Das Vergessene Dorf – „Haddörfl“ Die Geschichte Der Heideansiedlung Nach Leopold Scheibenreif
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Das vergessene Dorf – „Haddörfl“ die Geschichte der Heideansiedlung nach Leopold Scheibenreif Vielen Neustädtern dürfte es gar nicht bekannt sein, dass die Stadt auch ein Dorf in ihrem nordwestlichen Gemeindebereich besitzt und wie es zu diesem gekommen ist. Die Gründung der Heideansiedlung hängt eng mit der Errichtung des Dorfes Theresienfeld zusammen. 1761 gab die Kaiserin Maria Theresia ein Libell (Anordnung) heraus, in dem sie verfügte die Wiener Neustädter Heide zu kultivieren. Sie wollte damit die große Hungersnot und die latente Unsicherheit, welche im Lande herrschte, bewältigen. Sie selbst wurde bei einer Besuchsfahrt in die von ihr gegründeten Militärakademie von einem Überfall auf ihren Tross überrascht. Die sogenannte Wiener Neustädter Heide, ein steiniges und wenig fruchtbares Land, welches sich auf den Schwemmkegeln der Schwarza/Pitten im Süden und auf dem der Piesting im Norden ausbreitet, wird nur unterbrochen durch einen schmalen Saum der äußerst nassen Fischamulde, welche im Bereich nördlich der Altstadt, zwischen Vorstadtkirche und Auge Gottes nur wenige hundert Meter breit ist. Die Mächtigkeit der Schotterflächen variiert zwischen 1 und 100 Meter; diese liegen auf einem nur teilweise durchlässigen tertiärzeitlichen Untergrund von einer Mächtigkeit, die bis zu 700 m betragen kann. Diese Schicht, bestehend aus Lehm, Sand, Konglomeraten und Brekzien, liegt ihrerseits auf dem eingebrochenen Felsuntergrund des Alpenbogens auf. Bedingt durch diese Situation sind auch die fließenden, wie auch die Grundwasserverhältnisse sehr verschieden. So verlieren die Flüsse Schwarza/Pitten, die Piesting und teilweise auch noch die Triesting ein Drittel ihrer normal geführten Wassermenge bei ihrem Eintritt in die Schotterflächen. Diese Wasser speisen zwei Grundwasserhorizonte; den ersten unter den jungen Schotterkegeln, mit Austrittsquellen an den Rändern (z. B. Fischaquelle bei Eggendorf) und den zweiten am Grund des Tertiärbeckens bei Mitterndorf-Moosbrunn. Der Mitterndorfer Grundwassersee ist vom Volumen her größer als der Neusiedler See! Diese Heide war bis zur Gründung der Stadt Wiener Neustadt fast unbesiedelt. Einzig allein die Orte an den Rändern, wie Weikersdorf, Schwarzau am Steinfeld, Lanzenkirchen, Fischau, Wöllersdorf, Eggendorf und Ebenfurth hatten einige Kulturflächen auf ihr. Den südlichen Teil ließ Kaiser Karl VI. aus Sicherheitsgründen mit Föhren aufforsten, wobei einige Weideflächen berücksichtigt wurden. Der nördliche Teil blieb in seiner Natürlichkeit erhalten und diente in der Hauptsache der Viehweide, für die die Anrainerdörfer einen geringen Pachtzins dem Landesfürsten bzw. der Stadt Wiener Neustadt zu zahlen hatten. Das ganze Gebiet hatte eine Längenausdehnung von 40 km (Neunkirchen—Ebreichsdorf) 2751 Wiener Neustadt, Gutensteiner Straße 110 www.heideansiedlung.at und eine Breite von 10 km (Wöllersdorf—Untereggendorf) und bestand ursprünglich aus Trockenrasenwiesen (heute noch ein Rest am Großmittel). Bäume und Sträucher gab es nur am Rande der Fischamulde und am natürlichen Kehrbacharm, der bei Peisching von der Schwarza abzweigte (abkehrte) und beim Bau der neuen Stadt zur Bewässerung dieser künstlich ausgebaut wurde. Die schon eingangs erwähnten Kriege gegen die Franzosen und Preußen im 17. und 18. Jhdt. brachten das Habsburgerreich in große Not und die Bevölkerung Niederösterreichs litt nicht nur unter Hunger, sondern auch unter den Plünderungen der vielen Marodeure und Deserteure. Daher der Auftrag, auf dieser großen öden Weite eine neue Siedlung zu errichten, um nicht nur der Hungersnot Herr zu werden, sondern auch eine gewisse Sicherheit herzustellen. Dazu wurden Bauernsöhne aus dem oberen Vintschgau und dem Oberinntal herbeigerufen, da in diesen Gebieten eine Überbevölkerung herrschte, welche sich nicht mehr selbst ernähren konnte (Kinderverkauf oder Verleih nach Schwaben?). Die Neuankömmlinge auf der Heide erhielten riesige Ackerparzellen zum Bewirtschaften und eine Steuerfreiheit von 30 Jahren. Die Planung der Ortschaft oblag dem Freiherrn Anton Ritter von Raab. Damit überhaupt auf dem trockensten Teil der Heide gesiedelt werden konnte, war Wasser notwendig und dieses besorgte man sich durch ein künstliches Gerinne, welches bei Wöllersdorf vom Piestingfluss abgezweigt wurde und das man später „Tirolerbach" nannte. 1763 waren die ersten fünf Häuser fertig. 1764 erfolgte die offizielle Eröffnung der neuen Siedlung. Das 12 km2, rechteckige Areal wurde von den Gemeinden Eggendorf und Wiener Neustadt abgetrennt und diesen erst 1766 vergütet. Dem Projekt war vorerst kein großer Erfolg beschieden. Etliche der Neusiedler hielten das Klima und die Eintönigkeit unserer Landschaft nicht aus und kehrten schon nach wenigen Jahren wieder in ihre Heimat zurück. Nördlich und westlich des neuen Dorfes blieb noch immer ein großer Teil der Wöllersdorfer Heide übrig. Auf diesem weideten die Bauern der umliegenden Orte ihr Vieh und die Stadt selbst betrieb eine Schafzucht mit einem Schafflerhof an der Piestingbrücke bei Steinabrückl. Da sich aber die Schafzucht in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. nicht mehr richtig lohnte (Billigimporte aus England), beschloss die Stadt über Auftrag des Kreisamtes Traiskirchen, auch dieses Gebiet zur Besiedelung freizugeben. Dazu erhielten siedlungswillige Bauernsöhne aus den Dörfern Matzendorf, Hölles, Steinabrückl, Wöllersdorf und Fischau unentgeltlichen Boden und darauf eine Steuerbefreiung für ebenfalls 30 Jahre. Diese Neurisse befanden sich zwischen dem Stadtweg von Wöllersdorf und der Landstraße nach Gutenstein. Im Osten war das neue Theresienfeld die Grenze. Auch südlich des Steinaweges, welcher von den Wöllersdorfer Steinbrüchen in die Stadt führte, wurde die Heide kultiviert, jedoch hat dies keinen Bezug auf die neue Siedlung auf der Heide. Die neuen Parzellen (Gewähre) wurden rechts und links entlang des schon bestehenden Tirolerbachs angelegt, da die Siedler annahmen, dass auch sie Wasser aus dem Gerinne bekämen. Chronik Scheibenreif 2 12.12.2017 Es kam aber aus zwei Gründen nicht dazu: Die Theresienfelder wehrten sich gegen eine weitere Wasserentnahme und pochten auf ihr alleiniges Recht. Die Mühlen- und Pulverstampfbesitzer unterhalb von Wöllersdorf entlang der Piesting setzten sich ebenfalls gegen eine vermehrte Entnahme aus dem Fluss durch. Beide konnten sich eindeutig gegen die Wünsche der Siedler behaupten und ließen die Armen auf dem Trockenen sitzen. Die Fläche des neuen Dorfes betrug 290 Joch inklusive der Zugänge zu der Viehtrift und wurde in über 100 Einzelparzellen aufgeteilt. Politisch war das „Haddörfl", wie es genannt wurde, dem Stadtgebiet zugehörig, genauso wie die schon bestehenden Häuser südlich der Piesting von Steinabrückl Nr. 9-13-sowie Nr. 20 und später auch die Nr. 40 (letzte Nummerierung), wirtschaftlich und kulturell waren sie von Steinabrückl abhängig. Die Stadtgrenze verlief nun entlang der Theresienfelder Gemeinde, von der entlang der Reichsstraße bis zur Sollenauer Piestingbrücke, dann die Piesting aufwärts bis zur Steinabrückler Brücke, von dort den alten Salz- oder Römerweg in südwestlicher Richtung bis zur heutigen Feuerwerksanstalt, von dort drehte sie nach Osten bis zum Lukaweg in der Nähe der heutigen Polizei-Schule (Cobra). Der Ort Steinabrückl, an der jahrtausendealten Piestingfurt gelegen, war wahrscheinlich schon seit der frühen Bronzezeit als Übergang über den Fluss bekannt. Die alte Salzstraße nach Hall bei Mariazell benützte ihn ebenso wie die Römerstraße von Scarbantia (Ödenburg) nach Vindobona. Seit dem 11. Jhdt. bildete die Piesting die Grenze zwischen der Steiermark und Osterreich, sowie zwischen dem Erzbistum Salzburg und dem Bistum Passau. Der Ort wurde unter Matthias Corvinus 1484 vollständig niedergebrannt und nur fünf Häuser konnten die Katastrophe schwer beschädigt für weitere Jahre bestehen. Ebenso erging es dem Dorfe St. Radegund, von dem heute nur noch der Friedhof von Matzendorf, in der Nähe der Heidemühle, übrig geblieben ist. Diese Mühle, dürfte schon seit dem 15. Jhdt. bestehen und sie war die einzige im weiten Umkreis der Heide, welche auch in den trockensten Jahren in Betrieb gewesen ist. Zu ihr kamen die Bauern von Willendorf bis Fischau, wenn die kleinen Gewässer der Fischamulde kein Wasser führten. Der Verlauf des Straßenstückes der heutigen Blätterstraße von Fischau zur Heideansiedlung bezeugt dies. 1726 bestand Steinabrückl wieder aus 7 Häusern. 1736 gab es einen Streit mit der Herrschaft Fischau wegen dem Erhalt der Piestingbrücke. Bei diesem wurde entschieden, dass die Stadt Wiener Neustadt und die Herrschaft Enzesfeld je zur Hälfte erhaltungspflichtig sind, was sowohl die Brücke als auch die Zufahrtswege betraf. Maßgebend bei diesem Streite war, dass die Neustädter schon immer einen Überreiter (Zollkontrollor) bei der Brücke und am alten Weg nach Fischau postiert hatten. Die ersten Siedler des Haddörfls sind namentlich bekannt. So kamen Michael Fugger, Karl Dornauer und Wenzel Sederl aus Wöllersdorf, Michael Heiden aus Steinabrückl, Peter Scheibenreif und sein Cousin Anton aus Fischau und Thomas Postl wahrscheinlich aus dem Piestingtal. Johann Buchleitner aus Steinabrückl und Johann Legenstein aus Wöllersdorf kamen eigene Zeit später dazu. Chronik Scheibenreif 3 12.12.2017 Wann genau die ersten Siedler auf die Heide kamen, lässt sich feststellen. Es dürfte dies in den Jahren 1767-1770 gewesen sein. Von Peter Scheibenreif, gibt es ein exaktes Datum: Es war im Jahre 1770. Die Neusiedler wohnten am Anfang noch nicht auf der Heide, sondern fuhren jeden Abend in ihre Heimatdörfer zurück. Aus den