Maskierte Helden
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Aleta-Amirée von Holzen Maskierte Helden Zur Doppelidentität in Pulp-Novels und Superheldencomics Populäre Literaturen und Medien 13 Herausgegeben von Ingrid Tomkowiak Aleta-Amirée von Holzen Maskierte Helden Zur Doppelidentität in Pulp-Novels und Superheldencomics DiePubliziert Druckvorstufe mit Unterstützung dieser Publikation des Schweizerischen wurde vom Nationalfonds Schweizerischen Nationalfondszur Förderung derzur wissenschaftlichenFörderung der wissenschaftlichen Forschung. Forschung unterstützt. Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Frühjahrssemester 2018 auf Antrag von Prof. Dr. Ingrid Tomkowiak und Prof. Dr. Klaus Müller-Wille als Dissertation angenommen. Weitere Informationen zum Verlagsprogramm: www.chronos-verlag.ch Umschlagbild: Steve Ditko (Zeichner), Stan Lee (Autor) et al.: «Unmasked by Dr. Octopus», in: Spider-Man Classics Vol. 1, No. 13, April 1994, S. 5 (Nachdruck aus: The Amazing Spider-Man 12, Mai 1964). © Marvel Comics © 2019 Chronos Verlag, Zürich Print: ISBN 978-3-0340-1508-0 E-Book (PDF): DOI 10.33057/chronos.1508 5 Inhalt Einleitung 7 Maskerade und Geheimnis 17 Verbergen und Zeigen – Enthüllung durch Verhüllung 18 Geheimnisbedrohung und -bewahrung: Narrative Koordinaten der Doppelidentität 30 Masken, Rollen, Identitäten 45 «Die ganze Welt ist eine Bühne» – die metaphorische Maske 49 Interaktion und Identität, Konformität und Einzigartigkeit 56 Interpretationsansätze zur Doppelidentität (der Mann aus Stahl und der unscheinbare Reporter) 67 Die zivile Identität als Identifikationshilfe für den Leser 70 Der Superheld als Organization Man 77 Die Frage nach der wahren Identität 83 Doppelidentität und Männlichkeitsbilder 94 C. G. Jungs Schatten 99 Die maskierten Helden in den Pulp-Novels 105 Mit Mantel, Degen und Maske 113 Scarlet Pimpernel/Percy Blakeney 113 Zorro/Diego Vega 122 The Whirlwind/Pedro Garza 134 Gentleman-Gauner in Grau, Rot und Violett 138 Jimmie Dale/The Gray Seal 138 The Man in Purple/Richard Staegal und The Crimson Clown/Delton Prouse 147 Maskierte Verbrechensbekämpfer in der Metropole 154 The Shadow und die Schatten der modernen Grossstadt 154 The Phantom Detective/Richard Curtis Van Loan, The Spider/Richard Wentworth, The Black Bat/Tony Quinn und The Green Ghost/George Chance 170 Maskierte Pulp-Helden und Comic-Superhelden (Zwischenfazit) 195 6 Die maskierten Superhelden im Golden Age der Comic-Hefte 199 Die Verweigerung der Identitätskrise: The Owl/Nick Terry, The Black Hood/Kip Burland und The Black Terror/Bob Benton 205 Marginal Men? Das geteilte Selbst, der Zeitgeist und die Superhelden 236 Spider-Man/Peter Parker und das proteische Selbst 249 Das proteische Selbst 254 Peter Parker – Spider-Man: «Odd Combinations» 258 Krisen, Bestätigung, Balance 267 Daredevil/Matt Murdock und die stigmatisierten Identitäten 283 Stigma – Passing – Closet 285 Karussell der Identitäten: Daredevil und Matt (und Mike) Murdock 292 Das offene Geheimnis: «I am (not) Daredevil» 310 Thunderbolts: Mögliche Selbste zwischen Gut und Böse 321 Possible Selves 322 Vom Schein zum Sein 325 Die fortwährende Auseinandersetzung mit möglichen Identitäten 336 Wie aus Bruce Wayne immer wieder Batman wird – der multiple Dunkle Ritter und die narrative Identität 349 Multiplizität durch Serialität: Batmen 351 Das Streben nach Einheit und Einzigartigkeit: Es kann nur einen geben 367 Fazit 381 Danksagung 390 Bibliografie 391 7 Einleitung We shall have a noble sport tonight […]; this masquerade is a most glorious invention. Palamede in John Drydens Marriage à la Mode, 1673 «Let’s just say, I could write a hell of a paper on a grown man who dresses like a flying rodent.» «Bats aren’t rodents, Dr. Meridian.» Chase Meridian und Batman in Batman Forever (Regie: Joel Schumacher), 1995, 5:19–5:27 Verkleidungen und Maskierungen verleihen vielen Abenteuerhandlungen eine zusätzliche Attraktivität. Maskenepisoden können die Spannung steigern, spas- sige Momente bieten, heimliche Freuden bescheren oder unheimliches Unheil ankünden, bevor die dazugehörige Demaskierung (im Idealfall) in eine Überra- schung mündet und für Staunen sorgt. Der Reiz des Maskenmotivs besteht stets in einem Spiel mit dem Sein und Schein von Identität(en). Ein ‹Ausbruch aus dem Alltag› lässt sich üblicherweise mit dem Aufsetzen einer gegenständlichen Maske verbinden, wogegen man in der metaphorischen Rede von Maske meist gerade auf das Aufrechterhalten einer sozialen Rolle, also eher den Alltag, Bezug nimmt. Gleich beide Formen der Maskerade zu einer Lebensart erhebt der fiktionale Figurentypus des maskierten Helden. Maskierte Helden und Heldinnen1 er- schaffen sich durch das Tragen einer Maske eine zweite Identität, in der sie ihre Heldentaten vor den Augen der Öffentlichkeit vollbringen, während sie ihr ‹wahres› Können in ihrem sozialen Umfeld sorgfältig verbergen bzw. sich sogar als heldenuntauglich inszenieren, um eine ‹zivile› Identität aufrechtzuerhalten.2 Die Maskerade ist bei diesen Figuren keine temporäre Angelegenheit, sie stellt vielmehr einen durch den ständigen Wechsel zwischen zwei (oder mehr) Identi- täten geprägten Dauerzustand dar. Geschichten um maskierte Helden schöpfen 1 Der Lesefreundlichkeit und Sprachökonomie zuliebe beschränke ich mich in dieser Arbeit auf die Nennung von männlichen Formen, ausdrücklich sind Frauen dabei stets mitgemeint. Obwohl die männlichen maskierten Helden klar in der Überzahl sind, gilt dies insbesondere für den Begriff ‹maskierter Held›. 2 Meyer (2011, 136) formuliert dies als Charakteristikum des «klassische[n] Superhelden». 8 aus der langen Tradition von Maskenmotiven – kehrte doch schon Odysseus von seinen Irrfahrten als Bettler verkleidet heim nach Ithaka. Als populärer Figuren- typus präsentiert sich der maskierte Held aber als eine Erscheinung des 20. und 21. Jahrhunderts.3 Unter der Bezeichnung ‹populärer Figurentypus› verstehe ich ein abstraktes Er- zählmodell, das aus der Menge einzelner Figuren gespeist wird, die wiederum als Aktualisierungen des Modells gelten können. Solche Typen populärer Figuren erscheinen teils als genreprägende oder genreverkörpernde Figuren (wie der Ar- chäologenabenteurer oder der Cowboy), können teils aber auch davon losgelöst auftreten (wie etwa die Diva oder die Femme fatale).4 Gängige Genre- und Sub- genrebezeichnungen basieren unter anderem häufig auf der raumzeitlichen Situ- ierung des erzählten Geschehens (zum Beispiel Western, Steampunk) und/oder einer bestimmten Thematik (zum Beispiel Kriminalliteratur, «Romantasy»).5 Hingegen lassen sich populäre Figurentypen als figurenbasierte Erzählstruktu- ren oder Motive verstehen, die solche üblichen Genretypologien kreuzen und ergänzen.6 Literarische Figuren können dabei ähnliche Funktionen wie Genre- konventionen erfüllen, wie Anz erklärt: «Das ‹Gelingen› literarischer Kommu- nikation über Figuren und im Medium von Figurendarstellungen setzt voraus, dass Autoren die Schemata, die ihre Adressaten bei der Wahrnehmung bestimm- ter figurenbezogener Informationen aktivieren, partiell kennen bzw. vermuten, dass die Adressaten ähnliche Schemata verinnerlicht haben […].» Und geradezu passend für den maskierten Helden fügt er an: «Das ist Voraussetzung auch für solche Texte, die solche Schemata thematisieren und sie zur Basis literarisch über- aus beliebter Spiele mit sozialen Rollen und personalen Identitäten machen.»7 Auf der Ebene inhaltlicher Textkategorien stellen solche Figurentypen wohl eine Art von Motiven dar, die allerdings entgegen den häufig zitierten Motivdefinitio- nen kaum als «kleinste bedeutungsvolle Einheit»8 zu fassen wären.9 In der Regel 3 Verschiedene Vorläufer aus der Zeit vor 1900 kommen im Kapitel zu den Pulp-Novels zur Sprache. 4 Das Handbuch Populäre Kulturen beispielsweise versammelt einige solcher Figurentypen unter der nicht näher spezifizierten Bezeichnung «Medien- und Genrefiguren» (Hügel 2003, 21). 5 Zum Genrebegriff vgl. Müller 2003. 6 Vgl. dazu die Erläuterungen zu literarischen Figuren von Anz 2007, 126, wenn auch ohne kon- kreten Bezug zu maskierten Helden. Mit Bezug auf Motive als kulturelle Verständigungshilfen schreiben Ähnliches etwa Daemmrich/Daemmrich 1987, XIf., oder Wulff 2012, 16. 7 Anz 2007, 126. 8 So formuliert etwa Doering 2007 (meine Hervorhebung). 9 Etwas weiter fasst das Motiv etwa die bekannte Definition von Frenzel (1978, 29) als «eine kleinere stoffliche Einheit, die zwar noch nicht den ganzen Plot […] umfasst, aber doch bereits ein inhaltliches, situationsmässiges Element und damit einen Handlungsansatz darstellt». Eine genauere Beschreibung der hier erwähnten populären Figurentypen als Motive wäre ebenso wie 9 eng mit auf sie abgestimmten weiteren Motiven, Topoi und Erzählschemata ver- knüpft, weisen solche Figurentypen oft Verschränkungen mit bestimmten diskur- siven Kontexten auf.10 Diese können in den konkreten Umsetzungen bloss latent vorhanden sein, nebenbei mitschwingen oder explizit thematisiert werden. Vor diesem Hintergrund steht die Hauptthese dieser Arbeit: Aufgrund der be- sonderen Konstruktion des Protagonisten – der Doppelidentität mittels Maske und damit der Vorspiegelung zweier Personen, wo nur eine ist – äussern sich in Erzählungen um maskierte Helden Identitätsvorstellungen des 20. und 21. Jahr- hunderts. Hinter der vordergründigen Konzentration auf Action transportieren die entsprechenden populärliterarischen Texte11 diese weiter; sie partizipieren, wenn auch vielleicht eher indirekt, an der Etablierung, Verbreitung und Dis- kussion von Identitätsvorstellungen. Der Maskerade kommt dafür eine zentrale Funktion