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STRAUSS WOLF SCHREKER WAGNER MAHLER FIN DE SIÈCLE TRANSKRIPTIONEN VON CLYTUS GOTTWALD SO 22. MÄRZ, 18 UHR MARCUS CREED, DIRIGENT STUTTGART-GAISBURG EV. KIRCHE PROGRAMM HUGO WOLF *1860 – 1903 VIER LIEDER arrangiert für 7 bis 16 Stimmen (1990) Und willst du deinen Liebsten sterben sehen Das verlassene Mägdlein Auf ein altes Bild Der Gärtner FRANZ SCHREKER *1878 – 1934 DREI LIEDER NACH TEXTEN VON PAUL HEYSE UND RAINER MARIA RILKE arrangiert für 6 bis 13 Stimmen (2005) Im Lenz Umsonst Und wie mag die Liebe RICHARD WAGNER *1813 – 1883 IM TREIBHAUS. STUDIE ZU »TRISTAN UND ISOLDE« arrangiert für 16 Stimmen (2004) ISOLDES LIEBESTOD arrangiert für 16 Stimmen (2006) – PAUSE – RICHARD STRAUSS ÜBER DIESES KONZERT *1864 – 1949 TRAUM DURCH DIE DÄMMERUNG OP. 29 NR. 1 arrangiert für 16 Stimmen (2012) MORGENROT OP. 46 NR. 4 Was Sie heute Abend hören, ist Musik, die es eigentlich gar nicht gibt. arrangiert für 16 Stimmen (2014) Es sind Werke von Gustav Mahler, Franz Schreker, Hugo Wolf, Richard WALDSELIGKEIT OP. 49 NR. 1 Wagner und Richard Strauss für Chor a cappella; Werke, die diese Kom- arrangiert für 12 Stimmen (2013) ponisten so nie geschrieben haben. Dieses Konzert ist daher eine Hom- mage an Clytus Gottwald. Er hat die Musik des Fin de Siècle, Klavierlie- der und Instrumentalwerke, ja sogar ganze Sinfoniesätze bearbeitet und in klangvolle Werke für Chor a cappella verwandelt. Den Chören hat er GUSTAV MAHLER damit ein Repertoire geschenkt, von dem sie zuvor ausgeschlossen *1860 – 1911 waren. Denn keinem dieser Komponisten wäre es auch nur im Traum eingefallen, für Chor a cappella zu schreiben. Nur Richard Strauss hatte UM MITTERNACHT 1888 begonnen, mit Vokalmusik auf der kompositorischen Höhe seiner arrangiert für 9 Stimmen (2009) Orchesterwerke zu experimentieren – doch gab er die Versuche bald auf, IM ABENDROT (ADAGIETTO AUS DER SINFONIE NR. 5) als er merkte, dass sie bei den Chören nicht ankamen. Clytus Gottwald arrangiert für 16 Stimmen (2008) wollte diesen abgerissenen Faden der Vokalmusik aufgreifen und hat Richard Strauss’ instrumentale Stimmenbehandlung mit einer Vokal- technik verknüpft, die er 1968 bei György Ligetis »Lux aeterna« kennen- gelernt hatte. »Schmankerl« von Maurice Ravel, Alban Berg und Gustav Mahler standen am Anfang, heute ist eine ganze Gattung daraus gewor- den, über 100 Transkriptionen, von Chören in aller Welt geliebt und ge- sungen. Nur einer hat bis jetzt gefehlt in der Phalanx namhafter Gott- wald-Komponisten: Richard Strauss. Seine Erben hatten bisher jeglichen Bearbeitungen widersprochen. Das hat Clytus Gottwald allerdings nicht davon abgehalten, etliche Strauss-Lieder zu bearbeiten. Aber er musste sie unter Verschluss halten, bis der 70-jährige Urheberrechtsschutz für Richard Strauss abgelaufen war: Jetzt, im März 2020, ist es so weit, und viele bekannte Lieder von Richard Strauss sind neu zu hören, in Clytus Gottwalds Transkriptionen für Chor a cappella. Drei davon werden in VIDEO LIVE-STREAM auf SWRClassic.de diesem Konzert uraufgeführt. SWR2 am Fr 27.3. um 20.03 Uhr im SWR2 Abendkonzert in 5.1 Dorothea Bossert CLYTUS GOTTWALD »ICH WOLLTE DEM CHOR SEINEN KLANG ZURÜCKGEBEN« CLYTUS GOTTWALD IM GESPRÄCH MIT DOROTHEA BOSSERT Clytus Gottwald wurde 1925 in Bad Salzbrunn, Schlesien, geboren und ist Musikwissenschaftler, Dirigent und Komponist. Nach Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft war er 1946 Vor 19 Jahren hatte das SWR Vokalensemble schon einmal ein ganzes Gründungsmitglied des Chors von Radio Stuttgart Konzert den Transkriptionen von Clytus Gottwald gewidmet. Vor allem (später Südfunk-Chor Stuttgart, heute SWR Vokalensemble). seine damals neu erschienenen Mahler-Bearbeitungen standen dabei im Zentrum. Als Pausenbeitrag für dieses Konzert ist damals dieses Ge- Gesangsstudium bei Gerhard Hüsch. spräch entstanden, in dem Clytus Gottwald das Geheimnis seiner Tran- Assistent des Dirigenten Marcel Couraud. skriptionen verrät, und erzählt, wie er auf diese Idee kam. 1949/1954-1958 Studium und Promotion in Musikwissenschaft, Herr Gottwald, Sie haben mit Ihrer Schola Cantorum ein riesiges Repertoi- Theologie und Musiksoziologie in Tübingen re an Vokalmusik vom Gregorianischen Choral über die franko-flämische und Frankfurt. Vokalmusik des 15. und 16. Jahrhunderts bis hin zu neuen und neuesten 1958-1970 Kantor an der Pauluskirche Stuttgart. Kompositionen aufgeführt. Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie begonnen 1960-2004 Mitglied der DFG für Musikpaläographie. haben, eigene Bearbeitungen zu schreiben? Hat Ihnen das vorhandene 1960-1990 Gründer und Leiter der Schola Cantorum Stuttgart, Chorrepertoire nicht ausgereicht? einem 12-stimmigen Solistenensemble (die meisten waren Mitglieder des Südfunk-Chors), mit dem Das hängt tatsächlich alles unmittelbar zusammen: Meine Arbeit an den er zunächst Musik des 15. und 16. Jahrhunderts, älteren Musikhandschriften, meine Beschäftigung mit Dufay, Ockeghem, ab 1964 vor allem Neue Musik aufgeführt Josquin und auch meine Nähe zu den Zeitgenossen, die nach 1945 kom- hat. Internationale Konzerttätigkeit, über 80 positorisch auffällig geworden sind. Die Chormusik war bis zum 15./16. Uraufführungen. Jahrhundert die eigentliche Kunstmusik und auch Jahrhunderte später 1969-1988 Redakteur für Neue Musik beim Süddeutschen war sie immerhin auf der Höhe der aktuellen musikalischen Entwick- Rundfunk Stuttgart. lung, bis weit in die Romantik hinein. Nach der Jahrhundertwende aber, insbesondere in den 1920er- und 1930er-Jahren haben die Chöre den Seitdem über 100 Transkriptionen von Werken der Jahrhundertwende Anschluss verloren. Und mir ist bei meiner Chorarbeit aufgefallen, dass für den Carus-Verlag und die Universal-Edition. ab dieser Zeit ein wichtiges Moment chorischer Artikulation vernachläs- sigt worden ist, nämlich der Klang. Clytus Gottwald feiert im November dieses Jahres seinen 95. Geburtstag. Sie meinen, die Vokalmusik seit der Jahrhundertwende klingt nicht mehr? Ja. In der Orchestermusik waren die Komponisten auf der Suche nach stän- hatten – bzw. wo die Chöre aufgehört hatten, sich zu interessieren, diger Erweiterung der Tonalität oder haben einiges riskiert und ausprobiert. nämlich beim Klang. Die Chöre aber haben sich lieber an Schütz und Alter Musik orientiert. Für sie war die Spätromantik nichts als Abstieg, Zerfall, Auflösungserscheinun- Ich bin zwar kein Komponist, aber ich bin ein kompositorisch denkender gen – Begriffe, die in den 30er-Jahren bis in die 50er-Jahre hinein wirksam Mensch. Ich denke in den kompositorischen Kategorien der Neuen Musik gewesen sind. Aber dadurch, dass man sich auf Barockmusik zurückorien- – nicht so sehr in den Kategorien der Alten Musik. Dennoch fand ich das tiert hat, war plötzlich auch in den neueren Chorwerken der vierstimmige klangliche Denken schon im 15./16. Jahrhundert, gerade bei den alten Satz wieder da. Der aber ist für Vokalmusik eigentlich gar nicht geeignet, Meistern Josquin, Ockeghem, auch bei Gabrieli, vorgebildet: Das war denn die Einzelstimmen der Sänger mit ihren individuellen Formaten fügen eine ganz andere Satztechnik, die speziell für den Chorgesang entwi- sich darin nur sehr schwer zu einem chorischen Gesamtklang. ckelt wurde. Ein dichter Männerstimmensatz und eine Oberstimme oder zwei, je nachdem ... Wenn man diese Partituren hört, hat das eine Das war in Deutschland sicher so, aber gilt das auch für Frankreich? Francis ganz andere Klanglichkeit, als sie später für Chor üblich wurde. Diese Poulenc oder später Olivier Messiaen haben doch in klanglicher Hinsicht Art des Denkens war also völlig verlorengegangen, und es war mir neue Wege verfolgt? wichtig, sie wieder neu zu beleben. Es gab ja viele Beispiele, dass an- dere Leute das auch versucht haben. Richard Strauss zum Beispiel, der Ja, es kam dann in Deutschland eine Zeit des musikalischen Aufbruchs in seiner Motette »Der Abend« eine völlig neue Chorbehandlung vor- nach 1950/1960, das begann in Frankreich tatsächlich schon in den geführt hat. 1940ern in Paris mit Marcel Couraud und seinem Ensemble. Die Urauf- führung der »Cinq Rechants« von Olivier Messiaen war das Startzeichen Ihre erste Bearbeitung war dann aber nicht Musik von Richard Strauss, für eine neue Musik des chorischen Denkens. sondern »Le Soupir« von Maurice Ravel. Wie kam es dazu? Weil er die Stimmen wie Instrumente behandelt hat? Das kam so: 1969 haben wir die Uraufführung von Ligetis »Lux aeterna« gesungen. Und diese Musik war eine Art Damaskuserlebnis für mich: Nein. Weil Messiaen die Möglichkeiten der stimmlichen Artikulation Ich erkannte plötzlich, dass Ligeti in diesem Stück einen Weg gefunden immer weiter ausgebaut hat. Sehr virtuos, rhythmisch komplex war hat, so mit Stimmen umzugehen, dass sie trotz der individuellen Einzel- das, perkussiv mit Klangsilben ... Das hat sich dann fortgesetzt in den stimmen einen gemeinsamen Klang entfalten. In gewisser Weise war es 60er- und 70er-Jahren. Aber Ende der 80er-Jahre habe ich gemerkt, dass die transformierte Fortsetzung dessen, was Richard Strauss in seinen die Komponisten, die in den 60er-Jahren noch ein vitales Interesse an Chorwerken begonnen hatte. Und ich hatte den Eindruck, dass sich die- Chor gehabt hatten, in den 80er-Jahren aufhörten, sich dafür zu inte- ser Weg noch weiterentwickeln ließe. Und noch etwas anderes kam ressieren. Die klanglichen Möglichkeiten des Chores schienen ihnen hinzu: In der neuen Vokalmusik war immer die Artikulation der Einzel- erschöpft und es kam wieder zu einer gewissen Erschlaffung. Ich habe stimme das Wichtige. Auch das fand ich bei Ligeti wieder, aber auf eine damals viel darüber nachgedacht, wie man das Instrument