15238 l 1. Jahrgang l Oktober 2009 l Ausgabe 5 l ISSN 1867-5328 l

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IM FOKUS

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Die Herausgeber der ZEIT WISSEN Edition: Spannend – aktuell – kontrovers

Andreas Sentker leitet das Den Beiträgen der Forscher werden Reportagen, Analysen und Ressort Wissen der Wochen- Interviews namhafter Autoren von ZEIT und ZEIT WISSEN zur Seite zeitung Die ZEIT und ist Herausgeber des Magazins gestellt: Sie ordnen die wissenschaftlichen Positionen in das ZEIT WISSEN. Gesamtbild ein, lassen Widersprüche und Dispute sichtbar wer- den, machen Wissenschaft lebendig und erlebbar.

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Wir freuen uns auf Sie!

„Unsere Aufgabe als größte Buchmesse weltweit ist es, die internationalen Medienmärkte zu beobach- ten, neue Geschäftsmodelle aufzuzeigen und potentielle Geschäftspartner zusammenzubringen“, so definiert Buchmessechef Jürgen Boos in unserem Interview die weltgrößte Bücherschau in Frankfurt. Diesjähriges Top Thema: Wie kann man mit digitalen Produkten Geld verdienen? Weitere spannen- de Diskussionen sind durch die Themen Urheberrechtsschutz im Internet, Open Access und Google Settlement garantiert. Natürlich ist die Frankfurter Buchmesse Fokus dieser Ausgabe. Unser Team wird gemeinsam mit der bibliothekarischen Fachzeitschrift B.I.T.online im Foyer der Halle 4.2 die hochkarätig besetzten Diskussionsrunden „Bibliothek im Foyer“ anbieten. Ein Thema ist der „elektronische Lesesaal“. Genau über dieses heikle Thema, das viele umtreibt, berichten wir deshalb auch hier in unserem Schwerpunkt: Wie kann digitalisierte Literatur entsprechend den Bestimmungen des § 52 b Urheberrechtsgesetz so bereit gestellt werden, dass dies die Ansprüche und Anforderungen aller beteiligten Parteien abdeckt? Und natürlich ist auch für uns der diesjährige Gast der Messe das große Thema: China. Bereits im Vorfeld kam es beim Frankfurter Symposium „China und die Welt – Wahrnehmung und Wirklichkeit“ zum Eklat um den Auftritt von zwei Regimekritikern. Wer China als Gastland einlädt, um die Reprä- sentanten des Landes an den Pranger zu stellen, wird allerdings schwerlich den Dialog erreichen, den er vorgibt erreichen zu wollen. Von Politikern und Buchschaffenden erwarte ich mehr interkulturelle Dialogfähigkeit und Fingerspitzengefühl. Freundlichkeit und Respekt gehören – gerade auch gegen- über Andersdenkenden – zu den wesentlichen Grundlagen zwischenmenschlicher Beziehungen. Wir sprachen wenige Tage nach dem turbulenten Event mit einem der Frankfurter Diskutanten und zugleich einem der profundesten Kenner Chinas, Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer. Für ihn steht fest: China wird im Laufe der nächsten Jahre einen Rahmen entwickeln müssen, innerhalb dessen Konflikte und Dissens zugelassen und zum Wohle des Ganzen ausgetragen werden können. Diese Buchmesse bietet viele Möglichkeiten, das ferne Land im Osten für sich zu entdecken: Es gibt 350 deutschsprachige Neuerscheinungen aus rund 180 Verlagen und knapp 500 Veranstaltungen zum Thema China. Rund 2.000 Gäste werden aus China anreisen, über 220 Verlage kann man am chinesi- schen Nationalstand kennen lernen, und rund 40 private Verlage stellen unabhängig davon aus. Unser zweiter Fokus ist im Oktober 2009 in Deutschland fast schon zwingend: „20 Jahre Friedliche Revolution“. Wir haben Autoren und Herausgeber zu ihren Neuerscheinungen befragt, einige von ihnen sind Akteure von damals, einige Historiker, Verleger. Für den Pfarrer der Nikolaikirche Christian Führer ist die gewaltfreie Revolution „einzigartig“. Der Historiker Klaus-Dietmar Henke bezeichnet das Jahr der Revolution 1989/90 treffsicher als das Jahr, „als in Deutschland die Realität die Phantasie überholte“. Ohne den mutigen ostdeutschen Massenprotest keine Maueröffnung und keine Wieder- vereinigung, zu dieser zentralen Erkenntnis gelangt auch der Bürgerrechtler und Theologe Ehrhart Neubert in seiner Gesamtdarstellung. Nun hoffe ich aber zunächst einmal, dass die Buchmesse Sie genauso wie mich in ihren Bann ziehen wird. Und ich freue mich natürlich über Ihren Besuch bei „Bibliothek im Foyer“ in Halle 4.2.

Angelika Beyreuther [email protected]

5 I 2009 1

INHALT

EDITORIAL 1

KURZE MELDUNGEN 4

IMPRESSUM 114

VORSCHAU 114

IM FOKUS: BUCHMESSE / CHINA ______Medienmärkte beobachten / Neue Geschäftsmodelle aufzeigen / 14 Potentielle Geschäftspartner zusammenbringen Interview mit Jürgen Boos, Geschäftsführer der Frankfurter Buchmesse Freundlichkeit und Respekt! 18 Interview mit Helwig Schmidt-Glintzer, Professor für Sinologie und Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel Marion Meisig: Buchempfehlungen zu China 26

SCHW ERPUNKT: RECHT · W IRTSCHAFT · STEUERN ______Vera Münch: E-Room. Erste Schritte zur Industrialisierung der Digitalen Bibliothek 30 Neuerscheinungen Recht 40 Neuerscheinungen Wirtschaft 48 Neuerscheinungen Steuern 53

IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION ______Christian Führer: Die Revolution, die aus der Kirche kam 58 Thomas Brose: Glaube, Macht und Mauerfälle 66 Wolfgang Templin: Es begann mit Solidarnosc 68 Frank Richter: Von der Eskalation zum Dialog in Sachsen 70 Hans Simon: Die „Umweltbibliothek“ und die Berliner Zionsgemeinde 73 20 Jahre Ch. Links Verlag in 78 Die zentrale Herausforderung für die Zukunft ist der Digitalmarkt 80 Interview mit Christoph Links Klaus-Dietmar Henke: Als die Realität die Phantasie überholte 82 Ilko-Sascha Kowalczuk: Freiheit ist kein Geschenk! 84 Ehrhart Neubert: Unsere Revolution 92 Markus Meckel, Erhard Eppelmann: Triumph des Freiheitswillens 94 Petra Heß, Christoph Kloft: Mauerfall 96 Sebastian Krumbiegel: Es hat lange gedauert, bis wir das wirklich verstanden haben 97 Horch und Guck 98 Neuerscheinungen (eine Auswahl) 100

PROFIL Zeitlos! 350 Jahre Cotta 106

REZENSIONEN ______109

RUPPELT’S CORNER Nachdem Martin Luther Papst geworden war und die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewonnen hatten … 115

Linke und nächste Seite: Ausschnitt des Buchumschlags von Ehrhart Neubert: Unsere Revolution, Piper Verlag München 5 I 2009 3 KURZE MELDUNGEN

Buchmesse in Peking Fachbuchhandels in ein medienübergrei- zehn Top-Adressen aus dem Internet. Die fendes Vertriebskonzept. Wortlaut der Redaktion testet, bewertet und vergleicht ie 16. Internationale Pekinger Buch- aktualisierten Leitlinien abrufbar unter jedes Jahr aufs Neue die Web-Seiten. Da- Dmesse vom 3. bis 7. September ist mit www.aws-online.info runter sind viele neue, eher unbekannte gutem Ergebnis zu Ende gegangen. Rund Surf-Tipps zu den aktuellen Trends. 1.700 Verlage stellten an 2.146 Ständen Raubkopierer ihre Produkte aus, rund die Hälfte der Historische Porträts Verlage kamen aus dem Ausland. Grund ie ZEIT berichtet am 10. September, für das große internationale Interesse Ddass sich die französische National- as Bildarchiv , Deutsches an der Messe, die sich unter dem Motto versammlung Mitte September erneut DDokumentationszentrum für Kunst- „Sehen, was die Welt liest“ präsentierte, mit dem Gesetzentwurf gegen Netzpi- geschichte, erstellt einen Online-Katalog war auch die gute wirtschaftliche Lage raterie beschäftigen werde. Der Entwurf zu mehr als 200.000 Porträts aus vier des chinesischen Buchmarkts. Li Pengyi, heißt Hadopi 2, die Abkürzung steht für Jahrhunderten. Das Projekt Digitaler Por- der Vizepräsident des staatlichen Ver- Haute Autorité pour la Diffusion des trätindex druckgraphischer Bildnisse der lags China Publishing Group, sagte laut Oeuvres et la Protection des Droits sur In- frühen Neuzeit wird von der DFG unter- US-Branchennewsletter „Publishing Per- ternet, und sieht vor: Vor einen Schnell- stützt und ist auf zwei Jahre angelegt. spectives”, chinesische Verlage würden richter kommt derjenige, dem illegales über Umsatzsteigerungen von 20% seit Laden von Dateien vorgeworfen wird. Ehrenbuch der Fugger Beginn des Jahres 2009 berichten. Be- Der kann Geld- und Gefängnisstrafen sonders starke Segmente seien Cartoons, verhängen sowie das zeitweilige Verbot urch die Zusammenarbeit von staat- Digitales Publizieren sowie Schul- und aussprechen, das Internet zu benutzen. Dlichen und privaten Geldgebern ist Lehrbücher. Laut Organisatoren wurden Beschuldigte könnten behaupten, je- es dem Freistaat Bayern gelungen, das während der Messe 700 Veranstaltun- mand anderes habe ihren Internetzugang Ehrenbuch der Fugger zu kaufen. Die gen angeboten. Ehrengast auf der BIBF missbraucht. Deswegen verwendet der Renaissancehandschrift ergänzt damit war dieses Jahr Spanien. Neben Spanien Entwurf den juristischen Begriff der nég- den reichen Fugger-Bestand der Bayeri- waren rund 56 Länder auf der Messe ligence caracterisée, was mit einschlägi- schen Staatsbibliothek. Handschrift und vertreten. Am deutschen Gemeinschafts- ger Fahrlässigkeit übersetzt werden kann: Kupferstich werden zurzeit in der BSB stand stellten 49 Verlage auf 144 m2 aus, D.h., wer seinen drahtlosen Internetzu- von Restauratoren betreut, später sollen 14 Verlagsvertreter waren angereist. gang nicht gegen unberechtigten Zugriff sie digitalisiert werden. Für 2010 ist eine schützt, wird ebenfalls mit Geldstrafen Ausstellung geplant AWS aktualisiert und dem Ausschluss vom Netz bedroht. In beiden Fällen sollen Nutzer zunächst er Fachbuchhandel vollzieht auf- verwarnt und danach mit abgestuften Treffpunkt Bibliothek Dgrund von Digitalisierung und In- Strafen belegt werden. Weitere Informa- ktionen für Jugendliche und die ternet derzeit einen deutlichen Wandel. tionen: www.zeit.de/hadopi AThemen Migration und Integration Viele Buchhandlungen haben ihre Kom- bilden einen Schwerpunkt der im No- petenzen neu definiert und sukzessive Wikipedia vember stattfindenden Aktionswoche ausgebaut, um ihre Position als Mittler Deutschland liest. Treffpunkt Bibliothek. und spezialisiertes Service-Unternehmen ber die Zukunft von Wikipedia hat In den derzeit rund 1.600 gemeldeten für einen gebündelten und verlagsüber- Üder Frankfurter Soziologe Christian bundesweiten Veranstaltungen reicht das greifenden Zugang zu wissenschaftli- Stegbauer im Wiesbadener VS Verlag für Spektrum von Medienralleys, Hörspiel- chen Informationen und Fachmedien zu Sozialwissenschaften ein Buch vorgelegt: werkstätten, literarischen Konzerten und wahren. Diese Entwicklung berührt auch Wikipedia. Das Rätsel der Kooperationen. bibliophilen Spaziergängen über Poetry die inhaltliche Ausrichtung der Arbeits- Er kommt zu dem Schluss, dass Etiketten Slam-Nächte, Crime-Nights und Lan- gemeinschaft wissenschaftlicher Sorti- wie Schwarmintelligenz oder Graswurzel- Partys bis hin zu sportlichen und kulina- ments- und Fachbuchhandlungen (AWS) demokratie den Kern des Projekts immer rischen Ereignissen. Informationen unter: e.V.. Der Verein hat daher seine Leitlinien weniger treffen. Das Selbstverständnis www.treffpunkt-bibliothek.de aktualisiert und diese – aufbauend auf habe sich von einer Befreiungs- zu einer einem Leistungs- und Anforderungskata- Produktideologie verlagert. Vorrangiges log des Fachbuchhandels – in fünf Punk- Ziel sei ein Lexikon, das sich gegenüber Gabler ten zusammengefasst. Im Mittelpunkt kommerziellen Mitbewerbern behaupten um 80. Geburtstag zeigt sich der der Neuorientierung stehen Erweiterung kann. Bei Wikipedia entscheiden rund Z1929 gegründete Gabler Verlag aus und Kommunikation von Kompetenzen, 250 Administratoren. Diese verfügen Wiesbaden in neuem Gewand: Markante Zusammenarbeit und Austausch. Wichti- auch über das Recht, Artikel zu löschen Schrägen und ungewöhnliches Bildma- ge Zielsetzung der AWS ist dabei, die He- und Benutzerprofile zu sperren. terial in leuchtenden Farben sorgen für terogenität der Branche als wesentlichen die neue Optik des Buchlayouts. Damit Beitrag für Vielfalt und lebendigen Dis- Web-Adressbuch folgt dem kontinuierlichen inhaltlichen kurs zu bewahren. Der Verein sucht dazu Programmausbau in den letzten Jahren das offene und konstruktive Gespräch ie neue Ausgabe des deutschen Inter- net-Guides Das Web-Adressbuch für auch optisch ein neues Gesicht. Insge- mit allen Branchenteilnehmern und sieht D samt veröffentlicht Gabler heute etwa den aktuellen thematischen Schwer- Deutschland präsentiert zu über 1.700 Themenbereichen jeweils die zwei bis 650 Buchtitel pro Jahr und verfügt über punkt seiner Arbeit in der Integration des eine Backlist von knapp 3600 Titeln.

4 5 I 2009 KURZE MELDUNGEN

5 I 2009 5 KURZE MELDUNGEN

De Gruyter keting- und Vertriebsvorstands beim B.I. Der 57-jährige Manager war bisher allei- m 260-sten Jahr seines Bestehens hat niger Geschäftsführer von Patmos. Diese Ider Verlag De Gruyter seinen Marken- Position wird er auch weiterhin inneha- auftritt grundlegend überarbeitet und ben. Zusätzliche Aufgaben übernimmt aufgefrischt. Ziel des Relaunchs ist die auch Marion Winkenbach. Neben ihrer Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes Tätigkeit als Vorstand beim B.I. mit der und Verlagsauftritts unter einer starken verlegerischen Verantwortung für Duden Qualitätsmarke und einem gemeinsamen übernimmt sie von Kämpfe-Burghardt Luc Ferry Logo. Unter dem Dach De Gruyter wer- als verlegerische Geschäftsführerin die den zukünftig nur zwei Marken weiterge- Programmverantwortung bei der Pat- Leben lernen: führt: De Gruyter Mouton ausschließlich mos-Gruppe. Weitere Neuerung: Timo Die Weisheit für den Bereich der englischsprachigen Blümer übernahm zum 1. September den Linguistik und De Gruyter Saur aus- Finanzvorstand beim B.I. Der 36-Jährige der Mythen schließlich für den Bereich Library and war bisher kaufmännischer Leiter der Information Science. Die Marke Max Nie- Cornelsen Holding in Berlin. Er folgt auf meyer wird als Imprintverlag vollständig Hans-Jörg Düllmann, der den Verlag auf in De Gruyter integriert und nur in aus- eigenen Wunsch verlässt. Sprecher des gewählten Publikationswerken fortbeste- Vorstands bleibt Ulrich Granseyer. hen. Schweitzer Schattauer Fachinformationen ww.schattauer.de präsentiert sich ie Schweitzer Fachinformationen Win neuem Gewand, mit verbesser- Düber nahmen im August 2009 die ter Funktionalität, wissenschaftlichen Bib liotheksrepräsentanz für den Verlag Fachartikeln sowie Zusatzmaterialien für Vandenhoeck & Ruprecht, inklusive des- Bücher. Im Zeitschriftenbereich finden sen Tochterverlag V&R unipress. Das Göt- sich auf der Homepage viele frei zugäng- tinger Verlagshaus setzt auf die Vertriebs- liche Fachartikel, zudem sind Schwer- kompetenz von Schweitzer Fachinforma- punktthemen der englischsprachigen tionen. Damit wird die Position im deut- Der Philosoph und Bestsellerautor Thrombosis and Haemostasis und alle in schen akademischen Bibliotheksmarkt Luc Ferry erzählt die wichtigsten Verbindung mit den Kompetenznetzen – insbesondere in den Wissenschaftsge- griechischen Mythen neu – entstandenen Beiträge in der Medizini- bieten Theologie und Religionswissen- und deutet sie zugleich als eine schen Welt, der Nervenheilkunde und der schaft, Geschichte, Literatur- und Sprach- Vorform der Philosophie, eine Adipositas auch für Nicht-Abonnenten wissenschaften, Rechtswissenschaft so- Lebenslehre für unsere Zeit. lesbar. Abonnenten können jetzt unter wie Psychologie und Pädagogik – weiter ihrem Benutzerkonto alle ihre Abonne- ausgebaut werden. Dazu gehört auch die »Ein hochinteressantes ments verwalten. Die neue Suchfunktion Verbreitung einer wachsenden Anzahl vereinfacht die Recherche nach Zeit- von E-Books. Zusammen mit den Fach- Buch!« Focus schriftenartikeln, Buchbestellungen oder sortimenten – Schweitzer Fachinformati- der Suche nach Fortbildungsseminaren. onen ist bundesweit an über 30 Stand- orten präsent – wird als Bibliotheksreprä- Patmos nach Mannheim sentantin Dr. phil. Marion Dammaschke ([email protected]) um 1. Januar 2010 zieht die Verlags- persönliche Ansprechpartnerin sein. Zgruppe Patmos, ein Tochterhaus von Cornelsen, nach Mannheim, wo auch Print on Demand bei das von Cornelsen übernommene Bib- Hollmann liographische Institut (B.I.) angesiedelt ist. Die Patmos-Gruppe mit ihren Verla- er Düsseldorfer Flughafenbuchhänd- gen Albatros, Artemis & Winkler, Patmos, Dler Hollmann führt in seiner Filiale Patmos audio und Sauerländer soll am in der Düsseldorfer Innenstadt Print- neuen Standort als eigenständiges Un- on-Demand ein. Kunden können knapp ternehmen bestehen bleiben. Wie viele 1000 internationale Tageszeitungen aus

432 S., Euro 24,90; 978-3-88897-586-8 Mitarbeiter mit nach Mannheim kom- über 80 Ländern per Touchscreen aus- men werden, bleibt abzuwarten. Beim wählen, ausdrucken und heften lassen. B.I. stehen infolge des Umzugs personelle Geschäftsführer Daniel Seidl will damit kunstmannverlag antje Umstrukturierungen an. Klaus Kämpfe- die internationale Klientel in Düsseldorf www.kunstmann.de Burghardt übernimmt zum 1. September anzusprechen. die neu geschaffene Position des Mar-

6 5 I 2009 KURZE MELDUNGEN

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5 I 2009 7 KURZE MELDUNGEN

Bibliothek der FES Erinnerung Faktor: Von der Integration zur Transfor- mation von Ernst & Young und BITKOM. ie Bibliothek der Friedrich Ebert- m 22. September 1989 forderte Erich „Verlage, Sender und Produzenten kaufen DStiftung ist mit 780.000 Bänden AHonecker in einem Fernschreiben an derzeit gezielt Internet-Unternehmen eine der größten sozialwissenschaftlich- die SED-Bezirksleitungen „die Isolierung auf, um besser in der Online-Wirtschaft historischen Spezialbibliotheken welt- der Organisatoren der konterrevolutionä- Fuß zu fassen“, sagt BITKOM-Präsident weit. Sie digitalisiert zentrale Dokumen- ren Tätigkeit“. Unter dem Druck der Ent- Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer. In Zu- te der deutschen Sozialdemokratie und wicklungen im Herbst 1989 will er schnell kunft, so die Studie, werden Geschäfts- der Gewerkschaften und stellt sie gut umsetzen, was schon seit langem geplant modelle mit Premiuminhalten eine aufbereitet und erschlossen im Internet ist: die Internierung von 85.939 Oppo- wichtige Rolle spielen. Dabei wird das zur Verfügung. Das Internetportal zur sitionellen, Gegnern und Aussteigern. werbefinanzierte Basisangebot ergänzt Geschichte der deutschen Arbeiterbewe- „Schlagartig, konspirativ und vorbeu- von einem gebührenfinanzierten Premi- gung: www.fes.de/hfz/arbeiterbewegung gend“ wollte das SED-Regime innerhalb umangebot. Im europäischen Schnitt hat von 24 Stunden die Betroffenen verhaf- die Zahl der Übernahmen und Fusionen, SPD + deutsche Einheit ten und isolieren. Die Lager waren bereits an denen Unternehmen der Internetwirt- im ganzen Land vorbereitet. Kühlhäuser schaft als Käufer oder Gekaufte auftre- er politische Kurs der SPD-Führungs- und andere Gebäude mussten dafür frei ten, seit 2005 um rund 130% zugelegt, Dgremien während der Friedlichen Re- gemacht werden. in Deutschland sogar um 161%. Damit volution in der DDR und der politischen trägt die Online-Branche den Anstieg der Auseinandersetzung um die Gestaltung Übernahmen Transaktionen im gesamten Medien- und des Wegs zur deutschen Einheit in den Unterhaltungsbereich praktisch allein. Jahren 1989/90 steht im Zentrum des nternetportale wie Soziale Netzwerke Eine Gegenüberstellung der jeweiligen von Ilse Fischer herausgegebenen Buches Iund Online-Communitys sind immer Nationen als Investor bzw. als Investiti- mit dem Titel Die Einheit sozial gestalten. häufiger Ziel einer Übernahme. Die Zahl onsziel zeigt, dass von den Top-10-Na- Dokumente aus den Akten der SPD-Füh- der Übernahmen von Internetportalen tionen insbesondere Deutschland, Spa- rung 1989/90, das im Verlag J.H.W. Dietz versechsfachte sich seit 2005. Beson- nien, Italien und Russland häufiger Ziel Nachf. erschienen ist und auf Grundlage ders aktiv sind Verlage: 36% aller Inves- von Aufkäufen sind als umgekehrt. Die der Aktenbestände des Archivs der sozia- titionen in Online-Portale stammen von Studie basiert auf der Analyse von 4.500 len Demokratie erarbeitet wurde. ihnen. Das ergibt die Studie Der Online- europäischen Medien-Transaktionen seit 2005. Sie kann kostenfrei heruntergela- den werden unter http://www.bitkom. org/de/publikationen/38338_61104.aspx. Neue Regelungen durch Unternehmensteuerreform Bing · Systematische Darstellung des Gewerbe- ine Untersuchung der Marktforscher steuerrechts mit zahlreichen Beispielen Evon Nielsen zeigt, dass Bing, die Such- Vollig neu bearbeitete Auflage auf aktuel- ·  maschine von Microsoft, in den USA die lem Rechtsstand einschl. Unternehmen- steuerreform 2008, Jahressteuergesetz dritthäufigst genutzte Suchmaschine ist 2008, Jahressteuergesetz 2009 und damit einen Marktanteil von 10,7% hat. Bing wuchs in den USA am schnells- · Wichtige Änderungen: Neue Regelungen zur Ermittlung des Gewerbeertrags – ten, und zwar um 22% im Vergleich zum Hinzurechnung von Schuldzinsen, Mieten Vormonat August. etc. – Änderungen bei den Kürzungen – einheitliche Steuermesszahl – Wegfall des Staffeltarifs bei Personenunternehmen Spielend lernen Grüne Reihe er VdS Bildungsmedien e. V. aus Band 5 DFrankfurt hat die Publikation „spie- lend lernen“ mit Lehrmaterialien und Gewerbesteuer Fachliteratur für Erzieherinnen und Er- Prof. Dr. jur. habil. Jurgen W. Hidien, zieher herausgegeben. Darin gibt es über 14. Auflage 2009  703 Seiten · geb. · 55,– 5 Dr. Carsten Pohl, LL.M., 500 aktuelle Titel der Verlage nach zwölf ISBN 978-3-8168-1054-4 Prof. Dr. Georg Schnitter thematischen Rubriken gegliedert, mit al- (Best.-Nr. 105) len bibliographischen Angaben und einer kurzen Beschreibung zu Inhalt und Kon- 5 Zu beziehen über Ihre Buchhandlung oder direkt von der -Verlagsbuchhandlung zept. Die Broschüre ist kostenlos und im Subskriptionspreis Postfach 2549 · 49015 Osnabrück Internet als Download eingestellt: http:// für Bestellungen31.10.2009: 49,–bis zum Tel. (0541) 669 62 02 · Fax 640 27 www.vds-bildungsmedien.de/publikatio- www.efv-online.de·[email protected] nen/downloads/informationen-bildungs-

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8 5 I 2009 KURZE MELDUNGEN BUCHM ESSE 2009 Bibliothek 2020 Zwischen Vergangenheit und Zukunft

Bibliotheken wandeln sich ständig im Spannungsfeld von Vergangenheit und Zukunft. Nationalbibliotheken, Universitäts- und auch Öffentliche Bibliotheken – sie alle spiegeln die Wirklichkeit, die aktuellen Entwicklungsprozesse und Visionen im digitalen Zeitalter. „Bibliothek im Foyer“ auf der Frankfurter Buchmesse stellt diese innovative Branche in den Fokus der Aufmerksamkeit. Bibliothek im Foyer präsentiert von B.I.T.online und Fachbuchjournal

„Bibliothek im Foyer“ finden Sie in zentraler Lage im Foyer der Halle 4.2

Mittwoch,Mittwoch, 14.10.2009,14.10.2009, 11:11:0000 - 113:003:00 Uhr

Thema: Bibliothek 2020 – Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Bibliotheken sind nicht tot, aber … œ Welche Chancen bieten sich der Bibliothekswelt bei ihrer zukünftigen Positionierung? œ Wie können Bibliotheken ihre Wertschätzung in der Öffentlichkeit steigern? œ Bleibt das Buch in den nächsten Jahren das wichtigste Medium zur Informationsvermittlung? œ Was wird aus dem/der Bibliothekar/in? œ Stehen Kultureinrichtungen wie z. B. Bibliotheken vor der unabdingbaren Herausforderung, im großen Maßstab digitale Kulturgüter einem breiten Publikum zugänglich zu machen?

Donnerstag, 15.10.2009,15.10.2009, 11:11:0000 - 113:003:00 UhUhrr

Thema: Der elektronische Lesesaal – Vision oder Wirklichkeit? œ Digitalisierung und Bereitstellung – eine Herausforderung für die Zukunft! œ Wie kann eine einvernehmliche Lösung innerhalb der Urheberrechtsdiskussion aussehen und funktionieren? œ Gibt es eine finanzierbare Alternative zu Google? Ist Europeana eine Alternative? Neue Geschäftsmodelle sind gefragt. œ Ist Google nicht schon zu weit und über alle Berge? œ Wie wird wissenschaftliches Arbeiten in Zukunft funktionieren, wie wird die notwendige Informationsversorgung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aussehen? Wie müssen sich Bibliotheken dazu verändern und woher kommt das Geld dafür?

Freitag,Freitag, 116.10.2009,6.10.2009, 11:11:0000 - 113:003:00 UhUhrr

Thema: Bibliothek und Bildung – Aufgaben und Herausforderung für die Zukunft? œ Welche Rolle spielen Bibliotheken zukünftig bei der Bildung? œ Lernort? – wie können Bibliotheken zukünftig verstärkt Lernanbieter werden? (z. B. E-Learning) œ Förderung der Erziehung und Bildung durch Bibliotheksangebote in Kindergärten, Schulen und Justizvollzugsanstalten. Wie können solche Angebote aussehen?

www.fachbuchjournal.de | www.b-i-t-online.de 5 I 2009 9 KURZE MELDUNGEN

GOOGLE +

Suchanfragen Das europäische Urheberrecht insbesonde- nun verhandelt sie mit Google über eine re bei Büchern sei sehr fragmentiert, finden Zusammenarbeit bei der Digitalisierung der ach Informationen von ComScore die beiden Kommissare. Reding favorisiert Bestände. Das eigene Digitalisierungspro- Ngingen weltweit im Juli 2009 insge- das Modell eines zentralen Registers, das gramm Gallica, wozu der französische Staat samt 113 Mrd. Suchanfragen bei Google Informationen über Bücher und deren jährlich 5 Mio. € beiträgt, will die Bibliothek und anderen Anbietern ein, 41% mehr Rechteinhaber sammelt und anschließend damit nicht aufgeben. Allein die Digitalisie- als im Vorjahr. 76,7 Mrd. der Suchan- etwaige Einnahmen verteilen soll. rung der Werke aus der Zeit von 1870 bis fragen gingen an Google. Das Unterneh- 1940 kostet jedoch rund 80 Mio. €. men hat damit einen Marktanteil von Google Book Settlement 67,5%. Yahoo folgt auf Platz 2 mit 8,9 Zeitungsverlage Mrd. Anfragen (MA: 7,8%), dann kommt urz vor Ablauf der Einspruchsfrist hat die chinesische Suchmaschine Baidu mit Kauch das amerikanische Justizminis- ie FAZ vom 11. September berichtete, 8 Mrd. Anfragen (MA: 7,0%). Nach Regio- terium mit einem Statement of Interest Dman habe sich bei Google Gedanken nen betrachtet leben in Europa die meis- of the United States of America seine über die Zukunft von bezahlten Inhalten ten Suchmaschinen-Nutzer: 32,1% aller Bedenken gegenüber dem Google Book im Internet gemacht. Hintergrund ist die Suchanfragen stammen von hier. Asien- Settlement geäußert. Am Ende waren es Krise auf dem amerikanischen Zeitungs- Pazifik folgt mit 30,8%, dahinter die USA mehr als siebenhundert Einwände und markt. Die Verlage sehen Google News mit 22,1%. Die Latein-Amerikaner sind die amicus curiae-Briefe aus aller Welt, die als einen der Mitverursacher der Krise aktivsten Sucher: Durchschnittlich 130,4 das zuständige Bezirksgericht in New und wichtigsten Konkurrent. In dem Kon- Suchanfragen stellte ein dortiger Nutzer York zu prüfen hatte, schreibt die FAZ am zept sieht Google Werbung auch künftig im Juli. 116,9 sind es in Europa. 22. September. Die Verhandlungspartner als Haupteinnahmequelle im Internet an, – Google und der amerikanische Schrift- hat sich aber für die Zeitungen ein mehr- Google Docs stellerverband – haben ihren Willen sig- stufiges Bezahlsystem ausgedacht, das nalisiert, den Vertrag nun grundlegend zu dereinst für digitalen Inhalt sogenannte oogle will die in seinem Webdienst ändern. Micropayments eintreiben soll und dabei Text und Tabellen (Google Docs) ge- G dem Download-Modell von Apples iTunes speicherten Dokumente für die Suchma- nicht unähnlich ist. Im Gespräch mit der schine indexieren. Voraussetzung dafür Nutzungsrechte FAZ betonte Kay Oberbeck, Google-Unter- ist, dass diese Dokumente als öffentlich ine Anfrage von Anne Bergman-Tahon, nehmenssprecher Deutschland, Österreich zugänglich gekennzeichnet sind und dass Eder Generaldirektorin des Europäi- und Schweiz, der scharfe Ton der Debatten sie von einer Webseite aus verlinkt sind. Per schen Verlegerverbandes FEP, bestätigte, spiegele nicht das tatsächliche Verhältnis Voreinstellung sind die Texte, Tabellen und dass künftige Nutzungsrechte des Biblio- und wies stattdessen auf die „sehr gute Präsentationen in den Google-Anwendun- theksprogramms bei Google bleiben und Zusammenarbeit mit Verlagen und Websi- gen privat; für die Indexierung muss der damit über keine andere Suchmaschine te-Betreibern“ hin. Google habe im letzten Anwender die Funktion aktivieren: Freige- zugänglich seien, berichtet die FAZ am 10. Geschäftsjahr weltweit 3,6 Mrd. € an Ver- ben/Als Webseite veröffentlichen. September. lage ausgeschüttet. EU-Kommissare On Demand Books Google News m 7. September trafen sich in Brüssel oogle arbeitet mit dem Unternehmen n Deutschland nutzen 35 Millionen Azwei Dutzend Experten aus europä- On Demand Books zusammen, dessen G Menschen die allgemeine Google-Suche, ischen Ländern, um ihre Bedenken ge- Espresso Book Machine 300 Seiten umfas- I aber nur etwa 2,4 Millionen nutzen gen den Google-Buchsuchevergleich den sende Bücher innerhalb von weniger als Google News. Kommissaren Viviane Reding (Informa- fünf Minuten drucken kann. Google will tionsgesellschaft und Medien) und Charlie es ermöglichen, zwei Millionen Bücher, Klagen Mc-Creevy (Binnenmarkt und Dienstleis- für die kein Urheberrecht mehr gilt, für tungen) – ebenfalls anwesend zwei Vertre- 8 $ drucken zu lassen und zu verkaufen. ranzösische Verlage klagen in Frank- ter von Google und dreihundert Zuhörer Die Espresso Book Machines stehen in den Freich gegen Google, rund 100.000 – vorzutragen. Das Statement der beiden USA in einigen Bibliotheken und Buchlä- französische Bücher ohne urheberrecht- Kommissare wurde allerdings bereits ver- den sowie beim Internet Archive. liche Genehmigung digitalisiert zu haben. breitet, als das Hearing noch im Gang war, und hatte den Tenor: Europa müsse Französische aufpassen, nicht zu langsam zu digitalisie- ren, sonst könnte seine Kultur in Zukunft Nationalbibliothek leiden. Die Digitalisierung von Büchern sei „eine Herkulesaufgabe, bei der der öffent- och vor vier Jahren rief die Biblio- liche Sektor zwar die Federführung über- Nthèque Nationale de France zu ei- nehmen muss, für die er aber auch die Un- ner europäischen „Gegenattacke“ gegen terstützung des privaten Sektors braucht.“ Googles Buchdigitalisierungsprojekt auf,

10 5 I 2009 KURZE MELDUNGEN Hörbücher von Schott

Andrea Rittersberger Das Gespenst Heinrich findet Freunde llustriert von Karl-H. Volkmann 32 Seiten – Hardcover mit CD 21,8 x 27,5 cm ISBN 978-3-7957-0563-3 ED 9986 · € 19,95

Helme Heine Die Schöpfung Eine musikalische Erzählung Musik von Reinhard Seifried 64 Seiten – Hardcover mit CD 21,4 x 28,0 cm ISBN 978-3-7957-0521-3 ED 9844 · € 24,90 Margret und Rolf Rettich Ein Haus voll Musik Heidi Leenen / Martin Bernhard 32 Seiten – Hardcover mit CD Der Elefantenpups 21,8 x 27,5 cm ISBN 978-3-7957-0441-4 Direktor Fröhlich und das ED 9307-50 · € 19,95 Zoo-Orchester 32 Seiten – Hardcover mit CD

MA 3030-01 · 9/09 Gesprochen von Hexe Lilli-Autor KNISTER 21,8 x 27,5 cm ISBN 978-3-7957-0666-1 ED 20650 · € 19,95

5 I 2009 11 KURZE MELDUNGEN

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s Medienm rkte beobachten s Neue Gesch ftsmodelle aufzeigen s Potentielle Gesch ftspartner zusammenbringen

Zwei Wochen vor Beginn der Frankfurter Buchmesse sprachen Fachbuchjournal-Redakteurin Angelika Beyreuther und Buchmessenchef Jürgen Boos über die thematischen Schwerpunkte der diesjährigen Messe, über neue Geschäftsmodelle, Trends, Innovationen und Zukunftsthemen – und das Gastland China.

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Juergen Boos ist seit April 2005 Direktor der Frankfurter Buchmesse. Er studierte nach seiner Aus- bildung zum Verlagsbuchhändler Betriebswirtschaftslehre in Mannheim, arbeitete einige Jahre als Ver- kaufsleiter bei der Droemerschen Verlagsanstalt, im Literarischen Verlag, Carl Hanser Verlag und im Springer Verlag in Berlin, wo er anschließend als Leiter International Sales tätig war. 1997 wechselte er als Bereichsleiter Marketing / Sales / Distribution zum Verlag Wiley-VCH in Weinheim.

In zwei Wochen beginnt die Frankfurter Buchmesse. Sind der Messe, im Forum Film & TV, das Platz bietet für Kontakte Sie nervös? zwischen der Verlags- und Filmwelt. 2009 weiten wir das aus, Ich bin vor jeder Buchmesse nervös, auch wenn das schon und nehmen auch weitere so genannten „Creative Industries“ meine fünfte Messe ist in meiner Funktion als Direktor der in den Blick. Der neue Name – Film & Media Forum – trägt Buchmesse. Gleichzeitig ist der Adrenalinpegel so hoch, dass damit einer Entwicklung Rechnung, die alle Kreativbranchen ich die Nervosität meist nur merke, wenn es stiller wird, gerade erleben: Der Blick über den Tellerrand wird immer abends etwa oder frühmorgens. Und dann kommt noch die lohnender, je leichter der Austausch von Inhalten wird. Rund Vorfreude dazu: Wir arbeiten ja jedes Jahr monatelang auf 200 Veranstaltungen auf der Messe gehen der Frage nach, ein Mega-Event hin. Die Messe ist wie ein lebender Orga- was die Buchbranche verbindet – und verbinden kann – mit nismus, wir stellen zwar die Weichen und bereiten alles vor, den anderen Kreativbranchen. aber es bleibt doch jedesmal spannend: Wie wird die Messe dieses Jahr? Hat die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise Auswir- kungen auf die Buchmesse 2009? Letztes Jahr gab es Besucherrekorde. Da sprach jeder vor Wir registrieren natürlich, dass Verlage in diesem Jahr sehr der Buchmesse von E-Book-Readern und Digitalisierung auf Kosteneffizienz achten, gerade Verlage aus den USA und und es gab entsprechend großen Orientierungsbedarf bei aus Großbritannien. Andererseits ist es auch so, dass in Zeiten neuen Geschäftsmodellen und Geschäftsfeldern für elek- des Umbruchs das Bedürfnis nach Orientierung wächst, und tronische Produkte. Wie heißt das Zugpferd in diesem die Messe übernimmt in diesen turbulenten Zeiten auch eine Jahr? „Leuchtturm“-Funktion. Denn sie bildet ja nicht nur die in- Neue Geschäftsmodelle sind eindeutig der Schwerpunkt in ternationale Buchproduktion ab, sie ist auch eine einzigartige diesem Jahr. Dies ergab auch eine internationale Umfrage Innovationsschau. zur Zukunft der Branche, die wir soeben durchgeführt ha- Außerdem können wir sagen: Die Krise trifft nicht jeden ben. Von den über 840 Branchenvertretern, darunter viele gleich hart, manche Buchmärkte wie die Chinas, Lateiname- in leitenden Positionen, war zu hören: Die Branche braucht rikas oder Indiens wachsen sogar. Auf der Messe sind rund ein Mehr an Wissen und Strategie, um sich neu zu erfinden. 100 Länder vertreten – hier findet sich immer ein viel ver- Seit einiger Zeit ist klar: Das alte Tauschprinzip – gedruck- sprechender Markt, der Trends setzt und Optimismus weckt. tes Buch gegen Geld – stößt an seine Grenzen. Erstmals seit Der Ehrengast China bietet 2009 besonders viel Stoff zur Fra- Gutenberg – und der ersten Frankfurter Buchmesse vor rund ge nach „neuen Geschäftsmodellen“: Ein Verlag wie Shan- 550 Jahren – müssen wir uns die Frage stellen: Wie kann die da Literature Ltd. etwa, der täglich 8.000 neue Manuskripte Medienbranche mit digitalen Produkten Geld verdienen? Das online stellt und mit Belletristik Geld verdient, aber auch die treibt alle um. In Frankfurt treffen sich Branchenvertreter aus chinesischen Pendants zu Amazon und Google, die zeigen: es 100 Ländern, hier gibt es ein Fachprogramm mit Hunderten gibt immer einen alternativen Weg. von Veranstaltungen – beste Chancen also, sich auszutau- schen und neu zu orientieren, den schnellsten Weg vom Ex- Der Rechtehandel ist das Rückgrat der Frankfurter Buch- periment zum Geschäftsmodell zu finden. messe. Und der findet in erster Linie zwischen englisch- Einen besonderen Schwerpunkt legen wir dieses Jahr in un- sprachigen Verlagen statt. Macht es Ihnen zu schaffen, serem Fachprogramm auf die benachbarten Kreativbranchen dass eine Reihe der englischsprachigen Verlage dieses Jahr Film, Foto und Spiele. Film ist ja schon seit 2003 vertreten auf nicht nach Frankfurt kommen werden?

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Wir haben hart dafür gearbeitet, dass auch in der Halle 8 – und Erfahrungsaustausch gewinnt in Zeiten des Umbruchs der Heimat der englischsprachigen Welt – die wichtigen gro- an Bedeutung: Internationale Konferenzen wie „Tools of ßen und kleinen Player versammelt sind, von A wie Abrams Change for Publishing – TOC Frankfurt“ (Dienstag, 8.30 – über Penguin und Simon & Schuster bis Z wie Zondervan. 18.00 Uhr, Radisson Blu Hotel), das 23. Rights Directors Mee- Die englischsprachige Welt ist – nach den deutschsprachigen ting (Dienstag, 14.00 – 17.00 Uhr, Congress Center) oder die Ausstellern – unsere wichtigste Kundengruppe, und wir sind Online Tagung der Deutschen Gesellschaft für Informations- stolz darauf, dass es uns auch im Krisenjahr 2009 gelungen wissenschaft (15. – 17. Oktober, Halle 4) sind stark nachge- ist, sie zu binden und zu halten. Gleichzeitig ist die Messe fragt. Der Digital Market Place (Halle 4.2) verzeichnet einen mit 100 vertretenen Nationen ein Mikrokosmos, der Einiges Flächenzuwachs von 27 Prozent. ausbalanciert: Während die Verlagsbranche in den USA und in Großbritannien über Rückgänge klagt, blieben die Erlö- Wie groß ist 2009 der Anteil der Non-Books auf der Buch- se der deutschen Buchbranche nicht nur stabil, der Umsatz messe und wie sehen Sie den Stellenwert des gedruckten wuchs 2008 sogar um 0,4 Prozent auf 9,6 Milliarden Euro. Buches? Auch internationale Buchmärkte wie Lateinamerika, China Der Digitalisierungs-Hype hat die Branche weltweit erfasst – und Indien legen zu. Der Handel mit Lizenzrechten aller Art aber das gedruckte Buch ist und bleibt der Nukleus, um das ist dabei zunehmend wichtig: Die Zahl der Anmeldungen im sich alle anderen Verwertungsmodelle gruppieren. Literary Agents & Scouts Centre, dem Treffpunkt für Agenten auf der Messe, stieg 2009 um elf Prozent. Sie „subventionieren“ die Stände der kleineren Verlage, um die Vielfalt auf der Messe zu erhalten. Gelingt Ihnen Google und die Buchbranche; Copyright und Urheberrecht. das? Wie definieren Sie einen kleinen Verlag und wie viele Bringt die Buchmesse hierzu Neues? reisen in diesem Jahr im Vergleich zum letzten an? Die Frage nach Urheberrechtsschutz im Internet, die Debat- Ja, das gelingt uns – die Vielfalt der Messe ist uns sehr wich- te um Open Access und das Google Settlement gehören zu tig, es ist uns wichtig, die Bandbreite angefangen von den den Top Themen der diesjährigen Buchmesse. Einige Bei- Dienstleistern hin zu den Verlagen zu erhalten. spiele von Veranstaltungen sind: „What’s New About Goog- le – European and American Positions Towards the Google Welche Idee steckt hinter dem neuen Zentrum Fachmedien Settlement“ lautet der Titel eines Panels. Prof. Roland Reuß in Halle 4.2? (Universität Heidelberg), Richard Sarnoff (Random House, Das „Zentrum Fachmedien“ präsentiert sich in Halle 4.2, dem Inc.) und Dr. Christian Sprang (Börsenverein des Deutschen Standort für Fachinformationen, und soll sowohl Endver- Buchhandels) beziehen am Messefreitag Stellung. Eine wei- braucher als auch vor allem den B2B-Kunden ansprechen. tere wichtige Veranstaltung lautet „Hat Kopierschutz eine Anders als das Angebot der PresseMesse, das in den vergan- Zukunft?“: Im Forum Innovation lädt die MVB Marketing- genen Jahren auch Publikumszeitschriften umfasste, ist das und Verlagsservice des Deutschen Buchhandels GmbH zur Zentrum Fachmedien exklusiv für Fachinformationen kon- hochkarätig besetzten Expertenrunde ein: Antworten liefern zipiert: In Fachveranstaltungen und einer Zeitschriftenaus- Dieter Gorny (Bundesverband Musikindustrie), Dagmar La- stellung können sich die Besucher über aktuelle Themen in- ging (Springer-Verlag), der Jurist Dr. Julius Mittenzwei und formieren. Verlage können hier nicht nur physische, sondern Ronald Schild (MVB). auch elektronische Produkte und Services zum ersten Mal auf eigens konzipierten Präsentationsmodulen vorführen. Wo sehen Sie die Trends, Innovationen und Zukunftsthe- men in der deutschen Verlagslandschaft und wo sehen Sie Neben dem Gastland-Programm bieten Sie nun im drit- hier den Standort der Buchmesse? ten Jahr zum Schwerpunkt „Zukunft Bildung“ Veranstal- Medienkonvergenz und Creative Industries sind Stichworte, tungen und Angebote an. Unter den Ausstellern der dies- die schon fielen. Die Digitalisierung ist schon seit einigen jährigen Frankfurter Buchmesse sind rund 1.300 Verlage Jahren die größte Herausforderung für die Buchbranche. und Firmen, die Bildungsprodukte im Programm haben: Aber ich bin der festen Überzeugung: Digitale und analoge von Lehrwerken bis hin zu Multimediaprogrammen für Medien werden koexistieren und sich ergänzen. Die Buch- den Unterricht. Will die Frankfurter Buchmesse damit messe bleibt der Treffpunkt der Buchbranche, im klassischen Fachmessen wie der Learntec Konkurrenz machen? Printprodukt liegt unser Hauptgeschäft. Unsere Aufgabe als Bildung ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche größte Buchmesse weltweit ist es jedoch, die internationalen Integration des Individuums in die Gesellschaft. Ohne Bil- Medienmärkte zu beobachten, neue Geschäftsmodelle auf- dung ist kein Fortschritt möglich, ohne Bildung gibt es keine zuzeigen und potentielle Geschäftspartner zusammenzubrin- Leser. Die Buch- und Medienbranche aber lebt von Lesern gen. Wir verändern uns mit unseren Kunden – und für unsere und bildungshungrigen Menschen, und wir als Frankfurter Kunden. Gerade der globale Aspekt der Digitalisierung erfor- Buchmesse sind die Geschäftsplattform für die internationa- dert es, über die Grenzen unserer Branche hinauszudenken le Buch- und Medienbranche. Insofern war es ein logischer und in benachbarten Sparten nach Lösungen zu suchen. Schritt, auf der Buchmesse den Fokus verstärkt auch auf Das Kapital der Buchbranche ist ihr unerschöpflicher Fundus Bildung zu richten und hier einen Schwerpunkt zu setzen, an Inhalten – und die Kompetenz der „Büchermenschen“, der im Rahmen seiner vielen Veranstaltungen nicht nur neue mit Inhalten umzugehen. Das enorme Verwertungspotenzial, Bildungsprodukte und Trends beleuchtet, sondern vor allem das dahinter steckt, kann nirgendwo besser ausgelotet wer- auch die gesellschaftspolitische Relevanz des Themas berück- den als auf der Frankfurter Buchmesse. sichtigt und zur Diskussion stellt. Das ist beispielsweise bei Noch etwas ist offensichtlich: Der persönliche Informations- der internationalen LitCam Konferenz am Montag vor der

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Buchmesse der Fall, auf der Organisationen aus aller Welt ihre Verleger, rund 20 Prozent der Bestseller stammen ursprüng- Bildungsinitiativen vorstellen. Von einer Konkurrenzsituation lich aus dem Netz. Auf der Frankfurter Buchmesse 2008 gab mit Bildungsfachmessen kann daher nicht die Rede sein – im es erstmals einen Gemeinschaftsstand privater Verleger – ein Gegenteil: Für das kommende Jahr haben wir eine Koopera- eindeutiges Signal, dass China sich kulturell gegenüber dem tion mit der Didacta, die uns bei der Programmgestaltung un- Westen öffnen, seine Literatur vermitteln will. Damit einher seres zweitägigen Bildungskongresses unterstützen wird. Das geht eine gewaltige Anstrengung des Landes, in die Bildung gibt uns die Möglichkeit, unsere Kompetenzen im Bereich der seiner Einwohner zu investieren. Eine Aufgabe der Buchmesse frühkindlichen Bildung weiter auszubauen. ist es, diese kulturelle Öffnung zu zeigen und zu unterstützen.

Thema Ehrengast China. Beim Frankfurter Symposium Wie viele private Verlage aus China werden bei der dies- am 12./13. September im Instituto Cervantes ging es hoch jährigen Messe vertreten sein? her. Die Buchmesse soll nun laut Ihrer Aussage Plattform Wir erwarten rund 40 private Verlage aus China mit insgesamt für das „unabhängige, andere China“, für „die verschie- rund 300 Personen. densten, auch extremen Standpunkte“ sein. Wie viele Ver- anstaltungen mit chinesischen Autoren und Intellektuellen Die Türkei hat letztes Jahr die Chancen des Auftritts als wird es auf der Buchmesse geben? Wer ist für die Auswahl Gastland genutzt: Über 400 Titel zur Türkei erschienen und Präsentation verantwortlich? Droht Ihnen wegen und zur Buchmesse in deutschsprachigen Verlagen, davon rund mit dem Gastland China bei dieser Buchmesse weiteres 80 Übersetzungen jeweils aus den Bereichen Belletristik Ungemach? und Kinderbuch. Insgesamt waren 250 Autoren und 100 Bislang 451 Veranstaltungen zum Thema China listet der Ver- Verlage aus der Türkei auf der Messe vertreten. Gibt es anstaltungskalender unter www.buchmesse.de. Bis zur Messe entsprechende Zahlen für das Gastland China? wird die Zahl noch steigen. Rund die Hälfte davon wird von Rund 350 deutschsprachige Neuerscheinungen aus rund 180 Institutionen, Verlagen, Vereinen, Nichtregierungsorganisati- Verlagen werden in der Buchausstellung „Books on China“ onen und Privatpersonen organisiert, die andere Hälfte vom im Forum auf dem Messegelände gezeigt und spiegeln ei- Organisationskomitee Ehrengast China auf der Frankfurter ne kaleidoskopische Vielfalt der Sichten auf das Land. Mit Buchmesse, das dem chinesischen Ministerium für Presse und ca. 60 belletristischen Titeln, über 20 Kinderbüchern und 30 Publikationswesen untersteht. Über 50 Autoren und rund Anthologien sowie über 230 Sachbüchern zu Sprache, Kul- 300 Verlage und Agenten haben sich angekündigt, insgesamt tur, Geschichte, Politik und Reise ist klar: Die Kultur Chinas werden gut 2.000 Gäste aus China erwartet. Mit dabei sind fasziniert. Autoren wie Mo Yan, hierzulande durch die Verfilmung seines Auf der Messe werden über 220 Verlage am chinesischen Na- Romans „Das rote Kornfeld“ bekannt, oder der Dichter Yang tionalstand vertreten sein, sowie rund 50 chinesische Autoren. Lian, aber auch der Literaturnobelpreisträger Gao Xingjian. Das Ehrengast-Prinzip beruht seit 1988 darauf, eine Plattform Gibt es ein wachsendes Interesse deutscher Verlage, Li- für eine bislang unentdeckte Literatur bereitzustellen – und zenzen nach China zu verkaufen? Wird die Buchmesse den verschiedensten Akteuren der Buchbranche damit Öffent- 2009 als Kontaktbörse für einen Geschäftsboom mit China lichkeit zu geben, sowie die Möglichkeit sich auszutauschen. sorgen? Die Verantwortung für die Organisation und die inhaltliche Das Interesse der deutschsprachigen Verlage an China ist da Planung, aber auch für die Finanzierung des Auftritts, liegt – dafür spricht ja auch schon die Zahl von rund 350 Neuer- bei dem jeweiligen Land. Die Frankfurter Buchmesse berät scheinungen aus 180 Verlagen. 2008 wurden rund 520 Li- und koordiniert. Hinzu kommen Programme unabhängiger zenzen ins Chinesische vergeben – damit zeigte China, nach Veranstalter. Eigene Veranstaltungen der Frankfurter Buch- Polen, weltweit das größte Interesse an deutschsprachigen messe, wie die jährliche Ausstellung „Books on …“, sowie das Titeln. Der Auftritt der chinesischen Verlagsbranche in Frank- traditionelle Symposium im Vorfeld der Messe, welches auf furt wird sicher dafür sorgen, dass neue Kontakte geknüpft hohem Niveau den jeweiligen Ehrengast unter politischen, werden und die internationale Verlagsbranche enger mit Chi- kulturellen und wirtschaftlichen Aspekten beleuchtet, sind die na zusammenarbeitet. Ausnahme. Die Frankfurter Buchmesse stellt also die Platt- form, öffnet neue Kommunikationskanäle und stellt die Lite- Auf welche Novitäten der Buchmesse 2009 sind Sie be- ratur in den Fokus. sonders stolz? Die Diskussionen zu China sind wichtig, ich empfinde sie Da muss ich passen. Aus 121.000 Neuerscheinungen zur nicht als „Ungemach“. Wir haben genau das erwartet: heftige Buchmesse eine besonders hervorzuheben, fällt mir schwer. Reaktionen auf ein Land, das sich wirtschaftlich und politisch nicht mehr ignorieren lässt und das sich erstmals auch kul- Und wie sieht die Frankfurter Buchmesse in zehn Jahren turell öffnet. aus? Denn erstmals setzt die chinesische Regierung auf „soft po- Eine große Frage. Wir verändern uns ja jedes Jahr neu, pas- wer“, wirbt für ein Verständnis von chinesischer Kultur jen- sen die Kommunikationskanäle den Bedürfnissen der Branche seits von Kalligrafie und Tusche. Im Land selbst erfasst die an, bringen neue Geschäftspartner ins Gespräch. Dabei erhöht Privatisierung seit einigen Jahren erstmals auch die Verlags- sich das Tempo der Veränderungen stetig. In zehn Jahren branche: Die über 570 staatlichen Verlage werden zunehmend sehe ich Frankfurt als Kommunikationszentrum vor mir, mit über Börsengänge privatisiert, die über 10.000 privaten so neuen Playern, neuen Geschäftsmodellen, und einem gleich- genannten Kulturfirmen, die bislang ein Nischendasein führ- bleibenden Interesse: an guten Geschichten, an Kommuni- ten, gestärkt. Das Internet unterstützt die Rolle der privaten kation.

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reundlichkeit und espekt

China ist Ehrengast der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Aus diesem Grund veranstaltete die Frankfurter Buchmesse bereits im Vorfeld am 12. und 13. September im Frankfurter Instituto Cervantes das Symposium „China und die Welt – Wahrnehmung und Wirklichkeit“. Dort kam es zum Eklat um den Auftritt von zwei regimekritischen Autoren. Buchmessenchef Jürgen Boos bekräftigte nach dem Symposium den „enormen Diskussionsbedarf zum Thema China“: „Die Frankfurter Buchmesse hat mit dem Ehrengast China eine Gratwanderung vor sich, die Standhaftigkeit erfordert. Wir wollen eine Plattform schaffen für die verschiedensten, auch extremen Standpunkte und so den Dialog ermöglichen. Das erzeugt Druck von allen Seiten, dem wir nicht nachgeben dürfen. Dieser Druck kann und soll Motor einer fruchtbaren öffentlichen Diskussion sein.“

Fachbuchjournal-Redakteurin Angelika Beyreuther sprach wenige Tage nach dem turbulenten Frankfurter Symposium mit einem der Frankfurter Diskutanten und zugleich einem der profundesten Kenner Chinas, Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer, über Unvoreingenommenheiten im Umgang miteinander, über Missverständnisse und Vorurteile, über gegenseitige kulturgebundene Perzeptionen. Beim Symposium sprach er über „Die Rolle Chinas in der Welt – Selbstbild und Fremdbild“. Er wird auch während der Buchmesse Veranstaltungen zum Thema China bestreiten.

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Ist China ein „gefährliches Land“, wie der chinesische Künstler Ai Weiwei im September 2009 über sein Heimat- land urteilte? So pauschal ist das unzutreffend. Allerdings gibt es viele Einzel- nachrichten, die beunruhigend sind. Selbstjustiz, ungesicher- te illegal betriebene Bergwerke, ungesicherte Chemiefabriken, mangelnde Qualitätskontrollen in der Nahrungsmittelindustrie, Produktfälschung – das sind alles Themen, welche nicht nur der Bevölkerung, sondern auch der Regierung Sorgen bereiten. China hat noch einen langen Weg vor sich.

In der FAZ vom 17. September wird Ihnen Fatalismus im Umgang mit China unterstellt. Sie konstatierten, so ur- teilt die FAZ, an Demokratie sei in naher Zukunft in Chi- na nicht zu denken und man müsse es ohnehin alleine den Chinesen überlassen, größere Freiheitsspielräume im künftigen China zuzulassen. Westliche Moralvorstellungen schadeten da nur. Fühlen Sie sich missverstanden? Diese Unterstellungen sind abwegig. Ich bin aber der Mei- nung, dass wir unsere Moralvorstellungen zunächst vor al- lem „im eigenen Hause“ überprüfen sollten. Wenn wir in Deutschland und Europa und wenn unsere Verbündeten wie die USA ihren eigenen moralischen Standards immer gerecht werden, wird das nicht ohne Wirkung auf die Menschen in anderen Teilen der Welt bleiben. Demokratie ist im Übrigen kein Exportgut, sondern etwas, das, zumeist über die Eliten oder Teile von ihnen, bei den Menschen Zustimmung finden und ausgestaltet werden muss. Ich muss meine chinesischen Freunde, die zumeist den Westen sehr gut kennen, nicht be- lehren, und dennoch kennen sie meine Moralvorstellungen. Helwig Schmidt-Glintzer, Jahrgang 1948, ist seit 1993 Direktor der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel und Professor für „Chinas Angst vor der Freiheit. Der lange Weg in die Mo- Sinologie an der Universität Göttingen. Nach Lehrtätigkeit an den derne.“ Das ist der Titel Ihres jüngsten bei C. H. Beck er- Universitäten Bonn, , München und Göttingen unterrich- tet er derzeit an der Universität Hamburg. Er ist Vorstandsvorsit- schienenen Buches. Warum sprechen Sie hier von „Angst zender der Deutschen Vereinigung für Chinastudien (DVCS) mit vor der Freiheit“? Sitz in Berlin und Autor zahlreicher Publikationen zur Geschichte Freiheit braucht bekanntlich ihre Grenzen. Und es gibt zu we- und Kulturgeschichte Chinas. nige Grenzen und Strukturen im gegenwärtigen China. Hier- zu gehört ein ausgebildetes Rechtssystem, eine gut ausgebil- dete und die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahrende Polizei, eine gut funktionierende Anwaltschaft, Zurechenbarkeit von Verantwortlichkeit und vieles mehr. Hier haben wir übrigens der letzten 30 Jahre und sehen große freiheitliche Errun- auch bei uns erhebliche Defizite. Die Modernisierung eröff- genschaften im modernen China. Als Beispiel sprachen net neue Möglichkeiten, neue Chancen und neue Gefahren, Sie beim Frankfurter Symposium von 87.000 öffentlichen davor haben viele Menschen in China Angst. Die Angst des Protestbewegungen im Jahr 2005 und über die freien Ak- Staates aber beruht vor allem darauf, dass seine Vertreter tivitäten der vielen NGOs. Dagegen stehen die Meldungen und die Kommunistische Partei sich für das Gelingen der von brutalen Misshandlungen von Dissidenten und das Modernisierung und damit für das große Ganze verantwort- Niederknüppeln von Umweltaktivisten. Zeichnen die deut- lich fühlen und unsicher über den Ausgang sind. Angesichts schen Medien, wie von chinesischer Seite angemahnt, ein befürchteter und nicht selten tatsächlicher Unruhen fehlen einseitig negatives Bild von China? die Gewissheit eines von der Mehrheit akzeptierten Staatsmo- In der Tat zeichnen die Medien weitgehend ein einseitiges dells und vor allem die Verteilung von Zuständigkeiten und Bild, und einzelne Ereignisse in China werden oft unter die Verantwortlichkeiten. Eine Entwicklung dahin zeichnet sich Lupe genommen, ohne dass der größere Zusammenhang ge- zwar bereits ab, doch könnte die Dynamik der Entwicklung, sehen wird. Die zumeist höchst kompetenten und informier- eventuell in Verbindung mit Naturkatastrophen, das Land ten Berichterstatter werden aber von den Redaktionen zur aus dem Gleichgewicht bringen. China wird im Laufe der Sensationsberichterstattung gedrängt, und differenzierenden nächsten Jahre einen Rahmen entwickeln müssen, innerhalb Betrachtungen wird wenig Raum gegeben. Und wenn sie in dessen Konflikte und Dissens zugelassen und zum Wohle des Nebensätzen auftauchen, werden sie von den Lesern meist Ganzen ausgetragen werden können. übersehen.

Sie beschäftigen sich seit 40 Jahren mit China. Sie be- Am 1. Oktober feiert die Volksrepublik China ihren 60. wundern die große Modernisierungsdynamik insbesondere Jahrestag der Gründung. Die Regierung in Peking fordert

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nun nicht mehr nur Wirtschaftswachstum um jeden Preis, sondern den Aufbau einer „harmonischen Gesellschaft“ und einer Zivilgesellschaft. Setzt hier ein nachhaltiges Umdenken ein und können Sie für uns den Versuch einer Interpretation wagen, was darunter zu verstehen ist? Die Rede von einer „harmonischen Gesellschaft“ wird seit 2004 verkündet, nachdem 2002 der Präsident Jiang Zemin eine „politische Zivilisation“ (zhengzhi wenming) gefordert hatte. Inzwischen lächeln manche darüber. Dennoch möchte ich diese Form der proklamierenden Wertebekräftigung, die für uns selbst ungewohnt ist, nicht ins Lächerliche ziehen. Immerhin sind dies Grundsätze, auf die sich der Einzelne im Alltag berufen kann, und langfristig ist davon Wirkung zu erwarten. Ein Umdenken aber hat in der chinesischen Ge- sellschaft schon seit langem eingesetzt, und es gibt eine zu- nehmende Nachfrage nach Sinn und Wertorientierung. Das Geldverdienen gilt den meisten Chinesen nicht als das oberste Ziel. Harmonie gilt neben Wohlstand, Glück und langem Le- ben als ein sehr hohes Gut, dem die meisten einiges zu opfern bereit sind.

Helwig Schmidt-Glintzer: Wohlstand, Glück und langes Jedes Land hat das Recht, seinen eigenen Weg zu gehen. Leben. Chinas Götter und die Ordnung im Reich der Mitte Das betonte der Direktor der Hessischen Stiftung für Frie- Frankfurt a. M., Leipzig: Verlag der Weltreligionen im Insel Verlag, dens- und Konfliktforschung Professor Harald Müller zu 2009. 449 S., mit Abb., geb. ISBN: 978-3-458-71018-9 Beginn des Symposiums. Es gibt für ihn keine Alternative 24,80 € zu einer gleichberechtigten Kooperation. Was sind dabei für Sie die wichtigsten Eckpunkte? Wie sieht eine gleichberech- Bereits in den achtziger Jahren wurde vorausgesagt, dass tigte Kooperation zwischen China und Deutschland aus? die Religion in China wieder eine Zukunft haben werde. Wie Zunächst muss man festhalten, dass Deutschland und China sich diese Prognose im heutigen China bestätigt, darüber schwer zu vergleichen sind. Deutschland ist eingebunden in gibt Helwig Schmidt-Glintzer in diesem Buch Auskunft, in- die Europäische Gemeinschaft und zugleich Teil des west- dem er nicht nur die gegenwärtige religiöse Lage und das lichen Bündnis- und Verteidigungssystems. Daher spricht spezifische Verhältnis von Gesellschaft, Religion und Poli- manches dafür, Westeuropa und China zu vergleichen. An- tik ausführlich darstellt, sondern auch die gesamte Vielfalt dererseits aber sind Nationalstaaten immer noch die wich- von Kulttraditionen und Glaubensformen. So werden die tigsten Akteure, und hier stehen sich China und Deutsch- geistig-soziale und die moralische Grundstruktur der chine- land unmittelbar gegenüber. Eine engere Kooperation kann sischen Kultur und ihre Entwicklung bis zur jüngsten Ge- für beide sehr fruchtbar sein, und gegenseitiger Respekt der genwart erkennbar. Staaten gegeneinander kann mit einer lebendigen und auch In China sind der Gottesbegriff und die Formen religiöser Ri- sehr offenen Begegnung der Menschen einhergehen. Nicht tuale bis heute trotz aller Diesseitigkeit von fundamentaler nur die deutsche Kultur, die Literatur und die Musik – der Bedeutung für das Selbstverständnis des einzelnen ebenso Vergangenheit wie der Gegenwart – finden großes Interesse wie für das Funktionieren der Gesellschaft. Es ist eine Be- bei zeitgenössischen Chinesen, sondern auch Besonderheiten sonderheit des Vielvölkerstaates, dass keine Lehre einen ab- der politischen und gesellschaftlichen Organisation Deutsch- soluten Geltungsanspruch erlangen konnte. So wurde China lands. So hat man in China im Zuge der Öffnungspolitik viel schon früh zu einem politisch-sozialen Großraum mit einem von Deutschland gelernt, über das Patentwesen und über im internationalen Vergleich erstaunlich hohen Maß an To- technische Standards ebenso wie über Rechtspraxis und Ge- leranz gegenüber fremden Kulturen. Mit Sicherheit wird der setzgebung. interreligiöse Dialog in nächster Zukunft wieder stärker ge- führt werden, der bereits vor zwei Jahrtausenden zwischen Warum fordern Sie, den Wurzeln des modernen China mehr den großen Religionen in China begonnen wurde. Aufmerksamkeit zu schenken und sich um die Kenntnis der Helwig Schmidt-Glintzers Einführung in die chinesische unterschiedlichen Rituale zu bemühen? Religion und Philosophie beschreibt die Grundlinien der Es gehört zu den Grundlagen gedeihlicher Zusammenarbeit, religiösen Entwicklungen in China und das Verhältnis der die kulturellen Codes der jeweils anderen Seite zu respektieren, wichtigsten Lehren zueinander. Nur aus einer Zusammen- und in der Folge kann es dazu kommen, dass Chinesen gerne schau des Daoismus, des Buddhismus und des Konfuzia- Bier trinken und Deutsche es vorziehen, bestimmte Speisen nismus sind die Besonderheiten der einzelnen Lehren sowie mit Stäbchen zu essen, bei denen Chinesen inzwischen Mes- der geistige und religiöse Reichtum Chinas zu verstehen. ser und Gabel verwenden. Niemals aber sollte man vergessen, Für diejenigen, die den geistigen Reichtum und die emotio- dass es gerade die Geschichte der letzten einhundert Jahre nalen Ressourcen Chinas besser verstehen möchten und sich ist, aus der sich die heutigen Eliten Chinas definieren. Daher China unvoreingenommen nähern möchten, ist dieses Buch sollte man diese Geschichte gut kennen. Und dass die älte- sehr zu empfehlen. ren Traditionen, die philosophischen und ästhetischen Wert-

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Fachbuch Medizin

N EU

Jürgen Kunze Wiedemanns Atlas klinischer Syndrome Phänomenologie – Ätiologie – Differenzialdiagnose

6., völlig überarb. und erw. Auflage 2009. Ca. 1004 Seiten, ca. 3665 z.T. mehrfarbige Abb., geb. Ca. ¼ 249,– (D) / ¼256,– (A) )UDQN:7LVFKHQGRUI +UVJ  :ROIJDQJ*HURN&KULVWRSK+XEHU ISBN 978-3-7945-2657-4 Tho mas Meinertz, Henning Zeidler (Hrsg.) Vom Verdacht zur diagnostischen Gewissheit Der diagnostische Blick Atlas und Textbuch der Differenzialdiagnostik Die Innere Medizin ‡ 9RP6\PSWRP]XP6\QGURPEHU6\Q drome auf einen Blick; über 3660 exzellente Begründet von G. F. Klostermann, H. Südhof und Referenzwerk für den Facharzt $EELOGXQJHQGHU+DXSWV\PSWRPH :7LVFKHQGRUI 11., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. 2007. 1679 Seiten, ‡ 9RQGHU(UVWGLDJQRVH]XU7KHUDSLHDOOHV:LV 7., neu bearb. u. erw. Aufl. 2008. 629 Seiten, (LQ]HODEEGDYRQYLHUIDUELJXQG]ZHL senswerte zu sämtlichen Krankheitsbildern nach 1314 Abb., davon 1283 farbig, 43 Tab. geb. farbig, 712 Tab., geb. einheitlichem Schema auf den Punkt gebracht ¼ 99,– (D) / ¼101,80 (A) Jetzt nur noch: ¼99,– (D) / ¼ 101,80 (A) ISBN 978-3-7945-2474-7 ‡ 9RQGHU]XU$XIODJHQHXH6\QGURPH ISBN 978-3-7945-2222-4 YROOVWlQGLJDNWXDOLVLHUWDQVSUHFKHQGHVIDUELJHV Behalten Sie den Durchblick! Internistisch up to date /D\RXWIDVW$EELOGXQJHQPHKU ‡ hEHUH[]HOOHQWHIDUELJH$EELOGXQJHQDXFK ‡ $XVJHULFKWHWDXIGLHJHPHLQVDPH)DFKDU]WZHL O ft genügt ein geübter Blick, um einzelne Krank- seltener Krankheitsbilder terbildung Allgemeinmedizin / Innere Medizin KHLWVPHUNPDOH]XHUNHQQHQ(LQ6\QGURPPLW ‡ .RPSOHWWEHUDUEHLWHWHXQGYHUWLHIWH$XIODJHPLW QDFKGHUDNWXHOOHQ:HLWHUELOGXQJVRUGQXQJ PHKUHUHQ FKDUDNWHULVWLVFKHQ 6\PSWRPHQ LVW zahlreichen Übersichtstabellen ‡ 6\PSWRPRULHQWLHUWH=XJlQJHXQGSUD[LVUHOH hingegen schwierig zu diagnostizieren, hat aber ‡ )DFKEHUJUHLIHQGHV1DFKVFKODJHZHUN vanter Inhalt häufig entscheidende Relevanz für die Betrof- ‡ 1RYXPÅ/HLWV\PSWRPHXQG'LIIHUHQ]LDOGLDJQR fenen. (LQJXWHUGLDJQRVWLVFKHU%OLFNLVWDXFKLQXQVHUHU sen“ mit aussagekräftigen Flussdiagrammen 0LWVHLQHPHQRUPHQ:LVVHQVIXQGXVWUlJWGLHVHU hochtechnisierten Medizin eine unverzichtbare einzigartige Atlas – jetzt in der 6. Auflage – dazu 9RUDXVVHW]XQJIUHLQHRSWLPDOHXQGNRVWHQJQV ‡ Å)D]LWIUGLH3UD[LV´0HUNVlW]H]XNOLQLVFK EHLNOLQLVFKH6\QGURPHUDVFKDXI ]XVSUHQ( [ ]HO tige Behandlung von Patienten. Zur Schulung UHOHYDQWHQ3XQNWHQDP.DSLWHOHQGH lente klinische Abbildungen illustrieren detailliert dieser klassischen ärztlichen Fähigkeit ist das ‡ 1DKH]XXQHUVFK|SIOLFKHV1DFKVFKODJHZHUN]X die einzelnen Krankheitsbilder. Info rmatio nen „ Standardwerk der Prima-vista-Diagno stik“ her- allen Fragen und Problemen der Inneren Medizin zur Molekulargenetik helfen bei den meisten YRUUDJHQG JHHLJQHW )UDQN : 7LVFKHQGRUI XQG ‡ 'XUFKGDFKWH'LGDNWLNLPKRFKZHUWLJHQ'HVLJQ (UNUDQNXQJHQGLH9HUGDFKWVGLDJQRVH]XEHVWl seine Co-Autoren zeigen aus allen Bereichen der WLJHQ6RHUKDOWHQ6LHHLQHSURIXQGH%DVLVXP Medizin häufige, aber auch seltene Krankheits- „ Durch eine hervorragende Auswahl an Abbil- GLHV\PSWRPDWLVFKH7KHUDSLHHLQ]XOHLWHQXQGVR bilder, die der Arzt in seiner Ausbildung oft nicht dungen werden wichtige pathophysiologische die Überlebenschancen vor allem bei einer Reihe zu sehen bekommt. Zusammenhänge, aber auch klinische Leitsymp- YRQ SDWKRORJLVFKHQ 6\PSWRPHQ 1HXJHERUHQHU Über 300 neue Abbildungen und zahlreiche äti- tome, auch visuell erstklassig präsentiert, sodass zu erhöhen. RSDWKRJHQHWLVFKH XQG GLIIHUHQ]LDOGLDJQRVWLVFKH das Buch auch den vergleich mit englischspra- (LQXQHQWEHKUOLFKHV5HIHUHQ]ZHUNIUbU]WHDOOHU Info rmatio nen in aussagekräftigen Übersichtsta- chigen werken keinesfalls zu scheuen braucht. Ins- Fachrichtungen, allen voran Pädiater, Dermato- bellen sind in der 7. Auflage hinzugekommen. ge samt stellt die se s Buch das zurzeit aktuelle ste ORJHQ1HXURORJHQ2UWKRSlGHQ+XPDQJHQHWL 0LWGLHVHPH[]HOOHQWHQ:LVVHQVIXQGXVLVWGDV deutschsprachige Lehrbuch der Inneren Me dizin NHU*\QlNRORJHQXQG(PEU\RORJHQ %XFKIUMHGHQ)DFKDU]WHLQQDKH]XXQHUVFK|SI dar [...]“ 'U0DWWKLDV2FNHU(UODQJHQ liches Nachschlagewerk und eine Bereicherung für jede Arzt- und Studentenbibliothek.

Irrtum und PreisänderungenIrrtum vo rbehalten. www.schattauer.de Mehr WISSEN als andere. 5 I 2009 21 IM FOKUS: BUCHMESSE / CHINA

orientierungen des Altertums und der Kaiserzeit heute noch Am 9. September 2009 waren Sie Gast bei den 100-Jah- eine wichtige Rolle spielen und den Ausgangspunkt für neue res-Feierlichkeiten der Chinesischen Nationalbibliothek. Identitätsdebatten bilden, darf man ebenso wenig übersehen. Ist die Chinesische Nationalbibliothek mit der Deutschen Nationalbibliothek vergleichbar? Wie feiern Chinesen ein Was ist im gesellschaftlichen Umgang mit Chinesen tabu? solches Ereignis? Gibt es schlimme Fehler, die man sich, wenn man einen Während die heutige Deutsche Nationalbibliothek auf die Dialog wünscht, auf keinen Fall leisten sollte? Deutsche Bücherei zurückgeht, die durch einen Vertrag zwi- Im Prinzip gilt hier, was zwischen allen Menschen gilt: schen der Stadt Leipzig, dem Königreich Sachsen und dem Freundlichkeit und Respekt sind die Grundlage. Daneben gibt Börsenverein der Deutschen Buchhändler im Jahre 1912 ge- es eine Vielzahl kleinerer Dinge, die zu beachten sind. Das gründet wurde, um einen gesamtdeutschen Sammelauftrag schlimmste ist, wenn man seine eigene Rolle nicht kennt und wahrzunehmen, geht die heutige Nationalbibliothek Chinas nicht die Rolle des Gegenüber. Auch ist es nicht hilfreich, auf die 1909 gegründete Hauptstadtbibliothek zurück, mit der man ebenfalls einen allgemeinen Sam- melauftrag verband, die aber auch eine Reaktion auf die Herausforderung durch Das Geldverdienen gilt den meisten Chinesen nicht westliche Wissenschaft und Technik war. So als das oberste Ziel. Harmonie gilt neben Wohlstand, gesehen haben beide Nationalbibliotheken Glück und langem Leben als ein sehr hohes Gut, dem vieles gemeinsam. Im Gegensatz aber zur Deutschen Nationalbibliothek, die nur seit die meisten einiges zu opfern bereit sind. dem 1. Januar 1913 erschienene Literatur sammelt, ist die Chinesische Nationalbiblio- thek inzwischen für die gesamte Geschichte den anderen in Verlegenheit zu bringen. Es kann sein, dass Chinas zuständig und sammelt ebenso Handschriftenfunde er auf eine Frage nicht eingehen will; dann ist es besser, ein und die auf Orakelknochen erhaltenen frühesten Schriftzeug- unverfängliches Thema anzusprechen oder von sich etwas zu nisse der chinesischen Kultur sowie Schriftzeugnisse anderer erzählen. Reserviertheit wird immer nur im wechselseitigen Kulturen auf chinesischem Territorium. Die 100-Jahr-Feier- Austausch abgebaut. lichkeiten waren ein Ereignis von nationaler Bedeutung und wurden in den Medien entsprechend vermerkt. Natürlich be- Gottfried Wilhelm Leibniz hat in seinem „Briefwechsel mit stehen neben der Nationalbibliothek viele andere Bibliothe- den Jesuiten in China” in der Zeit von 1689 bis 1714 für ken von nationalem Rang. Doch in der Geschichte der Natio- einen Brückenschlag zwischen Europa und China gewor- nalbibliothek spiegelt sich wie in keiner anderen die bewegte ben. Es ging ihm um „einen Handel mit Erkenntnis, der Geschichte Chinas der vergangenen einhundert Jahre. uns auf einen Schlag die Frucht ihrer Arbeit aus mehreren Jahrtausenden bringen kann und umgekehrt den Chinesen Wie gut oder schlecht ist die Ausstattung chinesischer Bi- den Ertrag der unseren; so können wir beiderseits sozu- bliotheken im Vergleich zu Deutschland? Wie funktioniert sagen unsere wahren Reichtümer verdoppeln, und das ist die Versorgung mit aktueller Fachliteratur durch Buch- etwas Größeres als man glaubt.” Wie beurteilen Sie im handlungen und Bibliotheken? Zeitalter der Patente und zugleich der Industriespionage In den Kriegs- und Bürgerkriegswirren haben die Bibliotheken dieses Plädoyer für den Dialog der Kulturen? Wie ist die und insbesondere der Bestandsausbau sehr gelitten. Auch ist Perzeption von Leibniz im modernen China? vieles zerstört worden oder in sehr schlechten Erhaltungs- Der Dialog der Kulturen ist heute wichtiger denn je. Leibniz zustand geraten. Inzwischen aber haben die großen Biblio- hatte also vollkommen recht mit seinem Vorschlag. Weil Leib- theken in den meisten Provinzen und großen Städten neue niz, der selbst jahrelang die Wolfenbütteler Bibliothek gelei- Gebäude erhalten und befinden sich auf dem Weg zur Ein- tet hat, sich so intensiv mit China beschäftigt hat und seine führung internationaler Standards. Der Computer hat längst Erfindung der Grundlagen der Digitalisierung sogar mit dem Einzug gehalten, und die Digitalisierung großer Bestände ist „Buch der Wandlungen“ der Chinesen in Zusammenhang ge- erfolgt. Es ist der chinesischen Politik bewusst, dass China auf bracht hat, ist er in China bekannt und sehr geachtet. Dieses dem Weg in eine moderne Wissensgesellschaft mit internati- Prinzip der Digitalisierung hat Leibniz also von den Chinesen onaler Ausrichtung auf ein modernes effizientes Bibliotheks- übernommen. Der Schutz geistigen Eigentums hat sich als wesen angewiesen ist. Die Versorgung mit westlicher Literatur Rechtsinstitut bei uns ja erst danach, nämlich seit dem späten lässt oft noch zu wünschen übrig, aber es ist nur noch eine 18. Jahrhundert ent wickelt. Wie alle modernen Gesellschaf- Frage der Zeit, bis zumindest die großen Bibliotheken zur ten kann sich heute auch China der Berücksichtigung dieses internationalen Spitzengruppe gehören werden. Prinzips nicht verschließen. Allerdings gibt es zahlreiche sehr ärgerliche Plagiatsfälle, und ein wirkliches Vertrauensverhält- Sie haben ein Buch über Druckkunst und Verlagswesen nis und entsprechende Rechtshilfevereinbarungen müssen im mittelalterlichen China vorgelegt. Stand die Wiege der erst noch entstehen bzw. ausgehandelt werden. Die Entwick- Druckkunst nun in China oder am Rhein? lung geht aber eindeutig in die Richtung der Anerkennung Die Wiege der Druckkunst stand in China; selbst der Druck patentrechtlicher und urheberrechtlicher Grundsätze. Einen mit beweglichen Metalllettern wurde dort lange vor Guten- vollkommenen Schutz vor Plagiaten kann es jedoch in einer berg praktiziert. Allerdings gehört es zu den bemerkenswer- Welt freien Austauschs von Ideen und Forschungsergebnissen testen Ereignissen der Menschheitsgeschichte, dass die wohl nicht geben. von China unabhängige Erfindung des Buchdrucks mit be-

22 5 I 2009 Die große Weltgeschichte für das 21.Jahrhundert

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Subskriptionspreis: WBG WELTGESCHICHTE € 349,00 [D]/sFr 585,00 Eine globale Geschichte von den Anfängen (Zahlbar jeweils bis ins 21. Jahrhundert bei Erscheinen, Herausgegeben von Walter Demel, Johannes Fried, Ernst-Dieter Hehl, ca. € 58,00 je Band) Albrecht Jockenhövel, Gustav Adolf Lehmann, Helwig Schmidt-Glintzer Preis nach Erscheinen und Hans-Ulrich Thamer des letzten Bandes: 6 Bände, je etwa 512 S. mit ca. 10 s/w-Abb. und 20 Karten, Register, Chronologie, Bibliographie, € 449,00 [D]/sFr 755,00 Leinen mit SU und Lesebändchen. Einmaliger Volltext-Download gratis. ISBN 978-3-534-23091-4 Format: 16,5 x 24,0 cm. Nur geschlossen beziehbar.

X Die große Darstellung für das 21. Jahrhundert X Erste neue mehrbändige Weltgeschichte seit Jahrzehnten X Erste nicht europazentrierte Weltgeschichte X Verschränkung von chronologischem und thematischem Ansatz X Von bedeutenden Vertretern der Geschichtswissenschaften

Editionsplan Frühjahr 2010 Band 3 Weltdeutungen und Weltreligionen. 600 bis 1500 Band 4 Entdeckungen und neue Ordnungen. 1200 bis 1800 Herbst 2010 Band 5 Die Entstehung der Moderne. 1700 bis 1914 Band 6 Globalisierung. 1880 bis heute

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Symposium „China und die Welt 2009“ v.l.n.r.: Peter Ripken, Frank- furter Buchmesse; Prof. Harald Mül- ler, Hessische Stiftung, Friedens- und Konfliktforschung, Frankfurt; Zhang Yungling, Chinesische Akademie für Sozialwissenschaften; Zhou Hong, Institut für Europa-Studien, Chine- sische Akademie für Sozialwissen- schaft; Mei Zhaorong, ehemaliger Botschafter Chinas in Deutschland, Prof. Helwig Schmidt-Glintzer, Her- zog August Bibliothek, Wolfenbüttel; Enrique Yang, Observatory of Chinese Politics, Spanien; Prof. Qin Hui, Tsinghua University

© Frankfurter Buchmesse, Fotograf: Fernando Baptista

weglichen Lettern in Europa dort dann seit dem 16. Jahrhun- Eine letzte und persönliche Frage: Wie prägte der jahr- dert einen bis dahin unvergleichbaren Buchmarkt zur Folge zehntelange Umgang mit China und seinen Menschen Ihr hatte. Die Ursachen liegen wohl bereits in dem gesteigerten Leben? Wissensdurst und der geistigen Dynamik, die wir pauschal Die Beschäftigung mit China hat mein Selbstbewusstsein als mit der Bezeichnung Renaissance verbinden. Die Anregungen Deutscher und Europäer gestärkt. Ich hätte mich niemals mit für die Technik der Papierherstellung, ohne welche die ra- Max Webers Schriften zur Wirtschaftsethik der Weltreligionen sante Entwicklung der Produktion von Druckerzeugnissen in beschäftigt und auch nicht mit Bertolt Brechts Chinainter- Europa nicht möglich geworden wäre, stammen jedoch aus esse, wenn ich nicht Sinologe wäre. Und Erzählungen von China. Inzwischen aber hat China längst aufgeholt. Artur Schnitzler hätte ich wohl niemals gelesen, wenn mich nicht ein chinesischer Germanist nach meiner Meinung über Und auf welchem Niveau bewegen sich Druckkunst und bestimmte Erzählungen Schnitzlers befragt hätte. Schließlich Verlagswesen im modernen China? war es die seit den Jesuiten und Leibniz intensive Beschäfti- Lange Zeit haben die Druckereien in China auf Druckmaschi- gung der europäischen geistigen Eliten mit China, die mich nen aus Deutschland gedruckt, doch bahnt sich auch hier eine veranlassten, einen Münchner Lehrstuhl für Ostasiatische Ablösung an. Inzwischen werden beispielsweise Heidelberger Kultur- und Sprachwissenschaft gegen das Amt des Direk- Druckmaschinen in China hergestellt. Das Druck- und Verlags- tors der Wolfenbütteler Bibliothek einzutauschen. So bin ich wesen in China ist entsprechend der Expansion des Bildungs- die meiste Zeit in Deutschland als akademischer Lehrer und sektors und der Informationsbedürfnisse rapide gewachsen Wissenschaftsorganisator tätig gewesen. Ich habe vor allem und das Druck und Verlagswesen Chinas ist bereits jetzt quan- deutsche, aber auch chinesische Studierende unterrichtet, titativ und zum Teil auch qualitativ führend in der Welt. und die vertiefende Beschäftigung mit China hat mir bei vielen Chinesen großen Respekt eingebracht. Es wäre übri- Wir befinden uns im „Deutsch-Chinesischen Jahr der Wis- gens gut für unser Land, wenn man bei uns allgemein den senschaft und Bildung“. Welche Rolle spielen Wissenschaft Germanisten Chinas mit ähnlichem Respekt gegenüber treten und Bildung, spielen Lernen und Wissen, in der chine- würde. Der Umstand, dass so viele Chinesen ausgezeichnet sischen im Vergleich zur deutschen Gesellschaft und wo das Deutsche beherrschen, ist das Ergebnis langjähriger Be- können beide voneinander lernen? mühungen um unsere Sprache und Kultur. Lernen und literarischer Bildung kommt traditionell und auch heute noch ein sehr hoher Stellenwert zu. Auch das Auswen- Ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch. diglernen spielt noch eine große Rolle. Die Gesellschaften bei- der Länder können voneinander lernen durch Anerkennung der jeweiligen Besonderheiten, die schon allein durch die unterschiedlichen Schriftsysteme gegeben sind. Andererseits sind die Fragestellungen und das Lernverhalten unterschied- lich. Am besten wäre eine weitere Intensivierung des Studen- tenaustauschs. In dem Maße, in dem sich die chinesischen Hochschulen nicht zuletzt dank großzügiger staatlicher Fi- nanzhilfen entwickeln, werden sie auch in den Bereichen der Ingenieurs- und Technikwissenschaften für deutsche Studie- rende attraktiver. Wir brauchen vor allem mehr akademisch gebildete junge Deutsche, die sich in beiden Welten bewegen können, oder besser noch: zu Hause fühlen.

24 5 I 2009 IM FOKUS: BUCHMESSE / CHINA

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Unsere Rezensentin Dr. Marion Meisig ([email protected]) ist seit 1997 Lehrbeauftragte für Buddhistisches Chinesisch, Sanskrit und P¯ali am Institut für Indolo gie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 1988 promovierte sie in Münster zum Dr. phil. in den Fächern Indologie, Sinologie und Religions- wissenschaft. Ihre Hauptarbeitsgebiete liegen in der Religionsgeschichte und Literatur Indo-Asiens. Sie hat für uns einige der vielen Neuerscheinungen zu China gelesen. Für die folgende Ausgabe 6 des Fachbuchjournals wird sie noch weitere Neuerscheinungen auswählen und besprechen. Hier also zunächst die erste Runde.

Höllmann, Thomas, O.: Das alte China. Eine Kulturgeschichte 2008, C.H. Beck Verlag, 327 S. ISBN 978-3-406-57071-1. 29,90 €

Das heutige China ohne Kenntnis und Analyse der historischen Wurzeln zu verstehen, ist na- hezu ausgeschlossen. Das Land lebt, auch in der Gegenwart, immer noch aus seiner Tradition. Ausgehend von 60 ausgewählten archäologischen Fundstücken entwirft Thomas O. Höllmann, Professor für Sinologie und Ethnologie in München, ein facettenreiches Bild für die Zeit von der Gründung des Kaiserreichs 221 v.u.Z. bis zur Unterwerfung durch die Mongolen 1279. Be- leuchtet werden in Form eines Kommentars zu jeder der 60 großformatigen Farbabbildungen Themengebiete wie die Machtfülle des Kaisers, die Unterwürfigkeit der Beamten und die Be- ziehungen zwischen den Geschlechtern, die Begeisterung für Fußball, der Wandel der Schön- heitsideale und die Vorliebe für Seide. Das angesprochene Spektrum reicht von Ernährung bis Erziehung, von Musik bis Medizin, von Recht bis Religion und von Wirtschaft bis Wissenschaft. Das Buch bietet so einen lebendigen Einblick in Kultur und Alltag im alten China. Eingerahmt wird diese Gesamtdarstellung von einer kurzen allgemeinen Einführung zur Geografie, dem Sozialsystem, der Geschichte und zur Lage der überlieferten Quellen sowie einem ausführlichen, eher für Fachleute nützlichen Literaturverzeichnis.

Eikelmann, Renate (Hrsg.): Die Wittelsbacher und das Reich der Mitte. 400 Jahre China und Bayern 2009, Bayerisches Nationalmuseum und Hirmer Verlag, 592 S., 98 Farbtafeln, 374 Abb. in Farbe, geb. ISBN 978-3-7774-9045-8. 55,00 €

Schon seit über 400 Jahren existieren zwischen den beiden ungleichen Ländern Bayern und China erstaunliche Beziehungen. Der Katalog zur Ausstellung des Bayeri schen Nationalmuseums führt die Geschichte der Wahrnehmung Chinas in Bayern vor Augen und ergründet die wechselseitige Beeinflussung der Kulturen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil dabei ist der chinesischen Jesuitenmission im 16. und 17. Jahrhundert gewidmet, aber auch die nicht nur auf Bayern begrenzte europäische Chinoiserie findet Erwähnung. Das aufwendig gestaltete Katalogbuch thematisiert die rund 300 hochkarätigen Exponate internationaler Leihgeber und beschreibt sie mit wissenschaftlichen Bei- trägen zahlreicher Spezialisten aus kunsthistorischer, kulturhistorischer und ethno- logischer Sicht.

26 5 I 2009 IM FOKUS: BUCHMESSE / CHINA

Bertram, Jürgen: Die Chinafalle. Abgezockt im Reich der Mitte 2009, Fischer Taschenbuch Verlag, 240 S. ISBN 978-3-596-18314-2. 9,95 €

Statt das riesige Reich wirtschaftlich zu missionieren und dabei satte Gewinne einzufahren, keh- ren viele deutsche Unternehmer ausgezogen bis aufs Hemd zurück. Jürgen Bertram, der u.a. Korrespondent für die ARD in Peking war, versucht in seinem neuesten Buch zu zeigen, welche Fehleinschätzungen und kulturellen Hintergründe diesen Unternehmensgeschichten zugrunde liegen. Er hat es sich auch zur Aufgabe gemacht, Beispiele zu geben, wie sie in Zukunft verhin- dert werden könnten und wagt einen Ausblick, welche Konsequenzen solche negativen Seiten des China-Booms für unsere Gesellschaft haben können. „Mein Buch präsentiert eine Fülle eklatanter Beispiele, versteht sich aber nicht als verbale Begleitmusik eines unternehmerischen Klageliedes.“ (Vorwort, S. 8) „Was mich über den besorgniserregenden Befund hinaus interessierte, waren die Fragen nach seinen Ursachen und seinen möglichen Folgen. Wo liegen die kulturellen Wurzeln für das uns unverständliche Geschäftsgebaren der Chinesen? Welcher Mentalität entspringt es? Wer profitiert in erster Linie von dem Ideenklau?“ (Vorwort, S. 8) Neben vielen Erlebnisberichten Einzelner präsentiert der Band aber auch Aussagen von Privatpersonen und Pressezitate zu Korruption, Missständen und Machtmissbrauch der Armeeleitung und Führungsgremien z.B. in dem Kapitel Partei und Profit: „Übelster Sozialismus trifft auf übelsten Kapitalismus“. Mit seinem Buch trifft Jürgen Bertram bestimmt auf ein gespanntes Publikum, denn während er mit seinen kritischen Beiträ- gen über die Möglichkeiten des chinesischen Marktes anfangs auf Skepsis oder Ablehnung stieß, findet er mittlerweile sicher in weiten Teilen Zustimmung.

Liu Heung Shing (Ed.): China. Portrait of a Country, Porträt eines Landes, Portrait d’un pays by 88 Chinese Photographers 2008, Taschen Verlag, 424 S., geb. ISBN 978-3-8365-0569-7. 39,99 €

Kaum hat die Welt die Schwelle zum 21. Jahrhundert überschritten, gilt China als die kommen- de Wirtschaftsmacht. Der Prozess, in dessen Verlauf China seinen Weg in eine Schlüsselstellung der Weltpolitik fand, ist erstaunlich und folgenschwer. Der Fotojournalist und Pulitzer-Preisträ- ger Liu Heung Shing präsentiert in diesem Bildband eine visuelle Geschichte der Volksrepublik China. Mit Aufnahmen aus den Archiven von insgesamt 88 chinesischen Fotografen werden die kleinen und großen Ereignisse in der Entwicklung der Volksrepublik China von 1949 bis zur aufstrebenden Wirtschaftsmacht im Jahr der Olympiade 2008 dokumentiert. Das Buch wird ein- geleitet mit Kommentaren des Journalisten James Kynge und der Kunstkritikerin Karen Smith. Es ist eingeteilt in sechs Kapitel, jeweils ein Jahrzehnt abdeckend, denen eine kurze Einführung vorangeht. Den Bildern selbst sind, an einigen Stellen recht ausführliche, Erklärungen beige- fügt. Ergänzend enthält der Band eine Chronologie der wichtigsten politischen Ereignisse, eine aktuelle China-Karte, Biogra- phien aller beteiligten Fotografen, eine Bibliographie, Zitatnachweis und einen Index. Die Ausgabe ist dreisprachig: Englisch, Deutsch, Französisch. Im Internet unter www.taschen.de, wo ein Durchblättern des Buches möglich ist, kann man dieselben Fotos teilweise in höherer Qualität bewundern.

Weiers, Michael: Geschichte Chinas. Grundzüge einer politischen Landesgeschichte 2009, Kohlhammer Verlag, kartoniert, 268 S. mit 11 Karten. ISBN 978-3-17-018872-3. 29,80 €

Das Buch vermittelt in Grundzügen Einblicke in Chinas Geschichte, ausgehend von den archäo- logischen Fundstellen über die vordynastische Zeit und das kaiserliche China bis einschließlich hin zur modernen Zeit der Republiken. Die politisch-territorialen Verhältnisse sowie die damit eng verbundenen Beziehungen Chinas zu den nichtchinesischen Fremden aus West und Ost sowie aus dem Norden finden dabei aufmerksame Berücksichtigung. Durch die Lektüre erfährt man, dass China ähnlichen Brüchen, Umgestaltungen und Auszeiten ausgesetzt war wie andere Gemeinschaften auch, und dass es vor dem Hintergrund seiner bewegten Geschichte durchaus in der Lage sein dürfte, einen eigenen Weg und Standort in der heutigen globalen Welt zu finden. Dabei wendet sich das vorliegende Buch an Leser, „die an einen ersten allgemeinen Überblick in Grundzügen denken“ aber auch an solche, „die sich in anderen Sparten mit China befasst haben und nach einer gedrängten allerersten Übersicht über bestimmte Zeitabschnitte suchen.“ Eine sehr ausführlich kommentierte Zeittafel, mehrere Karten und ein umfassendes Register am Schluss des Bandes kommen diesem selbstgestellten Anspruch nach. Dr. Michael Weiers ist Prof. emeritus am Institut für Orient- und Asienwissenschaften, Abt. Mongolistik (ehemals Seminar für Sprach- und Kulturwissenschaft Zentralasiens) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Honorarprofessor an der Universität der Inneren Mongolei in Hohhot, VR China.

5 I 2009 27 IM FOKUS: BUCHMESSE / CHINA

van Ess, Hans: Die 101 wichtigsten Fragen: China 2008, Verlag C.H. Beck, 160 S. ISBN 978-3-406-56808-4. 9,95 €

Die neueste in der Beckschen Reihe Die 101 wichtigsten Fragen erschienene Publikation ist China gewidmet. Neben dem wachsenden Interesse an dem fernöstlichen Land aufgrund der Olympiade in Beijing 2008 trägt sie damit auch dem Thema der diesjährigen Buchmesse Rech- nung. Fragen von eher touristischem Interesse zur Geschichte wie „Wann wurde die große Mauer erbaut?“ stehen durchaus fachspezifische wie „Warum demonstrierten junge Intellektuelle am 4. Mai 1919?“ zur Seite. Unter dem Punkt Politik werden u.a. Antworten gegeben zu Themen, die sich viele schon immer präzise erklärt wünschten: „Wie sieht das politische System aus?“, „Gehört Tibet zu China?“ und „Welchen Zugang haben Chinesen zum Internet?“ Unter weiteren Überbegriffen, z.B. unter Wirtschaft, wird auch zu Vorurteilen Stellung genommen: „Wird China Deutschland bald zu einem Freizeitparadies ohne nennenswerte industrielle Fertigung machen?“ und „Sind die Chinesen geborene Fälscher?“. Es folgen die gängigen Themen Sprache und Schrift mit „Welche Sprachen und Völker gibt es?“, Religion und Philosophie: „Sind die Chinesen Konfuzianer“, Kultur: „Wie funktio- niert der Kalender“, „Warum ist Jade so beliebt?“, Gesellschaft, – und für Chinareisende nicht ganz unwichtig –: Ernährung, Kleidung, Medizin und Sport „Seit wann isst man mit Stäbchen“, „Was ist Feng-Shui?“. Hans van Ess beantwortet auf 160 Seiten die unterschiedlichsten Fragen aus den verschiedensten Bereichen knapp und für jedermann verständlich. Das Buch bietet in Nachschlagecharakter eine kurzweilige Einführung in Denken und Leben im Reich der Mitte.

Leonard, Mark: Was denkt China? Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm 2009, dtv premium Verlag, 200 S. ISBN 978-3-423-24738-2. 14,90 €

Dass China schon längst zur Gruppe der Weltmächte gehört, ist bekannt. Kaum bekannt ist, wie die Entscheidungsträger und Intellektuellen in China selbst über die Zukunft ihres Landes denken. Während der Westen noch damit beschäftigt ist, wie man Einfluss nimmt auf den Aufstieg Chinas, machen sich chinesische Intellektuelle Gedanken darüber, wie China mit dem Abstieg des Westens umgehen soll. Während aus Deutschland noch Entwicklungshilfe nach China fließt, stellen zahlreiche Entwicklungsländer fest, dass China längst eine Alternative zur Anpassung an den Westen ist. In China finden Weichenstellungen statt, die sich auf die Weltordnung insgesamt und auf unsere Konzepte von Politik und Macht auswirken werden. Welche Ideen werden in China selbst diskutiert? Und inwiefern werden diese Vorstellungen die Welt prägen? Mark Leonard ist Leiter der Londoner Denkfabrik European Council on Foreign Relations. Ge- mäß der Aufgabe eines Think tank, „ein Forschungsinstitut oder eine informelle Gruppe meist von Politikern, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern oder Unternehmern, die gemeinsam politische, soziale und wirtschaftliche Konzepte oder Strategien entwickeln und entsprechende öffentliche Debatten fördern“, verfährt Leonard auch in seinem neusten Buch. In lockerer Form, zum Teil mit persönlichen Eindrücken unterlegt, stellt er den Lesern 15 in China renommierte Hochschullehrer aus den Bereichen der Politologie, Soziologie und den Wirtschaftswissen- schaften, darunter Vertreter der sogenannten „Neuen Linken“ ebenso wie der „Neuen Rechten“, Nationalisten, Konservative und Berater des Präsidenten Hu Jintao, und deren intellektuelle Beschäftigung mit der Stellung Chinas intern und seiner Be- ziehung zur Weltpolitik vor.

28 5 I 2009 5 I 2009 29 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN oom rste chritte zur ndustrialisierung der igitalen ibliothek

Im Rahmen einer Öffentlich-Privaten Entwicklungspartnerschaft arbeiten das Fraunhofer Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) und der mittelständische Scanneranbieter ImageWare aus Bonn daran, den Produktionsprozess für Digitalisate zu automatisieren und die digitalisierte Literatur entsprechend den Bestimmungen des § 52 b Urheberrechtsgesetz bereitzustellen.

Vera Münch*

* Dieser Artikel wurde erstveröffentlicht in Ausgabe 03-2009 (September 2009) von B.I.T.online, Zeitschrift für Bibliothek, Information und Technologie, Verlag Dinges & Frick, www.b-i-t-online.de

30 5 I 2009 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

„ Sämtliche bei der digitalen Erfassung von Büchern, Auf- und anderen Partnern den Anwendungsfall CONTENTUS. sichtsvorlagen und Mikrofilmen nach dem manuellen Ein- Dessen Ziel ist die Schaffung eines automatisierten Prozesses rüsten des Scanners anfallenden Schritte sollen in einem zur Bereitstellung von multimedialem Wissen. „IAIS bringt durchgängigen Arbeitsablauf von Maschinen und Software hier seine Forschungserkenntnisse und Erfahrungen mit der erledigt werden. Für die Bereitstellung der digitalisierten Li- automatisierten Qualitätsoptimierung und der semantischen teratur entwickeln die Forschungspartner parallel dazu einen Erschließung zur automatischen Metadatenerzeugung sowie zertifizierten elektronischen Lesesaal für copyrightbehaftete der semantischen Verknüpfung multimedial vorliegender Do- Vorlagen, der die Bestimmungen des § 52 b des Urheber- kumente ein“, berichtet der Projektmanager Dr. Stefan Ei- rechtsgesetzes erfüllt. Die Entwicklungsarbeiten sind bereits ckeler. Der „Stapel an multimedialen Daten“ würde immer gut fortgeschritten. Anfang Oktober soll die gesetzeskonfor- größer, z. B. durch die Rundfunk- und Fernseharchive. Eine me „MyBib“ in Pilotbetrieb gehen. automatische Erschließung, die alle Medienarten einbezieht, „Was mit der Massendigitalisierung an Datenmengen pro- sei deshalb dringend geboten. Ergebnisse aus der CONTEN- duziert wird, verlangt dringend nach automatischen Verfah- TUS-Forschungsarbeit fließen auch in die Entwicklungsauf- ren“, benennt Rolf Rasche, Gründer und Geschäftsführer der gaben im Rahmen der Partnerschaft mit ImageWare ein. (ht- ImageWare Components GmbH, den Hintergrund der For- tp://theseus-programm.de/anwendungsszenarien/contentus/ schungsarbeiten, für die der mittelständische Bonner Betrieb default.aspx). die Abteilung NetMedia des Fraunhofer IAIS, St. Augustin, als Partner gewinnen konnte. „Für die Entwicklung eines IAIS Netmedia hat den automatisierten durchgängig automatisierten Produktionsprozesses für Mas- Workflow bereits entwickelt sendigitalisate und ein System, das bei der Weitergabe des digitalisierten geistigen Eigentums Dritter den neuen § 52 Bereits seit dem Jahr 2000 erforschen die Wissenschaftle- b des Urheberrechtsgesetzes erfüllt, ist Forschung notwen- rinnen und Wissenschaftler von IAIS NetMedia Technolo- dig, die ein Mittelständler nicht leisten kann“, so Rasche. gien und Lösungen zur Strukturierung und Erschließung Neben den beiden großen Aufgaben, multimedialer Dateninhalte sowie innovative Verfahren der die Produktion von Digitalisaten zu Muster erkennung für Multimediadaten. Sie haben sich da- automatisieren und bei der Ausga- bei große Kenntnisse in der automatischen Auswertung und be die Gesetze einzuhalten, forscht archivgerechten Aufbereitung von Ton- und Videodatenströ- IAIS NetMedia für ImageWare auch men sowie 2D- und 3D-Bildern erworben. an der Lösung von wissenschaftlich hoch anspruchsvollen Detailproble- ฀฀Zur Verarbeitung gescannter Dokumente hat IAIS NetMe- men aus der Praxis, beispielsweise der dia in Einzelprojekten mit Zeitungsverlagen (Neue Züri- Entwicklung von Verfahren zur web- cher Zeitung, Donaukurier) bereits einen automatisierten basierten nichtreferenziellen Beurtei- Arbeitsablauf (Workflow) entwickelt, der jetzt im Rahmen lung der Qualität von Scans. der Forschungskooperation um die von ImageWare einge- brachten Problemstellungen erweitert und an den Bedarf THESEUS-Forschungs- von Bibliotheken angepasst wird. Der automatische IAIS erkenntnisse fließen Workflow umfasst die Arbeitsschritte: in ImageWare-Lösungen ฀฀Optimierung der Qualität von gescannten Dokumenten ฀฀Ausschneiden und Entzerren der Seiten Dr. Joachim Köhler sieht in der Ko- ฀฀Layoutbasierte Seitenerkennung und -segmentierung operation mit ImageWare die Er- (nach Rubriken) füllung einer Satzungsaufgabe des ฀฀Automatische Erkennung und Speicherung von Metada- Instituts: „Wir sind gehalten, unsere ten wie Ausgabedatum, Seitenzahl u. ä. Forschungserkenntnisse in die Wirt- ฀฀OCR mit pixelgenauer Erfassung und (Metadaten-)Auf- schaft zu übertragen“, so der Leiter zeichnung der Wortposition auf der Seite von IAIS NetMedia. ฀฀automatisiertes Qualitätsmanagement Als Antwort auf die Frage, ob der ฀฀Ausgabe der optimierten Dokumente in ein vom Kunden hohe Aufwand, mit dem derzeit auf spezifiziertes XML-Format zur Speicherung in eigenen der ganzen Welt Bücher, Mikrofilme, Systemen Filmbänder, Tonträger und anderen Passend zu diesem automatisierten Workflow hat IAIS Net- Informations- und Unterhaltungsme- Media ein separates grafisches Werkzeug zur Qualitätskont- dien der Vergangenheit und Gegen- rolle und Nachkorrektur der Verarbeitungsergebnisse entwi- wart gescannt werden, sich lohne, zi- ckelt. tiert Köhler die Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek (DNB), Weiterentwicklungen für den Dr. Elisabeth Niggemann: „Alles, was ImageWare-Produktionsprozess nicht digital verfügbar ist, existiert für die nächste Generation nicht mehr.“ Die Softwarelösung zur Automatisierung der Scanverarbei- Im Rahmen des großen deutschen tung aus ImageWare Scannern basiert auf diesem FhG IAIS Forschungsprogramms THESEUS be- Workflow. Nach dem Erfassen der Vorlage erfolgt die Opti- arbeitet IAIS NetMedia mit der DNB mierung der Qualität der Images durch die automatische Aus-

5 I 2009 31 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

führung von Softwarefunktionen, die das gescannte Image den OPAC und die Integration der Links in die Literaturzita- durch Randerkennung freistellen, die Seiten gerade rücken te.“ Stolz sind die Wissenschaftler auf die bereits realisierte und die Buchfalzkorrektur übernehmen. Die aufbereiteten sehr schnelle Seitenanzeige und die praktischen Funktionen. Scandaten werden dem Scanner-Softwaresystem (oder der Die angezeigten Seiten in MyBib sind voll skalierbar, kön- Bibliothekssoftware) in webbasierter Form zur Speicherung nen also am Bildschirm beliebig vergrößert oder verkleinert in einer Datenbank oder einem Repositorium zurückgege- werden. Volltextsuche ist über den gesamten digitalisierten ben. Von dort aus können sie in den OPAC der vorhandenen Inhalt – nicht nur in den Inhaltsverzeichnissen – möglich. Bibliothekslösung integriert werden. Der Literaturhinweis im Zur gewünschten Seite, zum gesuchten Kapitel oder einem OPAC ist dann mit dem Speicherort des Digitalisats verlinkt. Textfragment – kann man über Miniseitenanzeigen in der Bei der Weiterentwicklung des IAIS NetMedia Fehlerkorrek- Navigationsleiste surfen. turwerkzeuges für den Einsatz in der Massendigitalisierung Bibliothekskunden können im elektronischen Lesesaal den geht es vor allem darum, eine Fehlerprüfung zu schaffen, die kompletten Inhalt copyrightbehafteter Literatur kostenlos das Entstehens systematischer Fehler verhindert. Anders als durchlesen; haben also auch dann vollständigen Zugriff auf bei einzeln zu bedienenden Scannern können beim Arbeiten für sie relevante Literatur, wenn das in der Bibliothek vor- mit Scanrobotern Fehler aus dem Erfassungssystem zu gro- handene Original gerade ausgeliehen ist und keine lizensierte ßen Mengen unbrauchbarer Digitalisate führen. Digitalversion der Publikation verfügbar ist. Anhand des an- gezeigten Textes entscheiden sie dann, ob das Durchlesen Der zertifizierte elektronische Lesesaal am Bildschirm für ihren Zweck ausreicht, ob sie das Origi- nach § 52 b UrhG nal zur Ausleihe bestellen wollen, oder ob sie es (ganz oder in Teilen) kaufen wollen. Denn auch der Einzelbezug von Die Bereitstellung des digitalisierten Wissens der Welt zur gedruckter und digitaler Literatur bis hinunter auf die Ebe- Nutzung durch die Bibliothekskunden – dem Zweck, für den ne einzelner Kapitel wird von Verlagen und/oder Informa- all die Milliarden Digitalisate erzeugt werden – ist seit der tionsdienstleistern zunehmend angeboten. Über den OPAC Anpassung des § 52 b UrhG für Bibliotheksverantwortliche und die Lizenzverwaltung der Bibliothek können solche Be- ein gefährliches Unterfangen, weil sie für die Einhaltung stellmöglichkeiten in MyBib integriert werden. Rasche freut des Gesetzes haften. Sie müssen sicherstellen, dass bei der sich: „Die Lösung ist juristisch knackig hart und funktioniert Weitergabe der Dokumente an Dritte sämtliche Urheberrech- trotzdem ohne Nutzerregistrierung.“ Er rechnet damit, dass te eingehalten werden. Das ist nicht einfach, denn sich ge- MyBib nach dem Start des Pilotbetriebs im Oktober bis Ende setzeskonform zu verhalten, ist produkttechnisch noch nicht des Jahres 2009 allgemein angeboten werden kann. gelöst und bedeutet de facto einen technischen Rückschritt. Bei weitem nicht alle heute verfügbaren Netztechnologien Massendigitalisierung verändert und Transportmöglichkeiten dürfen nach § 52 b zur Wei- das Berufsbild tergabe des geistigen Eigentums ausgenutzt werden. Rasche erläutert: „Die Digitalisate dürfen nur auf einem PC ange- Ulrich Wernecke, beim IAIS zuständig für die Geschäftsfeld- zeigt werden, der sich in der Verwaltung der Bibliothek be- entwicklung Medienanalyse- und Archivsysteme, sieht die findet. Die Originalvorlage muss physisch in der Bibliothek Welt erst am Anfang der Massendigitalisierung: „Wir stehen vorliegen oder die Rechte müssen über eine Konsortial- oder an der Schwelle zum Sprung von der Maßschneiderei in die Nationallizenz gekauft sein. Die Anzeige der gescannten Bü- Textilindustrie.“ Es sei eine andere Welt, die mit der begin- cher, Buchseiten und Fundstellen muss technisch so erfol- nenden Industrialisierung in die Bibliotheken Einzug halte. gen, dass die Daten nicht ausgedruckt oder heruntergeladen Sie werde das Berufsbild der Bibliothekare verändern. „Viel werden können.“ Zur Beweisführung, dass die gesetzlichen weniger Leute werden in Zukunft viel mehr Daten verwal- Vorschriften eingehalten werden, ist eine Zertifizierung der ten können“, sieht er voraus. Und für digitale Archivsyste- Softwarelösung notwendig, die für die Bereitstellung der Di- me, so Wernecke, sei es schon heute zwingend notwendig, gitalisate eingesetzt wird. volle Multimediafähigkeit vorzusehen: „Noch haben wir die Schrift. Aber die Technologien zur Informationsvermittlung Sichere Bereitstellung entwickeln sich immer mehr in Richtung Bild und Ton.“ copyrightbehafteter Vorlagen

Eine solche Lösung erforschen und entwickeln IAIS NetMe- dia und ImageWare mit dem „elektronischen Lesesaal nach § 52 b“, genannt MyBib. Mit dem MyBib will ImageWare als erster europäischer Anbieter ein Softwaresystem anbieten, das Ansprüche und Anforderungen aller beteiligten Partei- en, also von Bibliotheken, Verlagen und Autoren, abdeckt. Stefan Paal, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IAIS, erklärt die methodischen und technischen Ansätze der verlässli- chen, raubkopier-sicheren Präsentationslösung: „Wir legen den Schutz so hoch, dass der Aufwand zum Aufbrechen deutlich über dem des rechtmäßigen Erwerbs der Publika- tion liegt. Technisch setzen wir auf eine javabasierte Rich Client-Lösung. Client und Server managen die Suche über

32 5 I 2009 Recht Steuern Wirtschaft

Standardwerke und Novitäten Beständiges

[Rote Ordner: Markenzeichen für Praxis und Ausbildung]

Schönfelder, Deutsche Gesetze Steuergesetze Sartorius, Im Ordner € 32,– bei Bezug von Ergänzungs - Im Ordner mit CD-ROM € 35,– Verfassungs- und Verwaltungsgesetze lieferungen für 12 Monate; ISBN 978-3-406-45605-3 Im Ordner € 35,– ISBN 978-3-406-46119-4 ISBN 978-3-406-45645-9 Einzelbezug (im Ordner) € 38,–; ISBN 978-3-406-50075-6 Gebundene Ausgabe II/2009 ca. € 39,80 ISBN 978-3-406-59295-9 Erscheint im November 2009. Bekanntes

[Drei Klassiker aus dem großen Angebot juristischer und steuerlicher Standardliteratur]

Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch Beck’scher Bilanz-Kommentar (ZPO) (BGB)) ISBN 978-3-406-59392-5 ISBN 978-3-406-59350-5 ISBN 978-3-406-59488-5 Leinen ca. € 189,–. Subskriptionspreis bis Leinen € 58,– Leinen ca. € 100,– 3 Monate nach Erscheinen ca. € 174,– Erscheint im November 2009. Erscheint im November 2009. Neues

[Drei Beispiele für kompetente Antworten auf Herausforderungen von heute]

Jesch/Schilder/Striegel, Breithaupt/Ottersbach, Vahlens Großes Personallexikon Rechtshandbuch Immobilien- Kompendium Gesellschaftsrecht ISBN 978-3-8006-3491-0 Investitionen ISBN 978-3-8006-3346-3 Gebunden ca. € 148,– ISBN 978-3-406-57129-9 Gebunden ca. € 88,– Erscheint im Oktober 2009. Leinen € 118,– Erscheint im Oktober 2009.

Verlag C.H.Beck · 80791 München Fax: 089/38189-402 · www.beck.de Tel.: 089/38189-750 Preis inkl. MwSt. / 154906 Modernes

[Erfolgreiche Zeitschriften: Diese drei inklusive umfassender Datenbanken]

NJW – Neue Juristische Wochenschrift DStR – Deutsches Steuerrecht JuS – Juristische Schulung ISSN 0341-1915 Zeitschrift + Datenbank ISSN 0022-6939 Erscheint wöchentlich mit regelmäßigen ISSN 0949-7676 Erscheint monatlich mit zweimonatlicher Beilagen NJW-Spezial und ZRP. Erscheint wöchentlich mit zweimal monatlicher Beilage JuS-Magazin. Bezugspreise halbjährlich Beilage DStRE. Normalpreis (ohne JuSDirekt-Bezug) € 53,– Normalpreis € 109,–; Vorzugspreis für Mit- Bezugspreise halbjährlich Vorzugspreis für Studenten (fachbezogene glieder des dt. Anwaltsvereins und des Forums Normalpreis € 162,–; Vorzugspreis für Mit- Studiengänge), Referendare und NJW-Bezieher Junge Rechtsanwälte € 98,–; Vorzugspreis für glieder der Steuerberaterkammern € 124,50 inklusive Zugang zur Online-Datenbank Studenten (fachbezogene Studiengänge), jeweils inklusive Datenbank Beck SteuerDirekt JuSDirekt € 37,– Referendare und Anwälte, deren Zulassung und DStR-Fachdienst (wöchentlich per E-Mail) jünger ist als drei Jahre € 64,–; Vorzugspreis für Studenten und Referendare die gleichzeitig Bezieher der Jus sind € 49,– jeweils inklusive Zugang zur Online-Datenbank NJWDirekt Klassisches

[Drei weitere Beispiele aus dem reichen Angebot der Spezialzeitschriften]

NVwZ – NStZ – Neue Zeitschrift für Strafrecht NZA – Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht ISSN 0720-1753 ISSN 0943-7525 ISSN 0721-880X Erscheint monatlich (12 Ausgaben). Erscheint zweimal monatlich (24 Ausgaben). Erscheint zweimal monatlich (24 Ausgaben). Bezugspreise jährlich. Normalpreis € 174,–; Bezugspreise jährlich. Normalpreis € 224,–; Bezugspreise halbjährlich. Normalpreis € 123,–; Vorzugspreis für Studenten (fachbezogener Vorzugspreis für Studenten (fachbezogener Vorzugspreis für Studenten (fachbezogener Studiengang), Referendare, NJW-Bezieher Studiengang), Referendare, NJW- und Studiengang), Referendare, NJW-Bezieher € 150,– NZS-Bezieher € 198,– € 108,–

Verlag C.H.Beck · 80791 München Fax: 089/38189-402 · www.beck.de Tel.: 089/38189-750 Preise Stand 1.1.2009 inkl. MwSt., zzgl. Vertriebs-/Direktbeorderungsgebühren / 154906 Aktuelles

[Seit über 100 Jahren immer aktuell: Rote Textausgaben von C.H.Beck]

Aktuelle Steuertexte 2009 Aktuelle Wirtschaftsgesetze 2009 BilMoG ISBN 978-3-406-59393-2 ISBN 978-3-406-58506-7 ISBN 978-3-406-59410-6 Kartoniert € 9,90 Kartoniert € 8,90 Kartoniert € 9,90

Verlag C.H.Beck · 80791 München Fax: 089/38189-402 · www.beck.de Tel.: 089/38189-750 Preis inkl. MwSt. / 154906 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN § § us der ielzahl on Neuerscheinungen und Neuau agen zum hema echt haben ir f r diese usammenstellung elf itel aus unterschiedlichen echtsgebieten ausge hlt

ArbR – Arbeitsrecht Aktuell. Rechtsanwalt Dr. Christian Arnold, werden bei der Auswahl München: C.H.Beck, 2009. und Bearbeitung der aktuellen Beratungs- und Praxisthemen Die neue Zeitschrift „ArbR - von einem Team aus rund fünfzig Anwälten und Richtern Arbeitsrecht Aktuell“ inklusive unterstützt. E-Letter und Datenbank kostet im Abonnement für bis zu drei Nutzer  148,00 im Jahr FamFR – Familienrecht und (3-Monats-Test für  15,00). Familienverfahrensrecht. Bezieher der Neuen Zeitschrift München: C.H.Beck, für Arbeitsrecht (NZA) erhalten September 2009. die ArbR zum Vorzugspreis von Die neue Zeitschrift „FamFR“  118,00 jährlich. inklusive E-Letter und Daten- bank kostet im Abonnement für bis zu drei Nutzer  140,00 im Jahr (3-Monats-Test für 20 ). Die neue Zeitschrift „ArbR - Arbeitsrecht Aktuell“ aus dem Für Nutzer von Familienrecht Verlag C.H.Beck analysiert, kompakt und mit Praxistipps ver- PLUS und für FPR-Bezieher ist sehen, die zentralen Aspekte der neuesten Rechtsentwick- die Zeitschrift bis 31.12.2009 lung. „ArbR - Arbeitsrecht Aktuell“ ist ab sofort alle zwei inklusive. Wochen als Fachzeitschrift zum Individual- und Kollektivar- beitsrecht sowie zum arbeitsrechtlichen Verfahrensrecht er- hältlich. Das gedruckte Heft erscheint in Kombination mit Zum 1. September 2009 gibt es drei große familienrechtliche einem jeweils vorab zugestellten E-Letter und der Zugriffs- Reformen: FamFG, Zugewinn- und Versorgungsausgleich. möglichkeit auf eine Rechtsprechungs- und Archivdatenbank. Pünktlich zum Reformstart erscheint im Verlag C.H.Beck die Auf den Punkt gebrachte Aufsätze wie in Heft eins zur Frage neue Zeitschrift „FamFR – Familienrecht und Familienverfah- „Dürfen ,Alte’ klauen? – Wirksamkeit einer außerordentlichen rensrecht“. Das gedruckte Heft erscheint zweimal im Monat Kündigung bei Vermögensdelikten“ zeichnen „Arbeitsrecht in Kombination mit einem jeweils vorab zugestellten E-Letter Aktuell“ ebenso aus, wie prägnante Darstellungen der tra- und der Zugriffsmöglichkeit auf eine Datenbank mit Voll- genden Gründe gerichtlicher Entscheidungen. Praxishinwei- text der Entscheidungen, Normen-Verlinkung und Archiv. se, Checklisten, Formulierungshilfen und Muster runden je- „FamFR“ bietet eine Zusammenstellung von Besprechungen weils die Erörterungen ab. Ziel von „Arbeitsrecht Aktuell“ ist aktueller Entscheidungen sowie Kurzbeiträge, die ein breites es insbesondere, frühzeitig entstehende und gerade in der Themenspektrum liefern. Damit soll sowohl der Spezialist als Diskussion befindliche arbeitsrechtliche Themen aufzugreifen auch jeder, der sich mit familienrechtlichen Fragestellungen und praxistauglich zu lösen. Aus dem Inhaltsverzeichnis des befassen muss, auf dem Laufenden bleiben. Die Herausge- E-Letters, der die Themen der gedruckten Ausgabe vorab be- ber der „FamFR – Familienrecht und Familienverfahrens- handelt, lässt sich über die juristische Datenbank beck-online recht“, Rechtsanwalt Dr. Winfried Born, Prof. Dr. Karlheinz (www.beck-online.de) jeweils die Volltextfassung der kom- Muscheler, Familienrichterin Birgit Niepmann und Rechtsan- mentierten Entscheidung nebst aller relevanten Vorschriften wältin Jutta Wagner wählen die aus Praktikersicht wichtigen aufrufen. Außerdem haben Leser Zugriff auf das gesamte Entscheidungen aus, die bekannte Autoren auf jeweils einer Online-Archiv des „Fachdienstes Arbeitsrecht“ aus dem Ver- Heftseite zusammenfassen. Dazu kommen jeweils zwei bis lag C.H.Beck. Die Herausgeber von „ArbR - Arbeitsrecht Ak- drei kurze Beiträge hochkarätiger Familienrechtler zur aktu- tuell“, Rechtsanwalt Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Rechtsanwalt ellen Rechtsentwicklung. Friedrich Schindele, Richter am BAG Dr. Heinrich Kiel und

40 5 I 2009 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

5 I 2009 41 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

Thilo Marauhn, Nadine der Befähigung zum Richteramt und höheren Verwaltungs- Ruppel: Europäisches und dienst und lehrt Wirtschafts- und Internetrecht an der Hoch- internationales Energiewirt- schule Lausitz. Studierenden der Fachrichtungen Betriebs- schaftsrecht. wirtschaftslehre, Wirtschaftsingenieurwesen, Informatik und Tagungsband des 9. Graduier- Recht an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakade- tentreffens im internationalen mien und Praktikern der IT- und Medienbranche wird dieses Wirtschaftsrecht in Gießen Buch nützliche Dienste leisten. 2008. Band 6 der Reihe Interna- tionale Wirtschaft und Recht. Stuttgart: Richard Boorberg Dirk Heckmann: juris Praxis- Verlag, 2009. 154 S. Kommentar Internetrecht. ISBN 978-3-415-04335-0 Saarbrücken: juris, 2. Auflage 24,00  2009, 771 S., geb., Hardcover ISBN 978-3-938756-63-8 139,00  Der Sammelband fasst die Beiträge der 9. Assistententagung Internationales Wirtschaftsrecht unter dem Thema „Europä- isches und Internationales Wirtschaftsrecht“ zusammen, die Die Neuauflage des juris Pra- am 6. und 7. Juni 2008 von der Professur für Öffentliches xisKommentars Internetrecht Recht, Völkerrecht und Europarecht des Fachbereichs Rechts- berücksichtigt die Rechtspre- wissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen veranstal- chung und Gesetzesänderun- tet wurde. Die einzelnen Beiträge untersuchen das Ener- gen der letzten beiden Jahre. giewirtschaftsrecht aus verschiedenen Blickwinkeln: Neben So wurden insbesondere die völkerrechtlichen, europarechtlichen, innerstaatlichen und Kapitel zum Urheberrecht, zu rechtsvergleichenden Zugängen, werden energiepolitische E-Government und zum elek- und kulturelle Perspektiven berücksichtigt. Interessenten für tronischen Rechtsverkehr sowie Teile der Kommentierungen dieses Buch finden sich sicher in Wirtschaftsministerien, in des TMG besonders aktualisiert und erweitert. Das Kapitel Wirtschaftsverbänden, in großen Energieunternehmen und in Strafrecht wurde neu gefasst, ebenso die Kapitel zum Do- Bibliotheken. Wirtschaftspolitiker und Dozenten für Wettbe- mainrecht, Datenschutz, E-Commerce und Arbeitsrecht. Alle werbsrecht und für Wirtschaftsrecht dürfte es auch interes- Inhalte des Printwerks stehen 12 Monate auch online zur sieren. Verfügung. Dank der permanenten Aktualisierung des On- line-Kommentars und der umfassenden Verlinkung auf zi- Andreas Wien: Internetrecht. tierte Entscheidungen und Normen ist die Recherche damit Eine praxisorientierte immer auf dem neuesten Stand. Prof. Dr. Dirk Heckmann, Einführung. Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Sicherheits- Wiesbaden: Gabler Verlag, und Internetrecht an der Universität Passau und Leiter des 2., überarb. Aufl. 2009. XVI, Center for IT-Compliance and Trust an der Zeppelin Univer- 235 S. brosch. sity Friedrichshafen, hat sich durch zahlreiche Publikationen ISBN: 978-3-8349-1502-3 und Vorträge im Bereich des Internetrechts einen Namen ge- 26,90  macht.

Eike Ullmann (Hrsg.): juris Das Internet gewinnt in der PraxisKommentar UWG. Wirtschaft und Gesellschaft zu- Gesetz gegen den unlaute- nehmend an Bedeutung und ist ren Wettbewerb. aus vielen Bereichen nicht mehr Saarbrücken: juris, 2. Auflage wegzudenken. Durch eine Flut 2009, 900 S., geb., Hardcover von Gesetzen und der in vielen Bereichen des Internetrechts ISBN 978-3-938756-59-1 noch nicht gefestigten Rechtsprechung besteht bisweilen 149,00  große Unsicherheit bei den Nutzern. „Internetrecht“ führt leicht verständlich und zugleich fundiert in alle wichtigen Themen ein: Streitigkeiten über Domainnamen, Internet- Mit dem am 30. Dezember Angebote und Urheberrecht, Werbung im Netz, Verträge im 2008 in Kraft getretenen Ers- Internet, E-Commerce, Computerkriminalität und Strafrecht, ten Gesetz zur Änderung des Datenschutz, Verfahrensrechtliche Fragen. Besonderen Wert Gesetzes gegen den unlaute- legt der Autor auf einen hohen Praxisbezug. Anhand vieler ren Wettbewerb vom 22. De- Beispielfälle wird ein konkreter Einblick in die Anwendungs- zember 2008 wurde die Richtlinie 2005/29/EG vom 11. Mai möglichkeiten und Einsatzfelder gegeben. Die zweite Auf- 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktin- lage wurde auf den aktuellen Stand der Gesetzgebung und ternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Ver- Rechtsprechung gebracht sowie um Hinweise zu Abo-Fallen brauchern umgesetzt. Die Rom II-Verordnung ist am 11. Ja- im Internet ergänzt. Prof. Dr. Andreas Wien ist Volljurist mit nuar 2009 in Kraft getreten. Dieser Rechtsentwicklung trägt

42 5 I 2009 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

Der Fünf-Sterne-Kommentar zur neuen ZPO

Seit dem 1. September 2009 gilt das neue Recht

Berücksichtigt bereits das Gesetz über die Internetversteigerung in der Zwangsvollstreckung vom 30.07.2009, BGBl. I, 2474

Kommentiert von 54 hochkarätigen Autoren

Inklusive CD-ROM “Das neue FamFG” von Schulte-Bunert

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5 I 2009 43 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

der juris PraxisKommentar UWG in der 2. Auflage Rechnung. setzliche Mustersatzung ebenso informiert wie über den neuen Alle Inhalte des Printwerks stehen auch 12 Monate online sog. strukturellen Inlandsbezug des Gemeinnützigkeitsrechts. zur Verfügung. Dank der permanenten Aktualisierung des Abgerundet wird die Broschüre durch eine umfassende Dar- Online-Kommentars und der umfassenden Verlinkung auf stellung des Spendenrechts einschließlich von Spenden an aus- zitierte Entscheidungen und Normen ist der Recherchieren- ländische Einrichtungen. Die Autoren sind Frau Professor Dr. de damit immer auf dem neuesten Stand. Der Herausgeber Monika Jachmann ist Richterin am Bundesfinanzhof und lehrt Prof. Dr. Eike Ullmann war Vorsitzender des I. Zivilsenats des an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Dipl.- Bundesgerichtshofs. Er hat nahezu seine gesamte richterli- Finanzwirt (FH) Klaus Liebl, München. che Tätigkeit dem Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht gewidmet. Julia Kersjes: Medienbeteili- Heinz-Wilhelm Vogel: Buß- gungen politischer Parteien. geld, Punkte, Führerschein. Eine verfassungsrechtliche Ihr gutes Recht als Auto- Untersuchung. fahrer. Stuttgart: Richard Boorberg Münster: LexisNexis Deutsch- Verlag, 2009. BOORBERG Wissen- land, 2009, 325 S., DIN A 5, schafts-Forum, Band 17, 344 S. brosch. ISBN 978-3-415-04334-3 ISBN: 978-3-89699-372-4 45,00  12,80  Die Arbeit beschäftigt sich mit den Medienbeteiligungen po- Heinz-Wilhelm Vogel ist litischer Parteien aus verfas- Rechtsanwalt und Fachautor sungsrechtlicher Sicht. Im Mit- zahlreicher Ratgeber aus den telpunkt steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Bereichen Wirtschaft, Verkehr 12. März 2008 zum hessischen Privatrundfunkgesetz. Da- und Steuern. Er bietet sofort umsetzbare Praxis-Tipps bei nach steht es dem Gesetzgeber frei, Parteien die unmittelbare Fragen wie: Zu schnell gefahren? Noch über die Kreuzung oder mittelbare Beteiligung an privaten Rundfunkunterneh- geprescht, als die Ampel schon „Rot“ zeigte? Oder war es men insoweit zu untersagen, als sie dadurch einen bestim- doch noch „Spät-Gelb“? Dem Vordermann zu dicht „auf die menden Einfluss auf die Programmgestaltung oder -inhalte Pelle gerückt“? Mit (zu viel) Alkohol gefeiert und dann noch nehmen könnten. Die Verfasserin untersucht, was mit dem mit dem Auto nach Hause gedüst? Unter sonstigem Drogen- „bestimmenden Einfluss auf die Programmgestaltung und einfluss im Straßenverkehr unterwegs gewesen? Das sind nur -inhalte“ gemeint ist. Darüber hinaus werden verschiedene einige wenige, aber die mit Abstand häufigsten und „teuers- verfassungsrechtlichen Probleme und die Bedeutung der Me- ten“ Verkehrsverstöße, zu denen es schnell kommen kann. dien für die Bildung einer freien öffentlichen Meinung und Bei Verkehrsverstößen dieser Art drohen ein hohes Bußgeld, für die Demokratie näher beleuchtet. Das Buch richtet sich an zusätzlich Punkte im Verkehrszentralregister und oftmals Interessenten in Parteien, privaten Rundfunkunternehmen, auch noch der Verlust des Führerscheins. Der Praxis-Ratgeber Universitäten und an Lehrstühlen für öffentliches Recht. vermittelt, wie man in jeder Situation das Beste für sich he- rausholen kann. Außerdem enthält er Musterschreiben und Formulierungsbeispiele z.B. für Einsprüche. Constantin De Koninck, Werner Pelzer, Thierry Ronse: Europäisches Vergaberecht. 25 Jahre Rechtsprechung durch den Europäischen Gerichtshof. Stuttgart: Richard Boorberg Verlag– in Zusammenarbeit mit dem Linde Verlag, 2009, 712 S. ISBN 978-3-415-04320-6 182,90 

Im Mittelpunkt stehen die Monika Jachmann, Klaus Liebl: Gemeinnützigkeit von der EU-Kommission er- kompakt. Grundlagen und Leitlinien für die Praxis. lassenen Richtlinien 2004/17/ Stuttgart: Richard Boorberg Verlag, 2009. 80 S. EG und 2004/18/EG zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die ISBN 978-3-415-04383-1. 15,00  durch die Umsetzung in nationales Recht entscheidende Be- deutung für das öffentliche Beschaffungswesen in den Mit- Der Leitfaden bringt den Leser auf den aktuellen Diskussi- gliedsstaaten erlangt haben. Die wesentlichen Bestimmungen onsstand zum Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht; er wird der Richtlinien werden erschlossen anhand der 25-jährigen über die durch das Jahressteuergesetz 2009 eingeführte ge- Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes seit 1982.

44 5 I 2009 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

Neue Wege in der Finanzbranche

Hans Grussert Wegmann / Zeibig / Zilkens Everling / Müller (Hrsg.) Strategien im Retail- Der ehrbare 3JTJLPQSPæMJOH Banking Kaufmann von Anlegern Finanzdienstleister im Leistungsfaktor Vertrauen – .XQGHQSURÀOHWUHIIHQG veränderten Wettbewerb Kostenfaktor Misstrauen analysieren und in der $XÁDJH ISBN 978-3-86556-233-3 Beratung nutzen ISBN 978-3-86556-199-2 Gebunden, ca. 190 Seiten ISBN 978-3-86556-222-7 Gebunden, 298 Seiten ca. 39,00 EUR Gebunden, ca. 360 Seiten 48,00 EUR ca. 79,00 EUR

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Dabei konzentriert sich die Wiedergabe der über 100 Urteile hat. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die mittlerweile auf die zum Verständnis wichtigen Passagen. Das Buch wird gefestigte britische Rechtsprechung zu diesem Problem, in Interessenten finden unter Dozenten, Richtern und in der öf- der eine solche Haftung anerkannt wird. Daraus ergibt sich fentlichen Verwaltung. die Frage, wie die haftungsrechtliche Situation im deutschen Recht zu beurteilen ist. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Untersuchung der Verletzung der Schutzpflicht des Ar- Jan von Trotha: beitgebers. Neben deren dogmatischen Grundlagen behan- Stress am Arbeitsplatz - delt der Autor vor allem die Frage, wie weit die Schutzpflicht Haftung des Arbeitgebers ihrem Umfang nach in Fällen eines gestressten Arbeitneh- auf Schadensersatz für mers reicht und durch welches Handeln oder Unterlassen hieraus resultierende Ge- sie verletzt werden kann. Daneben werden auch die übrigen sundheitsschäden? Voraussetzungen für eine Haftung des Arbeitgebers, wie bei- Reihe: Schriften zum Sozial- spielsweise dessen Verschulden oder das Nichteingreifen des und Arbeitsrecht. SAR 281. Haftungsausschlusses gemäß § 104 SGB VII ebenso wie pro- Berlin: Duncker & Humblot zessuale Aspekte der Geltendmachung derartiger Haftungs- Verlag, 2009. 331 S., ansprüche diskutiert. ISBN: 978-3-428-53105-9 Im Ergebnis kann dabei durchaus eine Haftung des Arbeit- 80,00 € gebers angenommen werden, vorausgesetzt dieser hat bei einer hinreichend erkennbaren drohenden Gesundheitsver- letzung nicht alle möglichen und verhältnismäßigen Schutz- maßnahmen zugunsten des Arbeitnehmers getroffen. Au- ßerdem beschäftigt sich der Autor noch mit weitergehenden Der Autor entwickelt ein Modell für die schadensersatz- Fragestellungen, wie bspw. den sich aus dem Modell erge- rechtliche Haftung des Arbeitgebers, sofern arbeitsplatz- benden Konsequenzen unter Berücksichtigung der Mitbe- bezogener Stress eine Gesundheitsverletzung hervorgerufen stimmungsrechte des Betriebsrats.

Das Wirtschaftslexikon Das Europalexikon

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46 5 I 2009 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

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5 I 2009 47 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

Aus der Vielzahl von Neuerscheinungen zum Thema Wirtschaft haben wir sieben Titel ausgewählt.

Günther G. Schulze (Hrsg.): der Realwirtschaft. Vertrauen in Märkte und Manager ist in Reformen für Deutschland. Misstrauen umgeschlagen. Wie lässt sich verloren gegange- Die wichtigsten Handlungs- nes Vertrauen zurückgewinnen? Eine Antwort lautet: An- felder aus ökonomischer wendung geltender Corporate Governance und Grundsätze Sicht. ordnungsmäßiger Geschäftsführung. Hilfe dabei bietet die Stuttgart: Schäffer-Pöschel Ver- Orientierung am Fragenkatalog des IDW Prüfungsstandards lag, 2009. Reihe: Handelsblatt- 720, welcher Anforderungen und Prüfungshandlungen an Bücher. XIII, 270 S., 42 s/w Abb., eine ordnungsgemäße Geschäftsführung formuliert. Dazu 21 Tabellen, geb. stellt das Werk umfangreiche Gestaltungs- und Handlungs- ISBN: 978-3-7910-2917-7 empfehlungen sowie Checklisten und darauf ausgerichte- 29,95  te Prüfungshandlungen für die Abschlussprüfung vor. Die Grundlagen und Besonderheiten bei Anwendung und Ausle- gung der entsprechenden Vorschriften werden detailliert und Das Buch enthält Beiträge zu praxisnah erläutert. Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Prof. den wichtigsten wirtschafts- Dr. Holger Philipps lehrt an der Fachhochschule Koblenz Prü- politischen Problemkreisen, mit denen Deutschland gegen- fung der Rechnungslegung, Internationale Rechnungslegung wärtig zu kämpfen hat. Alle Beiträge sind von führenden und Unternehmenssteuern. Er ist Mitautor eines bekannten Ökonomen geschrieben. Sie setzen sich mit den aktuellen Bilanzkommentars. Mehrjährige Praxis in leitender Funktion wirtschaftspolitischen Herausforderungen in Deutschland in einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft macht ihn auseinander, gehen auf die wichtigsten Handlungsfelder ein zudem zu einem erfahrenden Praktiker. Eine Pflichtlektüre, und zeigen konkrete Lösungen auf. Die kompakten Beiträge um Unternehmen krisenfest zu machen? Jedenfalls sollte das beschäftigen sich mit den Finanzmärkten, dem deutschen Buch Geschäftsführer, Aufsichtsräte, Wirtschaftsprüfer, Fi- Gesundheitssystem und der aktuellen Umwelt- und Bil- nanzkontrolleure, Beteiligungsreferenten und die Mitarbeiter dungspolitik. Sie gehen auf Themen wie Arbeitslosigkeit, De- der Abteilungen Controlling und Revision interessieren. mografischer Wandel, Staatsverschuldung, Steuerpolitik und die Reform(un)fähigkeit der Politik ein. Großer Wert wurde Arnd Zschiesche, auf eine allgemein verständliche Argumentation gelegt. Da- Oliver Errichiello: mit wird der interessierten Öffentlichkeit der Zugang zu öko- Erfolgsgeheimnis Ost. nomischem Expertenwissen erleichtert. Der Herausgeber Dr. Survival-Strategien der Günther G. Schulze ist Professor für Wirtschaftspolitik und besten Marken – und Direktor der Abteilung für Internationale Wirtschaftspolitik was Manager daraus ler- an der Universität Freiburg. Seine Forschungsschwerpunkte nen können. sind Internationale Wirtschaftspolitik, Entwicklungsökono- Wiesbaden: Gabler Verlag, mik und politische Ökonomie. 2009. 204 S. Mit 100 Abb. in Farbe, geb. Philipps, Holger: Finanz- ISBN: 978-3-8349-1615-0 krise, Managementpflichten 39,90  und Wirtschaftsprüfung. Anforderungen an eine ord- Warum ist Vita Cola in Thüringen Marktführer vor Coca-Co- nungsgemäße Geschäftsfüh- la? Wie ist es Rügenfisch, Köstritzer und Grabower Küßchen rung und deren Prüfung – Dar- gelungen, sich in Gesamtdeutschland auf Top-Plätzen zu stellung in Checklisten. positionieren? Warum hängt die Nuss-Nougat-Creme Nu- Wiesbaden: Gabler Verlag, dossi im Test den West-Platzhirsch Nutella ab? Wie haben 2009. 222 S., brosch. es diese und andere Ostmarken geschafft, sich erfolgreich ISBN: 978-3-8349-1538-2 durch die Wirren des Niedergangs der DDR zu manövrie- 49,90  ren und den wirtschaftlichen Neubeginn zu meistern? Die beiden Markensoziologen Arnd Zschiesche und Oliver Erri- Die gegenwärtige Finanzkri- chiello beschreiben dieses weltweit einzigartige Phänomen: se hinterlässt tiefe Spuren in Traditionsmarken, die 50 Jahre geschlafen haben und wieder

48 5 I 2009 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

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Warum das Gehirn Geschichten liebt

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Autoren Dr. Werner T. Fuchs ISBN: 978-3-448-09592-0 Dr. Werner T. Fuchs, Marketing- und Werbeexperte, ist Inhaber einer Seitenanzahl: 256 Marketingagentur. Zu seinen Kunden gehörten u.a. UBS und Swissair. Er ist $XÀDJH9HUVLRQ$XÀDJH¼ außerdem als Dozent und Referent tätig.

Hans-Georg Häusel Emotional Boosting Wie Sie sich mit Emotional Boosting den EMOTIONAL entscheidenden Wettbewerbsvorteil sichern: Product Boosting BOOSTING Wie Sie den inneren Wert von Produkten Die hohe Kunst der Kaufverführung und Marken steigern Die hohe Kunst der Presentational Boosting Kaufverführung Wie Sie Ihr Angebot mit kleinen Tricks groß raus bringen :LH6LHVLFKGHQHQWVFKHLGHQGHQ9RUVSUXQJDXI Retail Boosting Wie Sie mit Emotionen clever handeln dem Markt sichern! Service Boosting Wie Sie Kunden binden und begeistern Sieger zeichnen sich durch eine Gemeinsamkeit aus - die absolute Sales Boosting Wie Sie ins Herz Ihrer Zielgruppen treffen 3DVVLRQIUGDV'HWDLO:HUEHL.OHLQLJNHLWHQEHVVHULVW B2B Boosting Warum auch Ingenieure Menschen sind hat schließlich den entscheidenden Wettbewerbsvorsprung. Culture & Brand Boosting Wie Sie die Spiegelneurone Ihrer Mitarbei- %HVRQGHUVZLFKWLJ'LHVH.OHLQLJNHLWHQZHUGHQYRP.lXIHU ter und Kunden aktivieren oft nur unbewusst wahrgenommen. Sie ergeben im Kundenhirn ein Gesamtbild des Produkts oder einer Dienstleistung und sorgen dafür, dass er das Produkt gegenüber einem anderen vorzieht.

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5 I 2009 49 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN aufgetaucht sind, Marken, die in der DDR beliebt waren und Oliver Everling, Mo- jetzt auch im Westen florieren, andere, die durchgängig Er- nika Müller (Hrsg.): folg hatten, und manche, die auch heute fast ausschließlich Risikoprofiling von Anlegern. in den neuen Bundesländern Anhänger finden. Zschiesche Köln: Bank-Verlag Medien, und Errichiello liefern faszinierende Einblicke in die bewe- 2009. 360 S., geb., genden Geschichten, die Erfolgsmarken von A wie Anker ISBN: 978-3-86556-222-7 Bausteine bis Z wie Zetti zu erzählen haben. Und sie zeigen 79,00  die Survival-Strategien erfolgreicher Ostmarken auf. Eine Er- kenntnis daraus: Markenkraft ist keine Frage des Budgets, sondern hängt von konkreten Leistungen ab! Ein liebevoll Berater müssen sicherstellen, recherchiertes und inspirierendes Buch, das jedem Manager dass ihre Anlageempfehlung und Markenverantwortlichen Mut macht, Markenaufgaben dem Risikotyp und der fi- selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten beherzt und zu- nanziellen Tragfähigkeit des Kunden entspricht. Dabei sind gleich umsichtig anzugehen. Die Mechanismen und Hebel, sowohl ökonomische als auch psychologische Aspekte wich- die zum Erfolg führen, sind universell. Oliver Errichiello arbei- tig. Ein ökonomischer Aspekt der Risikoeinschätzung ist die tete fünf Jahre als Berater am Institut für Markentechnik in finanzielle Situation des Kunden, welche einen wichtigen Genf. Arnd Zschiesche promovierte über deutsche Industrie- Eckpfeiler einer MiFID-konformen Beratung darstellt. Dazu marken und war in der Strategischen Planung tätig. Heute zählen die individuelle Einkommens- und Vermögenslage führen die beiden Markensoziologen gemeinsam das Büro für sowie notwendige Risikopuffer. Die psychologische Kom- Markenentwicklung in Hamburg. Das Buch wird sicher nicht ponente befasst sich mit der Risikoeinstellung des Kunden, nur Geschäftsführer, Marketingmanager, Brand Manager und die auf bisherigen persönlichen Erfahrungen, Einschätzun- Leiter der Unternehmenskommunikation/PR interessieren. gen und Risikoaffinität oder Sicherheitsbewusstsein beruhen. Die Autoren stellen praxisnah die wichtigsten Verfahren und Systeme des Risikoprofilings von Anlegern vor und zielen Jürgen Wegmann, Dieter darauf, die betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Gestal- Zeibig, Hubertus Zilkens: tungsmöglichkeiten von Konzepten, Risikopräferenzen von Der ehrbare Kaufmann. Anlegern zu untersuchen und zu dokumentieren. Köln: Bank-Verlag Medien, Dr. Oliver Everling ist Geschäftsführer eines Rating-Unterneh- 2009. 190 S., geb. mens. Darüber hinaus fungiert er als Chairman des Project ISBN: 978-3-86556-233-3 Committee „Rating Services“ der International Organization 39,00  for Standardization (ISO) und ist u.a. Gastprofessor an der Capital University of Economics and Business. Monika Müller ist Finanzpsychologin und Geschäftsleiterin eines Coaching- Die aktuelle Diskussion über Unternehmens. Sie begleitet Finanzdienstleister bei der Ent- das Verhalten der Finanz- wicklung von Beratungsansätzen zum Risikoprofiling und manager zeigt, dass ethi- gibt Workshops, Seminare und Vorträge zum Risikoprofiling sches Handeln in der Markt- in Banken und anderen Finanzdienstleistern. Die Beitragsau- wirtschaft wieder zur Maxime erhoben werden muss. Damit toren sind Vorstände und Entscheider in Banken und Spar- rückt der Begriff des „ehrbaren Kaufmanns“ ins Blickfeld: kassen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, aus Be- Dieser orientiert sich zwar an den Regeln einer gewinnorien- ratungsunternehmen und der Wissenschaft. tierten Wirtschaft, verliert ethische Grundsätze dabei jedoch nicht aus den Augen. So wird ein nachhaltig erfolgreiches Wirtschaften möglich – ganz im Gegensatz zu dem kurzfri- Rolf Eschenbach, stigen, nur auf Profit ausgerichteten Handeln, das – wie die Helmut Siller: Krise bedrohlich zeigte – zum Systemzusammenbruch führen Controlling professionell. kann. Die Autoren zeigen, wie der neue ehrbare Kaufmann Konzeption und Werkzeuge. auf Jahrhunderte alte Erfahrungen zurückgreifen und sich Stuttgart: Schäffer-Poeschel Ver- gleichzeitig den aktuellen Gegebenheiten, vor allem im Be- lag , 2009. XIV, 392 S., 99 s/w Abb., reich der Kommunikation, anpassen kann. 86 Tabellen, geb. Professor Dr. Jürgen Wegmann ist Vorstand eines Mittel- ISBN: 978-3-7910-2891-0 standsberatungsunternehmens sowie Lehrbeauftragter und 34,95  Fachautor zu den Themen Mittelständische Wirtschaft, Ka- pitalmarkt und Ethik. Dieter Zeibig ist Geschäftsführer einer Werbeagentur und gemeinsam mit Dr. Hubertus Zilkens Mit- Ob in Unternehmen, in Non- begründer und Partner einer Strategieberatung. Gemeinsam profit-Organisationen oder im betreiben die Autoren ein Beratungsinstitut, dessen Schwer- öffentlichen Bereich – das Buch punkt die Ethikberatung von Geschäftsführern und Vorstän- vermittelt Praktikern das nötige Grundlagenwissen für das den ist. normative, das strategische und das operative Controlling. Eine Fülle von Beispielen und Fragen inklusive Lösungen erleichtern den Wissenstransfer. Bei Vorkenntnissen in AB- WL, Buchhaltung, Bilanzierung und Finanzierung ein ide-

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52 5 I 2009 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

Aus der Vielzahl von Neuerscheinungen zum Thema Steuern stellen wir eine Auswahl von sieben Titeln vor.

dem Gebiet der Nachfolgeplanung so- bei PricewaterhouseCoopers tätig. Er wie des Gemeinnützigkeits- und Stif- betreut im Rahmen seiner steuerlichen tungsrechts. Als erfahrene Praktikerin Beratung zahlreiche gemeinnützige verbindet sie Gesellschafts- und Erb- und partiell steuerbefreite Organisa- recht, um eine optimale Gestaltung tionen. Das Buch wird Interessenten und Beratung zu erreichen. Rechtsan- finden unter Steuerberatern, Rechtsan- walt Dr. Ralf Kohlhepp ist Fachanwalt wälten, Vermögensberatern, Unterneh- für Steuerrecht und als Steuerberater mern und in Banken.

Neu !

· Kompakte und praxisnahe Dar- stellung des Körperschaftsteuer- rechts auf aktuellem Rechtsstand mit zahlreichen Beispielen Christina Weidmann, Ralf Kohlhepp: · Wichtige Änderungen: Neuer Die gemeinnützige GmbH. Körperschaftsteuertarif · Ab- Errichtung und Besteuerung geltungsteuer · Teileinkünfte- verfahren · Zinsschranke · einer gGmbH. Aktuelle Rechtsprechung · Wiesbaden: Gabler Verlag, 2009. Neue Verwaltungsregelungen 224 S., brosch. ISBN: 978-3-8349-1483-5 · Handkommentar und Lehrbuch zugleich 44,90  Grüne Reihe Die gGmbH gewinnt als neuere Gestal- Bd. 6: tungsform im Bereich des Gemeinnüt- zigkeitsrechts immer größere Bedeu- tung. Obgleich sie keine eigenständige Körperschaftsteuer Rechtsform bildet, sondern auf der klas- 18. Auflage 2009 Dipl.-Finanzwirtin (FH) Birgit Jäger, sischen GmbH aufbaut, ist die gGmbH ca. 1.100 Seiten · geb. · ca. 58,– 5 Dipl.-Finanzwirt (FH) Friedbert Lang ein Gestaltungsmittel besonderer Art: ISBN 978-3-8168-1068-1 Sie verbindet die Flexibilität der Kapi- (Best.-Nr. 106) talgesellschaft mit der dauerhaften Ab- sicherung der Satzungszwecke und der Zu beziehen über Ihre Buchhandlung oder direkt von der gemeinnützigen Mittelverwendung. -Verlagsbuchhandlung Das neue Erbschaftsteuerrecht sowie Postfach 2549 · 49015 Osnabrück aktuelle Änderungen des GmbH-Rechts Tel. (0541) 669 62 02 · Fax 640 27 www.efv-online.de·[email protected] (MoMiG) sind bereits berücksichtigt. Rechtsanwältin Dr. Christina Weidmann Ihr Partner im Steuerrecht ist Partnerin bei Weidmann Rechtsan- Erich Fleischer Verlag wälte in Hamburg und spezialisiert auf Fachverlag für Steuerrecht Postfach 1264 · 28818 Achim · Tel. (04202) 517-0 · Fax 517 41 · www.efv-online.de · [email protected]

5 I 2009 53 SCHW ERPUNKT: RECHT ˜ W IRTSCHAFT ˜ STEUERN

Frank K. Peter, Ralph empfohlen werden. Dieser Ratgeber von Ernst & Young/BDI Kramer: Steuerstrafrecht. berücksichtigt sämtliche gleich lautenden Ländererlasse. So Grundlagen - Anwendungs- erhält der Leser umfassende Informationen zu den zahlrei- felder – Musterfälle. chen Neuerungen im Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht Wiesbaden: Gabler Verlag, 2009. und Gestaltungsempfehlungen, die keine unnötigen und XXIV, 208 S. Mit 56 Abb. u. 8 im Ausgang ungewissen Gerichtsverfahren provozieren. Die Tab., brosch. Neuregelungen der Erbschaftsteuerreform im Einzelnen: der ISBN: 978-3-8349-0693-9 neue Erbschaftsteuertarif oder die Freibeträge, die erbschaft- 29,90  steuerlichen Begünstigungen für Unternehmensvermögen, das neue Bewertungsrecht. Die Autoren sind Erbschaftsteu- erexperten und beraten kompetent, fundiert und praxisnah. Das Buch gibt einen kom- Sie zeigen die Gestaltungsmöglichkeiten nach neuem Recht pakten Überblick über alle unter Berücksichtigung der Verwaltungsauffassung auf und relevanten Themen des Steu- differenzieren nutzenorientiert zwischen Übertragungen von erstrafrechts und die damit Unternehmens- und Immobilienvermögen sowie sonstigen zusammenhängenden Fragen des allgemeinen Strafrechts Vermögen. Sie analysieren die steuerlichen Folgen für anste- bzw. des Strafprozessrechts. Die Autoren legen Wert auf Pra- hende Erbschaft- und Schenkungsfälle. Berechnungsbeispiele xisnähe und verdeutlichen die wichtigsten Problemfelder an- belegen die zahlenmäßigen Auswirkungen der Reform. hand zahlreicher Musterfälle mit Lösung sowie Übersichten. „Steuerstrafrecht“ befindet sich auf dem Rechtsstand Januar 2009 und berücksichtigt insbesondere die Änderungen durch Die Bilanzrechtsreform das „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüber- 2009/10 wachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen Ratgeber mit integrierter sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG“. Frank K. Online-Nutzung. Peter ist Fachanwalt für Straf- und Familienrecht sowie Lehr- Bonn: Stollfuß Medien, beauftragter an der FH Worms für Straf-, Familien- und Erb- 2. Aufl. 2009, 400 S., kart. recht. Prof. Dr. iur. Ralph Kramer lehrt Recht im Studiengang ISBN 978-3-08-44046-1 Steuerwesen an der Fachhochschule Worms. Das Buch richtet 34,80  sich an Studierende und Dozenten der Wirtschaftswissen- schaften an Universitäten und Fachhochschulen. Auszubil- dende im Steuerwesen sowie Steuerberater profitieren von Das Werk richtet sich an mit- der praxisorientierten Wissensvermittlung. telständische Unternehmen, die ihre Handels- und Steuer- bilanz nach dem Bilanzrechts- Ernst & Young und Bun- modernisierungsgesetz (Bil- desverband der Deutschen MoG) erstellen, welches am 29. Mai 2009 in Kraft getreten Industrie (Hrsg.): Erbschaft- ist. Daneben richtet sich das Werk auch an Steuerberater und steuerreform. Änderungen, Wirtschaftsprüfer, die ihre mittelständischen Mandanten mit Zweifelsfragen, Gestaltungs- Beratungs-, Erstellungs- und Prüfungsdienstleistungen be- möglichkeiten. gleiten. Spätestens für das Geschäftsjahr 2010 ist das Bil- Ratgeber mit integrierter MoG für alle Unternehmen verpflichtend zu beachten; eine Online-Nutzung. freiwillige Anwendung der geänderten Vorschriften in ihrer Bonn: Stollfuß Medien, 2009, Gesamtheit ist bereits im Geschäftsjahr 2009 möglich. Jedoch 464 S., kart. sind bereits für das Geschäftsjahr 2009 verpflichtend geän- ISBN 978-3-08-216701-4 derte und erweiterte Angabepflichten für den Anhang und 39,00  für den Lagebericht zu beachten. Zudem entfällt die umge- kehrte Maßgeblichkeit bereits für den Veranlagungszeitraum 2009. Aus diesen Gründen – aber auch, weil die technische Umsetzung der geänderten Vorschriften mit Arbeitsaufwand Zugang zur Online-Datenbank (Nutzungsdauer mind. 1 Jahr, verbunden ist – wird der Zielgruppe des Werks eine frühzeiti- Mehrfachnutzung auf Anfrage), ISBN 978-3-08-186700-7 ge Beschäftigung mit dem BilMoG und den sich ergebenden 1,50  (Monatspreis) Gestaltungsaspekten empfohlen. Das Werk enthält die drei Teile: „Kommentierungen“, „Arbeitshilfen für die Erstellung Durch das seit 2009 geltende neue Erbschaftsteuer- und des Jahresabschlusses“ und „Materialien“. Da in der Praxis Bewertungsrecht sehen sich Unternehmen und Berater einer Bilanzierungsfragen bei einzelnen Bilanzposten im Vorder- Vielzahl an neuen Fragen und Problemen ausgesetzt. Die ge- grund stehen, sind die Kommentierungen der Bilanzrechtsre- setzlichen Neuregelungen bieten erhebliche Spielräume für form postenorientiert aufgebaut. Die Kommentierungen ent- Unternehmen und günstige Gestaltungen. Doch entsprechen halten auch Beispiele und Gestaltungsaspekte. Das wegen der diese Spielräume nicht immer der Verwaltungsauffassung. großen Nachfrage jetzt schon in der 2. Auflage erschienene Erst durch die nun vorliegenden insgesamt sechs Länder- Werk wird abgerundet durch Darstellungen zum Konzernab- erlasse zum neuen Recht können abgesicherte Gestaltungen schluss sowie zum (Konzern-) Lagebericht. Die Arbeitshilfen

54 5 I 2009 a`j]8n]jZaf\mf_8rme8kl]m]jj][`l Stollfuß Medien hŠ‡z„} ~}„|}Š8]ŠŒŠy‹Œ}}Š†8Å8 d‹}†8†|8_}‹Œy„Œ}†9

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sollen zum einen durch einen Überblick über geänderte Vor- berücksichtigt sind die relevante Finanzrechtsprechung, neue schriften, zum anderen durch eine Anhangscheckliste Hilfe- Verwaltungsregelungen sowie die aktuellen Körperschaftsteu- stellungen bei der Erstellung des Jahresabschlusses geben. er-Hinweise 2008. Das gesamte Körperschaftsteuerrecht wird Die im Materialien-Teil insbesondere enthaltenen synopti- kompakt, anschaulich und praxisnah dargestellt. Zahlreiche schen Darstellungen des HGB und EStG folgen einer ent- Bespiele fördern das Verständnis für die oft schwierigen Zu- sprechenden Zielsetzung. Die Online-Nutzung bietet einen sammenhänge. Der systematische Aufbau empfiehlt den Band schnellen Zugriff auf den Volltext aller Beiträge sowie auf die für den Studierenden, der sich in das Körperschaftsteuerrecht elektronischen Arbeitshilfen. einarbeiten will. Die umfangreichen und vertiefenden Darstel- lungen weisen diesen Band auch als Handkommentar aus, der dem Praktiker Spezialprobleme beantwortet. AG Steuerrecht im Deut- schen Anwaltsverein (Hrsg.), bearbeitet von Jürgen Wagner LL.M., Rechtsanwalt, Dipl.-Finanzwirt Andreas Fachanwalt für Handels- und Altmann, Helmut Altmann, Gesellschaftsrecht, Steuerbeamter i. R.: Konstanz/Zürich/Vaduz: Steuer- Buchführung – anwalt International 2009/2010 100 praktische Fälle. Stuttgart: Richard Boorberg Achim: Erich Fleischer Verlag, Verlag, 2009, 280 S. 7. Aufl. 2009. Steuer-Seminar ISBN 978-3-415-04348-0 Praxisfälle Band 11, , 326 S., 49,00  brosch. ISBN 978-3-8168-3117-4 (Bestell-Nr. 311) 29,50 

Dieser Band enthält die aktualisierten und ergänzten Vor- träge, die im Rahmen der Veranstaltung Steueranwalt Inter- national 2008/2009 vom 23. bis 25. April 2009 in Palma Der Band „Buchführung“ der Reihe Steuer-Seminar Praxisfälle de Mallorca gehalten wurden. Damit erhalten Steuerpraktiker richtet sich vor allem an Anwärter des gehobenen und mittle- aktuelle Informationen aus dem Bereich des Internationalen ren Dienstes der Finanzverwaltung und an Auszubildende in Steuerrechts, verbunden mit einer Darstellung der Entwick- den steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen. Er ist gleich- lung der Rechtsprechung. zeitig aber auch Hilfsmittel für die praktische Tätigkeit der- jenigen, die mit Buchführung zu tun haben. Die Systematik der Buchführung und die Grundzüge des Bilanzsteuerrechts werden an praktischen Beispielen anschaulich erläutert und Dipl.-Finanzwirtin (FR) Birgit verständlich gemacht. Die tiefgreifenden gesetzlichen Ände- Jäger, Dipl.-Finanzwirt (FH) rungen insbesondere durch das Unternehmensteuerreform- Friedbert Lang: gesetz 2008 und das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, das Körperschaftsteuer. spätestens ab 2010 verpflichtend anzuwenden ist, wurden Achim: Erich Fleischer Verlag, in der vorliegenden 7. Auflage berücksichtigt. Weitere Än- 18. Aufl. 2009, Grüne Reihe derungen ergaben sich aus einer Vielzahl weiterer Gesetze, Band 6, 1.055 S., geb. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung und den aktu- ISBN 978-3-8168-1068-1 ellen Verwaltungsanweisungen. Die Auswahl der Fälle wurde (Bestell-Nr. 106) im Wesentlichen auf solche Sachverhalte beschränkt, die sich 58,00  nach den Erfahrungen der Verfasser in der Unterrichtspraxis bewährt haben und zur Prüfungsvorbereitung geeignet sind.

Diese 18. Auflage befindet sich auf dem aktuellen Rechts- stand. Hinsichtlich des Anrechnungsverfahrens und der Über- gangsregelungen zum Halbeinkünfteverfahren wird auf die Ausführungen in den Vorauflagen verwiesen. Gegenüber der Vorauflage ergeben sich einschneidende Änderungen. Der Körperschaftsteuertarif ist auf 15% gesenkt worden. Seit 2009 sind die Abgeltungsteuer und das Teileinkünfteverfahren in Kraft getreten. Eingearbeitet sind alle wichtigen Änderungs- gesetze, wie das SEStEG, das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 sowie die Jahressteuergesetze 2008 und 2009. Bereits enthalten sind die aktuellen Änderungen bei der Zinsschranke und die neue Sanierungsklausel beim Verlustabzug. Ebenfalls

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Die von Christian Führer von Anfang an betreuten und begleiteten Friedensgebete in der Nikolaikirche bildeten den Auftakt zu den Leipziger Montagsdemonstrationen. Von hier aus nahm die Friedliche Revolution in der DDR ihren Ausgang. Zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung erzählt der Pfarrer in seiner Autobiographie „Und wir sind dabei gewesen“ von der Aufbruchsstimmung und den Hoffnungen jener Zeit und resümiert, was heute davon geblieben ist. Das bei Ullstein verlegte Buch ist die Geschichte eines ungewöhnlichen Lebens und ein sehr persönlicher Blick auf die historischen Ereignisse im Oktober 1989. Nach 40 Berufsjahren als Pfarrer, davon 28 Jahre an der Leipziger Nikolaikirche, lebt Christian Führer seit März 2008 im engagierten „Unruhestand“. Er ist in Deutschland unterwegs, er gibt Vorträge, Lesungen, hält Predigten – und ist dabei, wenn es bei Demonstrationen und Kundgebungen gegen Krieg, Arbeitslosig- keit und Nazi-Aufmärsche geht. Denn: „Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung, all das haben wir heutzutage nötiger denn je.“ Angelika Beyreuther sprach am 21. Juli mit Christian Führer.

Leipzig, 7. Oktober 1989. 40. Jahrestag der DDR. In der Innenstadt kommt es am Nachmittag zu Zusammenstößen zwischen Beretitschaftspolizisten und Besuchern der Markt tage, die das Gebiet um die Nikolaikirche nicht räumen wollen. Hier rückt die Polizei in der Grimmaischen Straße vor. Gegenüber stehen junge Leute, die erst durch den Polizeieinsatz zu Demonst- ranten geworden sind. Sie rufen laut: „Schämt euch was.“ (©Martin Naumann) 58 5 I 2009 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

eigentlich schon ein Widerspruch. Revolutionen sind immer blutig, immer mit vielen Toten verbunden. Das so Besondere an unserer Revolution ist, dass die in zwei unterschiedlichen aber atheistischen Weltanschauungsdiktaturen groß gewor- denen Menschen, atheistisch geprägt und erzogen, die Worte der Bergpredigt Jesu in die zwei Worte gefasst haben „Keine Gewalt!“ – und das nicht nur gedacht oder gerufen, sondern auch konsequent auf der Straße praktiziert haben. Das ist ein einmaliger Vorgang, deshalb heißt der Untertitel meines Buchs auch „Die Revolution, die aus der Kirche kam“. Dass die Gewaltlosigkeit nicht in der Kirche stecken geblieben ist, sondern mit auf die Straße gebracht wurde, das macht das Besondere dieser Revolution aus. Das neue Selbstbewusstsein, das in dem Ruf „Wir sind das Volk!“ zum Ausdruck kam, konnte bereits vorher in den Kir- chen artikuliert werden – außerhalb des Freiraums Kirche konnte man ja öffentlich nicht frei in der DDR reden. Die Krönung dieser Revolution ist, dass es nicht zu Gewalt kam. Friedrich von Weizsäcker hat mir gegenüber einmal in diesem Zusammenhang von einem „erschütternden Vorgang“ ge- sprochen. Besonders im Blick auf das vorige Jahrhundert, wo unser Volk entsetzliche Gewalt gegenüber anderen Völkern und besonders gegenüber dem Volk, aus dem Jesus geboren wurde, angewendet hat. Ich gehe noch einen Schritt wei- ter bei dieser Friedlichen Revolution und spreche von einem Wunder biblischen Ausmaßes.

Woher haben die Menschen, die am 9. Oktober trotz der staatlichen Drohkulissen auf die Straßen gegangen sind – es waren ja an diesem entscheidenden Tag in Leipzig rund Meine erste Frage dient einer Begriffsklärung. Ihnen ge- 70.000 Menschen aus der ganzen DDR zusammengekom- fällt der Begriff Wende für die Ereignisse von 1989 nicht. men –, woher haben diese Menschen den Mut genommen? Sie sprechen in Ihrem Buch ausschließlich von Friedlicher Wie haben die Menschen die Angst überwunden? Revolution. Warum gefällt Ihnen der Begriff Wende nicht? Woher kam der Mut? Das ist schwer zu sagen. Es war auch Weil dieser Begriff von Egon Krenz stammt! Die SED versuchte ja bereits auf der großen Demonstration am 4. Novem- Diese Revolution ist einzigartig! Und es ist die erste, die ber 1989 in Berlin, die revolutionäre Be- wegung zu instrumentalisieren, sich sozu- uns in Deutschland gelungen ist. Es war vor allem eine sagen „draufzusetzen“, um die Revolution Friedliche Revolution – ohne Blutvergießen. Es ging zu kanalisieren in eine kleine Wende – mit keine Schaufensterscheibe kaputt, kein Mensch verlor das der SED. Das genau war es aber nicht: die SED gibt es nicht mehr, die DDR gibt es Gesicht, keiner büßte sein Leben ein. nicht mehr und die Stasi – hoffentlich – auch nicht mehr. Das war eine wirkliche Friedliche Revolution und keine kleine Wende und Kurskor- nicht nur Mut, es war auch Wut, Verzweiflung, Angst, viel rektur mit der SED. Insofern verwende ich den Begriff Wende Angst mit dabei. Und vor allem auch der Glaube, dass et- nicht und empfehle auch anderen, ihn nicht zu verwenden, was Unfassbares geschieht. Wenn man nur Mut gehabt hätte obwohl er so schön griffig und kurz ist. und Vernunft, dann wäre man nicht gekommen, denn man wusste ja, was die Kommunisten drauf haben: 1953 in der Lassen Sie uns gleich über den 9. Oktober in Leipzig spre- DDR, 1956 in Ungarn, 1968 in Prag und am 4. Juni 1989 das chen, den Tag der Entscheidung. Nach diesem Tag war die Massaker in China. Über dem Ganzen schwebte das Wissen, Friedliche Revolution nicht mehr rückgängig zu machen, dass Proteste mit brutaler Gewalt erstickt werden. sagen Sie, und sprechen in Ihrem Buch vom „Wunder“ der Die Frage ist umso berechtigter, weil die Staatsführung alles Friedlichen Revolution, an einer Stelle sprechen Sie sogar getan hat, im Vorfeld des 9. Oktobers, also im Zusammen- von einem „Wunder biblischen Ausmaßes“? hang mit dem DDR-Feiertag am 7. Oktober, ein ungeheu- Diese Revolution ist einzigartig! Und es ist die erste, die uns reres Gewalt- und Abschreckungsszenario aufzubauen: es in Deutschland gelungen ist. Es war vor allem eine Friedli- gab hunderte von Verhaftungen vor der Nikolaikirche und in che Revolution – ohne Blutvergießen. Es ging keine Schau- einem Zeitungsartikel am Freitag, dem 6. Oktober, wurde an- fensterscheibe kaputt, kein Mensch verlor das Gesicht, kei- gekündigt, dass am Montag Schluss gemacht werde mit der, ner büßte sein Leben ein. Das Wort Friedliche Revolution ist wie sie es nannten, Konterrevolution, und, wenn es nicht an-

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ders ginge, dann mit der Waffe in der Hand! In Krankenhäu- sern mussten Abteilungen für durch Schussverletzungen Ver- wundete präventiv frei gemacht werden. Man schloss an dem Montag Schulen und Geschäfte und warnte in allen Betrieben und öffentlichen Einrichtungen davor, nachmittags die In- nenstadt zu betreten. Es wurden ja bereits seit dem 11. Sep- tember laufend Menschen verhaftet nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche. Und bereits seit dem 8. Mai existierten Absperrungen ringsum in den Straßen um die Nikolaikirche. Dieses enorme Gewaltszenario sollte verhindern, dass Men- schen in die Innenstadt zur Nikolaikirche kommen. Aber ge- nau das hat nicht funktioniert. Das Gegenteil ist passiert! Wie gefährlich die Menschen dies selbst eingeschätzt haben, wird aus der Tatsache deutlich, dass keine Kinder dabei waren. Ein Elternteil blieb zu Hause bei den Kindern, der andere ging ins Friedensgebet in eine der Kirchen und zur Demonstration. Die Leute sind dennoch und erst recht gekommen, aus der ganzen Republik. Dazu kommt, dass dadurch, dass am 4. Sep- tember Messemontag in Leipzig war, die westlichen Journa- listen eine pauschale Drehgenehmigung für die ganze Stadt hatten. Und so konnten sie aufnehmen, was am 4. September nach dem Friedensgebet auf dem Nikolaikirchhof passierte und dies in den Westnachrichten zeigen: Stasileute entris- sen Jugendlichen das Schild „Für ein offenes Land mit freien Menschen“. Das haben flächendeckend alle in der DDR gese- hen, weil alle Westfernsehen sahen, und so kamen zunehmend von da ab Menschen aus der ganzen Republik montags zum

Friedensgebet nach Leipzig. (©Robert-Havemann-Gesellschaft) Stets im Blick der Stasi. Im September 1987 zur Zeit des Olof- Und nochmal konkret die Frage nach der Überwindung der Palme-Friedensmarsches. Hier wird Christian Führer vor der Angst. Nikolaikirche observiert. Man müsste eigentlich jeden Einzelnen befragen, warum und wie er die Angst, die jeder ja hatte, überwunden hat, was sein nalfeiertag erklärt worden wäre. Damit wäre der 9. Oktober persönliches Motiv war. Auf alle Fälle haben die Friedens- in seiner Bedeutung deutlich gemacht worden. Im Westen gebete den Menschen sehr geholfen, Angst zu überwinden, hat man ja lange den 17. Juni als Tag der Deutschen Einheit sich zu artikulieren, denn sie haben dabei gelernt – die Frie- gefeiert, der ja nun gerade nicht zur Einheit sondern zum densgebete gab es ja schon seit 20. September 1982 – sich Mauerbau geführt hat und zu einer Verschärfung der Lage. ganz vorne in der überfüllten Kirche hinzustellen und Gesicht Wir haben es mit einem medialen Problem zu tun. Über die zu zeigen, aus der schützenden Masse herauszukommen und Ereignisse des 9. Oktober gibt es nur einige Schwarz-weiß dabei genau zu wissen, dass die Stasi in der Kirche reichhaltig Bilder, und darauf sieht man, wie den Menschen die Angst ins vertreten ist und die nach einer Stunde weiß, wer hier spricht. Gesicht geschrieben steht. Westliche Journalisten haben an Und man wusste nicht, welche Konsequenzen das für einen diesem Tag unter erheblicher Gefahr Aufnahmen gemacht, hatte. Aber trotzdem dahin zu gehen. Da ist schon viel ge- sie nach Westberlin geschmuggelt, wo sie am nächsten Tag wachsen im Laufe der Zeit, der aufrechte Gang wurde geübt. im Westfernsehen gesendet werden konnten. Das sind keine Die Motive dafür sind dennoch sehr unterschiedlich bei den schönen Bilder. Man sieht und riecht förmlich die Angst der einzelnen Menschen. Auf alle Fälle haben sie sich nicht ein- Menschen. schüchtern lassen! Und sind an dem 9. Oktober gekommen! Die Ereignisse des 9. Oktober haben den 9. November aber Eine gewaltige Frucht der vielen Jahre Friedensgebete: immer erst möglich gemacht. Am 9. November sieht man bunte wieder zu kommen, obwohl der Staat das nicht wollte, es Fernsehbilder: herrliche Bilder, Sekt, Umarmung, Tränen, wurden z. T. Autobahnabfahrten abgesperrt Montagnachmit- wunderbar. Jeder konnte filmen wie er wollte und so viel er tag, Menschen auf dem Hauptbahnhof zurück geschickt, die wollte – nicht mehr nur heimlich und versteckt! Diese Fülle zu den Friedensgebeten in die Stadt kamen. All diese Maß- der bunten Bilder haben dazu geführt, dass sich in den Men- nahmen haben die Menschen aufmerksam gemacht. Sie ha- schen diese Bilder, die ja auch wirklich Menschen ungeheuer ben sich gefragt, was wir in der Nikolaikirche machen und ergreifen können und ergriffen haben, so festgesetzt haben, wie die dazu kommen, uns so zu behandeln. Das hat auch ein dass der 9. Oktober darüber ganz vergessen wurde. Aber ohne kollektives Nachdenken bei den Menschen hervorgebracht. den Durchbruch, den Tag der Entscheidung am 9. Oktober, hätte es das andere nicht gegeben. Warum nimmt dann dieser Tag heute in der Wahrnehmung Es ging ja nach dem 9. Oktober alles sehr schnell, am 18. Okto- der deutschen Öffentlichkeit nicht den ihm gebührenden ber ist Honecker zurückgetreten, im November das ganze Polit- Rang ein? büro und am 4. November hatten die Berliner ihren 9. Oktober Dies wäre nicht passiert, wenn der 9. Oktober zum Natio- mit der großen Kundgebung auf dem Alexanderplatz. Aber

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da gab es keine Gefahr mehr, das war eine genehmigte Demonstration, man musste keine Angst haben, geschlagen oder verhaftet zu werden. Und dann der 9. November, dieses Reinstolpern in die Maueröffnung! Als ich Herrn Scha- bowski mit seinem Zettel gesehen habe, dachte ich, na, verstehst du, was du da liest! Auf alle Fälle ist die Mauer vom Osten her geöffnet und friedlich über- wunden worden, ohne dass es Tote und Verletzte gab, ein wunderbarer Vorgang. Die Bilder sind eindeutig auf Seiten des 9. November.

Ich möchte die Frage nach dem kirchlichen Anteil an der friedli- chen Revolution vertiefen. Als Ihnen 2004 gemeinsam mit dem ehema- ligen ungarischen Außenminister Gyula Horn und der Bürgerrechtle- 20 Jahre Friedliche Revolution rin Bärbel Bohley die „Goldene Hen- ne“ in Berlin verliehen wurde, be- merkten Sie im Gespräch mit Bärbel 20 Jahre Ch. Links Verlag Bohley, dass der kirchliche Anteil an der Friedlichen Revolution selbst Wichtige Neuerscheinungen und Standardwerke in der Wahrnehmung dieser klugen NEU NEU NEU Frau kaum noch präsent war. Wa- rum hat sich das nicht mit hinüber in die Erinnerung gerettet? Was ist der Grund? Das hat natürlich unterschiedliche Ur- sachen. Aber ich nenne das mal ver- einfacht das „Schützengraben-Beten- Phänomen“ – im Krieg beteten auch die Genossen und die Nazis und haben gehofft, dabei nicht gesehen worden zu sein, denn Beten ist ja in ihren Au- gen ein Zeichen von Schwäche. Bereits erschienen Bereits erschienen Bereits erschienen ISBN 978-3-86153-543-0 ISBN 978-3-86153-544-7 ISBN 978-3-86153-516-4 Bärbel Bohley sprach neulich im Spie- 19,90 € 16,90 € 16,90 € gel TV davon, dass der Widerstand in den Kirchen kein Widerstand war. Das NEU 6. Aufl. 11. Aufl. 3. Aufl. 2. Aufl. ist eine grandiose Verzerrung der Situ- ation. Natürlich war es für Nichtchris- ten eigenartig, dass die Kirche plötzlich so eine Rolle spielte, aber noch eigen- artiger war es natürlich für die Genos- sen, denn für die durfte es ja die Kirche schon lange eigentlich gar nicht mehr Bereits erschienen Bereits erschienen Bereits erschienen Erscheint im Oktober 2009 Bereits erschienen ISBN 978-3-86153-517-1 ISBN 978-3-86153-465-5 ISBN 978-3-86153-541-6 ISBN 978-3-86153-554-6 ISBN 978-3-86153-333-7 geben. Dass ausgerechnet die Kirche 24,90 € 29,90 € 16,90 € 29,90 € 16,90 € diejenige war, die unter ihrem Dach das kritische Potenzial bildete und gewalt- 5. Aufl. »Es ist dem Ch. Links Verlag mit der Neuauflage los auf die Straße gegangen ist, das von »Wer war wer in der DDR?« ein wahres Meisterstück gelungen.« Lausitzer Rundschau war natürlich für den SED-Staat eine »Das biographische Lexikon zur DDR wird auch in Jahren als Nachschlagewerk unverzichtbar sein (...) Ch. Links Verlag Ungeheuerlichkeit und leider auch für Kein Zweifel – wer das Lexikon nutzt, wird solide Leute, die ich sehr schätze wie Bärbel informiert, zumal die rund hundert Wissenschaftler Schönhauser Allee 36 und Experten aus Ost und West, die an ihm mit- 10435 Berlin Bohley und auch Marianne Birthler, gearbeitet haben, sich nicht nur auf veröffentlichte Quellen stützen.« Deutschland Archiv Tel. (030) 44 02 32-0 die diesen Anteil auch verkleinert. Sie Fax (030) 44 02 32-29 müssten das eigentlich besser wissen. Erscheint im Herbst 2009 [email protected] ISBN 978-3-86153-561-4 Mit diesem Phänomen müssen wir le- 49,90 € www.christoph-links-verlag.de ben.

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Da ist viel bewusstes Verdrängen dabei. Natürlich konnte im Juli 1990 im Kaukasus ergriffen hat, als Michail Gorbat- man sich damals in Wohnungen mit 5 bis 6 Leuten versam- schow anbot, die Truppen abzuziehen aus der DDR und damit meln, ohne dass man gleich ausgehoben wurde. Eine größere die Wiedervereinigung zu ermöglichen. Es ist aber nicht ver- Versammlung war aber ausgeschlossen. Da wäre sofort der boten zu überlegen, wie der Vereinigungsprozess ohne grö- Zugriff durch den Staat erfolgt. Die Friedensgebete in der ßere Verletzungen hätte stattfinden können. Und da sind mir Nikolaikirche hatten einen langen Vorlauf: es gab die Frie- dann diese Dinge, die Sie schon genannt haben, eingefallen. densdekade, es gab die Protestreaktion der evangelischen In § 146 des Grundgesetzes ist für den Fall der Wiedervereini- Jungen Gemeinde gegen die Hochrüstung, gegen die Rake- gung auch eine neue Verfassung vorgesehen. Das kann man tenstationierung. natürlich nicht aus dem Boden stampfen. Denn die beiden Darum bin ich froh, dass mein Buch erschienen ist, das ich ja Partner DDR und BRD waren so unterschiedlich, das konnte gar nicht schreiben wollte, aber der Ullstein Verlag hat mich einfach nicht schnell und nicht ohne erhebliche Schmerzen dazu gedrängt. Ich bin kein Bücherschreiber und ich hätte das und Ungerechtigkeit gehen. Deswegen mein Vorschlag da- nie vorgehabt. Jetzt bin ich froh, dass es diese Stimme gibt, mals: wir stellen sofort juristische die Einheit fest und geben die die Rolle der Kirche in dieser Zeit würdigt. uns dann einen Zeitraum, einen Zwölfjahresrahmen, in dem wir die Einheit gestalten. Damit der Prozess möglichst ohne Sie schildern darin ausführlich, wie die montäglichen Frie- große Verletzung bei diesen sehr unterschiedlichen Partnern densgebete in den Kirchen der zentrale Ort der politischen stattfinden kann. Dazu braucht man eine neue Identität für Auseinandersetzung mit dem SED Regime waren. das neue Deutschland, sonst kommt das raus, was natürlich Ja, das war der einzige öffentliche Ort, wo sie Kritik äußern dann erfolgt ist: Im Westen änderten sich die Postleitzahlen konnten und Themen diskutiert wurden in der Friedensdeka- und im Fall von Autokennzeichen musste z. B. der Lahndill- de und in den Friedensgebeten, die sonst Tabuthemen wa- kreis sein „L“ an Leipzig abgeben – ich denke das lässt sich ren, z. B. das Thema Wehrdienst-Verweigerung gab es ja in verschmerzen. Im Osten dagegen hat sich alles geändert! Und der DDR gar nicht, darüber durfte nicht gesprochen werden. dieses Ungleiche konnte natürlich nicht gut gehen. In den Oder das Thema Wehrkundeunterricht an den Schulen, die alten Bundesländern dachte man, es geht alles weiter wie bis- Ausreiseproblematik, all diese Themen waren nur in der Kir- her: die 17 Mio. aus dem Osten ziehen wir mit durch, wir re- che verhandelbar. In den Basisgruppen, die thematisch die novieren die DDR mal kurz durch. Bald hat man gemerkt, das Friedensgebete gestalteten, waren kluge Leute. Die hatten geht nicht so schnell, und aus der Portokasse schon gar nicht. natürlich konträr andere Ansichten als die Ausreisewilligen, Dann kam dieser Materialismus auf beiden Seiten, der der die weg und die DDR nicht mehr verändern wollten. Die Einheit furchtbar geschadet hat. Die größten Abzocker des aber nach dem großen Vortragsabend am 19. Februar 1988 Westens waren die ersten, die hier waren und umgekehrt „Leben und Bleiben in der DDR“ in immer größerer Zahl die auch: die unverschämtesten Vertreter des Ostens gingen rüber Friedensgebete besuchten. Ab dem 4. September, nachdem nach dem Motto, jetzt sind wir erst mal dran, wir nehmen uns das Westfernsehen die Situation vor der Nikolaikirche gezeigt das, was wir brauchen und ihr müsst jetzt mal ein bisschen hatte, kamen dann zusätzlich von überall her Menschen in zurückdrehen. Auf einer Litfasssäule stand damals: „Es gibt das Friedensgebet, die dann alle die Demonstration mit ge- viel zu holen, packen wir es ein.“ Da konnte der Westseele bildet haben. schon etwas kalt ums Herz werden. Und der Osten war natür- Die Kirche war dieser einzige öffentliche Raum in der DDR. lich gekränkt über die Arroganz des Westens. Etwas Positives muss ich dazu auch sagen: im Gegensatz zu südamerikanischen oder asiatischen Militärdiktaturen hat der Da wuchs offensichtlich nicht zusammen, was angeblich DDR-Staat den Kirchenraum geachtet, mit Polizei haben die zusammen gehörte. die Nikolaikirche und auch das Pfarrhaus nie betreten, auch Das innere Zusammenwachsen ist ein langer Prozess. Bei den als sich die Menschen dahin flüchteten bei drohenden Verhaf- Jugendlichen ist das nicht so das Problem, aber bei den Par- tungen. Und insofern war die Kirche der einzigartige Ort in teileuten – es waren ja viele, die vom System profitiert haben. der DDR, der räumliche Freiraum, wo geistig so etwas gesche- Allerdings bekomme ich hartnäckige Ostalgiker ganz schnell hen konnte abgesehen von den privaten Zirkeln und privaten auf den Boden der Realität, wenn ich sie frage, ob sie wirklich Treffpunkten, die es natürlich auch gegeben hat. die DDR wieder haben und mit Honecker wieder zurück hinter die Mauer kriechen wollen? In der Wohnung regnet es durch Jetzt möchte ich zu dem Zeitraum nach 1989 kommen. die Decke, Ofenheizung, Klo auf halber Treppe, es stinkt im Die Wiedervereinigung kam ja dann in rasantem Tempo ganzen Haus, 12 Jahre warten auf einen Trabi, unsere geo- zustande. Sie schreiben, dass Ihrer Meinung nach dem graphische Welt besteht zwischen Cap Ancona und Fichtelge- Einigungsprozess eine ruhigere Gangart besser bekommen birge? Nein, das natürlich nicht. wäre. Sie konnten sich einen neuen Namen für den neuen Staat vorstellen, auch eine neue Nationalhymne und als Verklärungstendenzen hat es immer gegeben, auch nach nationalen Gedenktag das Kerndatum des 9. Oktober, also dem Zweiten Weltkrieg. insgesamt eine neue Identität aller Deutschen. Jetzt ist es Ja, wenn Sie in den 1950er Jahren nach etlichen Bierchen ja nicht ganz so gekommen. Sie bedauern, dass der Materi- Männer über den Krieg reden hörten, hätten Sie den Eindruck alismus Menschen zu Sklaven macht. „Die Seele wird leer, gewinnen können, dass die auf einer Europatournee waren der Geist wird träge“, so charakterisieren Sie das. Was und Tolles erlebt haben! Wo bleiben da die vergasten Millio- hätten Sie sich denn gewünscht? nen Toten, wo bleiben die Verstümmelten, die Schreie, die Zunächst mal muss man realistisch sagen, dass Helmut Kohl Schmerzen, die Ängste, die Höllenqualen? Ausgeblendet! Der vollkommen richtig gehandelt hat, als er die einmalige Chance Mensch verdrängt das Unangenehme. Es bleiben die ange-

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nehmen Dinge. Wenn Sie 1943 – in dem Jahr bin ich geboren Jesus dazu sagen würde. Grundsätzlich natürlich Gewaltlo- – z. B. mit 17 frisch verliebt waren, da werden Sie sagen, das sigkeit, dann hat Jesus auch gesagt, ihr seid das Salz der war ein tolles Jahr. Krieg? Stalingrad? Ausgeblendet. Erde, ihr müsst euch einmischen, ihr seid das lebenswichtige Jeder hat natürlich sein Leben gelebt und hat das Recht zu Mineral für die Gesellschaft. Dabei ist es natürlich wichtig, sagen, das war gut für mich. Die Biographie muss sich kei- dass man sich an der richtigen Stelle einmischt und einbringt. ner nehmen lassen! Die Verklärung der Vergangenheit und Jesus hat sich an manchen Stellen sehr deutlich und klar ein- die Unterdrückung des Schlechten und Furchtbaren ist ein gemischt und eingebracht und er hat an manchen Stellen menschlicher Schutzmechanismus. Sie kennen ja das Wort, auch laut geschwiegen. das es seit Jahrtausenden gibt: Früher war es immer besser. Jugendliche haben es ja auch darauf angelegt, mal richtig zu Ich freue mich immer, dass der pfiffige Karl Valentin das auf- provozieren, auch mal dem Tiger auf den Schwanz zu treten. genommen und gesagt hat: Früher war alles besser, da war Da musste man dann wirklich die Latte anlegen: Ist das jetzt sogar die Zukunft besser! im Sinne Jesu, dass sie diese Aktion durchführen in der Wei- So muss man das verstehen und auch angehen. Dann gibt es se, oder ist das eine Provokation und Freude am Spaß? Oder natürlich Menschen, die auch wirklich zu kämpfen haben mit müssen wir das machen? der jetzigen Gegenwart. Auf die muss man eingehen, das ist Wie man für die Erniedrigten und Beleidigten eintritt, muss ja unsere Aufgabe als Kirche, sich um die besonders zu küm- natürlich im Einzelfall jeweils wieder neu entschieden wer- mern, die verletzt werden, in welchem System auch immer, den. Aber generell hat uns der grobschlächtige atheistische und für sie da zu sein. Und das tun wir ja auch. Weltanschauungsstaat da gar nicht so sehr zum Grübeln ge- bracht. Es war ziemlich eindeutig, wo man zu handeln hatte. Sie sprechen in Ihrem Buch davon, dass wir den Kampf Wir hatten in den Friedensgebeten bestimmte Regeln, z. B. aufnehmen müssen im Leben, der uns verordnet ist. Woher die Verächtlichmachung oder Beleidigung von Personen, per- wussten Sie persönlich denn eigentlich immer, dass Sie sönliche Beleidigungen, waren in der Kirche nicht möglich, den richtigen Kampf zum richtigen Zeitpunkt aufgenom- sodass ein faires Umgehen auch mit „dem Feind“ gegeben men haben und heute noch aufnehmen? war. Wir haben auch für die Polizisten gebetet, damit sie uns Ja das ist natürlich differenziert zu entschlüsseln. Zunächst nicht zum Feind werden. Wenn man ein Feindbild im Kopf mal: Wenn sie bei dem grobschlächtigen Atheismus in der hat, dann ballt man auch schon mal die Faust in der Tasche DDR Christ bleiben wollten, da mussten sie einfach diesen und es ist bis zum Schlag nicht mehr weit. Kampf aufnehmen, d. h. den Kampf suchen wir uns nicht aus, Im Einzelnen gab es wirklich manchmal unklare Situationen: weil wir so gerne kämpfen oder weil wir streitsüchtig sind, Reizen wir jetzt den Staat oder können wir darauf verzichten, sondern wir müssen den führen, wenn wir unseren Glauben oder müssen wir in dem Fall Salz in die Wunde streuen, damit nicht verlieren wollen. Ich hatte immer als Richtschnur, was die faulen Stellen richtig schmerzen und deutlich werden.

NEUERSCHEINUNG IM LEIPZIGER UNIVERSITÄTSVERLAG

Thomas Ahbe, Rainer Gries, Wolfgang Schmale (Hrsg.) Die Ostdeutschen in den Medien Das Bild von den Anderen nach 1990 Als im Herbst 1989 „die Mauer fiel“ und die eben- Was freilich ist der „Ossi“? Diese Frage treibt so unerwartete wie schnelle deutsche Einheit auch die Wissenschaft seit längerer Zeit intensiv die Phantasie beflügelte, als nach einem vielzi- um. Mit dem hier vorgelegten Band wird zu tierten Politikerwort das deutsche Volk für einen einem dazu besonders wichtigen Ausschnitt Moment das glücklichste auf der Welt zu sein unseres Alltags, den Massenmedien, nach zwei schien, war wenig plausibel, dass die damit Jahrzehnten staatlicher deutscher Einheit eine vormaligen DDR-Bürger noch längere Zeit eine repräsentative Zwischenbilanz gezogen: eigene Identität konservieren würden. Vielmehr Was trugen die meinungsführenden Medien waren Jungbundesbürger zu erwarten, die sich zu dieser Diskussion bislang bei? Welche Defini- mit dem Enthusiamus des großartigen geschicht- tionsmacht üben sie aus und wie sehr vermögen lichen Umbruchs kraftvoll ihren westdeutschen sie, Bilder und Stereotype zu prägen? Welche Landsleuten an die Seite stellen würden. Doch Wirkung ging und geht von ihnen tatsächlich aus? dann kam alles ganz anders – es schälte sich Ein künftighin unverzichtbarer Band zur wech- 218 Seiten, Broschur, statt dessen der Typus des „Ossis“ heraus; und selseitigen deutsch-deutschen Wahrnehmungs- Ladenpreis 22,00 EUR, diese Spezies erschien in den Augen der meisten geschichte, ein Buch von beträchtlicher tages- ISBN 978-3-86583-391-4 Westdeutschen in vielerlei Hinsicht infantil, un- politischer Brisanz und ein wichtiger Baustein in dankbar, kritikwürdig, ja – unverständlich. Darauf einer längst nicht abgeschlossenen Diskussion. nun reagierten die Gescholtenen mit mancherlei Widerborstigkeit. Im Wort von der „Mauer im Kopf“ verschmolz ein ganzes Bündel neuer Leipziger Universitätsverlag GmbH Probleme des Zusammenwachsens von Ost Ostraße 41, 04317 Leipzig, und West und die Ahnung machte die Runde, Besuchen Sie uns auch im Internet: dass sich hier neuer Konfliktstoff aufhäufte. www.univerlag-leipzig.de

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Ihre Nikolaikirche ist offen für alle, aber nicht offen für le so weiterwurschteln und können darauf warten, dass die alles. Das haben Sie immer wieder deutlich differenziert. Diskrepanz zwischen Arm und Reich auch in unserem Land Gewalt in der Kirche, unmöglich! Persönliche Diffamierung immer größer wird, und dass es dann es zu einer gewaltsa- und Herabsetzung von Personen, unmöglich! Und auch gegen men Explosion kommt wie bei einem Gewitter. Aber dann eine Entchristlichung der Friedensgebete habe ich mich immer ist nichts mit Friedlicher Revolution. Ich plädiere dafür, dass stark gemacht. Es gab wenige Ansätze, wo das versucht wurde. Menschen sich besinnen und darüber nachdenken, wie wir Wenn wir Jesus raus genommen hätten, wäre der Weg ge- das ändern in der Demokratie. waltsam geworden. Teile der Basisgruppen wollten provozie- Wir können die Erfahrung der Friedlichen Revolution einbrin- ren und nahmen durchaus auch Gewalt in Kauf. Da wäre das gen und den Prozess durch die Straße unterstützen. Aber das so geworden wie 1953 und wie bei jeder Revolution – blutig geht nur, wenn die Menschen auf uns zukommen. Dass wir erstickt! Insofern war diese Kopplung zu Jesus ganz wichtig: das zu Themen der Friedensgebete machen. Das passiert aber Gewaltlosigkeit praktizieren, nicht nur darüber reden. jetzt nicht. Es kommt niemand in dieser Angelegenheit. Und solange dies nicht passiert, sondern die Leute nur hinter ih- Lassen Sie uns jetzt noch über die heutige Zeit sprechen. rem Bierchen vor sich hin schimpfen, und sich die DDR oder Als Sie 1995 in Leipzig das Verdienstkreuz Erster Klasse die BRD wieder zurückwünschen, solange gibt es keine Ver- des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ge- änderungen. meinsam mit 27 Menschen aus der ehemaligen DDR be- 30-40 % Wahlbeteiligung in Deutschland ist eine Schande, kommen haben, sprachen Sie in Ihrer Rede davon, dass eine Schande für eine mündige Bevölkerung. Dann ist das solange es noch einen Lehrling, eine Mittvierzigerin, einen offenbar genau die richtige Ordnung, denn sie wollen nicht, Fünfzigjährigen in Deutschland gibt, die arbeiten wollen dass sich was verändert. Sie tun nichts dafür. Wir hätten noch und können, die jedoch keinen Arbeitsplatz erhalten und heute die DDR, wenn wir diese Haltung damals 1988/89 in solange es noch Menschen gibt, die bezahlbaren Wohnraum der DDR gehabt hätten! suchen, obwohl gleichzeitig sanierte, teure Wohnungen leer stehen, so lange sei der zweite Teil der Friedlichen Revo- Die Friedliche Revolution hat eindeutig bewiesen, was der lution noch nicht geschafft. Und Sie sagten abschließend, einfache Mann auf der Straße oder auf der Kanzel bewegen dieser werde nicht leichter sein als der erste Teil. kann, wenn er sich nur rührt! Glauben Sie wirklich an den zweiten Teil der Friedlichen Der zweite Teil der Friedlichen Revolution braucht diese all- Revolution? Dass eine wirklich soziale und gerechte Ge- gemeine Unterstützung des Volkes und der Kirchen, damit sellschaft Realität werden kann? es gewaltlos bleibt und sich nicht in Wut und Hass entlädt. Kein System darf heiliggesprochen werden. Kein System ist Wann dieser Teil kommt, müssen wir sehen. Vielleicht wach- ohne Mängel und Fehler, auch grobe Fehler. Jedes System sen wir auch hinein in ein langsam sich verbesserndes Ge- hat Schwierigkeiten, die das System selber nicht beseitigen schehen? Vielleicht ist eine zweite Friedliche Revolution dann kann. Ich trenne zwischen der Staatsform der Demokratie und nicht nötig? Wir wollen auch nicht gleich hochmütig werden: der Wirtschaftsform. Die Staatsform Demokratie ist das Beste, Wir haben eine Friedliche Revolution erlebt. Ein einmaliger was politisch bisher erreicht worden ist. Demokratie in ganz Vorgang in unserer Geschichte! Das können wir doch nicht Deutschland, das ist eine ganz großartige Frucht dieser Fried- alle Jahre verlangen. lichen Revolution! 1995 habe ich nach den Feierlichkeiten bei der anschließen- Herr Führer, vielen Dank für dieses Gespräch. den Podiumsdiskussion den Bundespräsidenten und den Mi- nisterpräsidenten gefragt, ob sie sich Demokratie verbunden auch mit einer anderen Wirtschaftsform als der kapitalisti- schen vorstellen könnten. Das konnten sie damals nicht. Eine Revolution in einer Demokratie? Sie können ja demo- kratisch alles machen. Aber nehmen die Menschen das in Anspruch? Wir haben ein schreckliches Vermächtnis aus der DDR: 40 Jahre lang zur Wahl geprügelt werden – und jetzt? Nicht mehr zur Wahl gehen. Man hat gar nicht gemerkt, dass man bei dieser Art Totalerziehung kindlich gehalten wurde. Es wurde einem alles abgenommen wie bei Eltern, die dann sagen, sie haben doch nur das Beste gewollt. Wir kranken an den Folgen eines vierzigjährigen Entmündigungsprozesses. Dazu kommt, dass wir unter den erschwerten Bedingungen des Wohlstandes leben; der Leidensdruck ist insgesamt ge- sehen nicht groß genug.

Für Sie ist jetzt mit der Bankenkrise und der offensichtlich gewordenen Spielkasinomentalität in vielen Vorstands- etagen der Banken der Zeitpunkt für „resolute Änderun- gen“, wie Sie in Ihrem Buch schreiben, gekommen? Die Bankenkrise hat gezeigt, das ganze System wackelt und ist nicht zukunftsfähig. Wir können natürlich noch eine Wei-

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„Wir waren auf alles vorbereitet, nur nicht auf Kerzen und Gebete“

„Wir waren auf alles vorbereitet, nur nicht auf Kerzen und Gebete“ – diese Aussage eines DDR-Funktionärs angesichts der Leipziger Demonstrationen im Herbst 1989 wirft ein Schlaglicht auf die damaligen

Foto: Linde Bönning Linde Foto: Ereignisse und weckt die Frage nach der Rolle des Glaubens, der Religion, bei der Friedlichen Revolution. „Glaube, Macht und Mauerfälle“, die Neuerscheinung im Würzburger Echter Verlag, wird von Dr. Thomas Brose herausgegeben. Er lässt darin zwanzig Jahre nach der Friedlichen Revolution Akteure und Zeitgenossen aus Religion und Gesellschaft zu Wort kommen. Sie berichten über ein Wechselbad der Gefühle, über äußeren Auseinandersetzungen und innere Kämpfe, denken über Niederlagen und Erfolge nach, setzen sich mit der Überwindung geistiger Barrieren, dem Ende von Vorurteilen und Feindbildern auseinander. Ein lesenswertes Buch! Wir stellten einige Fragen an den Herausgeber und geben mit seiner freundlicher Genehmigung die Beiträge von Wolfgang Templin, Frank Richter und Hans Simon aus seinem Buch wieder. Sie versetzen in die Zeit von 1989. Der Berliner Bürgerrechtler Wolfgang Templin schreibt in „Es begann mit Solidarnosc“ über die entscheidende Rolle der polnischen unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc, die von den Oppositionellen im gesamten Ostblock als Anfang vom Ende des kommunistischen Systems gesehen wurde. Frank Richter, Jugendseelsorger und Pfarrer, seit 2009 Leiter der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung, war am entscheidenden 8. Oktober 1989 in Dresden Mitbegründer der Gruppe der Zwanzig , die zur Deeskalation entscheidend beitrug. Hans Simon war Pfarrer der Zionsgemeinde in Berlin-Mitte, in deren Keller seit 1986 der Umweltbibliothek Räume zur Verfügung standen. Wir danken dem Herausgeber für die Fotos aus seinem Privatarchiv.

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Wie kamen Sie auf die Idee für dieses Buch? Ich glaube, das „Prinzip Verantwortung“ hat eine gesellschaft- liche Dimension. Nur hinter Kirchenmauern oppositionell zu sein, war Mitte der 1980er Jahre im Osten Deutschlands nicht W mehr genug. Das Verhältnis von Glaube und Macht wurde da für mich zu einem existentiellen Thema – und ist nach En- de der DDR ein Lebensthema geblieben. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall habe ich gespürt: Die Zeit ist reif, ein Buch ä darüber zu machen. Welche Erfahrungen bringen Sie in dieses Buchprojekt ein? Im Spätsommer 1989 war ich mit Freunden in Rumänien wandern, dann kamen wir nach Ungarn. Ungeheure Auf- bruchsstimmung. Freiheit lag in der Luft. Und plötzlich hob sich der Eiserne Vorhang einen Spalt breit – genug Platz für mich, um durchzuschlüpfen. Was tun? Während einer Donau- fahrt habe ich innerlich um eine Antwort gerungen – und bin schließlich nach Ost-Berlin zurückgekehrt: Entscheidend war für mich dabei die Hoffnung: Es kann sich etwas ändern. Und dafür werde ich was riskieren. Die Staatssicherheit hat mich – wie ich später erfuhr – als jemand eingeschätzt, der „entscheidend Einfluss auf die politische Grundhaltung und die Aktivitäten katholischer Studenten nimmt“. Seit Septem- ber `89 habe ich fünfzehn Jahre als Bildungsreferent der Ka- tholischen Hochschulgemeinde in Berlin gearbeitet – an der Nahtstelle zwischen Ost und West. Bei hunderten von Begeg- nungen konnte ich ungeheuer viele Erfahrungen sammeln.

Was waren Ihre Kriterien bei der Auswahl der Beiträge? In dem Band kommen ganz unterschiedliche Autoren – Bür- gerrechtler, Wissenschaftler, Politiker, Kirchenleute, Journalis- ten und Künstler – zu Wort. Einige von ihnen habe ich bereits in oppositionellen Milieus der DDR kennengelernt, andere später auf der Suche nach authentischen Gesprächspartnern. So ist das Buch ein Echo lebendiger Kommunikation. eine Metapher dafür zu finden, dass die alte Bundesrepublik 1989/90 in gewisser Weise an ihr Ende gekommen ist. Seit- dem ist ein früher geteiltes Land nicht bloß quantitativ grö- In Ihrem Vorwort steht: 2009/2010 fallen wichtige Ent- ßer geworden ist, sondern hat sich grundsätzlich verändert. scheidungen über die historische Erinnerung der Deut- Eine neue Ganzheit. Die Frage steht allerdings im Raum, was schen. Bitte erklären Sie das. wir als Bürger mit diesem Neuland machen. Ja, das ist eine These, die ich vehement vertrete: Die erste erfolgreiche und friedliche deutsche Revolution von 1989/90 kann der Demokratie in der Bundesrepublik neue Impulse ge- Können Sie denn die DDR-Nostalgie vieler Bürger erklären? ben. Und anlässlich des 20. Jahrestags dieser Zeitenwende Gemeinsame Erfahrungen sind gemeinschaftsstiftend. Nicht gibt es eine richtungsweisende gesellschaftliche Diskussion wenige Ostdeutsche suchen in Zeiten rasanter und radika- darüber, wie wir als Deutsche mit unserer gemeinsam-geteil- ler Veränderungen nach Halt und Vergewisserung. Und sie ten Geschichte umgehen wollen. werden fündig im Arsenal von Bildern, Liedern und Filmen, die sie in der DDR geprägt haben. Ostalgie ist die manchmal kaum erträgliche und nicht immer harmlose Folge. In Ihrem Buch geht es zunächst um die revolutionären Ereignisse im Herbst 1989, dann um die heutigen und kommenden Herausforderungen. Im Untertitel ist von Wen wünschen Sie sich als Leser? „Neuland“ die Rede. Welche Herausforderungen, welches Vor allem junge, fragende Menschen. Da bereits im Titel eine Neuland meinen Sie? Beziehung zwischen Glaube, Macht und Mauerfällen aufge- Bloß zu erzählen, wie es damals gewesen ist, genügt nicht; baut wird, ist das Buch nicht zuletzt für Menschen geschrie- aber es ist grundlegend. Dann kommt es meiner Meinung ben, die dem Zusammenhang von Religion und Gesellschaft nach weiter darauf an, über heutige Herausforderun- auf der Spur sind. gen nachzudenken. Um das sprachlich fassbar zu machen, braucht man treffende Begriffe. „Neuland“ ist der Versuch,

5 I 2009 67 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION Es begann mit Solidarnosc. Der Umsturz von 1989 war eine europäische Revolution Wolfgang Templin*

„ Zwanzig Jahre nach dem Epocheneinschnitt des Jahres Das Modell einer Kommandowirtschaft – auf politische Un- 1989 geben das Selbstverständnis der unmittelbaren Akteure terdrückung und Privilegien für eine Nomenklatura begrün- und die bisherigen Arbeiten der Historiker sehr verschiedenen det und durch den Bindungsfaktor der kommunistischen Deutungen Platz. Der Systemumbruch im Ostblock und das Ideologie zusammengehalten – bewies seine Unreformierbar- Auseinanderbrechen des sowjetischen Imperiums wird von keit. Sobald am Machtanspruch der herrschenden nationa- den einen als Sieg des militärisch und ökonomisch überle- len Parteien gerührt wurde, sobald Moskau seine Oberhoheit genen Westens über den hochgerüsteten kommunistischen gefährdet sah, kamen Panzer und massenhafte Repressionen Systemgegner gedeutet; andere sehen darin den selbstini- zum Einsatz. tiierten Rückzug der Sowjetunion im Zeichen von Glasnost 3. und Perestroika. Die Erfahrungen gescheiterter Aufstände und Reformbestre- 1. bungen und das endgültige Verblassen der Illusionen eines Die Architekten der westlichen Entspannungspolitik, Diplo- „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zwangen in den maten und Politiker, reklamieren ihren Anteil am Fall des Ei- 1970er-Jahren in den wichtigsten Ländern des Ostblocks ei- sernen Vorhangs. Vokabeln vom „friedlichen Einschlafen des ne neue kritische Generation zum Umdenken. Eine Genera- Kommunismus“, dem „Zusammenfall eines Kartenhauses“ tion, die sich im polnischen „Komitee zur Verteidigung der und das deutsche „Zauberwort“ der Wende beziehen sich auf Arbeiter“ (KOR), der tschechischen „Charta 77“, der ungari- den friedlichen Charakter und die Schnelligkeit der Ereignis- schen demokratischen Opposition und den sowjetischen Bür- ketten, die vom polnischen Runden Tisch über die Öffnung gerrechtsgruppen zu Wort meldete. Mehr als moralische und des ungarischen Grenzzaunes bis zum Fall der Mauer das marginale Bedeutung mochte man dieser neuen Opposition Geschehen bestimmten. Das wirft die Frage auf: War 1989 im Westen nicht geben. eine Revolution? Erst mit dem Entstehen der polnischen unabhängigen Ge- Opposition und Widerstand in allen Ländern des Ostblocks werkschaft Solidarnosc im Sommer 1980, die binnen weniger und die Kraft der zivilen Massenproteste, die mit dem Ent- Monate zur politischen Massenbewegung wurde und auch stehen der polnischen Solidarnosc-Bewegung das kommu- durch die Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981 nistische System erschütterten, geraten in einer auf Regie- nicht mehr aufzuhalten war, änderte sich das Bild. Von den rungshandeln, diplomatische Manöver und den Selbstlauf Oppositionellen im gesamten Ostblock wurde die Solidarnosc des inneren Verfalls fixierten Sicht leicht zu Begleitphäno- als Anfang vom Ende des kommunistischen Systems gesehen, menen. Ihr tatsächliches Gewicht, das den Umbrüchen des als die Chance seiner friedlichen Überwindung, die dennoch Jahres 1989 revolutionären Charakter verleiht, erschließt sich eines jahrelangen Kampfes bedurfte. durch den Rückgang auf zurückliegende historische Zäsuren 4. der Ostblockgeschichte. Die Etappen dieses Kampfes prägten die letzten Jahre vor 2. 1989, führten zur immer stärkeren internationalen Zusam- Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es der sowjetischen menarbeit der Oppositionellen und dem Bewusstsein ihrer Seite, Staaten des östlichen und mittleren Europas ihr kom- Zusammengehörigkeit. So unterschiedlich die Bedingungen munistisches Entwicklungsmodell aufzuzwingen. Der Eiserne in den einzelnen Ländern des Ostblocks auch sein moch- Vorhang und der Kalte Krieg schlossen sie vom westlich- ten, sosehr die Stärke der einzelnen Oppositionsbewegungen demokratisch geprägten Wiederaufbau und der europäischen auseinanderging, sie konnten aufeinander aufbauen und Integration der Nachkriegszeit aus. In der Phase des Hochsta- sich wechselseitig ermutigen. Aus dieser Perspektive wurden linismus wurde das kommunistische Umformungsexperiment Gorbatschows Glasnost und Perestroika als Rückzugsgefecht mit ungezügelter Brutalität durchgesetzt. Gesellschaftlicher begriffen, das den friedlichen Charakter des Umbruchs er- Widerstand wurde mit Massenterror gebrochen. möglichte. Ein Datum wie der 17. Juni 1953 in der DDR und der Un- 1989 entzieht sich zahlreichen Kriterien einer klassischen Revo- garnaufstand des Jahres 1956 markierten die Aussichtslosig- lution, weil der Kampf um freie Wahlen entscheidender wurde keit klassischer Aufstände, die Bereitschaft der Sowjetunion, als die militante Eroberung der Macht. Aber es war ein Kampf ihr Herrschaftsgebiet zu sichern und die zähneknirschende um die Macht, die die herrschenden Kommunisten nicht frei- Bereitschaft des Westens, die Teilung zu akzeptieren. Auf willig abgaben, sondern erst, als sich in Warschau, Budapest, Öffnung und Liberalisierung gerichtete Reformbestrebun- Prag, Leipzig und Berlin die Menschen nicht mehr von den gen, die in der Tauwetterperiode nach 1956 aus dem Inneren Straßen prügeln ließen. Sie forderten ihr Recht auf Freiheit, einzelner Gesellschaften kamen oder wie im Prager Frühling nationale Souveränität und eine „Rückkehr nach Europa“ ein. 1968 von der Kommunistischen Partei selbst ausgingen, Die Kraft und Wirkung dieser Proteste lässt die Ereignisse von mussten ebenso scheitern. 1989 zu einer europäischen Befreiungsrevolution werden.

* Dieser Beitrag ist dem Buch Thomas Brose (Hrsg.): Glaube, Macht und Mauerfälle entnommen, das im September 2009 im Echter Verlag erschienen ist.

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NeuroWissen NEU

Manfred Spitzer, Wulf Bertram (Hrsg.) Hirnforschung für Neu(ro)gierige Neue Reihe: NEU Braintertainment 2.0 Wissen & Leben

Mit einem Epilo g von Eckart von Hirschhausen

2009. 400 Seiten, 93 Abb., 4 Tab., geb. 29,95 (D) / 30,80 (A) ISBN 978-3-7945-2736-6 Valentin Braitenberg Manfred Spitzer Wie funktioniert unser Hirn – Das Bild der Welt im Kopf Das Wahre, Schöne, Gute und wenn ja, warum …? Eine N aturgeschichte des Geistes Brücken zwischen Geist und Gehirn Nach dem Bestseller „Braintertainment“ präsen- Mit einer Einführung vo n Manfred Spitzer tieren Manfred Spitzer und Wulf Bertram ihre 2009. 208 Seiten, 71 Abb., 5 Tab., kart. Neue Reihe: Wissen & Leben 19,95 (D) / 20,60 (A) zweite Anthologie, wiederum mit einem hand-  Herausgegeben von Wulf Bertram ISBN 978-3-7945-2698-7 verlesenen Autorenteam: Renommierte Forscher, Professoren und Wissenschaftsjournalisten bril- 2009. 224 Seiten, kart. Manfred Spitzer beantwo rtet brisante Fragen des lieren mit verständlichen, oft amüsant geschrie- 14,95 (D) / 15,40 (A) menschlichen Alltags mit neuesten Erkenntnissen benen Variationen zu den Themen Neurobiolo- ISBN 978-3-7945-2711-3 aus der Gehirnforschung. gie, Psychologie und Geistesphilosophie. Damit Wer bin ich, wenn nicht mein Gehirn? die Kost noch leichter verdaulich und verwertbar Das menschliche Gehirn ist eine besonders ein- wird („vergnügte Hirne lernen besser …!“), kom- drucksvolle Blüte am Baum der biologischen men neben den Wissenschaftlern auch in diesem Vielfalt. Dieser Stammbaum hat seine Äste in der Buch wieder Satiriker und bekannte Kabarettisten Welt entwickelt und ist mit seinen Wurzeln tief in zu Wort. Eine gelungene Mixtur aus aktueller der Natur verankert. Wer aber erkennt die G e- wissenschaftlicher Information, Unterhaltung, setze der Natur und beobachtet die wundersame mitunter provokanten Denkanstößen und intelli- Entwicklung des Lebendigen, wenn nicht das G e- genter Causerie! hirn selbst? Aus dem Inhalt Bei dieser Spiegelung des G ehirns in der Welt Bestseller und der Welt im G ehirn schließt sich ein Kreis, in A. Bartels: Liebe im Kopf – über Partnerwahl, Bindung und Blindheit dem G eist und Stoff nicht mehr als unvereinbare Elemente erscheinen. W. Bertram: Neurogastronomie – wie das Gehirn sein eigenes Süppchen kocht Braitenberg bringt das Kunststück fertig, „…kurz- weilig vie le Frage n auf amüsante und e be nso in- Manfred Spitzer, Wulf Bertram (Hrsg.) R. v. Bredow: Das gleiche G eschlecht – sind weibliche Denkorgane anders? te llige nte We ise anzure iße n und damit de n Lese r selbst zu befähigen, darüber zu meditieren, wie Braintertainment V. Gallese, G. Buccino: Wir und die anderen – das Bild der Welt in dessen eigenen Kopf kommt. von den Spiegelneuronen zum Mitgefühl Expeditionen in die Welt von Geist & Gehirn Gerade in einer Zeit, in der „Meditation“ gerne S. Schleim: G edankenlesen – Science fiction als gedankenloses Singen von Mantras miss- 2. Nachdruck 2007 der 1. Aufl. 2007. 244 Seiten, 52 Abb., 5 Tab., geb. oder Zukunftstechnologie? ve rstande n wird, ge re iche n die carte sianische n 29,95 (D) / 30,80 (A) M. Spitzer: Automatik im Kopf – wie das  Me ditatione n à la Braite nbe rg je de m de nke nde n ISBN 978-3-7945-2515-7 Unbewusste arbeitet Me nsche n zu eine m ganz private n Vergnüge n de r H. Walter, S. Erk: Seh’ ich was, was Du nicht be sonderen Art.“ Fun für die grauen Zellen mit garantiertem Lern- siehst? Methoden, Möglichkeiten und Mängel (Aus der Einführung von Manfred Spitzer) effekt nicht nur für den Fachmann, sondern auch des Neuroimaging für alle anderen neu(ro)gierigen Zeitgenossen.

Irrtum und Irrtum Preisänderungen vo rbehalten. www.schattauer.de Mehr WISSEN als andere. 5 I 2009 69 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

Frank Richter im Gespräch mit Günter Schabowski Foto: Thomas Foto: Brose Von der Eskalation zum Dialog in Sachsen Dresden im Oktober 1989

Frank Richter*

1. „Gorbi, Gorbi“, „Keine Gewalt“, „Neues Forum“, „Wir bleiben hier“. An der Ernst-Thälmann-Straße angelangt, blockier- „ Am Sonntag, dem 8. Oktober 1989, befand ich mich auf te der Zug der Demonstranten den Autoverkehr und bog in der Prager Straße, als sich dort gegen 18.30 Uhr ein Demons- Richtung Postplatz ab; von dort aus ging es hinüber zum trationszug formierte und in Richtung Altmarkt in Bewegung Theaterplatz, wo von einzelnen Gruppen spontan die „Inter- setzte. Eine Handvoll vorwiegend junger Leute hatte ihn durch nationale“ gesungen wurde. Die Menschenmenge zog weiter Klatschen und lautes Rufen „Schließt Euch an, wir brauchen an der Kathedrale vorbei in Richtung Dimitroff-Brücke. Da ich jeden Mann!“ in Bewegung gesetzt; spontan hatten sich die noch etwas in der Kirche zu tun hatte, scherte ich aus und auf der Prager Straße versammelten Menschen angeschlossen. schloß mich erst dann wieder den Demonstranten an, als sie Ich selbst ging gemeinsam mit einigen Jugendlichen aus der auf der Ernst-Thälmann-Straße in Höhe des Kulturpalastes katholischen Pfarrjugend der Kathedrale und der Pieschener angekommen waren und in Richtung Prager Straße abbogen. Sankt-Josef-Gemeinde. Auf den Stufen angelangt, die zum Soweit ich die Demonstration verfolgen und einen Überblick Centrum-Warenhaus hinaufführen, konnte ich einen gewis- gewinnen konnte, lief sie völlig gewaltfrei und ohne Aus- sen Überblick gewinnen: die Spitze des Zuges war bereits am schreitungen ab. Altmarkt angekommen; das Ende in Richtung Hauptbahnhof Als nun die Spitze des Zuges wieder am Centrum-Warenhaus war nicht genau auszumachen. Dabei umfaßte der Demons- angelangt war, traten die ersten Einheiten der Polizei in Er- trationszug die gesamte Breite der Prager Straße. scheinung. Ohne Vorwarnung kam ein Trupp mit Helmen, Nachdem wir einige Minuten gelaufen waren, ertönten Schilden und Gummiknüppeln ausgerüsteter Polizisten aus Sprechchöre: „Schließt Euch an, wir brauchen jeden Mann“, Richtung Rundkino auf uns zugerannt. Dabei schlugen die

* Dieser Beitrag ist dem Buch Thomas Brose (Hrsg.): Glaube, Macht und Mauerfälle entnommen, das im September 2009 im Echter Verlag erschienen ist.

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Polizisten mit Knüppeln auf ihre Schilde; Anblick und Lärm Die Gruppe verständigte sich nun über die Bedingungen, dieser Aktion trieb die an der Spitze des Zuges laufenden De- unter denen sie zu einem Gespräch bereit sein würde. Die- monstranten in die Flucht. Die Nachfolgenden rückten jedoch se wurden dem Zivilbeamten mitgeteilt: Das Gespräch müs- nach, so daß es der Polizei nicht gelang, den Demonstrations- se morgen [am Montag, dem 9.10.89] stattfinden und seine zug aufzulösen. Ergebnisse sollten bereits am gleichen Abend auf der Prager Als ich gegen 20:00 Uhr auf der Prager Straße ankam, sah ich, Straße bekanntgegeben werden. Als Gesprächspartner wurde dass sich viele Menschen auf die Straße gesetzt hatten. Die Oberbürgermeister Berghofer genannt. Bei Erfüllung dieser Menge, die ich überblicken konnte, füllte die gesamte freie Forderungen seien die Demonstranten bereit, nach Hause zu Fläche der Straße. Später erkannte ich, daß sich weitere De- gehen. Des Weiteren wurde dem Beamten eine Liste mit den monstranten am Lenindenkmal und hinter dem Hotel Newa Namen und Anschriften der 20 Vertreter übergeben. Unter in Richtung Leningrader Straße versammelt hatten. Auf Höhe ihnen befanden sich Frauen und Männer verschiedenen Al- des Hotels Newa sprerrten Polizisten den Weg ab; sie standen ters und unterschiedlichster Berufsgruppen: Arbeiter, Inge- Mann an Mann und trugen die bereits erwähnte Ausrüstung. nieure, Studenten, Lehrlinge, Angestellte u.a. Der Abstand zur ersten Reihe der sitzenden Demonstranten Im Anschluss daran wurde uns erlaubt, durch die Postenket- betrug höchstens 50 Meter. ten hindurch die Demonstrationsgruppen am Lenindenkmal Ich mußte davon ausgehen, dass die Polizei erneut versu- und hinter dem Hotel Newa zu informieren. Auch diese be- chen würde, den Demonstrationszug unter Einsatz gewaltsa- stätigten durch ihren Beifall die genannten Anliegen und die mer Mittel aufzulösen und bat deshalb den in meiner Nähe Bitte um absolute Gewaltfreiheit. Mir persönlich wurde für stehenden Kaplan Andreas Leuschner, mit mir gemeinsam zu die Verhandlungen mit den Demonstranten zweimal von der den Polizisten hinüberzugehen. Zunächst sprachen wir ein- Polizei ein Megaphon zur Verfügung gestellt, da das natürli- zelne Polizisten an und fragten sie nach dem Einsatzleiter; che Stimmvolumen nicht ausgereicht hätte, alle zu erreichen. die meisten der Befragten erwiderten nichts oder antworte- In der Zwischenzeit kam in der Gruppe der 20 Vertreter der ten nur undeutlich. Nach mehreren Versuchen bat uns ein Gedanke auf, die Polizei um ein sichtbares Zeichen der Fried- höherer Polizeibeamter durch die Postenkette hindurch und fertigkeit zu bitten. Einer vermittelte den Vorschlag, die Po- verwies und an einen verantwortlichen Beamten in Zivil. Die- lizisten mögen ihre Schilde ablegen. Dies geschah und wurde sem, einem relativ jungen Mann, trugen wir das Anliegen vor, von den Demonstrierenden mit Beifall aufgenommen. die Polizei möge von Gewaltanwendung absehen, da auch von Seiten der Demonstranten keine Gewalt ausginge. Wir 3. forderten ihn auf, sich um einen kompetenten Gesprächspart- ner von staatlicher Seite zu bemühen; wir würden unterdes- Nach ungefähr 15 Minuten übermittelte uns der Zivilbeamte sen mit den Demonstranten sprechen und sie nach ihrer Ge- die Antwort der staatlichen Stellen: Ein Gespräch mit Ober- sprächsbereitschaft befragen. Auf diesen Vorschlag ließ sich bürgermeister Berghofer könne am nächsten Morgen 9:00 der Beamte nach anfänglichem Zögern ein. Uhr im Rathaus stattfinden, die Bekanntgabe der Ereignisse müsse jedoch abends in kircheneigenen Räumen erfolgen. 2. Nach Bekanntgabe dieser Informationen an die Demonstran- ten einigte sich die Gruppe, diese Bedingungen zu akzeptie- Wir gingen zurück zu den Demonstranten, die bis dahin in ren. Wegen der Bereitstellung kircheneigener Räume bat ich Stille abgewartet hatten. Ich wollte versuchen, die Menschen um die Möglichkeit, telefonieren zu können. Als ich zu die- über das erste Gespräch zu unterrichten, mußte dazu aber sem Zweck das Hotel Newa betreten wollte, wurde mir jedoch unmittelbar vom großen Springbrunnen aus sprechen, der von einem Polizisten mitgeteilt, dass in wenigen Minuten Su- durch seine Überlaufbecken stark rauschte. Mit großer Freude perintendent Ziemer kommen würde, mit dem die weiteren wurde aufgenommen, daß sich der Springbrunnen genau in Dinge besprochen werden könnten. Wie ich dann erfuhr, hat- dem Moment ausschaltete, als ich zu sprechen begann. te es zu dieser Zeit ein Gespräch von Landesbischof Hempel, Ich forderte die Demonstranten auf, zehn Vertreter für ein Superintendent Ziemer und Oberlandeskrichenrat Fritz mit möglicherweise zustande kommendes Gespräch zu bestim- Oberbürgermeister Berghofer gegeben. Die genannten Ver- men. Eine große Zahl von Menschen stand spontan auf, viele treter der evangelischen Kirche trafen nach einiger Zeit auf von ihnen mußten von uns wieder zurückgeschickt werden, der Prager Straße ein; zusammen mit Superintendent Ziemer da eine zu große Anzahl einem sinnvollen Gespräch entge- verabredeten wir aufgrund der großen Menge an Demonst- gengestanden hätte. Etwa zwanzig Personen blieben zurück: ranten mehrere Informationsorte für den kommenden Abend: eine spontan zusammengekommene Gruppe. Ich forderte die die Kreuzkirche, die Kathedrale, die Christuskirche und die Demonstranten auf, diese als ihre Vertreter zu bestätigen, Versöhnungskirche. Diese kirchlichen Orte wurden der Menge was durch starken Beifall geschah. Danach bat ich die ver- mitgeteilt; nach einem abschließenden Beifall verließen die sammelte Menge darum, uns Themen und Forderungen für Demonstrierenden daraufhin friedlich die Prager Straße. Dies das geplante Gespräch zuzurufen. Folgende Punkte wurden geschah gegen 21:30 Uhr. genannt, durch Beifall bestätigt und von einem Mitglied der Kaplan Leuschner, die Gruppe der 20 Vertreter und ich gingen Gruppe notiert: Reisefreiheit, Pressefreiheit, Einführung ei- dann zum katholischen Dompfarramt, um uns dort gemein- nes Zivildienstes, Legalisierung des Neuen Forums, offener sam auf das Gespräch mit Oberbürgermeister Berghofer vor- und gewaltfreier Dialog in der Gesellschaft, Wahlfreiheit, zubereiten. Später wurde mir von einem Jugendlichen unserer Recht auf friedliche Demonstrationen, Freilassung der po- Pfarrei berichtet, er sei auf dem Heimweg von einem Unter- litischen Gefangenen, insbesondere jener, die in den letzten offizier der Polizei wegen etwas Essen angesprochen worden; Tagen in Dresden inhaftiert worden waren. er hätte seit 12 Stunden nichts mehr gegessen.

5 I 2009 71 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION Die „Umweltbibliothek“ und die Berliner Zionsgemeinde Hans Simon*

1. Was ist Kirche? sen. Und so wurde auch die Zionsgemeinde selbst mit ih- rer Arbeit nicht mehr im Bewusstsein ihres Umfelds wahr- Die Berliner Zionsgemeinde habe ich Mitte der 80ger Jahre genommen. Ich empfand das Leben der Gemeinde als eine als eine ganz normale evangelische Kirchengemeinde in der Art Katakombendasein. Genau dies aber widersprach meinem damaligen DDR vorgefunden. Die Mitarbeiter waren fleißig: Verständnis von Kirche. Sonntagsgottesdienste, kirchliche Unterweisung, kirchenmu- Kirche darf nicht für sich selbst da sein. Sie muss mit ih- sikalische Arbeit, Gesprächskreise Junger Erwachsener, Kin- ren Aktivitäten in die Gesellschaft hineinwirken – als „ Salz dergarten- und Hortarbeit, nicht zu vergessen eine engagier- der Erde“ und „Licht der Welt „ (Mt 5,13ff ). Gewiss soll te Alten-und Krankenbetreuung durch eine Diakonisse. Als und kann sie das nicht bevormundend und einfach dozie- ich 1984 neu als Pfarrer in die Gemeinde kam, bestand mein rend tun. Das alte Bild vom „Herold“ („Keryx“) schien mir Problem darin: Alles Engagement in der Kirchengemeinde für ihren Auftrag nicht adäquat. Zutreffender finde ich das spielte sich in Räumen auf dem Hinterhof ab – jenseits der Bild von einer prophetischen Kirche, die ihrem Auftrag in der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die Zionskir- Gesellschaft und gegenüber dem Staat nachkommt. Also: Im che, in der einst Dietrich Bonhoeffer gewirkt hatte, wurde neutestamentlichen Verständnis „Salz der Erde“ ist und im von der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen, war in alttestamentlichen Sinn zugleich ihre „prophetischen Funk- schlechtem baulichen Zustand und deshalb meist geschlos- tion“ wahrnimmt. (...)

* Dieser Beitrag ist dem Buch Thomas Brose (Hrsg.): Glaube, Macht und Mauerfälle entnommen, das im September 2009 im Echter Verlag erschienen ist. Foto: Thomas Foto: Brose

Blick in die Umweltbibliothek 1987

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Ich denke, Jesus von Nazareth stand in dieser prophetischen ten und gar in einen Gegensatz zur politischen Dimension Tradition. Eine Kirche, die sich auf ihn beruft, muss daran des Evangeliums gebracht werden soll, ist und war für mich gemessen werden. selbstverständlich. Das kultische Handeln stellt sich für mich Ich wollte und will Kirche so verstehen. Aber diesem meinem als Werkstatt der Kirche dar, ohne die sie nicht gerüstet ist, Verständnis von Kirche widersprach das gut gemeinte Leben auf den Markt zu gehen. Wenn sie aber allein im kultischen der Zionsgemeinde Mitte der 80ger Jahre. Diese Art „Kata- Werkstattbereich bleibt, verfehlt sie ihre Funktion. Sie führt kombengemeinde“ wollte ich öffnen in die gesellschaftlichen ein religiös-introvertiertes Gruppendasein an der Peripherie und politischen Bezüge der damaligen DDR hinein. der Gesellschaft. Jesus von Nazareth lehrte und betete in der Synagoge, aber dann ging er auf den Markt – bis hin auf den 2. Wie können wir von Gott heute reden – „Großmarkt Jerusalem“, auf dem der Römer Pilatus regierte Das hermeneutische Problem und die Sadduzäer-Clique mit dem Hohenpriester Kaiphas ihre Machtpositionen am Tempel und im Synhedrion, der Wie können wir von GOTT heute so reden, dass bei den mit- obersten jüdischen Behörde mit dem Hohenpriester an der hörenden und mitdenkenden Menschen unserer Zeit geistige Spitze, verteidigte. Die Ermöglichung der Arbeit einer „Um- und psychische Anknüpfung an ihre Denkvoraussetzungen weltbibliothek“ in der Kirchengemeinde hatte für mich als möglich werden? Denn nur dann können sie ja die Bot- Theologen wesentlich diesen hermeneutischen Hintergrund. schaft oder „das Evangelium“ überhaupt wahrnehmen. Un- sere Zeitgenossen sind im sozialpsychologischen Sinn mehr 3. Der Konflikt mit dem DDR-Staat von der Aufklärung geprägt als Kirche gemeinhin wahrhaben will oder zur Kenntnis nimmt. Es galt und gilt für mich der Im Frühjahr 1986 erschien eine kleine Gruppe von „Ökofreaks“ erkenntnistheoretisch-hermeneutische Grundsatz: Von GOTT im Pfarramt der Berliner Zionsgemeinde. Sie fragte mich als kann nur verantwortlich gesprochen, gedacht und an ihn geschäftsführenden Pfarrer, ob sie in der Kirchengemeinde geglaubt werden, wenn zugleich vom Menschen und seiner mitarbeiten und dazu Räume erhalten könnten. Ihre Arbeit sozialen, ökonomischen und politischen Wirklichkeit geredet konzentriere sich im Wesentlichen auf ökologische Projekte; wird. Ich denke, die Propheten der Hebräischen Bibel und in weiterhin solle eine Bibliothek mit vornehmlich ökologischer ihrer Nachfolge Jesus von Nazareth, haben vor diesem Hin- Informationsliteratur gegründet werden. Das Ansinnen der tergrund von GOTT geredet. jungen Leute kam meinen Vorstellungen von Gemeindearbeit Um diesem hermeneutischen Prinzip entsprechen zu können, als eine an der gesellschaftlichen Wirklichkeit orientierten Ar- muss Kirche auf den Marktplatz der Gesellschaft gehen. Nur beit entgegen. Ökologische Fragestellungen waren schon seit hier kann sie ihre Botschaft gewissermaßen materialisieren. längerer Zeit in der Kirche thematisiert worden und hatten Dass dabei das kultische Leben von Kirche nicht klein gehal- auch in den jährlichen Friedensdekaden ihren Platz: „Bewah- Foto: Thomas Foto: Brose

Pfarrer Hans Simon im Gespräch mit Mitgliedern der Umweltbibliothek 1987

5 I 2009 73 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

rung der Schöpfung“ hieß der kirchliche Slogan. Das Kirchli- christliches Glaubenszeugnis in meiner Arbeit, sondern viel- che Forschungsheim Wittenberg war bereits entstanden. Ich mehr um bloße politische Opposition. Dieser Vorwurf hat war der Überzeugung, dass Umweltfragen in eine christliche mich immer, auch wenn er nur leise in Gesprächen anklang, Gemeindearbeit gehören, wenn Kirche schöpfungstheologisch sehr verletzt. Die dramatischen Vorgänge bei der Durchsu- verantwortet reden will. An dieser Stelle gesellschaftlichen Le- chung der „Umweltbibliothek“ durch den Staatssicherheits- bens hatte sie sich zu Wort zu melden. Hier musste sie einen dienst in der Nacht vom 24. zum 25. November 1987, die wesentlichen Teil ihrer prophetischen Funktion wahrnehmen. Verhaftung einiger Mitglieder und die dadurch entstandenen Die Erfahrungen in den Friedensdekaden hatten allerdings Kontroversen in der Gemeindeleitung, dem Gemeindekirchen- gezeigt, dass dieses Engagement der Kirchen – vornehmlich rat, haben mich immer wieder auf theologisches Reflektieren durch viele junge Leute getragen – von den staatlichen Ins- zurückgeworfen. Damit meine ich kein bloßes theoretisch- titutionen beargwöhnt wurde. Natürlich „mit Recht“ bearg- intellektuelles Nachdenken in der Studierstube des Pfarrers, wöhnt, denn die Mitglieder der „Umweltbibliothek“ hatten sondern – wie Dorothee Sölle sagt – vielmehr „Theologie als den Ökologiebegriff für sich längst erweitert bzw. weiter ge- einen Akt des Glaubens“. Wenn wir uns als Kirche auf die fasst: Zur „Umwelt“ gehörte für sie eben auch die soziale und Texte der Bibel berufen und die Praxis der Gotteserfahrungen, politische Struktur der Gesellschaft. Die Staatsfunktionäre wie sie im biblischen Text erzählt werden, mit den eigenen witterten hier die Opposition. Umweltfragen im herkömm- Gotteserfahrungen unseres Lebenskontextes konfrontieren, lichen Sinne waren ohnehin nach dem Selbstverständnis des vollzieht sich Theologie. Dorothee Sölle spricht dabei von der DDR-Staates ureigenste Sache der Politik. Kirchen hatten „‘fides quaerens intellectum’ ... Der Glaube ringt um die Ein- sich da „rauszuhalten“. Hier signalisierte die Staatsmacht sehr sichtigkeit seiner Sache ... Voraussetzung der Theologie ist, deutlich ihr Verständnis von Kirche. Sie war nach Auffassung dass sie vom Glauben getrieben wird.“ (vgl. Dorothee Sölle, der SED-Ideologen eine religiöse Kultgemeinschaft, deren Le- Gott denken. Einführung in die Theologie). ben sich hinter den Kirchenmauern abzuspielen hatte. Da- Bei alledem habe ich „Glauben“ nicht verstanden als die grie- bei übertrugen die Genossen historisch unreflektiert das Bild chisch-hellenistische „Pistis“ im Sinne des Für-wahr-Haltens von der russisch-orthodoxen Kirche auf die reformatorischen bestimmter theologischer Grundannahmen (Erlösung, Aufer- Kirchen in der DDR. Aber diese waren nach ihrem Selbstverständnis eben nicht einfach kultische Religionsgemeinschaf- Ich hatte immer das Gefühl, „zwischen allen Stühlen“ ten hinter massiven Mauern. Durch die- se Fehleinschätzung des Staates war der zu sitzen, eine Art schizophrener Zustand. Aber es gab Konflikt vorprogrammiert. eine tiefe Überzeugung bei mir, die stärker war als die Wiederholt wurde ich von Funktionären auf die Trennung von Kirche und Staat Belastungen dieses Spannungsfeldes: Es war schlimmes in der DDR hingewiesen. Die Arbeit der Unrecht, was staatlicherseits an vielen nicht angepass- „Umweltbibliothek“ wurde als „Einmi- ten Menschen geschah – nicht nur an den Verhafteten schung in innerstaatliche Angelegenhei- ten“ verstanden. In anfänglichen Gesprä- („Zugeführten“) der „Umweltbibliothek“, sondern auch chen wurde ich auf meine – jedenfalls an den Ausreisewilligen. in den Köpfen der Genossen – kirchlich- theologische Identität angesprochen: Als Pfarrer müsse ich doch die Bibel kennen und wissen, was da geschrieben steht. Auf Römer 13,1ff wur- stehung, Himmelfahrt oder Menschwerdung Gottes in Jesus de angespielt: „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Ge- von Nazareth u.a.). Hier ist Glaube verstanden als ein Produkt walt über ihn hat, denn es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott; von Bekehrung. Dieses Glaubensverständnis begegnet mir wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet“. Aber gerade meist im theologischen Denken des Apostels Paulus . Mir war dieses Pauluswort gehörte in der Tat nicht zu den Sätzen die Glaubensweise, wie sie uns in den Schriften der Hebräi- meines Glaubensbekenntnisses. (...) schen Bibel begegnet, näher und wichtiger. Sie heißt Emuna Es gehörte nun wohl auch nicht in die denkerische Vorstellung (unser Wort „Amen“ hat hier seinen sprachlichen Ursprung!) der Genossen, dass man als Christ ein kritisches Verhältnis zu Diese „Emuna“ ist „der Akt reinen Vertrauens, ohne dass ich bestimmten biblischen Aussagen haben kann. In ihrem Bild mein Vertrauen zulänglich begründen könnte“ (vgl. Martin von Kirche waren sie festgelegt auf deren Erscheinungsfor- Buber Zwei Glaubensweisen.) Aber eben genau dieses Glau- men im 19. Jahrhundert: Staatsloyalität und Loyalität kirch- bensverständnis, dieser Glaubensweise, der keine zulängliche licher Mitarbeiter gegenüber der Lehre ihrer Kirche schwirrte Begründung innewohnt, war natürlich weder den staatli- noch in ihren Köpfen herum. Kirchlicher Widerstand im Na- chen Funktionären aber auch nicht der gemeindeleitenden tionalsozialismus bis hin zur Untergrundarbeit eines Dietrich Gemeindekirchenrat zu vermitteln. Dies habe ich immer als Bonhoeffer und seiner Freunde waren von ihnen eben nicht großes Dilemma empfunden. Allerdings war mir klar gewor- durchdacht und aufgearbeitet worden. den, dass nicht nur die SED-Funktionäre, sondern auch die etablierten Kirchenchristen – das ist nicht polemisch gemeint 4. Was ist Glaube? –, an verinnerlichten Verhaltens- und Denkstrukturen partizi- pierten, die sich obrigkeitsstaatlich orientierten. Ich hatte mich – auch von kirchlicher Seite – mit dem Ver- In diesem Kontext fühlte ich mich allein. Viele Zweifel, ob dacht auseinanderzusetzen, es ginge mir nicht mehr um denn meine Arbeit dem „Evangelium“ diene, schlichen sich

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immer wieder ein. Aber „Glaube ohne Zweifel ist nicht stär- In dieses Spannungsfeld hinein wollte er die Botschaft von ker, sondern bloß ideologischer“(Sölle). Ideologie, ob sie sich Jesus Christus predigen. Dabei musste es um eine Art der politisch oder kirchlich-religiös artikuliert, dient immer der Assimilation gehen, die Identität nicht aufgibt. So etwas ist Selbstabsicherung. Der Glaube aber im Sinne der „Emuna“ ein „verflixtes Geschäft“, in dem jemand aufgerieben werden verzichtet auf solche Selbstabsicherung und gibt sich damit kann. Ich selbst kann es dem Apostel nachfühlen. Als Pfarrer allen ideologischen Denk- und Machtstrukturen preis. Noch der Zionsgemeinde war ich für die Leute von der „Umwelt- einmal: Es liegt auf der Hand, dass sich immer wieder Unsi- bibliothek“ damals der Vertreter der „kirchlichen Hierarchie“ cherheit und Zweifel einschlichen. Ich kann mich erinnern, – mit Recht, denn ich war an die Ordnungen meiner Kirche dass mir Mitglieder der Kirchenleitung „Blauäugigkeit“ vor- gebunden: Nicht jeder in dieser Gemeinde konnte machen, warfen. Dabei darf man nicht vergessen, dass in den Jahren was er wollte. Alles hatte ich vor dem Gemeindekirchenrat 1987/88 niemand an den revolutionären Umbruch von 1989 zu verantworten. In den Augen der Gemeindeleitung aber oder gar an die deutsche Einheit 1990 gedacht hatte. Die war ich ein „Linker“, der zu sehr auf der Seite der Gruppe Institution Kirche – und das ist wohl jeder Institution eigen im Keller der Umweltbibliothek stand und seine Sympathien –, war natürlich in erster Linie um Selbsterhaltung, Selbst- auch nicht verhehlte. Aber ich wollte mich von keiner Seite schutz und Selbststabilisierung gegenüber dem Staat besorgt. instrumentalisieren lassen. Und so musste ich mich jeweils Dennoch empfand ich diese Art, auf meine Arbeit zu reagie- immer auf beide Verstehensebenen begeben und vermitteln. ren und mir „Blauäugigkeit“ vorzuwerfen, als degradierend. Den oppositionell-politischen Drang der jungen Menschen Auch das gehört zu meinem Erfahrungskontext der späten in der „Umweltbibliothek“ konnte ich nur zu gut verstehen. 80er Jahre. Den um Ordnung und Stabilisierung der Gemeinde besorgten Gemeindekirchenrat verstand ich auch sehr gut, zumal die 5. Zwischen allen Stühlen einzelnen sich auch existenziell bedroht fühlten. Sie waren keine kirchlichen Angestellten, sondern verdienten ihr Brot „Den Juden bin ich geworden wie ein Jude, auf dass ich die im säkularen Raum und mussten immer mit Belästigung und Juden gewinne, / denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer Bedrohung des Staatssicherheitsdienstes rechnen – ein oft ohne Gesetz geworden, ./ auf dass ich die, so ohne Gesetz sind, unerträgliches Spannungsfeld. Aber nun: Ich war ja nicht gewinne.“ (1 Kor 9,20 f.) einfach ein Moderator der beiden Gruppen. Es ging auch um Dieses Pauluswort drückt die Wanderung des Apostels zwi- meine Glaubensidentität – gewagte Freiheit, gewagter Glaube schen zwei Welten, zwischen zwei Kulturen aus: seiner jü- – „Emuna“! disch-thoraorientierten Identität und der heidnisch-griechi- Ich hatte immer das Gefühl, „zwischen allen Stühlen“ zu sit- schen Kultur – denn Paulus war bekanntlich Diasporajude. zen, eine Art schizophrener Zustand. Aber es gab eine tie-

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5 I 2009 75 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

fe Überzeugung bei mir, die stärker war als die Belastun- Psalmen gelesen und viel gebetet, gleichsam in meditativer gen dieses Spannungsfeldes: Es war schlimmes Unrecht, Selbstvergewisserung. Ich denke, dass ein solches Beten in was staatlicherseits an vielen nicht angepassten Menschen diesen und ähnlichen Situationen unabdingbar ist. Ich er- geschah – nicht nur an den Verhafteten („Zugeführten“) der innere mich an ein Wort von Martin Luther King, das mich „Umweltbibliothek“, sondern auch an den Ausreisewilligen. sehr gestärkt hat: „Komme, was mag. Gott ist mächtig. Wenn Über längere Zeit habe ich solch eine Gruppe seelsorgerlich unsere Tage verdunkelt sind und unsere Nächte finsterer als begleitet und von ihren Erfahrungen mit den Methoden des tausend Mitternächte, so wollen wir stets daran denken, dass Staatssicherheitsdienstes gehört. Sie waren zum Freiwild für es in der Welt eine große, segnende Kraft gibt, die Gott heißt. diese – nur der SED verpflichteten – Geheimpolizei gewor- Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das den. Ich bin davon überzeugt, dass ihre Erzählungen au- dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln – zuletzt in thentische Berichte waren. Selbst als Siebzehnjähriger aus der den leuchtenden Morgen der Ewigkeit.“ FDJ ausgeschlossen und von der Oberschule religiert – 1953 Natürlich habe ich auch immer die große Energie-Distance wegen angeblicher „Boykotthetze“ innerhalb der politischen zu Martin Luther King gespürt. Diese Worte Kings sind ab- Auseinandersetzungen von kirchlicher Jugendarbeit und FDJ gedruckt in einem Gebetbuch, das ich häufig benutzt habe. an den DDR-Oberschulen – war ich hochsensibilisiert gegen- Beim Durchblättern dieses Büchleins fand ich eine von mir über autoritären Machtstrukturen. mit Bleistift an den Rand gekritzelte Bemerkung: „King ist im Eigene Erfahrungen mit der Staatspartei und ihrem Staats- Glauben weiter als ich. Gott, gib mir die Energie des Glau- sicherheitsdienst in meinen früheren Gemeinden ließen mich bens, dass ich auch so weit komme wie King.“ innerlich klar auf die Seite der widerständigen Kräfte treten. Gewagte Freiheit als Gewagter Glaube vollzieht sich immer Fragen der Kirchen- und Gemeinderaison standen dabei zu- im Spannungsfeld von menschlichen Ängsten und dem Ver- nächst nicht im Vordergrund. Letztlich habe ich mich, bildlich trauen auf Gott, ohne dass das daraus resultierende Handeln gesprochen, auf die „Stuhlgruppe“ der „Umweltbibliothek“ hinlänglich begründet werden könnte (s.o.) – weder einer und der Ausreisewilligen gesetzt. Fromme Gemeindeglie- „Umweltbibliothek“ noch einem Gemeindekirchenrat oder ei- der haben mir das auch übel genommen und immer wieder ner Kirchenleitung bzw. einem Konsistorium gegenüber. Warnungen ausgesprochen. Ich habe in dieser Zeit intensiv

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Das Team des Ch. Links Verlags. Obere Reihe v. l.: Martin Kaule (Webmaster), Dr. Stephan Lahrem (Lektorat), Benjamin Liebhäuser (Vertrieb), Daniela Rust-Kirsch (Herstellungsassistenz), Maria Oehlschlegel (Foreign Rights), Dr. Christoph Links (Verleger) Untere Reihe: Nadja Caspar (Veranstaltungen), Kerstin Ortscheid (Finanzen), Edda Fensch (Presse), Susanne Heerdegen (Herstellung)

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In diesem Glücksgriff. Hier ging es vor allem um die baulichen Hinter- Gebäude der lassenschaften aus der Zeit des Nationalsozialismus, womit KulturBrauerei auch eine generelle Ausweitung des Verlagsprogramms über im Berliner die DDR-Zeit hinaus verbunden war. Die genau komponier- Prenzlauer ten Bände, die vor allem durch ihr reichhaltiges seltenes Bild- Berg sitzt der material bestechen, haben sich in den letzten Jahren zu einer Christoph Links Verlag. Art Flaggschiff des Ch. Links Verlags entwickelt und tragen entscheidend zur wirtschaftlichen Stabilität bei, erreichen sie doch zumeist mehrere Nachauflagen. Die mühsame und oft mehrjährige Entwicklungsarbeit, die in jedem dieser Bände steckt, zahlt sich dann tatsächlich aus.

Zum zeitgeschichtlichen Segment gehören seit 2001 auch Bücher zur Kolonialgeschichte (zuletzt: „Bilderschule der Herrenmenschen. Koloniale Reklamesammelbilder“ von Joachim Zeller und „Frauen in den deutschen Kolonien“ von Marianne Bechhaus-Gerst und Mechthild Leutner.) und seit 2008 auch eine Studienreihe zur Kolonialgeschichte.

Neben den politischen und historischen Sachbüchern hat sich inzwischen auch die Reihe Erfahrungen/Lebenshilfe gut „ Der Ch. Links Verlag (www.linksverlag.de) wurde am 5. Ja- etabliert, die sich mit den sozialen und psychischen Folgen nuar 1990 als eine der ersten privaten Neugründungen des des modernen Lebens für den Einzelnen beschäftigt (zuletzt: Ostens in Form einer GmbH konstituiert. Anliegen war es „Wenn der Wecker nicht mehr klingelt. Partner im Ruhe- zunächst, die „weißen Flecken“ der jüngsten deutschen Ge- stand“ von Bettina von Kleist und „Unter drei schon aus dem schichte aufzuarbeiten und die realen Verhältnisse in der DDR Haus? Eine Entscheidungshilfe für junge Eltern“ von Adelheid zu analysieren. Müller-Lissner).

Das thematische Spektrum des aktuellen Sachbuchs mit dem Autoren wie Jutta Voigt, Alexander Osang, Christoph Dieck- Schwerpunkt Politik und Zeitgeschichte wurde inzwischen mann und Heinz Rudolf Kunze finden ihren Platz in der Li- beträchtlich erweitert und ist zum einen von den Problemen terarischen Publizistik, wo insbesondere wirklichkeitsnahe Li- der heutigen Bundesrepublik geprägt (zuletzt erschienen: teraturformen wie Reportage, Essay, Porträt und Kolumnen Oda Lambrecht, Christian Baars: „Mission Gottesreich. Funda- erscheinen. Mit den Büchern des Niederländers Frank We- mentalistische Christen in Deutschland“, Hermannus Pfeiffer: sterman (zuletzt: „Ararat. Pilgerreise eines Ungläubigen“ und „Seemacht Deutschland. Die Hanse, Kaiser Wilhelm II. und „Das Getreideparadies“) und des Völkerforschers Roland Gar- der neue Maritime Komplex“). Zum anderen reflektiert das ve („Kirahé – Der weiße Fremde“ und „Laleo – Die geraubte Verlagsprogramm die verstärkte Beschäftigung mit interna- Steinzeit“) finden sich in dieser Reihe auch groß angelegte tionalen Konflikten (Heiko Flottau: „Die Eiserne Mauer. Pa- Reisereportagen. lästinenser und Israelis in einem zerrissenen Land“, Manfred Quiring: „Pulverfass Kaukasus. Konflikte am Rande des russi- Die jüngste Reihe Länderkunde folgt dem Konzept, dem Leser schen Imperiums“). in feuilletonistisch-lockerem Stil Hintergrundwissen zu jeweils einem Land zu vermitteln, Klischees zu hinterfragen und über Spezielle Themen der DDR-Geschichte werden vorwiegend in Gesellschafts- und Alltagsleben aufzuklären. (Zuletzt: „Eng- den Reihen Forschungen zur DDR-Gesellschaft und Militärge- land, glorious England“ von Holger Ehling und „Südafrika“ schichte der DDR, herausgegeben vom Militärgeschichtlichen von Edith Werner.) Forschungsamt in Potsdam, behandelt. Die Anzahl der Neuerscheinungen bewegt sich jährlich zwi- Im Laufe der Jahre sind andere wichtige Programmsegmen- schen 35 und 40, hinzu kommen ca. 20 Nachauflagen, denn te hinzugekommen: Biografien (z.B. Peter Weidhaas: „Und viele Bücher haben sich mittlerweile zu Standardwerken ent- kam in die Welt der Büchermenschen“, Gerda und Hermann wickelt, die bereits in der 8. oder 11. Auflage vorliegen (z. B. Weber: „Leben nach dem Prinzip links“) und historische Bild- „Dunkle Welten. Bunker, Tunnel und Gewölbe unter Berlin“ Text-Dokumentationen (zuletzt: „Russlands Unterwelten. Ei- von Dietmar Arnold u.a. oder „Chronik des Mauerfalls“ von ne Zeitreise durch geheime Bunker und vergessene Tunnel“ Hans-Hermann Hertle). von Thomas Kunze ). Diese großformatigen Bände zu Orten Auch personell hat der Verlag mit den Jahren zugelegt: Von deutscher und zunehmend auch internationaler Geschichte anfangs drei ist er aktuell nun auf zehn Mitarbeiter ange- werden seit 2004 ergänzt durch handliche Historische Rei- wachsen. seführer zu den Spuren der deutschen Vergangenheit, die in mehreren Sprachen angeboten werden. Inzwischen sind viele der Titel auch digital verfügbar. Sie sind vollständig mit Google und Libreka durchsuchbar; einzelne Diese großformatigen Bild-Text-Bände zur Topographie Kapitel oder gesamte Bücher können als PDF oder als E-Pub deutscher Geschichte erwiesen sich als ausgesprochener erworben werden. (ab)

5 I 2009 79 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION Die zentrale Herausforderung für die Zukunft ist der Digitalmarkt

Wir gratulieren dem Ch. Links Verlag zu seinem 20jährigen Jubiläum! Und sprechen mit Verleger Dr. Christoph Links über Herausforderungen und Zukunftspläne und über seine beiden neuen Bücher, die sich mit dem „Schicksal der DDR-Verlage“ und dem „wunderbaren Jahr der Anarchie“ befassen. Die Fragen stellte Angelika Beyreuther.

฀฀฀฀฀ in Caputh/Potsdam, ist Verleger und Publizist. Nach Aufhebung der Zensur am 1. Dezember 1989 gründete er den Ch. Links Verlag mit dem Schwerpunkt Politik und Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts.

฀฀฀฀฀ 1975–1980 Philosophie und Lateinamerikanistik in Berlin und Leipzig, von 1980–1986 war er Lateinamerika-Redak- teur bei der „Berliner Zeitung“, und nebenberuflich Sachbuch- autor und Literaturrezensent für die Kulturzeitschrift „Sonn- tag“, von 1986–1989 war er Assistent der Geschäftsleitung im Aufbau-Verlag Berlin und Weimar.

฀฀฀฀฀ im P.E.N.-Club (seit 1991), war von 1992–2002 Mit- glied des Aufsichtsrates der Frankfurter Buchmesse, von 1998–2005 Mitglied des Mit- telstandsbeirates des Bundes- wirtschaftsministeriums, und promovierte 2008 am Institut für Bibliotheks- und Informati- onswissenschaft der Humboldt- Universität Berlin. Zahlreiche Buch- und Zeitschriftenveröf- fentlichungen sowie Herausga- ben zur Literatur- und Zeitge- schichte.

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Ihr Verlag feiert in diesem Jahr 20jähriges Verlagsjubilä- schlechten technischen Ausstattung und der geringen Markt- um. Herzlichen Glückwunsch! erfahrung ungünstige Ausgangsbedingungen, doch es wären Sie haben am 1. Dezember 1989 einen der ersten Privat- wesentlich mehr lebensfähig gewesen. Die branchenfremden verlage in der damaligen DDR gegründet, einen zeitge- Investoren haben vorgeführt, dass man übernommene Unter- schichtlichen Sachbuchverlag. Knapp ein Jahr nach der nehmen erfolgreich auf dem gesamtdeutschen Markt positio- Gründung fuhren Sie das erste Mal auf die Frankfurter nieren kann, man denke nur an den literarischen Aufbau-Ver- Buchmesse. Sie beschreiben, wie Sie geradezu „beängsti- lag oder den Seemann-Kunstverlag oder die Urania-Ratgeber. gend überschwenglich“ begrüßt wurden. Das war natürlich Doch die Treuhandanstalt hat vorrangig an die direkten kein Wunder, denn der erste Messetag fiel genau auf den westdeutschen Konkurrenten verkauft, und das oft für eine 3. Oktober 1990, den Tag der deutschen Einheit, und so einzige Mark und das vage Versprechen, die Firmen zu erhal- galt das geballte Medieninteresse und das Interesse der ten und in sie zu investieren. Das hat dann aber keiner mehr Kollegen natürlich einem der ersten neugegründeten Pri- kontrolliert. So wurden viele Verlage alsbald in Vertriebsbüros vatverlage des Ostens. Zwei Jahr später gestand Ihnen ein umgewandelt und dann ganz geschlossen. Münchner Verleger, dass einige Kollegen damals gewettet Der ostdeutsche Markt war als Absatzgebiet interessant, nicht haben, wie oft man den gepriesenen kleinen Ostverlag wohl als produzierender Konkurrenzstandort. Auf diese Weise ha- noch in Frankfurt sehen werde. Das optimistischste Gebot ben nicht nur manche Autoren ihre editorische Heimat verlo- lag bei drei Jahren. ren, sondern ist wirtschaftliche Kraft aus dem Osten abgeflos- Nachdem Sie die Schwierigkeiten der Anfangsphase nun sen, die bitter fehlt. Nicht ohne Grund sind viele Städte und ja offensichtlich entgegen der Kollegenmeinung gemeistert Regionen bis heute nur durch Transferleistungen aus dem haben: Wo sehen Sie im Gegensatz zu damals die Heraus- Westen lebensfähig, da es an Betrieben und entsprechendem forderungen für die nächsten Jahre? Was sind Ihre Zu- Steueraufkommen fehlt. kunftspläne? Gemeinsam mit Sybille Nitsche und Antje Taffelt haben Der Markt hat sich dramatisch verändert. Wir haben es zu- Sie für Ihr Buch „Das wunderbare Jahr der Anarchie“ nehmend mit einem Filialmarkt großer Ketten zu tun, der sich 40 Abenteuergeschichten aus dem letzten Jahr der DDR auf Bestseller konzentriert. Der engagierte mittelständische gesammelt, verblüffende und überraschende Geschichten Buchhandel, der ein breites, individuell ausgesuchtes Sorti- über die Kraft des zivilen Ungehorsams, welche die Fried- ment führt, gerät unter Druck. Das verlangt von uns Verla- liche Revolution im Oktober 1989 ermöglicht haben. gen mehr Anstrengungen im Bereich der Pressearbeit und des Warum sind diese Kreativität, diese so „undeutschen“, er- Marketings. Wir müssen auf unsere besonderen zeitgeschicht- frischend phantasievollen und auch befreiend witzigen Ak- lichen Themen mit vielfältigen Aktivitäten aufmerksam ma- tionen und die mutige Unerschrockenheit in der Konfron- chen, sei es durch Veranstaltungen oder Kooperationen mit tation mit der Macht heute so in Vergessenheit geraten? Fernsehanstalten. Da haben sich die Schwergewichte in den letzten Jahren erkennbar verschoben. Die öffentliche Diskussion der letzten Jahre hat sich sehr auf Die zentrale Herausforderung für die Zukunft ist der Digi- die Herrschaftsgeschichte, also die Diktaturmerkmale der DDR talmarkt. Romane werden vermutlich nicht auf dem Smart- konzentriert, auf Mauer, Stasi und Knast. Dabei sind der so- phone gelesen, aber kürzere politische Texte und historische ziale Alltag der Menschen, die Kulturgeschichte und ihr mu- Reiseführer schon. Darauf haben wir reagiert und zu Beginn tiger Aufbruchsgeist aus dem Blick geraten, was dann mit der des Jahres einen neuen Mitarbeiter für elektronische Bücher Ostalgiewelle seine Gegenbewegung gefunden hat. Wir woll- eingestellt. Inzwischen kann man die Inhalte all unserer Bü- ten dagegen die ganze Vielfalt des Lebens in der DDR behan- cher online recherchieren, viele Werke sind als PDF-Datei oder deln, durchaus kritisch und ohne Verklärung. Das ist auch der E-books für die entsprechenden Lesegeräte runterzuladen, Grund, warum wir uns in diesem Herbst mit den Legenden und demnächst bespielen wir auch die I-Phones. Geld wird der DDR auseinandersetzen („Friedensstaat, Leseland, Sport- in diesem Bereich noch nicht verdient, aber wir wollen die nation?“) und zugleich kreative Projekte in Ostdeutschland technologischen Entwicklungen aktiv begleiten und frühzei- vorstellen („Zukunft erfinden“). Es ist nämlich keineswegs so, tig praktische Erfahrungen sammeln. dass sich der Osten in sein Transferschicksal ergeben hat, son- dern die längeren Krisenerfahrungen haben vieler Orts neue In Ihrem gerade erschienenen Buch über „Das Schicksal Ideen sprießen lassen, die nun auch für den Westen von Inte- der DDR-Verlage“ rechnen Sie mit der Privatisierung durch resse sein dürften. Es gibt originelle Ansätze – von der sinn- die Treuhandanstalt und ihren Konsequenzen ab. Nur 12% vollen Umnutzung leerstehender Häuser in den Großstädten der alten ostdeutschen Verlage haben überlebt, von ehemals über alternative Energiegewinnung auf dem Lande bis hin zu 6000 Arbeitsplätzen sind 5500 kaputt gegangen. Heute eigenen Regionalwährungen –, die wir jetzt einer größeren kommen nur noch knapp 2% der deutschen Buchproduk- Öffentlichkeit vorstellen wollen. Dazu gibt es natürlich auch tion aus Ostdeutschland. Nun arbeiten Sie in Ihrem Buch eine eigene Webseite (www.zukunft-ostdeutschland.de) und die Geschichte jedes dieser ostdeutschen Verlagsunterneh- viele Veranstaltungen. men insbesondere in der Zeit von 1949 bis 1989 auf. Wel- chen Verlust bedauern Sie? Welche Fehler wurden gemacht Vielen Dank für das Gespräch. Wir warten also gespannt und wie hätte es anders gehen können? auf weitere Ideen und Bücher aus Ihrem Verlag.

Ja, es hätte anders laufen können. Natürlich hatten die ostdeutschen Verlage mit ihrem übergroßen Personal, der

5 I 2009 81 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION Als die Realität die Phantasie überholte

Renommierte Historiker und aktive Mitgestalter „Eines ist selbst 20 Jahre nach diesem wunderbaren Jahr, der Friedlichen Revolution entwerfen in dem in dem die Realität die Phantasie zu überholen schien, noch nicht Allgemeingut in unserem Land, nämlich dass von Klaus-Dietmar Henke im August bei dtv her- es keine Wiedervereinigung ohne eine demokratische DDR ausgegebenen Buch „Revolution und Vereinigung“ gegeben hätte und keine demokratische DDR ohne den Auf- ein Gesamtbild der Ereignisse von 1989/90 und bruch der Menschen in Ostdeutschland zur Demokratie.“ Über diesen bemerkenswerten Satz aus Ihrem Buch möchte seiner Folgen. Sie berichten von der Revolution in ich zunächst mit Ihnen sprechen. Warum ist diese Kern- Ostdeutschland, von den Bedingungen, die sie er- aussage noch immer nicht Allgemeingut in Deutschland? möglichten und von den Menschen, die sie mach- Woran hapert es? Die Erinnerung an Revolution und Vereinigung 1989/90 ist ten. Dieses Buch zeigt eindringlich, dass es vor natürlich noch geteilt, weil dieses erfreuliche Drama jeden allem der Freiheitswille des Volkes gewesen ist, einzelnen Ostdeutschen unmittelbar betroffen hat, die West- der diese Epochenwende auf der Straße erzwungen deutschen dagegen viel weniger existenziell. Wie soll da die Erinnerung ähnlich oder gar homogen sein? Schon deswe- hat – in Leipzig, in Dresden, in Berlin und gen wird noch viel Zeit vergehen, bis sich das in den alten an vielen anderen Orten der DDR. und in den neuen Ländern annähert und wir in der Bundes- Die Fragen an Klaus-Dietmar Henke stellte republik zu einer akzeptierten „einheitlichen“ Geschichtser- zählung dieses Epochenereignisses gefunden haben werden. Angelika Beyreuther. Ein Zweites: Vom Endpunkt des 3. Oktobers 1990 aus sind natürlich die Akteure auf der internationalen Bühne stark im Gedächtnis haften geblieben: Gorbatschow, Bush sen., That-

Klaus-Dietmar Henke geb. 1947, Dr. phil., Universitätsprofessor für Zeitgeschichte an der Tech- nischen Universität Dresden; Vorsitzender des Beirats der Stiftung Berliner Mauer; Stv. Vorsitzender des vom Deutschen Bundestag bestellten Wis- senschaftlichen Beratungsgremiums bei der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR; Mitglied des Beirats der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und Mitglied des Beirats der Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Studium der Geschichte und Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximili- ans-Universität München; 1979–1992 Wiss. Mitarbeiter am Institut für Zeit- geschichte in München (ab 1986 Stv. Chefredakteur der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte); 1992–1996 Abteilungsleiter Bildung und Forschung beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR; 1992–2002 Direktor des Hannah- Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden. Zahlreiche Veröffentlichungen zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhun- dert, zuletzt als Autor und Herausgeber u.a.: Die Dresdner Bank im Dritten Reich (4 Bände, zus. mit Johannes Bähr, Harald Wixforth, Dieter Ziegler), 2006; Wohin treibt die DDR-Erinnerung? Dokumentation einer Debatte (zus. mit Martin Sabrow u.a.), 2007; Tödliche Medizin im Nationalso- zialismus. Von der Rassenhygiene zum Massenmord, 2009; Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 10: Deutsche Demokratische Republik 1971–1989 (zus. Mit Christoph Boyer und Peter Skyba), 2008.

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cher, Mitterrand, Kohl, Genscher usw. Diese verständliche Per- sonalisierung überdeckt ein wenig die Voraussetzung für alles Weitere: dass es nämlich die ostdeutsche Demokratiebewe- gung gewesen ist, die die Mauer zum Einsturz gebracht und damit den Weg zur Wiedervereinigung frei gemacht hat.

Wird das große „Erinnerungsjahr 2009“ mit der beachtli- chen Zahl an Neuerscheinungen, den öffentlichen Gedenk- veranstaltungen und der generellen Medienaufmerksamkeit daran etwas ändern? Natürlich ist die öffentliche Geschichtserinnerung für ein ge- samtdeutsches Geschichtsbild von 1989/90 von großer Be- deutung. Die Historiker steuern dazu nur einen kleinen Teil bei, aber ohne den Rückbezug auf ihre Forschungsergebnisse kann im Erinnerungsgewerbe keiner seriös arbeiten. Für die nächste Generation gehört die ausschlaggebende historische Rolle der ostdeutschen Demokratiebewegung wahrscheinlich schon zum kleinen staatsbürgerlichen Einmaleins.

Sind Sie mit dem aktuellen Stand der „Aufarbeitung“ der SED-Diktatur zufrieden? Ich würde das gerne unter drei Gesichtspunkten mit Ihnen diskutieren: vom Standpunkt der zeitgeschichtlichen Forschung, vom Standpunkt der öf- fentlichen Wahrnehmung und, vielleicht lässt sich dieses aber nicht so ohne weiteres beantworten, vom Standpunkt der persönlich-familiären Erinnerungspraxis. Niemals in der Geschichte ist eine Diktatur in derart kurzer Zeit derart gründlich „aufgearbeitet“ worden. Die Zeitge- schichtswissenschaft kümmert sich intensiv um DDR. In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Zeit des deutschen Staats- kommunismus durch Literatur, Film, Medien, Gedenkstätten- arbeit usw. ebenfalls stark präsent. Von einer Verdrängung Henke, Klaus-Dietmar (Hrsg.): Revolution und Vereinigung kann überhaupt nicht die Rede sein. Dass sich die Menschen, 1989/90. Als in Deutschland die Realität die Phantasie die in der DDR gelebt haben, ganz unterschiedlich daran er- überholte. € innern, ist genauso normal wie die seinerzeit sehr disparate dtv, München 2009, 736 S. ISBN 978-3-423-24736-8. 19,90 Erinnerung an die NS-Zeit. Es ist eben ein Unterschied, ob Sie bei der Stasi waren, von dieser schikaniert wurden oder ein ganz normales Leben geführt haben. Anders als nach 1945 ist eine rosige DDR-Erinnerung – die da und dort gepflegt wird Das ist erfreulich. Einen solchen habe ich auch noch nicht – heute allerdings nicht im Mindesten etwa eine demokra- persönlich kennen gelernt. – Jetzt zu meiner letzten Frage: tiegefährdende Bedrohung; das Leichengift ist ungleich viel Obwohl ich mir der Schwierigkeit von geschichtlichen Ver- schwächer als damals. gleichen bewusst bin, an Sie als Zeitgeschichtler die Frage: Können die Menschen anderer Diktaturen am Beispiel des Sie sind Beiratsmitglied in der Gedenkstätte Berlin-Hohen- Untergangs der DDR Hoffnung schöpfen und daraus ler- schönhausen im ehemaligen Stasi-Gefängnis. Diese sehr nen? eindrucksvolle Gedenkstätte kann sich in den letzten Jah- In einem sehr allgemeinen Sinne vielleicht Ja: Menschen, die ren vor Besuchern kaum retten. Das finde ich erfreulich, unterdrückt werden, verfügen über die Kraft, für alle Zeiten denn dieses dunkle Kapitel der DDR-Geschichte verdient zementiert erscheinende Verhältnisse ins Tanzen zu bringen. es, nicht in Vergessenheit zu geraten. Es kommen aller- Das ist aber eine Erfahrung, die sich nicht erst aus der deut- dings viel mehr „Wessis“ als „Ossis“, das ist insbesondere schen Geschichte 1989/90 ergibt. Jeder kann wissen, dass er wohl auch bei den Schülergruppen zu beobachten. Wie fällt auf der richtigen Seite ist, wenn er sich nicht damit abfindet, Ihre Analyse hierzu aus und was könnte man dagegen tun? dass seine unveräußerlichen Rechte eingeschränkt werden. Der Gedenkstätten-Besuch nimmt überall zu. Hohenschön- Deswegen sagt Hannah Arendt, wir befassten uns nicht mit hausen ist Pflichtprogramm diverser Berlin-Reiseprogramme, Geschichte, damit sich diese nicht wiederhole, sondern um und da kommen halt weniger „Ossis“ als „Wessis“, weil es urteilsfähig zu bleiben. So gesehen sind die Opposition gegen weniger von ihnen gibt. Ob die spezielle Art der Profilierung den Sowjetkommunismus, die ja nie ganz zum Schweigen ge- des dortigen Direktors ostdeutsche Besucher eher abschreckt bracht werden konnte, und die ostdeutsche Revolution von als anzieht, vermag ich nicht zu sagen. Im Übrigen ist hier viel 1989 ein ermutigendes Lehrstück für Menschen in unfreien durchsichtige Dramatisierung im Spiel. Unter meinen Dresd- Gesellschaften. ner Studenten beispielsweise bin ich noch keinem einzigen unbelehrbar bornierten „Ossi“ begegnet. Herr Henke, ich danke Ihnen ganz herzlich.

5 I 2009 83 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

Freiheit ist kein Geschenk

Ilko-Sascha Kowalczuk

(geb. 1967 in Ost-Berlin) absolvierte eine Ausbildung zum Baufacharbeiter und arbeitete danach als Pförtner in einem Institut. Ab 1990 studierte er Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Pro- moviert wurde er 2002 an der Universität Potsdam. Von 1995 bis 1998 war er ehrenamtliches sachverständiges Mitglied in der Enquete-Kommission „Aufarbei- tung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur“ des deutschen Bundestages. Von 1998 bis 2000 arbeitete er als wissenschaftlicher Referent in der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Seit 2001 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Leitungsfunktionen in der Abteilung Bildung und Forschung bei der Bun- desbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR und assoziierter Forscher bei der Robert-Havemann-Gesellschaft Berlin. PeterHimsel : Fotos

©

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„In der DDR ist alles grau, nur die Flüsse sind Der Freiheitswille war für Sie der entscheidende Schlüs- bunt“, lautete einer der sarkastischen Witze, mit sel für die Herausbildung der Bürgerbewegungen, für die Massenflucht und für die Massendemonstrationen. Sie denen die Ostdeutschen die desolaten Zustände lassen keinen Zweifel daran, dass 1989 den Bürgerinnen in ihrem Land aufs Korn nahmen. Angesichts der und Bürgern der DDR eine Revolution geglückt ist. War- verheerenden wirtschaftlichen Lage und der politi- um ist diese mutige Revolution kein großes Thema in der bundesdeutschen Öffentlichkeit? Und warum existiert in schen Reformunfähigkeit des SED-Regimes wand- Deutschland eigentlich Skepsis gegen die Verwendung des ten sich immer mehr Menschen vom System ab. Revolutionsbegriffs für die Ereignisse von 1989? Ilko-Sascha Kowalczuk erklärt in seinem Buch das 1989/90 war eine utopiefreie Revolution, eine Freiheitsre- volution. Revolutionen bekommen ganz oft Bedeutungen, Paradoxon der scheinbaren Stabilität und Ruhe in Inhalte und Zuschreibungen zugeordnet, die viele für selbst- der DDR bis 1989 und dann das hohe Tempo des verständlich halten, die es aber historisch nicht sind. Die be- kompletten Staats- und Systemzerfalls innerhalb rühmteste lautet, ohne Blut, Rache und Opfer könne sich keine Revolution verwirklichen, weil dies bedeuten würde, weniger Wochen. Er beschreibt, wie sich die Krise dass die Machthaber zur Machtaufgabe bereit gewesen wä- ab Mitte der 1980er Jahre zuspitzte, wie 1989 die ren oder diese von sich aus abgegeben hätten. Das Argument revolutionäre Situation heranreifte, die gleicher- übersieht jedoch die konkreten historischen Kontexte. Die Revolutionen gegen den Kommunismus sind dafür ein gutes maßen von Zusammenbruch, Massenflucht, neuen Beispiel. Wegen des extremen Zentralismus und des Kada- Bürgerbewegungen und Massendemonstrationen vergehorsams in den kommunistischen Herrschaftsapparaten geprägt war, und geht dann auf die nochmals sowie der Eingebundenheit der nationalen Systeme in das Moskauer Imperium konnten diese ohne eine neue oder kla- rasant verschärften Entwicklungen zwischen Ho- re Befehlslage nur so weitermachen wie gewohnt und nicht neckers Rücktritt und den demokratischen Wahlen vom 18. März 1990 ein.

Entstanden ist ein Standardwerk über eine erfolg- reiche deutsche Revolution – und ein erfrischendes und wunderbar lesbares Buch!

Am 28. September sprachen Angelika Beyreuther und Ilko-Sascha Kowalczuk über dieses spannende Buch, über Revolutionsromantik und Revoluti- onsneid, über mutige Menschen und befreiendes Lachen, über lächerliche Funktionäre, über den prestigeträchtigen Job als Pförtner und über die ganz aktuelle Notwendigkeit, mit Vehemenz auch für das Freiheitsrecht unserer Nachbarn einzu- stehen, egal, woher sie kommen, was sie glauben und wie sie aussehen mögen.

Ilko-Sascha Kowalczuk: Endspiel. Die Revolution von 1989 in der DDR. Verlag C.H.Beck, München 2009, 602 S., geb., ISBN 978-3-406-58357-5, 24,90 €

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offensiv reagieren. In der DDR ahnte das 1989 kaum jemand, Bundesrepublik, die jahrelang von einer Revolution träumten, weshalb das Credo „Keine Gewalt“ – das eine Reaktion auf reagierten als plötzlich vor ihrer Haustür eine stattfand. Sie staatliche Gewalt darstellte – vor allem dem Selbstschutz der ignorier(t)en sie einfach oder verhöhn(t)en sie. „Revolutions- Demonstranten galt. Zur „Revolutionsromantik“ gehört zu- neid“ speist sich auch aus der Angst, die eigene politische dem der Glaube, die erste Phase der Revolution bestimme da- Biographie im Westen, die geprägt gewesen sei von Mut, rüber, was aus ihr werden solle und wer künftig die Geschicke Widerstand und politischer Weitsicht, würde durch 1989/90 des Landes zu bestimmen habe. Dazu gehört ferner eine tiefe entwertet, weil Mut und Widerstand nun ganz andere Zu- Skepsis gegenüber dem Staat, nicht allein gegenüber dem schreibungen erfuhren. Den Untergang der DDR als Revolu- überwundenen, sondern gegenüber jeglichem Staat (sofern tion zu bezeichnen, müsste zudem das Eingeständnis ent- man diesen nicht selbst in der Hand hat). Auch demokra- halten, die kommunistischen Diktaturen schon längst nicht tische Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse, die kei- mehr als solche wahrgenommen zu haben. Denn nur wenn nen basisdemokratischen Rätemodellen entsprechen, lehnen es sich um undemokratische, unfreie, diktatorische Staaten „Revolutionsromantiker“ meistens ab. Schließlich gehört zur handelte, machte eine Revolution historischen Sinn. Deshalb „Revolutionsromantik“ der Glaube, eine Revolution löse alle ist es von der Ablehnung des Revolutionsbegriffs oft nur ein Probleme und schaffe keine neuen. Sie können nicht akzep- kurzer Schritt zur Verharmlosung des politischen Systems der tieren, dass es soziale Gleichheit in einer Offenen Gesellschaft DDR. nicht geben kann. Völlig verständnislos stehen sie Theorien gegenüber, die soziale Ungleichheiten als gesellschaftliche Nun war ja auch der Erfolg der Revolution keineswegs ge- Entwicklungsmotoren auffassen. Das hat zwar im Kern auch wiss, die „chinesische Lösung“ stand im Raum, also die Marx so gesehen, nur leiten sie daraus mit ihm ab, das könn- Niederknüppelung und der Einsatz von Waffengewalt ge- te in ihren Gesellschaftsmodellen aufgehoben werden und gen die Demonstrierenden. Die DDR war unglaublich mili- in soziale Gleichheit überführt werden. Die Sehnsucht nach tarisiert, das Regime also keineswegs harmlos, es hielt eine Arkadien beinhaltet allerdings nicht nur die soziale Kompo- halbe Million Menschen ständig unter Waffen. Daneben nente. Denn dahinter stehen auch gegen die individuelle und gab es noch die gleiche Anzahl von Sowjetsoldaten, die gesellschaftliche Freiheit gerichtete Annahmen. Der Revolu- im Land stationiert waren. Ich habe mir die Frage immer tionsbegriff stößt daher auch bei all jenen auf Vorbehalte wieder gestellt, woher die Akteure den Mut nahmen und oder Ablehnung, die den Willen zur Freiheit für eine Revolu- trotz der gefährlichen Lage so handelten? Glauben Sie, das tion nicht als konstitutiv anerkennen und die nicht akzeptie- ist das Grundmuster jeder Revolution? ren können, dass der Freiheitswille 1989 der entscheidende Diktaturen funktionieren, weil sie Angst verbreiten. Diese Schlüssel für die Herausbildung der Bürgerbewegungen, für speist sich aus realen eigenen Erfahrungen, aber auch aus Imaginationen, die wiederum in Erfahrungen Dritter wurzeln. Ak- teure, die gegen Diktaturen auf- Mein ganzes Leben wird bis zum Ende meiner irdischen Tage begehren, müssen zunächst ihre in die Zeit „davor“ und „danach“ eingeteilt bleiben. Wenn ich eigene Angst überwinden. Dies geschieht ganz oft zweigleisig: einmal von den Geburten meiner vier Kinder absehe, hat mein die eigene Angst wird überwun- Leben nichts so sehr beeinflusst wie die Revolution von 1989. den, ohne die Angst vollständig Nichts, aber auch wirklich nichts, was ich heute machen kann, zu verlieren. Dieser Mut speist sich aus Wut, aus der Kraft an- wäre mir vor 1989 und ohne 1989 auch nur ansatzweise mög- derer, aus leidvollen Erfahrun- lich gewesen. gen, aus Trauer, aus der eigenen Religiosität, aus vielen Wurzeln. Manchmal auch schlicht aus der die Massenflucht und für die Massendemonstrationen war. Tatsache, etwas gemacht zu haben und dafür nicht belangt Es dominiert bei der Betrachtung von „1989“ noch immer die worden zu sein, so dass man beim nächsten Mal noch mehr Annahme, mit Gorbatschow habe alles begonnen und ihm wagt. 1989 kam hinzu, dass nicht nur sichtbar wurde, dass es sei alles zu verdanken. Tatsächlich war Gorbatschows Macht- immer mehr Menschen werden, die sich trauen: abzuhauen, übernahme bereits das Ergebnis einer tiefen Krise einerseits zu demonstrieren, zu protestieren, Bewegungen offen bei- und einer gesellschaftlichen Widerstandsbewegung anderer- zutreten. Ebenso war ja auch sichtbar, dass der SED-Staat seits, die ihren Beginn in Polen nahm. Die DDR-Revolution ist zwar lautstark seinen Ideologie- und Propagandakrieg fort- ohne den internationalen Zusammenhang nicht zu erklären, führte, bis Anfang Oktober 1989 auch Gewalt einsetzte, aber aber er schränkt wiederum, wie oft behauptet wird, die Mög- es dennoch täglich mehr mutige Menschen wurden, die aus lichkeit, die Vorgänge als Revolution zu bezeichnen, auch der Verzweiflung heraus das System endlich ändern wollten. nicht ein. Wer die 1848er Revolutionen, die russische Feb- Und es war offenkundig, dass der Partei- und Staatsapparat ruarrevolution und den bolschewistischen Putsch 1917 oder von den Erosionsprozessen selbst nicht verschont geblieben die deutsche Novemberrevolution von 1918 ohne die offen- war. Die Überwindung der Angst hat entscheidend dazu bei- kundigen internationalen Zusammenhänge erklären wollte, getragen, das System zu beseitigen. Selbst wenn man glaubt, würde auch nicht weit kommen. es lag ohnehin in Agonie, aber auch für den letzten Stoß Es gibt übrigens auch einen unausgesprochenen „Revolu- bedurfte es Mut. Niemand konnte ja wissen, dass die Panzer tionsneid“. Man muss schon fragen, wie diejenigen in der nicht wie in China auffuhren. Und dass selbst abgewirtschaf-

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tete Diktaturen – wie z.B. Nordkorea oder Kuba – sich zu ihre Angst überwanden, das lebensbedrohliche Wagnis einer halten wissen, sehen wir ja auch in der Gegenwart. Insofern Flucht eingingen und so mit ihrem Vorbild andere ermunter- glaube ich schon, dass die Überwindung der eigenen Angst ten, es ihnen gleich zu tun. zu jeder Revolution dazu gehört. Man verbindet die Friedliche Revolution mit den Kirchen. Sie haben sich nicht ausschließlich mit den revolutionä- Wie stark war der kirchliche Anteil an der Revolution? ren Ereignissen in den Großstädten Berlin, Leipzig oder Kam die Revolution wirklich aus der Kirche? Dresden beschäftigt, sondern auch die Ereignisse in den Die Kirchen spielten in der DDR eine ganze wichtige Rolle, Regionen intensiv ausgeleuchtet. Was hat Sie da am meis- waren sie doch die einzigen verbliebenen Großinstitutionen, ten überrascht? die vom Ansatz her gegen den atheistischen Weltanschau- Zwei Dinge. Erstens, dass auf einer großen Protestdemons- ungsstaat standen. Innerhalb der Evangelischen Kirchen hat tration in Plauen am 7. Oktober 1989 mit bis zu 15.000 es in den 1980er Jahren zum Teil scharfe Auseinanderset- Teilnehmern offen die deutsche Frage angesprochen wurde. zungen darüber gegeben, wie die Kirchen mit den Opposi- Überhaupt ist diese oft übersehene große Protestaktion in tionsgruppen unter ihren Dächern umgehen sollten. Letzt- Plauen ein historisches Faszinosum. Die Revolution konn- lich entschied jede Gemeinde autonom darüber. Viele haben te nur erfolgreich sein, weil sie nicht auf wenige Zentren sich hier Meriten erworben, einige wenige haben versagt. Die beschränkt blieb, sondern sich gleich einem Flächenbrand Kirchen haben sich oft als Moderatoren zwischen Staat und über das ganze Land ausbreitete. Zweitens, der Mut weniger Gruppen verstanden, ganz oft haben sie allerdings auch den steckte schnell andere an, sodass aus wenigen viele wurden. Fehler gemacht, Staat und Gesellschaft in Eins zu setzen. Der Dabei darf man nie vergessen, selbst diese Revolution war hohe Anteil von Theologen, Pfarrern und Kirchenmitarbeitern die einer Minderheit, die Masse stand passiv und abwartend in den Bürgerbewegungen hing mit zwei Dingen zusammen: dazwischen, wie immer. Die wenigen, die zuerst Mut fassten, zum einen bot die Kirche vielen Unangepassten ein berufli- waren aber nicht nur auf die Aktiven der Bürgerbewegungen ches Betätigungsfeld, ja, so mancher wurde Theologe in der und bei den Demonstrationen beschränkt. Auch der Massen- DDR, weil ihm anderes versagt blieb. Theologie als Nische, flüchtlingsstrom, der ja zur Revolution dazu gehört, weil er könnte man etwas überspitzt formulieren. Zweitens kam hin- mobilisierte und viele Menschen zur Bewegung brachte – ob zu, dass nur im Rahmen der Kirchen freies Denken und damit nun zur Flucht oder im Land auf die Straßen –, auch vor auch die freie Rede geprobt werden konnte. Beides war im der Massenflucht standen zunächst einzelne, wenige, die Herbst 1989 besonders gefragt.

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rst utes Nature 1925 1953 1966 1975 1985 1994 1999 2001 2003 2005 1896 Discovery of an earlyWatson and Crick decipherWilson’s paper on Creation of the fi Discovery of a hole Nicolaouin the achieves1996 total The discovery of the The Human Genome isNew insights into Scientists create world’s First x-rays observedhominid the structure of DNA plate tectonics monoclonal antibodiesozone layer synthesis of TaxolBirth of Dolly the sheepoldest playable fl published in Autoimmunity smallest brushes

1869 1897 1932 1960 1968 1983 1992 1995 1998 2000 2002 2004 Issue 1 of Discovery of theThe electron splitting of the atomTheodore MaimanFirst builds paper on a pulsatingGottlieb’s star AIDS paper 300,000 year-old skullFirst discovery of aA planet coelacanth is rediscoveredAlzheimer’s pathwaySkull remains are found Nature the fi remains are found outside our Solar System identifi in Africa presidential candidates Bush rst laser and Kerry on publishes a range of answers by Nature ed science related issues

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5 I 2009 87 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

müssen wir auch die Geschichte unserer Mitbewohner kennen und darüber sachkundig mitdiskutieren können. Das gilt für Deutschland allemal. Leider sind wir davon noch ein gutes Stückchen entfernt.

Diese Frage gehört dazu: Können andere Ihnen eventuell vorwerfen, Sie glorifizierten aus subjektiver Sympathie die Ereignisse von 1989? Denn Sie selbst gehören zu den His- torikern, die sich zur subjektiven Begrenztheit historischer Erkenntnismöglichkeiten bekennen. Das müssen andere, vielleicht die Leser und Leserinnen ent- scheiden. Ich wüsste freilich nicht, warum eine geglück- te Freiheitsrevolution nicht auch sympathisch sein darf. Da ich selbst aktiver Begleiter dieses historischen Prozess war, schlägt meine Empathie natürlich noch immer auch in Be- geisterung um. Mein ganzes Leben wird bis zum Ende meiner irdischen Tage in die Zeit „davor“ und „danach“ eingeteilt bleiben. Wenn ich einmal von den Geburten meiner vier Kin- der absehe, hat mein Leben nichts so sehr beeinflusst wie die Revolution von 1989. Nichts, aber auch wirklich nichts, was ich heute machen kann, wäre mir vor 1989 und ohne 1989 auch nur ansatzweise möglich gewesen. Was die Begrenztheit historischer Erkenntnismöglichkeiten anbelangt, so hat diese Einsicht damit aber gar nichts zu tun. Natürlich hat die Historiographie strenge wissenschaftliche

©Frank Ebert, Robert-Havemann-Gesellschaft Regeln. Aber jeder Forschungs- und Schreibprozess trägt eine individuelle Handschrift, die ich nicht verleugnen kann. His- torische Fragen sind interessensgeleitet, gegenwartsgebun- Ja, die Revolution kam aus der Kirche. Aber etwas anders, als den. Wer das leugnet, macht sich in meinen Augen lächerlich. Sie vielleicht meinen. Denn die Opposition, die ja größtenteils Nur zwei Beispiele: Setzen Sie zwei Historiker vor die gleiche in kirchlichen Schutzräumen agierte, wollte tatsächlich ab Aufgabe – Sie werden zwei ganz verschiedene Produkte, bei- 1988 immer stärker heraus aus der Kirche. Und als dann auch de im besten Falle höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen noch 1989 die Menschen begannen, nach Friedensgebeten genügend, erhalten. Oder: schauen Sie sich eine x-beliebige aus den Kirchen herauszutreten und nicht einfach nur nach Chronik an. Wer kann denn hier an Objektivität glauben? Hause gingen, sondern sich zu Protestzügen formierten, be- Nicht nur die Auswahl der Daten und Fakten, auch die Dar- gann die Revolution. Die Bewegung musste aus den Kirchen stellung dieser bleibt letztlich bei aller Abwägung subjektiv. heraus, um in die Mitte der Gesellschaft vorzustoßen. Geschichte stellt immer nur einen Ausschnitt der viel umfang- reicheren und komplexeren Vergangenheit dar. Anders geht es auch nicht. Diejenigen, die in ihrer Geschichtsschreibung die- Jetzt will ich noch ein etwas anderes Thema ansprechen. se Auswahl am überzeugendsten präsentieren und mit ihren Mit dem Establishment der Geschichtswissenschaften an Fragestellungen begründen, haben am ehesten die Chance, den deutschen Universitäten gehen Sie an so mancher Stel- auch noch von einer Generation später gelesen und diskutiert le in Ihrem Buch nicht gerade gnädig um. Was haben Sie zu werden. Das gelingt, wie wir wissen, nur ganz wenigen. an deren Auseinandersetzung – oder Nicht-Auseinander- Und gerade Historiographie verlangt eben auch neben aller setzung? – mit der DDR-Geschichte auszusetzen? Wissenschaftlichkeit den Willen, etwas so darzustellen, dass Nach der Öffnung der DDR-Archive ab 1990 gab es einen das Lesen nicht nur Arbeit bedeutet. regelrechten Forschungsboom. Es stellte sich dann aber ganz schnell heraus, dass man mit DDR-Geschichte kaum Karriere Das ist Ihnen zweifelsohne mit Ihrem Buch „Endspiel“ ge- machen kann. Die DDR-Geschichte verlor dann natürlich für lungen. – Meine nächste Frage gilt dem politischen Ein- karrierebewusste Forscher und Forscherinnen an Attraktivi- fluss der Bürgerrechtler heute. Die Bürgerrechtler werden tät. Auf der einen Seite gehört die DDR heute zu den am zwar als mutige Menschen gewürdigt, aber oftmals wurde besten erforschten Gegenständen der Zeitgeschichte. Auf der in Gutsherrenmanier die politische Handlungsfähigkeit anderen Seite aber gibt es nur an ganz wenigen Universitäten in Zweifel gezogen. Wo sehen Sie denn die Ursachen da- und Hochschulen, an den Historischen Seminaren, Lehran- für, dass die Bürgerrechtsbewegung im wiedervereinigten gebote zur DDR-Geschichte, zur Geschichte des Kommunis- Deutschland wenig politischen Einfluss gewann? mus überhaupt. Das wird Folgen haben für den künftigen Dies ist eine weitverbreitete Meinung, die ich so nicht teile. Geschichtsunterricht. Es existieren im Osten zwar eine Reihe Zunächst: die Bürgerrechtsbewegung ist nicht an den Start zeitgeschichtlicher Forschungsinstitutionen mit DDR-Schwer- gegangen, um die Macht zu erlangen. Ihr Hauptziel bestand punkt, aber die DDR-Geschichte ist 20 Jahre nach dem Un- darin, Freiheit und Demokratie zu erkämpfen. Sie wollte freie tergang des europäischen Kommunismus keine Regionalan- demokratische Wahlen, nicht die Macht von den Kommunis- gelegenheit. Wollen wir ein lebendiges und einiges Europa, so ten zu übernehmen, ohne demokratisch legitimiert zu sein.

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Das schloss auch die Gefahr ein, selbst wieder marginali- wenn der Einzelne etwas positiv preisen mag, mir fällt aller- siert zu werden. Am Abend des 18. März 1990, dem Tag dings gerade nichts ein – immer nur im Zusammenhang mit der Volkskammerwahlen, haben viele Bürgerrechtler, obwohl der Unfreiheit gesehen werden kann. D.h., ob mir dies nun sie nur wenige Prozentpunkte gewannen, davon gesprochen, passt oder nicht – und mir passte dies auch nicht immer –, dass sie die Gewinner seien, denn es gab freie Wahlen. den Anpassungsdruck gab es im Osten, nicht im Westen. Ich Es kommt hinzu, dass bestimmte Debatten in Deutschland hätte mir auch vieles anders gewünscht, z.B. einen Verfas- seit 1990 ohne die Stimmen aus der Bürgerrechtsbewegung sungskonvent; ich hätte mir auch gewünscht, dass so man- gar nicht zustande gekommen oder versiegt wären. Ich kann che Person aus der Bürgerrechtsbewegung eine wichtigere dies hier nur andeuten: der gesamte Aufarbeitungsprozess politische Rolle spielte. Wenn ich im Westen groß geworden über die kommunistische Diktatur ist ohne die Bürgerbewe- wäre, wäre ich aber auch nicht auf die Idee gekommen, diese gungen gar nicht denkbar. Viele haben vergessen, dass Hel- Frage überhaupt zu stellen. Denn im Gesamtmaßstab muss mut Kohl und Wolfgang Schäuble 1990 die MfS-Akten am dann doch sehen, dass das eingespielte System weiter funkti- liebsten für immer unter Verschluss gehalten hätten. Es wird onierte und die neu Hinzugekommenen sich darin irgendwie späteren Generationen vorbehalten bleiben, die Öffnung die- zurecht finden mussten. Die alte Bundesrepublik hatte keinen ser Akten und die damit zusammenhängenden Debatten in Legitimationsdruck nach 1990. Und wer heute an Verände- Bezug auf die Veränderung der politischen Kultur Deutsch- rungen mitwirken will, sich einbringen will, ist gut beraten, lands eingehend zu untersuchen. Der kritische Blick auf die seine Argumente aus der Gegenwart zu ziehen. Historische DDR beförderte – wenn auch ganz allmählich – den kriti- Verdienste legitimieren zum Glück nicht gesellschaftspoliti- schen Blick auf die Bundesrepublik (meistens wird etwas Um- sches Handeln heute. Die Bürgerrechtsbewegung der DDR ist gekehrtes behauptet). seit 20 Jahren Geschichte. Einen Aspekt will ich noch anfügen, das darf man nicht ver- gessen: so reformbedürftig die Bundesrepublik 1989 auch Ich will trotzdem nochmal Episoden aus der Zeit vor 20 gewesen sein mag – nicht dort fand eine Revolution statt, Jahren aufgreifen. Otto Schily wurde am Abend der ersten sondern in der kommunistischen DDR, die nicht reformfähig, freien Wahlen am 18. März 1990 vor laufender Kamera sondern nur restlos zu beseitigen war. Sie war ein extrem um einen Kommentar über das magere SPD-Ergebnis ge- unfreiheitliches Regime, dessen Gestalt insgesamt – selbst beten. Er zog als Antwort grinsend eine Banane aus dem

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Sakko! Auch in der DDR gab es an dem Abend höhni- auch kommen, welchem Glauben sie anhängen und wie sie sche Verleumdungen des Wahlergebnisses. Sie schreiben aussehen mögen, kommen wir dem Prinzip freiheitlicher und auch über Joschka Fischer, der seine Gefühlslage in einer solidarischer Gesellschaften – regional, national, transnatio- Runde mit Mitgliedern des Bündnis 90 sinngemäß später nal und global gleichermaßen – wenigstens nahe. mal so ausgedrückt habe: wenn „wir“ das gemacht hätten, hätten „wir“ es aber richtig gemacht – und meinte wohl Da stimme ich mit Ihnen ganz überein. Trotzdem will ich die Revolution? Die Arroganz und Unwissenheit, die darin die Standardfrage nach den DDR-Nostalgikern noch los zum Ausdruck kommt, ist eigentlich ungeheuerlich. Ich werden. Wie schätzen Sie die ein? befürchte, daran hat sich nicht allzu viel geändert in den Da bin ich einigermaßen gelassen – als Historiker. Die gibt es letzten 20 Jahren. Wie sollte unter solchen Voraussetzun- übrigens nicht nur im Osten, sondern zunehmend auch im gen das Zusammenleben der Menschen in dem wiederver- Westen, was mich wiederum bekümmert. Wer weiß schon, einigten Staat gelingen? dass rechtlich gesehen die SED noch immer existiert, nur Erstens sollten wir Unterschiede anerkennen. Zweitens sollte jetzt gerade unter dem Namen „Die Linke“. Und schon wieder man Menschen nicht nur am Gestern, sondern auch an ihrer ist ein Saarländer Chef. – Doch zu Ihrer Frage: Stellung und an ihrem Denken im Jetzt messen. Drittens wä- Wenn historische Epochen zu Ende gehen, erinnern sich die re es angeraten, sich für das Woher des Einzelnen zu interes- Zeitzeugen oft mit einer gewissen Wehmut an „früher“. Da sieren. Das wird Sie überraschen, was ich jetzt sage: Oft wird die gewohnten Bahnen verlassen werden, blicken die Men- gefordert, die Westler sollten sich schen nostalgisch zurück. die Geschichten und Biographien Das Wort „Ostalgie“ meint der Ostler anhören. Ja, das stimmt. zunächst nichts ande- Aber dies gilt auch umgekehrt. Ich Die Bürgerrechtsbewegung ist nicht an res als eine Verbindung erlebe ganz oft im Osten, dass sich den Start gegangen, um die Macht zu von solcherart harmloser die Menschen dort für die konkre- „Nostalgie“ und dem re- ten Entwicklungen und Biogra- erlangen. Ihr Hauptziel bestand darin, gionalspezifischen „Osten“. phien im Westen vor 1989 nicht Freiheit und Demokratie zu erkämpfen. Problematisch wird solche interessieren, dass sie glauben, sie Erinnerungsarbeit erst, kennten dies alles, das Spannende wenn auch die politischen sei ihnen widerfahren, im Westen Verhältnisse schöngere- dagegen sei alles langweilig und gleichförmig verlaufen. det oder gar verharmlost werden und solche Ostalgiker sich Ehrlich gesagt denke ich über das Zusammenleben der Men- Verhältnisse wie in der DDR herbeiwünschen. Mit der realen schen im wiedervereinigten Deutschland – damit sind ja historischen DDR haben solche Sehnsüchte allerdings fast nie Deutsche und Weiße gemeint – nicht so intensiv nach. Das etwas zu tun, weil die Ostalgiker zur Verklärung, Verharmlo- funktioniert doch. Spannungen gibt es überall, die können sung oder schlicht historischen Realitätsverweigerung neigen. doch produktiv genutzt werden. Und unsere Kinder werden Politisch muss man dies ernst nehmen, kulturell kann man nicht einmal diese Frage verstehen. darauf gelassen reagieren. Freiheitliche Gesellschaften bewei- Mehr bekümmert mich, dass wir weiße Deutsche uns in Ost sen ihre Kraft gerade in solcher Gelassenheit und darin, auch wie West, Nord wie Süd so einig in unserer zunehmenden die Unzufriedenen zu integrieren. Abgrenzung gegenüber Schwarzen oder Muslimen sind. Nur wenn ich mit der gleichen Vehemenz das Freiheitsrecht mei- Wie viele junge Menschen in der damaligen DDR emp- ner Nachbarn verteidige wie mein eigenes, egal, woher sie fanden Sie das SED-System als, wie Sie sagen, „unat-

Christa Thien: Der andere und der bessere Deutsche. Über die Rezeption der Wiedervereinigung in Filmen und Serien im Fernsehen in den frühen 90er Jahren Dieses Buch beschäftigt sich mit der Aufarbeitung von Wende und Wiedervereinigung in den fiktionalen Erzählformen des Fernsehens. Wie wurde der Stoff dramatisiert, welche Motive durchziehen ihn leitbildartig, und mit welchem Bewusstsein der Wende wurden die Figuren ausgestattet? Untersucht werden ausgewählte Beispiele von Vereinigungskomödien sowie TV-Serien wie „Motzki“ und „Lindenstraße“. Es wird eine Typologie ostdeutscher Figuren entworfen und ein Überblick der zentralen Themen des öffentlichen Meinungsbildes gegeben. Dabei steht weniger die filmästhetische Betrachtung, sondern ein ideengeschichtlicher Zugang bei der gesellschaftlichen Diskussion um das Geschichtsverständnis der Deutschen im Vordergrund. Ob und wie die Wiedervereinigung „bewältigt“ wurde und welchen Beitrag die im Fernsehen erzählten Geschichten dazu geleistet haben, sind Kernfragen dieser Studie. Münster 2008, zugl. Diss. phil., br., 530 S., 4 Abb., Farbcover, Bibliogr., Filmografie, ISBN 978-3-933060-28-0, EUR 39,80.

Telos Verlag Dr. Roland Seim · Verlag für Kulturwissenschaft · Im Sundern 7-9 · D-48157 Münster · www.telos-verlag.de

90 5 I 2009 IM FOKUS: 20 JAHREwww. FRIEDLICHEmarix REVOLUTIONverlag.de

traktiv, bevormundend, lang- Friedhofsgärtner, Pförtner, Essens- weilig, meistens abstoßend“ und austräger oder so – dann wusste Sie empfanden es als „unfassbar man, der oder die „stimmt“. Geirrt unfreundlich, bis zum Reichs- hat man sich selten dabei. Meine bahner hinunter“ – übrigens ein Generation hatte auch kaum noch Eindruck, den auch Wessis da- Angst vorm MfS, selbst wenn man mals schon teilten. Kein Wunder, bestimmte Techniken ansozialisiert dass den alten Männern der DDR- bekommen hatte, wie man in der Öf- Führung die Jugend davon rann- fentlichkeit agiert. Aber eines sollten te. Sie gehörten in der DDR zur Sie auch wissen: niemand, der durch „uneinheitlichen Masse“, weder die Erziehungsinstanzen dieses Sys- SED-Mitglied noch organisierte tems gegangen ist, blieb davon völlig Opposition. Warum hat das mit unberührt und unbeeinträchtigt. Die der durchgestylten Erziehung zum Folgen sind durchaus noch heute zu „sozialistischen Menschen“ bei besichtigen, auch an mir. Die werde Ihnen und bei den vielen anderen ich Ihnen aber nicht verraten. Jugendlichen denn so ganz und gar nicht geklappt? Meine letzte Frage speist sich aus So richtig kann ich Ihnen das nicht der erfreulichen Tatsache, dass beantworten. Manchmal glaube ich, Sie vier Kinder haben. Über wel- Hgdalak[`]<]ZYll]fkaf\\Yk]af]$cgfcj]l_]d]Zl]k wir haben das, was uns abverlangt che Errungenschaften im wieder- D]Z]f\YkYf\]j]&’:dY[c:gp<Y`j]j$]afC¾fkld]j$ ja nicht den Glaube an den „wahren“ bewältigen haben werden, sich an ]af]N]jlja]Z]f]¾Z]j\a]k]kDYf\7OYk]af]j$\]jÛ¾[`% Sozialismus damals aufgeben, aber vielem reiben werden, sich hoffent- l]l]$]afR]m_]B]`gnYk$]afOakk]fk[`Y^ld]jaeYcl]f&=af]afr]df]kcgfcj]l]kD]Z]fkl]`l Angst bei – das waren einfach nur lä- Glück und Genugtuung. Ich hof- kgg^l^¾j=j^Y`jmf_]fngfLYmk]f\]f$bYeYf[`eYd cherliche Figuren. Meine Generation fe allerdings auch, dass sie lernen, Eaddagf]f& hatte es natürlich einfacher, weil wir dass Freiheit kein Geschenk ist, das ak[`]j%Kgdek$JgeYf sucht, Pförtner, wo ich soweit unten schafts- ebenso wie als Lebensprin- ?jY^]$CYjaf@Yjl]oa_$;YjdY@a[ck$@]d_Y@ajk[`$ in der offiziellen gesellschaftlichen zip. Meinen 45. Geburtstag im Jah- :]f]\a[l%EYjaYE¾d\]j$?jalHghh]& Skala war, dass mir der Staat nichts re 2012 werde ich übrigens ganz mehr anhaben konnte, es sei denn, er besonders feiern: Dann lebe ich ein Ines Geipel und Andreas Petersen sperrte mich im Mauerstaat nochmals Jahr länger in der Freiheit als in der Black Box DDR ein, und zwar in den Knast. Mir ist Diktatur. Unerzählte Leben unterm dies nicht passiert, ich kannte damals SED-Regime aber viele, die weniger Glück hatten. Herr Kowalczuk, ganz herzlichen Und ein solcher Pförtnerjob, was sich Dank für dieses Gespräch. Ich Gebunden mit Schutzumschlag, 320 S., heute ziemlich skurril anhört, ver- freue mich auf Ihre nächsten Ver- Format: 12,5 x 20 cm sprach in bestimmten gesellschaft- öffentlichungen. € 19,90/sFr 35,40/€(A) 20,50 ET: 21. September 2009 lichen Kreisen hohes Sozialprestige. ISBN 978-3-86539-211-4 Die „inoffizielle“ DDR war ja anders als oft gezeichnet beschaffen: man Ka]Úf\]f\]feYjapn]jdY_Ym^\]j kam in eine Wohnung und sah am >jYfc^mjl]j:m[`e]kk]af@Ydd]+&(KlYf\9)*, Style, was da für eine Type wohnte. Dann schaute man in die Bücher- marixverlag GmbH und LP-Sammlung und wusste noch besser Bescheid. Und die Frage nach Römerweg 10 · 65187 Wiesbaden dem Job klärte dann letzte Fragen: Telefon: 0611 / 986 98 11 Fax: 0611 / 986 98 26 [email protected] www.marixverlag.de5 I 2009 91 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

Unsere Revolution

Das Jahr 1989/90 ist einzigartig in der Geschichte der Deutschen. Eine Friedliche Revolution brachte den verknöcherten Parteistaat der DDR und die Mauer zu Fall – und änderte mit Wucht die Richtung der Weltgeschichte. Der 9. November 1989 hat tief in das Leben der Deutschen und der Europäer eingegriffen. „Dass ich das noch erlebe!“, dieser ganz banale Satz wurde im Jahr 1989/90 in Ost und West politisch akut. Ehrhart Neubert, Bürgerrechtler und Theologe, legt 20 Jahre später die erste umfassende Gesamtdarstellung der deutschen Wiedervereinigung vor. Er beschreibt die Arbeit der kirchlichen Friedensgruppen, die Überwindung der Angst in den Massendemonstrationen, den Fall der Mauer, die ersten freien Wahlen ... Ein sorgfältig recherchiertes und spannendes Buch!

Ehrhart Neubert

Dr. phil., geboren 1940 in Herrschdorf/ Seit 1990 war Ehrhart Neubert wieder Thüringen, gehörte zu den herausra- im kirchlichen Dienst. Mitarbeit in genden Bürgerrechtlern in der DDR. verschiedenen informellen Gruppen, Von 1964–1984 wirkte der studier- u.a. dem Komitee Freies Baltikum, der te Theologe zunächst als Vikar und Initiative Recht und Versöhnung; von später als Pfarrer in Niedersynderstedt 1992–1994 Mitarbeiter der Fraktion bei Weimar. Ab 1973 war er zugleich Bündnis 90 im „Stolpe-Untersu- Studentenpfarrer in Weimar. Seit 1979 chungsausschuss“ des Brandenburger arbeitete er in verschiedenen Frie- Land tags; 1996 trat er der CDU bei. denskreisen mit und geriet dadurch in Von 1997–2005 arbeitete er als Fach- Konflikt mit staatlichen Behörden und bereichsleiter der Abteilung Bildung Teilen der eigenen Kirche. 1984 wech- und Forschung beim Bundesbeauf- selte er zum Bund der Evangelischen tragten für die Unterlagen des MfS der Kirchen in Berlin und war dort in den ehemaligen DDR. Von 1998–2003 war 1980er Jahren einer der bekanntesten er ehrenamtlich im Vorstand der Stif- Oppositionellen. tung zur Aufarbeitung der SED-Dikta- Im Revolutionsjahr 1989 gehörte er tur tätig. Zudem engagierte er sich ab dem Initiativkreis zur Gründung des 1996 im Bürgerbüro Berlin e.V., Verein Gemeinsam mit Bärbel Bohley ver- Demokratischen Aufbruchs (DA) an. zur Aufarbeitung von Folgeschäden öffentlichte er Wir mischen uns ein Von Dezember 1989 bis Januar 1990 der SED-Diktatur, für die Belange der – Ideen für eine gemeinsame Zukunft, war er dessen stellvertretender Vor- Opfer des DDR-Sozialismus und war und 2004 mit Ilko-Sascha Kowalczuk sitzender und Vertreter am Zentralen nach Bärbel Bohley Vorsitzender des und Bernd Eisenfeld Die verdrängte „Runden Tisch“ in Berlin. Nach inter- Vereins. Revolution – Der Platz des 17. Juni nen Machtkämpfen verließ er im Ja- Ehrhart Neubert ist u.a. Verfasser 1953 in der deutschen Geschichte. nuar 1990 den DA und wendete sich einer umfangreichen Geschichte der Seit seiner Pensionierung 2005 lebt Bündnis 90 zu, später Bündnis 90/Die DDR-Opposition von 1949–1989 er in Erfurt, wo seine Frau Hildigund Grünen. und zusammen mit Joachim Gauck Neubert Landesbeauftragte für die Mitherausgeber der 1998 erschiene- Stasiunterlagen ist. nen deutschsprachigen Ausgabe des Schwarzbuches des Kommunismus.

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Wie ist die Idee bei Ihnen entstanden, diese große Gesamt- Ehrhart darstellung der Ereignisse von 1989/90 zu schreiben? Neubert: Unsere Bis 2008 fehlte eine solche Gesamtdarstellung. Außerdem Revolution. Die wollte ich meine Sichtweise publizieren, da es so viele Deu- Geschichte der tungen der Revolution gibt, die manches beschreiben aber Jahre 1989/90. wenig wirklich erklären. Vor allem hat mich interessiert, war- Piper Verlag, um die SED ihre Macht abgegeben hat, obwohl sie für mögli- München. In Zu- che Aufstände viele Vorbeugemaßnahmen ergriffen hatte und sammenarbeit mit über einen ungeheuer großen Sicherheitsapparat verfügte. der Bundesstiftung Die Revolution und letztlich die Vereinigung wurde nicht durch zur Auf arbeitung die Politik in Ost und West initiiert, sondern durch die Gesell- der SED-Diktatur. schaft. Die Politik wurde getrieben und musste reagieren. 2. Auflage 2009, 520 S., m 42 Abb. Die Revolution nahm ihren Anfang in den spontanen Mas- ISBN 978-3-492- sendemonstrationen in fast allen Städten der DDR. Die 05155-2. Überwindung dieser jahrzehntelang geschürten Angst war € 24,95 der eigentliche Zündpunkt der Revolution. Können Sie die- ses außerordentliche Phänomen beschreiben, warum die Angst beinahe schlagartig Ende Oktober/Anfang November 1989 gebrochen war? Die Revolution beginnt im September 1989. In diesem Monat kommt es zu einem Zusammenhandeln der verschiedensten kritischen Akteursgruppen: Die Ausreise- und Fluchtwelle, die Opposition, die Kirchen, die Künstler und erste kleine Mas- senproteste. Diese Akteure handelten schon vorher, jetzt aber treten sie gemeinsam auf, verstärken und beeinflussen sich gegenseitig. Das regt immer mehr Menschen an, ihre Angst zu überwinden. Es entsteht eine Schneeballeffekt. Die SED und das Bewusstsein, dass die neue geeinte Bundesrepublik und ihre Apparate sind völlig überfordert. ihre Stellung in Europa und vielleicht darüber hinaus auf den Werten der Freiheitsrevolution beruhen. Warum legen Sie so großen Wert auf den sprachpolitischen Aspekt der Revolution? Wie haben Sie persönlich die entscheidenden Tage, den Mich hat immer schon bewegt, warum die große Masse der 9. Oktober 1989 und den 9. November 1989, erlebt? Bevölkerung seit September, aber vor allem seit Oktober, ihr Am 9. Oktober habe ich in einem Friedensgebet im Mag- jahrelanges Schweigen brach. Dieses Schweigen, diese „Ru- deburger Dom gesprochen. Es war eine spannungsgeladene he“, garantierte der SED ihre Macht. In der Revolution gibt es Atmo sphäre. Draußen waren Sicherheitstruppen aufmar- eine allmähliche und sich steigernde Entfaltung der offenen schiert. Die Leute hatten viel Angst. Aber das Friedensgebet Rede. Von zaghaften Einsprüchen über ein wahres Sprach- stärkte ihre Entschlossenheit. In der Nacht erfuhr ich vom gewitter, das bei den Demonstrationen über die SED herein- glücklichen Ausgang in Leipzig und bin noch in die Berliner bricht. Auch die Friedensgebete und andere Foren spielten Gethsemanekirche gefahren. Dort herrschte ein großer Jubel eine große Rolle im öffentlichen Sprechen. über die Nachrichten aus Leipzig. In der gemeinsamen Sprache vollzog sich auch die Bildung Am 9. November erfuhr ich von dem Mauerfall während einer von Gegenmacht gegenüber den Herrschenden. Deren Sprach- politischen Besprechung mit anderen Oppositionellen am regelungen gingen in die Brüche. Unter den Herrschenden Abend. Viele sind noch in der gleichen Nacht nach West-Ber- fand so eine Art babylonische Sprachverwirrung statt. Damit lin gelaufen. Ich habe das ein paar Tage später nachgeholt. verloren die die Möglichkeit der Steuerung der Gesellschaft. Am 10. November haben wir dann energisch den Runden Tisch vorbereitet. Obwohl die Friedliche Revolution in der DDR die erfolg- reichste Revolution in der deutschen Geschichte ist und zur Sehen Sie heute noch „Aufarbeitungsbedarf“? deutschen Wiedervereinigung führte, gehört diese Tatsache Die Aufarbeitung ist heute unbedingt unerlässlich. Sie muss noch immer nicht zum Allgemeinwissen? Was ist da in der den abgrundtiefen Unterschied zwischen Diktatur und De- gesamtdeutschen Erinnerungskultur schief gelaufen? mokratie herausarbeiten. Sie muss die demokratischen Werte Da die Deutschen nie eine erfolgreiche und glücklich endende stärken (z.B. Menschenrechte, Pluralismus). Sie soll den Op- Freiheitsrevolution hatten, die auch den geistigen Grund für fern der Diktatur Recht verschaffen. Sie soll auch das Wissen eine demokratische Republik legte, verbanden sich auch nicht stärken, dass alle politischen Handlungen verantwortet wer- die Ideen von Freiheit und Nation. Es gab in Deutschland den müssen. Und schließlich soll sie den Deutschen vermit- eher eine rechte Revolutionsphobie und eine unrealistische teln, dass sie in der Vergangenheit so viele Irrwege gegangen linke Revolutionsmystik. Die Nation wurde zudem stärker sind, weil sie den Verführungen und Zwängen der Diktaturen als in anderen europäischen Ländern mit einem angebli- erlegen waren. chen „deutschen Wesen“ oder anderen nationalistischen und schlimmeren Ideen verknüpft. Erst langsam entwickelt sich Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Neubert.

5 I 2009 93 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION Triumph des Freiheitswillens

Mit freundlicher Genehmigung des Piper-Verlags veröffentlichen wir das Geleitwort von Markus Meckel, MdB und Rainer Eppelmann, Vorsitzender von Rat und Vorstand der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, das dem Buch von Ehrhart Neubert „Unsere Revolution. Die Geschichte der Jahre 1989/90“ vorangestellt ist. Markus Meckel war Außenminister in der letzten DDR-Regierung im Kabinett de Maizière, Rainer Eppelmann war im gleichen Kabinett Verteidigungsminister. Beide gehörten zur Oppositionsbewegung in der ehemaligen DDR.

„ Die friedliche Revolution des Jahres 1989 ist ein herausra- Als Zeitzeuge und Zeithistoriker zugleich lässt uns Ehrhart gendes Ereignis der deutschen Geschichte. In jenen Herbstta- Neubert einen Blick auf die ereignisreichen Jahre 1989/90 gen brachten die Menschen in Ostdeutschland die SED-Dikta- zurückwerfen. Sein Buch ist ein dichtes Mosaik dieser span- tur zu Fall. Der Staat, der sich einst selbst eingemauert hatte, nungsreichen Tage, Wochen und Monate. Wir werden zu musste nun den Offenbarungseid leisten. Die über vierzig Jah- Zeugen von Massenflucht und Massenprotest, von Selbst- re währende, scheinbar unbeschränkte Macht der SED brach behauptungswillen und Widerspruchsgeist, von Zivilcourage unter dem Druck der Oppositionsbewegung und der friedlich und Heldenmut, von Ängsten und Hoffnungen. Der Autor demonstrierenden Massen wie ein Kartenhaus zusammen. zeigt die Handlungsoptionen der neuen demokratischen Kaum jemand hätte Anfang 1989 für möglich gehalten, dass Kräfte auf und verdeutlicht zugleich die politischen Reali- sich in diesem verknöcherten Land mit seiner reformunwilli- täten. Zahlreiche Akteure, namhafte und unbekannte, wer- gen und reformunfähigen politischen Führung etwas ändern den vorgestellt und gehört. Doch Geschichte wird hier nicht könnte. Doch dann war die Wucht der sich überschlagen- ausschließlich als Handeln der Politiker beschrieben. Ehrhart den Ereignisse einfach mitreißend: die Massenfluchten über Neubert erzählt die Revolution gewissermaßen aus der Per- Ungarn und Prag, die Friedensgebete, Kundgebungen und spektive »von unten«. Er beschreibt, wie Menschen zu Bür- Demonstrationen, die Formierung der Opposition, der durch gern werden, sich rühren und erheben, die Furcht vor den den Druck der Massen bewirkte Mauerfall, die Runden Tische Machthabern überwinden und auf die Straße gehen, um die im ganzen Land und schließlich die freien Wahlen. Dinge, die starrsinnigen Herrscher aus dem Amt zu vertreiben und ihre sich die Menschen jahrelang erhofft und über die sie immer Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. So zeigt uns Ehr- wieder diskutiert hatten, waren auf einmal möglich: Freiheit hart Neubert die friedliche Revolution als das Ergebnis von und Demokratie sowie nur kurze Zeit später ein wiederverein- Bürgermut und Bürgersinn und setzt jenen ein Denkmal, die tes Deutschland. Es waren die friedliche Revolution und die ihren Traum von einer freien Gesellschaft Wirklichkeit werden Selbstdemokratisierung der DDR, die den Weg frei machten ließen. zur deutschen Einheit im Jahre 1990. Mit der Wiederverei- Vielen Menschen in Ost und West bietet sich auf den folgen- nigung und dem anschließenden europäischen Integrati- den Seiten die Möglichkeit, die Ereignisse mit dem Abstand onsprozess war dann das Ziel erreicht, von dem viele vorher von zwei Jahrzehnten noch einmal zu betrachten, sich zu nur träumen konnten: Deutschland war in Frieden, Freiheit erinnern, aber auch, sich neu damit auseinanderzusetzen. Für und Demokratie vereint, umgeben und geachtet von seinen viele Jüngere, die diese Zeit nicht selbst erlebt haben, eröff- Nachbarn, schließlich gar mit ihnen in EU und NATO partner- net sich hier die Chance, ein wichtiges Stück jüngster Zeit- schaftlich verbunden. geschichte besser nachzuvollziehen. Ehrhart Neubert ordnet Beschrieben wird hier nicht nur ein glückliches Ereignis die vielschichtigen, teils verwirrenden Gegenwartseindrücke ostdeutscher Regionalgeschichte. Die Jahrzehnte der Zwei- in ein größeres politisch-historisches Beziehungsgeflecht ein. staatlichkeit und der kommunistischen Diktatur in der DDR Durch seine sorgfältige Rekonstruktion der jüngsten Vergan- sind vielmehr Teil der Geschichte aller Deutschen und da- genheit leistet er einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an mit keineswegs Angelegenheit nur der Ostdeutschen. Auch den gewaltigen Epochenumbruch von 1989/90. Die Bun- an die gesamteuropäische Dimension des Geschehens ist zu desstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat die Er- erinnern. Denn 1989/90 befreite sich fast der gesamte Ost- arbeitung dieses Buches gerne begleitet und sein Erscheinen block. Der innere Zerfall der Sowjetunion und der demokrati- unterstützt, legt es doch Zeugnis ab von der herausragenden sche Aufbruch im Osten beendeten überraschend schnell den Bedeutung dieser Ereignisse für die deutsche und europä- Kalten Krieg. Dies war weniger ein Sieg des Westens über ische Freiheits- und Demokratiegeschichte. den Osten als vielmehr ein Triumph des Freiheitswillens der Menschen in den kommunistischen Staaten Europas. So wie Berlin, im Juli 2008 die friedliche Revolution in der DDR die Voraussetzung für die deutsche Wiedervereinigung schuf, ebneten die Revoluti- Markus Meckel, MdB und Rainer Eppelmann onsbewegungen Ostmitteleuropas den Weg zum Zusammen- Vorsitzende von Rat und Vorstand der Bundesstiftung zur wachsen eines vereinten, demokratischen Europas. Aufarbeitung der SED-Diktatur

94 5 I 2009 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

Cornelia Dörries/Philipp Meuser: Luftbildatlas Berliner Innenstadt. DOM publishers, September 2009. 144 S., über 120 Abb., Hardcover mit Schutzumschlag, inkl. CD-ROM Bücher von DOM publishers ISBN 978-3-938666-79-1 Subskriptionspreis 38,00  bis einschl. 15.10.2009, danach 48,00  zum Thema Nach dem ErfolgEr des Luftbildatlas Berlin-MitteBerlin-Mitte aus dem Jahr 2006 folgtfolgt nunnun die aktualisierte Neu- auflageauflag – mit über einhun- dertdert neuen Aufnahmen vomvo Zentrum der deut- Hans Stimmann (Hrsg.): Berliner Altstadt. schens Hauptstadt aus Von der DDR-Staatsmitte zur Stadtmitte. derd Vogelperspektive Berlin: DOM publishers, 2009. 160 S., über 150 Abb., sowieso zehn historischen Hardcover mit Schutzumschlag Plandarstellungen,Planda die die ISBN: 978-3-938666-27-2. 38,00  städtische Entwicklung seit dem 17. Jahrhundert dokumentieren. Elf Ka- Der ehemalige Senatsbaudirektor pitel präsentieren die Berliner Innenstadt von oben: von der Hans Stimmann meldet sich mit Karl-Marx-Allee im Osten über das historische Zentrum der diesem Buch als Akteur des Stadt und den Spreebogen bis hin zum Tiergarten im Westen. Berliner Städtebaus zurück Vollformatige Luftbildfotografien bezeugen anschaulich das und sorgte bereits im lebendige Nebeneinander von Alt und Neu in dieser sich im- Vorfeld für Kontro- mer wieder neu erfindenden Metropole – und das Zusammen- versen. Mit dieser wachsen von Ost und West 20 Jahre nach dem Fall der Mauer. Publikation will er anstiften zu mehr Bürgersinn und zu Hans Wolfgang Hoffmann / Philipp Meuser: Luftbildatlas mehr zivilgesellschaftli- Entlang der Berliner Mauer. 1961 bis heute. cher Verantwortung, wenn es um DOM publishers, September 2009. 144 S. ca. 120 Abb., die Frage nach der Wiederbelebung des his- Hardcover mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-938666-84-5 torischen Berliner Zentrums geht. Subskriptionspreis 38,00  bis einschließlich 15.10.2009, In seinem Vorwort schreibt Hans Stimmann: „Das Buch will danach 48,00  nach der Entscheidung über die Teilkonstruktion des Berli- ner Stadtschlosses für das Humboldtforum zur Beschäftigung AmAm 9. NovemberNove 2009 jährt sich mit der historischen und zukünftigen Rolle und Gestalt der derder FallFall der Mauer zum 20. Straßen und Plätze der Altstadt Berlins, also der näheren Um- MalMal – Grund für einen et- gebung des Humboldtforums, anregen und so den bis heute was anderen Rück- bzw. architektonisch und mental in der untergegangenen Staats- Überblick.Üb Mit dem mitte der DDR (im Westjargon bis heute ‚Ost-Berlin‘ genannt) Hubschrauber folg- verankerten Stadtmittelpunkt Berlins ins Bewusstsein aller te Philipp Meuser Bürger Berlins rücken. Ein solches Projekt, das 20 Jahre nach dem ehemaligen dem Fall der Mauer auf eine gesamtstädtische Wahrnehmung Verlauf der Mau- und auf die Stiftung einer Ost-West-übergreifenden neuen er und hat mit sei- Berliner Identität zielt, ist höchst anspruchsvoll, aber auch ner KameraKa dokumentiert, überfällig. Die Hauptstadt der Deutschen, die sich inzwischen was ssichich inzinzwischenwisc auf den einsti- wieder bewusst in die Tradition und Kultur der europäischen gen „weißen Flecken“ der Stadt getan hat. Stadt einreiht, ist als polyzentrales Gebilde ohne Altstadt al- Aktuelle Bilder aus dem Sommer 2008 werden historischen lenfalls ein Kuriosum.“ Luftbildaufnahmen aus den Jahren 1961 bis 1989 gegen- Der aufwändig gestaltete Band wird bereichert u.a. mit Tex- übergestellt; sie verdeutlichen beeindruckend den rasanten ten des Architekturhistorikers Jörn Düwel über den Verlust Wandel der einst geteilten Stadt zur Hauptstadt des vereinten der Altstadt im 20. Jahrhundert, des Pfarrers Gerhard Boß Deutschland und zeigen die „Neufindung Berlins“ (Klaus Wo- über die Sprengung von St. Petri und der Stadtplanerin Ul- wereit) zur europäischen Metropole. Mit einem detaillierten la Luther, die über das Gebiet rund um den Molkenmarkt Plan des Mauerverlaufs sowie einer CD-ROM mit allen aktu- schreibt, der älteste Platz Berlins, der heute unter Asphalt ellen Luftbildaufnahmen. steckt. Provokante Entwürfe, u.a. von Hans Kollhoff, Bernd Albers und Augusto Romano Burelli, geben reichlich Anre- gungen für die Auseinandersetzung um das Thema „Berlin und sein historisches Zentrum“.

5 I 2009 95 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION Mauerfall

Petra Heß (Hrsg.); Christoph Kloft (Hrsg.): Der Mauerfall – 20 Jahre danach Rhein-Mosel-Verlag, 2009. 256 S., 42 farbige Abb., Hardcover ISBN 978-3-89801-045-0 19,80 

Die Thüringer Bundestagsabgeordnete Petra Heß und der rheinland-pfälzische Autor Christoph Kloft haben für diese Anthologie prominente Künstler, Politiker, Sportler und enga- gierte Bürger dieser bewegten Zeit angeschrieben. Zusammen gekommen sind vierzig subjektive Texte zu Friedlicher Revo- lution, Mauerfall und Wiedervereinigung. Ein überraschen- des Buch, denn die gesellschaftliche Bandbreite innerhalb der Anthologie ist groß, die Stimmen reichen vom altersweisen Politiker bis zum damals 16-jährigen Schüler, vom berühmten Popstar bis zum Leistungssportler, vom mutigen Montagsde- monstranten bis zum vorsichtigen Mitläufer, vom begeister- ten bis zum skeptischen Beobachter aus dem Westen. Jeweils mit einem Porträt und einer Kurzbiografie versehen, ergeben diese oft sehr persönlichen Schilderungen ein lebendiges und lebensnahes Bild. Es finden sich u.a. Texte von Jörg Hildebrandt, Stephan Krawczyk, Sebastian Krumbiegel, Udo Lindenberg und Wolf- gang Niedecken, von Heike Drechsler und Eberhard Gienger, vom langjährigen Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche, Christi- an Führer sowie von zahlreichen namhaften Persönlichkei- ten aus der Politik wie Katrin Göring-Eckardt, Hans-Ulrich Klose, Markus Meckel, Franz Müntefering, Gesine Schwan, Wolfgang Thierse, Wolfgang Tiefensee, Bernhard Vogel und 1989 und seine Folgen versammelt, gibt einen gelungenen An- Hans-Jochen Vogel. stoß dazu. Ihr sind schon deshalb viele Leser zu wünschen“, „Die Einheit muss auch weiterhin wachsen. Das kann sie nur schreibt Prof. Dr. Norbert Lammert, der Präsident des Deut- auf dem Boden der Erinnerung. Gelebtes Leben geht dabei schen Bundestages, in seinem Vorwort. weder nur in Anekdoten auf, noch allein in wie gut auch im- Mit freundlicher Genehmigung des Verlags geben wir hier mer recherchierten Reportagen; es will erzählt werden, wenn einen der Texte wieder. Der Sänger der „Prinzen“ Sebastian es verstanden werden soll. Diese Anthologie, die zahlreiche Krumbiegel, der den Herbst 1989 in seiner Heimatstadt Leipzig sehr persönliche Erinnerungen aus Ost und West an das Jahr erlebte, hat uns mit seinem Text beeindruckt.

Sebastian Krumbiegel geb. 1966 in Leipzig, Sänger in der bekanntesten deutschen A-cappella-Gruppe Die Prinzen. 1987 bis 1991 Studium an der Leipziger Musikhochschule in den Hauptfächern Schlagzeug und Gesang. Zahlreiche Tourneen durch Deutschland, Öster- reich und die Schweiz, 6 Millionen verkaufte Tonträger und zahlreiche Gold- und Platin-Platten. Mehrere Soloalben und Filmrollen folgten. Er ist Schirmherr des Ronald-McDonald- Hauses in Leipzig, engagiert sich im Rahmen des Jugendfesti- vals »LEIPZIG. COURAGE ZEIGEN« gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit, ist aktiv im Kampf gegen Landmi- nen und Streubomben und seit 2006 Schirmherr der ökumeni- schen Friedensdekade.

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„Es hat lange gedauert, bis wir das wirklich verstanden haben“

Sebastian Krumbiegel, Sänger »Die Prinzen«

Der Herbst ’89 in meiner Heimatstadt Leipzig war eine be- aufgeputschten »Kampfgruppen«, die in den Büschen rechts wegte Zeit. Ich war 23 Jahre alt und Student an der Hoch- vor der Thomaskirche auf ihren Einsatz warteten: »Heute zei- schule für Musik „»Felix Mendelssohn Bartholdy«. Mit meiner gen wir diesen Chaoten mal, wo’s lang geht.« Band, den »Herzbuben«, sangen wir damals Lieder über Gor- Eine Woche später, an jenem denkwürdigen 9. Oktober 1989, batschow und Perestroika: blieb alles friedlich, keine Wasserwerfer, keine Schlagstöcke, »Sdrasdwui daragoi Michail geschweige denn ein Schuss. sag uns, was spielst du hier für‘n neues Spiel bring uns doch mal die Spielregeln bei …« Bestimmt verklärt man rückblickend diesen Tag, sicherlich verändert sich die subjektive Wahrheit eines Jeden, der an die- Oder: sem Tag dabei gewesen ist, mit jedem Erzählen. Aber dass an »Denk ich an Deutschland in der Nacht diesem Tag etwas Besonderes passiert ist, das war allen klar. fühl ich mich so alleine dann bin ich um den Schlaf gebracht In den Wochen darauf veränderten sich die Montagsdemons- genau wie Heinrich Heine trationen. Ich erinnere mich an die ersten Deutschlandfah- Denk ich an Russland in der Nacht nen, dann an die ersten Flyer, auf denen plötzlich irgendwas Fühl ich mich so geleimt von »Die Republikaner« stand – die Kommentare der Leute – dann bin ich um den Schlaf gebracht »das ist ja gar nicht so dumm, was da steht« – alles war neu, weil sich gar nichts auf Gorbatschow reimt« alles war erlaubt, alles schien plötzlich möglich zu sein – ich weiß nicht mehr sicher, wie ich damals all diese neuen Sachen Am 25. September war ich zusammen mit Wolfgang (Lenk, reflektiert habe, das Feuer vom Anfang, das Kribbeln, dieses mein Klassenkamerad seit der 4. Klasse, mit dem ich 1981 Gefühl, etwas Großes, Einzigartiges zu erleben, war jedenfalls die erste Band gegründet hatte, aus der dann die »Herzbu- irgendwann weg. Eine Art Volksfeststimmung hielt bei den ben« und später die »Prinzen« wurden) das erste Mal bei einer Montagsdemos Einzug, teilweise wirklich kreativ und auch Montagsdemo. witzig, was Sprechchöre und Transparente betraf, anderer- seits aber eben auch befremdlich. Am 9. Oktober, einen Monat vor dem Mauerfall, den damals Viereinhalb Wochen später war ich im Kabarett. Ungewöhn- niemand auch nur im Entferntesten für möglich gehalten lich an diesem Abend im »Academixer«-Keller war die An- hätte, war ich ein Feigling. »Heute wird geschossen – der wesenheit von Kameras und Scheinwerfern. Das Programm Schießbefehl ist definitiv erteilt« – es wurde offen und laut sollte vom Fernsehen aufgezeichnet werden, was wirklich diskutiert, und die »chinesische Lösung« (das Massaker auf ein Novum war, denn Kabarett war in der DDR immer eine dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking war nicht mal zwar geduldete, aber doch eine Nischenkultur. Die kritischen ein halbes Jahr her) lag an diesem Abend förmlich in der Luft. Zwischentöne waren nichts für das staatliche Fernsehen. »Geht nicht zur Demo – heute wird geschossen!«, stand mit Jetzt nicht mehr – plötzlich war es möglich. Aber in die- Kreide an der Tafel im Foyer der Musikhochschule. »Wer das ser schnelllebigen Zeit im Herbst ’89, als die Staatschefs der Gespräch sucht, trifft sich um 18 Uhr am Bläserhaus.« Ich war DDR einander gefühlt täglich ablösten, als die Nachrichten da, allerdings alleine, alles dunkel – warum hatte ich mir das voll waren mit Veränderungen in der politischen Landschaft, nicht denken können? Ich ärgerte mich über meine Naivi- diskutierten wir im Vorfeld dieses Abends, wie aktuell denn tät, über meine Angst und letztlich über meine Feigheit. Als dieses Kabarett-Programm in zwei Wochen, wenn es ausge- ich dann, so gegen 19 Uhr zum Innenstadtring kam, waren strahlt werden sollte, noch sein würde. Die Frage hatte sich dort so viele Menschen wie nie zuvor. Später sprach man von spätestens dann erübrigt, als in der Pause irgendjemand ganz 70.000 – es war wirklich unbeschreiblich. aufgeregt erzählte, was da gerade in Berlin los sei: »Wenn ich das richtig verstanden habe, dann haben die gerade die Am Montag zuvor, am 2. Oktober, ich war wieder mit Wolf- Mauer aufgemacht …« gang unterwegs, sind wir mit einem schon beachtlich großen Demonstrationszug (Schätzungen zufolge 20.000 Menschen) Es hat lange gedauert, bis wir das wirklich verstanden haben die »normale« Runde vom Nikolaikirchhof bis zur »Runden – in den ersten Tagen haben viele noch gedacht: »Das kann Ecke«, der Leipziger Stasizentrale, mitgelaufen. Ich weiß nicht nicht sein, das ist sicher ein Irrtum« (was es ja paradoxerweise mehr, warum wir den Zug früher verlassen hatten, irgendwie ursprünglich auch wirklich war, wie sich später herausstellte). war uns die Situation wohl zu brenzlig geworden. Wir saßen Ich weiß nicht, welcher Tag rückblickend der wirklich wichti- in meinem Trabbi, fuhren wegen der vielen Menschen nur gere, entscheidendere war, der 9. Oktober oder der 9. Novem- Schrittgeschwindigkeit, als uns wie aus heiterem Himmel jede ber. Der aufregendere war für mich persönlich definitiv der Menge Polizisten im Laufschritt überholten, vor uns eine Kette 9. Oktober, auch wenn ich mich noch immer über meine bildeten und die Straße sperrten. Plötzlich waren wir klassisch Angst oder meine Feigheit ärgere. zwischen die Fronten geraten. Wir konnten weder vor noch * Dieser Beitrag ist dem Buch Petra Heß und Christoph Kloft (Hrsg.): Der zurück und beobachteten, wie der Demonstrationszug gewalt- Mauerfall – 20 Jahre danach entnommen, das 2009 im Rhein-Mosel-Verlag sam auseinandergetrieben wurde. Wir hörten Gespräche von erschienen ist.

5 I 2009 97 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

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THEMENSCHWERPUNKT Heruntergewirtschaftet Die traurige Bilanz der DDR-Ökonomie.

THEMENSCHWERPUNKT Lebenswelt Revolution Vom 7. Oktober bis zum 3. Oktober.

Frieden – Umwelt – Mauer: Mail-Art in der DDR. Unheimlich geheim. Die Stasi-Auflösung in Halle.

Agenten, Iglus, Diversantentaucher: Die Stasi und ihre Ermittlungspannen. Stalin als effizienter Manager. Über Geschichtslehrbücher im heutigen Russland.

Die Falken: Jugendopposition in Ost-Berlin vor dem Mauerbau. „Der Blick der kleinen Bahnstationen.“ Herta Müller über Jürgen Fuchs.

Die Vierteljahres-Zeitschrift mit dem ungewöhn- HORCH lichen Namen HORCH UND GUCK und dem stren- gen Untertitel „Zeitschrift zur kritischen Aufarbei- tung der SED-Diktatur“ gibt seit ihrer Gründung im UND Jahr 2 nach der Wiedervereinigung Deutschlands insbesondere den Themen der früheren DDR- Bürgerbewegung Raum. Erst 2007 bekam HORCH GUCK UND GUCK ein professionelles Erscheinungsbild, bis dahin war es ein äußerlich eher bescheidenes Blatt. Die Inhalte waren aber immer spannend, und sie sind es heute, 20 Jahre nach der Friedlichen Re- volution, noch immer.

98 5 I 2009 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

„ Zunächst einmal macht dieser selt- wird unter dem Titel „Alles Stasi – same und befremdliche Titel „Horch oder was?“ über die neben der Stasi und Guck“ neugierig. Er geht zurück noch vielen anderen Verantwortlichen auf die umgangssprachliche Bezeich- der SED-Diktatur berichten. In den nung des ehemaligen DDR-Ministe- letzten beiden Jahrzehnten galten riums für Staatssicherheit (MfS). Ab ja in der öffentlichen Wahrnehmung dem Gründungsjahr 1992 war die vor allem die Stasi-Verstrickungen als Stasi Namensgeber und thematischer Maßstab für die Mitverantwortung Schwerpunkt der Zeitschrift. Und dass für das SED-Unrecht. sich die Redaktion diesem düsteren Thema verschrieb, war nicht erstaun- Das Themenspektrum ist über die lich: der Verein, der bis heute HORCH Schwerpunkte hinaus jedoch weiter UND GUCK im Selbstverlag heraus- gespannt. HORCH UND GUCK ist der gibt, entstand aus dem Bürgerkomi- vergleichenden Blick nach Osteuropa tee, das sich nach der Besetzung der eigen: regelmäßig gibt es Beiträge Ost-Berliner Stasi-Zentrale gebildet polnischer, tschechischer, ungarischer Ilko-Sascha Kowalczuk, Endspiel. hatte. Das Bürgerkomitee 15. Janu- Die Revolution von 1989 in der oder russischer Autoren, wie im letz- DDR. 602 S. Geb. EUR 24.90 ar e.V. wurde 1991 zur Aufarbeitung ten Heft von Irina Schtscherbakowa der Stasi-Vergangenheit gegründet über die Inhalte in neuen russischen „Kowalczuk hat ein furio- und ging personell hauptsächlich Geschichtslehrbüchern. In der letzten aus der Arbeitsgruppe „Sicherheit“ Ausgabe finden sich Artikel über die ses Buch über die ’89er des Zentralen Runden Tisches und Besonderheiten der Stasi-Besetzung Revolution in der DDR ge- dem Ost-Berliner Bürgerkomitee zur in Halle, ein Beitrag von ein Text von Stasi-Auflösung (Bürgerkomitee Nor- Herta Müller über die literarisch-do- schrieben: klug und saftig, mannenstraße) hervor. Das Datum kumentarische Wirkung von Jürgen erfrischend unideologisch 15. Januar bezeichnet den Tag des Fuchs, Studien über die gesundheit- Jahres 1990, an dem sich die Tore der liche und soziale Situation ehema- und mit milder Ironie.“ Zentrale des MfS in der Normannen- liger politischer Häftlinge und ein Liane von Billerbeck, straße in Berlin öffneten. Beitrag mit den Zahlen der von der Stasi registrierten Proteste im Herbst Deutschlandradio Kultur Inzwischen widmet sich HORCH UND 1989 in den verschiedenen Bezirken GUCK einem breiteren Themenspekt- der DDR. Dieser regionale Vergleich rum zur SED-Diktatur und zur DDR- zeigt, dass es Zentren der Friedlichen Gesellschaft. Auch die Aufarbeitungs- Revolution gab, die viel zu wenig Be- prozesse in den anderen ehemaligen achtung fanden. kommunistischen Diktaturen stehen dabei immer wieder im Fokus der Be- HORCH UND GUCK wendet sich ne- richterstattung. Das Engagement der ben Historikern auch an einen allge- Redaktion hilft dabei, die Kluft zwi- mein zeitgeschichtlich und politisch schen der wissenschaftlichen Distanz interessierten Personenkreis und ver- der Historiker und Aufarbeitungs- sucht, Multiplikatoren aus den Me- initiativen, Opferverbänden und Zeit- dien, aus Schulen und der politischen zeugen zu überbrücken. Bildung zu erreichen. Die Zeitschrift wird von der Bundesstiftung zur Auf- Jede Ausgabe steht unter einem arbeitung der SED-Diktatur geför- Schwerpunktthema. Die von Juni dert. Deshalb kostet das Abonnement 2009 zieht unter der Überschrift für vier Hefte nur 20 €. Interessenten „Heruntergewirtschaftet“ eine trau- finden weitere Informationen unter Ilko-Sascha Kowalczuk, Die 101 wichtigsten Fragen: DDR. 159 S., rige Bilanz der DDR-Ökonomie. Und www.horch-und-guck.info. (ab) 9 Abb. Pb. EUR 9.95 die jüngste Ausgabe „Lebenswelt Op- position“ gibt Einblick in die Situa- Kowalczuk beantwortet tion oppositioneller Gruppen in einer Zeit, als der Zusammenbruch der hier anschaulich und leben- SED-Diktatur noch nicht annähernd dig die wichtigsten Fragen vorstellbar war. Dabei geht es um die ganz konkrete Lebenswelt Oppositio- zur DDR. neller, um ganz eigene Lebenswelten, mit mehr oder weniger Abstand zum Alltag der angepassten Mehrheits- gesellschaft. Die letzte Ausgabe von C.H.BECK HORCH UND GUCK in diesem Jahr www.chbeck.de

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Weitere Neuerscheinungen (Auswahl) Weitere Neuerscheinungen (Auswahl)

Deutschland einig Vaterland Ost und West Die Geschichte der Wiedervereinigung 60 Jahre deutsch-deutsche Geschichte Rödder, Andreas Seggern, Andreas von C.H. Beck Konrad Theiss Verlag 978-3-406-56281-5 978-3-8062-2235-7

Pariser Dilemmata im Prozess der Nationalismus und Wiedervereinigung Deutschen Wiedervereinigung Wissenschaftlicher Interdiskurs in ausge- Harbaum, Lutz wählten deutschen und ausländischen Universitätsbuchhandlung Bouvier Printmedien von 1989 bis 1990 978-3-416-03238-4 Florian Kohl, Dr. Heinz-Werner Kubitza 978-3-8288-9774-8 Glaube, Macht und Mauerfälle Neues Deutschland Von der friedlichen Revolution Eine Bilanz der deutschen ins Neuland Wiedervereinigung Thomas Brose Nomos Verlagsgesellschaft ECHTER Verlag 978-3-8329-3197-1 978-3-429-03154-1 Die Bilanz Strafvollzug zwischen Wende und Eine wirtschaftliche Analyse der Wiedervereinigung Deutschen Einheit Kriminalpolitik und Gefangenenprotest Paqué, Karl-Heinz im letzten Jahr der DDR Carl Hanser Verlag Birger Dölling. Christoph Links Verlag - 978-3-446-41958-2 LinksDruck, 978-3-86153-527-0 Wir Deutschen 1982-1990 Das Jahr der Deutschen Die Deutschen auf dem Weg Die glückliche Geschichte von zur Wiedervereinigung Mauerfall und deutscher Einheit Hosfeld, Rolf /Pölking, Hermann Funken, Michael Piper Verlag Pendo Verlag 978-3-492-05340-2 978-3-86612-189-8 Jugend in Ost und West seit der Ausreise nach Deutschland Wiedervereinigung Schaebs, Wolfgang Ergebnisse aus dem replikativen Projekte-Verlag Cornelius Längsschnitt des DJI-Jugendsurvey 978-3-86634-704-5 VS Verlag für Sozialw. in GWV Fachver- lage GmbH, 978-3-531-16111-2 Die Wendegeneration CD WISSEN - Allgemeinbildung - Lebensverläufe des Jahrgangs 1971 Deutsche Geschichte Mayer, Karl Ulrich /Schulze, Eva Mauerfall und Wiedervereinigung, 1 CD Campus Verlag Klessmann, Christoph /Gieseke, Jens 978-3-593-39036-9 audio media verlag 978-3-86804-073-9 Ereignisse, die Deutschland Verschieden und doch vereint veränderten – 100 Geschichten aus der Das Zusammenleben der Evangelischen deutschen Geschichte Kirche in Berlin und Brandenburg nach C. J. BUCHER Verlag der Wiedervereinigung 978-3-7658-1785-4 Wichern-Verlag 978-3-88981-267-4 Die Einheit sozial gestalten AufBRUCH Dokumente aus den Akten der 9. November ´89 – SPD-Führung 1989/90 Leserbriefe aus der DDR Dietz Verlag Papyrossa Verlag 978-3-8012-4195-7 978-3-89438-416-6

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Weitere Neuerscheinungen (Auswahl) Weitere Neuerscheinungen (Auswahl)

Das Geschenk Die Nationale Volksarmee im Die DDR im Perestroika-Ausverkauf Beitrittsprozess zur BRD Czichon, Eberhard /Marohn, Heinz Dörr, Torsten, PAPYROSSA Verlag Meidenbauer, Martin, 978-3-89438-419-7 Verlagsbuchhandlung 978-3-89975-874-0 Die DDR 1949-1990 Wirtschaft in Freiheit und Einheit Geschichte eines Landes - Gefühle Festschrift zum 60. Jahrestag der Bun- eines Volkes desrepublik Deutschland und zum 20. bebra Verlag Jahrestag der Friedlichen Revolution 978-3-89809-080-3 FAZ-Institut 978-3-89981-721-8 Deutsche Einheit am Balaton Auferstanden in alter Pracht Die private Geschichte der deutsch- Stadtansichten vor der Wende deutschen Einheit und heute bebra Verlag Zeitgeist Media 978-3-89809-086-5 978-3-926224-44-6

Die Berliner Republik Die friedliche Revolution Wiedervereinigung und Berlin 1989/90 – Der Weg zur Neuorientierung deutschen Einheit Görtemaker, Manfred Schöne, Jens bebra Verlag Berlin Story Wieland Giebel 978-3-89809-416-0 978-3-929829-97-6 Ich musste raus. 13 Wege aus der DDR Der andere und der bessere Deutsche Fluchtgeschichten Über die Rezeption der Wiedervereini- Hoffmann, Constantin gung in Filmen und Serien im Fernsehen mdv Mitteldeutscher Verlag in den frühen 90er Jahren, Christa Thien 978-3-89812-612-0 Telos Verlag 978-3-933060-28-0 Deutschland 1949/1989/2009 Das wunderbare Jahr der Anarchie Wochenschau Verlag Christoph Links, Sybille Nitsche, Dr. Kurt Debus Antje Taffelt 978-3-89974-416-3 Ch. Links Verlag 978-3-86153-333-7

Der Weg zum Denkmal für Freiheit Dämonisierung durch Vergleich und Einheit Wolfgang Wippermann Andreas Apelt Rotbuch Verlag Wochenschau Verlag Dr. Kurt Debus 978-3-86789-060-1 978-3-89974-448-4

Wendepunkte deutscher Geschichte Unser Herbst 1989 1949 - 1989 - 2009 Die Ereignisse der Friedlichen Revolu- Wochenschau Verlag Dr. Kurt Debus tion - Eine Chronik mit persönlichen 978-3-89974-533-7 Erinnerungen Saxo-Phon 978-3-938325-59-9 Oh, wie schön ist die DDR Gestern Feind - Heute Kamerad Deutz-Schroeder, Monika / NVA - Bundeswehr vor 20 Jahren Schroeder, Klaus DVD Wochenschau Verlag Dr. Kurt Debus Bernd Dost 978-3-89974-538-2 Vedra Verlag Bernd Dost e.K. 978-3-939356-20-2

5 I 2009 101 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

Weitere Neuerscheinungen (Auswahl) Weitere Neuerscheinungen (Auswahl)

Aufarbeitung der Diktatur - Die Fluchttunnel von Berlin Diktat der Aufarbeitung? Dietmar Arnold, Sven F. Kellerhoff Normierungsprozesse beim Umgang mit Propyläen Verlag in Ullstein Buchverlage diktatorischer Vergangenheit 978-3-549-07341-4 Wallstein-Verlag 978-3-8353-0440-6 Blauhemd und Kugelkreuz Die friedliche Revolution Konflikte zwischen der SED und den Berlin 1989/90 - Der Weg zur christlichen Kirchen, Helmberger, Peter deutschen Einheit Meidenbauer, Martin, Schöne, Jens Verlagsbuchhandlung Berlin Story Wieland Giebel 978-3-89975-658-6 978-3-929829-97-6 DDR-Legenden Die Mauer Der Unrechtsstaat, der Schießbefehl 13. August 1961 bis 9. November 1989 und die marode Wirtschaft Frederick Taylor Hartmann, Ralph Wolf Jobst Siedler, Verlag in Verlags- Das Neue Berlin Verlags GmbH gruppe Random House 978-3-360-01804-5 978-3-88680-882-3 Den Menschen eine Stimme geben Die Täter sind unter uns Bischof Gottfried Forck und die Über das Schönreden der SED-Diktatur Opposition in der DDR Hubertus Knabe Christian Sachse Ullstein-Taschenbuch-Verlag in Ullstein Wichern-Verlag Buchverlage 978-3-88981-268-1 978-3-548-60818-1 Der aufrechte Gang Die verklärte Diktatur Opposition und Widerstand in SBZ und Der verdrängte Widerstand gegen den DDR, Bundespräsident Horst Köhler und SED-Staat Rainer Eppelmann im Gespräch mit Zeit- Wolfgang Welsch zeugen und Schülern, Friedrich Veitl Karl-Heinz Pröhuber 978-3-940938-33-6 978-3-938208-93-9 Der geduldete Klassenfeind Ein ganz normales Leben Als West-Korrespondent in der DDR Alltag und Gesellschaft in der DDR Peter Pragal Mary Fulbrook Osburg Verlag Primus Verlag 978-3-940731-09-8 978-3-89678-643-2

Der Mann, der die Mauer öffnete Erst verraten – dann verkauft Warum Oberstleutnant Harald Jäger Im Netz der Stasi den Befehl verweigerte ... Uwe J. Jürgensen, Elke M. Jürgensen, Gerhard Haase-Hindenberg Volker Ebers Wilhelm Heyne, Random House Haag + Herchen 978-3-453-62025-4 978-3-89846-524-3 Der Vorhang geht auf Für Umweltverantwortung und Das Ende der Diktaturen in Osteuropa Demokratisierung György Dalos Die Forster Oppositionsgruppe in der C.H. Beck Verlag Auseinandersetzung mit Staat und Kirche 978-3-406-58245-5 Maria Nooke / Christoph Links Verlag - LinksDruck 978-3-86153-479-2 Die Erziehung zum „neuen“ Menschen Heimliche Leser in der DDR im Jugendwerkhof Torgau Kontrolle und Verbreitung unerlaubter Ein Beitrag zum kulturellen Gedächtnis Literatur Andreas Gatzemann Christoph Links Verlag - LIT Verlag Dr. Wilhelm Hopf LinksDruck 978-3-8258-1599-8 978-3-86153-494-5

102 5 I 2009 IM FOKUS: 20 JAHRE FRIEDLICHE REVOLUTION

Weitere Neuerscheinungen (Auswahl) Weitere Neuerscheinungen (Auswahl)

Kinder in Uniform Die Todesopfer an der Berliner Mauer Generationen im Gespräch über Kind- 1961-1989 heit und Jugend in zwei deutschen (Hrsg.) Zentrum f. Zeitgesch. Forschung Diktaturen - Interviews Potsdam u. Stiftung Berliner Mauer 978-3-938543-60-3 Ch. Links Verlag 978-3-86153-517-1 Operation Fernsehen Was war die DDR? Die Stasi und die Medien in Die Geschichte eines anderen Ost und West Deutschlands Staadt/Voigt/Wolle Rolf Hosfeld 978-3-525-36741-4 Kiepenheuer & Witsch Verlag 978-3-462-03978-8 Opferentschädigung nach zweierlei Maß? Wunder muß man ausprobieren Eine vergleichende Untersuchung Der Weg zur deutschen Einheit Ulrike Guckes Reinhard Höppner BWV Berliner Wissenschafts-Verlag Aufbau Verlag 978-3-8305-1535-7 978-3-351-02680-6

Soziales Paradies oder Stasi-Staat? Zwischen Haß und Hoffnung. Das DDR-Bild von Schülern - ein Ost- Die Blues-Messen 1979-1986 West-Vergleich Dirk Moldt Monika Deutz-Schroeder, Klaus Schroeder, Robert-Havemann-Gesellschaft e.V. Vögel, Ernst, GmbH, Druckerei u. Verlag 978-3-938857-06-9 978-3-89650-276-6 Stasi-Gefängnis Bautzen II, 1956–1989 Endspiel Katalog zur Ausstellung Die Revolution von 1989 in der DDR Susanne Hattig, Silke Klewin, Cornelia Ilko-Sascha Kowalczuk Liebold, Jörg Morré; C. H. Beck Sandstein Verlag 978-3-406-58357-5 978-3-937602-98-1 Stasi-Mitarbeiter in deutschen Die Mauer Parlamenten? Geschichte einer Teilung Die Überprüfung der Abgeordneten … Wolfrum, Edgar Dorit Pries, C. H. Beck LIT Verlag Dr. Wilhelm Hopf 978-3-406-58517-3 978-3-8258-0593-7 Unsere Revolution Die Stasi lebt. Berichte aus einem Die Geschichte der Jahre 1989/90 unterwanderten Land Ehrhart Neubert Jürgen Schreiber Piper Verlag Droemer/Knaur Verlag 978-3-492-05155-2 ISBN-10 3426782510 ISBN-13 9783426782514 Vernehmungsprotokolle Jürgen Fuchs Jaron Verlag 978-3-89773-607-8

Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: das gefährliche Erbe der SED-Diktatur Grit Hartmann, Uwe Müller Rowohlt Verlag 978-3-87134-623-1

5 I 2009 103 PR-Anzeige

MatthiasFranz.Innenarchitekten

Auf der Suche nach neuen Bibliothekskonzepten – ein Blick aus der Wirtschaft von Matthias Franz, Geschäftsführer der MatthiasFranz Innenarchitekten GmbH

Verwaltungsbauten und öffentliche Einrichtungen wie auch Bibliotheken sind eines der architektonischen Brennpunktthemen für 2009 und 2010! Bis Ende 2010 müssen die baulichen Investitionen umgesetzt sein, damit auf das zweite Konjunkturpaket zurück- gegriffen werden kann. Anlässlich dieser Chancen befasste sich der 98. Bibliothekartag in Erfurt im Juni 2009 unter dem Motto „Ein neuer Blick auf Bibliothe- ken“ u.a. auch mit dem Schwerpunktthema „Die Orte der Bibliothek“ und legte damit einen Fokus auf neue Konzepte für die Architektur und Innenarchitektur von Bibliotheken.

Auf diesem Bibliothekartag habe ich als Geschäfts- führer von Matthias Franz Innenarchitekten – bei den Bibliothekaren bekannt als die „Hugendubel-Architek- ten“ – den Stand heutiger Bibliotheksarchitektur und -innenarchitektur anhand von zahlreichen Beispie- len analysiert und Bibliotheksräume mit dem Innen- leben heutiger Großbuchhandlungen verglichen.

© Christoph Kraneburg Nicht möglich? – Mit erfahrenem Blick aus der Pra- © Christoph Kraneburg © Hugendubel © Hugendubel

xis konnten wir die Maleurs und Chancen der Biblio- theken aufzeigen. So unterschiedlich die Anforderun- gen auch sind – im Buchhandel und in der Bibliothek, vieles ist übertragbar: wie das individuelle Erschlie- ßungskonzept und die Abwicklung des Realisierungs- prozesses, Licht- und Materialkonzepte, die den Funk- tionen angepasst werden müssen, die gemeinsamen Entscheidungsprozesse, auch die Fragen nach der Abnutzung und Erneuerung. Denn die Notwendigkeit der „zeitlosen“ Innenarchitektur für Bibliotheken, die mehr als 15 Jahre bis zur nächsten Erneuerung bleiben muss, sind aus der Wirtschaft nicht unbekannt und die Lösungsmöglichkeiten und Ansätze übertragbar.

Der Vortrag stellte die Leistungen und Ziele der Innen-

architekten heraus: Räume zu schaffen, in denen sich © Hugendubel die Menschen, Besucher wie Mitarbeiter, wohl fühlen. Die geschaffene Atmosphäre führt zur Umsatzsteige- Erschließungsstrukturen, Wegeführungen, Verkehrs- rung und zum wiederholten Besuch. Das gilt nicht nur flächen und Sonderbereiche investiert werden muss. für den Handel, sondern auch für Bibliotheken und Denn die Grundkonzeption entscheidet maßgeblich Büchereien. Und ohne professionelle Unterstützung über den Erfolg. sind diese Ziele heute nicht mehr erreichbar. Besonders deutlich wird das Beschriebene mit einem Was ist nun den Innenarchitekten besonders wichtig? Bild aus dem Sonderbereich für Kinder: Die Beleuch- Worauf legen sie besonderen Wert? tung ist auf die Ware konzentriert. Die Kinder kön- nen im Hellen verweilen und die Eltern haben sie im Besonders entscheidend für die Atmosphäre ist die Blick. Die eigenständige Einrichtung ist in die Ver- Beleuchtung. Licht – das wichtigste Thema im Raum. kaufsfläche integriert, eindeutige Zonierung, ein- Wir werden in unseren Gefühlen, Stimmungen vom ladend, nicht fremdartig. Für die Optimierung der Zyklus des Sonnenlichtes bestimmt. Ohne ausreichen- Akustik wurden grundsätzlich Teppichfliesen genutzt; des Licht sind Farben nicht zu erkennen. Licht dient im Kinderbuchbereich ein eigens angefertigter hoch- der Orientierung. floriger Teppich gelegt. Die Kinder sollen sich genau- so wohlfühlen wie ihre Eltern und damit frühzeitig Darüber hinaus wurden Möglichkeiten gezeigt, wie Spaß am Lesen entwickeln, dann kommen sie gerne sich durch eindeutige Zuordnung von Farben und wieder in die Bibliothek. Und wenn die Kinder gerne Materialien angenehme Raumsituationen schaffen las- wieder kommen, tun dies die Eltern meist auch. sen, die zur besseren Orientierung wesentlenich bei- tragen. Orientierung als wesentliches Bedürfnis muss Weitere Inhalte zum Vortrag „Auf der Suche nach schnell möglich sein. So ist die Klarheit in der Grund- neuen Bibliothekskonzepten – Konzepte aus der anordnung einer der wichtigsten Elemente bei der Wirtschaft“ von Matthias Franz finden Sie unter: Planung. Weshalb auch hier besonders viel Zeit in die www.matthiasfranz.de. PROFIL

Zeitlos!

In diesem Jahr wird eine Institution 350 Jahre alt – Cotta. Am 22. November 1659 erwarb Johann Georg I. Cotta durch Heirat den Verlag von dem akademischen Buchhändler Philipp Brunn in Tübingen und führte ihn unter seinem eigenen Namen als J.G. Cotta’sche Verlagsbuchhandlung weiter. Die Geschichte des Verlags ist gut dokumentiert. In unserer letzten Ausgaben berichteten wir über eine Ausstellung im Tübinger Stadtmuseum zu Ehren des Jubilars und die beiden Neuerscheinungen, die der Verlag zum Jubiläum anno 2009 vorlegte, eine Verlagsgeschichte in Briefen und eine Biographie über jenen Johann Friedrich Cotta, mit dem die Blütezeit des Verlags begann. Jetzt wirft Franziska Schneider für uns einen Blick auf das zeitgemäße Profil des Verlags und sein aktuelles Programm.

Michael Zöllner und Tom Kraushaar, die verlegerische Geschäftsführung

106 5 I 2009 PROFIL

„ Am 22. November 1659 wurde in Tübingen eine folgen- vor das Programm – hochwertige Belle- schwere Hochzeit gefeiert: Johann Georg Cotta I heiratete tristik, ansprechende Sachbuchthemen die Witwe des Buchhändlers Philibert Brunn und übernimmt und herausragende und wegweisende damit auch dessen Buchhandlung und Verlag. Werke der Psychologie und Erziehung –, ohne allerdings auf die notwendigen Ver- Am 22. November 2009 wird in Stuttgart zwar keine Hoch- änderungen zu verzichten, die einen zeit- zeit gefeiert, sondern – in der vorherigen Ausgabe des Fach- gemäßen Verlag ausmachen. Dass 2007 buchjournals wurde bereits darüber berichtet – das 350jäh- die Gründer des Berliner Tropen-Verlages, rige Jubiläum des Cotta Verlages, der mit der Vermählung Michael Zöllner und Tom Kraushaar, die in Tübingen seine Geburtsstunde erlebte: Der Beginn einer verlegerische Geschäftsführung übernah- einzigartigen Verlagstradition, die sich über dreieinhalb Jahr- men und die Tropen-Bücher, die für jun- hunderte weg stetig weiterentwickelt hat. Trotz zahlreicher ge, urbane Literatur stehen, seitdem als Wandlungen und Erneuerungen – seit den 1970ern als Teil Imprint von Klett-Cotta erscheinen, zeigt, der Klett-Gruppe – folgt der Verlag bis heute seinen Tradi- dass auch ein alter Traditionsverlag of- tionslinien. fen sein kann für Innovationen und neue Strömungen. Was aber wird gefeiert, wenn man als Verlag auf eine solch lange Geschichte zurückblickt? Gefeiert werden die großen Von den alten und neuen Traditionen, Namen der Literatur, gefeiert werden die großen historischen denen der Verlag folgt, zeugen auch die Verlegergestalten, die zu der Popularität des Hauses maßgeb- Neuerscheinungen dieses Herbstes. lich beigetragen haben – und die wichtigsten Personen für Zum einen wäre da die langjährige Tra- einen Verlag: Die Leser. dition der spanischsprachigen Literatur; man denke nur an Javier Marías, der seit Die Traditionslinien des Verlages, auf die man bei einem „Mein Herz so weiß“ zu einem der wich- solchen Jubiläum zurückblicken kann, bestimmen nach wie tigsten Autoren des Hauses gehört oder Jorge Volpi, dessen neues Werk „Zeit der Asche“ es wagt, mit dem 20. Jahrhundert abzurechnen. Diesen Herbst führt aktuell der argentinische Autor Alan Pauls mit seinem literarischen Welterfolg „Die Ver- gangenheit“ diese Tradition mit seinem grandiosen Epos über die Erziehung des Herzens fort.

Brigitte Kronauer steht seit den 1980er Jahren für eine Tradition der Moderne und setzt mit ihren Meisterwerken im- mer wieder Maßstäbe. Mit ihrem neuen Roman „Zwei schwarze Jäger“, der auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2009 steht, stellt sie erneut ihr einmali- ges Können unter Beweis.

Mit Georges Perecs amüsanter Geschichte „Über die Kunst seinen Chef anzuspre- chen und ihn um eine Gehaltserhöhung zu bitten“ setzt der Verlag die Tradition der modernen Klassiker fort und ehrt gleichzeitig postum einen seiner wich- tigsten Autoren. Interessant übrigens die Tatsache, dass ein solcher Titel heutzu- tage in Bahnhofs- und Flughafenbuch- handlungen ausgelegt wird – vielleicht nicht zuletzt auf- grund des Titels, der so gut zur momentanen Krise passt.

Der Tropen-Bereich, der das zeitgemäße Profil des Verlages bereichert, legt mit Massimo Carlottos „Wo die Zitronen blü- hen“ einen atemberaubenden Thriller vor, der ganz in der Tradition des Genres von kriminellen Abgründen im schein- bar so idyllischen Italien erzählt.

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Dem Verleger Michael Klett und seinem Enthusiasmus für ein umfangreiches Buch eines gewissen J.R.R. Tolkien ist es zu verdanken, dass seit Ende der 1960er die phantastische Literatur einen weiteren wichtigen Pfeiler der Klett-Cotta’schen Tradition darstellt und mit ihrem Pro- gramm Jahr für Jahr überzeugt. In der Hobbit-Presse kann man sich diesen Herbst auf spannende Neuerscheinungen freuen; der Großmeister Tad Williams hat mit „Die Drachen der Tinkerfarm“ einen neuen Wurf gelandet: Ein Fantasy-Roman für alle Altersklassen und Ferien auf dem Bauernhof der ganz besonderen Art.

Eine Verknüpfung zweier großer Bereiche des Verlages, nämlich Fantasy und Philo- sophie, bietet „Der Herr der Ringe und die Philosophie“ von Gregory Bessham und Eric Bronson: In humorvollen und klugen Essays wird hier erklärt, was Nietzsche und Frodo eigentlich gemeinsam haben und warum Sauron heute ein klassischer Umweltsünder wäre.

Beim Sachbuch steht John Gray als einer der bedeutendsten lebenden Philosophen mit seinem internationalen Bestseller „Po- litik der Apokalypse“ in der Tradition des Verlages, politische Sachbücher zu veröf- fentlichen, die gekonnt gesellschaftliche und kulturelle Kontroversen diskutieren. Dies tut auch Oliver Hillenkamp, der mit „Das Ende der Liebe“ ein polemisches Bild von Gefühlen im Zeitalter unendlicher Freiheit zeichnet.

Pädagogische Basiswerke von Maria Mon- tessori oder Rudolf Dreikurs verstärken ebenso wie die Ratgeber-Reihe „Klett- Cotta Leben!“ das psychologische und er- ziehungswissenschaftliche Programm des Verlages und machen ihn zu einem der wichtigen Wissenschaftsverlage Deutsch- lands. Diese Tradition spiegelt sich auch in den Neuerscheinungen wider. Hier geht es vor allen Dingen um Kommunikation – zwischen Männern und Frauen genau- so wie zwischen verschiedenen Genera- Altern und eine frühzeitige Auseinandersetzung damit gibt. tionen. Hanne Seemanns „Artenschutz Ein lohnenswertes Buch für alle Generationen, denn die Rede für Männer“, ein provokanter Ratgeber „Alt werden nur die anderen“ entspricht eben doch nicht der darüber, was Männer können (und was Wahrheit. eben nicht), gibt Frauen Anregungen, ih- re Männer besser zu verstehen und hilft Apropos glückliches Altern: Dies scheint dem Cotta Verlag Männern, ihre Stärken besser zu betonen. mehr als gut zu gelingen. Mit bereits dreieinhalb Jahrhunder- ten auf dem Buckel scheint er jünger und zeitgemäßer denn Hartmut und Hildegard Radebold legen je zu sein. Gute Literatur ist eben doch die beste Faltencreme. mit „Älterwerden will gelernt sein“ ein Buch vor, das auf einfühlsame und hu- Franziska Schneider morvolle Art Tipps für ein glückliches

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Krieg und Medizin: ein Gemein- schaftsprojekt des Deutschen Hygiene-Museums und der Wellcome Collection / Hrsg. von Melissa Larner; James Peto; Colleen M. Schmitz. Göttingen: Wallstein Verl., 2009. 269 S. Integrierte Knowledge Center Lösungen ISBN 978-3-8353-0486-4 25,60 €

Bibliotheken, Archive, Dokumentations- und Informationszentralen, Museen und Landtage werden mit Anforderungen konfrontiert, die Die Ausstellung Krieg und Medizin fand in der Wellcome sich schnell verändern und stetig wachsen. Collection in London vom 22. November 2008 bis zum 15. Februar 2009 und im Deutschen Hygiene-Museum Dresden Die Cuadra STAR Information Management vom 4. April 2009 bis zum 9. August 2009 statt. Sie stell- Suite hat sich in 25 Jahren immer neu te die ambivalente Beziehung Krieg – Medizin in all ihren GH¿QLHUWXPGLHVHUUDVDQWHQ(QWZLFNOXQJYRQ Facetten dar und mündet mit dem vorliegenden Katalog Technologie und Anwendererwartung stets in eine einzigartige Monografie – sie informiert, sie macht gerecht werden zu können. nachdenklich, sie berührt und sie macht letztlich wütend auf die gezielte Menschenvernichtung in Kriegen, auch im 21. Jahrhundert. Insofern kommen Ausstellung und Buch gerade Wir bieten Ihnen für Ihre individuellen zu recht zu den zum Teil heftig geführten Diskussionen um $QIRUGHUXQJVSUR¿OH EHUVLFKWOLFKH XQG den Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan, nachdem die DQZHQGHUIUHXQGOLFKH/|VXQJHQ Zahl deutscher Opfer weiter angestiegen ist. (Darüber berich- tet sehr anschaulich die frühere Oberstabsärztin in Afghanis- tan, Heike Groos in ihrem 2009 erschienen Buch „Ein schöner f Archivmanagement Tag zum Sterben, erschienen im Kröger Verlag Frankfurt am f Bibliotheksverwaltung Main). f Bild- und Medienarchiv Es ist die erste interdisziplinäre Monografie über die komple- f Dokumentenmanagement xe, widersprüchliche Beziehung zwischen der Destruktivität f eGovernment des Krieges und dem humanitären Anspruch der Medizin. Sie f Integrierter Document Delivery Service versucht die Frage zu beantworten, warum Ärzte, die Leben f Literaturverwaltung retten sollen, seit fast 200 Jahren so eng mit Armeen zusam- f Museumsmanagement menarbeiten, die Leben vernichten sollen. f Normenverwaltung Das Verhältnis von Krieg und Medizin ist von den Veranstal- f Parlamentsdokumentation tern bewusst eingegrenzt auf die Neuzeit. Die Beiträge be- f Patentinformationsverwaltung ginnen mit den Katastrophen des Krimkrieges und des ameri- f Thesaurusmanagement kanischen Bürgerkrieges im 19. Jahrhundert und führen über f Zeitschriftenverwaltung die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts zu den aktuellen Auseinandersetzungen im Irak und in Afghanistan zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Die Autoren zeigen an zahlreichen Bei- STAR-Kundentreffen 2009 spielen, dass eine immer ausgefeiltere Waffentechnik und +RWHO/H0pULGLHQ0QFKHQ immer hinterhältigere Massenvernichtungsmittel wie Gift- vom 14. bis 15. Oktober 2009 gas und Atombomben entwickelt wurden, um den Feinden zu schaden und sie zu vernichten. Die Medizin musste sich diesen Innovationen anpassen, um die steigende Zahl von Opfern mit neuartigen Verletzungen bewältigen zu können. Germaniastraße 42 Das Buch enthält einführende Beiträge über das Verhältnis 80805 München von Krieg und Medizin in Vergangenheit und Zukunft, über [email protected] Tel. 089 3 68 19 90 den Stand des militärischen Sanitätswesens und die Entwick- www.glomas.com Fax 089 3 61 10 66 lung der Herz- und Gefäßchirurgie im Ersten Weltkrieg, über die Erfahrungen der Militärmedizin in den beiden Weltkrie- gen, über den Konflikt zwischen medizinischer Ethik und militärischer Pflicht im Zweiten Weltkrieg am Beispiel von Cuadra STAR®/Produkte Zwangssterilisierung, Euthanasie und Holocaust sowie über Archives Bild- und Medienarchiv Libraries Museums Parlamentsdokumentation Thesaurus Zeitschriftenverwaltung die Geschlechtskrankheiten in Kriegen. Einen besonderen

5 I 2009 109 REZENSIONEN

Höhepunkt stellen die Beiträge über die medizinische Ver- Mensch und Tier. Zu ihren Einrichtungen gehören auch die sorgung von Kriegsopfern in Zeiten der neuen Kriege un- Wellcome Library mit umfangreichen Sammlungen und der ter besonderer Berücksichtigung der psychischen Folgen von Wellcome Trust for History of Medicine. Kriegseinsätzen am Beispiel des posttraumatischen Belas- tungssyndroms dar. Der Rezensent kann nur hoffen und wünschen, dass diese großartige Geschichte der Wechselwirkung von Krieg und Die reich illustrierten Beiträge werden durch Zeitzeugenbe- Medizin vom 19. Jahrhundert an eine weite Verbreitung er- richte von Ärzten, Soldaten, Krankenschwestern und Zivilis- fährt, nicht nur unter den Medizinern und Angehörigen der ten ergänzt, der Katalog wird durch Anmerkungen, eine Bib- Bundeswehr, sondern auch in breiten Kreisen der Bevölke- liographie, ein Verzeichnis der Autoren, ein Objektverzeichnis rung. und ein Verzeichnis der Leihgeber erschlossen. Leider wird die in Deutschland wenig bekannte Wellcome Collection nicht (Rezensent: Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier, näher vorgestellt. Der Wellcome Trust ist ein gemeinnützi- [email protected]) ge, 1936 in London gegründete Treuhand, die das Erbe von Sir Henry Wellcome verwaltet. Ihr Ziel ist die Förderung von Forschungsvorhaben zur Verbesserung der Gesundheit von

110 5 I 2009 REZENSIONEN

Roland, Norbert W.: Antarktis - Das plattentektonische Komplexgefüge wird inhaltlich und Forschung im ewigen Eis. insbesondere graphisch hervorragend präsentiert. Die Farb- Spektrum Akademischer Verlag, karten rund um den Gondwana-Verbund und dessen weitere Heidelberg, 2009. 334 S., Entwicklung bzw. Zerfall erlauben auch dem Nicht-Geologen 236 Abb., geb. einen sehr guten Überblick und Durchblick. Im Buch wird ISBN: 978-3-8274-1875-3 mit ausdrucksstarken Fotos von Landschaften und Gesteins- 39,95 € formationen (mit tollen Nahaufnahmen) nicht gespart. Dies erlaubt einen plastischen Einblick von dem doch für die meisten Leser fremden Terrain. Didaktisch sehr gut wird auch mit Fensterkarten zur besseren Orientierung in Diagrammen Schon das Titelbild des Buches und Karten sowie mit bearbeiteten Fotos gearbeitet, um bei- macht Lust aufs Lesen! Autor spielsweise Diskordanzflächen im Grundgebirge (S. 81) kennt- Norbert W. Roland hat in diesem lich zu machen. Spannend sind die Fakten über den jungen Buch die Fakten über den Kontinent der Superlative erho- Vulkanismus, wodurch die rezente tektonische Dynamik ein- ben und zusammengetragen. Es geht ihm dabei nicht alleine druckvoll aufzeigt und belegt wird. Die Fotos von Deception um die Geografie und Geologie, sondern auch um die For- Island und den dort vorkommenden Vulkaniten und heißen schungshistorie und die logistischen Herausforderungen bei Quellen oder dem Krater des Mt. Erebus nehmen den Leser der Arbeit in der Antarktis. mit auf die spannende Entdeckungsreise.

5 I 2009 111 REZENSIONEN

Unter der Kapitelüberschrift „Mineralische Rohstoffe – El- „Politik für 60 Grad Süd“ ein und macht persönlich sehr dorado oder Sperrkonto Antarktika?“ geht der Autor auf deutlich, dass Antarktika ein Kontinent der Forschung und das sensible Thema nach den vorkommenden Rohstoffen des Friedens bleiben soll, was durch zahlreiche Verträge, und eventuellen Lagerstätten ein. Gemäß § 32 des Umwelt- Protokolle und Konventionen vereinbart ist. Das Madrider schutzprotokolls im Rahmen des internationalen Antarktis- Protokoll als vorerst letzter Baustein im Antarktisvertragssys- vertrags gilt ein Bergbauverbot für die nächsten 50 Jahre. tem gewährleistet einen umfassenden Schutz. Fragen der zu- Nur wissenschaftliche Forschungstätigkeiten sind erlaubt. künftigen Tourismusentwicklung müssen allerdings dringend Dies sollte endlich Ruhe schaffen, da immer wieder über die geklärt werden, denn in den vier antarktischen Sommermo- Nutzung/Ausbeutung der „Schatzkammer der Menschheit“ naten 2007/2008 kamen fast 35.000 Touristen per Kreuz- spekuliert wurde. Selbst die neueren und eher ernüchtern- fahrtschiff. den Forschungsergebnisse und Bestandsaufnahmen über das Rohstoffpotenzial ließen die Schatzkammer-Vorstellungen(- Das Buch von Norbert W. Roland zeigt wissenschaftlich um- Träume) nicht aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit fassend das auf, was man bis dato über die Antarktis weiß schwinden. Neben den Ausführungen über mögliche Kohle- und wissen sollte. Es wird damit zu einem modernen Stan- und Erdöl-Vorkommen ist der Exkurs 8.2 über die 50.000 dardwerk. Es bietet umfassende Literaturangaben nach jedem km² große geschichtete Dufek-Intrusion spannend. Durch Kapitel. Das Buch ist sehr anschaulich und graphisch hervor- das vergleichbar langsame Abkühlen des Magmenreservoirs ragend gestaltet. Ein fachlich wie auch didaktisch gelungenes werden an der Basis der geschichteten Intrusion Erzlagerstät- und empfehlenswertes Buch. ten vermutet, aber bislang noch nicht nachgewiesen. Auch (Rezensent: Prof. Dr. Hans-Joachim Fuchs, werden bestehende Überlegungen bezüglich des Rohstoffs Geographisches Institut, Eis als Süßwasserquelle für Trockengebiete in den Tropen/ Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Subtropen oder metallische Rohstoffe vom Meeresboden dis- [email protected]) kutiert. Man wird als Leser immer wieder überrascht, welche (teilsweise absurden) Ideen bereits existieren. Mit dem Kapitel der Antarktis als Meteoritenfalle und den Martin Kappas: Klimatologie – beeindruckenden Fotodokumenten kommt ein weiterer span- Klimaforschung im nender Aspekt dazu. Beim Vergleich mit dem Roten Plane- 21. Jahrhundert – Heraus- ten Mars gibt es erstaunliche geomorphologische Parallelen. forderung für Natur- und Wer denkt, der Weiße Kontinent sei ohne Leben und bestehe Sozialwissenschaften nur aus Schnee und Eis wird ebenfalls Überraschungen ent- Spektrum Akademischer Verlag, decken. Der Autor versteht es, die Aspekte „Leben vor dem Heidelberg, 2009. 356 S., Eis“ anhand von Fossilfunden sowie „Leben mit dem Eis“ 100 Abb., geb., ISBN 978-3-8274- anhand der rezenten und extrem an die Eislandschaft an- 1827-2. 39,95 € gepassten Lebensgemeinschaften von Flora und Fauna zu präsentieren – ebenfalls reich und eindrucksvoll durch Fotos flankiert.

Unter der Kapitelüberschrift „Wie ewig ist das Ewige Eis?“ Martin Kappas Klimatologie ist von einem Geografen für kommt die aktuelle Diskussion über die Auswirkungen des Geografen geschrieben. Es spricht auch Entscheidungsträger Klimawandels auch in der Antarktis an. Norbert W. Roland in Behörden, Planer und Politiker an. Es ist aber sicher kein zeigt dabei die Gefahren für Antarktika auf und geht auf meteorologisches Fachbuch! die weitgespannte Diskussion über die Ursachen des Klima- Dieses Fach, in dem die Klimatologie ebenfalls beheimatet wandels ein, bei der er extraterrestrische, geologische, atmo- ist, hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer physika- sphärische wie auch anthropogene Ursachen nacheinander lischen Wissenschaft, d.h. zur Atmosphärenphysik ent- aufführt. Eine Verknüpfung und Gewichtung der Ursachen wickelt, die mit den mehr deskriptiven Ansätzen der Geogra- ist freilich sehr schwer. Der Mensch als Verursacher wird wohl fie häufig auf Kriegsfuß steht. Das Buch ist damit auch ein auch Leidtragender werden. Hier passt dann die Ozonpro- Abbild des Dilemmas der Studierenden, die in ihrer Geogra- blematik dazu, die er als „Loch im Schutzschild“ über der fieausbildung kaum mathematisch-physikalische Grundlagen Antarktis aufzeigt, und er macht auf die Gefahren durch den erwerben, oder Geographie als Studienfach deshalb gewählt fehlenden Schutzschild aufmerksam. haben, weil gerade die mathematisch-naturwissenschaftliche schulische Ausbildung so gar nicht ihr Ding war. Sie sind In seinem Kapitel über die „Meteorologischen Extreme“ schil- regelmäßig in meteorologischen Vorlesungen überfordert. dert er die Stürme und Temperaturen, kombiniert mit der Dort erfahren sie häufig, dass es mit reiner Beschreibung Wind-Chill-Effekt-Tabelle. Die Beschreibungen über Risiken nicht alleine getan ist und quantitativ-analytische Arbeit für lokale Erfrierungen flößen sicher den meisten Lesern Re- notwendig ist, die sie mit der erlernten Methodik nur unzu- spekt ein und vielleicht auch Bewunderung für die Polarfor- länglich erfassen können. scherinnen und Polarforscher, die sich während der monate- Obwohl der Autor mit seinem Buch nicht den Anspruch langen Geländearbeiten diesen Extremen und Entbehrungen erhebt, zur Zusammenführung der Disziplinen beitragen aussetzen. zu wollen, wäre es schön, wenn dieser Ansatz von Autoren dieses Genres wieder mehr in den Vordergrund gerückt wür- In seinem letzten Kapitel geht der Autor vertiefend auf die de, da sich gerade dieses Thema dafür anbietet. (ab)

112 5 I 2009 REZENSIONEN

Klimatologie ist in den letzten Jahrzehnten zu einer „Mega- Science“ geworden. Es geht dabei nicht mehr alleine um die Lehre von den klassischen Klimaelementen, Klimafaktoren und der Allgemeinen Zirkulation der Atmosphäre. Die Verän- derungen in Zeit und Raum (u.a. Zunahme der atmosphäri- schen Extremereignisse) sowie der Klimafaktor „Mensch“ sind hinzugekommen. Bedingt durch den sichtbaren Klimawandel » Was jetzt? « und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Natur- und Kulturraum unserer Erde geht es um einen wichtigen Themen- und Problemkomplex unserer Zukunft. Diese Her- ausforderung nimmt der Autor an und verdeutlicht die weit- reichende Interdisziplinarität der Klimaforschung. Das Klima beeinflusst Natur, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Dazu kommt die Erhöhung der Vulnerabilität in den jeweiligen Bereichen. Deshalb ist die Politik gefordert, Akzente in der Umweltgesetzgebung zu setzen, um den rapiden Tempera- turanstieg zu drosseln und die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren.

Der Autor präsentiert ein breites Themenspektrum, das über- sichtlich in drei Teile gegliedert ist. Zunächst geht er auf die klimatologischen Grundlagen ein, um eine Wissensbasis zu schaffen. Fortgeschrittene können dies überspringen und sich direkt mit den komplexen Fragestellungen beschäftigen. Die Kapitel bauen zwar aufeinander auf, stehen aber auch für sich alleine. Dies verleiht dem Buch auch einen Nachschlage- charakter. Zur Kernfrage nach dem Klimawandel und seinen Ursachen macht der Autor gleich zu Beginn deutlich, dass der Mensch der maßgebliche Akteur und somit die „Wurzel des Klimaproblems“ ist. Im Anschluss daran werden die wichtigs- ten Kennwerte des Klimawandels vorgestellt. Jetzt Spannend sind die beiden nachfolgenden Fallstudien „Kryo- sphäre“ sowie „Klima und Gesundheit“, die allerdings auch im Teil III des Buches gut positioniert gewesen wären. Hier werden in einem ersten Schritt die gravierenden Auswirkun- gen des Klimawandels aufgezeigt. Das arktische Klima wurde erst in jüngster Zeit durch die modernen Untersuchungs- methoden analysiert und besser verstanden. Die merkliche Klimawirkung durch Aerosole zeigt den Einfluss der Indus- trienationen auf die sensible Kryosphäre. Das Fallbeispiel „Gesundheit“ wird kompakt präsentiert. Gerade im Hinblick + Direkt recherchieren in Fachdaten- auf die zukünftigen Gefahren wäre eine Erweiterung für ei- banken und Bibliothekskatalogen ne nächste Buchauflage vorzuschlagen. Denn drch die Ver- + Bücher, Aufsätze, Webseiten und schiebung der Klimazonen sind auch gravierende gesund- weitere 32 Dokumententypen heitliche Belastungen zu erwarten. Auf das höhere Risiko professionell aufnehmen für Hautkrebs und Malaria wird eindringlich hingewiesen. Es + Zitate entnehmen und organisieren gäbe noch weitere Beispiele, verknüpft mit einer regionalen + Internet- und PDF-Seiten aus werten Betrachtung der zu erwartenden Gesundheitsrisiken in den mit Citavi Picker Tropen, Subtropen und Gemäßigten Breiten. + Arbeitsschritte planen + Publizieren mit Word, OpenOffi ce Im Anschluss daran wird der vierte IPCC-Bericht auf den oder verschiedenen TeX-Editoren Handlungsbedarf hin analysiert. Didaktisch gelungen ist die Frageform in den Überschriften. Dies nimmt den Leser in die Problematik mit hinein und regt zum Mitdenken an. Der Au- Fachleute empfehlen, tor zeigt auf, was zu tun ist und wo man unbedingt und bald ansetzen muss. Dabei werden – in Teil III – in einem Anwender lieben: zweiten Schritt die komplexen Wechselwirkungen von Klima, Mensch/Gesellschaft und Politik aufgezeigt. Insbesondere im Bereich der Klimapolitik werden zahlreiche Handlungsemp- citavi.com/jetzt fehlungen und Handlungsinstrumente vorgestellt. Eine inno-

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vationsorientierte Umweltpolitik zur Einhaltung des 2°C-Ziels wird vom Autor als notwendig erachtet. IMPRESSUM Als Schlusspunkt wird die Kontroverse in der Klimadiskussion Herausgeber Carla Horn-Friesecke vorgestellt. Diese fällt recht kurz aus, denn für den Autor ist [email protected] Erwin König die Auseinandersetzung mit den Klimaskeptikern aufgrund [email protected] der wissenschaftlichen Ausgangslage entschieden. Dennoch soll dem Leser klar werden, dass es sich bei der Klimatologie Redaktion Angelika Beyreuther (verantw.) [email protected] um eine ergebnisoffene Wissenschaft handelt, „die wie kaum eine andere intensiv in die unterschiedlichen Lebensbereiche Layout Ulla Cicconi [email protected] und Sphären unserer Erde eingreift“ (Seite 307).

Redaktionsadresse Greifstraße 4, 65199 Wiesbaden Äußerlich hätte dem Buch mehr Farbe gestanden. Konse- Tel.: (06 11) 3 96 99 – 24 quent begleiten den Leser neben der schwarzen Textfarbe Internet www.fachbuchjournal.de zwei Blautöne durch das Buch, was die Gestaltungsfreiheit und Aussagekraft einiger Karten und Diagramme etwas ein- Verlag DINGES & FRICK GmbH; Medientechnik, Drucktechnik & Verlag; schränkt: dies zeigt sich besonders bei der Darstellung von Greifstraße 4 höheren/ansteigenden Temperaturen oder der Strahlung. Die 65199 Wiesbaden; schönen Farbtafeln am Ende des Buches hätten besser an die Postfach 2009 65010 Wiesbaden entsprechenden Stellen in den einzelnen Kapiteln gepasst. Tel.: (06 11) 9 31 09 41 Diese Veränderung hätte aber womöglich den moderaten Fax: (06 11) 931 09 43 Preis des Buches erhöht, und war möglicherweise ein Kom- [email protected] Geschäftsführung: Carla Horn-Friesecke promiss von Seiten des Verlages. Tel.: (0611) 3 96 99 – 11 [email protected] Inhaltlich handelt sich um ein höchst aktuelles und relevantes Anzeigen: Rocco Mischok Buch. Der Leser wird nicht nur in einer gut verständlichen Art Tel.: (06 11) 3 96 99 – 60 und Weise in die komplexe Problematik des Klimawandels [email protected] eingeführt, sondern erhält weitreichende Informationen über

Bankverbindung W iesbadener Volksbank die komplexen Zusammenhänge. Wissenschaft, Gesellschaft, BLZ 510 900 00 Konto-Nr. 714 22 34 Wirtschaft und Politik werden zukünftig vor großen Aufga-

Gerichtsstand ben gestellt. „Klimatologie“ von Martin Kappas liefert dafür und Erfüllungsort Wiesbaden die Wissensausstattung: nicht nur für Studierende, sondern auch für Entscheidungsträger in der Praxis, Politiker und für Anzeigenpreise Preisliste Nr. 2, gültig ab 15.01.2009 alle, die sich für globale Umweltfragen interessieren. Es geht Bezugsbedingungen Lieferung durch Postzeitungsdienst um eine lebenswerte Zukunft für ALLE. Dies kommt in dem Einzelheft: € 16,-, Buch eindrucksvoll und deutlich zur Sprache. Der Mensch Jahresabo (6 Ausgaben): Inland € 90,- Studenten-Abonnement: € 65,- wird in die Verantwortung genommen und zum Handeln Preise inkl. MwSt. und Versand im Inland, aufgefordert. Auslandsporto auf Anfrage Abonnement-Kündigungen jeweils 6 Wochen vor Ende des Bezugszeitraums. (Rezensent: Prof. Dr. Hans-Joachim Fuchs, Geographisches Institut, Druck DINGES & FRICK GmbH Greifstraße 4; 65199 Wiesbaden Johannes Gutenberg-Universität Mainz, [email protected]) Erscheinungsweise 6-mal jährlich

ISSN-Nr. 1867-5328 Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen.

VORSCHAU

Ausgabe 6-2009 des Fachbuchjournals erscheint Mitte Dezember.

BUCHM ESSE KÜNSTE ˜#%*$'4+%*6'456#6670) Neuerscheinungen ˜'7'45%*'+070)'0<7/ #56.#0&*+0# PROFIL M EDIZIN Thieme, Stuttgart ˜'&+<+0X 6*+-70&'05%*'04'%*6' ˜'7'45%*'+070)'0X7T#T<7 //701.1)+'X  JAHR DER ASTRONOM IE RECHT Neuerscheinungen zum Abschluss des Jahres Betreuungsrecht, Nachlasspflegschaft, Patientenverfügung, Sterbehilfe der Astronomie 2009

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Nachdem Martin Luther Papst geworden war und die Alliierten den Zweiten Weltkrieg gewonnen hatten …

Georg Ruppelt

Georg Ruppelt wurde 2002 Direktor der Niedersächsischen Landesbiblio- thek in Hannover, die seit 2005 auf seine Veranlassung hin den Namen Gottfried Wilhelm Leibniz Biblio- „ „Wie gut, dass die Ururgroßeltern damals die Abfahrt der thek trägt. 2007 wurde der Leibniz- Titanic verpasst haben!“ – „Wenn ich 1999 nicht Urlaub in Briefwechsel der Bibliothek in das Rimini gemacht hätte, wäre ich heute mit jemand anderem UNESCO-Weltdokumentenerbe zusammen.“ Überlegungen dieser Art hat wohl jeder schon aufgenommen. einmal angestellt, und jedem werden gewiss Entscheidungen oder Ereignisse einfallen, die sein Leben nachhaltig bestimm- ten. und Personenverkehr wird mit gewaltigen Dampfmaschinen Auch die allgemeine Geschichte kennt Wendepunkte, die die getragen, die auf den Straßen fahren. „Die Bulle Petroleum Welt für die Zukunft beeinflusst haben. Die Frage nach dem Veto von 1910 hatte den Hubraum von Verbrennungsmo- „Was wäre gewesen, wenn ...?“ wird in der Geschichtswis- toren auf 150 Kubikzoll beschränkt. Die Benzinfahrzeuge senschaft seit einiger Zeit durchaus ernsthaft gestellt. Man hatten sich mit lustigen Segeln aushelfen müssen, damit sie fragt etwa, was geschehen wäre, wenn Alexander der Große überhaupt vorankamen.“ Die Nachrichtenübermittlung er- nicht so früh gestorben wäre, Napoleon bei Waterloo gesiegt folgt mit Hilfe hoher Signalmasten und Ferngläsern. (Robert hätte oder die Widerständler des 20. Juli 1944 erfolgreich Keith: Pavane, 1966.) gewesen wären? Der Historiker Rainer Rother schreibt: „Die Betrachtung möglicher Alternativen kann den Blick auf das Andererseits sind in diesen beiden Romanwelten Künste und Vergangene schärfen, die Zwangslage in einer bestimmten Kultur hoch angesehen und verbreitet; die Umwelt ist nicht Konstellation verdeutlichen und klären, wie eng ein Ge- zerstört. Die Weltkriege haben nicht stattgefunden; Atom- schichtsverlauf an zufällige Fakten geknüpft war.“ bomben gibt es nicht; Namen wie Auschwitz oder Buchen- wald haben keine Bedeutung. Einziger Gegenspieler der Kir- Die Frage nach dem „Was wäre, wenn“ ist häufig auch von che ist in „Die Verwandlung“ von Kingsley Amis das Osmani- Autoren des literarischen Genres Science Fiction gestellt wor- sche Reich, mit dem das Papsttum gelegentlich Kriege führt, den. Eine Anzahl dieser hochspekulativen, oft überaus span- deren wirkliche, aber natürlich geheimgehaltene Absicht eine nenden Romane werden in einem Nicht-nur-Fachbuch des Bevölkerungsreduktion ist. — Humor und Satire sind häufiger Wehrhahn-Verlages, Hannover, vorgestellt, das unter demsel- Bestandteil dieser Romane. In Amis’ Roman ist z. B. Jean- ben Titel erschien wie die Überschrift zu dieser Lese-Ecke. Paul Sartre ein religiöser Schriftsteller, und Himmler und Berija haben als Kurienkardinäle einen kirchlichen Geheim- Zu diesen Romanen gehört u. a. die Trilogie Hammer und dienst aufgebaut. Kreuz (1993–1996) der amerikanischen Autoren Harry Har- rison und John Holm, die davon ausgeht, dass im 8. und Fröhlich geht es in dem Roman „Der zeitgereiste Napoleon“ 9. Jahrhundert die Wikinger eine organisierte technikfreund- (1987) von Harold Peirce zu. Darin hat Napoleon bei Water- liche Religion gegründet und das Christentum in Nordeuropa loo gesiegt und am Ende des 20. Jahrhunderts regiert sein besiegt hätten. Nachfolger als Napoleon V. ein vereinigtes Europa. Deutsch- land besteht aus 29 Kleinstaaten, die eine lose Konföderation Ein 1966 und ein weiterer 1976 erschienener Roman schil- eingegangen sind. Kaiser Napoleon V. meint: „Die Deutschen dern ein 20. Jahrhundert, in dem die Katholische Kirche eine sind in erster Linie Dichter, Visionäre und Träumer; sie haben Welt beherrscht, in der Martin Luther nicht eine Reforma tion überhaupt keinen Sinn für das Praktische.“ ausgelöst hat, sondern Papst Germanian I. geworden und Königin Elisabeth I. einem Attentat zum Opfer gefallen ist. Mit einem alternativen Verlauf der amerikanischen Geschich- In diesen Welten ist die Technik unterentwickelt. Der Güter- te beschäftigt sich ein Klassiker des Genres, Ward Moores

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1953 erschienener Roman „Der große Süden“. Darin haben Nach dem 1947 gewonnenen Krieg haben Japan und die Südstaaten den amerikanischen Bürgerkrieg gewonnen; Deutschland die USA unter sich aufgeteilt. Im Westen herr- sie sind eine reiche Agrarnation geworden. Der Rassismus re- schen die Japaner über die besetzten Pazifikstaaten, in den giert ein technisch kaum entwickeltes 20. Jahrhundert. Ost-, Süd- und Mittelstaaten führen die Deutschen ein stren- ges rassistisches Regime. Während Japan auf den Heimatin- In Carl Amerys 1979 erschienenem Roman „An den Feuern seln und in seinem Machtbereich zu einem aufgeklärten und der Leyermark“ hat Preußen 1866 den Krieg gegen Öster- freizügigen Buddhismus zurückgekehrt ist, der andere Rassen reich, Bayern und Hannover verloren. Bayern wird der bedeu- toleriert, setzten die Deutschen ihren Vernichtungsfeldzug tendste Staat Mitteleuropas, demokratisch, kunstliebend und gegen die Juden in den USA fort. Nach ihrem Sieg haben freiheitlich. sie auch die schwarze Bevölkerung Afrikas ausgerottet, das Mittelmeer trocken gelegt und die Sahara fruchtbar gemacht; Im Anschluss an diese Lektüre mag man sich fragen, ob der eine deutsche Expedition ist zum Mars unterwegs. Welt ein „Führer“ Adolf Hitler erspart geblieben wäre, wenn sich bei einer anderen Weichenstellung im Jahre 1866 früher Als der Nachfolger Hitlers, Martin Bormann, 1962 stirbt, setzt und nachhaltiger republikanische und demokratische Ten- sich Goebbels in den darauf folgenden Diadochenkämpfen denzen in Deutschland hätten durchsetzen können; wenn durch und wird der neue Führer, der sofort einen Atomschlag es zu einer „großdeutschen“ oder gar keiner Einheitslösung auf die einzige noch verbleibende konkurrierende Weltmacht, gekommen wäre; wenn das Königreich Hannover nicht von nämlich Japan, plant. Preußen annektiert, also mit Gewalt und ohne Berechtigung in dessen Besitz gebracht worden wäre. Das Deutsche Reich hat im Roman von Otto Basil den Krieg durch einen Atombombenabwurf auf London gewonnen. Aus einem völlig anderen Grund findet in dem Alternativwelt- Europa steht unter deutschem Protektorat, die USA werden Roman „Als Wilhelm kam“ von Saki (d. i. Hector Hugh Mun- von einer berlinhörigen Marionettenregierung des Ku-Klux- ro) der Erste Weltkrieg nicht statt. Darin startet Deutschland Klan beherrscht. Der pazifische Raum steht unter dem Ein- 1912 einen Überraschungsangriff auf England und besiegt fluss Japans, der einzigen Weltmacht außer dem Deutschen dieses vor allem durch den Einsatz seiner Zeppelin-Luftflotte Reich. und überragender Kriegsschiffe innerhalb einer Woche. Im Reich selbst ist die nationalsozialistische Ideologie mit all Die Alternativwelt, die Christian Mähr 1991 in „Fatous Staub“ ihren Abartigkeiten zur vollen Blüte gelangt. Die absurdes- schildert, hat den Ersten und den Zweiten Weltkrieg nicht ten Ideen haben sich entwickelt und sind bis zum Wahnsinn erlebt. Die österreichische Monarchie wird von einem Kaiser weitergeführt worden. Es ist eine Alptraumlandschaft, die Karl regiert, der offensichtlich etwas debil ist. Der Kaiser des geprägt ist von nordischem Mystizismus, esoterischen Toll- Deutschen Reiches, Wilhelm II., hatte bis in die Mitte des 20. heiten, angefüllt mit SS-Ordensburgen, Zuchtmutterklöstern, Jahrhundert das Szepter in der Hand und seinen Eigenarten Werwolfverbänden, brutalsten Vernichtungsmechanismen freien Lauf gelassen, dabei aber niemandem durch Krieg und und parapsychologischen Dienstleistungsunternehmen. In Kriegsgeschrei geschadet. Basils Roman sind die nationalsozialistischen Vorstellungen eines „neuen Europa“ Wirklichkeit geworden. Ein Zeitraum wird in den Romanen immer wieder behandelt: jene verdammten Jahre zwischen 1933 und 1945. Bis auf In dem Buch „Nachdem Martin Luther …“ werden überdies wenige Ausnahmen haben in diesen Romanwelten Hitler, die noch weitere Romane zu dieser Thematik vorgestellt, u. a. Nazis und ihre Verbündeten den Krieg gewonnen. Zwei der auch eine in Deutschland lange verbotene Satire von Nor- besten Romane dieses Genres überhaupt gehören zu ihnen: man Spinrad, in der Hitler nach dem 1. Weltkrieg in die USA „Wenn das der Führer wüsste“ von Otto Basil (1966) und auswandert und dort ein erfolgreicher Science Fiction-Autor „Das Orakel vom Berge“ von Philipp K. Dick (1962). wird. Oder ein Roman, der eine Machtübernahme der Sowjet- union in den USA schildert. In Dicks Alternativwelt sieht die Lage so aus: Durch die Ermordung Präsident Roosevelts 1932 gelang es den USA Auf der Frankfurter Buchmesse 2008 erregte das neue Buch nicht, die schwere wirtschaftliche Depression zu überwinden. von Christian Kracht „Ich werde hier sein im Sonnenschein Sein Nachfolger führt eine isolationistische Politik, die es und im Schatten“ (Kiepenheuer & Witsch) Aufsehen – ein den „Achsenmächten” erlaubt, ganz Europa, schließlich auch Alternativwelt-Roman! Auf dem Klappentext heißt es: „Flam- Nordafrika und den Nahen Osten zu unterwerfen. Deutsch- men über Europa. Deutsche Luftschiffe bombardieren das land ist damit im Besitz gewaltiger Ölreserven und hat außer- tief in den Fels gegrabene Machtzentrum der Schweizer dem die Atombombe entwickelt. Entscheidend für den Sieg Sowjetrepublik. Ostafrika genießt die Segnungen der Schwei- der Deutschen und der mit ihnen verbündeten Japaner und zer Zivi lisation, doch die Evolution der Menschheit kehrt sich Italiener ist allerdings nicht der Abwurf einer Atombombe um.“ Der Klappentext nennt den Roman „eines der erstaun- oder eine große Schlacht, sondern die Tatsache, dass Her- lichsten, irritierendsten und faszinierendsten Bücher des mann Göring Hitler überreden kann, die Radarstationen auf Jahrzehnts“. Da hat er Recht, der Klappentext! den britischen Inseln zu bombardieren, statt Terrorangrif- fe auf die Städte zu fliegen. Dieses Detail entscheidet die Schlacht um England.

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TOPTHEMA.

VETTER Selbstbestimmung am Lebensende Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht 2009, 2., überarbeitete Auflage, ca. 128 Seiten, € 9,80 ISBN 978-3-415-04332-9

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Die 56. Jahresausgabe berücksichtigt bereits die neuen Begutachtungs-Richtlinien – BRi sowie die Versorgungsmedizin-Verordnung. Die Auswirkungen der Erhöhung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung und zahlreiche gesetzliche Änderun- gen, u.a. durch das Gesetz zur Neuausrichtung arbeitsmarktpolitischer Instrumente sowie das Familienleistungsgesetz und das Bürgerentlastungsgesetz, sind bereits eingearbeitet.

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