Mit Mut Und Konsequenz Für Wandel in Freiheit Impressum
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WALTER SCHEEL Mit Mut und Konsequenz für Wandel in Freiheit Impressum Herausgeber Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Truman Haus Karl-Marx-Straße 2 14482 Potsdam-Babelsberg /freiheit.org /FriedrichNaumannStiftungFreiheit /FNFreiheit Redaktion Jürgen Frölich / Susanne Ackermann, Archiv des Liberalismus der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Kontakt Telefon: +49 30 22012634 Telefax: +49 30 69088102 E-Mail: [email protected] Stand November 2019 Hinweis zur Nutzung dieser Publikation Diese Publikation ist ein Informationsangebot der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Die Publikation ist kostenlos erhältlich und nicht zum Verkauf bestimmt. Sie darf nicht von Parteien oder von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden (Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie Wahlen zum Europäischen Parlament). 2 Inhaltsverzeichnis 01 Die Anfänge und der Aufstieg 04 Der Staatsmann 04 Der bergische „Jong“ 16 Der Außenminister 05 Die parlamentarische Blitzkarriere 18 Der Bundespräsident 06 Der Düsseldorfer „Jungtürke“ 02 Der weite Horizont 05 Das Fortwirken 08 Der deutsche und europäische Visionär 20 Der „Elder Statesman“ 10 Der Brückenbauer zur „Dritten Welt“ 22 Sein Vermächtnis 24 Stationen zu Walter Scheel 03 Der bundespolitische Weichensteller 28 Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit 12 Der Minister mit Haltung 30 Bildlegenden 14 Der Parteivorsitzende 3 DIE ANFÄNGE UND DER AUFSTIEG 01 Der bergische „Jong“ Walter Scheel war Rheinländer, aber ein besonderer. Er stammte nicht aus dem „klassischen“ Rheinland, sondern väterlicherseits aus dem Niederwesterwald und von mütterlicher Seite aus Solingen. In dieser „bergischen“ Stadt wurde er 1919 geboren und wuchs in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. Allen zeitgeschichtlichen Unbilden der Folgejahre, wie Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise zum Trotz sollte es der Sohn eines Stellmachers und einer Schneiderin einmal besser haben. Er absolvierte erfolgreich das örtliche Gymnasium und schloss noch eine Ausbildung zum Bankkaufmann ab, ehe er zum Militärdienst einberufen wurde. Der Einsatz führte den jungen Walter Scheel an verschiedene Kriegsschauplätze, zuletzt diente er als Oberleutnant bei den Nachtjägern. Die rheinisch-protestantische Herkunft und die frühen Erfahrungen mit großen persönlichen Herausforderungen dürften entscheidend dazu beigetragen haben, jene unnachahmliche Mischung aus Helene Scheel mit Sohn Walter, 1920 „Heiterkeit und Härte“ auszuprägen, die später den Politiker Scheel auszeichnete. 4 v Die parlamentarische Blitzkarriere Durch die Heirat mit der Fabrikan- im nahe gelegenen Remscheid tentochter Eva Kronenberg begann für die Liberalen den Landtags- Scheel noch im Krieg seinen sozi- wahlkreis direkt zu erobern. Im alen Aufstieg, der sich mit seinem nordrhein-westfälischen Landtag Eintritt in die Geschäftsführung machte sich Scheel schnell einen der Solinger Klingenfabrik des Namen als wirtschaftspolitischer Schwiegervaters 1945 fortsetzte. Sprecher, sodass ihn der Gleichzeitig engagierte er sich FDP-Landesverband bereits bei im entsprechenden industriellen der Bundestagswahl 1953 auf ei- Interessenverband. Schon bald nem aussichtsreichen Listenplatz umwarben ihn verschiedene aufstellte. Als Parteien, aus persönlichen Sympa- Bundestagsabgeord neter wieder- thien und religiösen Neigungen um wurde Scheel 1956 in den Vor- entschied sich Scheel 1946 für die läufer des heutigen Europaparla- Freien Demokraten. 1948 wurde ments entsandt; in nicht einmal er in den Solinger Stadtrat gewählt, zehn Jahren hatte wo er sich sogleich um den Wieder- er als Parlamentarier auf allen aufbau der im Krieg zerstörten erreichbaren Ebenen Erfahrungen Stadt verdient machte. Wiederum gesammelt. zwei Jahre später gelang es ihm, 5 v Der Düsseldorfer „Jungtürke“ Dabei war Scheel niemand, der seine Karriere such von Kanzler durch eine ausgeprägte Anpassungsbereit- Konrad Adenauer, die FDP als eigenständige schaft zu befördern suchte. Das zeigte sich Kraft mittels einer Wahlrechtsänderung zu im Jahr 1956. Damals war Scheel an einem disziplinieren, wenn nicht zu eliminieren. Die politischen Coup beteiligt, der innerparteilich „Jungtürken“ um Scheel erreichten, dass umstritten war, aber weitreichende Folgen der innerhalb der FDP eigentlich eher auf dem hatte: Mit den gleichaltrigen Landtagsabgeord- rechten Flügel stehende Landesverband neten Willi Weyer und Wolfgang Döring fädelte Nordrhein-Westfalen koalitionspolitisch von Scheel einen Regierungswechsel in Nord- der CDU zur SPD wechselte. In der Folge rhein-Westfalen ein. Die beiden Parteifreunde sprengte diese Aktion zugleich die teilten mit ihm nicht nur die Kriegserfahrung, CDU-FDP-Koalition auf Bundesebene, womit sondern auch ein weniger ideologisches und auch die Wahlrechtsänderung gescheitert war. mehr auf politische Machbarkeit ausgerichtetes Dadurch wurde sowohl die Eigenständigkeit Liberalismus-Verständnis, was spektakuläre der FDP gerettet als auch dauerhaft ein Zwei- Aktionen wie den sogenannten Düsseldorfer parteiensystem in Deutschland verhindert. Die Jungtürken- Aufstand nicht ausschloss. Der „Jung türken“ erhielten damit ein zentrales Name rührte von einem erfolgreichen Vorstoß Stück politischer (Wahl-)Freiheit, das beim osmanischer Jungpolitiker im Jahr 1908 her. drohenden Ausfall der FDP als einziger „drit- Auslöser in den fünfziger Jahren war der Ver- ter Kraft“ verschwunden wäre. 6 Erstes Treffen der Vertreter der FDP und LDPD in Weimar 1956 v.l.n.r.: Erich Mende, Walter Scheel, Wolfgang Döring, Harald Werthmann, Rudolf Agsten und Manfred Gerlach v DER WEITE HORIZONT Der deutsche und 02 europäische Visionär Walter Scheel stellte früh seine politische Weitsicht unter wandte sich gegen die Gründung einer Europäischen Wirt- Beweis: Bereits im Jahr 1956 traf er gemeinsam mit Wolfgang schaftsgemeinschaft, da diese zu kontinentaleuropäisch und Döring in Garmisch und Weimar auf Abgesandte der ost- wirtschaftsdirigistisch ausgerichtet schien. Scheel dagegen deutschen LDPD, um mögliche Gemeinsamkeiten in Sachen sah mehr die Chancen, welche die neue Gemeinschaft im Kern Wiedervereinigung zu sondieren. Das blieb zwar zunächst Europas bot. Er stimmte 1957 als einziger FDP-Abgeordneter weitgehend folgenlos, aber es begannen damit sich später den „Römischen Verträgen“ zu, die die Geburtsstunde der intensivierende Ost-West-Kontakte auf Parteiebene, die zu damaligen EWG und heutigen EU darstellten. Diese eigen- einem liberalen Alleinstellungsmerkmal wurden und die Verei- ständige Sicht konnte Scheel auch deshalb entwickeln, weil nigung der liberalen Parteien aus West und Ost 1990 sehr ihn sein Erfolg als Unternehmensberater und Marktforscher erleichterten. Auch in Bezug auf Europa blickte Scheel weit wirtschaftlich unabhängig von der Politik gemacht hatte. voraus: Die große Mehrheit der FDP-Bundestagsfraktion 8 Europäisches Parlament in Straßburg: Walter Scheel am Rednerpult, 1958 9 Der Brückenbauer zur „Dritten Welt“ Über sein europapolitisches Engage- ment stieß Walter Scheel auch auf die Probleme der „Dritten Welt“, die aus seiner Sicht im deutschen Politikbetrieb zu wenig beachtet wurden. Seine große Chance kam nach der Bundestagswahl vom September 1961, als die CDU/CSU ihre absolute Mehrheit verloren hatte und mit der FDP Koalitionsverhandlungen führte. Dabei setzte Scheel die Einrich- tung eines „Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit“ durch. Er musste dabei heftigen Widerstand aus dem Auswärtigen Amt und dem Wirtschaftsministerium überwinden, die Kompetenzen und Ressourcen abgeben sollten. Besuch der Dar-es-Salaam-Kinondoni-Siedlung 10 in Tansania, 1962 Binnen Kurzem wurde unter seiner Leitung ein neues Ministerium aufgebaut, das sich vor allem den Bezie- hungen zu den Ländern und Regionen auf der Süd- halbkugel widmete und ihre wirtschaftliche Entwicklung förderte. Im Zeichen der Globalisierung ist die Bedeu- tung der internationalen Entwicklungszusammenarbeit deutlich gestiegen; auch hier erwies sich Walter Scheel als weitsichtiger politischer Pionier. v DER BUNDESPOLITISCHE WEICHENSTELLER 03 Der Minister mit Haltung Als junger Bundesminister setzte Walter Scheel in den 1960er zungen ausgleichen wollte, zog die FDP die Notbremse. An- Jahren auch bundespolitisch Zeichen. So erzwang er im Jahr getrieben von Scheel verließ sie Ende 1966 die Regierung. 1962 durch seinen Rücktritt vom Amt im Zuge der Spie- Diesmal allerdings konnte die Partei nicht ins Kabinett zurück- gel-Affäre zunächst die Entlassung von Verteidigungsmi- kehren, sondern bildete fortan die Opposition gegen die erste nister Franz-Josef Strauß und indirekt ein knappes Jahr spä- „Große Koalition“ aus CDU/CSU und SPD. Doch auch in dieser ter den Wechsel von Adenauer zu Ludwig Erhard im Position verfügten die Liberalen, wie Scheel erkannte, durch- Kanzleramt. Erhard erwies sich aber insgesamt als eher aus über Einflussmöglichkeiten. Das sollte sich bei der Bundes- schwacher Kanzler. Als er für den Bundeshaushalt Etatlöcher präsidentenwahl von 1969 zeigen. 12 mit Steuererhöhungen stopfen und nicht durch Ausgabenkür- v Walter Scheel telefonierend am Schreibtisch, 1961 13 Der Parteivorsitzende Seit Anfang 1968 stand Walter Scheel, der dem Bundesvorstand bereits seit 1956 angehörte, an der Spitze der Freien Demokraten. Als Nachfolger des später zur CDU gewechselten Erich Mende stand er vor einer schwierigen Aufgabe: Die FDP war einzige Oppositionspartei im Bundestag; in der Gesellschaft schaukelten sich die Konflikte angesichts eines wachsenden Extremismus von links und rechts auf. Zudem