Wildnisgebiet Saminatal/Galinatal (Österreich, Vorarlberg; Fürstentum Liechtenstein): Ein Refugialraum Für Schmetterlinge (Lepidoptera)
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Huemer, P. (2018): Wildnisgebiet Saminatal/Galinatal (Österreich, Vorarlberg; Fürstentum Liechtenstein): ein Refugialraum für Schmetterlinge (Lepidoptera). inatura – Forschung online, 53: 28 S. Wildnisgebiet Saminatal/Galinatal (Österreich, Nr. 53 - 2018 Vorarlberg; Fürstentum Liechtenstein): ein Refugialraum für Schmetterlinge (Lepidoptera) Peter Huemer1 1 Mag. Dr. Peter Huemer, Tiroler Landesmuseen Betriebsges.m.b.H., Sammlungs- und Forschungszentrum, Naturwissenschaftliche Sammlungen Krajnc-Straße 1, A-6060 Hall in Tirol E-Mail: [email protected] Abstract In the transboundary wilderness area of the Samina and Galina valleys (Austria, Vorarlberg; Principality of Liechtenstein) a total of 742 butterfly and moth species from 54 families were detected within a period lasting from September 2014 to September 2017. In addition, 18 historical and 22 subrecent species records are considered, resulting in a total of 782 species from the inves- tigation area. The faunistic results cover 165 first records for the Principality of Liechtenstein and thus make a fundamental con- tribution to the regional fauna, another 13 species are new to Vorarlberg. Among the most important regional discoveries is the third record of Elachista deriventa (Elachistidae) in Central Europe as well as a record of Elachista ornithopodella (Elachistidae), a species known only from a single specimen in the neighbour countries Austria and Switzerland, respectively. A taxonomically uncertain species of the genus Exoteleia (Gelechiidae) is presumably still undescribed. The local risk for endangered species from the regional Red List is comparatively moderate because of the predominant and only slightly threatened forest habitats. 115 are species are classified in one of the threatened species categories whereas 602 species are not endangered and 62 species are currently not classified within a category. An analysis of ecological guilds in the research area shows a clear dominance of forest-associated species with 51 % of the inven- tory. Key words: Lepidoptera, butterflies, moths, Saminatal, Galinatal, Vorarlberg, Lliechtenstein Zusammenfassung dritte Meldung von Elachista deriventa Daten bzw. keine Einstufungen vor. (Elachistidae) in Mitteleuropa sowie Eine Analyse ökologischer Gilden im Im grenzübergreifenden Wildnisge- der Nachweis von Elachista ornitho- Untersuchungsgebiet ergibt eine biet Saminatal/Galinatal (Österreich, podella (Elachistidae) in Liechtenstein, deutliche Dominanz von waldassozi- Vorarlberg; Fürstentum Liechten- mit bisher erst je einem Fund aus den ierten Arten, mit 51 % des Inventars. stein) wurden vom September 2014 Nachbarländern Österreich und der bis September 2017 insgesamt 742 Schweiz, besonders hervorzuheben. Schmetterlingsarten aus 54 Familien Eine taxonomisch noch ungeklärte Art 1 Einleitung nachgewiesen. Hinzu kommen 18 his- der Gattung Exoteleia (Gelechiidae) ist torische und 22 subrezente Meldun- vermutlich noch unbeschrieben. Mitteleuropa im Allgemeinen und gen und somit eine Summe von 782 Der Gefährdungsgrad des Artenbe- die Alpen im Besonderen werden Arten aus dem Untersuchungsraum. standes laut Roter Liste ist auf Grund seit Jahrtausenden von menschlicher Die faunistischen Ergebnisse leisten der prädominanten und insgesamt Nutzung geprägt. In der früheren mit 165 Erstmeldungen einen funda- nur wenig bedrohten Waldlebensräu- Geschichte hatten überwiegend der mentalen Beitrag zur Schmetterlings- me vergleichsweise mäßig. 115 Arten Nahrungsmittelproduktion dienen- fauna des Fürstentums Liechtenstein, unterschiedlicher Gefährdungskate- de Eingriffe wie zuerst die Jagd und weitere 13 Arten sind Neufunde für gorien stehen 602 landesweit nicht später eine zunehmend großflächige Vorarlberg. Unter den überregional gefährdete Arten gegenüber, für 62 landwirtschaftliche Nutzung einen bedeutsamen Entdeckungen sind die Arten liegen aktuell unzureichende nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Eingegangen: 05.11.2017; Publiziert: 26.02.2018 1 die Landschaft, beispielsweise durch (AISTLEITNER 1999, 2001, 2008; AISTLEITNER der Ostalpen. Menschliche Eingriffe die weit verbreitete Brandrodung zur & AISTLEITNER 1996). Die geplanten Er- beschränken sich im Wesentlichen Gewinnung von Almflächen. Seit dem hebungen zielten daher auf eine re- auf eine nur mehr lokale extensive Beginn der Industrialisierung und dem präsentative Erfassung der aktuellen Almwirtschaft, Waldbewirtschaftung damit einhergehenden rasanten Be- Artengarnituren aller Schmetterlin- in den leichter zugänglichen Talaus- völkerungswachstum hat sich dieser ge (tag- und nachtaktive inkl. Klein- gangsbereichen, Jagd sowie Elektrizi- Trend zur Landschaftsnutzung massiv schmetterlinge) in den wichtigen und tätswirtschaft am Saminabach. verstärkt und der direkte anthropoge- für das Gebiet typischen Biotoptypen Der Untersuchungsraum umfasst auf ne Einfluss weite Bereiche der Alpen und eine Bewertung des Artenbestan- Vorarlberger Seite im Wesentlichen erfasst. Das Ausmaß der Eingriffe ist des im regionalen bis überregionalen das im Biotopinventar ausgewiesene teils erschreckend und reicht bis zu ei- Kontext. Großraumbiotop Hinteres Saminatal ner vollständigen Versiegelung großer und Galinatal im Gebiet der Gemein- Flächen, vor allem durch Siedlungs- den Frastanz und Nenzing mit etwa tätigkeit, Gewerbe und Industrie so- 2 Material und Methodik 1396 Hektar Gesamtfläche ( BEISER wie infrastrukturelle Maßnahmen wie 1988), auf Liechtensteiner Gebiet Straßenbau, Seilbahnerschließungen. 2.1 Untersuchungsraum schließt u. a. das großräumige Wald- Naturnahe, natürliche oder gar ur- reservat Garsälli/Zegerberg mit etwa sprüngliche Lebensräume sind daher Das Gebiet des Saminatals und Gali- 929 Hektar unmittelbar an (ANONYMUS heute selten geworden und beschrän- natals befindet sich im östlichen Aus- 2016). Das Wildnisgebiet weist eine ken sich weitestgehend auf schwer läufer des Rätikongebirges und somit maximale Ost-West-Ausdehnung von zugängliche und somit wirtschaftlich im Grenzbereich zwischen Ostalpen 7,5 km bzw. eine Nord-Süd-Ausdeh- wenig interessante Gebiete. Teile des und Westalpen (Abb. 1). Auf Grund nung von mehr als 5 km sowie eine Samina- und Galinatals im Grenz gebiet der topographischen Lage mit stei- Höhenerstreckung von etwa 740 m an zwischen Vorarlberg (Österreich) und len Bergflanken und tiefen Kerbtälern der Samina bis auf 2198 m am Galina- dem Fürstentum Liechtenstein zählen und einer weitgehend intakten natür- kopf auf. zu diesen wenigen verbliebenen Be- lichen Dynamik (Abb. 2), der generel- Die Vegetation wird von Wäldern un- reichen mit höchstens marginaler Nut- len Abgeschiedenheit ohne größere terschiedlicher Zusammensetzung, zung durch den Menschen. Nicht so menschliche Siedlungen sowie der von subalpinen bis alpinen Rasenge- sehr Einsicht in die Notwendigkeit von damit einhergehenden geringen Nut- sellschaften sowie von Felsbiotopen Rückzugsräumen für die heimische zung handelt es sich hier um eines und Schuttfluren geprägt. Biodiversität, sondern eher die ext- der flächengrößten Wildnisgebiete reme Topographie haben zu diesem Wildnischarakter beigetragen. Das erweist sich zusehends als Glücksfall, bieten solche von natürlicher Dyna- mik wie Steinschlag, Murenabgängen, Hochwässern und Lawinenereignissen geprägte Lebensräume doch die Basis für eine Vielzahl von Tieren und Pflan- zen. Welche genau war bislang jedoch noch wenig bekannt, und diese Lücke soll nun weitgehend geschlossen wer- den – im Falle der hier vorliegenden Bearbeitung konkret für die Insek- tenordnung der Schmetterlinge, eine Tiergruppe mit aktuell etwa 2400 aus Vorarlberg bekannten Arten (HUEMER 2013) und einem noch erheblich un- vollständigem Arteninventar für Liech- tenstein. Aus dem Untersuchungsge- biet liegen zu dieser Tiergruppe bisher nur wenige Nachweise in Streufunden Abb. 1: Lage des Untersuchungsraumes sowie der beiden Hauptuntersuchungsgebiete vor, am ehesten noch über Tagfalter, bzw. der rezenten Beprobungsflächen (ohne historische Fundorte). ganz vereinzelt zu nachtaktiven Arten (Luftbild: VoGIS; Grafik: R. Staub) inatura – Forschung online 53 (2018) 2 Besonders Waldlebensräume sind im Samina- und Galinatal großflächig präsent und auf Grund der günstigen naturräumlichen Voraussetzungen sowie der weitgehenden Unzugäng- lichkeit überwiegend naturnahe bis natürlich, mit geringer oder fehlender anthropogener Nutzung (Abb. 2). In den tiefer gelegenen Taleinschnitten dominieren Buchenmischwälder un- terschiedlicher Typisierung, die all- mählich mit zunehmender Höhe von Buchen-Tannenwäldern und ab der montanen Stufe von großflächigen Fichtenwäldern abgelöst werden. An Abb. 2: Steile Bergflanken mit großteils natürlichen bis ursprünglichen Vegetationsver- flachgründigen Stellen stocken aus- hältnissen prägen weite Bereiche des Saminatals (Foto: P. Huemer). gedehntere Kiefern- sowie schlecht- wüchsige Fichtenwälder. Spirken- grasfluren bilden wichtige Offenland- das gesamte Gebiet repräsentativen wälder sind im Einzugsbereich der lebensräume. Hinzu kommen noch Flächen. Verschärft wurde die Prob- Samina mit 478 Hektar ausgesprochen wenige entweder bereits außerhalb lematik der Erreichbarkeit durch res- großflächig präsent und wurden als der Nutzung stehende oder tendenzi- triktive Einschränkungen seitens der Natura-2000-Schutzgebiet ausgewie- ell extensiv bewirtschafte Almflächen. Stadt Feldkirch, diverser Agrargemein- sen. Grauerlen-Weidenaue treten hin- Als weiterer wichtiger Lebensraum schaften und nicht zuletzt der Jagd- gegen nur ganz kleinflächig, vor allem sind montane und