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MOEWIG Band Nr. 4341 Moewig Taschenbuchverlag Rastatt Copyright © by Bechtle Verlag, Esslingen/München Lizenzausgabe mit Genehmigung Umschlagfoto und Foto im Innenteil: Süddeutscher Verlag Umschlagentwurf und -gestaltung: Franz Wöllzenmüller, München Verkaufspreis inkl. gesetzt Mehrwertsteuer Auslieferung in Österreich: Pressegrossvertrieb Salzburg, Niederalm 300, A-5081 Anif Printed in Germany 1984 Druck und Bindung: Elsnerdruck GmbH, Berlin ISBN 3-8118-4341-9 Eingescannt mit OCR-Software ABBYY Fine Reader Feuerstellung «Heidekraut» ........................................................... 247 Allerlei Sonderentwicklungen ........................................................ 251 V 2 für den ersten Parteitag nach dem Kriege ................................ 259 «Arbeitsstab Dornberger» – zu spät! .............................................. 263 Götterdämmerung über Deutschland ............................................... 270 Geleitwort von Walter Dornberger zur 3. Auflage .......................... 281 Vorwort von Walter Dornberger zur 1. Auflage ............................. 284 6 Geleitwort Diese erweiterte Neuausgabe des Buches von Dr. Walter Dornberger «V2 – Der Schuss ins Weltall» – 3 Auflagen* dieses Standardwerkes der Zeitgeschichte waren rasch vergriffen – gewinnt im Rückblick auf die ungeahnte Entfaltung der Weltraumfahrt in den vergangenen drei Jahrzehnten mit ihren Ergebnissen, umfassenden Anregungen und Einflüssen auf fast alle technischen und wissenschaftlichen Bereiche ihre besondere Bedeutung. Steht doch an der Wiege dieser unser Zeit- alter mitbestimmenden Entwicklung Peenemünde, wo unter der Füh- rung von General Dr. Dornberger, dem Kommandeur eben dieser Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom, mit dem Aggregat A4, auch V2 genannt, der Grundstein für die praktische Raumfahrt gelegt wurde. Obwohl die damalige Bestimmung Kriegszwecken galt, bleibt der Rang der Arbeiten in der Versuchsanstalt Peenemünde für alle Zeiten in der Geschichte von Technik und Wissenschaft unumstritten. Die russischen Sputnik-Satelliten Ende der fünfziger Jahre sowie die amerikanische Explorer-Serie wurden mit Raketen in eine Umlauf- bahn um die Erde gebracht, die auf der Technologie des A4, also der V2, basierten. Dies waren die gebündelte Wostok-Rakete und die Redstone-Trägerrakete, mit denen der erste bemannte Raumflug der Russen und die ersten beiden bemannten Flüge im amerikanischen Merkur-Programm gestartet wurden. In beiden Ländern hat jedoch nicht nur die aus Peenemünde vorliegende Raketentechnologie zur Entwicklung der Raumfahrt beigetragen, sondern führend blieben eben diese Fachleute aus dem A4-Programm, die darauf aufbauten und die Entwicklung vorantrieben. Für die Vereinigten Staaten trifft dies im Besonderen zu. Denn nach Beendigung des Krieges wurden jenen Fachleuten, dar- unter auch Dr. Dornberger, von der amerikanischen Regierung Ver- *siehe am Schluss dieses Buches das Geleitwort von Walter Dornberger zur 3. Auflage und sein Vorwort zur 1. Auflage von «V2 – Der Schuss ins Weltall» 7 träge angeboten, die ihnen eine Fortsetzung ihrer Arbeiten an den Konzepten und Plänen aus der Peenemünder Epoche ermöglichten. Sie hatten in den USA einen entscheidenden Anteil an der Weiterent- wicklung zu stärkeren Raketen mit grösserer Reichweite, mit besserer Treffgenauigkeit und mit höheren Nutzlastgewichten. Das führte zu bedeutenden Fortschritten auf vielen Gebieten, wie Elektronik, Com- putertechnik, Aeroballistik und Aerodynamik, sowie neuen Werkstof- fen, neuen Fertigungsverfahren, verbesserten Prüfverfahren usw., um nur einige wenige technische Gebiete zu nennen. Vom rein technologi- schen Standpunkt aus gesehen waren damit der Raumfahrt die Wege geebnet. Vor allem Dr. Wernher von Braun mit seinen Mitarbeitern, aber auch Dr. Walter Dornberger, der eine leitende Stellung bei der ameri- kanischen Industrie erhalten hatte, verbreiteten den Raumfahrtgedan- ken und die daraus erwachsenen Möglichkeiten in Vorschlägen, Be- richten, Artikeln und Vorträgen bis hinauf zu den höchsten Regie- rungsstellen. Es ist bezeichnend, dass auch in den USA ein Kampf für die Raumfahrt gegen Ungläubigkeit, Bürokratismus, Budgetschwie- rigkeiten, Kompetenzstreitigkeiten und dergleichen geführt werden musste, wie ihn Dr. Dornberger in seinem Buch so drastisch beschreibt und an dem sich die früheren Raumfahrtpioniere die Zähne ausgebis- sen hatten. Schliesslich brachte der technologische Konkurrenzkampf zwischen Russland und den USA, der in den Staaten zur Gründung der NASA führte, die wirklich grossen und raschen Erfolge, wie Nachrichten- und Fernsehsatelliten, Wettersatelliten, Forschungssatelliten, bemannte Raumfahrt, Landung von Astronauten auf dem Mond, Raumstatio- nen wie Skylab und Saljut, Forschungssonden zu den Planeten und um die Sonne. Ausgedehntere Raumstationen für breite Forschungsgebiete, für Entwicklung und Herstellung neuartiger Werkstoffe und für viele an- dere Zwecke sind keine Phantasien mehr. Der nächste Schritt hierzu in den USA ist die Entwicklung des «Shuttle» oder Raumtranspor- ters, der 1981 fliegen wird. Hierfür entwickelt und liefert die «Euro- pean Space Agency» (ESA) eine der Hauptnutzlasten, das Raumlabo- ratorium (Spacelab) mit einem westdeutschen Unternehmen als Haupt- auftragsnehmer. Im Zusammenhang mit dem Shuttle-Programm ist es interessant zu 8 erwähnen, dass Dr. Dornberger schon vor Jahren praktische Vorschlä- ge ausgearbeitet hat für ein Raumflugzeug, das nach beendeter Mis- sion wieder auf der Erde landet, um für den nächsten Einsatz erneut aus- gerüstet zu werden, ähnlich den für den «Shuttle» geplanten Operationen. Was mich an dem Buch von Dr. Dornberger so besonders fasziniert hat, als ich es dieser Tage wieder las, ist der unglaubliche Mut, mit dem er als Oberst des Heereswaffenamtes und später als General in den Auseinandersetzungen um die Grossrakete und für die Peenemün- der Forschungs- und Versuchsanstalt in härtesten Kriegszeiten hervor- trat. In diesem Ringen fand er nur wenig Unterstüzung durch seine di- rekten Vorgesetzten. Oft stand er der Macht und den Intrigen der Rüs- tungs-Dienststellen und der SS-Führung allein gegenüber. Gerne bin ich dem Wunsch des Verlegers nachgekommen, für dieses Buch ein Geleitwort beizusteuem. Das Buch erzählt die Geschichte Peenemündes und kann bis heute mit Fug und Recht als das Standardwerk bezeichnet werden, weil es an Objektivität und Tatsachenmaterial weit herausragt und die politi- schen Vorgänge und die technischen Probleme um Peenemünde und die Entwicklung der A4 (V2) aus vorderster Sicht schildert. Bei der Abfassung dieses Geleitworts war ich mir stets bewusst, dass es Dr. Wernher von Braun gebührt hätte, eine solche Einleitung zu schrei- ben, wäre er noch unter uns. Auch erreichte mich jetzt die schmerzliche Nachricht, dass Dr. Walter Dornberger, während er in Deutschland weilte, plötzlich verstorben ist. Auch ihm bleibe ich mit tiefem Dank verbunden. Huntsville, Alabama Eberhard Rees Juli 1980 9 3. Oktober 1942 «START FREI!» Der Befehl war gegeben, ich legte das Handmikrophon, das meine Worte über eine Ringleitung zum Prüfstand VII, zur Schiessleitung und zu den Messstellen übertragen hatte, aus der Hand. Ich stand auf dem flachen Dach des Messhauses. Ein klarer, wolkenloser Himmel wölbte sich in dieser Mittagsstunde über Norddeutschland. Meine Blicke wanderten hinaus, sie fassten das im Tarnanstrich düster wir- kende Entwicklungswerk, die ausgedehnten Kiefernwälder und, über das Schilfvorland des Peenemünder Hakens hinaus, die zehn Kilometer ent- fernte Insel, die Greifswalder Oie. Im Süden, eingebettet in immergrünen Wald, sah ich die beiden grossen, lichten Betonhallen des Versuchsserienwerkes, dessen nach Norden ausgerichtete Sheddächer mit Tarnnetzen überzogen waren. Im Westen wurden die flachen Hügel des jenseitigen Peeneufers vom roten Backsteinturm des Wolgaster Domes überragt. Die lichtblauen Umrisse der unter Tarnmatten fast verschwindenden Sauerstofferzeu- gungsanlage, die kennzeichnenden sechs Schornsteine des grossen Ha- fenkraftwerkes und die langen Hallen des Fliegerhorstes Peenemünde vollendeten das mir so sehr vertraut gewordene Bild. Das Dach des Messhauses mit seiner schützenden Mauerbrüstung war ein idealer Beobachtungsstand. In dieser Oktobermittagsstunde beschäftigte mich nur ein einziger Gedanke: würde der Start diesmal gelingen? War die Ursache des Versagens der beiden letzten Versuche vom 13. Juni und 16. August wirklich richtig erkannt? Reichten die getroffenen Massnahmen aus? Würde uns heute, am 3. Oktober 1942, endlich Erfolg beschieden und damit die zehnjährige Mühe und Ar- beit belohnt werden? Vom Gelingen dieses Startes hing viel ab. Wir wussten es alle. Ich war mit meinem Kummer nicht allein. Neben mir stand mein bester Freund und seit Jahren treuester Mitarbeiter, Oberst Dipl.-Ing. Zanssen, die Ellbogen auf die Brüstung gestützt, und mu- sterte mit erzwungener Ruhe durch den Zeiss die weitere Umgebung. Es fiel mir auf, dass er besonders lange nach Norden spähte, wo über- 10 haupt nichts zu erkennen war. Auch er schien mit seinen Gedanken kummervolle Wege zu wandern. Als Kommandeur der Heeresversuchs- stelle Peenemünde trug er eine Verantwortung, die erst dann etwas leich- ter auf ihm lasten würde, wenn der heutige Versuch gelang. Die Verant- wortung aber für das Gelingen lag auf meinen Schultern. Um den Augenblick zu entspannen, redete ich ihn an. Als Zanssen seine klaren blauen Augen auf mich richtete, fiel mir seine Blässe auf. Ich wollte etwas Ermunterndes sagen. «Halte mir beide Daumen, es muss gelingen,