A. Das Deutsche Institut Für Wissenschaftliche Pädagogik in Der Weimarer Republik
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A. DAS DEUTSCHE INSTITUT FÜR WISSENSCHAFTLICHE PÄDAGOGIK IN DER WEIMARER REPUBLIK I. DIE GRÜNDUNG DES INSTITUTS IM UMFELD DER KATHOLISCHEN LEHRERVERBÄNDE 1. MOTIVATION UND PLANUNG EINER KATHOLISCHEN »LEHR- UND FORSCHUNGSANSTALT« Wann und wo erstmals die Idee zur Gründung eines Instituts für wissenschaftliche Pädagogik aufkam, lässt sich mit letzter Sicherheit nicht rekonstruieren. Allein die Tatsache, dass sie im Umkreis der beiden, nach Geschlechtern getrennten, katholischen Lehrerverbände entstand, geht zweifellos aus den Quellen hervor1. Ob die Wiege des DIP aber im Verein katholischer deutscher Lehrerinnen (VkdL) oder im Katholischen Lehrerverband des Deutschen Reiches (KLVdDR) stand, muss offen bleiben. Beide Varianten sind überliefert. So mahnte etwa die Vor- sitzende des VkdL, Elisabeth Mleinek2, im Jahre 1962, nicht zu vergessen, dass die Idee des DIP ursprünglich von der damaligen Vereinsvorsitzenden Maria Schmitz3 »stammt und daß sie dessen Gründung in Verbindung mit dem Ka- tholischen Lehrerverband ermöglichte«4. In den Darstellungen aus dem Umfeld des Katholischen Lehrerverbands und in den Selbstdarstellungen des DIP hin- gegen werden stets die männlichen katholischen Lehrer als Urheber des DIP betrachtet. Schon vor dem Ersten Weltkrieg, auf der Versammlung des KLVdDR in Essen 1914, sei der Plan entstanden, eine eigene »pädagogische Akademie« zur Lehrerfortbildungsarbeit zu errichten. Die Umsetzung dieser Idee sei jedoch 1 Zu den katholischen Lehrerverbänden vgl. Kapitel III. 2 ELISABETH MLEINEK (1892–1980). 1912 Lehrerin in Zabrze. 1916 Lehrerin an der Präparandie des Kö- niglichen Lehrerinnen-Seminars in Eltville. 1920–1937 Sekretärin des VkdL in dessen Hauptgeschäfts- stelle in Berlin. Nach 1945 hauptamtliche Mitarbeiterin und 1953–1966 erste Bundesvorsitzende des VkdL. Lange Jahre Schriftleiterin der Verbandszeitschrift des VkdL »Katholische Frauenbildung«. Vgl. M. EMMERICH, Geburtstag; M. EMMERICH, Abschied; E. STEIN, Briefe I, S. 99. 3 MARIA SCHMITZ (1875–1962). 1884 Lehrerin in Trier. Daneben Besuch akademischer Studienkurse in Münster. 1902 Oberlehrerin. 1903–1919 Studienanstalt St. Leonhard in Aachen. 1908 zweite und 1916–1953 erste Vorsitzende des VkdL. 1907 Mitgründerin des Hildegardis-Vereins, der mittellosen katholischen Frauen eine wissenschaftliche Ausbildung ermöglichte. 1919/1920 Mitglied der Weima- rer Nationalversammlung und Teilnahme an der Reichsschulkonferenz. Nach 1945 Wiederaufbau des VkdL. Vgl. S. 215 dieses Buches sowie H. BRUNNENGRÄBER, Chronik, S. 166f.; P. RENGIER; E. MLEI- NEK, Schmitz; M. EMMERICH, Schmitz; E. STEIN, Briefe I, S. 99; M. BERGER, Schmitz). 4 E. MLEINEK, Schmitz, S. 571. 32 I. Die Gründung des Instituts im Umfeld der katholischen Lehrerverbände durch den Weltkrieg außer Reichweite geraten5. Als dann aber nach Ende des Kriegs der spätere Geschäftsführer des DIP, der Lehrer Wilhelm Kratz6, diese Idee wieder in Erinnerung rief, sei sie auf positive Zustimmung in breiten Kreisen der katholischen Lehrerschaft gestoßen7. Folgt man Kratz, so darf die anlässlich des Katholikentags veranstaltete »Fest- versammlung der katholischen Lehrer und Lehrerinnen des Münsterlandes« am 25. Oktober 1920 in Münster als die »eigentliche Geburtsstunde des Deutschen Instituts für wissenschaftliche Pädagogik« gelten8. Max Ettlinger9, seit 1917 Pro- fessor für Philosophie an der Universität Münster, hielt dort einen Festvortrag mit dem Titel »Der christliche Idealismus des Erzieherberufes«, der »den Anstoß zur Gründung« des DIP gab10. Von der Euphorie ermutigt, entschloss sich Kratz, »den seit Jahren vorbereiteten Institutsplan« der katholischen Lehrerschaft vor- zulegen11. Ob der Volksschullehrer Kratz tatsächlich den entscheidenden Anstoß zur Institutsgründung gab, muss – auch im Hinblick auf die oben erwähnte Vor- sitzende des VkdL, Maria Schmitz – offen bleiben. Franz Xaver Eggersdorfer12 bemerkte in seiner Ansprache anlässlich der feierlichen Eröffnung des Instituts 1922, das DIP sei »wie alles organisch gewordene, fast unbemerkt entstanden. Wir können den Zeitpunkt des ersten Keimens nicht angeben.«13 Cloers Vermu- tung, Kratz habe seine Rolle bei der Institutsgründung »deutlich überbetont«, ist angesichts solcher Sätze durchaus plausibel14. Dennoch war es Kratz, der als einer der Hauptredner auf dem 18. Vertretertag des KLVdDR am 27. und 28. Mai 1921 in Berlin-Steglitz, dem ersten ordentlichen Vertretertag des KLVdDR seit 1914, das geplante Institut als »eine umfassende 5 Vgl. E. CLOER, Sozialgeschichte, S. 132, 276. 6 WILHELM KRATZ (1886–1957). 1911 Volksschullehrer. 1922 zugleich Geschäftsführer des DIP. 1. Janu- ar 1933 in den Ruhestand versetzt. Nach der Auflösung des DIP 1938 beim Caritasverband in Münster tätig. Vgl. Kratz, Personal-Karte, 1932. LEHRERKARTEI; G. KLEIN, S. 204. 7 Vgl. E. CLOER, Sozialgeschichte, S. 277. 8 W. KRATZ, Entwicklung, S. 316. 9 MAX EMIL ETTLINGER (1877–1929). Während seines Philosophiestudiums in Heidelberg und Mün- chen (unter dem Einfluss Georg von Hertlings) Konversion vom jüdischen zum katholischen Glauben. 1899 Promotion. 1913 Habilitation. 1903–1917 Redakteur für die Zeitschrift »Hochland«. 1917 Prof. für Philosophie in Münster. Vgl. E. HARTMANN, Ettlinger; J. P. STEFFES, Ettlinger; J. SPIELER, Ettlin- ger I; J. SPIELER, Ettlinger II; M. WITTMANN, Ettlinger; A. MEYER/H. MEYER; C. TILITZKI, S. 53f.; K. ACKERMANN, sowie ein Brief Hans Brunnengräbers jun. an den Verfasser, 9. Oktober 2007. 10 J. SPIELER, Ettlinger I, Sp. 713. 11 W. KRATZ, Entwicklung, S. 317. 12 FRANZ XAVER EGGERSDORFER (1879–1958). Studium in München. 1903 Priester. 1904–1905 Prä- fekt am Pellschen Institut sowie Seelsorger zu St. Paul in Passau, Freistellung zum Weiterstudium in München. Dort 1907 Promotion, 1909 Habilitation, 1910 Privatdozent (Theologie). 1911 Prof. für Pädagogik am Lyzeum (später PTH) in Passau und Mitglied im Vorstand des MKV. 1914 Feldgeist- licher. 1918 schwer verwundet. 1919–1920 Abgeordneter der BVP im verfassungsgebenden Landtag. 1930 Rektor der PTH Passau. 1933 aller Ämter enthoben. 1946 Rehabilitierung und Emeritierung. Vgl. M. BERGER, Eggersdorfer; U. KROPACˇ , S. 149–156; R. WEINSCHENK; E. R. HAUSCHKA, Kritische Strukturanalyse, S. 92; G. KIFINGER, Katechetische Bewegung, S. 329. 13 Rede Eggersdorfers, zit. n.: W. KRATZ, Entwicklung, S. 326. 14 E. CLOER, Sozialgeschichte, S. 276..