Saisonprogramm 12/13

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Saisonprogramm 12/13 Hauptsponsor Das Theater an der Wien wird aus Mitteln Ein Unternehmen der Wien Holding der Kulturabteilung der Stadt Wien gefördert. VON TRAGÖDIEN UND KOMÖDIEN Während in der Tragödie „handelnde Menschen“ in tragischen, unlösbaren Aristoteles widmete den zweiten Teil seiner Poetik der Komödie, in der er Konflikten gezeigt werden, die in jeder Sekunde die Aussichtslosigkeit das Lachen und seine Wirkung untersuchte. Das Buch ist verschollen und ihres Handelns fürchten, so agieren in der Komödie Menschen, die sich in löste doch in der Gegenwart einen Flächenbrand aus. In Umberto Ecos einem lösbaren Konflikt befinden, aber nicht unbedingt von dieser Lös- Klosterthriller Der Name der Rose kämpft der clevere Mönch William von barkeit wissen. Sie sind faktisch dem Schicksal überlegen, obwohl die dar- Baskerville um die Rettung der aristotelischen Schrift. In der Bereitschaft gestellten Konflikte ebenso aussichtslos erscheinen wie in der Tragödie. zum Lachen sehe Aristoteles, meint Baskerville, eine Gutes bewirkende Warum ist die Komödie aber komisch, wenn in ihr doch ähnliche Konflikte Kraft, die auch Erkenntniswert haben kann. Durch geistreiche Rätsel und verhandelt werden wie in der Tragödie? überraschende Metaphern, also gleichsam durch Lügen, zwinge uns die Komödie genauer hinzuschauen, und erreiche die Wahrheit durch die Das ernste und das komische Element bildeten in der musikdarstellenden Darstellung von Menschen und der Welt in entstellter Form. Kunst lange Zeit streng getrennte Gattungen, blieben aber doch stets in gegenseitiger Wechselwirkung. Der düstere Don Giovanni ist als „komische Dass die Suche nach Wahrheit eine Aufgabe schöpferischer Kraft ist, the- Oper“ bezeichnet, während Händels vielfach heiterer Serse der Gattung matisiert Paul Hindemith am Beispiel des Malers Matthias Grünewald. der ernsten Oper zugeordnet wird. Sören Kierkegaard erkannte, dass erst Seine in der Zeit der Reformation und der Bauernkriege angesiedelte Oper zwei sich gegenseitig befruchtende Pole Wahrheit und Wirklichkeit evozie- Mathis der Maler reflektiert die Aufgabe der Kunst ebenso wie sie zwei Jah- ren: „Es gehört zu den Unvollkommenheiten unseres Wesens, dass wir erst re nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1935 eine be- durch den Gegensatz hindurch müssen, um zu erreichen, was wir erstre- klemmende Aktualität aufwies. „Eine Stadt, die allezeit durch freies Denken ben.“ sich hervortat, soll Bücher verbrennen“, empört sich Mathis’ Freund, der Mainzer Bürger Riedinger über die angeordnete Vernichtung sämtlicher Thomas Bernhard untersuchte in seiner Groteske Ist es eine Komödie? Ist lutherischer Schriften. es eine Tragödie? die Grenzen des Heiteren und des Tragischen im realen Leben ebenso wie auf der Bühne. Niemand war mehr davon überzeugt als Das Theater an der Wien widmet in der Saison 12/13 erstmals der „Komö- Bernhard, dass die Darstellung der fürchterlichen Wirklichkeit letzten Endes die“ einen großen Schwerpunkt, wenngleich die „Tragödien“ weiterhin im niemals als Tragödie, sondern nur als Komödie möglich sei. Die Tragödie Spielplan überwiegen. Womit wir wieder bei der Frage von Wahrheit und wurde seine Komödie und er meinte: „Es ist alles lächerlich, wenn man an Wirklichkeit sind – oder wie Arthur Schopenhauer drastisch formulierte: den Tod denkt.“ „Wer erwartet, dass in der Welt die Teufel mit Hörnern und die Narren mit Schellen einhergehen, wird stets ihre Beute oder ihr Spiel sein.“ „Ahnvater“ Aristoteles sah in der Tragödie, die er in seiner Poetik einer ersten bis heute viel diskutierten Begriffsbestimmung unterzog, die Nach- Ich wünsche Ihnen beim Lesen des vorliegenden Saisonprogramms viel ahmung einer Handlung, die den Absturz eines guten Menschen unschul- Freude. Genießen Sie beim Auswählen Ihrer Abos die Qual der Wahl und digerweise ins Unglück zeigt. Er schrieb dieser theatralischen Nachahmung erfreuen Sie uns durch Ihren oftmaligen Besuch. eine kathartische, seelisch reinigende Wirkung zu. Ihr Die Gattung Oper ist aus dem Versuch, das antike Theater mit Musik zu verknüpfen, entstanden und hat sich von Anfang intensiv mit der Frage nach Ernstem und Heiterem beschäftigt. Die ersten Meisterwerke der Oper waren dem Tragischen verhaftet, ehe ein glückliches Ende von Publi- kum und Obrigkeit erwartet wurde. Intendant Roland Geyer Kristalle, die INHALT ERÖFFNUNG 12/13 7 die Welt bedeuten. MUSIKTHEATER C. Monteverdi: IL RITORNO D’ULISSE IN Patria 11 G. Puccini: IL TRITTICO 15 Chr. W. Gluck: IPHIGÉNIE EN AULIDE 21 P. Hindemith: Mathis DER MALER 25 G. F. Händel: RADAMISTO 29 G. Rossini: LE COMTE ORY 33 L.v. Beethoven: FIDELIO 37 H. Berlioz: BÉatrice ET BÉNÉDICT 41 G. Verdi: ATTILA 45 IN DER HÖLLE 47 T. Schulze: PREMIERE (UA) 49 G. Wacks: STRENG VERTRAULICH 51 OPER KONZERTANT 53 SONDERPROJEKTE 71 Saison-Präsentation 78 Führungen 79 JUGEND AN DER WIEN 81 THEATER AN DER WIEN IN DER KAMMEROPER 89 Freunde Theater an der Wien 90 ABONNEMENTS / ZYKLEN 94 Spielplan 108 Karten & Information 112 KünstlerInnen 118 Organisation 121 Preise 128 Saalplan 129 Impressum 132 Abo-Bestellkarte 133 Hauptsponsor des Theater an der Wien. zu11016_Saison_130x205abf.indd 1 07.03.2011 18:25:24 Uhr ERÖFFNUNG 12/13 EINE MUSIKALISCHE LESUNG JAMES JOYCE ULYSSES Eine Odyssee durch Dublin am 16.6.1904 mit Texten und Kompositionen in 18 Episoden Melodramatische Spezialfassung für das Theater an der Wien von Klaus Buhlert und Manfred Hess Musik von Bach bis Berio bis Bush Leopold Bloom KARL MARKOVICS Molly Bloom CORINNA HARFOUCH Stephen Dedalus NICHOLAS OFCZAREK Perkussion DAME EVELYN GLENNIE u.a. James Joyce beschreibt in seinem epochalen Ulysses einen Tag im Leben des Leopold Bloom – in Anlehnung an Homers Irrfahrten des Odysseus und schildert dabei in außergewöhnlicher Sprache die Gedankenwelt eines Menschen. Die Distanz zwischen Erzählen und Lesen respektive Zuhören wird dabei völlig aufgehoben. Dieser Abend ist eine faszinierende literarisch-musikalische Promenade durch unsere Bewußtseinsströme. DONNERSTAG, 6. SEPTEMBER 2012, 19.30 UHR ERÖFFNUNG | 7 IL RITorno d’ULISSE IN PATRIA Claudio Monteverdi Von 7.-17. September 2012 IL RITorno d’ULISSE IN PATRIA Nachdem Monteverdi 1607 mit seinem L’Orfeo, uraufgeführt am Mantua- Dramma per musica in einem Prolog und drei Akten (1640) ner Hof, das erste Meisterwerk der neuen Gattung Oper geschaffen hatte, komponierte er 30 Jahre später für Venedig, wo seit 1637 öffentliche Opern- MUSIK VON CLAUDIO MONTEVERDI häuser existierten, nochmals zwei Opern: Il ritorno d’Ulisse in patria auf ein LIBRETTO VON GIACOMO BADOARO Libretto von Giacomo Badoaro nach der Odyssee des Homer, uraufgeführt NACH DEN GESÄNGEN XIII-XXIV AUS DER ODYSSEE VON HOMER 1639/40, und L’incoronazione di Poppea, uraufgeführt kurz vor seinem Tod In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln 1643. Musikalische Leitung Christophe Rousset Il Tempo (Vergänglichkeit), La Fortuna (Schicksal) und Amore (Liebe) führen Inszenierung Claus Guth l’Umana fragilità (menschliche Hinfälligkeit) im Prolog vor Augen, dass jeder Ausstattung Christian Schmidt Sterbliche ein Spielball dieser drei ist. Ein drastisches Beispiel dafür liefert die Licht Bernd Purkrabek Geschichte der Heimkehr des Ulisse: Zehn Jahre lang hat er Troja belagert, Video Arian Andiel weitere zehn Jahre lang wurde seine Rückkehr durch den Zorn des Meeres- Dramaturgie Konrad Kuhn gottes Nettuno verhindert. Stünde nicht die Göttin Minerva auf seiner Seite, Ulisse Garry Magee seine Irrfahrt nähme vielleicht nie ein Ende. Mit ihrer Hilfe kann er die letzte Penelope Delphine Galou Prüfung bestehen, die ihm nach der Ankunft im heimatlichen Ithaka auferlegt Telemaco Pavel Kolgatin ist: Seine Gattin Penelope zurückzuerobern. Sie hat den Platz an ihrer Seite Melanto Katija Dragojevic bisher freigehalten; doch da alle ihren Mann für tot halten, wird sie immer Eurimaco Sebastian Kohlhepp drängender von drei Freiern umworben. Nachdem Ulisse die Nebenbuhler Ericlea Milena Storti aus dem Feld geschlagen hat, weigert sich Penelope, in ihm den vermissten Eumete Marcel Beekman Gatten wiederzuerkennen. Erst ein erneutes Eingreifen der Götter macht den L’Umana fragilità / Pisandro / Feace 1 Rupert Enticknap Weg frei für die Wiedervereinigung der so lange Getrennten. Anfinomo / Feace 2 Tamás Tarjányi Antinoo / Feace 3 Igor Bakan Monteverdi gewinnt der mythischen Figur des Odysseus durch seine Iro Jörg Schneider schnörkellose, zugleich affektgeladene Musik das Portrait eines modernen Il Tempo / Nettuno Phillip Ens Menschen ab, der geprägt ist von seinen traumatischen Erlebnissen im Amore / Minerva Sabina Puértolas Krieg. Ebenso faszinierend ist die Darstellung der Penelope; sie trauert Giove Emanuele D’Aguanno dem verloren Geglaubten auf so intensive Weise nach, dass sie die reale Fortuna / Giunone Cornelia Horak Begegnung mit ihm nicht wahrhaben will. Claus Guth setzt mit Il ritorno Tänzer Paul Lorenger d ’Ulisse in patria seinen Monteverdi-Zyklus fort. 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