130 — 140 Eiszeitalter u. Gegenwart 45 Hannover 1995 5 Abb., 1 Tab.

Anfang und Umbau des Gewässernetzes zwischen Wupper und (Oberbergisches Land, rechtsrheinisches Schiefergebirge)

HELLMUT GRABF.RT*)

Kurzfassung: Die Herausbildung des rezenten Gewässer­ bekannt und in vielen Arbeiten differenziert wor­ netzes im Rheinischen Gebirge setzte nach der Hebung der den. Auch für die rechtsrheinischen Nebenflüsse, Rheinischen Masse im Gefolge der alpinen Orogenese ein, insbesondere der Sieg (KNUTII 1922, SCHRÖDER 1965, ist also spätoligozänen Alters. Noch im Alttertiär erfolgte GRAMSCH 1978) und der Agger (Hoos 1936, SCHRÖ­ die Entwässerung des tiefgreifend zersetzten Variszikums DER 1969, FEY 1974), sowie für das Bergische Land über weitgespannte Spülflächen, in denen sich die Draina- (NICKE 1981, 1983) liegen umfangreiche Bearbeitun­ geströme mäandrierend bewegten. Mit der Hebung wur­ den die Flüsse in geführten Mäandern tiefergelegt und zum gen vor. Was bisher fehlt, ist ein verläßlicher Fix­ Rhein hin ausgerichtet. Dieser Umschlag von der Spül­ punkt in der Zeitskala, auf den sich die Bildungen flächenbildung zur linearen Flußerosion wird als „Morpho- der Verebnungs- tind Terrassenflächen beziehen genetischer Umbruch" bezeichnet und ab dem Ende des lassen. Dieser Fixpunkt wird mit einem morphoge- Oligozäns datiert. Der starke Miozän-Vulkanismus steht netischen Profil vom Hohen Westerwald bis zum Eb­ mit der Hebung der Rheinischen Masse in ursächlicher Be­ be-Gebirge vorgelegt. ziehung. Bei der Betrachtung der Verebnungs- und Terras­ [Beginning and development of the stream network senflächen fällt immer wieder der Unterschied bei­ situated between the rivers Wupper and Sieg der Flächen auf: Verebnungsflächen tragen in der in the southern part of the Rhenish massif Regel keine Sedimente (vom späteren, äolisch auf­ right to the river ] gebrachten pleistozänen Löß abgesehen), weisen Abstract: The development of the recent drainage system dafür einen starken Zersatz des Gebirges mit fossilen in the Rhenish Mountains started during Late Oligocene by Bodenbildungen auf, sie werden in die Tertiärzeit the Alpine orogenesis. Still the Early Tertiary time the drain­ mit ihrem „tropoiden", also feuchtwarmen bis age on the strongly weathered Variscans took place by feucht-gemäßigten Klima gestellt. Die Terrassen- unlarged flushing areas and meandring rivers. During the flachen hingegen, die sich eng an den heutigen uplift of the Rhenish Massif these rivers in its meandring Flußlauf halten, tragen Schotter und gehören dem manner were leaded down to the Variscan body, and di­ Pleistozän, gelegentlich noch dem Holozän an. rected toward the Rhine river. The change from the Dieser Umschlag in der Ausbildung von Vereb­ system of flushing areas to linear erosion by river drainage is called the "Morphogenetic Upheaval", dated Late Oli­ nungs- zu Terrassenflächen ist bedingt durch den gocene. The volcanism during the Miocene was caused by Aufstieg der Rheinischen Masse aus einem tertiär­ the uplift of the Rhenish Massif. zeitlich tiefgründig zersetzten Gebirgsrumpf in nie­ derer Seehöhe zu einem Mittelgebirge mit starker Einleitung Zertalung und Schotterbildung. Eingesetzt hat diese Hebung als „Plateau Uplift" (FUCHS et al. 1983) in der mittleren Tertiärzeit, sie wird begleitet von einem Der Anfang und der Umbau des rechtsrheinischen heftigen Basalt-Vulkanismus im Miozän. Der Um­ Gewässernetzes ist einerseits nur im Zusammen­ schlag von den Verebnungs- zu den Terrassen­ hang mit der Entwicklung des Rheintales - zwischen flächen wird als „Morphogenetischer Umbruch" be­ Bingen und Bonn - zu entschlüsseln, andererseits zeichnet und weitgehend dem mittleren Miozän zu­ werden dafür aber auch stratigraphische Fixpunkte geordnet (BIRKF.NHAUER 1970). benötigt, um den zeitlichen Ablauf aufzeigen zu Keineswegs scheint nun die Hebung der rheini­ können. schen Masse kontinuierlich vonstatten gegangen zu Die Verebnungs- und Terrassen-Abfolge des Rhein­ sein. Allein der Basalt-Vulkanismus (im Miozän zwi­ tales ist seit knapp hundert Jahren (PHILIFPSON 1899) schen 30 und 18 Mio. Jahren) und der pleistozäner Nachläufer (von 1,0 bis 0,3 Mio. Jahren) lassen auf *) Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. H. GltABERT, Hasel­ langdauernde, aber auch unterschiedliche Aufwärts- buschweg 5, 47804 Krefeld Anfang und Umbau des Gewässernetzes zwischen Wupper und Sieg (Oberbergisches Land, rechtsrheinisches Schiefergebirge) 131

Wlflurfärtt Bergische

Abb. 1: Die naturräumliche Gliederung des Landes zwischen Wupper und Sieg a: Das morphogenetische Profil „Hoher Westerwald - Ebbe-Gebirge" (Abb. 2), b: Der Talmaanderbogen der Sieg bei Dat­ tenfeld (Abb. 3); c: Die Pernzer Taking am Oberlauf der Agger bei Bergneustadt (Abb. 4); d: Die Spurkenbacher Taking des Westert-Baches (Abb. 5); +240 m (Hennef). + 460 m (Betzdorf), > 660 m (Ebbe): Höhenlage der präbasaltischen Ver- ebnungsfläche lag. 1: The landscape of the region between the Wupper and the Sieg river. Drawing in the studied areas a: The morphogenetic perfil „Hoher Westerwald - Ebbe Mountains" (fig. 2); b: The valley arch of meanders in the Sieg river system near Dattenfeld (fig. 3); c: The Pernze head valley in the Agger-Dörspe drainage system (fig. 4); d: The erosion surface Spurkenbach and its capture by the Westen brook (fig. 5) bewegungen schließen. Solche Ereignisse müssen vorgestellt: der Talmaanderbogen der Sieg zwischen sich auf das Entwässerungsnetz des aufsteigenden Au und Eitorf, das Anzapfen der Spurkenbacher Ta- Gebirges auswirken, wobei auch plötzliche Laufver- lung am Nutscheid-Kamm und die bis in holozäne ändemngen aufgetreten sind. Zeit andauernde Laufveränderungen in der Pernzer Beispiele aus geologisch junger Zeit werden hier Talling bei Bergneustadt an der Agger (Abb. 1). 132 HEIXMÜT GRABERT

Anfang und Umbau des Gewässernetzes che Depressionen benutzt, wobei aber bis heute nicht geklärt ist, wodurch solche morphologischen Die Entwicklung und damit auch die Veränderung Strukturen entstanden sein könnten. Unter ihnen des Gewässernetzes im rechtsrheinischen Schiefer­ tektonische Elemente zu vermuten, wurde für die gebirge (und natürlich auch im linksrheinischen, Nord-Süd gerichtete Bergische Muldenzone disku­ hier nicht behandelten) ist abhängig von der Entste­ tiert (GRABERT 1983), in der die Agger, Sieg und hung des PJieintales. Der Rhein ist als Fluß keines­ Wupper fließen. wegs so alt und einheitlich, wie er sich derzeit dar­ Bei der Betrachtung der Reliefgenese schälen sich stellt. Im Gegenteil: dieser Strom ist ein Produkt der zwei unterschiedlich ausgebildete Flächengruppen Eis- und Nacheiszeit und besitzt außerdem eine „un­ heraus: logische" Entwässerungsrichtung. Aus den Alpen als 1. ein älteres, flächenhaftes System ohne aufge­ Hochrhein kommend, müßte er eigentlich der Do­ brachte klastische Sedimente; es wird als das Alt­ nau zufließen, die das Alpenvorland als natürliche flächenrelief bezeichnet; und Rinne zur Entwässemng nutzt und nach Osten ab­ 2. das jüngere, in dem eigentlichen Gebirgsrumpf fließt. Der direkte Weg über die Rhone zum Mittel­ eingetiefte, sich eng an den heutigen Flußlauf hal­ meer ist heute verbaut, war aber einst im Alttertiär tende Terrassensystem mit Schotterbedeckung; man offen. bezeichnet dieses als Talnetz. Der heutige Rhein ist aus drei Teilstücken zusam­ Im Rheinischen Schiefergebirge wird die ältere mengesetzt: aus dem einst zur Donau hin orientier­ Gruppe als Trogtal bezeichnet (QUITZOW et al. 1962) ten Hochrhein, aus dem über den Rhone-Graben und sinngemäß gilt das auch für seine Nebenflüsse zum Mittelmeer hin ausgerichteten Oberrhein und (z. B. für die Sieg [SCHRÖDER 19691), die jüngere in das aus dem zur Nordsee abfließenden Mosel-Mittel­ Hochtal, Plateautal und Engtal. Für eine befriedigen­ rhein-System (QuiTZOW et al. 1962). de Terrassen-Chronologie wird eine markante Zeit­ Stark beeinflußt worden sind alle drei Teilstücke marke gesucht, die nun im südlichen Siegerland, wo durch die klimatischen Veränderungen während mit dem miozänen Basalt des Hohen Westerwaldes und seit der Eiszeit, insbesondere auch durch deren eine sogar absolut datierbare Zeitmarke gegeben ist; pleistozäne Ablagerungen. Aber schon früher, in an diese wird das Morphogenetische Profil „Hoher der mittleren Tertiärzeit, wirkten Kräfte auf die Ge­ Westerwald - Ebbe-Gebirge" angehängt. staltung der Landschaft ein, die so gegensätzlich wa­ ren, daß man den Übergang von dem einen in den Profil „Hoher Westerwald - Ebbe-Gebirge" anderen Klimabereich als „Morphogenetischen Um­ (Abb. 2) bruch" bezeichnete (BIRKENHAUER 1970, GRAMSCH 1978). Dieser „Umbruch" hat seine Ursache in der Dort, am Nordrande des Hohen Westerwaldes, liegt Alpen-Faltung, die sich im Mittelrhein-Gebiet als He­ bei +460 m NN der „oligozäne Klebsand", vermutlich bung der rheinischen Masse verdeutlicht und mit aus der Chatt-Stufe, auf einem stark verwitterten de­ dem (miozänen) Basalt-Vulkanismus im Wester­ vonischen Gesteinssockel; der auflagernde miozäne wald, der Rhön und des Vogelsberges sowie der Basalt hat nach den Untersuchungen von LIPPOI.T Westeifel in engem Zusammenhang steht. (1983: Abb. 2) ein Alter zwischen 30 und 18 Mio. Jah­ Irgendwann nach diesem Morphogenetischen Um­ ren, mit einem Maximum um 23 Mio. Jahre (die bruch entstand inmitten der langsam aufsteigenden pleistozäne Nachläuferphase datiert zwischen 1,0 Rheinischen Masse eine Geländedepression, welche und 0,3 Mio. Jahren). sich in die älteren Gebirgsrumpfflächen einsenkte; Diese jungoligozäne 460-m-Verebnung des Hohen sie zeigt zum ersten Male eine „rheinische", also Westerwaldes - z. B. im Gebiet der TK 25 Betzdorf nach Norden gerichtete Ausformung. Auf diese, als 5213 - ist tiefgründig zersetzt und ist pedologisch Ur-Niederrhein zu bezeichnende Drainage richtet durch Weißlehme und Bleichungszonen ausge­ sich von nun an die Entwässerung des kommenden zeichnet, sowie durch Rotlehm-Bildung infolge ei­ Rheinischen Schiefergebirges aus, und natürlich ner Eisenanreicherung in der Nähe des wasserstau­ auch, vielleicht mit einer zeitlichen Verzögerung, die enden devonischen Gebirgskörpers. der tributären Zuflüsse. Zeitlich eingrenzen kann Nach Norden, im Gebiet der TK 25 Frendenberg man diesen neu entstandenen Vorfluter durch die 5113, ist diese „oberoligozäne" Fläche durch ihre Ablagerungen der als „Pliozän" aufgefaßten, weißen exotische Bodenbildung aus Bleichungszonen und Quarzkiese, die sich am Rande des Westerwaldes er­ Rotlehmen noch deutlich erkennbar, steigt aber halten haben; sie weisen nämlich noch keine Bezie­ langsam auf + 480 m NN (der Giebelwald mit +527 hungen zu den Rhein-Terrassen auf und scheinen m NN ragt als Häftling aus dieser Verebnungsfläche nach Süden hin orientiert zu sein. heraus) und läßt sich im nördlich anschließenden Auch die großen Nebenflüsse wie die Mosel, die Gebiet der TK 25 Kreutal 5013 nicht mehr nachwei­ , aber auch die Sieg, haben als erste Anlage sol­ sen. Bei Belmicke, mit +464 m NN an der Grenze zur Anfang und Umbau des Gewässernetzes zwischen Wupper und Sieg (Oberbergisches Land, rechtsrheinisches Schiefergebirge) 133

TK 25 Drolshagen 4912 (Profil nach NE versetzt), ist das devonische Grundgebirge nur geringfügig und dann der heutigen Bodenbildung entsprechend rostbraun verwittert. Verlängert man das morphoge­ netische Profil nach Norden bis in das Ebbe-Gebirge hinein (TK 25 Herscheid 4812), sind auch dessen höchste Erhebungen, die Nordhelle mit +663 m NN und der Rehberg mit +648 m NN, frei von jeglicher fossiler, also tertiärzeitlicher Bodenbildung: Blei­ chungszonen und Rotlehme fehlen. Die einst vorhandenen Weißlehme liegen heute am hohen Hang auf sekundärer Stätte und haben zu um­ fangreichen Vernässungen mit Hochmooren geführt. Am morphogenetischen Profil (Abb. 2) wird deut­ lich, wie stark die Hebung der Rheinischen Masse ist. Liegt noch am Südrande des Siegerlandes die präbasaltische Auflagerungsfläche des miozänen Westerwald-Basaltes bei +460 m NN, ist diese nach 50 km im Ebbe-Gebirge bei mehr als +660 m NN nicht mehr vorhanden, muß also höher gelegen ha­ ben. Da die (miozäne) Ila-Fläche im Gebiet von Freudenberg schon bei +420 m NN, am Fuße des Eb­ be-Gebirges schon bei ca. +470 m NN bis +525 m NN liegt, errechnet sich daraus ein Hebungsbetrag von mindestens 50 m (bis max. 105 m?) auf einer Entfer­ nung von ca. 50 km. Aber nicht nur in der Nordsüd-Erstreckung macht sich die Hebung der Rheinischen Masse bemerkbar, sondern auch in ostwestlicher. Bei Uckerath, unweit Hennef am Rande des Bergischen Landes zur Nie­ derrheinischen Bucht, liegen oligozäne Kiese ver­ mutlich von Chatt-Alter bei +240 m NN. Bezieht man diese Auflagerungsfläche auf gleichalte Vorkommen des Hohen Westerwaldes - dort bei +460 m NN ge­ legen -, erhält man einen Höhenunterschied von ca. 120 m auf eine Entfernung von ca. 50 km. Nun liegen diese oligozänen Kiese heute bei +240 m NN, sind aber in dieser Höhe nicht abgelagert wor­ den, vielleicht nicht allzu hoch über dem damaligen Meeresspiegel. Die älteren marinen Rupel-Tone und Grafenberger Sande zwischen Köln und Düsseldorf liegen heute ca. 50 km flußabwärts bei ca. +150 m Seehöhe; damals stand also dort das Meer. Am Ende des Oligozän setzte dann die eigentliche Hebung der Rheinischen Masse ein, verstärkte sich gegen En­ de des Miozän und dauert bis heute noch an. Das Einsinken der Niederrheinischen Bucht - in der die Absenkung Tertiär-Basis bis weit unter Meeresspie­ IIb Verwitterungsfläche des (Jung-)Miozän gel-Niveau erfolgte - ist eine sekundäre Ausgleich­ IIa Verwitterungsfläche des (Alt-)Miozän bewegung (sie wird hier nicht näher betrachtet). I Verwitteter Gesteinsockel der prämiozänen Fläche Summiert man alle Beträge, beginnend an der Basis a b Miozäner Basalt in Decken (a) und Schloten (b) des dem verwitterten Festland aufgesetzten miozä­ ' • * • Oligozäner Klebsand nen Basaltes, dann erhält man einen Hebungsbetrag II 11 Gebleichte Härtlinge der präoligozänen Fläche für das zentrale Rheinische Schiefergebirge von ca. Abb. 2: Das morphogenetische Profil „Hoher Westerwald - 300 m (und mehr), ein Betrag, der mit allen bisheri­ Ebbe-Gebirge" gen Kenntnissen (zusammengefaßt bei FUCHS et al. Fig. 2: The morphogenetic perfil "Hoher Westerwald - Ebbe 1983: Plateau Uplift) übereinstimmt. Mountains 134 HELLMUT GRABERT

Basaltdecke Höhenterrasse ^ Leuscheid 3

Abb. 3: Der Talmaanderbogen der Sieg bei Dattenfeld und seine Terrassenflächen sowie Verebnungsflächen von Leuscheid Fig. 3: The valley arch of meanders in the Sieg river system near Dattenfeld

Während der Alttertiärzeit hatte sich in dem Gebiet, ursachte die arktische Vereisung, verzögert um etwa das durch die spätere Hebung in der Jungtertiärzeit 10 Mio. Jahre (FLOHN 1985: 172: „... daß ein vollver­ zum Rheinischen Gebirge wurde, eine tiefgründige eister antarktischer Kontinent und ein eisfreier arkti­ Zersatzzone auf dem eingerumpften Devon ent­ scher Ozean ... etwa 10 Mio. Jahre lang gleichzeitig wickelt. Das damalige Klima des Alttertiärs war „sub­ nebeneinander existiert haben kann"). tropisch" (Paläozän), warm (Eozän) bis warm- In solch einem alttertiärzeitlich tiefgründig zersetz­ gemäßigt (Miozän) (SCHWARZBACH 1974: Tab. 23) bei tem Gebirgsrumpf fließen natürlich die Niederschlä­ hohen Niederschlägen. Das Alttertiär war global er­ ge nicht in „geordneten Bahnen" ab, sondern ver­ heblich wärmer als heute, und die Durchschnitts­ wildernd, im besten Falle mäandrierend. Weder be­ temperatur wird mit im Jahresdurchschnitt über stand damals ein starkes Gefalle zu einem größeren 20° C angegeben (SCHWARZBACH 1974: 213). In den Vorfluter (Strom oder Nordsee), noch gaben harte Tropen und Subtropen sind rezente Zersatzzonen Gesteine Zwangswege vor. Der Ur-Niederrhein exi­ von über 40 m Tiefe keine Seltenheiten. stierte so recht wohl erst ab der heutigen Mosel (die Die polaren Eiskappen existierten damals noch man somit als damaligen Oberlauf des Niederrhei­ nicht, sie bildeten sich erst nach der Drift des Ant­ nes auffassen kann), und seine Zuflüsse mußten sich arktischen Kontinentes in eine südpolare Lage her­ erst langsam auf den Süd-Nord sich einrichtenden aus: die ältesten Glazialsedimente der Antarktis wer­ Rhein einstellen. Ein Großteil der Entwässerung des den in das untere. Oligozän gestellt (FLOHN 1985: späteren Rheinischen Gebirges war lange Zeit noch 176). Der Einfluß des Golfstromes, der nach dem nach Süden orientiert. Erst nachdem sich mit der ver­ Schließen der mittelamerikanischen Landbrücke sei­ stärkten Hebung der Rheinischen Masse im Miozän nen Weg in den Pazifik hinein verschlossen fand (vgl. auch hierzu FUCHS et al. 1983) das Gefälle ver­ und zwangsweise nach Norden abgelenkt wurde, stärkt hatte, konnten die Lockermassen der tiefgrün­ um dort das Kondensat seines warmen Wassers als digen Zersatzzonen fortgeräumt und das unverwit­ Schnee auf den benachbarten Festländern Kanadas terte Gebirge erreicht weiden. und Skandinaviens sowie Sibiriens abzugeben, ver­ Dann aber, als das devonische Gebirge mit seinen Ge- Anfang und Umbau des Gewässernetzes zwischen Wupper und Sieg (Oberbergisches Land, rechtsrheinisches Schiefergebirge) 135

Steinsgegensätzen - Ton-, Sand- und Schiuffsteine, heutigen Sieg-Entwässerung nicht mehr durchflös­ Kalksteine, Quarzite und vulkanische Gesteine - er­ sen werden (SCHUMACHER 1931, GRABERT 1981). reicht war, machten diese sich beeinflussend auf den Die Hauptterrasse begleitet diesen Mäanderbogen Verlauf wie auch auf die Ablagerungen des rinnenden der Sieg in weiter Verbreitung, das gleiche gilt für die Wassers bemerkbar. Hatten sich in den weichen Ver­ Mittel- und Niederterrasse. Einige noch ältere, schot­ witterungszonen bei geringerem Gefälle Flußmäander tertragende Flächen sind vorhanden; sie werden als ausgebildet, wurden diese auch bei nun verstärktem Höhenterrassen bezeichnet. Südlich dieses Tal- Gefälle beibehalten und als „geführte Mäander" im mäanderbogens ist um den Ort Leuscheid (ca. Festgestein fortgesetzt. Erst eine Ändemng der Lauf­ +295 m NN) eine Gruppe von Verebnungsflächen bedingungen (stärkere Wasserführung, kräftigeres (Leuscheid 1 bis 3) erhalten geblieben. Aus dieser Gefälle und zunehmende Geröllfracht) konnte diese Flächenlandschaft ragen einzelne Bergkuppen als Mäander auflösen, aber nur äußerst langsam und recht Härtlinge heraus, so der Studchen bei Leuscheid selten. Eines der schönsten Beispiele für solche ge­ (+ 312,0 m NN) und, als höchster dieser Gegend, führten Mäander bietet die Sieg zwischen Au und Ei­ „Auf dem Schachten" (+ 377,2 m NN). Die Flächen torf (s. Abb. 3) im Talmaanderbogen von Dattenfeld Leuscheid 1 bis 3 zeigen außer ihrer ebenen Lage (GRABERT 1975), wo einzelne Schlingen schon abge­ keine weiteren Besonderheiten. Sie tragen keine schnitten wurden (SCHUMACHER 1931, GRABERT 1981). Sedimente und zeigen auch nur eine geringe, weit­ Aber auch in anderen Flußsystemen sind solche gehend rezente Bodenbildung. Gelegentlich sind Mäander, wenn auch nicht so exemplarisch schön, jedoch an geschützten Stellen Reste fossiler Böden vorhanden: an der Wiehl bei Ründeroth (vgl. Abb. 1), erhalten geblieben. an der Bröl bei Herrenstein und an der Wupper. Für Die Härtlinge hingegen weisen eine intensive Blei­ den Talmaanderbogen von Dattenfeld müssen daher chung der ehemaligen Sandsteine auf und auch ihre besondere Ausgangslagen vorhanden gewesen sein; besondere Härte ist durch eine Verkieselung, wie sie darüber wurde schon diskutiert (GRABERT 1975). bei alttertiärzeitlichen Verwitterungsprozessen auf­ treten, ausgezeichnet. Der Talmaanderbogen von Dattenfeld Die Anlage des Talmäanderbogens bei Dattenfeld ist älter als die Ausbildung der pleistozänen Terrassen In einem auf wenige Kilometer Laufstrecke be­ der Sieg. Warum dieser Fluß diesen nach Norden schränkten Abschnitt holt die Sieg aus ihrer an­ ausholenden Bogen gerade hier beschreibt, ist aus genähert Ostwest verlaufenden Fließrichtung in ei­ heutiger Sicht nicht verständlich; Gesteinsgegensät­ nem weitgespannten Bogen nach Norden aus (Abb. ze, die dieses bewirkt haben könnten, sind im de­ 3). Diese Laufstrecke ist durch eine Reihe von aus­ vonischen Grundgebirge nicht vorhanden. Es muß geprägten Talmäandern, Umlaufbergen und Altwäs­ daher die Sieg in früheren Zeiten hier einem Hinder­ sern ausgezeichnet, von denen einzelne von der nis ausgewichen sein, das sie zu diesem Bogen

Tab. 1: Die Terrassen der Sieg im Talmaanderbogen von Dattenfeld und die Hochflächen von Leuscheid, sowie die Ver- ebnungsgruppen am Hohen Westerwald Tab. 1: The terraces of the Sieg meandring valley arch near Dattenfeld and the peneplaination near Leuscheid, also these near the Hohe Westerwald

Zeit ca. TK 25 Waldbröl + Weyerbusch Höhe über NN örtliche Vorkommen Westerwald-Ebbe-Gebirge

Holozän Siefen-Bildung Holozän Talaue der Sieg + 95 m Siegtal bei Dattenfeld Holozän „Inselterrasse" + 100 m Siegtal bei Dattenfeld Würm-Glazial Niederterrasse + 105 m Brücke bei Dattenfeld Riß-/Mindel-Glazial Mittelterrasse + 120 m Wilberhofen Donau-ZBiber-Glazial Hauptterrasse + 180 m Röcklingen bei Herchen Alt-Pleistozän Höhenterrasse + 205 m Röcklingen bei Herchen Pliozän „Leuscheid 1" + 230 m Leidhecke, Türmchenseiche (Jung-)Miozän „Leuscheid 2" + 280 m Sangerhof (Alt-)Miozän „Leuscheid 3" + 310 m Obersaal, Spurkenbach IIb: + 390 - 480 m Oligozän gebleichte Härtlinge + 360-390 m A. d. Schachten, Giebelwald IIa: + 420 - 525 m Oligozän Prä-Basalt-Fläche + 390 m mehr Beulskopf I: 460 - 480 m 136 HELLMUT GRABERT

zwang. Dieses Hindernis ist heute nicht mehr vor­ viele Mäanderschlingen angelegt wurden, ist auf das handen, es war, so wird vermutet, eine mehr oder - vermutlich auch im Miozän begonnene oder ver­ weniger zusammenhängende Decke aus miozänen stärkte - Einsinken der Bergischen Muldenzone Basalten. zurückzuführen. Dadurch entstand ein Gebiet mit Die Basaltdecken des Hohen Westerwaldes im Sü­ geringem Gefälle. Die einmal in der tiefgründig ver­ den und das devonische Grundgebirge des Bergi­ witterten flachen Landschaft angelegten Mäander schen Landes im Norden werden durch eine unge­ wurden bei Erreichen des Grundgebirges zwangs­ fähr Ost-West verlaufende Linie begrenzt; dieser Li­ läufig eingetieft. So entstanden die geführten Ge- nie folgte die frühe Sieg-Drainage, als sie sich nach birgsmäander, an die sich im Pleistozän, entspre­ dem Miozän auf den im Westen fließenden Rhein chend dem klimatischen Wechsel, schottertragende ausrichtete. Terrassenflächen (von der Höhen- bis zur Niederter­ Nun beschreibt dieser Fluß bei Dattenfeld den so rasse) anlehnten. unmotivierten Bogen nach Norden. Dieser wird je­ So ungewöhnlich solche Mäanderstrecken im heuti­ doch erklärbar, wenn man die Vorkommen einzel­ gen Mittelgebirge sind, so weisen sie doch einige ner Basaltschlote südlich dieser Linie im Gebiet von Besonderheiten auf: sie liegen alle in postorogenen, Leuscheid betrachtet (Beulskopf, Pt. 316,8 nördlich heute als „saxonisch" gedeuteten Senkungszonen. von Busenhausen, Pt. 360 östlich von Kuchhausen). Der Talmaanderbogen der Sieg bei Dattenfeld liegt Diese Schlote stellen die Förderkanäle dar, die im in der Bergischen Muldenzone (GRABERT 1983), und Miozän an der damaligen Landoberfläche eine auch die Mäanderstrecke der Mosel zwischen Trier größere, zusammenhängende Basaltdecke produ­ und Cochem, besonders die in der Wittlicher Senke zierten. Diese Decke wurde in nachfolgender Zeit (NEGENDANK 1983: Abb. 5), liegen in einer - weit ein morphologisches Hindernis in der sich zum größeren - Senkungszone, in der ebenfalls postoro­ Rhein hin ausrichtenden Drainage. Der Fluß mußte - genen Eifeler Nordsüdzone, in der sich Reste der nach Norden - ausweichen und in einem Bogen die­ einst ausgedehnteren Buntsandstein-Bedeckung er­ ses Hindernis umfahren. Daß in diesem Bogen so halten haben.

Mittelterrassen-Tal Die Dörspe und die Pernzer Talung Wasserscheide / Die Pfeile geben die Fließrichtung in deneinzelnen Einzugsgebiet Drainage-Epochen an

Abb. 4: Die Pernzer Talung am Oberlauf der Agger bei Bergneustadt Fig. 4: The Pernze head valley in the Agger-Dörspe drainage system Anfang und Umbau des Gewässernetzes zwischen Wupper und Sieg (Oberbergisches Land, rechtsrheinisches Schiefergebirge) 137

Nach dem eben Gesagten müßten sich mit Erreichen Dörspe ihren Lauf verlegt. Ein Grund ist keineswegs des devonischen Gebirges die Täler auf ihren vorge­ eindeutig zu erkennen, zumal dies vom Gestein her zeichneten Bahnen kontinuierlich eintiefen, nur ab­ nicht anzunehmen ist. So bleiben tektonische Bewe­ hängig von der Hebung der Pdieinischen Masse und gungen für eine LaufVeränderung im Gewässernetz - etwas auch - vom Gesteinsgegensatz sowie von kli­ der Dörspe diskussionsfähig. matischen Einflüssen. Die schon erwähnten Laufver­ Die geologische Karte zeigt nämlich an der Engstelle änderungen der Sieg im Talmaanderbogen von Dat­ von Wiedenest eine große Nord-Süd-Störung, die tenfeld lassen aber auch eine Diskussion einer tek- Niederrengser Störung (Abb. 4). Diese wird als ein tonischen Beeinflussung zu. Diese könnte sich relativ junges, „saxonisch" angelegtes Element ange­ durch eine Zerblockung der sich hebenden Rheini­ sehen, das im Zuge der Bildung der Bergischen Mul- schen Masse anzeigen und zwar dergestalt, daß die­ denzone (GRABERT 1983) angelegt wurde und diese se Hebung nicht gleichmäßig, sondern sich wölbend Zone langaushaltend begleitet. An ihr sind an einer bemerkbar macht, so daß der Gebirgskörper ge­ antithetischen Störung im Westen die devonischen dehnt und von zerrenden Störungen durchsetzt Schichten um mehrere hundert Meter abgesunken. wird; diese bieten sich dann als Abschiebungen dar. Diese Niederrengser Stömng „trennt" die Pernzer Ta­ Erkennbar wären solche Störungen nur an Verstel­ lung vom eigentlichen Aggertal, nicht nur dadurch, lungen von Terrassenflächen und/oder an einer daß das Gefälle in der Pernzer Talung geringer als im sprunghaften Veränderung in der Gefällekurve der oberen Aggertal bei Bergneustadt ist (was unge­ Fließgewässer. Ein solches Beispiel ist am Oberlauf wöhnlich ist), sondern dadurch, daß diese Stoning in der Agger gegeben: an der Pernzer Talung. geologisch junger Zeit wieder aufgelebt ist und diese Trennung verursacht hat. Geschehen ist diese Tren­ Die Pernzer Talung nung nämlich nach der Ausbildung der Niederterras- se, die, zusammen mit der Mittelterrasse, durch die­ Die Pernzer Talung (Abb. 4) bildet den eigentlichen sen Vorgang extreme Laufveränderungen erfahren Oberlauf der Agger. Der am Schnüffel bei Meinerz­ hatte, die bis in jüngste geologische Zeiten anhielten. hagen entspringende Bach hat zwar eine größere Das Mittelterrassental der Dörspe läßt sich anhand Wasserführung als die von der Wasserscheide bei der erhaltenen Verebnungsflächen rekonstruieren Wegeringhausen in Ost-West-Richtung fließende (Abb. 4). Es setzt nördlich des Ortes Pernze ein, en­ und dann unterhalb Bergneustadt in die Agger ein­ det also nicht an der heutigen Wasserscheide bei mündende Dörspe, doch sollte dieser als Pernzer Wegeringhausen, wie etwa das Tal der Niederter­ Talung bezeichnete Oberlauf des Agger/Dörspe-Sy- rasse. stems wegen seiner Ost-West-Gesamtfließrichtung Das Mittelterrassental zieht dann südlich der Höhe als sinngemäßer Oberlauf des Agger-Systems ange­ +346,2 nach Westen auf die Niederrengser Störung sehen werden. zu. Ungefähr bei der Höhe +310,0 westlich von Wie­ Auf der gut 5 km langen Fließstrecke der Dörspe von denest endet die Niederterrassenfläche der Dörsper Pernze bis zu ihrer Einmündung in die Agger bei Talung ganz plötzlich an der hier durchziehenden Derschlag (unterhalb Bergneustadt) besteht ein Ge­ Niederrengser Störung; die Mittelterrasse hat hier ei­ fälle von rund 70 m, das sind 14 m auf 1 km Fluß­ ne Seehöhe von +280 m NN. Westlich von ihr, nun strecke. In der Pernzer Talung hingegen ist das Ge­ aber im Aggertal, setzt die nächste Mittelterrassen­ fälle geringer und beträgt nur 5 m auf 1 km, obwohl fläche bei +265 m NN ein. Dieser Vertikalverwurf sonst in den meisten Oberläufen eines Gewässersy- von etwas weniger als 20 m auf relativ kurzer Ent­ stemes die Gefällekurve stärker geneigt ist. fernung wird durch eine tektonische Bewegung im Die Pernzer Talung wird vom eigentlichen Aggertal Zuge der noch immer nicht abgeklungenen Heraus­ durch ein sehr enges Talstück, durch die Engstelle bildung der Bergischen Muldenzone erklärt. an der Kirche von Wiedenest, getrennt. An dieser Auch die Niederterrasse der Dörspe zeigt noch eine Stelle wird die Dörspe nur von einem geringmächti­ ähnliche Entwicklung wie die Mittelterrasse auf. Die gen und schmalen Schotterkörper begleitet, der hier Niederterrasse setzt fast an der Wasserscheide bei im Niveau der Talaue liegt. Andere, also ältere Ter­ Wegeringhausen ein und übernimmt somit nicht rassenflächen, sind in dieser Engstelle nicht ausge­ mehr die Ursprungsrichtung der Mittelterrasse nörd­ bildet, obwohl sie oberhalb, also in der Pernzer Ta­ lich von Pernze. Schon deutlich nach Süden abge­ lung, vorhanden sind. Dennoch: die - ältere - Mittel­ setzt, jedoch parallel zum Mittelterrassental, ent­ terrasse ist in der Nachbarschaft der besagten Eng­ wickelt die Dörspe ihr Niederterrassen-Bett und en­ stelle wohl vorhanden und zeigt an, daß die Dörspe det ebenfalls abrupt an der Niederrengser Störung schon damals das Gebiet des Oberlaufes entwässer­ bei einer Seehöhe von +260 m NN. te. Gleiches gilt auch für die Niederterrassenfläche. Erst bei Bergneustadt ist die Niederterrasse dann Nach der Ausbildung der Niederterrassenfläche mit wieder nachzuweisen, fehlt also wie die Mittelterras­ dem Absatz ihrer entsprechenden Schotter hat die se auf der ganzen ca. 2,5 km langen Engstelle von 138 HELLMUT GRABERT

Abb. 5: Die Spurkenbacher Talung des Westert-Baches (Sieg-Nebenbach) Fig. 5: The erosion surface Spurkenbach and its capture by the Westen brook Anfang und Umbau des Gewässernetzes zwischen Wupper und Sieg (Oberbergisches Land, rechtsrheinisches Schiefergebirge) 139

Wiedenest. Erst die heutige Talaue bildet einen flächen ausgestattete Gebiet an der Sieg und um den durchziehenden und geschlossenen Schotterkörper Ort Leuscheid zum Vergleich heran, läßt sich die Spur­ vom Oberlauf oberhalb Pernze bis zur Einmündung kenbacher Talung am ehesten mit der Verebnungs- in die Agger bei Derschlag. fläche „Leuscheid 3" (+310 m NN) oder „Leuscheid 2" Diese junge Talbildung hat die Niederterrassen- (+280 m NN) parallelisieren (Tab. 1 und Abb. 3). Flächen kurz vor Beginn der Engstelle bei Wiede­ Zu fragen ist nach dem Alter der Anzapfung der nest in rückschreitender Erosion angeschnitten Spurkenbacher Talung durch den Westertbach. Da (Abb. 4). diese Talung nicht von pleistozänen Terrassen­ Noch in geologisch junger Zeit hat die Dörspe in der flächen begleitet wird, muß die Anzapfung jünger Pernzer Talung ihren Lauf aus den älteren, durch sein. Es wird daher angenommen, daß diese zur Nie- Talboden und Terrassen gekennzeichneten Talver­ derterrassenzeit erfolgt ist, wenn man nicht sogar, in lauf verlassen und neue Wege durch bisher nicht Anlehnung an NICKE (1989) ein holozänes Alter, also berührte Gebirgsteile gesucht. Dort, wo in Abb. 4 nach der Eiszeit, annehmen will. Ob auch hier tek­ der kleine Pfeil - er steht für die Fließrichtung der tonische Ursachen der so späten Anzapfung durch Dörspe und ist oberhalb des Nord-Pfeiles vermerkt - den Westertbach möglich sind, wie man es in der eingezeichnet ist, verläßt der Fluß seinen Talboden Pernzer Talung anzunehmen geneigt ist, bleibt of­ und hat sich südlich davon im devonischen Gebirge fen. Es wäre auch zu diskutieren, ob die restlose Ero­ eine um mehrere Meter tiefe Schlucht eingegraben. sion der postulierten Basaltclecke von Leuscheid ei­ Besonders auffällig ist das Herauslaufen der rezen­ ne so späte Anzapfung bewirkt hat. ten Dörspe aus den älteren Terrassenflächen dann östlich der Niederrengser Störung. Westlich von Zusammenfassung Pernze verläßt sie nämlich die junge Talaue, kreuzt sogar ihre alte Mittelterrassen-Fläche und umfließt in Der Anfang und der Umbau des rechtsrheinischen einem weiten Bogen die heutige Höhe +346,2 m NN, Gewässernetzes zwischen Wupper und Sieg weist die in ihrer Gesteinszusammensetzung jedoch kei­ zwei Großepochen auf, die durch klimatische wie nen Grund für ein derartiges Verhalten besitzt. auch tektonische Prozesse ihre Ausgestaltung erhal­ Folgt man den Untersuchungen von NICKT (1989), ten haben. der solche tief eingeschnittenen und steilen Ge- Im Alttertiär bildeten sich durch die feuchtwarme birgshänge betrachtet hat, dann wären diese jüng­ („tropoide") Verwitterung tiefreichende Zersatzzo­ sten Abweichungen im Flußregime der Agger/Dörs- nen aus, auf denen die abfließenden Niederschläge pe holozän bis rezent und somit die jüngste Relief­ verwildernd und mäandrierend abflössen. Vermut­ generation des Bergischen Landes. Sie entstanden, lich wurde ein großer Teil des damals noch in nie­ als nach dem extremen pleistozänen Klima hier im derer Seehöhe als heute liegenden späteren Rheini­ Mittelgebirge noch kaum wieder eine Vegetation schen Gebirges nach Süden (in das Mainzer vorhanden war. Damit ist zwar das Alter solcher Sie­ Becken?) entwässert. fenbildung gegeben, nicht aber deren Ursache. Ähn­ Im Miozän setzte, initiiert vermutlich durch die Al- liches gilt auch für die Spurkenbacher Talung. pen-Orogenese, die Hebung der Rheinischen Masse ein. Dieser Hebungsprozeß lief als eine Hochwöl­ Die Spurkenbacher Talung bung ab, begleitet von zerrenden Störungen und einsinkenden Depressionen. Die ersten Trogflächen Die Spurkenbacher Talung (zur Lage s. Abb. 1) liegt bildeten sich heraus, die vom ablaufenden Wasser südlich des Nutscheidkammes und besteht aus einer benutzt wurden; es entstanden die Trogtäler. Beglei­ ca. 3 km langen und 1,5 km breiten Verebnungs- tet wurde die Hochwölbung vom miozänen Basalt- fläche mit einer Meereshöhe um +300 m NN (Abb. 5). Vulkanismus, der die weitere morphogenetische Außer einer wesentlich jüngeren Bedeckung von Entwicklung wesentlich beeinflußte. Der „Morpho­ teilweise recht mächtigem Lößlehm trägt diese Ta­ genetische Umbruch" steht am Anfang dieser Ent­ lung keine weiteren Sedimente. Jüngere Vereb- wicklung. nungsflächen oder gar schottertragencle Terrassen- Die ältesten fluviatilen Sedimente auf dem devoni­ flachen sind an ihren Rändern nicht vorhanden. Heu­ schen Grundgebirge des Bergischen Landes und des te wird sie vom Westertbach zur Sieg hin entwässert. südlich anschließenden Niederen Westerwaldes Lange Zeit muß diese Talung isoliert gewesen sein. sind die hellen, weitgehend aus weißen Quarzen Erst in relativ junger Zeit, wobei offen bleibt, wann (mit untergeordneten Lyditen und Hornsteinen) sich das geschehen ist, hat sich der Westertbach in rück- zusammensetzenden Schottern; sie werden als „Val­ schreitender Erosion aus dem Siegtal zum Nut­ lendarer Schotter" bezeichnet und in das Pliozän ge­ scheidkamm durchgearbeitet und dann die Spur­ stellt. Sie treten nur am Gebirgsrande auf und zeigen kenbacher Talung angeschnitten. keinerlei Beziehungen zu irgendwelchen rezenten Zieht man das gut mit Verebnungs- und Tenassen- Flußsystemen. 140 HELLMUT GRABERT

Die Quarzkiese sind ein Aufbereitungsprodukt des Umland zwischen dem Mitteltertiär und dem Beginn tertiärzeitlichen „tropoid" verwitterten Gebirges. Re­ des Pleistozäns. - Erctkd., 24: 268 - 284; Bonn ste dieses so veränderten Gebirges sind noch ver­ FEY, M. (1974). Geomorphologische Untersuchungen im Bergischen Land (Rheinisches Schiefergebirge). - Düs­ einzelt erhalten geblieben, die heute als Härtlinge seldorf, geogr. Sehr., 1: 181 S.; Düsseldorf aus den tertiärzeitlichen Altflächen herausragen. FLOHN, H. (1985); Das Problem der Klimaverändemngen in Die Höhe „Auf dem Schachten" mit +377,2 m NN in Vergangenheit und Zukunft. - Erträge der Forschung, der Hochflächengruppe von Leuscheid (TK 25 Wey­ 220: 228 S.; (Wiss. Buchges.), Darmstadt erbusch 5211) kann hier genannt werden. FUCHS, K. et al. (1983); Plateau Uplift - The Rhenish Shield. Das Pleistozän, vermutlich schon im oberen Pliozän - 411 S., (Springer-Verlag), Heidelberg einsetzend, steuert nun mit seinem kühleren Klima GRABERT. H. (1975): Der Talmaanderbogen der Sieg zwi­ schen Au und Eitorf (Rheinisches Schiefergebirge). - und den stärkeren Wassermengen die weitere Ent­ Decheniana, 127: 145-156; Bonn wicklung des Gewässernetzes. - (1981): Bau und Entstehung des Umlaufberges von Gleichzeitig hebt sich die Rheinische Masse verstärkt Dreisel/Sieg im Talmaanderbogen von Dattenfeld und wird zu einem stark zertalten Gebirge umgestal­ (rechtsrheinisches Schiefergebirge). - Sonderveröff. tet. Alle größeren Flüsse im Rechtsrheinischen bil­ Geol. Inst. Köln. 41: 69 - 82; Köln den nun schottertragende Terrassenflächen aus: die - (1983): Die Bergische Muldenzone des rechtsrheini­ Höhenterrasse (nur an den größeren Flüssen Sieg schen Schiefergebirges. - Decheniana, 136: 85-94; Bonn und ), die Haupt-, Mittel- und Niederterrasse, je­ GRAMSCH, H.-J. (1978): Die Entstehung des Siegtals im jüng­ weils eng an den Flußverlauf gebunden. Diese sten Tertiär und im Quartär. - Bochum geogr. Arb., 196 Flächen korrespondieren mit solchen des Rheinta­ S. (Schöningk), Paderborn les, womit kenntlich wird, daß sich das rechtsrheini­ Hoos, L. (1936): Die Oberflächenformen zwischen Agger sche Gewässernetz auf den Vorfluter Rhein einge­ und Sieg. - Decheniana 93: 113-176; Bonn stellt hatte. KNUTH, H. (1922): Die Terrassen der Sieg von Siegen bis zur Mündung. - Centr. bl. Min. M.ber., 1922: 336-344; Es ist logisch, daß die großflächige Hebung der Rhei­ Stuttgart nischen Masse nicht kontinuierlich ablaufen konnte LlPPOLT, H. J. (1983): Distribution of volcanic activity in und damit auch nicht wirkungslos auf die Gestaltung space and time. - In: FUCHS et al., Plateau Uplift. 112- des Gewässernetzes blieb. Eine Hochwölbung geht 120, (Springer-Verlag), Heidelberg NEGENDANK, J. (1983): Cenozoic deposits of the Eifel-Huns- mit einer Dehnung des Gebirgskörpers einher, und rück area along the Mosel river and their tectonic im­ dieser läßt sich nicht unbegrenzt dehnen. Es reißen plications. - in: FUCIIS et al., Plateau Uplift 78-88 (Sprin­ Spalten und Brüche auf, die zu einer Zerblockung ger-Verlag), Heidelberg des Gebirges führen. Dabei wurden ältere Störun­ NICKE, H. (1983): Reliefgenese des südlichen Bergischen gen auch einmal reaktiviert. Solche Ereignisse wir­ Landes zwischen Wupper und Sieg. - Köln geogr. Arb., ken intensiv auf das Gewässernetz ein, da genügen 43: 278 S., Köln oft nur wenige Meter Änderung in der Flußgefälle­ - (1989): Siefen - Geomorphologische Untersuchungen an einer Sonderform der Talanfänge im Bergischen kurve. Ein eindmcksvolles Beispiel zeigt der Ober­ Land. - Decheniana, 142: 147-156, Bonn lauf der Agger, die als Dörspe die Pernzer Talung PHILIPPSON, A. (1899): Entwicklungsgeschichte des rheini­ entwässert. Hier hat nach der Niederterrassenzeit, schen Schiefergebirges. - Verh. Nat. hist. Ver. preuß. anscheinend sogar noch in früher holozäner Zeit, ei­ Rheinld. u. Westf., Sitz.-ber., 56: 48-50; Bonn ne wechselhafte Umgestaltung dieses Flußabschnit­ QUITZOW, H. W. & WAGNER, W. & WITTMANN, Q. (1962): tes stattgefunden. Ein besonders starkes Einschnei­ Die Entstehung des Rheintales vom Austritt des Flusses den mit steilen Talflanken hat in der vegetationslo­ aus dem Bodensee bis zur Mündung. - Beitr. Rheinkd., 14: 9-47; Koblenz sen Zeit an der Wende vom Pleistozän zum Holozän SCHRÖDER, E. (1965): Zur Talgeschichte der unteren Sieg. - im Zusammenspiel mit einem höheren Wassseran- Decheniana, 118: 41-45; Bonn gebot stattgefunden. Hier können kleinste tektoni­ - (1969): Alter und Entstehung der rechtsrheinischen sche Bewegungen von nur wenigen Metern den Ab­ Trogflächen zwischen Agger und Sieg. - Decheniana, fluß beeinträchtigen. 122: 21-29; Bonn SCHUMACHER, A. (1931): Der tote Siegarm bei Schladern. - Nachr. Bl. oberberg. Arb. - Gem. naturwiss. Heimat- forsch., 2: 31-34; Gummersbach Schriftenverzeichnis SCHWARZBACH, M. (1974): Das Klima der Vorzeit. - 380 S. (Enke-Verlag); Stuttgart BIRKENHAUER, J. (1970): Der Klimagang im Rheinischen Schiefergebirge und in seinem näheren und weiteren Manuskript eingegangen am 25.04.1994