Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/8631
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/8631 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung gemäß § 46 Abs. 1 GO LT mit Antwort der Landesregierung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Susanne Menge, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE) Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung Die rechte Szene in Einbeck und Umgebung Anfrage der Abgeordneten Julia Willie Hamburg, Susanne Menge, Christian Meyer und Dragos Pancescu (GRÜNE), eingegangen am 15.01.2021 - Drs. 18/8390 an die Staatskanzlei übersandt am 26.01.2021 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregierung vom 26.02.2021 Vorbemerkung der Abgeordneten In der ersten Aprilwoche 2020 wurden in Einbeck (Landkreis Northeim) zwei Wohnungen von Mit- gliedern der rechten Szene durchsucht und mehrere Waffen beschlagnahmt. Die Verdächtigen sollen laut Medienberichten bereits wegen antisemitischer Straftaten aufgefallen sein. Laut Berichten des Magazins Endstation Rechts trugen Menschen aus dem Umfeld von Thorsten H. ein Transparent mit der Aufschrift „Kameradschaft Northeim“ auch im Februar 2020 beim sogenannten Trauermarsch in Dresden. Im März 2020 nahmen an einer Versammlung der Partei „Die Rechte“ in Einbeck rund 30 Mitglieder der rechten Szene aus dem Umland und deutschlandweit teil. Im Juni 2020 kam es zudem zu einem Sprengstoffanschlag auf einen Briefkasten an einem Wohn- haus. In dem Haus wohnt eine Person, die sich gegen die Einbecker Neonaziszene engagiert. Der mutmaßliche Täter, bekannter Neonazi aus Einbeck, verletzte sich bei der Tat selber an der Hand. Vorbemerkung der Landesregierung Kennzeichnend für die neonazistische Szene in Niedersachsen ist die Verzahnung mit subkulturell geprägten Rechtsextremisten sowie mit der in Parteien organisierten rechtsextremistischen Szene. Der allgemeinen Entwicklung folgend, die durch ein Abrücken von starren Organisationsstrukturen gekennzeichnet ist, sind Neonazis in den verschiedenen Landesteilen Niedersachsens zumeist in überregionale rechtsextremistische Netzwerke eingebunden. Die Bandbreite der Aktivitäten reicht von der Durchführung öffentlichkeitswirksamer Propaganda-, Gedenk- oder Störaktionen über die Veranstaltung von Balladenabenden und Zeitzeugenvorträgen bis zur Teilnahme an Demonstrationen oder szeneinternen Großveranstaltungen im gesamten Bun- desgebiet. Im Mittelpunkt der Agitation steht die Thematisierung einer drohenden und vermeintlich zum „Volkstod“ führenden „Überfremdung“. Die neonazistische Szene in Niedersachsen ist von einer Heterogenität geprägt, die gleichermaßen personell und strukturell wie auch aktionistisch zum Ausdruck kommt. Einerseits bestehen Gruppie- rungen, die durchaus um politische Wahrnehmung mittels öffentlichkeitswirksamer Aktionen wie Flugblattverteilungen, Kundgebungen oder Demonstrationsteilnahmen bemüht sind; ihre Anhänger- zahl bewegt sich im niedrigen einstelligen Bereich. Anderseits existieren auch Szenen, die zwar über teilweise deutlich höhere Anhängerzahlen verfügen, deren Aktivitäten jedoch nahezu ausschließlich Binnenwirkung entfalten. 1 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/8631 Zur Verbesserung personeller und organisatorischer Möglichkeiten dienen überregionale Netzwerke. Allerdings ist deren Bedeutung recht gering, denn das dahinterstehende reale Personenpotenzial fällt im Vergleich zur Größe des jeweiligen Einzugsbereichs oftmals deutlich ab. Personelle und strukturelle Zwänge sind die Ursache für Kooperationen mit der NPD und deren Ju- gendorganisation Junge Nationalisten (JN) ebenso wie mit den rechtsextremistischen Parteien „Die Rechte“ und „Der III. Weg“. Darüber hinaus sind die Übergänge zur subkulturell geprägten rechtsext- remistischen Szene fließend. Auch der niedersächsische Landesverband der Partei „Die Rechte“ setzt sich überwiegend aus An- gehörigen der neonazistischen Szene zusammen, die unter gezielter (Aus-)Nutzung des Parteiensta- tus ihre bisher außerparteilich durchgeführten Aktivitäten fortführen. Die Mitgliederzahl ist im Ver- gleich zum Vorjahr insbesondere aufgrund des Übertritts von Angehörigen der aufgelösten „Kame- radschaft Einbeck“ zum Kreisverband Einbeck/Northeim leicht gestiegen. Innerhalb des rechtsextre- mistischen Personenpotenzials in Niedersachsen handelt es sich also lediglich um eine Verschie- bung und nicht um einen realen Zuwachs. Die Partei „Die Rechte“ hat besonders im Bereich der Kreisverbände Braunschweig/Hildesheim und Einbeck/Northeim öffentlichkeitswirksame Aktivitäten entfaltet. Dies liegt vor allem an den beiden Kreisvorsitzenden Johannes W. aus Hildesheim und Tobias H. aus Northeim, die ein hohes Maß an Aktionismus an den Tag legen. Hierbei spielt deren Vernetzung untereinander, aber auch mit weite- ren Personen aufgrund persönlicher Kennverhältnisse eine entscheidende Rolle. Mittlerweile hat sich innerhalb Niedersachsens das Dreieck Braunschweig-Einbeck-Hildesheim als neues Machtzentrum der Partei herausgebildet, das federführend für deren Aktivitäten in Niedersachsen verantwortlich ist. 1. Wie schätzt die Landesregierung die Entwicklung der rechten Szene in Einbeck seit 2016 ein? Die neonazistische Szene in Südniedersachsen und auch im Landkreis Northeim war in den Jahren 2015 bis 2018 eng mit der rechtsextremistischen Gruppierung „Freundeskreis Thüringen/Nieder- sachsen“ (FKTN) verflochten, die später in „Freundeskreis Thügida“ und zuletzt in „Volksbewegung Niedersachsen“ umbenannt wurde. Die Aktivitäten der Gruppierung zeigten sich in zahlreichen Pro- pagandaaktionen, Kundgebungen und Demonstrationen wie auch in ihrer Unterstützung für die NPD im Kommunalwahlkampf 2016. Insbesondere die wiederholte Einbindung von Mitgliedern des FKTN in die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremisten hatten das Ge- schehen in den Landkreisen Göttingen und Northeim weitestgehend geprägt. In der Folgezeit war jedoch eine zahlenmäßige Marginalisierung dieses Personenpotenzials zu be- obachten, mit der zugleich Aktivitäten des FKTN ausblieben. Ein Grund hierfür waren mehrere Er- mittlungsverfahren, darunter der Vorwurf der Bildung einer bewaffneten Gruppe gemäß § 127 StGB gegen sechs Angehörige des FKTN, sowie der damit einhergehende Verfolgungsdruck. Auch die im Mai 2017 erfolgte Umbenennung in „Volksbewegung Niedersachsen“, die eine wachsende Bedeu- tung suggerieren sollte, konnte letztlich die Auflösung der Gruppierung nicht verhindern. Im Mai 2018 wurde das entsprechende Facebook-Profil abgeschaltet. Von 2018 bis Anfang 2020 war die „Kameradschaft Einbeck“ für die rechtsextremistische Szene in der Stadt prägend. Die Mitglieder der Gruppierung waren bereits zuvor sowohl in die örtlichen als auch in die überregionalen Aktivitäten der Neonaziszene im südlichen Niedersachsen eingebunden gewesen. Dieser Personenkreis verfügte insbesondere im Dreiländereck Niedersachsen-Hessen- Thüringen über rechtsextremistische Kontakte. Nach der offiziellen Auflösung der „Kameradschaft Einbeck“ im Januar 2020 haben sich die ehema- ligen Mitglieder als Kreisverband Einbeck/Northeim der Partei „Die Rechte“ neu organisiert und re- präsentieren seitdem unter neuem Namen die rechtsextremistischen Aktivitäten in der Stadt. Diese Aktivitäten sind weiterhin von politischer Propaganda, gezielten Provokationen und teilweise offener Gewalt bestimmt. Siehe auch die Ausführungen in der Vorbemerkung und die Antworten zu den Fragen 7, 8 und 12. 2 Niedersächsischer Landtag – 18. Wahlperiode Drucksache 18/8631 2. Welches Personenpotenzial hat die rechte Szene in Einbeck und den umliegenden Ge- meinden Dassel und Bad Gandersheim? Für die Stadt Einbeck und Ortsteile der Gemeinde Einbeck ist von einem Personenpotenzial im ein- bis unteren zweistelligen Bereich auszugehen. Zu den Gemeinden Dassel und Bad Gandersheim liegen derzeit keine Erkenntnisse vor. 3. Welche Demonstrationen, Kundgebungen und Infotische wurden im Landkreis Northeim von extrem rechten Gruppierungen seit Januar 2019 angemeldet und haben stattgefun- den (bitte aufschlüsseln nach Datum, organisierender Gruppierung, thematischer Aus- richtung, Personenanzahl und Ort)? Datum Veranstalter / Thema Ort / Personenzahl 29.06.2019 Kameradschaft Einbeck - Northeim „Es reicht - Schluss mit Gewalt gegen Deutsche“ - 8 Teilnehmende 14.09.2019 Kameradschaft Einbeck - Einbeck „Einbeck bleibt sauber“ - 28 Teilnehmende 18.09.2019 Kameradschaft Einbeck - Einbeck „Gegen die Bedrohung der nationalen Bürger“ - 5 Teilnehmende 03.10.2019 Kameradschaft Einbeck - Einbeck „Die Mauer - Raus aus den Köpfen!“ - 9 Teilnehmende 04.12.2019 Kameradschaft Einbeck - Moringen „Schluss mit Hexenjagt [sic] - Schluss mit Pressehetze“ - 7 Teilnehmende 14.02.2020 Die Rechte - Einbeck „Dresden ist überall - Gegen das Vergessen!!“ - 8 Teilnehmende 29.02.2020 Die Rechte - Einbeck „Neuer Wind für unsere Region“ - 34 Teilnehmende 08.05.2020 Die Rechte - Einbeck „Gegen den Schuld Kult - Aufklärung statt Reue“ - 8 Teilnehmende 08.05.2020 Die Rechte - Einbeck „Gegen polizeiliche Willkür“ - 6 Teilnehmende 09.05.2020 Die Rechte - Einbeck Spontankundgebung - 4 Teilnehmende 12.05.2020 Die Rechte - Einbeck Spontankundgebung - 5 Teilnehmende 20.06.2020 Die Rechte - Einbeck „Gegen behördliche Willkür“ - 13 Teilnehmende 24.07.2020 Die Rechte - Einbeck Infotisch - 5 Teilnehmende 22.08.2020 Die Rechte - Einbeck Kundgebung - 18 Teilnehmende 10.10.2020 Die Rechte - Einbeck „Schluss mit linkem Terror, linker Hetze und Gewalt“ - 21 Teilnehmende 10.10.2020 Die Rechte - Einbeck „Gegen linke Hetze“ - 19