SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE

SWR2 Zeitwort 03.05.1945: Das Berliner geht in Flammen auf Von Thomas Koch

Sendung: 03.05.2018 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2018

Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

Service:

SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml

Autor: Lange Zeit, während schon ringsherum die alliierten Bomben herunterrauschen und alles in Schutt und Asche fällt, wurden die Gäste des Adlon im hauseigenen Weinkeller noch kostenfrei mit Bouteillen der großen Bordeaux verwöhnt. Zuletzt, nach der Einnahme durch die Alliierten, diente das Hotel als Lazarett. Bis zu dieser Nacht des 3. Mai 1945. Da geht das Haus plötzlich in Flammen auf und brennt fast vollständig nieder. Wie, das ist nie zweifelsfrei geklärt worden. Was für Paris das Ritz, für Wien das Sacher, für London das Savoy, das war für bis zum Ende des Weltkriegs das Adlon. Das Adlon diente als Herberge für die Gäste von Wilhelm Zwo, für Charlie Chaplin, Enrico Caruso, Thomas Mann, Marlene Dietrich und die ganze Glamourwelt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Geschaffen hatte diesen Ort der Mainzer Gastronom Lorenz Adlon. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war der gelernte Möbelschreiner von aus nach Berlin gezogen, um seinen Traum zu verwirklichen. Schon als er die Berliner Zoo - Terrassen übernimmt, zahlt Adlon die ungeheuren Gewinne aus dem riesigen Gartenlokal mit seinen 2000 Plätzen auf ein Geheimkonto ein. Titel: Hotel Adlon. Die richtigen Kontakte knüpft er in seinem zweiten Lokal, dem Hiller, 55. Zu den Stammgästen des Hiller gehört eine Gruppe junger Offiziere. Sie finden es chic, hier französisch zu speisen. Unter ihnen ist Kronprinz Wilhelm – der spätere Kaiser. Preußische Askese - das war einmal. Jetzt prägten Prunk, Pracht und Paraden das Bild. Einen Platz für sein Hotel hat der unternehmungslustige Adlon auch schon gefunden: Unter den Linden am Pariser Platz, direkt am Brandenburger Tor. Dumm nur - auf dem Grundstück steht noch ein Palais, das der Baumeister Schinkel geschaffen hat und das unter Denkmalschutz steht. Aber Adlon schafft das Unmögliche: Mit Unterstützung seines ehemaligen Stammgastes, der inzwischen Kaiser ist, wird das Palais abgerissen. 20 Millionen Mark kostet der sechsstöckige Neubau - damals eine ungeheure Summe. Den Innenausbau übernimmt die berühmte Mainzer Firma Bembé, die die Villa Hügel in Essen und verschiedene Luxusliner für den norddeutschen Lloyd ausgestattet hat. Als das Hotel 1907 seine Pforten öffnet, rühmt die Vossische Zeitung zwar auf zweieinhalb eng bedruckten Seiten „die lichte Weiträumigkeit der in hellem Marmor strahlenden Halle. Für den heutigen Geschmack wirkt das Adlon auf alten Fotografien jedoch eher schwermütig. In den Schlafzimmern ruhten die Gäste in wuchtig goldenen Prunkbetten, düster lastete die Decke aus Cuba Mahagoni über den Gästen in der Lobby. Der erste Gast noch vor der offiziellen Eröffnung ist der Kaiser mit seiner Familie. Seine Majestät jedenfalls staunt über die Stilmöbel, die Seiden und Damaste. Er bewundert die großen Badewannen, in die das Wasser in zwei Minuten schießt. Er zeigt sich begeistert vom Weinkeller mit einer Million Flaschen. Am meisten beeindruckt ist er jedoch von dem nur handbreiten Schild „Hotel Adlon“ am Eingang. Derlei Bescheidenheit schätzt man bei Hofe. Das Hotel wird von nun an das inoffizielle Gästehaus des preußischen Kaisers sein. Als Lorenz Adlon 1921 stirbt, schickt seine Majestät als Zeichen alter Verbundenheit einen Kranz aus dem holländischen Exil. Da ist das Adlon längst Deutschland berühmtestes Hotel - und bleibt es, bis zur Nacht des 3. Mai 1945, als die Flammen den Mythos verzehren.

2

Doch dieser Mythos ist so langlebig, das die Hotelkette Kempinski mehr als vierzig Jahre später beschließt, an gleicher Stelle ein Haus gleichen Namens zu eröffnen. Und so entsteht nach der Wende wieder ein Hotel Adlon, das binnen kurzer Zeit das inoffizielle Gästehaus der Regierung wird - und erneut Deutschland bekanntestes Hotel.

3