SONDERDRUCK Zeit und Heilnat 14.August 1986·Nr. 2 Beiträge zur Geschichte, Kunst und Kultur Seit 1924Beilage der "Schwäbischen Zeitung" 29. Jahrgang von Stadt und Kreis Biberach Ausgabe Biberach an der Riß

Die Hubschrauber des Prof. Henrich Focke und die Herstellung der Fa 223 in Laupheim und Ochsenhausen

Von Hans Hutzel, Ummendorf wieder an. Der· Ummendorfer Schreinermeister August Kemmerle kann sich nach über 40 Jahren Die ersten Aktivitäten von Prof. Henrich Focke noch gut erinnern, wie er damals die Rotorblätter auf dem Gebiet der Drehflügler datieren von 1930. der Fa 223 bei der Biberacher Firma Fritz Montag 1931 kam der Abschluß eines Lizenzvertrags für fertigen mußte. Bereits am 5. Februar 1943 stand in den Nachbau der englischen Version des Autogiros Laupheim eine neue, verbesserte Fa 223 mit um- des Spaniers de la Cierva durch die Fa. Focke-Wulf fangreichen Meßanlagen zur Verfügung. zustande. Focke machte sich Gedanken über besse- Der Werkstattflugbetrieb bestand aus rein techni- re Lösungen von Drehflüglern. Den Autogiros war schen Erprobungen wie Blattverstellung, Flüge mit es nicht möglich, in der Luft stehenzubleiben und einem Höhenmotor, Methanol-Wasser-Einsprit- senkrecht zu starten und zu landen. zung, Kaltstart und Schneekufenerprobung. Hier- 1932 begann Focke zunächst mit der Festlegurig bei muß noch erwähnt werden, daß in Laupheim des Rotorsystems für einen richtigen Hubschrau- ein großer Windkanal für die Fa 223 zur Verfügung ber. Nach eingehendem Studium aller nur denkba- stand. ren Möglichkeiten entschloß sich Focke, je einen Rotor rechts und links vom Rumpf an Auslegern Eine Laupheimer Fa 223 verunglückte am 4. De- anzuordnen, damit sich die Drehmomente gegen- zember 1943 bei dem Flug von Lyon nach Chamo- seitig aufhoben. Nach umfangreichen theoreti- nix. Die beiden Insassen, Oberleutnant Brennecke schen Arbeiten und Versuchen wurde Ende 1935 und Dr. v. Gottberg, kamen dabei ums Leben. Zahl- der Musterhubschrauber, die Fw 61 fertiggestellt. reiche lange Überlandflüge wie nach Peenemünde, Am 26. Juni 1936 konnte Dipl.-Ing. Ewald Rohlfs Berlin-Kummersdorf und selbst auf den Obersalz- den ersten Freiflug auf dem Werks flugplatz in Bre- berg zu Hitler mußten durchgeführt werden. Zur men durchführen. Schulung von insgesamt 10 Flugzeugführern wur- den im Juni/Juli 1943 und im Juli 1944 drei Lehr- Im Frühjahr 1937 gründete Focke zusammen mit gänge durchgeführt. Gerd Achgelis die Fa. Focke und Achgelis und Co. GmbH, um sich ganz auf Drehflügler konzentrieren Am 19. Juli 1944 wurden durch ein totales Bom- zu können. In Hoykenkamp bei wur- bardement auf den Flugplatz Laupheim fast die den eine neue Werkshalle und ein kleiner Flugplatz ganzen Produktionsanlagen, mit Hubschraubern in errichtet. Eine Weltsensation des Jahres 1938 waren verschiedenen Bauzuständen und drei im Flugbe- die Hubschrauberflüge von in der trieb befindlichen Fa 223, zerstört. Nur zwei Hub- Deutschlandhalle in Berlin mit der Fw 61. Damit schrauber konnten gerettet werden; sie wurden zu- wurde bewiesen, daß die Fw 61 der erste Hub- nächst auf den Flugplatz Dornstadt bei Ulm ver- schrauber der Welt war, der wirklich flog. bracht. Die Fa. Focke-Achgelis wurde dann nach Ochsenhausen in ein leerstehendes Gebäude des Für Focke war der Fw-61-Hubschrauber aber nur Klosterguts verlegt. Dieses Gebäude war früher als ein Versuchs gerät. Die Entwicklungsarbeiten für Gärtnerschütte und auch als Fruchtkasten benutzt einen neuen und größeren Hubschrauber began- worden. Der Volksmund nannte das Gebäude ein- nen 1938. Vom Prinzip her war der neue Hub- fach die "Focke". Hatten in Laupheim noch ca. schrauber, die Fa 223, eine stark vergrößerte Aus- 1000 Personen an dem Projekt Fa 223 gearbeitet, so führung der Fw 61 mit der gleichen Rotoranord- wurden in Ochsenhausen nur noch ca. 300 Perso- nung, Die ersten Schwebeflüge des Focke-Achge- nen beschäftigt. lis-Hubschraubers Fa 223 erfolgten am 8. Juni 1940 unter Flugkapitän Carl Bode. Die Fa. Focke-Achge- In Ochsenhausen wurde unter primitiven Ver- lis erhielt 1941 einen Auftrag, 100 Fa 223 Hub- hältnissen die Fertigung der Fa 223 wieder aufge- schrauber zu bauen. Drei Fa 223 wurden bis Mitte nommen. Eine Wiese bei der Fürstenallee in Rich- 1942fertig gestellt, als ein Bombenangriff am 4. Juli tung Rotturn (heute gegenüber dem Beginn des 1942 das Werk Hoykenkamp so stark zerstörte, daß Trimm-Dich-Pfades) diente als Start- und Lande- eine Verlagerung nach Laupheim angeordnet wur- platz. Dort wurde auch eine einfache Hubschrau- de. Dort lief Anfang Januar 1943 die Produktion berunterstellhalle aus Holz errichtet, deren Funda-

51 Die Vorderansicht der Fa 223. Sehr klar ist das Focke'sche Hubschrauber-Konstruktionsprinzip zu erkennen. Bild: Photo-Archiv Nowarra mente heute noch sichtbar sind. Häufig sah man bern im Gebirge durchgeführt, die ein sehr gutes nun die Fa 223 über Ochsenhausen und dem Rot- Ergebnis erzielt haben. Die Hubschrauberentwick- tumtal fliegen. Vom 6. September 1944 bis 6. Okto- lung und -Fertigung wurde nun im Zuge der ber 1944 fand noch mit den beiden in Laupheim Neuordnung der Luftrüstung am 11. Oktober 1944 geretteten Hubschraubern eine Gebirgserprobung eingestellt. Dadurch wurde durch eine Dienststelle, im Karwendelgebirge statt, die von Mittenwald aus die die Bedeutung des Hubschraubers für den Ge- durchgeführt wurde. Es wurden Lastentransporte birgskampf in keiner Weise ermessen kann, der bis zu 700 kg und bis zu einer Höhe von 2300 m Gebirgstruppe ein wichtiges Hilfsmittel entzogen, durchgeführt. das entscheidend für die zu erwartende Entwick- lung des Krieges im Gebirge sein wird. 2.) Der Wert Mit Datum 11. Oktober 1944 ging in Ochsenhau- sen bei der Fa. Focke-Achgelis folgendes Schrei- des Nachschubes mit Hubschraubern geht aus dem ben ein: einfachen Beispiel hervor, daß zwei einsatzbereite Hubschrauber ein Trägerbtl. von 500 Mann Stärke "Geheim: KR LBFC 2657 11110 (2245). Fa. Focke- im Gebirge ohne weiteres ersetzen können. Außer- Achgelis, Klostergut Ochsenhausen b. Biberach an dem werden durch Einsatz von Hubschraubern der Riß. Auf Befehl von HDL Saur ist das Baumu- taktische Möglichkeiten beim Verlagern von ster "Hubschrauber" in vollem Umfange sofort Schwerpunkten gegeben, die bisher im Gebirgs- stillzulegen. Die an diesem Baumuster beschäftigt kampf nicht bekannt waren. Beispiele hierfür sind gewesenen Kräfte (Lohnempfänger und Meister) in der Anlage niedergelegt. 3.) Der Gebirgsjäger- sind zur Fa. Messerschmitt Vorrichtungsbau in schule ist über den Stand der Entwicklung und Kottern bei Regensburg abzukommandieren. Sie Fertigung bei der Firma Klostergut, Ochsenhau- haben die abkommandierten Kräfte so rechtzeitig sen, dem Hersteller des in Frage kommenden Hub- in Marsch zu setzen, daß sie spätestens am 14. Okto- schraubers, folgendes bekannt geworden: Das Bau- ber 1944 ihre Arbeit in Kottern aufnehmen können. muster ,Hubschrauber' wurde schon einmal im Die vollzogene Inmarschsetzung ist mir fern schrift- März dieses Jahres durch Erlaß des Staatssekretärs lich oder fernmündlich bis zum 12. Oktober 1944 zu Milch eingestellt. Da die Entwicklung dieser Flug- melden. Mit Rücksicht auf die besondere Wichtig- zeugart in Deutschland den gleichen intensiven keit der Angelegenheit muß ich mir vorbehalten, Entwicklungen im Ausland jedoch weit überlegen für den von Ihnen verschuldeten Verlust pro Ar- war, wurde sie mit geringstmöglichem Aufwand beitskraft und Tag eine Strafe von RM 1000,- pro wieder aufgenommen. Unter mühsamer Verlegung Tag zu verhängen. Der Reichsminister für Rüstung der bombengeschädigten Produktions stätte und und Kriegsproduktion Hauptausschuß Flugzeug- Herbeiholung von vorher abgegebenen Fachkräf- bau i.A. gez. Antz i.A. gez. Lange." ten konnte der Bau von 30 Hubschraubern und die Weiterentwicklung bis jetzt wieder eingeleitet wer- Mit diesem Brief war der Bau von Hubschrau- den. Durch die neuerliche Stillegung werden für bern in Ochsenhausen von höchster Stelle gestoppt die Luftrüstung etwa 300 Werksangehörige frei, wo- worden. Der Kommandeur der Gebirgsjägerschule von nur 136 produktive Kräfte sind, in der Mehr- Mittenwald wollte die Stillegung der Hubschrau- zahl Ausländer. Mit dieser Stillegung war die müh- berfertigung in Ochsenhausen nicht so einfach hin- same Arbeit von Monaten umsonst. Die abzugeben- nehmen. Mit Datum vom 16. Oktober 1944 liegt ein den und damit zersplitterten Fachkräfte sind in Entwurffür einen Briefvor mit folgendem Inhalt: einiger Zeit nicht wieder zurückzuholen. Diese be- "Betr.: Hubschrauberflugzeug. 1.) Bei der Ge- deuten aber andererseits in der gesamten Luftrü- birgsjägerschule wurden im Laufe des Monats Sep- stung nur sehr wenig gegenüber dem Verlust, der tember Versuche über Transporte mit Hubschrau- damit der Hubschrauberfertigung entsteht. Die Ge-

52 Hubschrauber Fa 223 V 14 mit englischen Hoheitsabzeichen. Dieser Hubschrauber wurde von der deutschen Besatzung, dem Piloten H. Gerstenhauer (rechts) sowie den beiden Mechanikern F. Will und H. Zelewski von Ainring bei Salzburg nach BeaulieulHants (Südengland) geflogen. Bild: Deutsches Museum birgsjägerschule bittet daher beim Führer erwirken Nach vierwöchiger Vernichtungsarbeit schlichen zu wollen, daß die Fertigung von Hubschraubern beide zu Fuß und ohne Passierschein, eine Woche wieder aufgenommen werden kann. Damit könn- lang, durch die amerikanisch besetzte Zone zu ih- ten der im Gebirge kämpfenden Truppe noch in ren Familien nach Laupheim. Dort erfuhren sie, diesem Winter die schwierigen Nachschubverhält- daß die gesamte Vernichtungsaktion umsonst war. nisse wesentlich erleichtert werden. Außerdem Zwei deutsche Piloten hatten die Weisung, die Fa würde vermieden, daß der Feind durch einen Vor- 223 zu sprengen, nicht beachtet; die bei den Hub- sprung in der Entwicklung von Flugzeugen dieser schrauber fielen am 9. Mai 1945 auf dem Flugplatz Art uns überholt und im Gebirgseinsatz uns über- Ainring bei Salz burg den Amerikanern unbeschä- rascht. Verteiler: l. Chef AW Ersatzheer General digt in die Hände. Ein Hubschrauber kam in Kisten der Pioniere Kunze; 2. Befehlshaber der Heeres- verpackt nach den USA. gruppe Nord, Generaloberst Schörner; 3. Chef des Der andere Hubschrauber, die Fa 223 V 14, flog Nat. Führungsamtes des Heeres im Führerhaupt- mit den deutschen Piloten H. Gerstenhauer und quartier, General der Gebirgstruppe Ritter von den beiden Mechanikern F. Will und H. Zelewsky Hengel; 4. Reichsführer SS Himmler." nach BeaulieuiHants in Südengland. Bei dieser Ge- Die Hubschrauberfertigung in Ochsenhausen legenheit überquerte die Fa 223 am 6. September wurde dann nur noch in begrenztem Umfang wei- 1945 als erster Hubschrauber den Kanal. Insgesamt tergeführt. Im Februar 1945 flog vom Werk Berlin- ergab sich eine Flugstrecke von über 2000 km. Un- Tempelhof die einzige noch dort vorhandene Fa 223 ter Anleitung von Prof. Focke wurde ab September nach Ochsenhausen. Um die Hubschrauber vor 1945 in Argenteuil (Frankreich) eine Fa 223 nachge- möglichen Zerstörungen zu bewahren, wurden die- baut. Die Bauteile hierfür stammten teilweise aus se in Lichtungen im Fürstenwald versteckt. Als die Ochsenhausen. Aus vorgefundenen Teilen vom französischen Streitkräfte immer näher kamen, Werk Berlin- Tempelhofwurden in der Tschechoslo- wurden die Hubschrauber nach Obermaiselstein wakei zwei weitere Fa 223 zusammengebaut. Beide verlegt. Chefpilot Dipl.-Ing.Carl Bode floh dann fanden jedoch im Jahre 1949 durch Absturz ihr mit einem Hubschrauber nach Mittenwald. Von Ende. dort flog er zum Gebirgsjägerstützpunkt Eppzirl. In Frankreich half Prof. Focke mit einer Gruppe Vorher erhielt Bode vom Gen.-Ing. Herrmann die deutscher Ingenieure bei der SNCASE, einen ein- strenge Anweisung, den Hubschrauber vor etwai- sitzigen Versuchshubschrauber mit der Bezeich- gem feindlichem Zugriff durch Sprengung zu ver- nung SE 3101 zu entwickeln, den Vorläufer des nichten. Als die Amerikaner das Tal von Mitten- erfolgreichen Alouette-Hubschraubers. Im Jahre wald nach Seefeld besetzten, begann Carl Bode mit 1947 verließ der größte Teil der deutschen Inge- seinem Mechaniker, den Hubschrauber unbrauch- nieure die französische Firma. Die Familie von bar zu machen. Sie vergruben die Rotorblätter, Prof. Focke wohnte während seines Aufenthaltes bauten die 500 kg schweren Rotorköpfe ab, spreng- in Frankreich noch in Ochsenhausen. Focke ten diese und vergruben die Trümmer ca. 2 m tief. schrieb 1958 den Ochsenhausern:

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"Trotz der Schwere der damaligen Zeit denke ich gen erreicht worden war. Am 2. Mai 1956 ging Prof. gerne an unseren Aufenthalt in Ochsenhausen zu- Focke mit Dr. Papenhausen zu nach Bre- rück, zum al uns die schöne Landschaft um Ochsen- men. Dort entstand ab 1958 der Hubschrauber Ko- hausen in manchmal trüben Zeiten Erholung ge- libri I, der erste Hubschrauber, der nach dem Krie- bracht hat. .." ge in Deutschland entwickelt wurde. Sicher dachte Prof. Focke noch etwas wehmütig Prof. Focke war nun schon 70 Jahre alt, aber er an Ochsenhausen zurück, war es doch seine letzte hatte sich noch einen Hubschrauber ausgedacht, Station auf deutschem Boden, da er an seinem den er verwirklichen wollte. Er schrieb Ing. Fritz Lebenswerk, dem Fa-223-Hubschrauber, arbeiten Hartz in Laupheim, einem ehemaligen Mitarbeiter konnte. der Fa. Focke-Achgelis, er habe die Idee für einen neuartigen Hubschrauber; ob Hartz ihn nicht mit Die Fa 223 mit ihren zwei Rotoren von je 12 m ihm zusammen entwickeln wolle. Die Antwort von Durchmesser, einer Rumpflänge von 12,25 m, dem Hartz war zustimmend und in dessen Firma in Neunzylinder-Sternmotor Bramo BMW Fafnir 323 Laupheim begann der Bau des Prototyps des Hub- Q 3-301 mit 1000 PS Startleistung und einer Zula- schraubers Focke-Hartz I. Nun war Prof. Focke dung von 1119 kg war für viele Jahre der größte, wieder öfter in Laupheim und im Kreis Biberach zu tragfähigste, steig fähigste und mit 182 km/h auch sehen; er war in seinem Element. Auf Bitten von der schnellste Hubschrauber der Welt. Die letzten Prof. Focke wurde Rolf J ansen, der damals bei der Teile der Fa 223, die in Ochsenhausen verblieben, fielen einer Altmetallsammlung der Musikkapelle Bundeswehr in Ummendorf Dienst tat, freigestellt, zum Opfer. um den Focke-Hartz I zusammenzuschweißen. Er besaß die dafür notwendige Flugzeugschweißer- Prof. Focke ging im Jahre 1952 zusammen mit Lizenz. Als der Prototyp des Hubschraubers etwa einigen seiner früheren Mitarbeitern nach Brasi- zu 70 Prozent fertiggestellt war, starb - am 26. lien. Dort entwickelte diese Gruppe den Leicht- Februar 1979 - Prof. Dr. Ing. Henrich Focke im hubschrauber "Beijaflor". Der Erstflug fand im Alter von 88 Jahren. Fast fünf Jahrzehnte hatte sich Jahre 1959 statt. Dieser Hubschrauber flog um alle Prof. Focke als einer der erfolgreichsten Flugzeug- Achsen mit voller dynamischer Stabilität. Ein Er- und Hubschrauberkonstrukteure dem Bau von gebnis, das zuvor noch niemals von einem einroto- Drehflüglern gewidmet. Mit seinem Tod wurde die rigen Hubschrauber ohne zusätzliche Einrichtun- Entwicklung des Focke-Hartz I Hubschraubers eingestellt.

Die Schmid von Schmidsfelden, eine Biberacher Honoratiorenfamilie

Von Dr. Max Flad, Leinfelden-Echterdingen gewandt wurde, war Schmid genötigt, entweder zu konvertieren oder auszuwandern. Dies dürfte nach Das Geschlecht Schmid, seit 1667 als Schmid von 1585 gewesen sein, als sich der aus Dietenheim Schmidsfelden in den Adelsstand erhoben, hat ein- stammende Martin Breuer, Bischof von Seckau, einhalb Jahrhunderte in Biberach eine nicht unbe- um die Rekatholisierung der Steiermark bemühte. deutende Rolle gespielt. Es ist heute, nachdem kei- Vitus Schmid entschloß sich zur Rückkehr nach ne direkten Nachkommen mehr in der Stadt ansäs- Schwaben. Als Protestant konnte er sich allerdings sig sind, nahezu vergessen. Nur ein Grabdenkmal nicht mehr im katholisch gebliebenen Laupheim in der Evangelischen Gottesackerkirche und mög- niederlassen; er bat deshalb um Aufnahme in der licherweise das Wappen am Haus 27 der Gymna- gemischtkonfessionellen Reichsstadt Biberach. siumstraße (die Gedenktafel lautet auf Wieland) Sein gleichnamiger Sohn Vitus verheiratete sich erinnern noch an diese Familie, deren Geschicke 1602 mit Anna Eben aus der in Biberach weitver- hauptsächlich in der unruhigen Epoche der Gegen- zweigten Sippe. Die Ehe war mit mehreren Kin- reformation, in der Zeit des Dreißigjährigen Krie- dern gesegnet. Im Jahr 1606 kam der Sohn Johann ges und der darauffolgenden Aufbauphase von Be- Georg zur Welt, der spätere Stammvater des adeli- lang ist. gen Geschlechts der Familie. In der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts, als Bereits Vitus Schmid d.J. muß es in Biberach zu das übervölkerte Schwaben kaum mehr in der La- einem gewissen Wohlstand gebracht haben. Beweis ge war, seine Einwohner zu ernähren, zog der We- hierfür ist, daß er 1622 finanziell in der Lage war, ber Vitus Schmid aus Laupheim in die ferne Steier- das Haus Radgasse 3 zu erwerben. Es war ihm auch mark, um dort Arbeit und Brot zu finden. In seiner möglich, seinen Sohn J ohann Georg auf die Latein- neuen Heimat trat er zum evangelischen Glauben schule zu schicken und ihn, wenn auch unter Op- über. Als jedoch auch in diesem Teil Österreichs fern, in Tübingen Jurisprudenz studieren zu lassen. der Grundsatz "cuius regio, eius religio" strikt an- Dort begann für J ohann Georg, wohl kaum älter als

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