Von Mussolini Bis Fini
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Gerhard Feldbauer Von Mussolini bis Fini Die extreme Rechte in Italien ELEFANTEN PRESS BERLIN Antifa Edition herausgegeben von Jens Mecklenburg Copyright ©1996 by ELEFANTEN PRESS Verlag GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten Lektorat Jakob Carl, Jens Mecklenburg Umschlaggestaltung Holtfreter, Blank & Reschke unter Verwendung eines Fotos von ROPI/Granati Gesetzt aus der Syntax Agentur Marina Siegemund, Berlin Druck und Bindung Norhaven A/S, Viborg Printed in Denmark ISBN 3-88520-575-0 Inhalt 7 Fini ante portas? Eine Einleitung 9 Der Faschismus unter Mussolini (1919-1945) 22 Der italienische Neofaschismus nach 1945 31 Movimento Sociale Italiano - Aktions- und Parlamentspartei 46 Neofaschismus innerhalb und außerhalb des MSI 57 Spannungsstrategie, NATO, CIA und Gladio 81 Bundesdeutsche Hilfe für schwarze Terroristen 94 Bis heute nicht aufgeklärt - Der Mord an Aldo Moro 117 Das Geflecht von Geheimloge, Neofaschisten, Vatikan und Mafia 140 Berlusconi und die Forza Italia 167 Aus Movimento Sociale wird Alleanza Narzionale 198 Schlußbetrachtungen 204 Anmerkungen 205 Ausgewählte Literatur 209 Häufig verwendete Abkürzungen 211 Personenregister 218 Sachregister 223 Der Autor Fini ante portas? Eine Einleitung »Historische Vergleiche beginnen immer zu hinken, wenn man sie zu sehr ins einzelne verfolgt. Trotzdem, gewisse Parallelen sind nicht zu übersehen.« Sebastian Haffner: Im Schatten der Geschichte. Historisch-politische Variationen (S. 25). Das Frühjahr 1994 war für viele Italiener, die sich zum Antifaschis- mus bekennen, durch eine Reihe schockierender Ereignisse gekenn- zeichnet. Bei den Parlamentswahlen im April gewann eine aus der autoritären Führerpartei Forza Italia, dem neofaschistischen Movimen- to Sociale Italiano (MSI) und der separatistischen und rassistische Züge aufweisenden Lega Nord bestehende Koalition mit 42,7 Prozent der Wählerstimmen die Mehrheit. Die sich »Pol der Freiheit« nennende Allianz führte Silvio Berlusconi an, einer der reichsten Männer des Lan- des und Besitzer des mächtigsten italienischen Medienimperiums. Der Medienbeherrscher, dessen Forza mit 21 Prozent stärkste Partei wur- de, bildete anschließend die Regierung. In Italien übernahm mit Berlus- coni zum ersten Mal einer der großen Wirtschaftsführer die Leitung der politischen Exekutive. Symbolträchtig war, daß Berlusconi am 11. Mai, nur wenige Tage nach dem 49. Jahrestag der Niederlage des Faschismus, den MSI, der sich immer noch offen zum Erbe Mussolinis bekennt, in die Regierung aufnahm. Mit 13,4 Prozent war die von Gianfranco Fini (Jahrgang 1952) geführte Sozialbewegung (MSI) bei den Wahlen drittstärkste Parlamentspartei geworden. In der Regierung stellte sie sechs Minister, darunter den stellvertretenden Ministerpräsidenten. Der MSI ist jene Bewegung, die bereits 1946 als Nachfolgerin der faschistischen Partei Mussolinis wiedergegründet wurde. Von kosmetischen Korrekturen abgesehen, hält die Sozialbewegung bis heute an Erbe und Tradition der von Mussolini 1919 gegründeten faschistischen Bewegung fest. Personell soll das unter anderem die führende Position verkörpern, die Alessandra Mussolini, die Enkelin des »Duce«, in der Partei innehat. Fini, der einen »modernen Faschismus« propagiert, brachte diesen am 28. Oktober 1992 anläßlich der Feiern zum 70. Jahrestag des Mar- sches Mussolinis auf Rom auf die kurze Formel: »Wir schauen vor- 7 wärts, aber wir halten an unseren Wurzeln fest.« Die Festlichkeiten standen unter der Losung: »Es lebe die faschistische Revolution!« Auf dem Parteikongreß in Fiuggi bei Rom im Januar 1995 beschloß die Sozialbewegung, sich in Zukunft Alleanza Nazionale (AN) zu nennen. In seinem Referat stellte der AN-Chef Fini ausdrücklich klar, daß es sich »um keine Auflösung der Sozialbewegung« handle, sondern »um eine Fortentwicklung und Umwandlung«. Die praktische Politik der AN zeigt, daß es Fini, der auch als »perfekter Nadelstreifenfaschist« bezeichnet wird, um die »Umwandlung« des MSI in eine große Rechtspartei auf faschistischen Grundlagen geht. »Die Orientierung an der faschistischen Ideologie ist, wenn auch mit verbalen Abänderun- gen und Abschwächungen, de facto eine Konstante dieser Partei geblieben«, schätzte der liberale Rechtsphilosoph Mario G. Losano ein. Hinreichende Beweise dafür lieferte die Partei besonders während ihrer Zeit in der Regierung. Die MSI-Minister waren kaum vereidigt, da hielt Fini die Zeit für gekommen, die Partei Mussolinis zu rehabilitieren. In der Abgeordnetenkammer brachte er den Antrag ein, das in der Ver- fassung verankerte Verbot dieser Partei aufzuheben. Der MSI erhob ebenso die Forderung, die ehemaligen jugoslawischen Gebiete Istrien und Dalmatien »heim ins (italienische) Reich« zu holen. Als Chef einer Regierungspartei nutzte Fini den 50. Jahrestag der Befreiung Roms durch alliierte Truppen am 4. Juni 1994 dazu, Mussolini als den »größ- ten Staatsmann dieses Jahrhunderts« zu rühmen und kundzutun, die- ser habe bis 1938, das heißt bis zum Erlaß der Rassengesetze nach deutschem Vorbild, »viel Gutes« geleistet. Die Regierung Berlusconi blieb nur 226 Tage im Amt. Im Dezember 1994 wurde sie im Ergebnis eines Generalstreiks von fünf Millionen Beschäftigten und Massendemonstrationen gegen ihren sozialen Crashkurs im Parlament durch ein Mißtrauensvotum zum Rücktritt gezwungen. Ausschlaggebend dafür war, daß der Separatistenführer Umberto Bossi Berlusconi die Gefolgschaft aufkündigte. Seine Lega Nord, die einflußreiche Kapitalgruppen hinter sich weiß, darunter den größten privaten Industriekonzern FIAT, stimmte gegen die Regie- rung. Trotz dieser Niederlage, für die seitens der AN Berlusconi verant- wortlich gemacht wird, befinden sich die Neofaschisten weiter im Vor- marsch. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im April 1996 stei- gerten sie sich weiter und erreichten 16,6 Prozent der Stimmen. Fini will an die Macht und Ministerpräsident werden. 8 Der Faschismus unter Mussolini (1919-1945) »Der Faschismus ist eine Ausgeburt des Kapitals, und um der Festigung seiner Macht willen ist er bereit, jedes beliebige Mittel ein- zusetzen - von grausamer Gewalt bis zu einer geschickten Betäubung der Massen ... mit einem giftigen ideologischen Betäubungsmittel.« Diese Worte schrieb Julius Fucik, kurz bevor ihn die Nazis hinrichteten. Zur Entstehung des Faschismusbegriffes Der Begriff des Faschismus entstand in Italien, wo Mussoli- ni bereits ein Jahrzehnt vor Hitler die Macht ergriff. Nach dem Ersten Weltkrieg bildete der künftige »Duce« (Führer), der am Krieg teilge- nommen hatte und verwundet worden war, mit ehemaligen Front- kämpfern Fasci (Bünde). Mussolini, der sich und seine spätere Diktatur gern als legitime Nachkommen des großen Römischen Reiches und seiner Cäsaren feiern ließ, griff bei der Taufe seiner Bewegung als Fasci auf die Fasces zurück, die Liktorenbündel, jene lederumschnürten Rutenbündel, aus denen ein Beil hervorragte und die von den altrömi- schen Liktoren als Zeichen der Gewalt über Leben und Tod den Kon- suln vorangetragen wurden. Als Fasci hatten jedoch auch die Unter- drückten in den Kämpfen des 18. und 19. Jahrhunderts ihre Organisa- tionen bezeichnet. So schlossen sich beispielsweise die armen Bauern, Tagelöhner und Arbeiter in Messina, Catania und Palermo 1889 im Kampf gegen ihre Unterdrücker in Fasci dei Lavoratori (Arbeiterbün- den) zusammen, aus denen 1893 die Federazione Socialista Siciliana (Sizilianische Sozialistische Föderation) hervorging. Am 23. März 1919 berief Mussolini eine Landeskonferenz seiner in den Wochen vorher aufgestellten Fasci nach Mailand ein. Die Unter- nehmer der Industriemetropole stellten ihm als Tagungsort das Gebäu- de ihrer Industrie- und Handelskammer an der Piazza San Sepolcro zur Verfügung. Auf dem Kongreß proklamierte Mussolini die Fasci Italiani di Combattimento (Italienische Kampfbünde) als politische Bewegung. Ihre Mitglieder nannten sich Fascisti und die Bewegung bezeichnete sich als Fascismo (Faschismus). Die Fasci entstanden namentlich als terroristische Organisation gegen die Arbeiterbewegung und ihre Par- teien. Es entsprach dieser Aufgabe, daß Mussolini als nächstes Squadre di Azione Fascista (SAF, Sturmabteilungen) als spezielle Formation des 9 Faschismus bildete. Erste Stützpunkte der Sturmabteilungen entstan- den in der Nähe der revolutionären Zentren der Arbeiterbewegung, auf den Landsitzen der Großagrarier in der Emilia und der Toskana. Als Chefs der Squadre rekrutierten die Gutsherren demobilisierte Offiziere und Unteroffiziere, die Mannschaften kamen vorwiegend aus mittel- ständischen Schichten, Kreisen der Studenten und »Lumpenproleta- rier«, aber auch aus den Reihen der Arbeitslosen, deren Zahl von 150 000 im Jahre 1919 binnen zwei Jahren auf 600 000 anstieg. Im November 1921 fand in Rom der 3. Kongreß der Fasci di Combatti- mento statt, auf dem sich diese zur Nationalen Faschistischen Partei (Partito Nazionale Fascista, PNF) erklärten. Zu dieser Zeit zählte die Be- wegung, die 1920 etwa 30000 Anhänger hatte, 320 000 eingeschrie- bene Mitglieder, die in 2 200 Fasci organisiert waren. Die Squadre wur- den auf dem Parteitag in den PNF eingegliedert, alle Parteimitglieder verpflichtet, ihnen beizutreten. An die Spitze des PNF trat Mussolini, der sich von nun an »Duce del Fascismo« nennen ließ. Angelo Tasca gab in seinem Buch Glauben, gehorchen, kämpfen folgende soziale Schichtung an: 18 084 Grundbesitzer, 13 878 Kaufleute, 4 269 Indu- strielle, 9 981 Freiberufler, 7 209 Staatsbeamte, 14 988 Privatange- stellte, 1 680 Lehrer, 19 783 Studenten, 36 847 Landarbeiter und Bau- ern, 23 418 Industriearbeiter, vor allem aus Staatsbetrieben