Ökologische Wirkungskonzepte in Der Abstrakten Kunst, 1910-1960
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Aus: Linn Burchert Das Bild als Lebensraum Ökologische Wirkungskonzepte in der abstrakten Kunst, 1910-1960 März 2019, 392 S., kart., zahlr. z.T. farb. Abb. 44,99 € (DE), 978-3-8376-4545-3 E-Book: PDF: 44,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4545-7 Schon um 1910 konzipierten zahlreiche Maler ihre Werke als Environments: In ihren Schriften legten sie dar, wie ihre abstrakten Bilder eine heilsame und vitalisierende Wirkung auf die Betrachtenden entfalten sollten, wobei Klima, Sonne, Luft und natür- liche Rhythmik als Vergleiche herangezogen wurden. Linn Burchert formuliert das Modell des Lebensraumes als wesentliche Bildauffas- sung so unterschiedlicher Künstler wie Wassily Kandinsky, Yves Klein, Max Burchartz und anderer. Dabei zeigt sich, dass ökologische Ideen schon vor den 1960er Jahren in die Kunst Einzug hielten und auf welche vielfältigen Quellen der Wissenschafts- und Ideengeschichte Künstler zur Begründung ihrer Ideen rekurrierten. Linn Burchert (Dr.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunst- und Bild- geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor war sie Doktorandin und wis- senschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Kunstgeschichte und Filmwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen die Beziehungen zwischen Kunst-, Ideen- und Wissenschaftsgeschichte in der Moderne sowie Naturkonzepte und Naturzugänge in der Kunst von 1750 an bis in die Gegenwart. Weiteren Informationen und Bestellung unter: www.transcript-verlag.de/978-3-8376-4545-3 © 2019 transcript Verlag, Bielefeld Inhalt 1. Einleitung: Abstrakte Malerei und Ökologie | 9 1.1 Das Bild als Lebensraum: Revision des Organismusmodells | 11 1.2 Kunst und Biologie nach 1900: Biozentrik, Bioromantik, Biomorphismus | 15 1.3 Historische und neue Konzepte der Bildmacht | 19 1.4 Methodik, Künstlerauswahl, Begriffe | 30 2. Ökologische Diskurse in Künstlerschriften | 37 2.1 Lebensräumliche Bildkonzepte | 38 2.2 Ökologische Diskurse seit der Antike | 43 2.3 Begriffsdiskussion: Biozönose, Umwelt, Lebensraum, Biosphäre | 48 2.4 Raoul H. Francé, die Bioromantik und die Kunst | 52 2.5 Diskursfelder der Klimatologie, Naturheilkunde, Architektur und Umweltpsychologie | 56 3. Bilder als klimatische Farbatmosphären | 67 3.1 Heilsam-vitalisierende Lichtluftbäder in der frühen Abstraktion | 68 3.1.1 Das Bild als Villeggiatur: Paul Klee | 68 3.1.2 Vitalisierende Farbatmosphären: František Kupka | 78 3.2 Farbklimata bei Max Burchartz | 86 3.2.1 Das Bild als (Teil des) Lebensraum(es) | 88 3.2.2 »Lebenswellen«: Ludwig Klages’ Ausdruckskunde | 90 3.2.3 Impulse der Farbenlehre Goethes und der modernen Psychophysik | 91 3.2.4 Farben in der Umweltpsychologie | 93 3.2.5 Burchartz als Gestalter von Umwelten | 98 3.3 Ansätze der Chromotherapie bei Wassily Kandinsky und Johannes Itten | 100 3.3.1 Grundlagen und Rezeption der Chromotherapie | 102 3.3.2 Farbenheilkunde als thermodiätetische Naturheilkunde | 109 3.3.3 Thermodiätetische Bilder bei Kandinsky | 111 3.4 Esoterische Wirkmächte bei Wassily Kandinsky | 112 3.5 Wärme und Lichter Italiens: Otto Nebels lufträumige Farben | 116 3.5.1 Klimatische und atmosphärische Lichtfarben | 117 3.5.2 Ökologische Wirkungsmodelle zwischen Physiologie und Esoterik | 124 3.5.3 Nebels klimatische Bilder | 126 3.6 Geistige Farblichter als Lebensstoffe in der Harmonisierungslehre Gertrud Grunows | 130 3.7 Klimatische Wirkkräfte der Natur: Johannes Ittens Jahreszeitenbilder | 139 3.8 Exkurs: Farbe als Lebensquelle – Varianten und Differenzen | 151 3.8.1 Farben als Lebenskräfte: Piet Mondrian | 152 3.8.2 Farben als Nährstoffe: László Moholy-Nagy | 154 3.8.3 Licht als vitale Energie: Otto Piene | 157 3.9 Atmosphärische Energie: Yves Kleins Blau als klimatische Farbe | 158 4. Bilder als Emanationen des Sonnenlichtes und leuchtende Lebensquellen | 167 4.1 Das Bild als Sonne: Robert Delaunay | 170 4.2 Sonnenbäder und Lichtscheiben: František Kupka | 178 4.3 Göttlich-geistige Sonnen: Otto Nebel, Wassily Kandinsky und František Kupka | 183 4.4 Ästhetische und wissenschaftliche Perspektiven auf die Sonne: Wassily Kandinsky | 188 4.5 Ausstieg aus dem Bild? Das Kunstwerk als leuchtende Lebensquelle | 193 4.5.1 Das Kunstwerk als Höhensonne: Nikolaus Braun | 194 4.5.2 Bildkritik und die Lichtbewegung als Lebensprinzip: László Moholy-Nagy | 199 4.6 Energie des reinen Sonnenlichtes: Otto Piene | 206 5. Bilder als klimatische Luft- und Atemräume | 215 5.1 Luft und Atem im Bild | 217 5.1.1 Atmende Farben und schwebende Formen | 217 5.1.2 Atmosphärische Bildwirkungen | 224 5.2 Texte, musikalische Kompositionen und Schriftbilder als Luft- und Atemräume | 227 5.2.1 In Gedichten und Texten atmen: Lebensrhythmus und klare Gedanken | 227 5.2.2 Musik als Luft- und Atemraum | 231 5.2.3 Tuschmalerei, Kalligraphie und Bildschrift als Atemfiguren | 234 5.3 Luft und Gesundheit zwischen Naturheilkunde und Esoterik | 236 5.3.1 Pneuma, Prana, Qi | 236 5.3.2 Luft als Krankheitsauslöserin und Heilmittel | 239 5.3.3 Natürliche und geistige Klimata in Künstlerselbsthistoriographien | 242 5.4 Lebensatem einflößen: Produktionstheorien bei Johannes Itten, František Kupka und Yves Klein | 244 5.5 Vom Bild zur Luftarchitektur: Yves Klein und Werner Ruhnau | 252 5.5.1 Architektur, Bioklimatologie und Technik | 252 5.5.2 Kleins und Ruhnaus Rückkehr zum Paradies | 255 5.5.3 Klimautopie und Rosenkreuzerlehre | 258 5.6 Reizklima und Breathing Space: Mark Rothko | 261 5.6.1 Das Bild als Luft-, Atem- und Lebensraum | 262 5.6.2 Dionysische Kunst: Verbindungslinien zu Friedrich Nietzsche | 267 5.6.3 Breathing Spaces | 270 6. Bio- und Naturrhythmen im Bild | 275 6.1 Natur- und Lebensrhythmen in den Künstlerkonzepten | 276 6.2 Rhythmen der Natur: Denkmodelle und Heilskonzepte seit der Antike | 283 6.2.1 Die rhythmische Ordnung der Natur | 283 6.2.2 Die Wiedergewinnung des natürlichen Rhythmus durch Bewegung und Kunst | 287 6.3 Einfühlungstheorie und Musik als Modelle für naturrhythmische Bildkonzepte | 292 6.3.1 Einfühlung, Psychophysik und Abstraktion | 293 6.3.2 Natürliche Rhythmen in Musik und abstrakter Malerei | 298 6.4 Lemniskate und Villeggiatur: Paul Klee im Kontext von Rhythmus- und Musiktheorien | 305 6.5 Naturrhythmischer Weltbau: Otto Nebel im Kontext von Gertrud Grunow und Raoul H. Francé | 312 6.6 Im Einklang mit den Jahreszeiten: Rhythmik bei Johannes Itten | 317 6.7 Das rhythmische Bild als Biozönose: Max Burchartz | 323 6.8 Biotechnische Rhythmen bei László Moholy-Nagy: Kunstwerke als vitalisierende Systeme | 328 6.8.1 Kinetische Systeme, Wahrnehmungstraining und Zivilisationskritik | 331 6.8.2 Biotechnische Energiesysteme | 335 6.8.3 Rhythmische Systeme im künstlerischen Werk Moholy-Nagys? | 337 7. Fazit und Ausblick: Bild und Kunst als Lebensraum und Ökosystem | 339 7.1 Bildmodell Lebensraum | 339 7.2 Kunst und Ökologie seit den sechziger Jahren | 342 7.2.1 Erweiterter Kunstbegriff: Kunst-, Medien- und Kulturökologie | 342 7.2.2 Kunstwerke als Energiesysteme | 346 7.2.3 Klimaräume in der zeitgenössischen Installationskunst und Architektur | 349 7.3 Ausblick | 353 Danksagung | 355 Literatur | 357 Personenregister | 383 Abbildungsnachweise | 389 1. Einleitung: Abstrakte Malerei und Ökologie »Rotorange ist dicht und undurchsichtig, es leuchtet auf, wie von innerer Wärme erfüllt. Der warme Charakter von Rot steigert sich im Rotorange zu feuriger Kraft. Rotoranges Licht för- dert pflanzliches Wachstum und steigert die organische Funktion.«1 (Johannes Itten, 1961) »Ich bin jetzt auf dem Lande und arbeite sehr viel, mein letztes Bild ist die Sonne, sie leuch- tet immer stärker, je mehr ich daran arbeite […].«2 (Robert Delaunay, 1913) »Any picture which does not provide the environment in which the breath of life can be drawn does not interest me.«3 (Mark Rothko, ohne Datierung) »[…] daß sie [alle Teile des Kunstwerkes] dazu untereinander in harmonischen Intervallver- hältnissen stehen und auf reinen Maßen beruhen: auf naturgegebenen Maßen, die sich in der Musik, im Reiche des Organischen, in allem Lebendigen auf Erden wiederfinden lassen. Unter diesen Bedingungen entsteht in einer Malerei mit Naturnotwendigkeit Rhythmik.«4 (Otto Nebel, 1931) Das Kunstwerk als klimatischer, von Sonnenlicht und Luft durchströmter, durch natürliche Rhythmen gegliederter Raum? – Diese Beschreibungen erinnern eher an die zeitgenössische Installationskunst als an die abstrakte Malerei in der ers- ten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie lassen etwa an ein Werk wie das Weather Project von Ólafur Elíasson (*1967) denken (Abb. 1-2): 2003 schuf der Künstler im Londoner Tate Modern einen Raum, welcher in vielen Aspekten der ›natürlichen‹ Umwelt glich. Elíasson erzeugte eine Licht- und Luftatmosphäre, die sich aus der Strahlung einer künstlichen Sonne und aus einer nebligen Atmosphäre konsti- tuierte. Photographien dokumentieren, dass die Besuchenden sich mitunter wie zum Sonnenbade auf den Boden der Halle legten. 1 | Itten 1961, S. 134. 2 | Brief an August Macke 1913, zit.n. Vriesen 1992 (1967), S. 151f. 3 | Undatierter Briefentwurf an Clyfford Still, in Ross 1990, S. 170. 4 | Nebel 1931, S. 29. 10 Das Bild als Lebensraum Abbildungen 1 und 2: Installationsansichten: Ólafur Elíasson, The Weather Project, 2003, Monofrequenzlichter, Projektionsfolie, Nebelmaschinen, Spiegelfolie, Aluminium und Gerüste, 26,7 × 22,3 × 155,4 m, Turbinenhalle, Tate Modern, London 2003 Einem Sonnenbade gleich beschrieb auch Robert Delaunay seine Kompositio- nen. Johannes Itten betrachtete die Farben als biochemische Wirkmächte und Mark Rothko sprach gar von einem Lebensatem, der aus seinen Werken