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WIR WERDEN WIEDER WER, WESTZONEN UND BUNDESREPUBLIK, 1945–1960 Besatzungsherrschaft und nachkriegsnot IV. WIR WERDEN WIEDER WER WESTZONEN UND BUNDESREPUBLIK 1945–1960

Besatzungsherrschaft und Nachkriegsnot

Bei Kriegsende herrschte in Deutschland ein auch die individuellen Lebenshoffnungen und schier unbeschreibliches Chaos. Die Zentren die kollektive Moral der Deutschen. der Großstädte waren Trümmerwüsten. Die Über die Organisation ihrer Besatzungsherr- Menschen hausten in Kellern und Notunter- schaft hatten sich die Alliierten bereits 1943 auf künften, der Verkehr stand still. Die Lebens- der Konferenz von Teheran und im Frühjahr Vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 tag- sches Verhandlungsziel war die Sicherheit vor Winston churchill, harry truman und Josef stalin mittel wurden knapp. Die Ordnungsmächte 1945 auf der Konferenz von Jalta geeinigt. Am te in Potsdam eine letzte Gipfelkonferenz der Deutschland, das zweite Ziel lautete: Repara- (v. l. n. r.) auf der Potsda- von gestern, Partei, Staat und Wehrmacht, 5. Juni 1945 gaben die Oberbefehlshaber der »Großen Drei«. Delegationsleiter waren der tionen von Deutschland. Mit der Übergabe mer konferenz 1945 waren von der Bildfläche verschwunden. Für vier Siegermächte in mit drei Proklama- neue amerikanische Präsident Truman (1945– der deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße- Millionen von KZ-Häftlingen, Zwangsver- tionen den Beginn der Besatzungsherrschaft 1953), der sowjetische Generalissimus J. W. Linie an die prosowjetisch ausgerichtete polni- schleppten und ausländischen Kriegsgefan- über Deutschland förmlich und völkerrechtlich Stalin (Parteichef von Ende der Zwanziger- sche Regierung und der Ausweisung der dor- genen hatte mit dem Kriegsende die Stunde verbindlich bekannt: Sie erklärten die Über- jahre bis 1953) und der britische Premiermi- tigen deutschen Bevölkerung hatte die Sowje- der Befreiung geschlagen. Für Millionen deut- nahme der obersten Regierungsgewalt durch nister Churchill (1940–1945, 1951–1955), der tunion schon vor Konferenzbeginn vollendete scher Soldaten begann der Abmarsch in die die vier Mächte, teilten Deutschland sowie das während der Konferenz die Unterhauswahlen Tatsachen geschaffen. Kriegsgefangenschaft. Zur Charakterisierung gemeinsam besetzte Sondergebiet Groß-Berlin verlor und durch Labour-Führer Attlee (1945– Früheren Überlegungen über eine Zerstü- des Zustands der deutschen Nation 1945 in vier Basatzungszonen ein und kündigten die 1951) ersetzt wurde. ckelung Deutschlands hatte Stalin in seiner wurde bald das euphemistische Wort »Zusam- Einsetzung eines Alliierten Kontrollrats für ganz Die Sowjetunion hatte den Verlust von weit Siegesansprache am 9. Mai 1945 eine Absage menbruch« geprägt. Zusammengebrochen Deutschland und einer Kommandantur für über 20 Millionen Toten zu beklagen, ganze erteilt. Auch die Westmächte waren von der- war nicht nur die äußere Welt, sondern waren Groß-Berlin an. Landstriche waren verwüstet. Erstes sowjeti- artigen Plänen abgerückt. → Forts. S. 108

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Y Besatzungszonen und neue Länder

Zum Teil unter Beibehaltung alter Grenzen formen Nach der Auflösung Preußens im Februar 1947 er- Baden. Am 1. Januar 1947 schließen sich die US- bildet und erhält den Namen Niedersachsen. Ham- die Besatzungsmächte ab 1945 Länder, deren Ver- halten die ehemals preußischen Provinzen ebenfalls amerikanische und die britische Besatzungszone burg bleibt ein eigenständiger Stadtstaat. In der waltungen mit Deutschen besetzt werden. Berlin Länderstatus. 1946/47 bekommen die Länder eigene zur sog. Bizone zusammen. Zeitgleich entsteht im französischen Zone werden die Länder (Süd-)Baden, steht unter Viermächteverantwortung und ist ab Verfassungen. Hierauf beziehen sich die Gründungs- amerikanischen Bereich der Bizone das Land Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern 1948 geteilt. daten in der Karte für den Bereich der SBZ. 1952 wer- mit Bremerhaven. In der britischen Zone löst die gegründet. Württemberg-Baden, (Süd-)Baden und In der Sowjetzone werden im Juli 1945 die Län- den sie aufgelöst und in Bezirke aufgeteilt. Militärregierung am 23. August 1946 die früheren Württemberg-Hohenzollern vereinigen sich 1952 zu der -Vorpommern (ab 1947 nur noch In der US-Zone entstehen 1945 die Länder Bayern preußischen Provinzen auf und gründet die Länder Baden-Württemberg. Das hat einen Son- Mecklenburg), Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie (weitgehend in den alten Grenzen), Groß-Hessen Nordrhein-Westfalen, Hannover und Schleswig-Hol- derstatus, es wird erst 1957 nach einer Volksabstim- die Provinzen Thüringen und gebildet. (u. a. mit am Main) sowie Württemberg- stein. Hannover wird am 1. November 1946 umge- mung deutsches Bundesland.

Besatzungszonen 1945/46 Besatzungszonen und Länder ab 1947

unter Königsberg sowjetischer Königsberg Verwaltung ab August 1947 Flensburg Kaliningrad Helgoland Kiel Danzig Danzig Helgoland Kiel unter polnischer SCHLESWIG- Lübeck Rostock Verwaltung HOLSTEIN 23.8.1946 MECKLENBURG

Hamburg u 15.1.1947 Schwerin n

Bremer- t Bremerhaven Schwerin

E e

haven lbe r 1.1.1947

Stettin

BREMEN Bremen p

Oldenburg W (USA/Großbritannien o

e NIEDERSACHSEN Bizonenamt) s

O l Vier-Sektoren- O e d e n 1.11.1946 de r r Stadt r BERLIN i Hannover s BERLIN c Hannover Karlshorst Braunschweig Potsdam h Bielefeld Bad e Münster Potsdam Oeynhausen Viersektoren- r (Verkehr) (Wirtschaft) BRANDENBURG stadt r SACHSEN- Magdeburg e Elb V N ORDRHEIN- s e 24.7.1947 e ANHALT Duisburg Essen Bielefeld e O Torgau O W r d WESTFALEN 21.7.1947 der N w e N Dortmund Halle r Düsseldorf 23.8.1946 e a Krefeld e i Halle i

ß l 1.9.1948: Düsseldorf t ße Kassel e u Breslau Parlamentarischer Rat Aachen Köln Leipzig Dresden n HESSEN Erfurt Dresden Erfurt g konstituiert BONN 16.10.1945 SACHSEN Bonn R R THÜRINGEN h he (Finanzen, Post- und 28.2.1947 e Chemnitz Oppeln in 20.12.1946 in Fernmeldewesen) Gleiwitz Wiesbaden RHEINLAND- Frankfurt a. M. Frankfurt PFALZ Main Mainz Main Bayreuth 18.5.1947 SAAR- Ludwigshafen LAND WÜRTTEMBERG- SAARLAND BADEN Mannheim Nürnberg US-amerikanische Besatzungszone frz. Zoll- und 19.9.1945 Karlsruhe Wirtschaftsgebiet, vereinigt zu Baden-Württemberg BAYERN Bizone britische Besatzungszone 1952 19.9.1945 Bundesland 1957 französische Besatzungszone französische Besatzungszone Stuttgart Do nau Kehl sowjetische Besatzungszone Baden-Baden (Ernährung und sowjetische Besatzungszone Baden- Landwirtschaft) Baden au Sitz von Oberbefehlshabern WÜRTTEMBERG- unter polnischer bzw. on HOHENZOLLERN D der Besatzungsmächte sowjetischer Verwaltung Augsburg BADEN 18.5.1947 München vereinigt zu Baden- n 18.5.1947 München n Württemberg 1952 I Standort von Bizonenämtern vereinigt zu Inn Baden-Württemberg 1952 Sitz von Oberbefehlshabern der Besatzungszonen

Kontrollgebiet der Internationalen Ruhrbehörde (1948–1952)

Mainz Landeshauptstadt

19.9.1945 Gründungsdatum eines Landes

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Ihre Verhandlungslinie lautete: Erhaltung der ihre Zone auszuschlachten. Die Sowjetunion meinsame Politik gegenüber Deutschland an, – nach dem Kriterium der Relevanz für den deutschen Wirtschaftseinheit, Aufstellung ei- erhält zusätzlich aus den Westzonen 40 Prozent das »4-D-Programm«: Demilitarisierung, De- Rüstungsbereich – zu verbietende, zu beschrän- nes gemeinsamen Import-Export-Programms der demontierbaren Fabrikanlagen, von denen nazifizierung, Dezentralisierung und Deindus- kende und erlaubte Industrien. Der »Industrie- für Deutschland, möglichst geringe Gebietsab- die Ostzone 15 Prozent mit Warenlieferungen trialisierung. Deutschland sollte weiterhin eine plan« strebte an, die deutsche Wirtschaft bis tretungen im Osten und keine festen Reparati- vergüten muss. Die Übertragung der Ostgebie- Wirtschaftseinheit bilden. Unter der Oberlei- 1949 wieder aus eigener Kraft funktionsfähig onszusagen an die Sowjetunion. te an Polen und der Stadt Königsberg mit dem tung des Kontrollrats sollten deutsche Zentral- zu machen. Man erkannte, dass Deutschland Bei fast allen Themen prallten die Gegensät- nördlichen Ostpreußen an die Sowjetunion verwaltungen entstehen, aus denen später deut- langfristig nur auf diese Weise geholfen werden ze zwischen den Westmächten und der Sow- wurden zwar unter den Vorbehalt der Bestäti- sche Ministerien hätten hervorgehen können. konnte. Der amerikanische stellvertretende jetunion hart aufeinander. Schließlich brachte gung in einem Friedensvertrag gestellt. Durch Für die Ausarbeitung von Friedensverträgen Militärgouverneur General Lucius D. Clay ver- US-Außenminister James F. Byrnes erfolgreich den weiteren Beschluss über die Aussiedlung mit den bisherigen Feindstaaten und die weite- fügte bereits am 3. Mai 1946 die Einstellung einen Doppelvorschlag ein: Die Westmächte der deutschen Bevölkerung erhielt diese Rege- re Behandlung der deutschen Frage wurde ein aller Reparationslieferungen aus der amerikani- nehmen die Abtrennung der Ostgebiete hin, lung praktisch aber Dauerhaftigkeit. Rat der Außenminister der Großmächte einge- schen Zone. und Deutschland wird in zwei Reparationshälf- Ohne große Debatten nahm die Konferenz setzt. Die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz Zur Aburteilung der Hauptkriegsverbrechen ten aufgespalten mit dem Recht jeder Macht, einen amerikanischen Vorschlag über die ge- wurden im sogenannten Potsdamer Abkom- schlossen die vier Mächte im August 1945 in men zusammengefasst. London ein Abkommen über die Errichtung Durch das Potsdamer Abkommen sollte der eines Internationalen Militärgerichtshofes mit Lebensstandard in Deutschland auf ein euro- Sitz in Nürnberg. Am 20. November 1945 päisches Durchschnittsniveau gesenkt werden. wurde die Anklageschrift gegen 24 führende Es war daran gedacht, das Hauptgewicht der Repräsentanten des NS-Staates verlesen. Das deutschen Wirtschaft zukünftig auf die Ent- Gericht verurteilte am 30. September 1946 wicklung der Landwirtschaft und der Friedens- zwölf Angeklagte zum Tode, sieben erhielten industrie für den inneren Bedarf zu legen. Im langjährige Freiheitsstrafen, drei wurden frei- Grunde verfolgte das Potsdamer Abkommen gesprochen. Außer dem Hauptprozess wurden eine abgeschwächte Variante des »Morgenthau- vor amerikanischen Militärgerichtshöfen noch Plans« von 1944, nämlich die Vernichtung der zwölf Folgeprozesse gegen Ministerialbeamte, deutschen Schwer- und Exportindustrie, soweit Offiziere, Ärzte, SS-Vernichtungskommandos sie nicht für Reparationszwecke demontierbar und Wirtschaftsführer durchgeführt. war. Bei näherer Untersuchung der Kriegsschä- Parallel lief eine Aktion zur politischen Säu- den zeigte sich, dass die deutsche Industrie in berung des deutschen Volkes an, die »Entnazi- ihrer Gesamtstruktur durch die Bombardie- fizierung«. Alle nicht nur nominellen Mitglie- rung nur unwesentlich beschädigt worden war. der der nationalsozialistischen Partei sollten Für die Bestimmung der zur Zerstörung oder aus den öffentlichen Ämtern und den verant- Demontage vorzusehenden Industrieanlagen wortlichen Posten in wichtigen Privatunter-

dieses entlastungszeugnis ermöglicht dem dokumentarilmer Leo de Laforgue (1902–1980) einen neubeginn war es erforderlich, zunächst einen Plan für nehmen entfernt werden. Jeder über 18 Jahre in deutschland nach dem krieg. Laforgue war u. a. kameramann von Leni riefenstahl gewesen, die verschiedene das deutsche Industrieniveau festzulegen. Ein alte Deutsche musste einen langen Fragebo- Propagandailme für die nazis gedreht hatte. riefenstahl wurde in vier spruchkammerverfahren als »Mitläufer« eingestuft. 1946 aufgestellter »Industrieplan« unterschied gen ausfüllen. Die Auswertung der Fragebo-

108 109 WIR WERDEN WIEDER WER, WESTZONEN UND BUNDESREPUBLIK, 1945–1960 kriegsgefangene, fLüchtLinge und VertrieBene

gen bildete die Grundlage für ein gerichts- Ziegelsteinen klopfte, wurde zum Symbol des ähnliches Verfahren vor »Spruchkammern«. Wiederaufbauwillens. Die Massenhaftigkeit dieser Verfahren führte Die Unterversorgung mit Nahrungsmitteln vielfach zur Solidarisierung, man half sich ge- nahm schon 1945 katastrophale Ausmaße an. genseitig durch falsche Entlastungszeugnisse Dramatisch spitzte sich die Lage im »Kälte- (»Persilscheine«). Mit dem Entnazifizierungs- winter« 1946/47 zu, da es auch kein Brenn- schlussgesetzt vom 11. Mai 1951 wurden die material gab. Die kärglichen Lebensmittelzu- Verfahren offziell beendet, nachdem schon teilungen suchte man durch »Hamsterfahr- seite 1948 das Interesse an der Verfahrens- ten« aufs Land aufzubessern. Geld war nahezu durchführung nachgelassen hatte . bedeutungslos geworden. Auf dem Schwarz- Zur Versorgung der deutschen Bevölkerung markt der Nachkriegszeit war fast alles zu ha- griffen die Alliierten zunächst wieder auf eine ben, und als Tauschobjekt wurde alles akzep- Zwangsbewirtschaftung mit Lebensmittelkar- tiert – am wenigstens aber die . ten und Bezugsscheinen zurück. Amerika und Hilfe von außen haben die Deutschen von Großbritannien sahen sich zusätzlich zu Nah- Privatleuten und karitativen Organisationen rungsmittelimporten in ihre übervölkerten Zo- der Schweiz, Schwedens, des Vatikans und nen gezwungen. Zur Räumung der Schuttmas- vor allem der USA in großherziger Weise er- sen und zur Instandsetzung der Verkehrswege fahren. Für zehn Dollar konnten Amerikaner führte der Kontrollrat im Oktober 1945 eine Standardpakete schicken lassen – über eine »Arbeitspflicht« ein – die »Trümmerfrau«, die Million solcher »CARE-Pakete« ging monat- mit einfacher Maurerklammer den Mörtel von lich nach Deutschland! lige deutsche Soldaten um. Für Jugoslawien min aller Entlassungen auf Dezember 1948 deutsche kriegsgefange- ne 1944 in sowjetischem wird die Zahl der Toten ab 1944 auf 80 000 ge- fest. Die sowjetische Regierung erklärte dazu, gewahrsam Kriegsgefangene, Flüchtlinge und Vertriebene schätzt. In den sowjetischen Gefangenenlagern dass sie die Entlassungen im Laufe des Jahres kamen allein von Mai 1945 bis Juni 1950 rund 1949 abschließen werde. Zugleich aber wurde Sowohl in die östliche als auch in die drei oder abtransportiert werden. Rund acht Milli- 543 000 Soldaten ums Leben. Die Unterbrin- bekannt, dass zahlreiche Gefangene kollektiv westlichen Besatzungszonen strömten nach onen waren es während der Kapitulationspha- gung dort erfolgte oft in primitivsten Lagern wegen angeblicher Kriegsverbrechen angeklagt 1945 deutsche Flüchtlinge und Vertriebe- se. Rund siebzig Prozent von ihnen gerieten in unter unmenschlichen Bedingungen. Nicht und im Allgemeinen zu 25 Jahren Zwangsar- ne. Außerdem kehrten nach und nach die in den Gewahrsam der Westmächte, etwa dreißig immer waren Hass und Rache der Grund da- beit verurteilt worden waren. Erst im Herbst Kriegsgefangenschaft geratenen deutschen Prozent in russische Gefangenschaft. für – oft fehlte es in der stark kriegsgeschädig- 1955 erreichte Adenauer in Moskau die Frei- Soldaten zurück. Im Westen wurden Zehntausende Soldaten ten Sowjetunion an den einfachsten Dingen. lassung auch der letzten Gefangenen. In den Frühsommermonaten 1945 hatte die in den berüchtigten »Rheinwiesenlagern« zu- Insgesamt fanden nach Kriegsende in Ost und Aus den östlichen Gebieten des Deutschen Kapitulation der Deutschen Wehrmacht die sammengepfercht. Hier starben 4000 Men- West rund 700 000 gefangene Soldaten einen Reiches waren seit Ende 1944 Millionen Men- Siegermächte in West und Ost vor ungeheure schen nur aufgrund fehlender Organisation. tragischen Tod. schen vor der heranrückenden Roten Armee organisatorische Probleme gestellt: Millionen In französischem Gewahrsam kamen allein in Die Moskauer Konferenz der Außenminis- geflüchtet. Die Zurückgebliebenen wurden von Kriegsgefangenen mussten untergebracht den Monaten nach Kriegsende 15 700 ehema- ter setzte im Frühjahr 1947 den Abschlusster- dann ebenso wie die Bewohner der von den

110 111 WIR WERDEN WIEDER WER, WESTZONEN UND BUNDESREPUBLIK, 1945–1960 Westzonen und ostzone driften auseinander

Kriegsereignissen weitgehend verschont ge- rechts« erfolgen müssten. Das Gegenteil war BIOGRAFIE bliebenen sudetendeutschen Gebiete Böh- von Anfang an der Fall – nach Kriegsende kam KURT SCHUMACHER – SYMBOLFIGUR DER SOZIALDEMOKRATIE mens und Mährens vom Sommer 1945 an aus es zu furchtbaren Pogromen und zu »wilden« * 13. 10. 1895 Culm † 20. 8. 1952 Bonn ihrer Heimat ausgewiesen. Zuvor hatten die Austreibungen. Es folgte die zweite Phase der

auch nationalsozialistischen Machthaber unter offiziellen »Aussiedlung«. Tausende Eisenbahn- Der aus Westpreußen stammende schrecklichsten Bedingungen in Polen und der transporte rollten aus den Gebieten östlich der Schumacher verlor im Ersten Weltkrieg Sowjetunion große Bevölkerungsteile »ausge- Oder-Neiße-Linie und aus der Tschechoslowa- als Kriegsfreiwilliger den rechten Arm. In Stuttgart begann 1920 seine politische siedelt« und vertrieben. kei in die sowjetische, britische und amerika- Laufbahn als Redakteur und SPD-Land- Schon 1941 hatte der ehemalige tschechische nische Besatzungszone. Die Verlustziffern be- tagsabgeordneter. Im Reichstag hielt Staatspräsident Benesch in London gefordert, trugen allein in der Vertreibungszeit nach 1945 Schumacher im Februar 1932 eine flam- dass nach einer siegreichen Beendigung des insgesamt mehr als zwei Millionen Menschen. mende Rede gegen Goebbels. Er wurde zum unermüdlichen Aktivisten im Kampf In den Westzonen und später in der Bun- Krieges durch die Alliierten alle im Staatsge- für die Demokratie und gegen die Nazis. biet der Tschechoslowakei lebenden Sudeten- desrepublik suchten offizielle Stellen und ka- 1933 verhaftet, wurde er bis 1943 sowie deutschen ausgewiesen werden sollten. Diese ritative Organisationen den Vertriebenen die erneut 1944 in Konzentrationslagern festgehalten. Forderung wurde 1942 von den Engländern, Eingliederung möglichst zu erleichtern, was Im Mai 1945 gründete er in Hannover 1943 von den USA und schließlich auch von besonders anfangs nicht ohne Konflikte abging die SPD neu, die seiner Meinung nach der Sowjetunion akzeptiert. Der propagierte – denn die Menschen im zerbombten Nach- als einzige Partei unbelastet aus der Grundsatz, dass nach Kriegsende durch Ände- kriegsdeutschland wurden mit den eigenen deutschen Katastrophe hervorgegangen war und daher Anspruch auf die politi- rung der deutschen Staatsgrenzen keine deut- Problemen kaum fertig. 1950 bekräftigten die sche Führung habe. Er übersah, dass die schen Minderheiten entstehen dürften, wurde Vertriebenen in einer Charta ihr ideelles Recht Menschen um ihn nicht kämpfen, son- auch auf Polen übertragen, das für vorgesehene auf die alte Heimat, verzichteten aber auf jeden dern besser leben wollten und von der »großen Politik« genug hatten. Dem lei- Gebietsabtretungen im Osten an seiner West- Revanchismus. Die Regierungen von Bund denschaftlichen Parlamentarier fehlten grenze entschädigt werden sollte. und Ländern unternahmen durch entsprechen- Geduld und Augenmaß für das Mögli- Die alliierten Politiker hatten ihr Gewissen de Gesetze (Lastenausgleichsgesetz 1952) alle che. Seine Forderungen nach deutscher mit der unverbindlichen Feststellung beru- Anstrengungen zur wirtschaftlichen Einglie- Gleichberechtigung und Vorrang der Wiedervereinigung vor der europäischen higt, dass die geplanten Aussiedlungen geregelt derung der Vertriebenen und Flüchtlinge, die kurt schumacher war auf seine Mitarbeiterin annemarie renger (1919–2008), hier bei Integration waren unerfüllbar. So wur- einem spaziergang 1951 in Bonn, in vieler hinsicht angewiesen. die enge Vertraute und und »nach humanen Grundsätzen des Völker- insgesamt erfolgreich verlief. Lebensgefährtin des sPd-Vorsitzenden wurde 1953 Mitglied des Bundestages, dem sie, de er zur großen tragischen Gestalt der lange zeit als dessen Präsidentin und Vizepräsidentin, bis 1990 angehörte. deutschen Nachkriegspolitik.

Westzonen und Ostzone driften auseinander ständigen. In begrenztem Umfang gelang die gen nicht, Entscheidungen zur Überwindung Der Alliierte Kontrollrat konstituierte sich West-Ost-Gegensätzen und teilweise zusätzlich Einigung in der Regelung von Mangelsituatio- der Not und zur zukünftigen Wirtschafts-, im Sommer 1945. Bis zu seinem Ende im durch eigene deutschlandpolitische Vorstellun- nen, etwa bei der Wohnraumbewirtschaftung, Währungs- und Sozialgestaltung zu treffen, März 1948 erließ er 62 Gesetze und zahlrei- gen Frankreichs verkompliziert. Am leichtesten der Erhöhung von Steuern, der Verteilung von insbesondere zu einer Währungsreform. che Proklamationen, Direktiven und Befehle. konnten sich die vier Mächte über die Aufhe- Flüchtlingen und der Mitbestimmung in Be- Den Deutschen untersagten die Besatzungs- Die Kooperation wurde von den wachsenden bung von nationalsozialistischem Recht ver- trieben. Der Kontrollrat vermochte es hinge- mächte anfangs jegliche politische Betätigung.

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