boston und Mailand tätig. Professor Roland Ber- ger wurde von 1996 bis 1999 von Bundespräsident Roman Herzog in den „Innovati- onsbeirat des Bundespräsidenten“ berufen und war Mitglied des Sachverständigenrates „Schlanker Staat“ der Bundesregierung.

Bundesverband deutscher Banken 116 117 MODERATION/STATEMENTS

Alexander Bonde, geboren 1975 in Freiburg, studierte Rechtswissenschaft und Verwal- tungswirtschaft in Freiburg und Kehl. Seit 1993 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen, war Bonde bis September 2002 als Geschäftsführer der Agentur public-office, Wahl- management & Strategieentwicklung, und als persönlicher Referent bei der finanz- politischen Sprecherin der baden-württembergischen Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen tätig.Von 1995 bis 1997 und seit 1999 war und ist er im Landesvorstand der baden-württembergischen Grünen. Alexander Bonde ist seit September 2002 Mit- glied des Deutschen Bundestages.

Prof. Dr. h.c. Joachim Fest, geboren 1926 in Berlin, arbeitete seit seinem Jura-, Germa- nistik- und Geschichtsstudium für verschiedene Zeitungen und Rundfunkanstalten.1963 wurde er Chefredakteur des Fernsehens beim Norddeutschen Rundfunk, übernahm 1965/66 die Leitung des Fernsehmagazins „Panorama“ und widmete sich zunächst einer Hitler-Biographie, die 1973 veröffentlicht wurde.Von da an war Professor Fest 20 Jahre lang der für das Feuilleton verantwortliche Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 1981 verlieh ihm die Universität Stuttgart die Ehrendoktorwürde in Anerken- nung seiner Verdienste auf dem Gebiet der Geschichtsschreibung. Zahlreiche Würdi- gungen und Auszeichnungen folgten. Er ist unter anderem Senator der Deutschen Na- tionalstiftung und Ehrenprofessor der Universität Heidelberg.

Nina Hauer, geboren 1968 in Frankfurt am Main,ist Gymnasiallehrerin,Master of Business Administration (University of Wales) und geprüfte Finanz- und Anlageberaterin.Sie ist seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort ist Nina Hauer Mitglied im Finanzaus- schuss, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol- genabschätzung sowie im Sonderausschuss Maßstäbegesetz/Finanzausgleichsgesetz tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Finanz- und Steuerpolitik sowie der Finanzmarkt.Weitere Aufgaben nimmt sie als stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wahr. Dr. Renate Köcher, geboren 1957 in Frankfurt am Main, studierte Volkswirtschafts- lehre, Publizistik und Soziologie in Mainz und München. 1985 folgte die Promotion zur Dr. rer. pol. Seit 1988 ist sie Mitglied der Geschäftsführung des Instituts für Demoskopie Allensbach.Sie ist Mitglied des Kuratoriums der Akademie für Politische Bildung Tutzing, des Beirates der Landesbank Baden-Württemberg, des Verwaltungsrates des Bankhauses Trinkaus & Burkhardt, des Universitätsrates der Universität Mannheim, des Kuratoriums der Eberhard von Kuenheim Stiftung und des Innovationsforums Baden-Württemberg.

Hildegard Müller, geboren 1967 in Rheine,studierte nach einer Ausbildung zur Bankkauf- frau Betriebswirtschaft in Düsseldorf. Seit März 1995 ist sie als Prokuristin bei der Dresdner Bank tätig. Hildegard Müller ist Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschland.Weiterhin ist sie stellvertretende Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU NRW, Mitglied der Ludwig-Erhard-Stiftung, Mitglied des Bundesvorstandes der Mittel- stands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Deutschlands, Mitglied im Verwaltungsrat des Westdeutschen Rundfunks und Mitglied des ZDK. Im September 2002 wurde Frau Müller in den Deutschen Bundestag gewählt.

Jürgen Peters, geboren 1944 in Bolko,ist Zweiter Vorsitzender der IG Metall.Nach seiner Ausbildung zum Maschinenschlosser besuchte er die Berufsfachschule und anschließend die Akademie der Arbeit in Frankfurt am Main.Von 1969 bis 1976 war er als Lehrer an der IG Metall Bildungsstätte Lohr tätig.Ab 1976 arbeitete er im Zweigbüro des Vorstands in Düsseldorf, dessen Leitung er später übernahm.Von 1988 bis 1998 war er Bezirksleiter der IG Metall, Bezirk Hannover für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Seit 1999 ist Jürgen Peters Mitglied des Senats der Fraunhofer Gesellschaft.

Bundesverband deutscher Banken 118 119 Die Teilnehmer 20./21. November 2002

Dr. Konrad Adam, Chefkorrespondent, Detlef Bierbaum, Persönlich haftender Die Welt, Berlin Gesellschafter, Sal. Oppenheim jr. & Cie. KGaA, Köln Rolf Anders, Chefredakteur, Czerwensky Intern Kronberger Verlags-GmbH, Rainer Bittermann, Leiter Wirtschaft Frankfurt am Main und Gesellschaft, Deutschlandfunk, Köln Gerd Appenzeller, Redaktionsdirektor, Prof. Dr. Charles B. Blankart, Wirt- Der Tagesspiegel, Berlin schaftswissenschaftliche Fakultät, Hum- boldt-Universität zu Berlin Dr. Wolfgang Arnold, Stv. Hauptge- schäftsführer, Bundesverband deutscher Martin Blessing, Mitglied des Vorstan- Banken, Berlin des, Commerzbank AG, Frankfurt am Main Daniel Bahr, Bundesvorsitzender, Junge Liberale, Mitglied des Deutschen Bundes- Dr. Cornelius Boersch, Vorsitzender des tages, Berlin Vorstandes,ACG Aktiengesellschaft für Chipkarten und Informationssysteme, Dr. Hans D. Barbier, Vorsitzender der Wiesbaden Ludwig-Erhard-Stiftung, Bonn Nikolaus Böhmcke, Secretary General, Prof. Dr. Arnulf Baring, Historiker und Banking Federation of the European Publizist, Berlin Union, Brüssel Stefan Baron, Chefredakteur,Wirtschafts- Prof. Dr. Wolfgang Böhmer, Minister- woche, Düsseldorf präsident des Landes Sachsen-Anhalt, Markus Becker-Melching, Bundesver- Magdeburg band deutscher Banken, Berlin Alexander Bonde, Mitglied des Deut- Dr. Günther Beckstein, Staatsminister schen Bundestages, Berlin des Innern, Bayerische Staatsregierung, Anton Franz Börner, Präsident, Bundes- München verband des Deutschen Groß- und Dr. Hans Bellstedt, Geschäftsführender Außenhandels, Berlin Gesellschafter, Plato GmbH, Berlin Prof. Dr. Axel Börsch-Supan, Gerd Benrath, Hauptgeschäftsführer, Mannheimer Forschungsinstitut Ökono- Arbeitgeberverband des privaten Bank- mie und Demographischer Wandel, gewerbes, Berlin Universität Mannheim Prof. Dr. h.c. Roland Berger, Chair- Dr. Heinz-Dieter Bosch, Mitglied der mann, Roland Berger Strategy Consul- Geschäftsführung, Bundesverband tants, München deutscher Banken, Berlin Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Bundes- Dr. Rolf-E. Breuer, Präsident, Bundesver- ministerin a.D., Berlin band deutscher Banken, Berlin, und Vor- Rolf Berndt, Geschäftsführendes Vor- sitzender des Aufsichtsrates, Deutsche standsmitglied, Friedrich-Naumann-Stif- Bank AG, Frankfurt am Main tung, Potsdam Daniela Bühe, Geschäftsführerin und Silvio Fagiolo, Botschafter der Republik Gesellschafterin, salaction public rela- Italien, Berlin tions GmbH, Hamburg Georg Fahrenschon, Mitglied des Deut- Dr. h.c. Karl Dietrich Bundschuh, Om- schen Bundestages, Berlin budsmann, Bundesverband deutscher Prof. Dr. Jürgen W. Falter, Institut für Banken, Berlin Politikwissenschaft, Johannes Gutenberg- Michael Graf von Buquoy, Direktor,Ver- Universität Mainz bindungsbüro Berlin, Commerzbank AG, Prof. Dr. h.c. Joachim Fest, Publizist, Berlin Kronberg im Taunus Prof. Dr. Wilhelm Bürklin, Mitglied der Jan Flaskamp, Mitglied des Vorstandes, Geschäftsführung, Bundesverband deut- FLASKAMP AG, Berlin scher Banken, Berlin Walter Flecken, Vorsitzender des Vor- Prof. Dr. Hans E. Büschgen, Banksemi- standes, Bankenverband Niedersachsen, nar, Universität zu Köln Hannover Mario Caroli, Persönlich haftender Heidrun Förster, Stv.Vorsitzende des Auf- Gesellschafter, Bankhaus Ellwanger & sichtsrates, Deutsche Bank AG, Berlin Geiger, Stuttgart Christa Franke, Leiterin Büro Berlin, BVI Dr. Gert Dahlmanns, Beauftragter des Bundesverband Investment und Asset- Stiftungsrates, Stiftung Marktwirtschaft, management, Berlin Berlin Hermann Franzen, Präsident, Hauptver- Dr. Nikolaos Dam, Botschafter des Kö- band des Deutschen Einzelhandels, Berlin nigreichs der Niederlande, Berlin Dr. Jörg Freiherr Frank von Fürstenwerth, Peter Dietlmaier, Leiter Corporate Mes- Geschäftsführendes Mitglied des Präsidi- sages,Allianz Versicherungs-AG, München ums und Hauptgeschäftsführer, Gesamt- Dr. Klaus von Dohnanyi, Bundesminister verband der Deutschen Versicherungs- a.D., Hamburg wirtschaft, Berlin Hansjörg Döll, Mitglied der Geschäfts- Wilhelm Freiherr von Haller, Mitglied führung, Bundesverband deutscher Ban- der Geschäftsleitung, Region Südwest, ken, Berlin Deutsche Bank AG, Stuttgart Prof. Dr. Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Max- Prof. Gisela Frick, Berlin Planck-Gesellschaft,Andechs Johannes Friedemann, Leiter, Unterneh- Prof. Dr. Norbert Eickhof, Wirtschafts- menskommunikation, comdirect bank und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Uni- AG, Quickborn versität Potsdam Dr. Michel Friedman, Vizepräsident, Zen- Bernd Euler, Mitglied des Bereichsvor- tralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R., standes, I&S BV Industrial Solutions and Frankfurt am Main Services, Siemens AG, Erlangen

Bundesverband deutscher Banken 120 121 DIE TEILNEHMER

Dr. Holger Frommann, Geschäftsführer, Prof. Dr. Evelyn Haas, Richterin des Er- Bundesverband Deutscher Kapitalbeteili- sten Senats, Bundesverfassungsgericht, gungsgesellschaften, Berlin Karlsruhe , Mitglied des Deutschen Dr. Louis Hagen, Hauptgeschäftsführer, Bundestages, Berlin Verband deutscher Hypothekenbanken, Berlin Georg Gafron, Chefredakteur, BZ auf Draht, Berlin Nina Hauer, Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin Dr. Susanne Gaschke, Die Zeit, Ham- burg Hansgeorg Hauser, Parlamentarischer Staatssekretär a.D., Beauftragter des Vor- Dr. Wolfgang Gehrmann, Die Zeit, Ham- standes,Verbindungsbüro Berlin, Com- burg merzbank AG, Berlin Dr. Lüder Gerken, Mitglied des Vorstan- Dr. Frank Heintzeler, Sprecher des Vor- des, Stiftung Marktwirtschaft, Berlin standes, Baden-Württembergische Bank Wolfgang G. Gibowski, Pressesprecher, AG, Stuttgart Stiftungsinitiative der deutschen Wirt- Horst-Diether Hensen, Ombudsmann, schaft, Berlin Bundesverband deutscher Banken, Berlin Dr. Martin Gillo, Staatsminister für Wirt- Heiner Herkenhoff, Mitglied der Ge- schaft und Arbeit des Freistaates Sachsen, schäftsführung, Bundesverband deut- Dresden scher Banken, Berlin Dietmar Girst, Präsident, Deutsche Bun- Prof. Dr. Roman Herzog, Bundespräsi- desbank, Hauptverwaltung Leipzig dent a.D., München Manfred Göbels, Präsident, Union der Jürgen Hettinger, Präsident, Deutsche leitenden Angestellten, Berlin Bundesbank, Hauptverwaltung, Frankfurt Prof. Dr. Dieter Grimm, Rektor,Wissen- am Main schaftskolleg zu Berlin Dr. Friedrich W. Hofmann, Vorsitzender Karl-Heinz Groß, Vorstandsvorsitzender, des Vorstandes, Bankenverband Baden- Bankenverband Saarland, Saarbrücken Württemberg, Stuttgart Karl-Heinz Große-Peclum, Zentralbe- Dr. Gerhard Hofmann, Chefkorrespon- reichsleiter, Bayerische Hypo- und Ver- dent Hauptstadtstudio, RTL, Berlin einsbank AG, München Prof. Dr. Gertrud Höhler, Beraterin,Wirt- Dr. Christian Grün, Persönlich haftender schaft und Politik, Berlin Gesellschafter,Weberbank Privatbankiers Hanns Michael Hölz, Global Head KGaA, Berlin Public Relations, Deutsche Bank AG, Wolfgang Grupp, Geschäftsführer,TRIGE- Frankfurt am Main MA Inh.W.Grupp e.K., Burladingen Dr. Walter Homolka, Geschäftsführer, Siegfried Guterman, Leiter CC Unter- Alfred Herrhausen Gesellschaft für inter- nehmenskommunikation, Dresdner Bank nationalen Dialog, Frankfurt am Main AG,Frankfurt am Main Mathias Hübscher, Referent für Wirt- Dr. Eberhard von Koerber, Chairman, schaftspolitik, CDU-Bundesgeschäfts- Eberhard von Koerber AG, Zürich stelle, Berlin Dr. Helmut Kohl, Bundeskanzler a.D., Dieter A. Irion, Geschäftsführer und Berlin Gesellschafter, salaction public relations Wim Kok, Ministerpräsident a.D. der GmbH, Hamburg Niederlande, Den Haag Prof. Dr. Anne-Barbara Ischinger, Vize- John Kornblum, Chairman, Lazard & Co. präsidentin, Humboldt-Universität zu Berlin GmbH, Berlin Dietrich Jahn, Ministerialdirigent, Leiter Hans-Jürgen Krause, Mitglied der Ge- Unterabteilung VII B, Bundesministerium schäftsführung, Bundesverband deut- der Finanzen, Berlin scher Banken, Berlin Prof. Dr. Werner Jann, Wirtschafts- und Prof. Dr. Jürgen Kromphardt, Mitglied Sozialwissenschaftliche Fakultät, Univer- des Sachverständigenrates zur Begutach- sität Potsdam tung der gesamtwirtschaftlichen Ent- Christian Jung, Bundesverband deut- wicklung,Wiesbaden scher Banken, Berlin Henning Krumrey, Leiter der Parlaments- Matthias Jung, Mitglied des Vorstandes, redaktion, FOCUS Magazin Verlag GmbH, Forschungsgruppe Wahlen/ipos, Mann- Berlin heim Karl-Ulrich Kuhlo, Vorsitzender des Auf- Dr. Karl Jüsten, Leiter, Kommissariat der sichtsrates, n-tv Nachrichtenfernsehen deutschen Bischöfe, Katholisches Büro, GmbH & Co. KG, Berlin Berlin Dr. Hartmut Kühne, Büroleiter Berlin, Dr. Knut Kage, Präsident, Bundeswert- Rheinischer Merkur, Berlin papierverwaltung, Bad Homburg Dr. Kurt J. Lauk, Präsident,Wirtschafts- Dr. Ibrahim Karasu, Mitglied der Ge- rat der CDU, Berlin schäftsführung, Bundesverband deut- Dr. Hans-Jürgen Leuchs, Geschäfts- scher Banken, Berlin führender Gesellschafter und Mitglied Dr. Heinrich Klopp, Persönlicher Refe- der Unternehmensleitung, C.H. Boehrin- rent von Minister Gillo, Ministerium für ger Sohn, Ingelheim Wirtschaft und Arbeit des Freistaates Joachim Mädler, Mitglied des Vorstan- Sachsen, Dresden des, Dresdner Bank AG, Frankfurt am Pamela Knapp, Corporate Executive De- Main velopment CDE, Siemens AG, München Prof. Dr. Ernst-Gottfried Mahrenholz, Thomas Knipp, Chefredakteur, Handels- Vizepräsident a.D. des Bundesverfas- blatt, Düsseldorf sungsgerichtes, Karlsruhe Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin, Dr. Nader Maleki, Präsident, Internatio- Institut für Demoskopie,Allensbach nal Bankers Forum, Frankfurt am Main

Bundesverband deutscher Banken 122 123 DIE TEILNEHMER

Rt. Hon. Peter Mandelson, Member of Dr. Christian Olearius, Sprecher des Parliament, House of Commons, London persönlich haftenden Gesellschafters, M.M.Warburg & CO KGaA, Hamburg Claude Martin, Botschafter der Französi- schen Republik, Berlin Friedhelm Ost, Staatssekretär a.D., Bad Honnef Heinz Klaus Mertes, Geschäftsführer und Chefredakteur, Forte TV Fernseh- Prof. Dr. Stephan Paul, Fakultät für und Filmproduktion GmbH, München Wirtschaftswissenschaft, Ruhr-Universität Bochum Friedrich Merz, Stv.Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, Deutscher Bundestag, Jürgen Peters, Zweiter Vorsitzender, IG Berlin Metall, Frankfurt am Main Klaus Methfessel, Stv. Chefredakteur, Dr. Hans-Georg Petersen, Institut für Fi- Wirtschaftswoche, Düsseldorf nanzwissenschaft, Universität Potsdam Heino von Meyer, Leiter Corporate Mes- Dr. Bernd Pfaffenbach, Ministerialdirek- sages, OECD Berlin Centre, Berlin tor, Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik, Bundeskanzleramt, Berlin Marlies Mirbeth, Mitglied der Geschäfts- leitung, Bayerische Hypo- und Vereins- Dr. Melanie Piepenschneider, Leiterin bank AG, München der Akademie, Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin Hildegard Müller, Mitglied des Deut- schen Bundestages, Berlin Frank E. Portz, Staatssekretär, Hessi- sches Ministerium für Wissenschaft und Klaus K. Müller, Leiter, Korresponden- Kunst,Wiesbaden tenbüro Berlin, FOCUS Magazin Verlag GmbH, Berlin Ulrich Preuß, Präsident, Deutsche Bun- desbank, Hauptverwaltung Berlin Dr. Hugo Müller-Vogg, Publizist, Bad Homburg Prof. Dr. Gerhard Prosi, Institut für Wirt- schaftspolitik, Universität zu Kiel Rainer Nahrendorf, Chefkorrespondent, Handelsblatt, Düsseldorf Dr. Henner Puppel, Sprecher des Vor- Prof. Dr. Susan Neimann, Direktorin, standes, NATIONAL-BANK AG, Essen Einstein Forum, Potsdam Günter Pursch, Leitender Redakteur, Das Dr. Jürgen R. Neuhaus, Mitglied der Parlament, Berlin Regionalleitung Rheinland, Dresdner Dr. Lutz R. Raettig, Vorsitzender des Bank AG, Köln Vorstandes, Morgan Stanley Bank AG, Günter Nooke, Mitglied des Deutschen Frankfurt am Main Bundestages, Berlin Dr. Detlev Rahmsdorf, Deputy Head Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter, Press Department, Corporate Center, Direktor, Akademie für Politische Deutsche Bank AG, Frankfurt am Main Bildung,Tutzing Jürgen Chr. Regge, Vorstand, Fritz Thys- sen Stiftung, Köln Dr. Ulrich Reineke, Abteilungsleiter Fi- Dr. Klaus G. Schlede, Vorsitzender des nanzen und Vermögen, Bundesversiche- Aufsichtsrates, Deutsche Lufthansa AG, rungsanstalt für Angestellte, Berlin Köln Hans Hermann Reschke, Mitglied des Hanns-Eberhard Schleyer, Generalse- Gesellschafterausschusses, B. Metzler kretär, Zentralverband des Deutschen seel. Sohn & Co. KGaA, Frankfurt am Handwerks, Berlin Main Peter Schmalz, Chefredakteur, Bayern- Stephan Richter, President,The kurier, München Globalist,Washington Dr. Gerhard Schmidt, Vorsitzender des Joachim Rohr, Vorsitzender des Vorstan- Vorstandes, Heinz Nixdorf Stiftung, Pa- des, Bankenverband Schleswig-Holstein, derborn Kiel Peter Schneider, Publizist, Berlin Dr. Martin Rohr, Mitglied des Vorstan- Prof. Dr. Rupert Scholz, Bundesminister des, HOCHTIEF Construction AG, Essen a.D., Berlin Dr. Hergard Rohwedder, Rechtsanwäl- Jörg Schönbohm, Minister des Innern tin, Liberales Netzwerk, Düsseldorf des Landes Brandenburg, Potsdam Hannelore Rönsch, Bundesministerin Harald Schuff, Senior Vice President, a.D., Berlin DaimlerChrysler AG, Stuttgart Jan Roß, Hauptstadtredaktion, Die Zeit, Axel Schultes, Architekt, Berlin Berlin Dietrich Schütte, Mitglied des Vorstan- Rainer Ruff, ehem. Mitglied der Ge- des, Bankhaus Neelmeyer AG, Bremen schäftsleitung, Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG, Berlin Dr. Irmgard Schwaetzer, Bundesministe- rin a.D., Berlin Leo von Sahr, Vorsitzender des Vorstan- des, Ostdeutscher Bankenverband, Berlin Dr. Gerhard Schwarz, Ressortleiter Wirtschaft, Neue Zürcher Zeitung, Zürich Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, Staatssekretär, Ministerium der Finanzen Stefan Seip, Hauptgeschäftsführer, BVI des Landes Brandenburg, Potsdam Bundesverband Investment und Assetma- nagement, Frankfurt am Main Prof. Dr. Hans-Eckart Scharrer, Vizeprä- sident, Hamburgisches Welt-Wirtschafts- Dr. Gary Smith, Executive Director,The Archiv, Hamburg American Academy, Berlin Jörg Schauerhammer, Mitglied der Ge- Jörg-Otto Spiller, Mitglied des Deut- schäftsleitung, Commerzbank AG, Berlin schen Bundestages, Berlin Albrecht F. Schirmacher, Herausgeber, Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Starbatty, Der Platow Brief, Frankfurt am Main Vorsitzender des Vorstandes,Aktionsge- meinschaft Soziale Marktwirtschaft,Tü- Prof. Dr. Otto Schlecht, Staatssekretär bingen a.D., Ehrenvorsitzender der Ludwig-Er- hard-Stiftung, Bonn

Bundesverband deutscher Banken 124 125 DIE TEILNEHMER

Stephan Steuer, Stv. Hauptgeschäfts- Prof. Dr. Hans Vorländer, Institut für Po- führer, Bundesverband deutscher Ban- litikwissenschaft,Technische Universität ken, Berlin Dresden Dipl.-Ing. Hans-Peter Stihl, Vorsitzender Rüdiger von Voss, Generalsekretär,Wirt- des Vorstandes, Andreas Stihl AG & Co., schaftsrat der CDU, Berlin Waiblingen Dr. Klaus M. Wagner, Mitglied des Vor- Prof. Dr. Christoph Stölzl, Vizepräsident, standes, IQ International Incubator AG, Abgeordnetenhaus von Berlin Berlin Folker Streib, Mitglied der Geschäftslei- Klaus Wagner-Wieduwilt, Geschäftsfüh- tung, Commerzbank AG, Berlin rer, Ostdeutscher Bankenverband, Berlin Claudia Sturm, Mitglied des Vorstandes, Dr. Manfred Weber, Hauptgeschäftsfüh- Bundesverband Junger Unternehmer der rer und Mitglied des Vorstandes, Bundes- ASU, Berlin verband deutscher Banken, Berlin Prof. Dr. Michael Stürmer, Chefkor- Olaf Wegner, Partner, Institut für Perso- respondent, Die Welt, Berlin nal- und Unternehmensberatung, Köln Carl Tham, Botschafter des Königreichs Thomas Weisgerber, Mitglied der Ge- Schweden, Berlin schäftsführung, Bundesverband deut- scher Banken, Berlin Dr. Friedrich Thelen, Leiter der Parla- mentsredaktion,Wirtschaftswoche, Berlin Werner Weiß, Ministerialdirigent a.D., Ombudsmann, Bundesverband deut- Eckhart Thomas , Verleger, P.Keppler scher Banken, Berlin Verlag GmbH & Co.KG, Heusenstamm Jochen Wendelstorf, Präsident, Bundes- Sebastian Turner, Geschäftsführer, amt für Finanzen, Bonn Scholz & Friends, Berlin Per Westerberg, ehem. Industrie- und Dr. Adalbert Uelner, Geschäftsführendes Handelsminister, Mitglied des schwedi- Vorstandsmitglied, Institut Finanzen und schen Parlaments, Stockholm Steuern, Bonn Andreas J. Zehnder, Hauptgeschäftsfüh- Kurt F. Viermetz, Vorsitzender des Auf- rer, Verband der Privaten Bausparkassen, sichtsrates, Bayerische Hypo- und Vereins- Berlin bank AG, München Prof. Dr. Michael Zöller, Institut für Poli- Andreas Vogt, Direktor, Commerzbank tische Soziologie, Universität Bayreuth AG, Kiel Dr. Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Berlin Bundesverband deutscher Banken 126 127 Die bisherigen Veranstaltungen – Schönhauser Gespräche

WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT Dr. Hans D. Barbier Prof. Dr. Arnulf Baring Prof. Dr. h.c. Joachim Fest Dr. Susanne Gaschke Wolfgang G. Gibowski Prof. Dr. Michael Stürmer

1993 Was hält die Deutschen noch zusammen? Die Wiederentdeckung des Gemeinwohls

Entfremdung zwischen Ost und West Über die psychologischen Schwierigkeiten der Einheit Monika Maron, Publizistin

Auf dem Weg zur Einheit Gemeinwohl versus Gruppeninteressen Dr.Bernhard Vogel, Ministerpräsident von Thüringen

Deutschland in der neuen Weltordnung Bedingungen der Handlungsunfähigkeit Prof. Dr.Michael Stürmer, Leiter des Forschungsinstituts für internationale Politik und Sicherheit, Ebenhausen

Macht die Einheit Deutschland stark? Deutschlands Wirtschaft aus internationaler Sicht? Kurt F. Viermetz, Vice Chairman der J.P.Morgan Bank, New York

Haben wir das Gemeinwohl wiederentdeckt – oder nur die Notwendigkeit der Wiederentdeckung? Dr.Hanns Christian Schroeder-Hohenwarth, Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates der Berliner Handels- und Frankfurter Bank AG, Frankfurt am Main

1994 Sozialstaat und Bürgerfreiheit Müssen Staat und Bürger ihr Verhältnis neu bestimmen?

Sonderbarer Sozialstaat Notizen aus dem gesellschaftlichen Leben Dr.Renate Merklein, Publizistin

Die konfiszierte Freiheit Die Krise des Steuerstaates und die Grenzen der Machbarkeit Dr., MdB Die verkannte Wirklichkeit Opportunismus und Selbstbetrug in unserer Gesellschaft Prof. Dr.Arnulf Baring, FU Berlin

Die Wiederentdeckung der Bürgertugenden Ein neues Rollenverständnis zwischen Bürger und Staat Prof. Dr.Richard Schröder, Humboldt-Universität, Berlin

Wie geht es weiter? Dr.Klaus von Dohnanyi, Bundesminister a.D.

1995 Deutschland im Umbruch Die politische Klasse und die Wirklichkeit

Die deutsche Politik und die Wirklichkeit Realitätsverfehlung als deutsches Erbteil Dr.Klaus von Dohnanyi, Bundesminister a.D.

Die Lehre aus der Vergangenheit Deutschland im Konzert der Welt Dr.h.c. , Bundeskanzler a.D.

Wirtschaft und Ideologie im Widerstreit Dr.Eberhard von Kuenheim, Vorsitzender des Aufsichtsrates der BMW AG, München

Der deutsche Geist und die politische Realität Herkunft und Wirkung eines Intellektuellen-Stereotyps Prof. Dr.Hermann Lübbe, Universität Zürich

Wie geht es weiter? Zusammenfassung und Ausblick Prof. Dr.Fritz Stern, Columbia-Universität New York

1996 Europa – warum? Der alte Kontinent auf der Suche nach Gemeinsamkeit

Wer ist eigentlich Europäer? Das Problem:Vielfalt in der Einheit Henryk M. Broder, Publizist

Handlungsfähigkeit für Europa Weltmacht statt nationaler Ohnmacht Prof. Dr.Henry A. Kissinger, Außenminister a.D.

Bundesverband deutscher Banken 128 129 DIE BISHERIGEN VERANSTALTUNGEN – SCHÖNHAUSER GESPRÄCHE

Stärkt Europa die Wirtschaft? Erwartungen, Besorgnisse und neue Orientierungen Dipl.-Ing. Jürgen E. Schrempp, Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG, Stuttgart

Vision Europa Neue Perspektiven für alte Nationalstaaten Senator Jean François-Poncet, Paris

Vision & Wirklichkeit Zusammenfassung und Ausblick Dr.Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a.D.

1997 Modell Deutschland: Verlust der Balance Wie reformfähig ist die Bundesrepublik?

Deutsche Seelenlagen Zwischen Traum und Katzenjammer Dr.Cora Stephan, Publizistin

Modell Deutschland Verlust der Balance oder Modellverschleiß Prof. Dr.Wilhelm Hennis, Universität Freiburg

Ein neues Bürgerbild Maßstäbe und Imperative für die Gesellschaft Prof. Dr.Berthold Leibinger, Geschäftsführender Gesellschafter der TRUMPF GmbH & Co., Ditzingen

Ein neues Leistungsbild Maßstäbe und Imperative für die Wirtschaft Hilmar Kopper,Vorsitzender des Aufsichtsrates der Deutschen Bank AG, Frankfurt am Main

Zusammenfassung und Ausblick Prof. Dr.Fritz W.Scharpf, Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln

1998 Dem Land Richtung geben: Führung – Eigenverantwortung – Wettbewerb

Deutschland – ein Verein zur Risikovermeidung? Peter Schneider, Publizist, Berlin Führung und Wandel: Die Herausforderung annehmen Peter D. Sutherland, Chairman, Goldman Sachs International, London

Politik braucht Respekt vor Eigenverantwortung Prof. Dr.Michael Blumenthal, Direktor, Jüdisches Museum, Berlin

Wettbewerb als Lebensform Dr.h.c.Tyll Necker,Vizepräsident, Bundesverband der Deutschen Industrie, Köln

Was zu tun ist: Das Beispiel Arbeitsmarkt – I Patrick M. Liedtke, Club of Rome, Wirtschaftsbüro Liedtke, Giesheim

Was zu tun ist: Das Beispiel Arbeitsmarkt – II Prof. Dr.Manfred J.M. Neumann, Direktor, Institut für internationale Wirtschaftspolitik, Bonn

Am Vorabend: The architecture of the Reichstag and German unity Sir Norman Foster, Foster and Partners, London

1999 Bilanz und Ausblick am Ende des Jahrhunderts: Deutschland auf dem Weg in die „Berliner Republik“

Erfahrungen mit Deutschland Cees Nooteboom, Schriftsteller, Amsterdam

Bilanz am Ende unseres Jahrhunderts Prof. Dr. Arnulf Baring, Historiker und Publizist, Berlin

Deutschland, was nun? Dr.Gustav Seibt, Berliner Zeitung, Berlin

Auf dem Weg in die „Berliner Republik“? Dr.Michael Naumann, Staatsminister für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Berlin Dr.Josef Joffe, Leiter des Ressorts Außenpolitik, Süddeutsche Zeitung, München Dr.Hans D. Barbier, Leiter der Wirtschaftsredaktion, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main

Zusammenfassung und Ausblick Dr.Mathias Döpfner, Chefredakteur, Die Welt, Berlin

Am Vorabend: Deutschlands Rolle in der Welt – wie neu, wie wichtig? Dr.Christoph Bertram, Direktor, Forschungsinstitut der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen

Bundesverband deutscher Banken 130 131 DIE BISHERIGEN VERANSTALTUNGEN – SCHÖNHAUSER GESPRÄCHE

2000 Handlungsfähigkeit zurückgewinnen: Deutschland zwischen Globalität und nationalen Blockaden

Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Innenansicht Dr.h.c. Lothar Späth, Ministerpräsident a.D. und Vorsitzender des Vorstandes, Jenoptik AG, Jena

Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Außenansicht Dr.Herwig Schlögl, Stv. Generalsekretär, OECD, Paris

Nationale Blockaden: Zur Neudefinition der Rolle des Staates Prof. Dr.Norbert Walter, Chefvolkswirt, Deutsche Bank Gruppe, Frankfurt am Main

Wie kann Deutschland Handlungsfähigkeit zurückgewinnen? Wolfgang Clement, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Perspektive Europa: Teil der Lösung oder Teil des Problems? Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, Deutscher Bundestag, Berlin

Zusammenfassung und Ausblick Stefan Baron, Chefredakteur,Wirtschaftswoche, Düsseldorf

Am Vorabend: Parteien – Dinosaurier in der Mediendemokratie? Dr.Hugo Müller-Vogg, Herausgeber, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main

2001 Die Zukunft der Nation: Wer sind wir Deutschen? Was müssen wir sein?

Impressionen zur Nation Prof. Dr.Peter Sloterdijk, Rektor der Staatlichen Hochschule für Gestal- tung, Karlsruhe

Deutschland im postnationalen Zeitalter Prof. Dr. Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder)

Deutscher Patriotismus: zulässig, zeitgemäß Prof. Dr.Arnulf Baring, Historiker und Publizist, Berlin Erwartungen an Deutschland Brigitte Sauzay, Beraterin des Bundeskanzlers für die deutsch-französi- schen Beziehungen, Bundeskanzleramt, Berlin

Chancen und Grenzen der Nation Dr.Susanne Gaschke, Die Zeit, Hamburg

Die Deutschen und die Nation Prof. Dr.Jürgen W.Falter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Mainz

Die Medien und die Nation Wolfgang G. Gibowski, Pressesprecher der Stiftungsinitiative Deutsche Wirtschaft „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, Berlin

Ausblick Jörg Schönbohm, Minister des Inneren des Landes Brandenburg, Potsdam

Am Vorabend: Von unseren Identitäten György Konrád, Präsident der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg, Berlin

Bundesverband deutscher Banken 132 133

Robert Stern wurde 1963 in Köln geboren. Nach dem Abitur und einer Ausbildung in der Werbung studierte er visuelle Kommunikati- on in Düsseldorf und arbeitet seit 13 Jahren als freischaffender Illustrator in Pulheim bei Köln. Neben klassischen Mal- und Zeichen- techniken wie Pastell, Tusche oder Bleistift nutzt er auch neuere Gestaltungsmittel, die sich beispielsweise durch den Computer er- schließen. Namhafte deutsche Verlage und Werbeagenturen zählen zu seinen Kunden. Ein besonderer Schwerpunkt sind Illustratio- nen für Wirtschaftszeitungen und Zeitschrif- ten.Seit Beginn seines Schaffens begleitet und kommentiert er das wirtschaftliche Gesche- hen in Deutschland mit dem Zeichenstift.

Bundesverband deutscher Banken 134 135 Impressum

Herausgeber: Bundesverband deutscher Banken, Berlin Redaktion: Christian Jung, (030) 16 63-1530 Gestaltung: FLASKAMP AG, Berlin Illustrationen: Robert Stern Druck: KÖNIGSDRUCK GmbH

Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des Herausgebers.