DE HERAUSGEBERIN Dr. Sabine Haag EINLEITUNG Viele Menschen gehen ihrer Sammellust mit Generaldirektorin Enthusiasmus nach, doch nur wenige Samm- Wien lungen werden über Jahrzehnte oder gar Jahr- Burgring ,  Wien hunderte gleichsam als Einheit bewahrt und ge- ©  KHM schätzt. Zu diesen Ausnahmen gehört glück- Autoren: licherweise die außergewöhnlich qualitätvolle Gerlinde Gruber (Barocke Hängung, , , ) »galeria« von Erzherzog Leopold Wilhelm Barbara Herbst (, , , ) (–). Anlässlich der . Wiederkehr sei- Rotraut Krall (, , , , , , , ) nes Geburtstages präsentiert das Kunsthistori- Manuela Laubenberger () sche Museum Wien eine Auswahl aus seiner Konrad Schlegel (, , , , , ) Sammlung, die einen grundlegenden Bestand Renate Schreiber (Einleitung, ) des Hauses umfasst. Mit Leidenschaft und ei- Agnes Stillfried (, , , , ) nem großen Teil der ihm zur Verfügung stehen- Francesca del Torre Scheuch () den Mittel hat der Erzherzog seine Kunstsamm- Daniel Uchtmann (, , , ) lung zusammengetragen. Er nutzte sie auch ge- Karoline Zhuber-Okrog () schickt für sein Ansehen: Indem er seine Sammellust Andreas Zimmermann (, , , ) Sammellust Meisterwerke durch gemalte und gedruckte Bil- der international bekannt machte, etablierte er seinen Ruf als exzellenter Kenner und Liebha- PARTNER ber der Künste.

W Saal VIII bietet einen Eindruck von der Viel-

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P E falt der Sammlung und wie Leopold Wilhelm

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ÖFFNUNGSZEITEN 17. Juni bis 28. September 2014 E sie präsentierte. Zusätzlich werden in der Ge-

L Di – So,  –  Uhr; Do  –  Uhr S mäldegalerie und der Kunstkammer weitere A T M S Juni bis August täglich geöffnet! U Meisterwerke aus dem Besitz des Erzherzogs M E L L gesondert gekennzeichnet, und im Münzkabi- David Teniers d. J. 17. JUNI BIS 28. SEPTEMBER 2014 nett findet sich eine ihm gewidmete Vitrine. Erzherzog Leopold Wilhelm (1614–1662) Folgen Sie der erzherzoglichen Sammellust in seiner Galerie in Brüssel um 1650, Leinwand durch das Haus, es lohnt sich! 1 Mittags- Kurze Führungen zur Mittagszeit: Mittagszy- führungen klus “Sammellust” zur Sonderausstellung je-

den Dienstag um 12.30 Uhr im Juli und Au- Porto das KHM

27 übernimmt ■ Gemäldegalerie ■ Ausstellung gust. Themen in unserem Monatsprogramm innerhalb EU 26 24 29 1 bis 17 »Sammellust« und auf www.khm.at ■ Gemäldegalerie 25

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Vortrag Dr. Irene Schaudies, Archduke Leopold 31 Wilhelm and Jacob Jordaens 30 19 18 Irene Schaudies hat über Jacob Jordaens dis- 32 20 22 Fr 12. September sertiert und mit Joost Vander Auwera und Jus- 21 16 Uhr tus Lange an der Ausstellung Jordaens und die Vortragsraum Antike in Brüssel/Kassel gearbeitet. Sie ist freie Kunsthistorikerin mit Forschungsschwer- punkt Flämischer Barock und hat bis jetzt über 0.5 Jordaens, Rubens und die Caravaggio-Rezep- David Teniers d.J., Leopold Wilhelm in seiner Brüsseler Galerie, um 1651, © KHM tion in den Südlichen Niederlanden 23 publiziert. ■ Kunstkammer Wien 37

39 38 Katalog Sabine Haag (Hg.) Broschur, 112 Seiten, deutsch

36 ISBN 978-3-99020-071-1 € 14,95

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33 www.khm.at 34 Grüsse aus dem Wir verschicken die Karte innerhalb der EU Kunsthistori- für Sie. Die Box finden Sie im Shop. schen Museum Im Sonder- 1 Frans Luycx ausstellungs- Erzherzog Leopold Wilhelm saal 2 Zugeschrieben an: Alessandro Abondio Porträtmedaille 3 Jan Davidsz de Heem Eucharistie 4 Augsburg Zwei Pistolen mit Flintenschloss 5 David Teniers d.J. VogelschieSSen zu Brüssel 6 Leonhard Kern Szene aus dem DreiSSigjährigen Krieg 7 Leonhard Kern Abundantia 8 Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico Atropos 9 Dionysio Miseroni Muschelförmige Schale 10 Florentinisch L'Arrotino (der Schleifer) 11 Italienisch Ushebti 12 Römisch Magische Gemme 13 Römisch Kaiser Lucius Verus 14 Balthasar Herold, Johann Philipp Barth Erzherzog Leopold Wilhelm 15 David Teniers d.J. 28 Jacob Jordaens Theatrum Pictorium Fest des Bohnenkönigs

16 Barocke Hängung 29 Joachim von Sandrart Minerva und Saturn 17 David Teniers d.J. Erzherzog Leopold Wilhelm in 30 Christoph Paudiß seiner Galerie in Brüssel Hl. Hieronymus 31 Peter Paul Rubens Gewitterlandschaft mit Jupiter, In der 18 Tiziano Vecellio, gen. Tizian Merkur, Philemon und Baucis gemälde- Jacopo Strada 32 Peter Paul Rubens galerie 19 Haupt der Medusa Maria mit Kind und heiligen 20 Jacopo Robusti, gen. 33 Meister der Wiener Gregorplatte Bildnis eines In der weiSSbärtigen Mannes Heiliger Gregor mit Schreibern Kunst- 21 Raffaello Santi, gen. Raffael 34 Pier Maria della Pescia Serbaldi, kammer gen. Tagliacarne Hl. Margarete Polyhymnia 22 35 Meister der Dosenköpfe Die drei Philosophen Zwei Dosenböden 23 Carracci 36 Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico beweinung Christi Herkules und Antäus 24 Jan van Eyck 37 Leonhard Kern Kardinal Niccolò Albergati Christus in der Ruhe 25 Pieter Bruegel d.Ä. 38 Gottfried Libalt Jäger im Schnee (Winter) Stilleben mit Büste Erzherzog 26 Anthonis van Dyck Leopold Wilhelms Gefangennahme Simsons 39 Zugeschrieben an: 27 Frans van Mieris d.Ä. Allegorie auf Erzherzog Leopold Kavalier im Verkaufsladen Wilhelm (1614 —1662) 1 Am 5. Januar 1614 kommt in Wiener Neustadt Obwohl der Westfälische Friede 1648 den Drei- Erzherzog Leopold Wilhelm als jüngster Sohn ßigjährigen Krieg beendet hat, befinden sich des späteren Kaisers Ferdinand II. und der Spanien und Frankreich weiter im Krieg. So Frans Luycx Maria von Bayern zur Welt. bleibt der Erzherzog im militärischen Einsatz. (Antwerpen 1604 – 1668 Wien) Als Nachgeborener wird er vom Vater für die Die Niederlande sind seit vielen Jahren das Erzherzog geistliche Laufbahn bestimmt. Frans Luycx Zentrum des Kunsthandels für ganz Europa. Leopold Wilhelm porträtiert den blond gelockten Prinzen, im Infolge der politischen Wirren in England ge- (1614 – 1662) in Alter von etwa 22 Jahren, im geistlichen Ge- langen zusätzlich vortreffliche Gemäldesamm- geistlichem wand. Das Bild zeigt einen sensiblen, etwas lungen auf den Markt. Hier greift Leopold Gewand, melancholisch blickenden Erzherzog. Tatsäch- Wilhelm begeistert zu, beraten durch seinen Brustbild lich ist er mit seiner Bestimmung zum Bischof Kammermaler Jan van den Hoecke. Später (von Passau, Straßburg u.a.) und Hoch- und übernimmt dieses Amt David Teniers d.J., der um 1638 Deutschmeister des Deutschen Ordens wenig mit verschiedenen Galeriebildern die inzwi- Leinwand, 85 x 56 cm Inv.-Nr. GG 2754 glücklich. schen zusammengetragenen Kunstwerke be- kannt macht. Sein Bruder Ferdinand III. überträgt ihm 1639 und 1645 zweimal den Oberbefehl über die 1656 legt Leopold Wilhelm auf eigenen kaiserlichen Truppen im Dreißigjährigen Wunsch sein Amt nieder und kehrt nach Wien Krieg, eine Aufgabe, die der militärisch uner- zurück. Ein halbes Jahr später stirbt sein Bru- fahrene Leopold Wilhelm mit viel Einsatz, der, Kaiser Ferdinand III. Nach einer schwie- aber wenig beständigem Erfolg übernimmt. rigen Kaiserwahl wird dessen junger Sohn Im April 1647 reist Leopold Wilhelm nach Leopold­ I. mit 19 Jahren zum Kaiser gewählt. Brüssel und tritt im Auftrag seines Cousins, Leopold Wilhelm steht ihm mit seinem Rat König Philipps IV. von Spanien, ein politisch zur Seite; beide verbindet ein sehr gutes Ein- schwieriges Amt an: die Statthalterschaft in vernehmen. den Spanischen Niederlanden (heute etwa Belgien und Luxemburg). Aus Wien begleitet 1658 wird das obere Geschoß der Wiener Stall- ihn als Kammerherr sein Vertrauter Graf Jo- burg für die Aufstellung der umfangreichen hann Adolph von Schwarzenberg. Sammlung des Erzherzogs adaptiert. Anton van der Baren kümmert sich als Galeriedirek- 2 Leopold Wilhelm war aufgrund seiner Her- tor um den Umbau und verfasst 1659 ein Ver- kunft und durch die Vielzahl seiner Wirkungs- zeichnis aller Kunstwerke. stätten mit den Medien der Münze und der Zugeschrieben an: Medaille vertraut. Dennoch ist bemerkens- Alessandro Abondio Am 20. November 1662 stirbt Leopold Wil- (1570/80 – 1648) wert, dass die Mehrzahl seiner Medaillen eine helm in Wien. Einen Teil der Tapisserien ver- Funktion als Geschenk und Auszeichnung in- erbt er seinem Vertrauten Schwarzenberg, Porträtmedaille nehatte. seine Gemälde dediziert er, »als das liebste (Gnadenmedaille) aus meinem Nachlaß«, seinem Neffen Kaiser des Leopold Auf der Vorderseite zeigen diese »Gnadenme- Leopold I. Wilhelm daillen« sein betont geistliches Brustbild und auf der Rückseite stets eine Komposition aus ohne Jahr (nach 1641) Ein wesentlicher Teil dieser Sammlung trägt Löwe und Lamm unter einem Kreuz, auf des- Gold (Prägung), 42,5 bis heute zum Ruhm des Kunsthistorischen mm, 35,14 g (entspricht sen Querbalken ein Zaumzeug, Lorbeerzwei- Museums Wien bei. 10 Dukaten), Öse ge und das Auge Gottes zu sehen sind. Die abgebrochen Deutung ist nicht einfach. Das Lamm kann Inv.-Nr. MK 2545bβ als agnus dei interpretiert werden, es kann aber auch für die Gerechtigkeit stehen, der Löwe steht für die Tapferkeit und der Zügel für die Mäßigung, der Lorbeer kann sowohl für den Glauben als auch für den Sieg stehen. Man wird nicht fehlgehen, dies als allegori- sche Darstellung der Eigenschaften des Erz- herzogs zu sehen, die in der stets damit ver- knüpften Devise »TIMORE DOMINI« (»in Gottesfurcht«) gipfelt.

// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal 3 4 Das Vogelschießen gehört zu den traditionel- De Heem malte dieses geistliche Stillleben len Vergnügen der St. Georgs Armbrustgilde 1648 für Leopold Wilhelm, dessen Devise in Brüssel, die im Zuge dieses Wettschießens Jan Davidsz de Heem David Teniers d.J. Timore Domini (in Furcht vor dem Herrn) so- einen würdigen Jahreskönig ermittelt. Im Jahr (Utrecht 1606 – (Antwerpen 1610 — 1690 1683/1684 Antwerpen) wohl seine persönliche Frömmigkeit als auch Brüssel) 1651 nahm Erzherzog Leopold Wilhelm per- seine vielen geistlichen Ämter widerspiegelt. sönlich daran teil und knüpfte an die Tradi- Eucharistie, von Bereits mit 11 Jahren wurde er zum Bischof VogelschieSSen tion Erzherzog Albrechts, eines seiner Amts- Fruchtgirlanden von Passau gewählt; es sollten noch zahlrei- zu Brüssel vorgänger, an. In Anwesenheit der Mitglieder umgeben che Bistümer folgen. Geistliche Stillleben wa- der Schützengilde, zahlreicher Vertreter der Bez. links unterhalb der ren eine Spezialität der flämischen Barock- Stadt und Schaulustiger schoss der Statthal- 1648 datiert Wagenpferde: DAVID. malerei und wurden von den Jesuiten im Sin- ter erfolgreich auf die Vogelattrappe, die auf Leinwand, 138 cm x 125,5 TENIERS.FEC AV 1652; cm x 2,5 cm ne der Gegenreformation gefördert. Die 1652 datiert einer Stange in der Höhe des Dachreiters der Inv.-Nr. GG 571 sinnliche Freude an der genauen Wiedergabe Leinwand, 172 x 247 cm Liebfrauenkirche am Zavel befestigt war. Auf Inv.-Nr. 756 paart sich in dieser Verherrlichung der Eucha- der Estrade in der Mitte des Bildes nimmt Leo­ ristie mit christlicher Symbolik: Messkelch pold Wilhelm, die Armbrust noch in Händen und strahlenumkränzte Hostie rahmen Früch- und als einziger Würdenträger mit einem Hut, te und Blumen, die Tod und Auferstehung die Glückwünsche zu seinem gelungenen symbolisieren. So steht der Mohn für Christi Schuss entgegen. Teniers schildert meisterhaft Leidensweg, die Kirsche für die Sünde und die verschiedenen Aspekte wie Historienbild, ihre Überwindung, Kornähren und Trauben Porträtmalerei, genrehafte Erzählung und vor für Brot und Wein der Eucharistie und der allem höfische Repräsentation. Schmetterling für die auferstandene Seele.

// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal 5 Pistolen zählten während des Dreißigjährigen 6 Ein selbstbewusst ausschreitender Offizier Kriegs zur Grundausstattung der Schweren stößt einer nackten jungen Frau einen Dolch Reiterei. Diese sollte durch gezielte Attacken in den Rücken, biegt ihren Arm gewaltsam Augsburg Leonhard Kern die feindlichen Linien aufbrechen und die geg- nach hinten und schaut dabei spöttisch streit- (1588—1662) nerischen Truppen in die Flucht schlagen. Das süchtig zum Betrachter. Nicht der geringste Zwei Pistolen mit vorliegende Pistolenpaar stammt aus dem per- Ausdruck des Schmerzes ist im Gesicht des Flintenschloss Szene aus dem sönlichen Besitz Erzherzog Leopold Wilhelms. DreiSSigjährigen jungen Mädchens zu lesen. Drei Rosen auf Mitte des 17. Jhs. Es wird erstmals im Inventar seiner Samm- Krieg dem Wehrgehänge des Offiziers identifizieren Eisen graviert, Messing lung von 1660 beschrieben: »Ein Niderlen- den Aggressor als Reinhold von Rosen, den graviert, Schildpatt, disches par pistollen mit flintenschlössern, die Schwäbisch Hall, vor Spross einer livländischen Adelsfamilie, die jeweils L. 71,5 cm, 1659 schäft von schildkhrotten, welche ihro hoch- im Dreißigjährigen Krieg auf Seiten der Fran- H. 15 cm, T. 5 cm Alabaster, H. 34,3 cm Inv.-Nrn. HJRK A 1470, fürstlichen durchleichtigkeit etc. der herr graff Inv.-Nr. KK 4363 zosen an der Eroberung der Stadt Schwäbisch A 1471 Forgätsch zue Prespurg verehrt hat.« Die Pis- Hall teilnahm. Die Alabastergruppe ist in ih- tolen zeichnen sich durch ihre elegante rem Zeitbezug ungewöhnlich und stellt ver- Schlichtheit und die kostbaren Materialien mutlich eine Allegorie auf die Bedrohung von aus. Der aus Augsburg stammende Lauf wur- Schwäbisch Hall dar. Leonhard Kern, damals de mit rot-schwarz geflecktem Schildpatt ge- Bürger dieser Stadt, könnte vom Erzherzog schäftet. Das Steinschloss ist graviert; die Be- persönlich damit beauftragt worden sein. Als schläge sind aus vergoldetem Messing. kaiserlicher Feldherr war er Gegner von Rein- hold von Rosen und sah sich in übertragenem Sinn auch als Beschützer der Reichsstadt.

// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal 7 Die antike Göttin mit Füllhorn ist aus dem 8 Die Schicksalsgöttin schneidet den Lebensfa- spitz zulaufenden Ende eines Walrosszahns den des Menschen ab. Schere in der Rechten geschnitzt, dessen unbearbeiteter Teil noch und Spinnrocken in der erhobenen Linken Leonhard Kern Pier Jacopo Alari de im Kieferknochen steckt. Die Figur scheint sind nicht mehr erhalten. Die qualitätvolle (Forchtenberg 1588 – Bonacolsi, gen. Antico 1662 Schwäbisch Hall) der spröden Naturalie entwachsen und reflek- (Mantua, um 1460 – 1528 Statuette befand sich neben weiteren Klein- tiert auf diese Weise das für die Welt der Gazzuolo) bronzen des Mantuaner Renaissancebildhau- Abundantia Kunstkammern im 16. und 17. Jahrhundert so ers Antico (zu sehen in der Kunstkammer, bezeichnende Wechselspiel von Kunst und Atropos Saal 33) in der in der Wiener ausge- Schwäbisch Hall, Natur. Das bemerkenswerte Objekt befand stellten sogenannten Kunstkammer Leopold um 1635/45 Mantua, um 1519 Walrosszahn, H. 37,7 cm sich im Besitz Leopold Wilhelms, noch bevor Bronze, H. 32 cm Wilhelms. Als der Erzherzog 1656 aus Brüs- Inv.-Nr. KK 4547 dieser seine Statthalterschaft in Brüssel an- Inv.-Nr. KK 5545 sel nach Wien zurückkehrte, wurde seine trat. Als er 1647 Wien Richtung Brüssel ver- enorm angewachsene Kunstsammlung zwei- ließ, wurde ein Inventar seiner Kunstsamm- geteilt. Der Großteil seiner Sammlung wurde lung angelegt, worin es beschrieben ist. Zu in der Stallburg untergebracht und 1659 in- diesem Zeitpunkt umfasste die Sammlung des ventarisiert – dokumentiert sind 1397 Gemäl- Erzherzogs rund 470 Objekte. Es handelte de, 343 Zeichnungen und 542 Skulpturen, sich dabei vor allem um Reliquiare und ande- Kleinplastiken und andere Kunstkammer- re Sacralia, aber auch wissenschaftliche Ge- stücke. Daneben ließ er aber auch seine soge- rätschaften und sog. Exotica. Die noch eher nannte Schatzkammer in der Amalienburg der kleine Sammlung trug also Ansätze zu einer Wiener Hofburg einrichten, wo sich über 800 enzyklopädischen Kunstkammer. Objekte kostbarer Schatzkunst befanden (s. nächstes Objekt).

// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal 9 Gefäße aus Bergkristall wie dieses des kaiser- 10 Ein Mann ist niedergekniet, um an einem lichen Steinschneiders Dionysio Miseroni be- Stein sein Messer zu schleifen. Sein Blick gilt fanden sich in der sog. Schatzkammer Leo- jedoch nicht dem Messer, seiner Arbeit, son- Dionysio Miseroni (Prag Florentinisch pold Wilhelms in der Amalienburg der Wie- dern jemand anderem, zu dem er sein gequält um 1607 – 1661 Prag) ner Hofburg. Diese Sammlung, insgesamt ca. wirkendes Gesicht erhebt. Es ist Marsyas, dem L'Arrotino (der 814 Stück, inventarisiert 1660, umfasste auch auf Befehl Apollos die Haut abgezogen wer- Muschelförmige Schleifer) seine wertvollen Reliquiare, Uhren und Sil- den soll. Er fehlt hier, war aber Teil der sog. Schale Antikenreduk- bergeschirr. Während in der sog. Kunstkam- Marsyas-Schleifer-Gruppe aus hellenistischer tion Prag, 1656/57 mer in der Stallburg also vor allem erzähleri- Zeit. Die beeindruckenden Figuren dieser Bergkristall, H. 7,1 cm, sche, figürliche Objekte ausgestellt waren, um- 2. H. 16. Jahrhundert Bronzegruppe wurden in römischer Zeit oft- L. 13,1 cm, B. 7,9 cm Bronze, H. 25,8 cm Inv.-Nr. KK 1420 fasste die Schatzkammer in der Amalienburg mals kopiert. Von Marsyas haben sich einige Inv.-Nr. KK 5760 mehr Kunstwerke, denen der figürliche Cha- lebensgroße Marmorkopien erhalten, von der rakter fehlt. Eine derartige inhaltliche und Schleifer-Figur allerdings nur eine einzige, die räumliche Trennung einer fürstlichen Samm- im frühen 16. Jahrhundert in Rom gefunden lung in »figürliche Kunst« und »Schatzkunst« wurde und seit 1680 in den Uffizien zu sehen stellt ein deutliches Abrücken von der alten ist. Von ihr gibt es Kopien, Varianten, Skiz- Idee der enzyklopädischen Kunstkammer dar zen zahlreicher Künstler des 16. und 17. Jahr- und kündigt die Neuordnung der Habsburgi- hunderts. Sie diente auch dieser Kleinbronze schen Sammlungsbestände in Spezialkabinet- als Vorlage, mit der Leopold Wilhelm ein da- te an, die dann im 18. Jahrhundert im Geiste mals viel besprochenes Stück zumindest als der Aufklärung voll einsetzen wird. Antikenreduktion in seiner Sammlung besaß.

// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal 11 Diese Figur in der Sammlung Leopold Wil- 12 Eine Identifizierung von antiken Kleinobjek- helms zu finden, mag auf den ersten Blick ver- ten der Sammlung Leopold Wilhelms anhand wundern, da das große Interesse an Ägypten der nur sehr allgemein gehaltenen Inventare Italienisch Römisch erst sehr viel später aufkommt. Dennoch kur- ist bisher leider nicht gelungen. Ein kleiner, sierten kleinere ägyptische Objekte schon in spezieller Bestand lässt sich jedoch nachwei- Ushebti Magische Gemme dieser Zeit als sammlungswürdige Stücke des sen: Es handelt sich um Gemmen (vertieft ge- um 1650? Altertums, auch wenn sie noch die Ausnah- Ouroboros-Schlange schnittene Edelsteine) aus dem 2. und 3. Jahr- Bronze, H. 13,1 cm me bildeten. Dieses Ushebti besticht durch und magische hundert n. Chr. mit magisch-okkulten Darstel- Inv.-Nr. KK 5858 Inschriften seine echt anmutende Ausführung. Es ist ein lungen. Sie dienten in der Antike als 2. Jahrhundert Hieroglyphentext erkennbar, wenn auch nicht Chalcedon, H. 2,2 cm Amulette und Talismane. Der Leibarzt des alle Zeichen lesbar sind. Allerdings wurde Inv.-Nr. ANSA IXb 1230 Erzherzogs, Johannes Chifletius (1588–1660), Bronze als Werkstoff für Ushebtis in Ägypten publizierte diese Gattung erstmals: Herkunfts- nicht verwendet. Diese Figur dürfte daher nachweis, Beschreibungen und Kupferstiche wohl ein Abguss eines echten Ushebtis sein, von vier Steinen aus der erzherzoglichen wobei der Sockel, auf dem das originale Stück Sammlung: drei magischen Gemmen und ei- montiert war, gleich mit abgeformt wurde. Ge- ner Phalera, einer römischen Militärauszeich- rade der Bronzeguss bot eine willkommene nung. Die Bilder auf ihnen – dämonenhafte Möglichkeit, begehrte antike Originale, die Mischwesen, Götterversammlungen, eine sich selten waren, nachzuformen, und diese dann in den Schwanz beißende Schlange (Ourobo- in Originalgröße oder als Reduktion in der ros, Symbol der Ewigkeit) oder magische In- Sammlung zu besitzen. schriften – regten zu gelehrtem Disput an.

// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal 13 Die antike römische Büste ist schon 1875 im 14 Die Bronzebüste folgt der vom Erzherzog be- Inventar der Antikensammlung identifiziert vorzugten Darstellung als Feldherr und Hoch- und auf dem in der Ausstellung gezeigten meister des Deutschen Ordens. Balthasar He- Römisch Balthasar Herold (1625— Galeriebild (Inv.-Nr. GG 739) erkannt worden. rold lieferte im Auftrag Kaiser Ferdinands III., 1683), Johann Philipp Erst kürzlich konnte man dessen prominente des Bruders von Leopold Wilhelm, Bronze- Porträtbüste des Barth (1657—1657) Stellung – zwischen Leopold Wilhelm und plastiken für die kaiserliche Kunstkammer, Kaisers Lucius David Teniers – erklären: Man hatte in dem darunter auch eine derartige Büste. Die Zu- Verus Erzherzog Dargestellten Kaiser Mark Aurel gesehen, dem Leopold schreibung an Balthasar Herold erfolgte auf Mitte 2. Jahrhundert als »Philosophenkaiser« seit dem Humanis- Wilhelm, Büste Grund seiner Nennung in einer zur Zeit des Marmor, H. 100 cm mus eine besondere vorbildhafte Bedeutung Ablebens des Kaisers (gest. 1657) noch nicht Inv.-Nr. ANSA I 115 zukam. Nicht zufällig ist wohl auch die Bron­ Wien, 1657 bezahlten Rechnung. Herold wählte als Vor- Bronze, H. 69,5 cm zestatuette Leopold Wilhelms (Inv.-Nr. KK bild eine 1650 datierte und signierte Marmor- Inv.-Nr. KK 8930 6002), die auf das berühmte Reiterstandbild büste des flämischen Bildhauers Jérôme II. des Mark Aurel vom Kapitol in Rom zurück- Duquesnoy (zu sehen in der Kunstkammer, geht, dargestellt (links auf dem Tisch). Saal 23). In überzeugender Weise schuf Duquesnoy mit dieser distanziert-würdevol- Auf einem Stich aus dem Jahr 1660, im soge­ len Pose eine Porträtbüste repräsentativ-höfi- nannten Theatrum Pictorium, ist die Kaiser- schen Charakters und kam so den gemalten büste ebenfalls an zentraler Stelle abgebildet. Porträts von Anton van Dyck sehr nahe. He- Offensichtlich schätzte Leopold Wilhelm rold übertrug diese barock-klassizistische Ten- antike Objekte in seinem Besitz nicht nur als denz perfekt ins Medium der Bronze. Kostbarkeiten, sondern auch wegen ihrer Be- deutung für ihn persönlich.

// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal 15 Das Wiener Galeriebild gibt die wichtigsten 16 Dieses Werk gilt als der erste gedruckte und italienischen Bildererwerbungen des Erzher- illustrierte Katalog einer Sammlung schlecht- zogs wieder. Der Großteil der hier dargestell- hin. 1660 in Brüssel publiziert, präsentiert das David Teniers d.J. David Teniers d.J. ten Objekte befindet sich noch heute in der Theatrum Pictorium eine Auswahl von itali- (Antwerpen 1610 — 1690 (Antwerpen 1610 — 1690 Brüssel) Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Muse- Brüssel) enischen Gemälden aus der Sammlung Erz- ums, wobei beim Vergleich mit den Origina- herzog Leopold Wilhelms. Mit Künstler- Erzherzog Leo- len auffällt, dass Teniers die Bildgröße will- Theatrum Picto- namen und Maßangaben versehen, geben 243 pold Wilhelm in kürlich vereinheitlicht hat. Elf nur geringfü- rium Radierungen ebenso viele Werke in drei Stan- seiner Galerie in gig variierende Fassungen sind heute noch dardformaten wieder. Das Theatrum enthält Brüssel 1660 Brüssel bekannt. Damit stellt das Galeriebild keine außerdem das Frontispiz mit Widmung an den Bibliothek, Inv.-Nr. historisch enzyklopädische Schilderung der 14523 Erzherzog, die Vorrede Teniers', die Beschrei- um 1650 Sammlung dar, sondern betont die höfisch re- bung und zwei Ansichten der in Wien neu auf- Leinwand, 124 cm x 165 cm präsentative Bedeutung der Sammeltätigkeit gestellten Galerie. Die Publikation wandte Inv.-Nr. 739 des Erzherzogs. Dieser Charakter wird auch sich an ein breites Publikum, wie die auf La- durch die beiden Hunde, die im Vordergrund tein, Französisch, Flämisch und Spanisch ver- an einem Stock zerren, verstärkt. Die Szene fassten Texte erweisen, und diente zugleich ist zwar ein genrehaftes Element, das auf dem als Studienbehelf für Künstler und Kunstlieb- niederländischen Sprichwort »Zwei Hunde haber. Teniers kopierte die Gemälde auf Tä- an einem Bein kommen selten überein« be- felchen (sog. »Pasticci«), die nach der Über- ruht, aber auf die politischen Spannungen zwi- siedlung der Galerie nach Wien als Vorlage schen der spanischen Krone und dem Statt- für die Stecher dienten. halter hinweisen könnte.

// Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal 17 Diese barocke Hängung ist vom Galeriegang Antwerpen gab es damals eine deutliche Nach- der Sammlung Leopold Wilhelms in der Stall- frage nach Gemälden, an denen erkennbar burg inspiriert. Die sehr dichte Präsentation mehrere Künstler gearbeitet hatten. So ist für Barocke Hängung niederländischer Gemälde ermöglicht eine die Scheune mit Geschirr reinigender Magd Vorstellung von einer damals als ideal erach- und Ziegen belegt, dass David Teniers nur die teten Hängung. Dabei kommt es zu ungewohn- Figuren und Cornelis Saftleven den Rest des ten Seh-Erlebnissen: Meisterwerke wie Die Bildes malte. Für Leopold Wilhelm war es ein Beweinung Christi von Peter Paul Rubens im Vergnügen, die Hände scheiden zu können Zentrum dieser Wand werden heute gerne als und darüber zu diskutieren. Solche Kenner Solitäre mit viel Freiraum zelebriert. wurden damals zu Recht ›Liebhaber der Küns- Die Wand enthält nur Werke zeitgenössischer te‹ genannt. Künstler, doch sind alle Themen vertreten: Historie, Genre, Porträt, Stillleben. Zwei Ge- mälde davon sind »biographisch«. Sie zeigen Leopold Wilhelm in verschiedenen Situatio- nen: in der Kathedrale von Antwerpen (rechts, sich vor dem Geistlichen verneigend) sowie beim Schlittschuhlaufen auf dem Stadtgraben in Brüssel (rechts am Rand aus der Kutsche blickend). Solche Werke, von denen Leopold Wilhelm eine Reihe besaß – so auch das Vo- gelschießen in Brüssel –, sollten neben Herr- scherlob meist auch Volksnähe demonstrie- ren und waren wohl Aufträge des Erzherzogs. Die auffällig vielen Blumenbilder waren ein relativ neues Genre. Leopold Wilhelm hatte insgesamt über neunzig davon in seinem 1659 erstellten Gemäldeinventar, das 1397 Gemäl- de listet. Darin wird auch immer ganz genau die Autorschaft der Gemälde angegeben – in

18 Leopold Wilhelm liebte italienische, insbeson- 19 In den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts hielt ders venezianische Malerei des 16. Jahrhun- sich Antonello da Messina in Venedig auf und derts. Wie viele andere Habsburger Sammler malte dort im Auftrag von Pietro Bono eine Tiziano Vecellio, gen. Antonello da Messina schätzte er vor allem Tizian. Dieses berühm- Altartafel für die Kirche San Cassiano. Die Tizian (Pieve di Cadore (um 1430 – 1479 um 1488 – 1576 Venedig) te Spätwerk scheint im Inventar von 1659 auf. Messina) große Tafel mit Maria und Kind flankiert von Wahrscheinlich stammt es aus altem kaiser- acht ganzfigurigen Heiligen wurde aus der Jacopo Strada lichen Besitz. Wir wissen, dass Leopold Wil- Maria mit Kind Kirche entfernt, 1620 zersägt und in einzelnen helm auch solche Werke gern in seine Samm- und den hll. Teilen verkauft, eine Praxis, die bei mehrfigu- 1567/68 lung aufnahm. Nikolaus von rigen Bildern einen profitableren Verkauf er- Leinwand, 126 cm x 95,5 cm x 3 cm Bari, Anastasia möglichte und der steigenden Nachfrage der Inv.-Nr. GG 81 Tizian war berühmt für seine Portraits und wie (?), Ursula, Sammler nach hochwertigen Stücken »effek- meist erzählt er auch hier etwas über den Dar- Dominikus und tiver« nachkam. Der mittlere Teil der Tafel gestellten: Die Venus in Stradas Hand und der (vom Rahmen mit Maria und zwei Seitenteile mit je zwei antike Torso auf dem Tisch verweisen darauf, überschnitten) Heiligen gelangten über die Sammlung Ha- dass er Hofantiquarius verschiedener Kaiser Helena milton in den Besitz Leopold Wilhelms. Die und Fürsten war. Münzen und die Bücher auf damals zugeschriebenen ein- 1475/1476 dem Kasten erinnern an Stradas Bücher über zelnen Tafeln wurden getrennt inventarisiert, Pappelholz, Mitteltafel: antike Numismatik. Goldkette, Pelz und De- 115 x 63 cm, linke Tafel: da man offenbar weder ihre Zusammengehö- gen dokumentieren seinen Stand. Wie in den 55,5 x 35 cm, rechte rigkeit, noch den eigentlichen Schöpfer des meisten seiner späten Bilder trägt Tizian die Tafel: 56,8 x 35,6 cm Werkes erkannte. Inv.-Nr. GG 2574 Farbe mit dicken pastosen Pinselstrichen auf und verzichtet auf klare Umrisslinien.

// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie 20 Dieses Porträt eines Würdenträgers gehört zu 21 Raffaels Komposition der Hl. Margarete war den eindrucksvollsten Menschendarstellun- seit ihrem Bekanntwerden in Venedig beson- gen aus der Hand des bedeutenden Venezia- ders verehrt. 1528 wurde sie in der Sammlung Jacopo Robusti, gen. Raffaello Santi gen. ners. Die Sammler aus dem Hause Habsburg des Advokaten Zuanantonio Venier hymnisch Tintoretto (1519 – 1594 Raffael (Urbino 1483 — Venedig) waren zur Zeit Leopold Wilhelms bereits mehr 1520 Rom) beschrieben. Sein letzter venezianischer Be- als ein Jahrhundert besonders an veneziani- sitzer war der Prokurator Michiel Priuli, der Bildnis eines schen Gemälden interessiert, womit sich der Hl. Margarete das Gemälde offensichtlich besonders schätz- weiSSbärtigen Erzherzog in die Familientradition, beginnend te. Als er es an den Herzog von Hamilton, ei- um 1518 Mannes mit Karl V. und Philipp II., einreiht. Die Wert- nen Vertrauten des englischen Königs Charles Pappelholz, 191,3 cm x schätzung, die Leopold Wilhelm dem Gemäl- 123 cm x 3,5 cm I., verkaufte, sei er vor Gram darüber die Trep- um 1570 de entgegengebracht hat, zeigt sich auch dar- Inv.-Nr. 171 pe hinuntergestürzt und verstorben. Im Zuge Leinwand, 92,4 x 59,5 cm in, dass es u.a. auf dem Wiener Galeriebild des englischen Bürgerkrieges gelangte die Inv.-Nr. GG 25 des David Teniers d.J. unter den Meisterwer- Sammlung Hamilton 1649 nach Holland und ken italienischer Malerei zu erkennen ist. Te- wenige Wochen später in den Besitz Leopold niers war dem Erzherzog beim Erwerb seiner Wilhelms. Mit dieser Erwerbung legte der Erz- umfangreichen Sammlung mit seiner Kenner- herzog den Grundstock für seinen eigenen schaft behilflich. Er setzte seinem Herrn ein Bestand italienischer Bilder des 16. Jhs. Wie dauerhaftes Monument, indem er den Ruhm bedeutend Raffaels Gemälde für Leopold Wil- der Sammlung in dem illustrierten Katalog helm war, zeigt die Tatsache, dass es in meh- Theatrum Pictorium verewigte. In diesem Mu- reren Fassungen der Galeriebilder prominent seum auf Papier findet sich der Weißbärtige im Vordergrund stehend dargestellt ist. Mann auf Tafel 97. Evtl. ist das Gemälde mit einem Inventareintrag der Sammlung Hamil- ton von 1643 identisch: »A blacke man in fur- red gowne of Tintoret«. Leopold Wilhelm er- warb nach der Hinrichtung Hamiltons einige Gemälde aus dieser Sammlung.

// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie 22 23 In diesem kleinen Meisterwerk hat Annibale Giorgiones Hauptwerk befand sich in der Carracci auf engstem Raum und mit wenigen Sammlung Bartolomeo della Naves, die der Figuren ein Inbild von Trauer, Schmerz und Giorgio da Castelfranco, später hingerichtete Herzog von Hamilton Tod geschaffen. Geschult an den Körperdar- gen. Giorgione (Bologna 1560 – 1609 (Castelfranco um 1477 – über Vermittlung seines Schwagers, des eng- Rom) stellungen Raffaels, Michelangelos und der 1510 Venedig) lischen Botschafters in Venedig, angekauft antiken Skulptur erreicht er durch einen ganz hatte. 1649 erwarb Leopold Wilhelm seine be- Pietà eigenen Einsatz der Farbe eine ungeheure Die drei Philoso- deutende Sammlung. Der Erzherzog muss das emotionale Intensität: Maria scheint ihrem um 1603 phen Gemälde sehr geschätzt haben, denn es taucht Sohn fast nachzusterben, so haben sich ihre Kupfer, 41 x 60 cm in vielen seiner Galeriebilder auf. Ein Ver- Lippen und Fingerspitzen bläulich verfärbt 1508/1509 Inv.-Nr. GG 230 Leinwand, 125,5 cm x gleich von Original und Abbildung zeigt, dass und der Farbe des Leichnams Christi angegli- 146,2 cm x 3,5 cm es im 18. Jh. links beschnitten wurde. chen. Das einzig tröstliche Motiv der beiden Inv.-Nr. GG 111 Nur wenige Bilder lassen sich wie dieses Gior- Engelsköpfe steht in stärkstem Kontrast zu gione mit Sicherheit zuschreiben. Hier stellt den rechts auf dem Grab abgelegten Passions- er die Gründungsväter der abendländischen werkzeugen, an denen sich Blutspuren erken- Philosophie dar: Pythagoras mit Winkelmaß nen lassen. und Zirkel sowie dessen Lehrer, Pherekydes von Syros und den greisen Thales. Typisch für Im Galeriebild von Teniers (Saal VIII) wird Giorgione, einen der führenden Maler in Ve- Carraccis Pietà an herausgehobener Stelle im nedig um 1500, waren die poetische Stimmung Vordergrund präsentiert, was als Ausdruck und die warme, alles verbindende Farbharmo- besonderer Wertschätzung wohl auch des nie, die auch Tizian und andere Zeitgenossen Sammlers verstanden werden darf. beeinflusste.

// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie 24 Erzherzog Leopold Wilhelm kaufte in Ant- 25 Seit Ferdinand II. verblieb der Kunstbesitz des werpen auch einzelne Bilder von anderen Hauses Habsburg im Besitz des jeweils Erst- Sammlern oder Kunsthändlern. So erwarb er geborenen. Da Leopold Wilhelm seinen Nef- Jan van Eyck (Maaseyck Pieter Bruegel d.Ä. Jan van Eycks berühmtes Portrait 1648 zusam- fen, Kaiser Leopold I., als Erben einsetzte, bei Maastricht um 1390 (Breda ? um 1525/30 – – 1441 Brügge) men mit einem Vanitas Stillleben von Pieter 1569 Brüssel) wurde seine Sammlung wohl schon als kaiser- Aertsen (Christus bei Maria und Martha, Kab. lich betrachtet, und er konnte sich in Wien Kardinal Niccolò 16) aus der Sammlung des Antwerpener Kunst- Jäger im Schnee eine Reihe von Gemälden Pieter Bruegels d.Ä. Albergati händlers Peter Stevens. Es zeigt wahrschein- (Winter) aneignen, die bereits von seinen Vorfahren, (1375 – 1443) lich Kardinal Albergati, der 1431 im Auftrag Erzherzog Ernst bzw. Kaiser Rudolf II., erwor- 1565 datiert des Papstes versuchte, durch Friedensverhand- ben waren, darunter die heute berühmte Se- um 1435 Eichenholz, 117 x 162 cm lungen den Hundertjährigen Krieg zu been- rie der Jahreszeiten, von denen Jäger im Schnee Eichenholz, 34 cm x Inv.-Nr. GG 1838 29,5 cm den. das bekannteste Bild ist. Bruegels Jahreszei- Inv.-Nr. GG 975 tenbilder wurden in der Stallburg unterhalb Jan van Eyck war Hofmaler des Herzogs von der Fenster gezeigt, sodass die gemalte Land- Burgund und galt lange als Erfinder der Öl- schaft mit dem darüberliegenden realen Land- malerei. Das neue Medium erlaubte es ihm, schaftsausblick in Wettstreit stehen konnte. Oberflächenreize wie die welke Haut, die Lichtreflexe in den Augen oder den Pelzbe- Das einzige Gemälde Pieters, das Leopold satz zu malen. Jan van Eyck gibt alle Details Wilhelm selber erstand und das heute noch genau wieder, ohne sich in ihnen zu verlie- als Bruegel gilt, ist der Vogeldieb in diesem ren. Trotz des kleinen Formats überzeugt das Saal. Allerdings hielt man diesen für ein Werk Portrait durch seine innere Monumentalität, des ›jungen Breugel‹. die zugleich den Charakter des Dargestellten reflektiert.

// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie 26 Der Erzherzog war auch an zeitgenössischer 27 Sandrart berichtet in seiner 1675 erschienenen flämischer Kunst sehr interessiert. Nur weni- Teutschen Academie von dem exorbitanten ge Jahre vor seinem Amtsantritt als Statthal- Preis von 2000 Gulden, den Leopold Wilhelm Anthonis van Dyck Frans van Mieris d.Ä. ter der Spanischen Niederlande 1647 war der für den Kavalier im Kaufladen zahlte und be- (Antwerpen 1599 – 1641 (1635 – 1681 Leiden) London) aus Antwerpen stammende Anthonis van findet dies noch für »viel zu wenig / gegen Dyck in London gestorben (1641). Von ihm Kavalier im solcher schönen Arbeit«. Der Erwerb des 1660 Gefangennahme besaß Leopold Wilhelm zehn Gemälde, Verkaufsladen datierten Bildes des damals erst 25-jährigen Simsons darunter Thetis empfängt von Hephaistos die Frans van Mieris zeigt, dass Leopold Wilhelm, Waffen für Achill und Kopfstudie einer em- 1660 datiert auch nachdem er 1656 die Statthalterschaft 1628/1630 Eichenholz, porblickenden Frau (ebenfalls in Saal XI). der Spanischen Niederlande niedergelegt hat- Leinwand, 146 x 254 cm 54,5 x 42,7 cm Inv.-Nr. GG 512 Die Gefangennahme Simsons wurde laut Gio- Inv.-Nr. GG 586 te und nach Wien übersiedelt war, noch bes- vanni Bellori dem Erzherzog Leopold Wil- tens über das ganz aktuelle Kunstgeschehen helm von ›Signor Van Wonsel‹ geschenkt. auch in den protestantischen Nördlichen Nie- Damit sind wohl zwei Antwerpener Tuch- derlanden informiert war. Frans van Mieris händler gemeint, Marc und Joos van Woon- ist neben seinem Lehrer Gerrit Dou (dem ers- sel, die van Dyck auch Aufträge vermittelt hat- ten Schüler Rembrandts!) der Hauptvertreter ten. Bellori berichtet vom Erzherzog zudem, der sog. Leidener Feinmalerei, die eine gera- er habe alle seine Zeitgenossen im Studium dezu obsessive Fokussierung auf die Wieder- der Antiken, Medaillen und Gemälde über­ gabe der stofflichen Qualitäten der im Bild troffen, wie seine Galerie im Theatrum picto- gezeigten Materialien kennzeichnet. rium (in der Sonderausstellung) zeigt.

// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie 28 Von Jacob Jordaens, dem wichtigsten flämi- 29 Erzherzog Leopold Wilhelm traf mit Joachim schen Barockmaler nach Rubens und Van von Sandrart erstmals 1646 zusammen, als er Dyck, besaß Erzherzog Leopold Wilhelm nur den Maler auf dessen Gut Stockau im heuti- Jacob Jordaens Joachim von Sandrart ein Gemälde, obwohl Jordaens noch lebte, als gen Oberbayern besuchte. Ein dem Künstler (Antwerpen 1593 – 1678 (Frankfurt am Main Antwerpen) Leopold Wilhelm Statthalter der Spanischen 1606 – 1688 Nürnberg) nahestehender Biograph schildert, dass der Niederlande war. Dieses eine Gemälde kann Erzherzog Werke Sandrarts in den Sammlun- Fest des jedoch als eine Art Quintessenz von Jordaens' Minerva und Sa­ gen der Wittelsbacher gesehen habe und neu- Bohnenkönigs Errungenschaften gelten: das Fest des Boh- turn beschützen gierig auf ihn geworden sei. Gemeinsam sei nenkönigs. Das mittlerweile zu einer Ikone Kunst und man zum Pfalzgrafen nach Neuburg gereist, um 1640/1645 barocker Lebensfreude gewordene Gemälde Wissenschaft vor um die sich die dort befindlichen Werke des Leinwand, 242 x 300 cm Inv.-Nr. GG 786 lässt sich auch direkt auf den Erzherzog be- Neid und Lüge Rubens anzusehen. Aufgrund der Bekannt- ziehen, da dieser seinen Geburtstag (5.1.1614) schaft von Leopold Wilhelm und Sandrart 1644 datiert gerne mit dem Dreikönigsfest feierte (6.1.), entstanden mehrere Auftragswerke, so auch Leinwand, 146 x 202 cm welches in den Niederlanden mit diesem Inv.-Nr. GG 1136 diese Allegorie. Wahrscheinlich hat der Erz- Brauch verbunden war: Im Rahmen eines herzog auch das Thema vorgegeben, denn es feucht-fröhlichen Gelages wird der Bohnen- stellt eine Verherrlichung seines Mäzenaten- könig mittels Los oder einer Bohne erkoren. tums dar. Die römische Göttin Minerva fun- Jordaens schuf mehrere Bilder dieses Themas; giert als Beschützerin der Künste, die putten- das Wiener Bild ist der besonders gelungene haft klein vor den Allegorien des Neids und Versuch, einen alten Brauch in großem For- der Lüge flüchten. Saturn bzw. Chronos, mit mat opulent zu erzählen. Schild und Sense, ist der Gott der Zeit, der mit seiner Tat die Künste der Vergänglichkeit enthebt. Außerdem kann man in diesem Gott auch die Hoffnung erfüllt sehen, dass die Zeit die Lügen und den Neid entlarven.

// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie 30 Mit dem Hl. Hieronymus hat Leopold Wil- 31 Rubens schuf die beeindruckende, mytholo- helm ein ganz aktuelles Werk eines protestan- gisch verbrämte Gewitterlandschaft in den tischen Künstlers erworben, vielleicht sogar 20er Jahren des 17. Jahrhunderts und zwar zu Christoph Paudiß Peter Paul Rubens direkt von diesem selbst, denn der aus Nie- seinem Privatvergnügen: Sie wurde nie ver- (Niedersachsen um 1625 (Siegen 1577 – 1640 – 1666 Freising) dersachsen oder Hamburg stammende Chris- Antwerpen) kauft und ist im Nachlass des Künstlers 1640 toph Paudiß war 1660 von Dresden nach Wien dokumentiert. König Charles I. bemühte sich, Hl. Hieronymus gekommen, ausgestattet mit einem an den Erz- Gewitterland- diese Landschaft zu kaufen, war aber wegen herzog gerichteten Empfehlungsschreiben des schaft mit des englischen Bürgerkriegs daran gehindert. 1656/1658 sächsischen Kurfürsten Johann Georg II. Jupiter, Merkur, Als Statthalter der Spanischen Niederlande Leinwand, 136 x 124 cm Inv.-Nr.-GG 395 Philemon und gelang es Erzherzog Leopold Wilhelm, sie zu- Rembrandt, in dessen Werkstatt Paudiß in den Baucis sammen mit weiteren drei Gemälden aus dem 1640er Jahren tätig war, hat den hl. Hierony- Nachlass zu erwerben (z.B. Das Mädchen mit um 1620/1625 mus in Radierungen nicht weniger als sieben- Fächer oder Isabella d'Este in diesem Saal); Eichenholz, mal dargestellt: Der Kirchenvater, der die he- 146 x 208,5 cm insgesamt besaß er elf Werke des Künstlers. bräischen und griechischen Heiligen Schrif- Inv.-Nr.-GG 690 Bevor der umfangreiche Rubens-Nachlass zur ten neu ordnete und ins Lateinische übertrug, Versteigerung gelangte, war für den spani- war für protestantische Künstler und Auftrag- schen König ein Privatverkauf organisiert geber genauso wichtig wie für den katholi- worden, an dem die österreichischen Habs- schen Erzherzog. Neben Meditation und Buße burger jedoch nicht teilgenommen hatten. ist die Beschäftigung mit der Schrift ein wich- tiges Thema dieses Bildes, das zu einem spä- teren Zeitpunkt am unteren Rand beträcht- lich beschnitten wurde.

// In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie 32 Das Haupt der Medusa erwarb Leopold Wil- 33 Schon vor seiner Zeit als Statthalter der Spa- helm nicht für seine eigene Sammlung, son- nischen Niederlande erwarb der Erzherzog in dern für seinen kaiserlichen Bruder, Ferdi- Wien neben anderen Objekten auch diese El- Peter Paul Rubens Meister der Wiener nand III. Es diente der seit den schwedischen fenbeinplatte. Als Sohn, Bruder und Onkel (Siegen 1577 – 1640 Gregorplatte Antwerpen) Plünderungen sehr reduzierten Ausstattung von Kaisern empfand Leopold Wilhelm Wert- der Prager Residenz und wurde von dort erst Heiliger Gregor schätzung für Erinnerungsstücke aus der Zeit Haupt 1880 nach Wien geholt. Ursprünglich stamm- mit Schreibern Kaiser Karls des Großen. Als ein solches Re- der Medusa te das außergewöhnliche Bild aus der Samm- likt galt die kleine Elfenbeintafel, ein ehema- lung des ersten Herzogs von Buckingham, Lothringen (?), spätes liger Einband eines Sakramentars, mit der 1617/1618 10. Jahrhundert George Villiers, der in direktem Kontakt zu Darstellung des heiligen Papstes Gregor I., Leinwand, 68,5 x 118 cm Elfenbein, H. 20,5 cm, Inv.-Nr. GG 3834 Rubens gestanden und über 30 Gemälde von B. 12,5 cm des Großen. Den Habsburgern verlieh ein ihm besessen hatte. 1628 wurde dieser einfluss- Inv.-Nr. KK 8399 solches Besitztum als Nachfolger des ersten reichste Günstling des englischen Hofes er- nachantiken Kaisers des Westens zusätzliche mordet, aber es gelang seinem Sohn, während Legitimation in der Erhaltung der Kaiserwür- des Bürgerkrieges große Teile der väterlichen de für ihre Familie. Der religiös-konfessionel- Sammlung nach Antwerpen zu bringen, wo le Inhalt dürfte auch dem kirchlichen Rang Jan van den Hoecke als Agent Leopold Wil- des mehrfachen Bischofs Leopold Wilhelm helms das Haupt der Medusa zusammen mit entgegengekommen sein, hielt er doch mit der zentralen Beständen der Sammlung Bucking- Elfenbein-Platte ein bedeutendes Zeugnis vor- ham für die Habsburger sichern konnte. reformatorischer Zeit in Händen. Der schrei- bende Papst erhält Inspiration durch die Taube des Heiligen Geistes, wodurch die als gottgewollt angesehene Gültigkeit katholi- scher Liturgie im Zeitalter der Gegenreforma- tion untermauert wird.

// In der Gemäldegalerie // In der Kunstkammer 34 In dieser Büste der griechischen Muse des 35 Die beiden flachen hölzernen Dosen mit den ernsten Gesanges verdichtet sich das Vorbild Porträts des sächsischen Kurfürsten Friedrich Antike in besonders intensiver Weise: in der des Weisen (1463–1525) und dessen Konkubi- Pier Maria della Meister der Dosenköpfe Wahl des Themas, der Art der Darstellung, ne Anna sind im Inventar der Kunstkammer Pescia Serbaldi, gen. die ganz der Antike nachempfunden ist, und Leopold Wilhelms von 1659 als Werke Alb- Tagliacarne Zwei Dosenböden (Pescia um 1445 – nach der Wahl des Materials. Porphyr galt schon recht Dürers beschrieben. Der Dosenboden mit Porträts und 1525 Rom) in der Antike als besonderer Stein, der wegen mit dem Porträt Annas trägt auf der Rücksei- dazugehörige seiner Purpurfarbe den Kaisern vorbehalten te eine Inschrift mit dem berühmten ligierten Polyhymnia Dosendeckel mit war; seine Härte erforderte eine besondere Dürermonogramm. Eine Nähe zu Albrecht mythologischen Meisterschaft der Bearbeitung. Pietro Maria Dürer ist zweifellos vorhanden, da dem Por- Rom, um 1500 Darstellungen Porphyr, H. 41 cm della Pescia Serbaldi galt in seiner Zeit als trät des Kurfürsten ein bekannter Kupferstich Inv.-Nr. KK 3529 »großartiger Nachahmer der Antike«, der zeit- Nürnberg (?), 1525 Dürers als Vorlage diente. Heute geht die genössischen Anekdoten zufolge sogar eige- Nussholz, Birnholz, Kunstwissenschaft davon aus, dass Albrecht D. 22 cm ne Werke in Rom vergraben ließ, die später Dürer selbst nicht bildhauerisch gearbeitet Inv.-Nrn.-KK 3878, KK als antik gehandelt wurden. Nicht nur die 3879, KK 3893, KK 3894 hat, doch im 17. Jahrhundert war man davon überzeugende Antikennähe der Büste, son- überzeugt. Die Bewunderung der Kunst Dü- dern vielleicht auch der dringende Wunsch, rers ließ Nachahmungen in verschiedenen Me- antike Originale in der Sammlung zu besit- dien entstehen. In einer fürstlichen Sammlung zen, führte zu dem Vermerk im Inventar Leo- durften Werke des großen Renaissancekünst- pold Wilhelms von 1659: »Ein klein Brustpildt lers nicht fehlen, und so war man von ihrer von rothen Profil einer Frawen ... antic«. Echtheit gerne überzeugt.

// In der Kunstkammer // In der Kunstkammer 36 Fast alle Bronzen Anticos der Kunstkammer 37 Leonhard Kern rezipierte in seinen Arbeiten Wien lassen sich im Inventar der Kunstkam- einerseits Eindrücke seines Italienaufenthal- mer Leopold Wilhelms von 1659 nachweisen. tes, andererseits deutsche Kunst des frühen Pier Jacopo Alari de Leonhard Kern Wie eine mitgegossene Inschrift auf der Un- 16. Jahrhunderts. Diese Figur verrät sowohl Bonacolsi, gen. Antico (Forchtenberg 1588 – (Mantua, um 1460 – 1528 terseite des Sockels von Herkules und Antäus 1662 Schwäbisch Hall) die Kenntnis des Torso vom Belvedere in den Gazzuolo) belegt (Abbildung s. auf dem Tablet-Compu- Vatikanischen Sammlungen sowie der Werke ter im Saal 33, Kunstkammer), schuf Antico Christus in der Michelangelos als auch von Albrecht Dürers Herkules und die Statuette für Isabella d'Este, die kunstsin- Ruhe Holzschnitt des Sitzenden Schmerzensmannes, Antäus nige Markgräfin von Mantua (1474–1539) und dem Titelblatt der Kleinen Passion. Schwäbisch Hall, um bedeutendste Sammlerin der Renaissance in In der Kunstkammer Leopold Wilhelms be- Mantua, um 1519 1625/35 Bronze, H. 43, 2 cm Italien. Da antike Kunstwerke im Original Alabaster, H. 25 cm fanden sich einige Skulpturen, die der Inv.-Nr. KK 5767 kaum zu bekommen waren, sammelte sie An- Inv.-Nr. KK 4429 »Dürerrenaissance« des 17. Jahrhunderts an- ticos perfekte Nachahmungen antiker Skulp- gehören – Werke, die in retrospektiver Weise turen. 1627 verkaufte der überschuldete Man- zweidimensionale Kompositionen Dürers (vor tuaner Herzog Vincenzo II. Gonzaga Teile allem Druckgraphiken) ins dreidimensionale seiner Sammlung an den englischen König Medium der Skulptur übertrugen, also nachah- Charles I. Als dieser im Zuge des englischen mend gewissermaßen neu erschufen. Der Erz­ Bürgerkriegs hingerichtet und sein Kunstbe- herzog, der an Renaissancekunst sehr inter- sitz vom Commonwealth 1650 versteigert wur- essiert war, scheint auf diese Weise seinen Be- de, muss es Leopold Wilhelm gelungen sein, darf an der Kunst Dürers, die im Original die Anticos zu erwerben. kaum bis gar nicht verfügbar war, befriedigt zu haben.

// In der Kunstkammer // In der Kunstkammer 38 Dieses großformatige Stillleben des wenig be- 39 Die von seinem Kammermaler farblich bril- kannten Malers ist vermutlich ein Auftrags- lant ausgeführte kleinformatige Komposition werk des Erzherzogs. Der Betrachter wird stellt eine inhaltsreiche Allegorie auf Erzher- Gottfried Libalt (um Zugeschrieben an: Jan schon von weitem vom dekorativen Muster zog Leopold Wilhelm dar. Das Porträtmedail- 1610 — 1673 Wien) van den Hoecke (1611 — des über einen Tisch drapierten orientalischen 1650 Antwerpen) lon zeigt ihn als Feldherrn und Geistlichen. StilLleben mit Teppichs in den Bann gezogen. Auffallend ist Die linke Genie präsentiert ein goldenes Me- Büste Erzherzog die Büste, die den Erzherzog darstellt. Libalt Allegorie auf daillon mit seiner Devise »Timore Domini« Leopold Wil- beruft sich auf eine Marmorbüste des Bildhau- Erz­herzog (»In Furcht vor dem Herrn«), auf die auch die helms ers Jérôme II. Duquesnoy (KK 8932; das Ori- Leopold Wilhelm Fama mit der Posaune hinweist. Minerva, de- ginal steht neben dem Gemälde in der Kunst- (1614 — 1662) ren Schwertspitze fehlt, drückt die Sehnsucht 1660 datiert kammer, Saal 23; die Kopie in Bronze ist in nach Frieden aus. Aber selbst in Zeiten des Leinwand, um 1650 der Sonderausstellung zu sehen). Im plasti- Krieges kann Apoll, der Gott der schönen 253 x 119 x 4 cm Leinwand, 50,8 cm x Inv.-Nr. 7795 schen Vorbild dominiert auf Grund des in die 70,5 cm x 2,5 cm Künste, seine unermessliche Pracht entfalten, Unendlichkeit gerichteten Blickes der reprä- Inv.-Nr. 9682 wie das Füllhorn in seinen Händen verrät. Ge- sentative zeitlose Charakter, den Libalt jedoch genüber repräsentieren Hercules mit dem Lö- im Gemälde mittels eines nachdenklich direkt wen und Prudentia, die Göttin der Klugheit, auf den Betrachter schauenden Erzherzogs weitere Tugenden des Erzherzogs. Dazu ge- verlebendigt. Das realistische, auf haptische hört auch die Ehelosigkeit, symbolisiert durch Eindrücke ausgerichtete Stillleben wird zum das Einhorn und den Eros, dessen Augen ver- dekorativen Prunkstillleben mit politisch-al- bunden sind. legorischer Aussage.

// In der Kunstkammer // In der Kunstkammer Führungen

MI 18.6., 16.00 Uhr „ein galeria nach meinem humor“ Gerlinde Gruber FR 20.6., 10.15 Uhr Die Galerie Erzherzog Leopold Wilhelms Rotraut Krall FR 27.6., 10.15 Uhr Amator artis pictoriae – what else? Konrad Schlegel Mi 3.9., 16 Uhr Erzherzog Leopold Wilhelm – im Dialog zwischen der Kunsthistorikerin Rotraut Krall und der Historikerin Renate Schreiber Fr 5.9., 10.15 Uhr Das »Theatrum Pictorium« und die Zelebrierung der Italienischen Kunst Francesca del Torre Scheuch Mi 10.9., 16 Uhr »Inuito alla guerra« – Leopold Wilhelm als Feldherr Stefan Krause Mi 24.9., 16 Uhr Das Galeriebild: ein Gemälde zum Ruhm des Sammlers Gerlinde Gruber MI 17.9., 16 Uhr Amator artis pictoriae – what else? Konrad Schlegel

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