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Tätigkeitsbericht 2020 Weiße Stiftung e.V.

Inhaltsübersicht

1 Zur Einführung 5

2 DenkStätte Weiße Rose München 7

3 Familienmitglieder berichten 10 Prof. Dr. Wolfgang Huber 10 Markus Schmorell 11 Joachim Baez 12 Jörg Hartnagel und Brüder 13

4 Wanderausstellungen zur Weißen Rose 14 Deutschland 14 International 22

5 Historisch-pädagogische Arbeit 33

6 Veranstaltungen 2020 38 Weiße Rose-Gedächtnisvorlesung 38 Weiße Rose-Orgelkonzert mit inszenierter Lesung 38 Lux Aeterna – Gedenkkonzert Weiße Rose des Münchener Bach-Chors 39 Präsentation des Dokumentarfilms „Zeuge der Zeit: Dr. Walter Grein“ 39 DenkMal Am Ort 40 Willi-Graf-Preis 2020 41 Buchvorstellung: Maren Gottschalk – Wie schwer ein Menschenleben wiegt. . Eine Biografie 41

7 Kommunikation, Social Media und Presse 42

8 Weiße Rose DenkStätten in und Forchtenberg 48

9 Kurznachrichten zur Weißen Rose 51

10 Nachrufe 56

11 Neuerscheinungen 58

12 Die Weiße Rose Stiftung e. V., ihre Organe und Mitarbeitenden 60 Die Weiße Rose Stiftung e. V. bedankt sich herzlich bei allen öffentlichen und privaten Förderern und Spendern für ihre Zuwendungen.

Impressum Weiße Rose Stiftung e. V. Ludwig-Maximilians-Universität Geschwister-Scholl-Platz 1 80539 München Tel. 089 / 2180-5678 / -5359 Fax 089 / 2180-5346 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.weisse-rose-stiftung.de Facebook: www.facebook.com/WeisseRoseStiftung Instagram: @weisse_rose_stiftung Texte und Redaktion: Dr. Fabienne Gouverneur, Dr. Edith Koller, Ursula Kaufmann M.A., Dr. Hildegard Kronawitter V.i.S.d.P.: Dr. Hildegard Kronawitter Bildnachweis (soweit bekannt): Ahnatalschule ­Vellmar, Silvia Bader, Berliner Morgenpost, Bistum Trier, Bundeswehr / Julia Langer, Bundeszentrale für Politische Bildung, Igor Chramow, Olaf Dankert, Renate und Hans-Jürgen Deck, filmportal.de / Basis Film / Seybold Film, Gudrun Keintzel-Schoen, Dr. Joachim Krause, Landeshauptstadt München Baure- ferat Gartenbau, Anna Leader / Kein & Aber / Börsen- verein des Deutschen Buchhandels Landesverband Bayern, Lorencic, Barbara Raub, Markus Schmorell, Universität , Verlag Das Kulturelle Gedächt- nis, Rose Project, Weiße Rose Stiftung e. V., weristhans.com, Evan Michael Woods Schriftsatz: AS-Texte, München Lektorat: Martina Georg Druck und Herstellung: OrtmannTe@m GmbH, Ainring

© 2021 Weiße Rose Stiftung e. V. 1 Zur Einführung Auch das Jahr 2020 war für unsere Arbeit in der Wei- ße Rose Stiftung reich an Herausforderungen und auch an Erfolgen, wie dieser Bericht dokumentiert. Und er zeigt, wie die andauernde Pandemie und die erfolgten Lockdowns unsere Flexibilität im Arbeits- alltag forderten und uns motivierten, verschiedene Vermittlungswege auch online auszubauen. Signi- fikant zeigt sich die wechselvolle Situation im Verlauf des Jahres bei der Öffnung unseres zentralen Aus- stellungsraums, der DenkStätte Weiße Rose. Konn- ten noch bis zum 13. März zahlreiche Gäste begrüßt und Gruppen durch die Ausstellung geführt werden, musste der Besuchsverkehr bis 7. Juli völlig einge- stellt werden. Mit ausgefeiltem Hygienekonzept war anschließend eine Öffnung bis 1. November erlaubt, um dann aber erneut und bis auf weiteres schließen zu müssen. Ähnlich wechselvoll und arbeitsaufwän- dig war nach dem ersten Quartal für unsere Mitar- beiterinnen die Organisation zahlreicher Buchungen der Wanderausstellungen im In- und Ausland, die verschoben und gelegentlich auch storniert werden mussten. Angesichts der Pandemiesituation forcierten wir als Arbeitsteam die digitale Vermittlung unserer Inhalte. Aspekte der Weiße Rose-Dauerausstellung kommu- nizierten wir unter dem Stichwort #­DenkStätteDigital via Facebook und Instagram. Das bisher schon auf unserer Homepage angebotene Lernmaterial zu The- men der Weißen Rose haben wir überarbeitet und erweitert. Damit verstärkten wir das Angebot für Lernende und Lehrende während der langen Phasen des Lockdowns und regten an, sich mit Fragen des Widerstands zu beschäftigen. Die Zusammenarbeit mit „Denkmal Am Ort“ bei dessen Posts anlässlich 75 Jahre Kriegsende wurde uns zum Impuls, inten- siv die Einrichtung eines eigenen YouTube-Kanals zu betreiben. Seit Juni sind unter YouTube: Weiße Rose Stiftung e. V. nun Videos zum Aufruf bereit. Für die Aufnahmen dieser Videos sowie für so manche Fern- sehaufnahme diente die DenkStätte Weiße Rose mit beeindruckenden Bildern quasi als Filmstudio. Zum Jahresende registrierten wir, dass die verschiedenen virtuellen Wege hohe Akzeptanz finden: Die große Zahl der Zugriffe lässt auf einen beachtlichen Vermitt- lungserfolg schließen. Übers Jahr hinweg erreichten uns zahlreiche Interviewanfragen von Studierenden und Schüler:innen, die Themen rund um die Weiße Rose bearbeiteten. In den nachfolgenden Kapiteln dokumentieren wir auch die Zusammenarbeit mit Goethe-Instituten und anderen Bildungsträgern. Wir registrierten auch eine signifikante Zunahme von Medienanfragen speziell in der zweiten Jahreshälfte und zwar vor allem wegen Beiträgen anlässlich So- phie Scholls 100. Geburtstag im Mai 2021. Bei der Vermittlung und Organisation unserer Wan- derausstellungen kam es Pandemie-bedingt zu Änderungen im Buchungskalender. Wartezeiten im Verleih wurden während des Lockdowns genutzt, um die drei Sets der deutschsprachigen Wander- ausstellung zu überprüfen, zu reinigen und einzelne Tafeln zu ersetzen. Wie in Deutschland unterlagen auch im Ausland die geplanten Präsentationen den jeweiligen Restriktionen zur Eindämmung der Pan- demie. In – wie Sie in Kapitel 4 genauer nachlesen können – nutzte Dr. Igor Chramow die Zeit, um einen realen Ausstellungsraum zur Weißen Rose mit Schwerpunkt zu ge-

5 stalten. Besonders erfreulich erweist Diese Einführung bliebe unvollstän- sich für die Vermittlung der Weißen dig ohne den besonderen Dank an Rose in Spanien das Engagement unsere zahlreichen Unterstützer:innen der Goethe-Institute Madrid und aus dem privaten und öffentlichen Barcelona. Beide Institute erstellten Bereich. Der besondere Dank gilt in enger Abstimmung mit uns eine gleichermaßen unserem sehr wertzu- landessprachige Weiße Rose-Ausstel- schätzenden Kreis der Freunde und lung im Bannerformat, die spanischen Förderer sowie zahlreichen Spen- Schulen zur Ausleihe zur Verfügung der:innen, die uns auch im Jahr 2020 steht. Pädagogisches Begleitmaterial, finanziell und ideell stützten. Herzlich erarbeitet vom Team der Weiße Rose danken wir für erhaltene Zuschüsse Stiftung, steht Lehrkräften ergänzend der „Städtegemeinschaft im Zeichen zur Verfügung. Einen wichtigen Akzent der Weißen Rose“ – also München, im Kontext unserer Arbeit setzte die , Ulm, Saarbrücken, Frei- Gedenkveranstaltung an der Hans- burg, und Gräfelfing – sowie Leipelt-Berufsschule in Donauwörth. für die so spürbare Förderung durch Die Schule ehrte eindrucksvoll ihren das Bayerische Staatsministerium für Namensgeber anlässlich der 75. Wie- Unterricht und Kultus. Die öffentlichen derkehr der Hinrichtung Hans Leipelts Zuschüsse sind unsere materielle am 29. Januar 1945. Dessen einziger Basis und zugleich verstehen wir sie Neffe Chris Bade war aus den USA als besondere Anerkennung unserer angereist, und Angela Bottin referier- Arbeit. Zu dem Kreis namhafter Unter- te sehr kenntnisreich zur Biografie. stützer zählte selbstredend auch die Auch unsere Wanderausstellung zur Ludwig-Maximilians-Universität. De- Weißen Rose wurde in der Schule ge- ren Mitarbeiter:innen halfen uns auch zeigt. im Jahr 2020 in vielfältiger Weise. Für all diesen Beistand richten wir stell- Bedauert haben wir, dass einige vertretend für alle den Dank an Präsi- schon eingeleitete Projekte mit Schu- denten Prof. Dr. Bernd Huber sowie len nicht stattfinden konnten. Nach an Dr. Matthias Fahrmeir. mehrmaligen Besprechungen und der Entwicklung eines ersten Konzepts Unser Tätigkeitsbericht veranschau- musste die vorgesehene Ausstel- licht den Arbeitseinsatz unseres enga- lung, von Schüler:innen des Max-Jo- gierten Teams, womit die angestellten seph-Stifts in München erarbeitet, Mitarbeiterinnen, die Werkstudenten, abgebrochen werden. Sie sollte für die freiberuflich für uns Tätigen ge- die im Münchner Residenztheater meint sind sowie alle Damen und Her- im Juni vorgesehene Aufführung des ren, die verlässlich und kontinuierlich bearbeiteten Romans von Alfred Neu- die Aufsicht in der Denkstätte über- mann „Es ihrer Sechs“ den nahmen. Auch für Außenstehende historischen Kontext des Romans wird über diesen Report nachvollzieh- und den von ihm ausgelösten Konflikt bar, dass im Jahr 2020 der Einsatz erläutern. Ebenfalls Opfer des Lock- unseres gesamten Teams spürbar downs wurde bedauerlicherweise die anstieg. Begegnungswoche im Zeichen der Weißen Rose am Hersbrucker Gym- Last but not least geht ein herzlicher nasium, die Schüler:innen zusammen und kollegialer Dank an unsere ge- mit ihrer Partnerschule in Leitmeritz schätzten Beiratsmitglieder unter dem (Tschechien) durchführen wollten. Vorsitz von Dr. Rachel Salamander, an die Damen und Herren des Trä- Gleiches gilt für Absagen der drei gervereins, der zusammen mit dem Volkstheater-Aufführungen „Sophie Vorstand für die Weiße Rose Stiftung Scholl – Liebe in Zeiten des Wider- juristische Verantwortung trägt. stands“ Ende März im Lichthof der Münchner Universität sowie für die geplanten Filmnachmittage im NS-Do- kumentationszentrum anlässlich 75 Jahre Kriegsende. Trotz dieses an ge- sellschaftlichen und kulturellen Veran- Dr. Hildegard Kronawitter, Vorsitzende staltungen allgemein so armen Jahres gelang es der Weiße Rose Stiftung e. V., diverse Veranstaltungen zu reali- sieren, wie in diesem Bericht ausge- führt ist. Übers Jahr gesehen glauben wir auch 2020 einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur im Zeichen der Weißen Rose geleistet zu haben.

6 2 DenkStätte Weiße Rose München Als eines der nichtstaatlichen Museen in Bayern war 2020 auch der zentrale Erinnerungsort an den Wider- stand der Weißen Rose, die DenkStätte am Lichthof der LMU, den Bestimmungen zur Bekämpfung der Pandemie und damit dem Wechsel von Lockdown und Öffnung unterworfen. Die Zahl der Besucher:innen der DenkStätte war bis 14. März wie in den Monaten zuvor hoch. Es kamen sowohl Einzelpersonen als auch zahlreiche Gruppen, darunter wiederum viele Schulklassen. Gruppen in unterschiedlicher Zusammensetzung wünschten häufig Führungen durch die Ausstellung, womit sich für unsere Guides oft ein guter Austausch über den Widerstand der Weißen Rose ergab. Ab dem 16. März musste die DenkStätte nach behördlicher An- ordnung bis 7. Juli schließen. Mit einem ausgefeilten Hygienekonzept, der Auflage von maximal 17 Personen im Raum und dem außer- gewöhnlichen Engagement des ehrenamtlichen Aufsichtsteams sowie Studierender war vom 8. Juli bis 31. Oktober ein Besuch in der DenkStätte wieder möglich. Die tägliche Öffnungszeit hatten wir auf fünf Stunden verkürzt, samstags musste geschlos- sen bleiben. Bemerkenswert ist, dass in den Monaten Juli und August trotz ausbleibender größerer Gruppen die Gäste zahlreich waren, darunter viele Touristen aus Deutschland und dem angrenzenden Ausland. Im September und Oktober besuchten auch kleinere Gruppen die Dauerausstellung, einige von ihnen er- hielten Führungen. Darunter eine Gruppe aus Italien, die Stefania Gavazza Zuber betreute, sowie mehrere Berufsschulgruppen, organisiert vom Museums­ pädagogischen Zentrum München und geführt von Michael Greinwald. Ab dem 2. November war erneut eine Schließung verordnet, sie sollte zunächst bis zum 1. Dezember gehen, wurde dann aber weit über das Jahresende hinaus fortgesetzt.

Die ersten Besucher der unter Hygieneauflagen wieder­ eröffneten DenkStätte am 8. Juli 2020

7 Eine der wenigen etwas größeren Gruppen, die im Oktober 2020 die DenkStätte besuchen konnten, war diese Gruppe der Aktion Gemeinwesen und Beratung aus Düsseldorf auf ­Studienfahrt in München und Dachau

Selbstverständlich spiegeln sich die Schließungs- zeiten der DenkStätte in den Besucherzahlen wider. Aber nicht nur an den Zahlen merkten wir die Verän- derung: es fehlte der Kontakt zu den Ehrenamtlichen und den Besucher:innen und es war bedauernswert, ab Anfang März nach und nach so gut wie alle ge- planten Führungen stornieren zu müssen. Die veränderte Situation animierte uns dazu, ver- stärkt neue Wege zu gehen, um die DenkStätte zu nutzen und sie einem interessierten Publikum zu prä- sentieren. Weitere Details hierzu können Sie in den Kapiteln Historisch-pädagogische Arbeit und Kommu- nikation, Social Media und Presse nachlesen. Mit dem Hashtag #DenkStätteDigital ermöglichten wir Einblicke in die Ausstellung über unsere Social Media-Präsenzen bei Facebook und Instagram. Über mehrere Wochen präsentierten und erläuterten wir Exponate, Bilder und Texte aus der DenkStätte. Außerdem ergänzten wir unser Angebot um einen YouTube-Kanal, der seit Juni 2020 online ist. Das Vi- deoformat bietet eine besonders geeignete visuelle Möglichkeit, die DenkStätte zu nutzen und zu prä- sentieren. Dort können wir bspw. die Videos zeigen, die auch vor Ort in der Ausstellung der DenkStätte zu sehen sind und die den Besucher:innen informative und lebendige Eindrücke bieten: etwa das Video über den Herstellungsprozess der Flugblätter in deutscher und englischer Sprache oder die Interviews mit Zeitzeug:innen, die von ihren Erlebnissen im Zusam- menhang mit dem Hamburger Zweig der Weißen Rose berichten. Das hilft uns sehr, die zeitweise Unzugänglichkeit der DenkStätte für Besucher:innen auszugleichen. Überdies konnten wir die DenkStätte gleichsam als Aufnahmestudio einsetzen. Ihre wirkungsvolle Optik kommt auch in Film- und Videobeiträgen zum Tragen. Einige unserer YouTube-Videos sind ganz oder teil- weise dort gedreht worden. So ist die DenkStätte Schauplatz u. a. des italienischsprachigen Videos über die Weiße Rose mit unserem freiberuflichen Mitarbeiter Dr. Umberto Lodovici sowie eines sehr persönlichen Interviews zweier Schüler des Kurt- Huber-Gymnasiums mit Prof. Wolfgang Huber, dem Sohn von Prof. .

8 Bildausschnitt aus dem Video „Il gruppo di resistenza La Rosa Bianca“, in dem Umberto Lodovici italienischsprachige Informati- onen über die Widerstandsgruppe Weiße Rose bietet

Aber nicht nur eigene Aufnahmen wurden in der DenkStätte gemacht. Für ihren 53-minütigen Doku- mentarfilm über Frauen im deutschen Widerstand „39-45: Les résistantes allemandes“ interviewte Re- gisseurin Barbara Necek neben anderen auch Dr. Hil- degard Kronawitter. Die Aufnahmen dafür erfolgten in der DenkStätte Weiße Rose. Im Film werden unter anderem Sophie Scholl sowie Ruth Andreas-Fried- rich und ihre Tochter Karin Friedrich porträtiert. Beide waren zentrale Personen der Widerstandsgruppe „Onkel Emil“, die das 6. Flugblatt der Weißen Rose abschrieb und weitergab. Auch wenn diese Aktivitäten kein Ersatz für den per- sönlichen Besuch der DenkStätte und den direkten Austausch im Rahmen einer Führung sein können, zeigen die unterschiedlichen Nutzungsweisen der DenkStätte doch nicht nur, was im Pandemiejahr 2020 alles nicht wie üblich lief, sondern auch, was dennoch möglich war. Dass der Präsenzbetrieb in der DenkStätte in dem Rahmen, in dem er erlaubt war, auch tatsächlich möglich war, verdanken wir dem Team der Ehren- amtlichen. Sie blieben trotz aller Unwägbarkeiten im Zeichen der Weißen Rose engagiert und die meisten unter ihnen waren bereit, trotz des erhöhten Risikos durch die Pandemie ihr Engagement für die Erinne- rung an die Weiße Rose aufrechtzuerhalten und ihren Dienst fortzusetzen, wenn wieder geöffnet werden konnte.

9 3 Familienmitglieder berichten

Prof. Dr. Wolfgang Huber Sohn von Prof. Kurt Huber Anfang Juli besuchten mich in der Weissen Rose Stiftung zwei Absolventen des Kurt-Huber-Gymna- siums Gräfelfing. Es wurde ein Gespräch zwischen Generationen. Da war zunächst meine Neugier auf junge Menschen, die sich für Ereignisse vor 80 Jahren interessieren: Was ist ihre Motivation, sich mit der Weißen Rose oder mit Kurt Huber zu beschäftigen? Für mich war es wertvoll zu erfahren, was die Weiße Rose jungen Menschen heute bedeutet, wie sie mit dem Namens- träger ihrer Schule umgehen, welchen Einfluss der Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf ihre heutigen politischen Einstellungen haben kann. Sie hatten mich ihrerseits nach persönlichen Erinne- rungen befragt, nach prägenden Erlebnissen, nach der Art, wie meine Familie, meine Schwester, meine Mutter vom Schicksal meines Vaters betroffen wa- ren. Und sie interessierten sich für meine Erlebnisse in der Nachkriegszeit oder während meiner Studien- jahre. Es war für beide Seiten ein lohnender Gedan- kenaustausch.

Prof. Wolfgang Huber im Gespräch mit zwei Schülern des Kurt-Huber-Gymnasiums Gräfelfing, Juli 2020, in der DenkStätte Weiße Rose. Das Video zum Interview ist auf unserem YouTube-Kanal verfügbar unter https://youtu.be/4qeaKL4Qzuo

Herr Dr. Dieter Püschel hatte seit längerem die Idee, Kurt Huber posthum zum Ehrenbürger der Gemein- de Gräfelfing zu ernennen. Durch seine Initiative kam es am 24. Oktober 2020 zur Feier des 127. Geburtstags von Kurt Huber. Schüler des Kurt-Hu- ber-Gymnasiums, wo Frau StDin Stefanie Fehlham- mer in dankenswerter Weise die Erinnerung an den Namensträger der Schule wach hält, gestalteten den Rahmen der Veranstaltung mit Musik und Poesie. Dr. Püschel hielt die Festrede, in der er Hubers Ver- bundenheit mit der Gemeinde Gräfelfing, wichtige Stationen seines Lebens und speziell das Verhältnis Eindrücke von der Feier zum der Wissenschaft zum Widerstand gegen den Natio- 127. Geburtstag von Prof. nalsozialismus hervorhob. Kurt Huber am 24. Oktober 2020 in Gräfelfing Die Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, Dr. Hilde- von links: Dieter Püschel und gard Kronawitter, unterstützte in ihrem Grußwort den Wolfgang Huber, Teilnehmende an der Vorschlag, Prof. Kurt Huber als Ehrenbürger der Ge- Gedenkfeier, meinde Gräfelfing zu benennen. Schüler:innen des KHG legen weiße Rosen vor der Kurt Huber-Stele in Gräfelfing nieder

10 Markus Schmorell Neffe von ­Alexander Schmorell Pandemiezeit: am Anfang wurden die vorgesehenen öffentlichen Begegnungen und Veranstaltungen zur Weißen Rose „um ein paar Wochen verschoben“, dann „in den Herbst verlegt“ und jetzt, mit den diversen Virusmutationen, kann nicht mal vage ein Termin in Aussicht gestellt werden: Was ist nur ver- schoben und was werden wir noch nachholen? In Orenburg dagegen hat Igor Chramov mit der ihm eigenen Beharrlichkeit und Zuversicht am 30.10.2020 feierlich ein Alexander-Schmorell-Standbild einge- weiht. Ein strahlender Herbsttag, an dem wir mit der Stadt am Ural verbunden waren. Auch auf dem Video über Alexander Schmorell, das Julian Giebelen mit Jacqueline Grandy und mir für den YouTube-Kanal der WRS aufgenommen hat, leuchtet die Herbstfärbung am Isar-Hochufer in der Menterschwaige. In deutschen Städten ist versucht worden, in Fake- Schreiben mit missbräuchlich verwendeten Namen der Mitglieder der Weißen Rose und der Adresse „Geschwister-Scholl-Platz 1“ manche quere An- sichten zu verbreiten. Auch manches ahnungslose Antwortschreiben der Angeschriebenen war eine befremdliche Zumutung. Und bei „Jana aus Kassel“ war vielleicht nicht weniger bizarr, wie ein satirisches Nachrichtenprogramm auf die Dummheit des Ver- gleichs mit Sophie Scholl antworten will. In diesen Fällen bin ich der WRS und ihrer Vorsitzenden dank- bar für ihre souveräne Reaktion oder den Rat des Ignorierens. Es entlastet. Eine geplante Veranstaltung, die dann doch nicht stattfinden konnte, möchte ich in diesem Lockdown- Bericht dennoch erwähnen, denn sie wäre mit den Feiern zu Ludwig van Beethovens 250ten Geburts- tag 2020 verbunden gewesen: Eine Reise nach Co- burg, wo wir bei einer Veranstaltungsreihe darüber sprechen wollten, welche Bedeutung musikalische Bildung und Praxis für die Mitglieder der Weißen Rose hatte. Ich wollte die Radierung eines klavier- spielenden Beethoven mitbringen, die Leonid Pas- ternak 1924 seinem Freund Hugo Schmorell (Alex- anders Vater) gewidmet und geschenkt hat, und den Bronzeabguss des Kopfes, den Alexander Schmorell 1941 nach diesem Vorbild modelliert hat. – Wir muss- ten zuhause bleiben und haben Igor Levit und Daniil Trifonov gehört.

Links: Radierung des klavier- spielenden Beethoven, von Leonid Pasternak 1924 sei- nem Freund Hugo Schmorell (Alexanders Vater) gewid- met und geschenkt

Rechts: Bronzeabguss des Kopfes, den Alexan- der Schmorell 1941 nach dem Vorbild der Radierung modellierte

11 Joachim Baez Bericht einer Schülerin Neffe von Mit weißen Rosen und Herrn Baez auf Verständlicherweise gab es im Jahr der großen Aulabühne 2020 wegen Corona nur wenig Gele- Wie jedes Jahr gab es am Willi-Graf- genheit, in größerem Umfang Erinne- Gymnasium München auch im Herbst rungsarbeit zu leisten. 2020 wieder ein Willi-Graf-Gedenken Immerhin konnte ich mit meiner Frau für die 5. Klassen. Doch dieses Jahr beim Neujahrsempfang des Oberbür- war einiges anders. Die Workshops germeisters des Stadt Saarbrücken wurden nicht in den einzelnen Klas- am 8. Januar ihren Ehrenbürger Willi senzimmern, sondern in der Aula mit Graf vertreten. zwei Klassen gleichzeitig abgehalten, damit der Abstand eingehalten wer- Zur Überreichung des Willi-Graf-Prei- den konnte. Außerdem mussten alle ses am Münchner Willi-Graf-Gymna- Lehrkräfte, Schüler:innen und Herr sium reichte es dann am 23. März nur Baez Masken tragen. Vor allem war noch zu einer Video-Botschaft, bevor aber besonders, dass einer der Work- für längere Zeit alle Aktivitäten zum shops dieses Jahr nicht von jeman- Erliegen kamen. dem aus dem Elternbeirat oder einer Erst im Oktober nahm die Erinne- Lehrkraft gehalten wurde, sondern rungsarbeit wieder Fahrt auf: Zu- von mir, einer Schülerin aus der 8. nächst erneut am Willi-Graf-Gymna- Klasse. Meine Mutter, die als Eltern- sium mit der alljährlichen Einführung beiratsmitglied mit anderen 5. Klassen der 5. Klassen (diesmal acht an der sprach, versorgte mich mit Material, Zahl), in Kooperation mit den Ver- ich schaute zusätzlich noch Filme über tretern des Elternbeirats, in Leben die Weiße Rose und besuchte die und Wirken des Namensgebers der Weiße Rose-Denkstätte an der LMU. Schule sowie einem Vortrag vor den Dann war der große Tag gekommen Schülerinnen und Schülern der Jahr- und Herr Baez, unser Schulleiter und gangsstufe 10 am 8. und 9. Oktober. ich begrüßten die 5. Klassen herzlich Der Abend des 9. Oktober fand zum Willi-Graf-Gedenken. Zuerst klär- seinen besinnlichen Abschluss mit te ein Geschichtslehrer die Fünftkläss- einem Gottesdienst in der Kirche St. ler:innen über die Nazi-Zeit auf, da sie Sylvester, der bevorzugten Kirche Willi das noch nicht im Unterricht hatten. Grafs in der Nähe seiner damaligen Im Anschluss erzählten Herr Baez Wohnung. und ich ihnen alles über Willi Graf. Wir mussten mehrfach längere Pausen Am 12. Oktober befanden sich meine einlegen, da die Fünftklässler:innen so Frau und ich wiederum in Saarbrücken viele Fragen hatten. Am Ende war der zum 1. Läuten der Willi-Graf-Glocke Workshop für uns alle sehr lehrreich durch den Landtagspräsidenten, Herrn und spannend gewesen. Stephan Toscani, im Rahmen eines Gedenkgottesdienstes in der Kirche Mich hat es sehr gefreut, wie viel der Jugend. Interesse alle gezeigt haben und wie sehr sie das Thema beschäftigt hat. Das Thema ist sehr spannend und ernst und ich finde es wichtig, dass auch unsere Jüngsten die Geschichte von Willi Graf und der Weißen Rose kennen und sich damit befassen. Es liegt mir am Herzen, die Werte Willi Grafs weiterzutragen. Ich bin stolz, auf diese Schule zu gehen. Luisa Rüdiger 8b WGG München

Luisa Rüdiger mit Joachim Baez beim Willi Graf-Gedenken für die 5. Klassen im Willi-Graf-Gymnasium München im Oktober 2020

12 Jörg Hartnagel und Brüder Neffen von Sophie und Über das Jahr erreichten die Scholl- Neffen Florian Aicher, Thomas, Martin und Jörg Hartnagel zahlreiche Anfra- gen. Überwiegend bezogen sie sich auf Bildrechte, aber auch auf andere, sehr unterschiedliche Themen, die wir versuchten, nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Inhaltliche Fragen im Rahmen von Recherche- arbeiten richteten sich vorwiegend an Thomas Hartnagel, den Herausgeber des Briefwechsels „Sophie Scholl – Fritz Hartnagel“. Im Frühjahr hatte er bei sich in Ham- burg ein langes Gespräch mit Dr. Umberto Lodovici, der aktuell über die Rezeption der Weißen Rose im außerdeutschen Europa arbeitet. Im Juli gab er ein Interview, das Teil eines Hörbuchs zum 100. Geburtstag von Sophie werden soll. Es wird von der Ergebnis war eine Presseerklärung, Fa. 'head­room sound production' in die, außer von den Autoren, auch von Köln produziert. (Anm. d. R.: Es han- Thomas und Martin Hartnagel unter- delt sich um das Hörspiel von Sandra zeichnet war. Sie erklärten darin, sie Pfitzner, Sophie Scholl. Der Wider- sähen sich als Neffen von Sophie und stand der Weißen Rose. Headroom Hans Scholl gezwungen, „dieser Ins- Sound Production 2021.) trumentalisierung der Weißen Rose und ihres Ansehens öffentlich ent- Viele Nachfragen nach Fotomaterial gegenzutreten“. Es sei „absurd, von gingen an Martin Hartnagel, der Zu- den Querdenkern eine Verbindungsli- griff auf den Bildernachlass von Elisa- nie zur Weiße Rose zu ziehen. […] Wir beth Hartnagel, geb. Scholl, hat. distanzieren uns deshalb entschieden Mit Frau Dr. Kronawitter war er in von diesem Umgang mit dem Erbe Kontakt für eine Ausstellung der Brief- der Weißen Rose“. Faksimiles „Sophie Scholl/Fritz Hart- Eine Erklärung, die inhaltlich in die- nagel“, die das Theaterhaus selbe Richtung zielte, erschien am um 2004 präsentiert hatte. Sie sollte 18. September 2020 in der Südwest in der LMU München im Zusammen- Presse Ulm, anlässlich einer in Ulm hang mit einer vom Münchner Volks- geplanten Demonstration von „Quer- theater inszenierten Lesung aus den denken-731“ mit ausdrücklichen Be- Briefen gezeigt werden. Die Corona- zügen zur Weißen Rose. Pandemie brachte das Projekt zu Fall. Sie war von bekannten und weniger Am 24. August 2020 nahm Florian bekannten Personen des öffentlichen Aicher Kontakt zu Jörg Hartnagel auf, Lebens unterzeichnet, darunter die nachdem sein Bruder Julian am Wo- Neu-Ulmer Oberbürgermeisterin Ka- chenende zuvor in Forchtenberg (Ge- trin Albsteiger, der Ulmer OB Gunter burtsstadt von Sophie Scholl) an einer Czisch, sowie dessen Vorgänger OB Querdenker-Demonstration als Red- a. D. Ivo Gönner. Mitunterzeichner ner mitgewirkt hatte, die explizit der waren auch Florian Aicher und Jörg Weißen Rose „gewidmet“ war. Das Hartnagel. Am 26. November erschien in den Stuttgarter Nachrichten ein Artikel der Journalistin Lisa Welzhofer, die darin einen bundesweit bekannt geworde- nen Vorfall aufgriff, als bei einer Quer- denker-Demonstration in Hannover eine junge Frau sich mit Sophie Scholl verglich, weil sie „aktiv im Wider- stand“ sei. Frau Welzhofer war zuvor telefonisch bzw. per E-Mail mit Florian Aicher und Jörg Hartnagel in Kontakt getreten. Sie stützte ihren Artikel we- sentlich auf die so erhaltenen Informa- tionen und die o. g. Presseerklärung. Jörg Hartnagel

13 4 Wanderausstellungen zur Weißen Rose

Deutschland

Stationen Wanderausstellung: Weiße Rose. Studenten gegen Hitler, München 1942/43 07.01.2020 – 14.02.2020 Hans-Leipelt-Schule Donauwörth (Bayern) 13.01.2020 – 03.02.2020 Stadt Garching bei München, Bürgerhaus (Bayern) 16.01.2020 – 30.01.2020 Stadt Halver, Humboldtschule (Nordrhein-Westfalen) 10.02.2020 – 14.02.2020 Mönchengladbach, Anna-Schiller-Schule Rheindalen (NRW) 02.03.2020 – 31.03.2020 Vellmar, Ahnatal-Schule (Hessen), (Ausstellung konnte aufgrund des Corona-Lock- downs nur eine Woche gezeigt werden.) 24.08.2020 – 20.9.2020 Geschwister-Scholl-Realschule, Emsdetten (NRW) In den Monaten April bis August geplante Ausstel- lungen mussten aufgrund der Corona-Pandemie ab- gesagt oder verschoben werden. 09.11.2020 – 20.11.2020 Moser Schule Schweizer Gymnasium, Berlin 09.11.2020 – 18.12.2020 Geschwister-Scholl-Gymnasium, Stuttgart (BW)

Stationen Einzelausstellung: Hans Scholl und die Weiße Rose 15.2.2020 Treffen vor Ort e. V., Ahlen (NRW)

Bericht Wanderausstellung Die vier Sets unserer Wanderausstellung zur Wider- standsgruppe Weiße Rose waren für das Jahr 2020 zunächst stark nachgefragt, viele Termine fest ge- bucht. Trotz der massiven Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie konnten am Ende immerhin acht Ausstellungsstationen realisiert werden, sieben davon an Schulen. Es gelang zudem erfreulicherwei- se, einige der ausgefallenen Termine auf die Jahre 2021 und 2022 zu verschieben.

14 Hans-Leipelt-Schule, Donauwörth Aus dem Vortrag Angela Bottins in ­Donauwörth: Zu Jahresbeginn war unsere Wander- ausstellung knapp sechs Wochen „Es war die Konfrontation mit der lang an der Hans-Leipelt-Schule in Rechtlosigkeit von Menschen, die den Donauwörth zu sehen. Die staatliche Weg Hans Leipelts in den Widerstand Fachoberschule und Berufsoberschule von früh an prägte und die ihn zu gedachte am 29. Januar feierlich des einem rastlosen Aufklärer gegen das 75. Todestages Hans Leipelts. Hans praktizierte staatliche Unrecht werden Konrad Leipelt war wegen seiner Wi- ließ. So schrieb er rückblickend auf derstandshandlungen am 13. Oktober dem kleinen vorgegebenen Papier 1944 vom Volksgerichtshof in Donau- seines ‚Gnadengesuchs‘, das er nach wörth zum Tode verurteilt und am dem Rücktransport von Donauwörth 29.1.1945 in München-Stadelheim hin- nach München am 29. Oktober 1944 gerichtet worden. Die Schule würdig- verfasste, mit geradezu entlarvender te ihn an seinem Todestag mit einer Pointierung der NS-Ideologie: Gedenkveranstaltung für Schüler:in- ‚Indessen meine ich, dass gerade in nen am Vormittag sowie einem feier- dem Staat, der sich mit Stolz als Ver- lichen Gedenken am Abend, zu dem fechter ideeller Prinzipien gegenüber Ehrengast Landrat Stefan Rößle ein dem Materialismus bekennt, auf Ver- kurzes Grußwort hielt. Zu beiden An- ständnis hoffen zu dürfen dafür, dass lässen trug Angela Bottin vor, Hambur- die seelischen Belastungen, denen ger Historikerin und Beiratsmitglied ich erlag, stärkeren Einfluss auf mein der Weiße Rose Stiftung, die sich seit Denken ausübten als materielle Un- Jahren intensiv mit Hans Leipelt und versehrtheit oder Vorteile, und dass seiner Beteiligung am Widerstand ich mich auf die Seite stellte, wo ich der Weißen Rose befasst. Sie sprach erlittenes Unrecht zu sehen vermein- ausführlich über Hans Leipelt, seine te, wenn ich auch selbst unter den Familie mütterlicherseits und über Lei- von mir so beurteilten Maßnahmen pelts Widerstand. Für die Weiße Rose materiell kaum zu leiden hatte.‘ Stiftung sprach die Vorsitzende Dr. Zu den seelischen Belastungen, die er Hildegard Kronawitter. Sie hob hervor, nur andeuten konnte, gehörten die Er- dass die Hans-Leipelt-Schule mit dem fahrungen der sich immer weiter ver- Festakt ihren Namensgeber in be- stärkenden Entrechtung seiner Mut- rührender Weise erinnert und zugleich ter, das Miterleben der dramatischen ehrt. Die Schule mache damit auch Ereignisse in Wien, die direkt mit der deutlich, dass jene Werte, für die die Annexion Österreichs im März 1938 Weiße Rose steht, Teil ihres pädagogi- über seine geliebten Angehörigen und schen Programms sind. die vertrauten Freunde hereinbrachen und binnen eines Jahres das gesamte familiär-soziale Gefüge durch staat- liche Fremdbestimmung zerstörten. Hans Leipelt erlebte mit nicht einmal siebzehn Jahren, was existentielle Ohnmacht gegenüber offenkundigem Unrecht bedeuten kann. Die Verhaf- tung seines Wiener Patenonkels Otto Baron, mit dem ihn ein enges Verhält- nis verband, dessen Suizid, um seine Familie zu beschützen, die überstürzte Flucht der Großeltern Arnold und Her- mine Baron aus Wien, die Entlassung der Familienfreundin, der Pharmazeu- tin und Ärztin Dr. Susi Glaubach, aus ihrer Anstellung an der Wiener Uni- versität und die Vorbereitungen ihres unverzichtbaren Schrittes als bedrohte Jüdin ins Exil – alles dieses und man- ches bislang Unvorstellbare mehr waren plötzlich unabweisliche Realität. Er selbst absolvierte in den März- tagen 1938 in Hamburg sein Abitur und musste sich parallel zu den un- beschreiblichen Einbrüchen in das Leben seiner Familie in die Dienste des Staates begeben, der dafür die Verantwortung trug: Vom April bis Chris Bade, der Neffe Hans Leipelts, war mit zum 25. Oktober 1938 dauerte sein seiner Familie zur Gedenkveranstaltung eigens ‚Reichsarbeitsdienst‘, dem sich im aus den USA angereist November der unumgängliche Wehr-

15 dienst anschloss. Ja, er meldete sich freiwillig, wie immer wieder hervorgehoben wird. Doch was war der Grund dafür? Nicht Patriotismus oder Sympathie für die NS-Staatsmacht. Diese Verpflichtungen für männliche Schulabsolventen waren an das Alter von achtzehn Jahren gekoppelt, doch er war diesem Alter voraus und musste freiwillig um einen vorzeitigen Einsatz nachsuchen, wenn er sein Ziel zu studieren nicht für lange Zeit tatenlos abwarten wollte. Diese Parallelität von Ereignissen allein hätten einen jungen Mann von sechzehn, siebzehn Jahren völlig über- Angela Bottin fordern können. Doch dieses sollte nur der Beginn des Unvorstellbaren sein, das Hans Leipelt unter den Begriff der ‚seelischen Belastungen‘ in seinem ‚Gna- dengesuch‘ fasste. Er unterschied in seinen persönlichen Ausführungen zwischen den Aufgaben des Gerichts und den Mög- lichkeiten desjenigen, ‚in dessen Hand es steht, zu begnadigen‘ – wie er die sprachliche Umschreibung für Adolf Hitler wählte, an den er sich nun als letzte Instanz über Leben und Tod wenden musste.“

Auszug aus der Präsentation von Angela Bottin über die Familie Leipelt

v.l.: Dr. Katja Schneider-Stief, Ehepaar Bade, Dr. Hildegard Kronawitter

16 Garching, Bürgerhaus Nach der Benennung der Bundeswehrliegenschaft Garching-Hochbrück in Christoph-Probst-Kaserne im November 2019 bot die Stadt Garching zu Beginn des Jahres 2020 allen interessierten Bürger:innen die Möglichkeit, sich ausführlich mit dem studenti- schen Widerstand der Weißen Rose zu beschäfti- gen. Auf Vermittlung der Stadträtinnen Dr. Gerlinde Schmolke und Dr. Ulrike Haerendel wurde ab Mitte Januar unsere Wanderausstellung zur Weißen Rose zwei Wochen lang im Bürgerhaus der Stadt ge- zeigt. Bürgermeister Dr. Dietmar Gruchmann hob in seinem Grußwort anlässlich der Vernissage am 16. Januar hervor, mit der Ausstellung ein wichtiges Zei- chen gegen Ignoranz, Intoleranz und Unmenschlich- keit setzen zu wollen.

Vernissage im Bürgerhaus Garching, 16.1.2020: Dr. Hildegard Kronawitter führte in ihrem Grußwort in die Geschichte der Weißen Rose ein

Vernissage im Bürger- haus Garching, 16.1.2020, von links: Manfred Solbrig (2002-2008 Bürgermeis- ter von Garching), Dr. Hilde- gard Kronawitter, Dr. Gerlinde Schmolke, Dr. Dietmar Gruch- mann, Dr. Ulrike Haerendel

Halver, Humboldtschule An der Humboldtschule in Halver wurde im Schul- jahr 2019/20 erstmals ein umfangreiches Projekt zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozia- lismus“ am 27. Januar durchgeführt. Wir freuen uns besonders, dass die verantwortliche Lehrerin, Natalja Reuters, sich entschied, den Fokus des Projekts auf den Widerstand der Weißen Rose zu legen und hier- für unsere Wanderausstellung an die Humboldtschu- le zu holen. Ab Herbst 2019 beschäftigten sich 26 Schüler:innen der 9. Klassen im Religionsunterricht und in Gesellschaftslehre (Geschichte, Politik und Erdkunde) mit den Themen Holocaust und Wider- stand im Nationalsozialismus. Intensiv befassten sie sich hierfür mit der studentischen Widerstands- grupppe Weiße Rose, erarbeiteten die Lebensläufe der Mitglieder und analysierten die Flugblätter. Ab

17 dem 27. Januar wurden die verschiedenen Projekte – u. a. selbst geschriebene Tagebücher, Biografien und multimediale Präsentationen – zusammen mit der Wanderausstellung Weiße Rose vier Tage lang den Mitschüler:innen und einer interessierten Öffentlich- keit präsentiert.

Nemanja Goncin und Nils Reinhardt sind zwei der 26 Schüler, die ein Projekt anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalso- zialismus erarbeiteten

Mönchengladbach, Anna-Schiller-Schule Die Ausstellung verblieb zunächst in Nordrhein-West- falen und wanderte weiter nach Mönchengladbach. Im Februar 2020 ermöglichte es die Anna-Schil- ler-Schule Rheindalen (Stadtbezirk von Mönchen- gladbach) ihren Schüler:innen, sich eine Woche lang intensiv mit der Weißen Rose auseinanderzusetzen. Die historischen Hintergründe und Geschichte der Widerstandsgruppe wurden im Unterricht ausführlich behandelt. Auch die benachbarte LVR-Förderschule nahm das Angebot des Schulleiters Ansgar Strerath an, die Ausstellung zu besuchen, sie stand zudem am letzten Tag auch interessierten Bürger:innen Mönchengladbachs offen.

Vellmar, Ahnatal-Schule Die Ahnatal-Schule im hessischen Vellmar hatte unsere Wanderausstellung für den gesamten März 2020 gebucht. Geplant war ein umfangreiches Pro- gramm: Die Schüler:innen sollten sich im Rahmen des Gesellschaftslehreunterrichts mit dem Thema befassen; ausdrücklich wollte Schulleiter Gunter Frei- ling aber auch die Vellmarer Bevölkerung ansprechen, der der Besuch der Ausstellung offen stand. Auf der Homepage der Schule betont man: „Wir möchten mit der Ausstellung ein Zeichen setzen, ein Zeichen für Mitmenschlichkeit und gegen die Unmenschlich- keit der NS-Diktatur. Der Mut der Studentinnen und Studenten um Sophie Scholl in Zeiten der Schre- ckensherrschaft war vorbildlich und damit steht die Weiße Rose auch beispielhaft für das politische En- gagement junger Menschen und ist aktueller denn je.“ Es ist sehr bedauerlich, dass die Ausstellung auf- grund des Lockdowns ab Mitte März 2020 schließlich nur eine knappe Woche lang gezeigt werden konnte.

18 Weiße Rose Ausstellung im Foyer der Ahnatal-Gesamt- schule in Vellmar

Die Präsentation von Ausstellungen war im zweiten Quartal des Jahres nicht möglich. Sämtliche für April bis Juli geplanten Termine mussten aufgrund des Lockdowns und der weiteren Einschränkungen abge- sagt oder verschoben werden. Umso erfreulicher ist es, dass ab Ende August wieder einige Ausstellun- gen an Schulen realisiert wurden.

Emsdetten – Berlin – Nürnberg Den Anfang machte zu Beginn des neuen Schuljahrs in Nordrhein-Westfalen die Geschwister-Scholl-Real- schule in Emsdetten, die 2020 ihr 50jähriges Schulju- biläum feiern konnte. Mit unserer Ausstellung wurde der Fokus auf die Namensgeber der Schule und den Widerstand der Weißen Rose gelegt. Wir danken der Schule und ihrem Förderverein, besonders aber Marc Laqua, der als Leiter einer Geschichts-AG die Ausstellung anregte, sodass man trotz aller Unwäg- barkeiten die lange geplante Präsentation der Aus- stellung wagte. Im November 2019 hatte Vorstandsmitglied Dr. Werner Rechmann in zwei Vorträgen an der privaten Moser Schule in Berlin zum Thema Weiße Rose ge- sprochen. Davon angeregt entschloss sich das bi- linguale deutsch-französische Gymnasium dazu, im November 2020 zwei Wochen lang unsere Weiße Rose-Ausstellung an der Schule zu zeigen. An der Geschwister-Scholl-Realschule in Nürnberg sollte der regelmäßig stattfindende Projekttag zum „Tag der Menschenrechte“ am 10. Dezember 2020 ganz im Zeichen der Widerstandsgruppe Weiße Rose stehen. Die Organisatorin des Projekttages, Sandra Just, plante hierfür, unsere Wanderausstellung nach 2018 ein zweites Mal an der Schule zeigen. Leider konnten aufgrund der erneuten pandemiebdingten Einschränkungen des regulären Schulbetriebs der „Tag der Menschenrechte“ und die begleitende Aus- stellung nicht wie geplant durchgeführt werden. Wir stellten dem Projektteam jedoch zur Vorbereitung ein umfangreiches Materialpaket zur Verfügung, mit dem die Schule auch weiterhin arbeiten kann.

19 Stuttgart, Geschwister-Scholl-Gymnasium Bereits im Frühjahr 2020 kam das Geschwister- Scholl-Gymnasium in Stuttgart auf uns zu und er- kundigte sich nach den Möglichkeiten einer länger- fristigen pädagogischen Kooperation. Der Schule ist es ein großes Anliegen, den Schüler:innen ihre Na- menspatronen und die Geschichte der Widerstands- gruppe Weiße Rose nahe zu bringen. Die Corona- Pandemie vereitelte die ursprünglichen Pläne eines Besuchs in der DenkStätte Weiße Rose mit beglei- tenden Workshops. Wir freuen uns umso mehr, dass es zusammen mit der verantwortlichen Lehrerin Ka- thrin Streif dennoch gelang, einen sehr vielverspre- chenden Auftakt für die künftige Zusammenarbeit zu gestalten. Im November und Dezember 2020 wurde unsere Wanderausstellung an der Schule gezeigt. Begleitend berieten wir fachlich und stellten Hinter- grundinformationen und pädagogisches Material zur Ausstellung zur Verfügung. In mehreren AGs er- arbeiteten sich die Schüler:innen der 9. Klassen das Thema und bereiteten es zur Vermittlung an ihre Mit- schüler:innen der 5. Klassen vor – da pandemiebe- dingt nur eine Vermittlung über Distanz möglich war, entstanden dabei ganz unterschiedliche, beeindru- ckende kleine Videos (mehr zum Weiße Rose-Projekt am Geschwister-Scholl-Gymnasium Stuttgart sehen Sie in Kapitel 5 „Historisch-Pädagogische Arbeit“). Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit und darauf, die Schüler:innen des Geschwister-Scholl- Gymnasiums künftig auch vor Ort in der DenkStätte Weiße Rose begrüßen zu können.

20 Einzelausstellung Hans Scholl und die Weiße Rose (ergänzt durch Portraittafel Sophie Scholl) Anlässlich des 77. Todestages der Geschwister Scholl und Christoph Probsts fand in Ahlen am 15. Februar eine Veranstaltung des DGB-Kreisver- bands Warendorf in Kooperation mit der SPD Ahlen, der IG Metall Güters- loh-Oelde, der Stadt Ahlen und dem Cinema Ahlen zur Erinnerung an die Weiße Rose statt. Die Weiße Rose Stiftung stellte dem Ahlener Verein „Treffen vor Ort“ hierfür die biographi- sche Einzelausstellung „Hans Scholl und die Weiße Rose“, ergänzt durch Manfred Kreutz, Initiator Ausstellungstafeln zu Sophie Scholl, zur Verfügung. Neben einem feierlichen Gedenken und einem geführten Rundgang durch die Hans Scholl-Ausstellung, fand im Jugend- und Kulturhaus Ahlen eine Diskussionsrunde zum heutigen Ver- ständnis von Freiheit und demokrati- schen Werten sowie eine Vorführung von Marc Rothemunds Film „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ statt. Man- fred Kreutz, einer der Hauptorganisa- toren, zeigte sich sehr zufrieden mit dem Erfolg der Veranstaltung, zu der auch der Bürgermeister Ahlens sowie Vertreter von DGB, SPD und der Kir- che gesprochen hatten. In Ahlen gibt es derzeit Bestrebungen, einen Platz nach der Weißen Rose zu benennen. Wir danken Herrn Kreutz für seine Initia­tive und wünschen dem Vorha- ben guten Erfolg.

21 International

Brasilien Das 2013 angestoßene Übersetzungs- und Aus- stellungsprojekt in Brasilien wurde auch 2020 fortgesetzt und trägt weiterhin Früchte in Form von Vorträgen, Lehrveranstaltungen und Filmvor- führungen zur Weißen Rose – im Berichtsjahr vor- wiegend digital. Im Zuge des „138. Forum des Komitees für Frie- denskultur und Gewaltfreiheit – Verweigerung aus Gewissensgründen. Die Weiße Rose: die Geschichte deutscher Studenten, die den Nationalsozialismus bekämpften“ präsentierte die brasilianische Organi- sation Palas Athena, die sich für die Förderung einer Friedenskultur und der Friedenserziehung in Brasilien einsetzt, ab Mai/Juni 2020 einige Videos über die Weiße Rose. In einem einführenden Film stellt Prof. Juliana P. Perez die Weiße Rose vor und liest Auszüge aus der portugiesischen Übersetzung des Buches von sowie aus den Flugblättern und der Ver- teidigungsrede von Prof. Huber. Inge Scholls Buch „Die Weiße Rose“ war 2013 von einer Gruppe von Studierenden der Universität São Paulo erstmalig ins Portugiesische übersetzt worden. (Link zum Film: https://www.palasathena.org.br/ 2020/05/15/138o-forum-do-comite-da-cultura-de-paz- e-nao-violencia-objecao-de-consciencia-a-rosa- branca-a-historia-dos-estudantes-alemaes-que- desafiaram-o-nazismo/) In einem weiterführenden Video werden Auszüge aus Briefen von Sophie Scholl, Fritz Hartnagel, Hans Scholl und Willi Graf in portugiesischer Übersetzung vorgelesen und mit Fotos angereichert. (Link zum Video: https://www.palasathena.org.br/ 2020/05/15/138o-forum-do-comite-da-cultura-de-paz- e-nao-violencia-objecao-de-consciencia-cartas-dos- resistentes-rosa-branca/). Die Texte sind Bestandteil der Doktorarbeit von Anna Carolina Schäfer zur Übersetzung von Briefen, die von Mitgliedern der Widerstandsgruppen Weiße Rose, Kreisauer Kreis und Rote Kapelle verfasst wur- den. Verschiedene Germanistik-Absolventen der Uni- versität São Paulo liehen den Verfassern der Briefe im Video ihre Stimmen. In einem weiteren Video wird ein Auszug des Doku- mentarfilms „Die Widerständigen“ von Katrin Sey- bold gezeigt, begleitet von einem Text von Yasmin Utida, die den Dokumentarfilm im Rahmen ihrer Masterarbeit für das Goethe-Institut in São Paulo mit portugiesischen Untertiteln versehen hat. (Link zum Video: https://www.palasathena.org.br/ 2020/05/15/138o-forum-do-comite-da-cultura-de-paz- e-nao-violencia-objecao-de-consciencia- sobreviventes-da-rosa-branca/) Auch Dr. Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der Wei- ße Rose Stiftung, beteiligte sich mit einem Videobei- trag an der Veranstaltung. Ihr Redetext wurde von Prof. Juliana P. Perez ins Portugiesische übersetzt und auf der Webseite begleitend zum Video zur Ver- fügung gestellt. (Link zum Video: https://www.palasathena.org.br/ 2020/06/25/138o-forum-do-comite-da-cultura-de-paz- e-nao-violencia-objecao-de-consciencia-video-com- dra-hildegard-kronawitter/)

22 Außerdem konnte Anna Carolina Schäfer einen Deutschkurs am Goethe-Institut São Paulo zum The- ma Weiße Rose leiten. Der Kurs „Sag nicht, es ist fürs Vaterland“ für zwölf fortgeschrittene Deutsch- lernende (ab Niveau B2) beschäftigte sich mit dem deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialis- mus anhand authentischer Materialien wie Tagebü- cher, Briefe, aber auch Auszüge aus Filmen.

Flyer zum Deutschkurs von Anna Carolina Schäfer Anna Carolina Schäfer referierte ebenfalls im Online- kurs „Wer hat Angst vor der deutschen Literatur?“, der von der Universität São Paulo (USP) veranstaltet wurde. Der Kurs wurde im Rahmen der universitären Weiterbildung der USP am 23. September 2020 an- geboten. Rund hundert Personen, die sich für deut- sche Literatur interessieren, nahmen am digitalen Austausch über Inge Scholls Buch „Die Weiße Rose“ teil. Hierbei standen vor allem die folgenden Themen im Mittelpunkt: der Begriff „Widerstand“; deutsche Widerstandsgruppen; Biografien von Widerständlern; das Buch „Die Weiße Rose“ im Rahmen der deut- schen Erinnerungskultur. Yasmin Cobaiachi Utida hat 2020 an der Universität São Paulo ihre Promotion zum Thema Tradução e história oral em diálogo: A legendagem de entre- vistas da resistência ao nacional-socialismo alemão [Übersetzung und Oral History im Gespräch: Der Untertitelungsprozess von Zeitzeugeninterviews des Widerstands gegen den Nationalsozialismus in Deutschland] aufgenommen. Die Arbeit ist an der Schnittstelle von Übersetzungswissenschaft und Oral History angesiedelt. Ziel des von Prof. Juliana P. Perez und Prof. Tinka Reichmann betreuten Vorhabens ist es, den Überset- zungsprozess im Kontext der Oral-History-Ansätze zu untersuchen und zu beschreiben, aber auch, die Vielfalt der gegen das NS-Regime gerichteten Hand- lungen einer breiten brasilianischen Öffentlichkeit zu- gänglich zu machen. Anna Carolina Schäfer

Sowohl Anna Carolina Schäfer als auch Yasmin Co- baiachi Utida waren Praktikantinnen der Weiße Rose Stiftung e. V.

23 Russland Dank der Initiative von Dr. Igor Chramow, der die Stiftung „Eurasia“ in Orenburg leitet und sich seit über 20 Jahren für die Erinnerung an Alexander Schmorell in Russland einsetzt, konnten 2020 ei- nige bemerkenswerte Veranstaltungen zu Alexan- der Schmorell und der Weißen Rose in Russland stattfinden. Dazu zählt auch die feierliche Aufstel- lung einer Bronzebüste von Alexander Schmorell vor der Universität in Orenburg. Am 18. Februar 2020, dem 77. Jahrestag der Verhaf- tung von Hans und Sophie Scholl in München, hielt Igor Chramow Vorträge zu Alexander Schmorell und der Widerstandsgruppe Weiße Rose in der Stadt- bibliothek in Nowotroitzk, östlich von Orenburg. Er sprach vor Jugendlichen und am Abend vor älterem Publikum. Es wurden Filmausschnitte vorgeführt, Bücher zu Alexander Schmorell vorgestellt und sehr viele interessante Fragen ausführlich diskutiert. Trotz Pandemie und der Einschränkungen aller kulturellen Aktivitäten gelang es, am 3. Juni ein neues Museum im Stadtzentrum von Orenburg zu eröffnen. Das „Museum bedeutender Orenburger ‚Nashi Ljudi‘“ erinnert an über 30 Personen, die die Geschichte geprägt haben. Alexander Schmorell, der 1917 dort geboren wurde, ist genauso vertreten wie der erste Weltraumflieger Juri Gagarin oder der Cel- list und Dirigent Mstislaw Rostropowitsch. Das Mu- seumsprojekt hatte 2019 eine Ausschreibung gewon- nen und wurde auch von der Weiße Rose Stiftung e. V. finanziell unterstützt. Eine weitere Förderung der Wladimir-Potanin-Foundation ermöglichte ein zu- sätzliches online-Angebot von Führungen und Vorträ- gen. Die Filmbeiträge über Alexander Schmorell und die Weiße Rose wurden zu Beginn des Deutschland- jahres 2020/2021 auch im Generalkonsulat der Bun- desrepublik Deutschland in Jekaterinburg gezeigt.

Igor Chramow präsentiert Exponate zu Alexander Schmorell und der Weißen Rose im Museum bedeuten- der Orenburger „Nashi Ljudi“ in Orenburg

Am 3. September, anlässlich des 75. Jahrestags des Großen Sieges, wurde auch an den Widerstand der Weißen Rose erinnert. Russischsprachige Menschen in mehr als 30 Ländern sahen den Film über die stu- dentische Widerstandsgruppe und Alexander Schmo- rell, der im Rahmen des internationalen Filmprojek- tes „Rendezvous mit Russland“ auf der Website von „Rossotrudnitschestwo“, der Föderalagentur für Angelegenheiten der GUS zur Förderung der inter- nationalen kulturellen Zusammenarbeit, eingestellt wurde. Laut Einschaltquoten haben anschließend noch über 80 000 Zuschauer an der online Diskus- sion teilgenommen, an der auch Igor Chramow, der Erzpriester der Russisch-orthodoxen Kathedrale in München Nikolaj Artemoff und Geistliche aus Berlin, Moskau und Südafrika teilnahmen.

24 Eine große Konferenz zu Beginn der Moskauer Inter- nationalen Buchmesse in der bedeutenden Buch- handlung „Biblio-Globus“ war ganz den christlichen Märtyrern gewidmet, die während des Zweiten Welt- kriegs hingerichtet wurden. Der Generalvikar der Römisch-Katholischen Erzdiözese der Mutter Gottes in Moskau, Priester Kirill Gorbunov, sprach über das „Katholische Martyrologium“. Die Liste der christ- lichen Märtyrer in der Zeit des Nationalsozialismus zählt mehr als tausend Opfer und enthält „symbo- lisch“ auch Vertreter des Protestantismus, aber nur einen der Russisch-Orthodoxen Religion: Alexander Schmorell. Auf dieser Konferenz und auf einer wei- teren Ausstellungseröffnung zu diesem Thema in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Moskau trat auch Igor Chramow als Redner auf. Zu den Ehren- gästen der Veranstaltungen zählten Vertreter der Katholischen und Evangelisch-Lutherischen Kirche Russlands, des Kultusministeriums, der Ministerprä- sident Russlands a.D. Sergey Stepaschin sowie der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Géza Andreas von Geyr.

Dr. Igor Chramow vor der Tafel für Alexander Schmorell in Moskau

In Orenburg wurde am 30. September am Eingang zum Campus der Staatlichen Medizinischen Uni- versität eine Bronzebüste von Alexander Schmorell enthüllt. Dahinter, am Gitter des Universitätszauns, wurden zwei Mosaik-Ikonen und zwei Gedenktafeln eingearbeitet. Ein Antlitz des Heiligen Alexander von München – Schmorell wurde 2012 von der Russisch- Orthodoxen Kirche heiliggesprochen – blickt auf die Straße, das andere auf das Universitätsgebäude. Maxim Duguschki schuf die beiden Mosaike nach den Ikonen aus der Russisch-Orthodoxen Kirche in München und der Heiligen-Nikolaus-Kathedrale in Orenburg. Auf der einen Gedenktafel ist eine kurze Biografie von Schmorell zu lesen und die Namen der sieben Hingerichteten der Weißen Rose. Auf der an- deren Tafel stehen Worte von Alexander Schmorell: „Schönes, herrliches Russland! Die Birke ist dein Baum“. Für die Büste sammelte die Orenburger Stiftung „Eurasia“ über drei Jahre Spendengelder. Die Idee, die Büste des Medizinstudenten der Münchener Universität genau vor der Medizinischen Universität in Orenburg aufzustellen, wurde vom Rektor der Universität Dr. Igor Miroschnitschenko tatkräftig unterstützt und auch die Stadtverwaltung trug zu der Gestaltung des anliegenden Territoriums bei. Trotz der Corona-Auflagen waren alle Rektoren der Oren- burger Universitäten und zahlreiche Medien bei der Einweihung der Büste anwesend.

25 Seit zwanzig Jahren ist es Tradition, dass die Weiße Rose Stiftung e. V. zum Geburtstag von Schmorell am 16. September an Studierende von Orenburger Universitäten „Alexander Schmorell Stipendien“ verleiht. Diesmal wurden vier Studentinnen der Ger- manistik ausgewählt. Igor Chramow überreichte die Stipendien mit Tatjana Sawinowa, stellvertretende Gouverneurin des Gebietes Orenburg, und dem stell- vertretenden Oberbürgermeister der Stadt Orenburg Dmitrij Bewz. Vertreter der Weiße Rose Stiftung e. V., Familienangehörige und der Deutsche Botschafter aus Moskau konnten pandemiebedingt diesmal lei- der nicht anreisen. Dr. Igor Chramow

Mit dem Rektor Miroschnit- schenko bei der Enthüllung der Schmorell-Büste vor der Medizinischen Fakultät Orenburg

Übergabe der Alexander Schmorell Stipendien in Orenburg

26 Polen Unsere polnischsprachige Wanderausstellung wurde Ende Februar bis Ende März 2020 am Historischen Institut der Universität in Rzeszów gezeigt. Gleichzeitig fand dort ein wissenschaft- licher Kongress zum Thema Widerstand statt. Wir danken besonders Maria Szymanska, die unseren Ausstellungsverleih in Gorlice seit vielen Jahren erfolgreich betreut. Bericht von Maria Szymanska: „Mit Unterstützung einiger Studenten und der Hilfe von Dr. Janusz Polaczek präsentierten wir die Aus- stellungstafeln in der Eingangshalle des Historischen Instituts. Auf der feierlichen Eröffnung am 28. Feb- ruar waren geladene Gäste aus der Stadtverwaltung und dem Bildungsministerium vertreten, aber auch zahlreiche Wissenschaftler und Studenten der Uni- versität sowie eine Schulklasse der Gorlicer Ober- schule. Nach einer allgemeinen Begrüßung der Gäs- te kam die Ansprache der Direktorin des Dekanats Dr. Agnieszka Kawalec, dann sprach ich selbst und Dr. Janusz Polaczek, Dozent für Geschichte. An- schließend las ich die Übersetzung des Grußworts von Winfrid Vogel vor, der den Ausstellungsverleih in Osteuropa für die Weiße Rose Stiftung e. V. viele Jahre betreute. Einen wissenschaftlichen Vortrag über die Zeit des Nationalsozialismus und den Wider- stand in Deutschland hielt daraufhin Prof. Jolanta Kaminska-Kwak. Gegen Mittag gingen die Gäste in einen Kinosaal, in dem wir den Spielfilm ‚Sophie Scholl – Die letzten Tage‘ zeigten. Kurz vor Ende des Films kam es leider zu einer technischen Panne, die jedoch gelöst werden konnte. Nach dem Film luden wir bei Kaffee und Kuchen ein, die Ausstellung anzu- sehen und ins Gespräch zu kommen. Bis Ende März war die Ausstellung an der Universität zu sehen. Viele Studenten verbringen in der großen Eingangshalle des Instituts ihre Pausen zwischen den Vorlesungen und trinken dort Kaffee. Die Halle ist ein Treffpunkt für viele Jugendliche und ich finde, sie ist ein sehr gut geeigneter Platz für die Ausstel- lung. Die Vorbereitung der Eröffnung war sehr aufwendig, ich führte zahlreiche Gespräche mit Vertretern der kommunalen Behörden und der Universität. Ich hoffe sehr, dass meine Bemühungen, dafür zu sorgen, dass die Ausstellung in Zukunft periodisch, z.B. alle zwei Jahre, an der Universität gezeigt wird, Wirkung gezeigt haben.“

27 Italien 2020 gab es vier Ausstellungsstationen in Italien. „La Rosa Bianca“ wurde mit großem Erfolg bis Mitte Februar in Palermo und in Ascoli Piceno ge- zeigt. Anschließend wurde sie in Cervia eröffnet. Ende des Jahres war sie im Friaul in Udine zu sehen, dort wurde sie 2021 sogar um weitere Wo- chen verlängert. Wir danken allen Beteiligten vor Ort, die uns organisatorisch unterstützt haben. Besonders das pädagogisch-didaktische Engage- ment der Lehrer:innen war beeindruckend. Bis 11. Februar 2021 war die italienischsprachige Wanderausstellung „La Rosa Bianca“ an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Palermo zu sehen. Eröffnet wurde die Ausstellung schon im Berichtsjahr am 17. Dezember 2020. Dr. Umberto Lodovici hatte an diesem Tag im Rahmen eines Fort- bildungsseminars der Universität für Gymnasialleh- rer:innen über Möglichkeiten didaktischer Vermittlung der Geschichte der Münchner Widerstandsgruppe gesprochen. Einige Lehrer:innen zeigten sich sehr interessiert, die Ausstellung auch an ihrer Schule zu zeigen, denn das Thema Widerstand gegen den Nationalsozialismus ist in Süditalien bislang weniger bekannt als im Norden. Für die gelungene Organisa- tion vor Ort bedanken wir uns besonders bei Prof. Daniela Tonon und den Professoren Matteo di Figlia und Salvatore Tedesco. Alle äußerten den Wunsch, mit Dr. Umberto Lodovici in Kontakt zu bleiben, um über weitere Projektideen zum Thema Weiße Rose nachzudenken. Vom 24. Januar bis 9. Februar 2020 wurde die Aus- stellung in der beeindruckenden ehemaligen päpstli- chen Papierfabrik in Ascoli Piceno gezeigt. Der Ort ist heutzutage Sitz des „Istituto provinciale per la storia del movimento di liberazione nelle Marche“, das sich mit dem lokalen Widerstand gegen den italienischen Faschismus beschäftigt. Am Tag der Ausstellungs- eröffnung hielt Dr. Umberto Lodovici einen gut be- suchten Vortrag über die Weiße Rose. Am 27. Januar lief der Spielfilm „Sophie Scholl. Die Letzen Tage“ im Kino. Am Tag zuvor hatte Dr. Umberto Lodovici, eingeladen vom lokalen Partisanenverein in Pescara, die neue Veröffentlichung des Historikers Costanti- no di Sante über ein Konzentrationslager in Bozen vorgestellt, das in Italien wenig bekannt ist. Im an- schließenden Gespräch mit dem Publikum stellte Dr. Lodovici auch die historisch-politische Bildungsarbeit der Weiße Rose Stiftung vor. Für den großen Erfolg der Veranstaltung bedanken wir uns besonders bei Prof. Costantino Di Sante, der alles hervorragend or- ganisiert hatte. Dieser Erfolg ist in Ascoli Piceno auch von aktueller politischer Bedeutung, denn die Bevöl- kerung der Stadt wählt überwiegend rechts – am Tag der Ausstellungseröffnung war auch die Vorsitzende der rechtsnationalen, populistischen Partei „Fratelli di Italia“ in Ascoli Piceno. Am 17. Februar 2020 wurde die Ausstellung „La Rosa Bianca“ in Cervia eröffnet und zwei Wochen in der Scuola Media vom Istituto „Cervia 2“ gezeigt. Zur Ausstellungseröffnung sprach Schulleiter Giancarlo Frassineti über die Geschichte der Widerstandsgrup- pe. Er betonte den großen Mut der Student:innen der Weißen Rose und ihre Fähigkeit, der Realität wach und kritisch ins Auge zu sehen. Anschließend appellierte Michela Brunelli, Stadträtin für Kultur, an ihre jungen Zuhörer:innen, Werte wie Freiheit und Gerechtigkeit immer fest in ihrem Herzen zu behal-

28 ten. Einige Schüler:innen trugen das deutsche Freiheitslied „Die Gedanken sind frei“ in deutscher und italieni- scher Sprache vor. Die Klasse von Tiziana Pezzuto, die die Ausstellung an die Schule holte, arbeitete mit Auszü- gen aus Briefen und Tagebüchern der Weißen Rose in deutscher Sprache. Großer Dank für ihr organisatorisches und pädagogisches Engagement geht an Tiziana Pezzuto und ihre Kolleg:in- nen Raffaella Valzania, Catia Maldini, Tiziana Occhiodoro und Fabrizio Nan- ni. Sie haben die Schüler:innen mit verschiedenen Medien intensiv auf das Thema Widerstand gegen die NS- Diktatur vorbereitet. Am 27. Oktober fand die Eröffnung der Ausstellung in Udine im Ethno- grafischen Museum von Friaul statt. Auf Grund der Pandemie konnte sie leider nur online stattfinden. Eine Auf- nahme des Abends findet sich auf YouTube: Inaugurazione della Mostra itinerante della Rosa Bianca. Dr. Um- berto Lodovici hielt einen Vortrag über die Weiße Rose. Ehrengäste des Plakat der Ausstellung in Udine Abends waren Marco Balestra, Vor- sitzender von ANED, der Vereinigung ehemaliger Deportierter in die natio- nalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager, Antonello Lestani von ANPI, der nationalen Vereinigung der Partisanen Italiens, sowie Fabrizio Cigolot, Stadtrat für Kultur der Region Friaul. Ab 29. Oktober hätte im Thea- ter Palamostre das Stück „La Rosa Bianca“ von Fabrizio Saccomanno und Aida Talliente aufgeführt werden sollen. Leider musste es pandemie- bedingt bis auf Weiteres verschoben werden. Das Stück beginnt mit einer Vorbereiten der Ausstellung in Udine herausfordernden Frage an das Pub- likum: „Gibt es etwas, wofür es sich lohnt, das eigene Leben zu riskieren? Es gibt bei einigen Menschen ein tiefes Gerechtigkeitsgefühl, das in ihnen etwas Unsagbares bewegt. Das ist ein Geheimnis“. Geplant war, das Bühnenbild aus Hunderten von unter- schiedlichen Zetteln, Papieren und Heften zu gestalten, die die Gedanken der Student:innen der Weißen Rose symbolisieren sollten. Nach der Auf- führung hätte ein Gespräch mit dem Publikum stattfinden sollen, an dem Bilder der Ausstellung in Udine auch Dr. Umberto Lodovici teilgenom- men hätte. Das beeindruckende Stück war bereits Anfang 2020 in Krakau für italienische Schüler:innen aufgeführt worden, die auf einer Bildungsreise nach Auschwitz waren. Die Ausstellung in Udine blieb bis 21. November 2020 geöffnet. Sie war sehr gut besucht und wird 2021 wie- der gezeigt. Dr. Umberto Lodovici

29 USA In den USA konnten wir 2020 gro- ßes Interesse an der Weißen Rose und an unserer englischsprachigen Wanderausstellung feststellen, wel- ches erfreulicher Weise in der Pro- duktion eines neuen Ausstellungs- sets mündete. Im Jahr 2020 stand für den Verleih in den USA zunächst nur die 28 Pa- nels umfassende Weiße Rose Aus- stellung zur Verfügung, die über das Deutsche Generalkonsulat in Florida verliehen wird. Aus organisatorischen Gründen ist nicht bei jeder Anfrage die Vermittlung dieses Sets möglich. Daher boten wir Interessenten bei passenden Rahmenbedingungen die Übermittlung von Druckdaten an, um in Eigenregie vor Ort Ausstellungs- plakate drucken zu lassen. Zwei Aus- stellungsstationen konnten so in die Wege geleitet werden: Bereits Ende 2019 übermittelten wir an die Bloomigton Public Library in Illinois die Druckdaten für die englisch- sprachige Ausstellung mit 28 Panels. Diese sollte im Rahmen des „Bloo- mington Reads“-Programms von Feb- ruar 2020 bis April 2020 in der Biblio- thek in Bloomington präsentiert wer- den und das rund um den lyrischen Jugendroman „“ von Kip Wilson gestaltete Programm beglei- ten. Aufgrund der Covid-19-Pandemie konnte das Programm leider nicht wie geplant durchgeführt werden. Ein weiteres Projekt wurde dagegen in Fort Worth sehr erfolgreich reali- siert. Vom 5. Februar bis 1. März 2020 wurde unsere Ausstellung im Foyer des Amphibian Stage Theaters ge- zeigt. Anlass war das dort uraufge- führte Zwei-Personen-Stück „Hans & Sophie“ von Sean Hudock, Deborah Yarchun und Illana Stein, mit Sean Hudock als Hans Scholl und Rebekah Brockman als Sophie Scholl. Der New Yorker Schauspieler und Sean Hudock seinerseits äußerte sich Drehbuchautor Sean Hudock war be- in seiner E-Mail vom 15. Februar 2020 reits 2019 im Zuge seiner Arbeit an begeistert über die Zusammenarbeit: dem Stück auf uns zugekommen und „I can't tell you how wonderful it is hatte sich um die Ausstellung bemüht. to see audiences crowded around the Es war beeindruckend, mit welchem exhibition panels after the show to Engagement er sich dem Thema wid- learn more about the White Rose, and mete und sich um die Vermittlung des then buying the At the Heart of the historischen Rahmens seines Theater- White Rose books to take the Scholls stückes bemühte. home with them. Our production is Unser Dank geht daher insbesondere nearly sold out which is due in large an ihn, aber auch an das Amphibian part to the support coming in from all Stage Theater, das den Druck der over. I can't believe that we're here Ausstellungpanels übernahm. Die considering a year ago this project Aufführung stand auch im Zusammen- was a rough draft on paper. […], hang mit der Erinnerung an den 75. Sean“ Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Wir freuen uns sehr,

30 dass „Hans & Sophie“ im September 2020 mit fünf „Dallas-Fort Worth Theatre Critics Awards“, u. a. für „Herausragendes neues Stück“ und „Bester Darstel- ler“, ausgezeichnet wurde.

Rebekah Brockman und Sean Hudock in „Hans & Sophie“

Im Verlauf des Jahres erhielten wir verschiedene Anfragen nach der Ausstellung, diese mündeten auf- grund der anhaltenden Covid-19-Pandemie jedoch nicht in weiteren Ausstellungsstationen. Dass es in den USA ein spürbares Interesse an der Wider- standsgruppe Weiße Rose gibt, erfuhren wir aber auch 2020 über zahlreiche Anfragen und Interview- wünsche, die uns von Schüler:innen und Student:in- nen für Geschichtsarbeiten erreichten. Insbesondere im Rahmen des jährlichen „National History Day“- Wettbewerbs beschäftigen sich zahlreiche Schulen und Jugendliche mit dem Thema. Sehr erfreulich ist es auch daher, dass es nach in- tensivem Austausch mit dem Deutschen General- konsulat in Houston gelang, ein weiteres englisch- sprachiges Ausstellungsset zu realisieren. Das Ge- neralkonsulat organisierte und finanzierte den Druck, hierfür bedanken wir uns sehr. Künftig wird das Ge- neralkonsulat in Houston die Ausstellung in eigener Verantwortung an Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen verleihen.

31 Spanien Weitere Stationen waren bereits in Planung, als die Covid-19-Pandemie Im von der Pandemie schwer ge- das öffentliche Leben in Spanien zum troffenen Spanien waren ab dem Erliegen brachte. Wir sind den Ver- Frühjahr 2020 keinerlei Ausstel- antwortlichen an der Universidad de lungsstationen realisierbar. Es ge- Deusto dankbar, dass die Ausstellung lang jedoch, neue spanischsprachi- dort gelagert werden kann, bis ein ge Ausstellungssets zu produzieren. erneuter Verleih möglich wird. Unser Vom Jahresanfang bis zum 27. Januar besonderer Dank geht, wie schon im hatte die Universidad Francisco de Jahr 2019, an Prof. Dr. Carlos Sanz Vitoria in Madrid die 47 Tafeln um- Díaz von der Universidad Compluten- fassende spanischsprachige Ausstel- se und Prof. Dr. José Manuel Sáenz lung „Rosa Blanca“ entliehen. An- Rotko von der Universidad Pontificia schließend wanderte sie weiter nach Comillas, die erneut halfen, die Aus- Bilbao an die Universidad de Deusto. stellungsstationen in die Wege zu Sie wurde dort im März 2020 drei leiten, und uns in organisatorischen Wochen lang in einem wunderbaren, Belangen unterstützten. überdachten Innenhof präsentiert. Be- Wir freuen uns sehr, dass in Zusam- gleitend wurden „Runde Tische“ zur menarbeit mit den Goethe-Instituten Diskussion des Themas veranstaltet. in Madrid und Barcelona zwei neue spanische Ausstellungssets produziert wurden. Diese werden von den Ins- tituten an interessierte Schulen, Uni- versitäten und Sprachschulen in ihrem Wirkungsbereich verliehen. Um die Lehrkräfte bei der Beschäfti- gung mit der Ausstellung im Unter- richt zu unterstützen, stellten wir ein pädagogisches Begleitpaket zusam- men, das zusammen mit der Ausstel- lung verschickt wird. Hierfür erarbei- teten wir beispielsweise einen auf die Ausstellung abgestimmten Fragebo- gen in deutscher und spanischer Spra- che; der zugehörige Lösungsschlüssel mit Erläuterungen und zusätzlichen Hintergrundinformationen unterstützt eine weiterführende Diskussion des Themas.

Die Goethe-Institute bewerben auf ihrer Homepage „Ausstellungen – Goethe-Institut Spanien“ unsere Ausstellung: https://www.goethe.de/ins/es/de/spr/unt/ kum/dfj/aus.html

32 5 Historisch-pädagogische Arbeit Auch 2020 war die Weiße Rose Stiftung e. V. für verschiedene Bildungseinrichtungen im In- und Ausland wichtiger Kooperationspartner bei päda- gogischen Projekten zur Weißen Rose. Einige Pro- jekte mussten auf Grund der pandemiebedingten Einschränkungen leider vorzeitig abgebrochen werden, bei anderen gelang es erfreulicherwei- se, sie auf virtueller Ebene fortzuführen. Folglich stand auch für uns im Mittelpunkt, unser eigenes pädagogisches Angebot digital zu erweitern. Unsere pädagogische Vermittlungsarbeit bestand zu weiten Teilen auch in der Beratung von Schüler:in- nen und Studierenden, die sich mit der Weißen Rose beschäftigten, sei es, dass sie eine eigene Arbeit schrieben oder ein Referat dazu hielten. Viele Gespräche und Interviews führten wir telefonisch bzw. antworteten per E-Mail. Manchmal waren auch Dokumente gefragt, um Zitatmaterial für schriftliche Arbeiten zu erhalten. Immer wieder diskutierten wir mit Schüler:innen die Frage, welche Bedeutung die Weiße Rose heute noch haben kann. Wir freuen uns, dass wir für viele junge Menschen ein wichtiger Gesprächspartner geworden sind und eine zentrale Anlaufstelle, um sich über den Schulunterricht hinaus selbstständig über die Weiße Rose zu informieren. Anfang des Jahres konnte unsere Zusammenarbeit mit der Universität Oxford fortgesetzt werden. Das dortige White Rose Project hatte im Jahr 2019 mit einer neuen Übersetzung der Flugblätter durch Studierende und einer Buchpräsentation zur Wei- ßen Rose in der Bodleian Library begonnen. Dank weiterer Förderung konnte 2020 ein Symposium zur Weißen Rose an der Universität vorbereitet werden; dieses musste im März jedoch auf Grund der Pande- mie sehr kurzfristig abgesagt werden. Das Gedenk- konzert zum Todestag am 22. Februar mit dem preis- gekrönten Chor Sansara fand erfreulicherweise noch statt. Alle Beteiligten sind an einer längerfristigen Zusammenarbeit interessiert, um die Widerstands- gruppe in Großbritannien bekannter zu machen.

Die Studentin Poppy Robertson, Teilnehmerin am Übersetzungs- projekt der Universität Oxford, besuchte im Spätsommer 2020, nach ihrem Auslandssemester in Deutschland, die DenkStätte Weiße Rose und traf Dr. Hildegard Kronawitter

Der Band „The White Rose. Reading, Writing, Resistance“, hg. von Alexandra Lloyd, ist ein 2019 erschienenes Ergebnis des White Rose Project

33 Eine internationale Dimension hat auch die im Be- richtsjahr begonnene Kooperation mit der Hoch- schule Rhein-Waal in Kamp-Lintfort und der Doshisha-Universität in Kyoto. Studierende der jeweiligen Design- und Kommunikationsstudiengän- ge beider Hochschulen erarbeiten unter der Leitung von Prof. Christian Stindl und Dr. Mariko Takagi ge- meinsam eine Ausstellung, in der zentrale Werke der Geschichtsschreibung zur Weißen Rose sowie die Flugblätter einem Re-Design unterzogen werden. Die Ausstellung soll zunächst in Kyoto gezeigt wer- den. Die Weiße Rose Stiftung e. V. steht dem Projekt beratend zur Seite.

Nicht nur infolge der Pandemie werden die virtuellen Möglichkeiten der Wissensvermittlung immer wich- tiger. Auf unserer Homepage stellten wir deswegen unter pädagogischem Angebot neue Arbeitsmateri- alien bereit, die auch unabhängig von einem Besuch der DenkStätte Weiße Rose genutzt werden können. Lehrer:innen, die das Thema im Präsenz- oder On- line-Unterricht behandeln wollen, können nun auf ein breitgefächertes Angebot an unterschiedlichen Materialien zurückgreifen. Es gibt einfache und kom- plexere Fragebögen und zwei Vorschläge für eine Beschäftigung mit dem Widerstand an Hand von Auszügen aus Briefen und Tagebüchern der Weißen Rose. Sie finden die Arbeitsblätter unter: www.weis- se-rose-stiftung.de/paedagogisches-angebot/unter- richtsmaterialien. Während der Schließzeiten der DenkStätte Wei- ße Rose ermöglichten wir unter dem Hashtag ­#DenkStätteDigital auf Facebook und Instagram mit Bildern, Dokumenten und dazugehörenden Textinfor- mationen Einblick in unsere Dauerausstellung. Die- ses Angebot eines virtuellen Besuches bleibt auch in Zukunft bestehen; es kann im Unterricht eingesetzt werden und zur Vor- oder Nachbereitung eines Besu- ches in der DenkStätte dienen. Pädagogisch kann ebenfalls unser eigener YouTube Kanal Weiße Rose Stiftung e. V. genutzt werden, den wir im Juni 2020 einrichteten. Näheres zu die- sem Angebot sehen Sie auch im Kapitel 7 zu unserer digitalen Kommunikation.

In Zusammenarbeit mit Prof. Anja Ballis vom Lehr- stuhl für Deutsch-Didaktik der LMU und der Landes- stelle für nichtstaatliche Museen unterstützten wir die Entwicklung einer Weiße Rose App durch inten- sive inhaltliche Beratung und auch finanziell. Die bei- den Studierenden der LMU Jacqueline Grandy und Johannes Büttner entwarfen für die App vier Rund- gänge à 20 Minuten zu verschiedenen Aspekten des Widerstands der Weißen Rose. Besonders für Stu- dienanfänger:innen ist die App interessant, da sie so einiges über die historisch bedeutsame Geschichte ihrer Universität erfahren. Aber auch im online Unter- richt lässt sich die App gut einsetzen. Sie steht im Google Play Store kostenlos zur Verfügung.

Nachrichtlich: Die App zur Weißen Rose wurde von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugend- literatur zur App der Monats Mai 2021 gewählt. Wir freuen uns darüber und danken für diese Auszeich- nung.

34 Bitte sehen Sie Näheres zur Zusam- menarbeit mit den Namensschulen Kurt-Huber-Gymnasium Gräfelfing und Willi-Graf-Gymnasium Mün- chen in den Berichten der Familienan- gehörigen, Kapitel 3. Zusammen mit dem Max-Joseph- Stift in München planten wir eine kleine Ausstellung, die die Theaterauf- führung des 2018 erneut aufgelegten Romans von Alfred Neumann „Es waren ihrer sechs“ am Münchner Residenztheater begleiten sollte. Inhaltlicher Schwerpunkt der Aus- stellung sollte auf dem Diskurs über Neumanns Roman in den frühen Nachkriegsjahren liegen. So äußerten sich z.B. Inge Aicher-Scholl und Alfred Zuckmayer damals sehr kritisch über Neumanns Veröffentlichung. Leider wurde dieses Projekt Mitte März wegen Corona abgesagt. Auch das Residenztheater verschob die Auffüh- rungen ins Jahr 2021.

Mit dem Geschwister-Scholl-Gym- nasium in Stuttgart wurde im Frühjahr 2020 eine längerfristige Bildungskooperation verabredet. Der Fokus liegt dabei auf der Be- schäftigung mit den beiden Namens- gebern der Schule, Hans und Sophie Scholl, und auf der Vermittlung der Werte, für die die Geschwister und ihre Freunde damals ihr Leben gaben. Zur thematischen Einarbeitung der be- teiligten Schüler:innen der Mittel- und Oberstufe sind jährlich stattfindende Workshops in der DenkStätte Weiße Rose am Lichthof der LMU geplant. Ziel soll sein, die Teilnehmenden dazu zu befähigen, Schüler:innen der Jahr- gangsstufe 5 und 6 mit den Namens- gebern ihrer Schule und der Wider-

35 standsgruppe bekannt zu machen. Am Paul-Pfinzing-Gymnasium im Da die Workshops in der DenkStätte fränkischen Hersbruck war unter Fe- Weiße Rose pandemiebedingt nicht derführung der Lehrerin Barbara Raub stattfinden konnten, entlieh die Schu- für März und April 2020 zusammen le unsere große Wanderausstellung mit der tschechischen Partnerschule zur Weißen Rose, auf deren Basis die in Litoměřice (Leitmeriz) und in Ko- Projektgruppe kleine eigene Videos operation mit dem Nationaltheater erarbeitete, z.B. zur Vervielfältigung Nürnberg ein groß angelegtes fä- der Flugblätter, ein Online Quiz oder cherübergreifendes „Weiße Růže“- ein Erklärvideo für die 5. Klassen. Das Projekt geplant. Zur Vorbereitung Projekt hatte an der Schule großen und inhaltlichen Beratung war das Erfolg, wie uns die Projektleiterin am Projektteam am Anfang des Jahres Geschwister-Scholl-Gymnasium, Kath- mehrere Male in der DenkStätte Wei- rin Streif, berichtete: ße Rose zu Besuch. Im Rahmen der „Die Resonanz der 5. Klassen war Projektarbeit nahm die Schule auch sehr positiv. (…) am „Turn On“-Wettbewerb des Baye- Seit Beginn dieses Schuljahres gibt rischen Rundfunks teil, u. a. erstellten es bei uns an der Schule einen (…) Schüler:innen eigene Podcasts zu Arbeitskreis gegen gruppenbezoge- unterschiedlichen Aspekten der Wei- ne Menschenfeindlichkeit. Im Fokus ßen Rose. Im Februar hatte sich die (…) standen bisher Rassismuserfah- Projektgruppe AG Podcast dazu inten- rungen, die Schüler im Schulkontext siv in der DenkStätte Weiße Rose be- gemacht oder mitbekommen haben. raten lassen und Interviews mit den Diese Erfahrungen haben sie auf- Mitarbeiterinnen Dr. Fabienne Gouver- geschrieben und analog zur Wander- neur und Dr. Edith Koller geführt. Für ausstellung der Weißen Rose Stiftung Frühjahr 2020 war eine Performance im Erdgeschoß der Aula ausgehängt. deutscher und tschechischer Schü- Ziel der Arbeitsgruppe ist eine offene ler:innen am Staatstheater Nürnberg Thematisierung von Rassismus und geplant. Begleitend sollten sowohl anderen Formen von gruppenbezoge- unsere deutschsprachige als auch die ner Menschenfeindlichkeit, Aufklärung tschechischsprachige Ausstellung zur und Stärkung von couragiertem Han- Weißen Rose an der Schule gezeigt deln der Schülerschaft. werden. Erste theaterpädagogische Hier sehen wir eine wesentliche Ver- Workshops fanden in den ersten bindung und Verantwortung gegen- beiden Märzwochen noch statt, dann über Hans und Sophie Scholl als unse- musste das Projekt pandemiebedingt ren Namensgebern.“ abgebrochen werden. Im Verlauf des Schuljahrs konnten einige kleinere Teil- projekte fortgeführt werden. So wur- den die Podcasts für den BR-Wettbe- werb „Turn On“ fertig gestellt und im Kunstunterricht entstand eine riesige Rose als Requisit für die weiterhin ge- plante Performance.

36 Für ihr besonderes Engagement wurde Barbara Raub vom Rotary Club Nürnberger Land mit dem „Summa-cum-laude“-Preis geehrt, der den außergewöhnlichen sozialen, pädagogischen und fachlichen Ein- satz einzelner Lehrkräfte hervorhebt. Barbara Raub erhielt die Auszeichnung für ihr langjähriges Engagement im Bereich der Demokratieerziehung und Völkerverständigung, die sie mit ihren zahlreichen und vielfältigen Projekten vermittelt und vorlebt, wie dem grenz- überschreitenden Projekt „Weiße Růže“. Wir gratulieren herzlich zu die- ser Auszeichnung!

Die letzten beiden Monate des Jahres waren geprägt von Vorbereitungen und Beratungen zu geplanten Projek- ten anlässlich des 100. Geburtstages von Sophie Scholl am 9. Mai 2021: Im Schultheaterprojekt des Gymna- siums in Haar zu Sophie Scholl wa- ren die Theaterpädagogen Thomas Rit- ter und Farina Simbeck federführend, beide haben in der Zusammenarbeit mit uns bereits bei dem Schultheater- projekt „Spurensuche“ und den Wei- ße Rose-Gedenkkonzerten Maßstäbe gesetzt. Bis Mai 2021 werden sie mit 22 Schüler:innen des Gymnasiums ein Theaterstück zu Sophie Scholl erarbei- ten. Geplant ist ebenfalls eine Perfor- mance auf dem Königsplatz am 9. Mai 2021. Die Vorbereitungen dazu be- gannen bereits 2020. Die Weiße Rose Stiftung e. V. war und ist zusammen mit der Bürgerstiftung Haar Projektför- derin und inhaltliche Beraterin. Im Auftrag des Goethe-Instituts ent- sischen Vorbildern und Beispielen von wickelten Stephan Reischl und Mat- Zivilcourage in ihrem eigenen Alltag thias Baumann das PASCH-Projekt beschäftigen. Im Dezember fanden „Sophie Scholl: Geschichte(n) der die ersten digitalen „Kick-Off“ -Treffen Zivilcourage“. Das Partner-Schul-Pro- und Impulsworkshops für Lehrkräfte gramm PASCH gibt es inzwischen seit von insgesamt über 20 Schulen aus über zehn Jahren. Die Initiative des dem Kosovo, Serbien, Griechenland, Auswärtigen Amts, in Kooperation Moldawien, Rumänien, Kroatien, Alba- mit der Zentralstelle für das Auslands- nien, Bosnien-Herzegowina und Bul- schulwesen (ZfA), dem Goethe-In- garien statt. Im Jahr 2021 startete das stitut, dem Deutschen Akademischen Projekt auch in der Türkei, ab März/ Austauschdienst (DAAD) und dem April 2021 in Brasilien. Insgesamt be- Pädagogischen Austauschdienst (PAD) teiligen sich an die 30 Partnerschulen des Sekretariats der Kultusminister- in Südosteuropa und über 60 Schulen konferenz, vernetzt derzeit weltweit in Südamerika. Die Weiße Rose Stif- mehr als 2 000 Schulen, an denen tung e. V. unterstützt das Projekt seit Deutsch einen besonders hohen Stel- November 2020 durch intensive his- lenwert hat. torische Beratung und Hinweise zur didaktischen Vermittlung. Ausgehend von einer Auseinander- setzung mit Sophie Scholl und der Ge- Sophie Scholls 100. Geburtstag be- schichte ihres mutigen Eintretens für schäftigte uns in den letzten Monaten Gerechtigkeit und Demokratie werden des Jahres insbesondere auch über sich über das ganze Jahr 2021 hinweg die neue Wanderausstellung „So- Deutsch lernende Jugendliche im Al- phie Scholl und die Weiße Rose“, ter von 12 bis 15 Jahren in verschiede- die wir in der zweiten Jahreshälfte er- nen kreativen Projekten mit zeitgenös- arbeiteten.

37 6 Veranstaltungen 2020

Weiße Rose-Gedächtnisvorlesung Prof. Dr. Michael Brenner: „Die Gefahr erkennt man immer zu spät. Zum Krisenbewusstsein der deut- schen Juden damals und heute“ 20. Januar 2020 um 18 Uhr im Audimax der LMU München, Geschwister-Scholl-Platz 1, München Die zu Jahresbeginn angesetzte Gedächtnisvorle- sung und das Weiße Rose-Gedenkkonzert konnten in bewährter Weise erfolgreich stattfinden. Prof. Micha- el Brenner, Lehrstuhlinhaber für Jüdische Geschichte und Kultur an der LMU, hielt die Vorlesung zum Ge- denken an die Mitglieder der Weißen Rose. Neben Prof. Dr. Michael Brenner der Erinnerung an die Widerstandskämpfer sprach er in seiner Rede „Die Gefahr erkennt man immer zu spät“ über das Krisenbewusstsein der deutschen Juden während der Zeit des Nationalsozialismus und heute.

Weiße Rose-Orgelkonzert mit inszenierter Lesung 27. Februar 2020 um 18 Uhr im Lichthof der Ludwig- Maximilians-Universität, Geschwister-Scholl-Platz 1, München Wie schon in den letzten Jahren gelang Studieren- den der Theaterpädagogik der LMU unter der Leitung von Thomas Ritter auch in diesem Februar ein beein- druckendes Kunstwerk aus Musik und Texten zum Gedenken an die Weiße Rose. Begleitet wurden sie dabei von Jürgen Geiger an der Weiße Rose-Orgel im Lichthof der Universität. Die szenische Lesung im Rahmen des Konzerts basierte auf Texten der Wider- standsgruppe Weiße Rose, die am historischen Ort der Verhaftung der Geschwister Scholl raumwirksam vorgetragen wurden.

Organist Jürgen Geiger an der Weiße Rose-Orgel

Szenische Aufführung beim Weiße Rose-Orgelkonzert

38 Lux Aeterna – Gedenkkonzert Weiße Präsentation des Dokumentarfilms Rose des Münchener Bach-Chors „Zeuge der Zeit: Dr. Walter Grein“ 14. Februar 2020, 20 Uhr im Herkules- 19. Februar 2020, 19 Uhr im Foyer saal der Residenz, Residenzstraße 1, des Geschwister-Scholl-Wohnheims, München Steinickeweg 7, München Unter der Schirmherrschaft von Dr. Am 19. Februar zeigten wir im Ge- Hildegard Kronawitter, Vorsitzende der schwister-Scholl-Wohnheim in Koope- Weiße Rose Stiftung e. V. ration mit dem Wohnheim und dem Bayerischen Rundfunk den Dokumen- Der Münchener Bach-Chor unter der tarfilm „Zeuge der Zeit: Dr. Walter Leitung von Hansjörg Albrecht gab ge- Grein“. Walter Grein studierte während meinsam mit dem Orchestra Haydn des Krieges in München Medizin, wie di Bolzano e Trento Mitte Februar auch Hans Scholl, Alexander Schmo- ein Konzert, das dem Andenken der rell und Willi Graf. Er war im Gerichts- Weißen Rose gewidmet war. Damit saal anwesend, als Sophie Scholl, „stellt sich der Bach-Chor in die Traditi- Hans Scholl und am on seines Vorläufers, der während des 22. Februar 1943 zum Tode verurteilt Zweiten Weltkriegs wirklich eine Oase wurden. des unausgesprochenen geistigen Widerstands war.“ So zitierte Dr. Hil- degard Kronawitter in ihrem Grußwort vor dem Konzert einen Freund des Kreises um die Weiße Rose. Willi Graf sang im Chor des Münchner Bach-Ver- eins, dessen Konzerte auch Christoph Probst und die Scholl-Geschwister ge- legentlich besuchten. 2020 erklangen zum Gedenken an den Widerstand die Stücke Lux aurumque von Eric Whita- cre, die Nullte Sinfonie d‑moll von An- ton Bruckner und das Requiem d-moll von Wolfgang Amadeus Mozart.

Veranstaltungsplakat zum Vor dem Geschwister-Scholl- Konzert des Bach-Chors Wohnheim wurde 1962 dieses „Lux Aeterna“ Denkmal für die Geschwister von Christine Stadler errichtet

39 Filmnachmittage zur Erinnerung an das Kriegsen- de vor 75 Jahren (abgesagt) Die drei Filmnachmittage, die die Weiße Rose Stif- tung zusammen mit Partnern zur Erinnerung an die 75. Wiederkehr des Kriegsendes im Mai 2020 ge- plant hatte, wurden zunächst auf Mitte November verschoben, wegen des erneuten Shutdowns konn- ten sie aber nicht stattfinden. Gezeigt werden sollten prominente Filme, die aus west- sowie ostdeutscher und japanischer Perspektive die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs aufarbeiten, unter anderem „Die Mörder sind unter uns“ von Wolfgang Staudte. Die Filme begleiten sollten Diskussionsrunden, u. a. mit Michael Verhoeven, unserem Beiratsmitglied. Die Veranstaltung war in Kooperation mit dem NS-Doku- mentationszentrum, dem Institut für Zeitgeschichte München–Berlin sowie dem MIR e. V. Zentrum russi- scher Kultur in München geplant.

DenkMal Am Ort Am Wochenende des 2. und 3. Mai hätten engagier- te Münchner:innen ihre Wohnung, ihren Hof oder ihr Treppenhaus für interessierte Besucher:innen ge- öffnet und dort, an den authentischen Orten, an ehe- malige Bewohner und Nachbarn, die in der Zeit des Nationalsozialismus vertrieben, enteignet, deportiert und ermordet wurden, erinnert. Auch die Mandl­ straße 28, in der Willi Graf und seine Schwester An- neliese bis zu ihrer Verhaftung durch die am 18. Februar 1943 lebten, war Teil dieses Programms. Die Besuche vor Ort waren nicht möglich, wes- wegen die Vermittlung virtuell stattfand. Die Weiße Rose Stiftung e. V. konnte mit einem erklärenden Video, gefilmt sowohl in der DenkStätte am Lichthof der Universität als auch vor dem Haus Willi Grafs, einen wertvollen Beitrag leisten. Sie finden es unter https://youtu.be/gokRiPrCrGo.

Aufnahme aus dem Video zur Veranstaltung DenkMal Am Ort über Willi Graf mit Dr. Hildegard Kronawitter in der DenkStätte Weiße Rose am Lichthof der LMU

40 Willi-Graf-Preis 2020 Die Verleihung des Willi-Graf-Preises des nach dem Widerstandskämpfer der Weißen Rose benannten Gymnasiums in München an den diesjährigen Preis- träger Prannavan Surendran fand im Juli im kleinen Rahmen statt. Er konnte den Preis zusammen mit seinem Abiturzeugnis persönlich in Empfang neh- men. Der Abiturient hatte sich seine ganze Zeit am Willi-Graf-Gymnasium in vielen Bereichen in außer- ordentlichem Maße für die Gemeinschaft engagiert. Der Preis wird an Personen oder Gruppen des Willi- Graf-Gymnasiums vergeben, die sich besonders für Toleranz, Menschenwürde und Zivilcourage und ge- gen Diskriminierung eingesetzt und damit im Sinne Willi Grafs und der Weißen Rose gehandelt haben. Joachim Baez, der Neffe von Willi Graf, sowie Dr. Hil- degard Kronawitter sind Mitglieder der Jury.

Buchvorstellung: Maren Gottschalk – Wie schwer ein Menschenleben wiegt. Sophie Scholl. Eine Biografie 26. Oktober 2020, 19 Uhr, in der Evangelischen Stadtakademie München Eine der letzten Veranstaltungen vor dem „Novem- ber-Lockdown“ war die Vorstellung einer neuen Biographie von Sophie Scholl. Ende Oktober stellte Maren Gottschalk mit „Wie schwer ein Menschen- leben wiegt“ bereits ihr zweites Werk über Sophie Scholl vor. Die Präsentation fand in Kooperation mit der Evangelischen Stadtakademie, der Evangeli- schen Studentengemeinde an der LMU, des Verlags C.H.Beck sowie der Weiße Rose Stiftung e. V. statt. Anschließend an die Vorstellung durch die Autorin fand ein Gespräch zwischen ihr und Caroline Hof- mann, Journalistin beim Bayerischen Rundfunk, statt. Moderiert wurde der Abend von Dr. Hildegard Kronawitter. Zusätzlich zur Präsenzveranstaltung in der Evangelischen Stadtakademie wurde ein Live- Stream zur Verfügung gestellt. Ein Zusammenschnitt des Videos ist unter https://youtu.be/_i09s7T-LiQ zu finden.

Ausschnitt aus dem Video zur Buchvorstellung „Wie schwer ein Menschenleben wiegt“ (v.l.:) Caroline Hofmann, Dr. Maren Gottschalk, Dr. Hildegard ­Kronawitter

41 7 Kommunikation, Social Media und Presse Unsere Homepage www.weisse-rose-stiftung. de ist eines der zentralen Portale, um über unsere Arbeit ebenso wie über die Geschichte der Weißen Rose fundiert zu informieren. Hinzu kommt der vor- liegende Tätigkeitsbericht und unser vierteljährlich erscheinender Newsletter. Gemeinsam ist diesen Vermittlungswegen, dass sie einen Adressatenkreis außerhalb der sozialen Medien erreichen und aus- führlichere Informationen bieten. Der Newsletter erreicht viermal jährlich eine stabile Anzahl von rund eintausend Empfänger:innen und informiert über anstehende Veranstaltungen und Neuigkeiten zur Weißen Rose. Insbesondere die Homepage war im Berichtsjahr eine herausragend wichtige Anlaufstelle, was durch die Zugriffszahlen belegt wird: über 450 000 Seiten- aufrufe durch mehr als 156 000 einzelne Besucher:in- nen verzeichnete die Seite (gegenüber 375 000 res- pektive 112 000 im Vorjahreszeitraum). Spannend und vielsagend ist, welche Seiten unserer Homepage besonders gefragt sind: an erster Stelle, noch vor unserer Startseite, unsere Information über die Flugblätter der Weißen Rose, die knapp 50 000- mal aufgerufen wurde, dicht gefolgt von der eigent- lichen Startseite. Den dritten Platz nahm die Informa- tion über die Widerstandsgruppe Weiße Rose ein, gefolgt von der englischsprachigen Version der Start- seite. In den Top 10 der meistaufgerufenen Seiten befinden sich auch unsere Unterrichtsmaterialien. Wir betrachten dies als Beleg, dass unser digitales In- formations- und Bildungsangebot lebhaft nachgefragt und gerne angenommen wird, was uns auch Rück- meldungen bestätigen. Beispielsweise lobte während des ersten Lockdowns Professor Friedrich Drechsler von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Edith Stein in Salzburg unsere Homepage. Er macht von unserem digitalen Angebot in seinem Unterricht Ge- brauch und bildet selbst Pädagog:innen aus. Eine Besonderheit zeigt sich am Anstieg der Zugriffe auf die Homepage am 22./23. November. Am frühen Abend des 22. November 2020 hatte sich eine junge Frau, weithin nur als „Jana aus Kassel“ bekannt, anlässlich einer Demonstration der Querdenker mit Sophie Scholl verglichen. Sie sei „seit Monaten aktiv im Widerstand“, 22 Jahre alt, also in (etwa) Sophie Scholls Alter, und verteile Flugblätter und melde Demonstrationen an. Eine entsprechende Video- sequenz verbreitete sich im Laufe des Abends in den Medien und erfuhr sogar in der internationalen Presse Aufmerksamkeit. Die Reaktionen waren na- hezu einhellig: Der Vergleich sei unangemessen und geschichtsvergessen. Als Weiße Rose Stiftung e. V.

Zugriffe auf die Homepage www.weisse-rose-stiftung.de vom 1. Januar bis 31. Dezember 2020

42 sehen wir hier auch eine positive Seite. Viele Men- schen wollten sich daraufhin fundiert informieren und suchten dazu unsere Homepage auf. Nichtsdestotrotz missbilligen wir diesen missbräuch- lichen Bezug ebenso wie andere Bezüge zur Weißen Rose in Form von Abbildungen und vermeintlichen Zitaten. Sie wurden 2020 gezielt von Akteuren der Demonstrationen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie eingesetzt, um den eigenen Widerspruch mit dem Verweis auf das Handeln der Weißen Rose vermeintlich legiti- mieren zu können. Sich selbst als Querdenker be- zeichnende Gruppierungen verfassten Flugblätter in Stil und Design der Flugblätter der Weißen Rose, mit denen sie zu ihren Demonstrationen aufriefen und die Beschränkungen anprangerten. Oft erreichten uns hierüber, mit berechtigter Empörung der Ab- sender, Meldungen, insbesondere über die sozialen Medien. Wir verweisen auf unsere klare Positionie- rung zu diesem offensichtlichen Missbrauch, die als Statement auf unserer Homepage formuliert ist. Wir werden als Ansprechpartner für diese missbräuch- lichen Vorgänge angesehen.

Social Media Was uns ohnehin schon ein Anliegen war, bauten wir infolge der Pandemie beschleunigt aus: der digitale Arbeitsbereich ist im Jahr 2020 stark gewachsen und hat eine besondere Rolle in unserer Vermittlungs- arbeit eingenommen. Wir stellten ein breites Ange- botsspektrum zum Abruf bereit. Während des ersten Lockdowns Mitte März bis An- fang Juli erweiterten wir unsere wöchentlichen Pos-

Beispiel für ein Posting der Serie #DenkStätteDigital (Facebook-Account der Weiße Rose Stiftung e. V., https://www.facebook.com/ WeisseRoseStiftung)

43 tings bei Facebook und Instagram unter dem Stich- wort #DenkStätteDigital. Potenzielle Besucher:innen, ob Lehrkräfte, Schüler:innen oder weitere Interes- sierte, konnten über diese Serie mit Exponaten, Bildern und Texten unsere Ausstellung kennenlernen und damit für die Geschichte der Weißen Rose inter- essiert werden. Die Postings wurden gut aufgenommen und wir erfahren im Feedback, dass sie beispielsweise im Schulunterricht genutzt werden. Es freut uns be- sonders, dass wir damit unserer Aufgabe der Erinne- rungsarbeit nachkommen konnten und können, auch wenn Besuche der DenkStätte und Führungen 2020 nicht immer möglich waren. Die Postings stellen einen Baustein unseres online verfügbaren pädago- gischen Angebots dar, das wir im Berichtsjahr eben- falls erweitern konnten und mit dem wir Lehrer:in- nen im home schooling unabhängig vom Besuch der DenkStätte unterstützen konnten. Hintergrund ist auch, dass unsere Lehrerfortbildung, die traditionell im Oktober stattfindet, infolge der Pandemie 2020 ausfallen musste. Unsere Unterrichtsmaterialien finden sich unter https://www.weisse-rose-stiftung. de/paedagogisches-angebot/unterrichtsmaterialien/; mehr Informationen dazu erhalten Sie im Kapitel 5 „Historisch-Pädagogische Arbeit“. Im Juni 2020 gingen wir mit unserem YouTube-Kanal Weiße Rose Stiftung e. V. online. Dort präsentieren wir u. a. Videos, die auch in der DenkStätte zu sehen sind, wie über die Herstellung der Flugblätter und Interviews mit Zeitzeug:innen. Aber auch Mitschnitte von Veranstaltungen sowie Gespräche mit Dr. Hilde- gard Kronawitter, Markus Schmorell, Prof. Wolfgang Huber, Dr. Umberto Lodovici und weitere Inhalte präsentieren wir dort. Da uns in den sozialen Medien Menschen aus zahlreichen Ländern folgen, ist es für uns sinnvoll, Videos in verschiedenen Sprachen (bis- her neben Deutsch: Englisch, Italienisch, Russisch) zur Verfügung zu stellen. Auch unsere schon länger eingespielten digitalen Kommunikationskanäle sind im Berichtsjahr stark gewachsen. Unser Instagram-Account, gestartet im Mai 2019, konnte im zweiten Jahr über 530 Abon- nenten registrieren.

Impressionen unseres Instagram-Accounts, Stand 18. Dezember 2020

44 Die größte Präsenz in den sozialen Medien stellt weiterhin unsere Facebook-Seite mit inzwischen ca. 5100 Abonnenten (Zuwachs von ca. 300 im Be- richtsjahr) dar. Hier waren wir 2020 mit 71 Postings besonders aktiv. Das herausragende Interesse galt unserem Elisabeth Hartnagel gewidmeten Posting; die Schwester von Sophie und Hans Scholl feierte im Februar ihren 100. Geburtstag und verstarb einen Tag später. Unseren Nachruf lesen Sie in Kapitel 10.

Weiße Rose. Die App Ab dem Wintersemester 2019/20 war die Weiße Rose Stiftung Partnerin bei der Entwicklung der App „Weiße Rose“ mit virtuellen Rundgängen zur Wider- standsgruppe, die vor Ort ebenso wie ortsungebun- den angesehen werden können. Besonders Studien- anfänger:innen soll über das Tool eine Möglichkeit geboten werden, ‚ihre Uni‘ auf diesem historischen Pfad kennenzulernen. Gerade in den jetzigen Zeiten ist es ideal, um sich flexibel Wissen auch von zuhau- se aus anzueignen. Die Weiße Rose-App wurde von den Studierenden der LMU Jacqueline Grandy und Johannes Büttner mit Unterstützung des Lehrstuhls Deutsch-Didaktik der LMU, der Weiße Rose Stiftung sowie der Landesstelle für nichtstaatliche Museen entwickelt. Wir berieten bei der Erstellung. Die App ist inzwischen im Google Play Store für Android-Ge- räte kostenlos verfügbar.

45 Weiße Rose – Die App im Google Play Store

Planungstreffen zur Erstel- lung der Weiße Rose-App am 31. Januar 2020 in der Denk- Stätte Weiße Rose mit [v.l.] Jacqueline Grandy, Johannes Büttner, Professor Anja Ballis, Dr. Hildegard Kronawitter, Dr. Fabienne Gouverneur

Präsentation der App durch Jacqueline Grandy und Johannes Büttner am 6. Juli 2020

46 Presseanfragen und -aktivitäten Im Jahr 2020 fanden Pandemie-bedingt weniger Ver- anstaltungen als üblich statt, deshalb erfolgten auch weniger Ankündigungen von Presseseite. Dennoch waren viele Kleinanfragen wie Bild- und Abdruckan- fragen etc. von Presseseite zu beantworten: Pressemitteilungen haben wir u. a. zu folgenden Anlässen verschickt: Dr. Rachel Salamanders Beru- fung zur neuen Beiratsvorsitzenden der Weiße Rose Stiftung, zum Weiße Rose-Orgelkonzert und zur Ge- dächtnisvorlesung mit Prof. Dr. Michael Brenner, zum 100. Geburtstag und Tod von Elisabeth Hartnagel, zur Wiedereröffnung der Gedenkstätte im Juli 2020 so- wie zur Sophie Scholl-Sammlermünze. Im Sommer und Herbst erreichten uns zahlreiche Anfragen mit der Bitte um Stellungnahme zu der Vereinnahmung der Weißen Rose durch Querdenker und zum Vorfall von „Jana aus Kassel“. Im Oktober 2020 fand die gemeinsame Buchpräsen- tation der Sophie Scholl-Biographie von Dr. Maren Gottschalk (Verlag C.H.Beck) in der Evangelischen Stadtakademie München statt (Präsenz und Stream), die Dr. Hildegard Kronawitter moderierte. Die Reaktionen auf die Pressemitteilungen waren erfreulich, wir hatten über das Jahr zahlreiche Inter- viewanfragen an Dr. Hildegard Kronawitter. Das Ergebnis sind Berichte in Münchner Medien wie Süddeutsche Zeitung, Abendzeitung, Hallo München, Münchner Wochenanzeiger und Münchner Merkur, in regionalen und überregionalen Zeitungen sowie über Pressedienste wie die EPD. Dr. Andrea Brill, beauftragt mit Pressekommunikation

47 8 Weiße Rose DenkStätten in Weiße Rose i-Punkt Forchtenberg Ulm und Forchtenberg Auszüge aus dem Arbeitsprogramm In Ulm und Forchtenberg wurde von Renate Deck: auch 2020 die Erinnerungsarbeit im Am 2. Februar 2020 luden wir zum Zeichen der Weißen Rose fortge- Rundgang um den Diakberg in Hall. setzt: mit Führungen, Rundgängen Hier hatte nicht nur unsere Denkarbeit und Vorträgen, soweit diese mög- beim Rosenfest 1990 begonnen, auch lich waren, und mit Unterstützung Magdalena Scholl (geb. Müller) hatte für Rechercheprojekte von Schü- hier ihre Ausbildung als Kranken- ler:innen sowie Institutionen. schwester und Diakonisse absolviert. Die Volkshochschule Ulm war 1946 Elisabeth Scholl, die Schwester von von Inge Aicher-Scholl mit Unter- Sophie Scholl, war 1939 im Praktikum stützung Otl Aichers und eines en- im Sole-Kinderbad, einer Abteilung gagierten Kuratoriums gegründet des Krankenhauses. Eine Postkarte worden. Mit der Dauerausstellung von Sophie an sie überließ sie uns: „wir wollten das andere“ bietet die Ulmer DenkStätte Weiße Rose einen Ort, an dem sich vor allem junges Publikum über den Widerstand der Weißen Rose und weiterer Ulmer Jugendlicher informieren kann. In Forchtenberg, der Geburtsstadt Sophie Scholls, gründete die Künst- lerin Renate S. Deck 2004 die Erin- nerungsstätte Weiße Rose i-Punkt. Sie bietet von dort ausgehend ein reiches und vielfältiges Programm an.

DenkStätte Weiße Rose Ulm In Führungen, Projekten und Vorträ- Unser Rundgang begann auf dem Ni- gen zum Thema Nationalsozialismus kolaifriedhof, führte zum Viadukt, über und Widerstand wird in der Ulmer das die alte Wasserleitung Hall ver- DenkStätte Weiße Rose gedenkpä- sorgt hatte, hinauf in die neue Kapelle dagogische Arbeit geleistet. Dabei im Neubau des Anbaus des Kranken- soll der Bezug zu Ausgrenzung, Dis- hauses. Wir beschlossen den Rund- kriminierung und der Notwendigkeit gang im Café Suite 21 in Hall. von Toleranz und Zivilcourage in der heutigen Gesellschaft hergestellt wer- den. Auch werden Schülerarbeiten, Haus- und Facharbeiten zum Thema Ulmer NS-Jugendopposition betreut und unterstützt. Aufgrund der Corona-Pandemie konn- ten lediglich 10 Führungen mit 266 Personen durchgeführt werden. Ne- ben Gruppen aus Ulm/Neu-Ulm und der Schwäbischen Alb kamen Grup- pen aus Donauwörth und Herrenberg. Schüler:innen wurden bei Haus- und Facharbeiten bzw. Schulreferaten unterstützt. Themen waren hier u. a. Ulmer Lokalgeschichte im Dritten Reich und die Weiße Rose. Dr. Andreas Lörcher

48 22. Februar 2020 am 77. Todestag 28. Februar 2020 verstarb Elisabeth der Geschwister Scholl: Rundgang Hartnagel, einen Tag nach ihrem in Forchtenberg mit Bernhard Woll 100. Geburtstag und Bernhard Glück Mir war es wichtig, dass nicht ich Wir trafen bei warmem Sonnenschein einen Rosengruß bringe, sondern zur Begrüßung am Teehaus. Von dort Forchtenberg. Uwe und Renate Gysin ging es zum Würzburger Tor, in des- überbrachten diese Grüße. Sie waren sen Grünanlage 2018 Hans Scholl Ro- mit die letzten, die sie an ihrem Ster- sen gepflanzt worden waren, es sollte betag besucht und gesehen hatten. ein Lyrik-Gärtchen entstehen… Ich hatte noch kurz vorher mit ihr tele- Bei jeder Station unseres Rundgangs foniert und ihr gesagt, ihre Stimme wurden Texte gelesen und aus der sei wie die eines jungen Mädchen. Zeit der Scholls erzählt. Sie übergab mir Grüße an meinen Mann: „Sagen Sie ihm, ich schätze ihn sehr!“ Jetzt, nach ihrem Tod ist das wie ein Vermächtnis! Am 2. März 2020 fand die Beerdi- gung von Gudrun Hammel statt, Tochter des Klavierlehrers von Hans Scholl in der Zeit von Forchtenberg. In voll besetzter Dorfkirche in Michel- feld / Hall begleiteten wir in großer Anteilnahme die ehemalige Lehrerin, Mundartforscherin und – Dichterin. Die Mütter Hammel und Scholl waren Im Rathaus Forchtenberg hörten in gutem Briefkontakt und die Ferien wir von Bernhard Woll über Theodor verbrachte Elisabeth Scholl öfter in der Haecker. Uwe Gysin, der bis 2016 Bür- alten Heimat bei Hammel. germeister von Forchtenberg war, ist weiterhin aktiv in dieser Erinnerungs- Von Gudrun Hammels Erben bekam arbeit und übernahm die öffentliche ich ein paar alte gerahmte Bilder und Begrüßung. Es ist seine Wertschät- einige Notizen. Einer dieser Briefe, er zung für die Weiße Rose, die Scholls stammt aus dem Jahr 1983, hat zwar und auch meiner Arbeit gegenüber. keine direkte Ansprache, müsste aber an den Forchtenberger Bürgermeister gerichtet gewesen sein. Hier schreibt sie am Schluss: „Schließlich möchte ich noch – wahr- scheinlich überflüssigerweise, da Sie z.T. täglich durch die angebrachte Ge- denktafel erinnert werden – auf ein trauriges Jubiläum hinweisen: Am 22. Februar werden es 40 Jahre, dass die wohl populärsten Widerstandskämp- Zum Abschluss in der Michaelskirche, fer des „Dritten Reiches“ Hans und der Taufkirche von Sophie Scholl, Sophie Scholl enthauptet wurden. sprach Pf.i.R. Bernhard Glück über Ich vermute, dass aus diesem Anlass Augustinus und das Werk: „Gestalt einige Gruppen und Einzelpersonen als Gefüge“. Danach rundete ein (Lehrer, Schüler, Studenten…) Ihre Kaffeekränzle im Stadtcafé bei Chrissi Stadt besuchen werden, Näheres diesen 22. Februar 2020 ab. Definitiv über die Jugendzeit der Geschwister die letzte Kaffeerunde vor dem Shut- Scholl, wie auch ihre Eltern zu erfah- down! ren. (…) Ich möchte und wünsche, dass Sie diesen Anforderungen nicht unvorbereitet gegenüberstehen. Vermutlich haben Sie dies jedoch alles schon selbst bedacht und sind ent- sprechend gerüstet … Mit freundlichen Grüßen G. Hammel“

49 10. Juli 2020 Besuch aus Turin von Vor dem ehemaligen Haus der Familie Clelia und Giuseppe Assandri Scholl übernahmen Herr Glück und die Wir hatten einen schönen Rundgang Mieterin Frau Awe das Wort und zeig- am Hans und Sophie Scholl Pfad. Der ten uns, wie sie an die Weiße Rose Autor des neuen italienischen Buches dort jetzt erinnern: „La Rosa Bianca di Sophie“ war zu- sammen mit seiner Frau und mir auf Auf einer der Zaunlatten ist Robert Spurensuche und gehört nun auch Scholl abgebildet, darunter steht ein zu den Beiträgern unseres Buchpro- Goethezitat, das Familienmotto der jekts mit 100 Grußworten zum 100. Scholls: „allen Gewalten zum Trotz Geburtstag von Sophie Scholl – und sich erhalten“. eine Lesung seines Jugendbuches zu Sophie Scholl ist 2021, wann auch immer, in Planung! 27. September 2020 Wanderung rund um Steinbrück und Geißel- hardt der Heimat von mit Elsbeth und Bernhard Glück, Pf. i. R., Werner Benz und Meike Awe Zum Treffpunkt vor der evang. Kirche Geißelhardt kam eine nette Gruppe Interessierter auch aus weiterer Ent- fernung. Zusammen besichtigten wir 7. Oktober 2020 Vortrag über die Ge- die Geißelhardter Kirche, und Werner schwister Scholl in Ottmarsheim Benz aus Mainhardt erzählte über ihre 8. Oktober 2020 Dr. Olaf Mücklein Entstehung. Jedenfalls war sie schon besichtigte in unserem Archiv in Lan- erbaut, als Robert und Magdalena genburg als wissenschaftlicher Leiter Scholl im November 1916 heirateten. der Lutherausstellung 2021 in Worms Daneben das Amtshäusle, in dem Ro- in Frage kommende Ausstellungsstü- bert Scholl seine ersten Diensterfah- cke zu den Scholls. rungen gemacht hatte. 10. Oktober 2020 Rundgang einer Wir versammelten uns in Sichtweite Gruppe aus Pforzheim mit mir auf des Hauses, in dem seit Generatio- dem Hans und Sophie Scholl Pfad nen die Familie Scholl in Steinbrück bei Geißelhardt ansässig war. Eine Ta- fel und ein Denkmal aus gehauenem Renate und Hans-Jürgen Deck Stein mit Weißer Rose erinnern daran.

50 9 Kurznachrichten zur Weißen Rose

Erinnerung an den 75. Todestag Hans Leipelts in Hamburg Zum 75. Todestag Hans Leipelts am 29. Januar fanden in Hamburg Gedenkveranstaltungen statt, darunter ein Rundgang auf den Spuren Hans Leipelts u. a. entlang der Wohnorte der Familie. Dieser führte entlang der Stolpersteine für die Familie Leipelt, die in den Stadtteilen Harburg und Eimsbüttel zu finden sind.

Stolpersteine für Hans Lei- pelt, seine Mutter Dr. Katha- rina Leipelt und deren Mutter Hermine Baron vor dem ehe- maligen Wohnhaus der Fami- lie in der Mannesallee 20 in Wilhelmsburg. Zur Verfügung gestellt von Klaus Möller, der seit Jahrzehnten, u. a. mit der Initiative „Gedenken in Har- burg“, die Erinnerungsarbeit an Hans und Maria Leipelt maßgeblich gestaltet

Amnesty International protestiert gegen die ­Todesstrafe Wie in den vergangenen Jahren setzte Amnesty International ein Zeichen gegen die Todesstrafe. Am Sonntag, den 23. Februar 2020, einen Tag nach dem Jahrestag der Hinrichtung von Sophie Scholl, Hans Scholl und Christoph Probst, verteilten Aktivisten der Münchener Gruppe gegen die Todesstrafe in der Ve- terinärstraße und im Englischen Garten weiße Rosen und sammelten Unterschriften für ihre Petition. Die Weiße Rose Stiftung stellte Ausstellungstafeln mit Fotos der Mitglieder der Weißen Rose zur Verfügung.

Vortrag „Erinnern, Würdigen und die Gegenwart Beachten“ Am 9. Januar hielt Dr. Hildegard Kronawitter einen Vortrag über die Erinnerungsarbeit der Weiße Rose Stiftung unter dem Titel „Erinnern, Würdigen und die Gegenwart Beachten“ an der Münchner Ludwig-Ma- ximilians-Universität. Veranstaltet wurde der Nach- mittag vom Zentrum Seniorenstudium an der LMU.

Erste Christoph-Probst-Lecture an der Universität Innsbruck Am 4. März 2020 hielt der deutsche Rechtswissen- schaftler Prof. Dr. Oliver Lepsius (Münster) die erste Christoph-Probst-Lecture, mit der die Universität Innsbruck in Zukunft einmal jährlich an ihren ehe- maligen Medizinstudenten Christoph Probst erinnern wird. Christoph Probst war am 20. Februar 1943 in Inns- bruck festgenommen und nach München gebracht worden. Am 22. Februar 1943 verurteilte ihn der Volksgerichtshof unter zum Tode, wie auch Hans und Sophie Scholl. Noch am gleichen Tag wurden alle drei in München-Stadelheim durch das Fallbeil hingerichtet. Oliver Lepsius sprach in seinem Vortrag über Hans Kelsen, den österreichischen „Verfassungsvater“,

51 und dessen Eintreten für Freiheit und Demokratie und schlug einen Bogen zu aktuellen Gefährdungen der repräsentativen Demokratie durch populistische Strömungen. Im Zentrum der Vorlesungsreihe ste- hen denn auch die Werte, für die der Widerstand der Weißen Rose stand: Freiheit, Demokratie und Zivilcourage. Veranstaltet wird die Christoph Probst Lecture von der Leopold-Franzens-Universität, der Medizinischen Universität und der Universitätspfarrei gemeinsam.

Oliver Lepsius (3.v.l.) mit Vertreter:innen der Familie Probst und der Universität Innsbruck

„Platz der Weißen Rose“ in Berlin Spandau Seit dem 15. August 2020 heißt eine Rasenfläche an der Wilhelmstraße 23 „Platz der Weißen Rose“. Der Platz befindet sich in unmittelbarer Nähe des Stand- orts des ehemaligen Kriegsverbrechergefängnisses Spandau, das 1987 abgerissen wurde. Berlin setzt mit der Platzbenennung nach der Widerstandsgrup- pe ein besonderes Zeichen, denn das ehemalige Gefängnis, in dem sieben Nazigrößen einsaßen, galt wegen Rudolf Heß rechtsradikalen Kreisen als Kultort. Heß hatte 1987 im Gefängnis Selbstmord begangen. In Berlin Mitte, früher DDR-Staatsgebiet, wird mit der Geschwister-Scholl-Straße schon seit dem 13. Oktober 1949 (bis dahin: Prinz-Friedrich-Karl-Straße) an den Widerstand der Weißen Rose erinnert. Wir danken der Stadt Berlin für die Namensgebung „Platz der Weißen Rose“, womit sie sich ein weiteres Mal zum „Weiße Rose-Städteverbund“ bekennt.

Der nunmehr umbenannte „Platz der Weißen Rose“ in Berlin Spandau

Ehrengrab für Marie-Luise Schultze-Jahn am Per- lacher Forst Die Landeshauptstadt München hat ein Ehrengrab für Marie-Luise Schultze-Jahn neu angelegt und bepflanzt. Die städtische Friedhofsverwaltung infor- mierte, dass dort im Jahr 2021 weiße Rosen blühen werden.

52 Marie-Luise Jahn hatte gemeinsam mit Hans Konrad Leipelt das sechste Flugblatt der Weißen Rose mehr- fach abgetippt und darüber geschrieben: „… und ihr Geist lebt trotzdem weiter!“ Sie verbreiteten das Flugblatt in Hamburg und sammelten Geld für die Familie Kurt Hubers, die nach dessen Verhaftung mit- tellos war. Dies wurde verraten, Leipelt und Jahn im Oktober 1943 festgenommen. Im Prozess gegen sie beide und fünf weitere Mitstreiter am 13. Oktober 1944 wurde Leipelt zum Tode verurteilt; seine Freun- din zu zwölf Jahren Zuchthaus. Marie-Luise Schultze-Jahn verstarb am 22. Juni 2010 in Bad Tölz und wurde auf dem Friedhof am Perlacher Forst bestattet.

Ehrengrab für Marie-Luise Schultze-Jahn auf dem Friedhof am Perlacher Forst; Gräberfeld 77, Reihe 3, Grab 63

Geschwister-Scholl-Preis für Dina Nayeri Dina Nayeri ist die Preisträgerin des Geschwister- Scholl-Preises 2020. Sie wird für ihr Buch „Der un- dankbare Flüchtling“ (Kein & Aber) ausgezeichnet. Die Jury begründet die Entscheidung: „In der Aus- einandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte wie auch mit den Biographien der Geflüchteten in unserer Gegenwart richtet Dina Nayeri unsere Augen immer wieder auch auf die schwierige Situation in den Ländern der Ankunft. Denn die Migrant*innen – so ihre Überzeugung – bleiben Migrant*innen. Sie sehen sich konfrontiert mit einer Vielzahl von Vorbe- halten, in den Behörden, bei denen sie um Aufnah- me bitten, ebenso aber auch in den Gesellschaften, in denen sie leben wollen. ‚Migranten‘, so schreibt Dina Nayeri, ‚verbringen den Rest ihres Lebens damit, darum zu kämpfen, dass man ihnen glaubt.‘ Diese neue und wichtige Perspektive macht ihr Buch – Dokument einer Welt in Aufruhr – so besonders.“ Mit dem in diesem Jahr zum 41. Mal vergebenen Geschwister-Scholl-Preis wird jährlich ein Buch aus- gezeichnet, das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen und intellektuellen Mut zu fördern und dem verant- wortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impul- se zu geben. Den Preis verleihen die Landeshaupt- stadt München und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Landesverband Bayern.

53 Willi-Graf-Glocke in Saarbrücken Am 12. Oktober 2020 läutete in Saarbrücken erst- mals die Willi-Graf-Glocke anlässlich des Todestags des Widerstandkämpfers. Landtagspräsident Ste- phan Toscani führte um 17 Uhr das erste Glockenläu- ten durch und leitete damit den Gedenkgottesdienst in der Kirche der Jugend Elija ein. Die Uhrzeit war absichtlich gewählt worden: „‘Angelegenheit wird am 12. Oktober um 17 Uhr erledigt‘ – ganze neun Worte benötigte der Oberstaatsanwalt im Herbst 1943, um mitzuteilen, dass der 25 Jahre alte Student Willi Graf hingerichtet werden soll. […] An den Mut und die Zi- vilcourage Grafs soll die Glocke künftig jeden Tag von 17 Uhr bis 17.03 Uhr – den Todesminuten Willi Grafs – erinnern.“ (Zitat aus der Pressemeldung des Bistums Trier)

Landtagspräsident Stephan Toscani läutet am 12. Oktober 2020 erstmals die neue Willi- Graf-Glocke

Posterpreis 'Bundeswehr und Gesellschaft' der Christoph-Probst-Kaserne 2020 verliehen Kasernenkommandant und Dienst- stellenleiter der im Vorjahr nach dem Widerstands- kämpfer benannten Kaserne den „Posterpreis der Christoph-Probst-Kaserne“. Dieser wird in der Kate-

54 gorie „Bundeswehr und Wissenschaft“ für fachliche Beiträge und erstmals als „Posterpreis Bundeswehr und Gesellschaft“ auch für Arbeiten zu Themen der politischen Bildung ausgelobt. Gezielt werden damit Soldat:innen neben ihrem Fachauftrag für ihr Enga- gement in der politischen Bildung geehrt. Der Hauptpreis ging an Katharina Schlegel mit dem Poster „myco-DES: Mykotoxin-Bestimmung in Le- bensmitteln mittels dried extract spots und SIVA-LC- MS/MS“. Mit dem Poster „Und wenn ihr euch entschieden habt… Aufrecht – Mutig – Couragiert“ ging Haupt- bootsmann Timo Feldpausch auf die feierliche Ka- sernenbenennung in „Christoph-Probst-Kaserne“ im Jahr 2019 ein. Ein weiterer Buchpreis in dieser Kategorie ging an die Hauptgefreiten Jil Reiners und Sabine Mildenberger für ihr eingereichtes Poster mit dem Titel „Christoph Probst – Damit Deutschland weiterlebt“. Sie geben einen Überblick über die letz- ten Tage im Leben von Christoph Probst nach seiner Festnahme am 20. Februar 1943. Die Festrede hielt Studiendirektor a.D. und Autor Ja- kob Knab. Zum Abschluss der Veranstaltung folgte an Jakob Knab der Hauptzufahrt zur Kaserne noch die gemeinsame feierliche Enthüllung des neuen Kasernenschildes.

Ehrengäste neben dem neuen Kasernenschild

„Wer ist Hans“ Digitaler Rundgang + Bertini-Preis Wer ist Hans? Mit einer Handy-geführten ‚Rallye‘ geben Schüler:in- nen aus Hamburg eine vielseitige, interaktive und dokumentarisch beeindruckende Antwort auf diese Frage. Der digitale Rundgang „Wer ist Hans“ be- gleitet Nutzer:innen auf den Spuren Hans Conrad Leipelts und der Hamburger Weißen Rose durch den Stadtteil Wilhelmsburg. Starten lässt sich der Rundgang über die Homepage weristhans.com; dieses Video präsentiert die Nut- zung: https://www.youtube.com/watch?v=EMhzB1mw3n0 Das Projekt ist Träger des Bertinipreises 2020: https://bertini-preis.hamburg.de/spurensuche-wer-ist- hans/ – wir gratulieren herzlich zum Preis und zum gelungenen Ergebnis.

Das Einführungsvideo auf der Projekthomepage weristhans.com

55 10 Nachrufe

Nachruf auf Elisabeth Hartnagel Elisabeth Hartnagel, die Schwester von Hans und Sophie Scholl, verstarb am Freitag, dem 28. Februar 2020, einen Tag nach ihrem 100. Geburtstag. Sie wurde als Elisabeth Scholl am 27. Februar 1920 in Forchtenberg am Ko- cher, Württemberg, geboren und war die Schwester von Hans und Sophie Scholl. Elisabeth Hartnagel als junge Frau und in späteren Jahren „Ich habe mir damals einfach ge- wünscht, ich sei verrückt, ich würde mir das alles einbilden, es würde be- stimmt nicht wahr sein.“ Dies sind Eli- sabeth Hartnagels spätere Worte über den Moment, als sie vom Tod ihrer Geschwister erfuhr. Sie selbst wusste nichts vom aktiven Widerstand der Geschwister. Erst zwei Wochen vor der Verhaftung der beiden besuchte sie Hans und Sophie in München. Ein Schock für sie war dann die Nachricht über die Hinrichtung, von der sie vom Titelblatt einer Tageszeitung erfuhr. Kurz nach der Beisetzung der Ge- schwister wurde die gesamte Familie Scholl – bis auf Bruder Werner, der an der sowjetischen Front eingesetzt und 1944 verschollen war – in Sippenhaft genommen. Nach kurzer Zeit erkrank- te Elisabeth Hartnagel schwer und wurde deshalb nach zwei Monaten aus dem Gefängnis entlassen. Auch die darauffolgende Zeit war nicht einfach für Elisabeth und ihre Familie. Halt fand sie vor allem bei Fritz Hart- nagel, dem ehemaligen Verlobten ihrer Schwester Sophie. Durch das gemeinsame Schicksal und die Trauer über den Verlust wurde aus der tiefen Freundschaft bald Liebe. Im Oktober 1945 heirateten sie und bekamen in den darauffolgenden Jahren vier Söhne: Thomas (*1947), Jörg (*1949), Klaus (*1952) und Martin (*1956). Fritz Hartnagel war während des Zweiten Weltkrieges Berufsoffizier. Nach dem Krieg studierte er Jura und wurde Richter. In den 1950er Jahren setz- te er sich mit seiner Frau Elisabeth gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ein.

56 Nachruf auf Dr. Hans-Jochen Vogel Die Weiße Rose Stiftung trauert um ihr langjähri- ges Beiratsmitglied Dr. Hans-Jochen Vogel, der am 26. Juli 2020 verstorben ist, und dankt ihm für sein bewundernswertes Engagement in unserer Erinne- rungsarbeit. Über zwei Jahrzehnte war Hans-Jochen Vogel ein aufmerksamer Begleiter und hilfreicher Ratgeber, er vermittelte wertvolle Kontakte für unse- re Arbeit und immer wieder auch eine Spende. Gelegentlich beschrieb er in Vorträgen die Situation in der Münchner Universität im ersten Halbjahr 1943, in der sich unter Studierenden die Flugblattaktion der Weißen Rose herumsprach und auch die gnadenlose Bestrafung durch die NS-Diktatur. In dieser Zeit hatte Hans-Jochen Vogel begonnen, an der Ludwig-Ma- ximilians-Universität Jura zu studieren, musste dann aber Soldat werden. Sein Engagement für die Erinnerung an die Wider- standsgruppe speiste sich nicht zuletzt auch aus seiner Biografie.

Hans-Jochen Vogel und Hildegard Kronawitter bei der Buch­ vorstellung von Igor Chramows Buch „Die Russische Seele der Weißen Rose“ in der Bayerischen Staatsbibliothek, 2013

Nachruf auf Hermann-Hinrich Reemtsma Am 29. September 2020 verstarb, 85-jährig, Her- mann-Hinrich Reemtsma. Der Cousin des Sozialwis- senschaftlers Jan-Philipp Reemtsma war seit April 1994 ein besonders großzügiges Fördermitglied der Weiße Rose Stiftung e. V. Der gelernte Kaufmann hatte bereits 1988 die (nach seinem Vater, dem Ziga- rettenfabrikanten Hermann F. Reemtsma, benannte) Hermann Reemtsma Stiftung ins Leben gerufen, mit der er auf vielen Gebieten mäzenatisch tätig war. Die Stiftung fördert soziale, aber vor allem kulturelle Vor- haben in Hamburg, Norddeutschland und Osteuropa. Für sein philanthropisches Wirken erhielt Hermann- Hinrich Reemtsma zu Lebzeiten zahlreiche Würdigun- gen und Auszeichnungen.

57 11 Neuerscheinungen V. S. Alexander The Traitor Kensington, New York 2020 Es handelt sich um eine fiktive Geschichte, der tat- sächliche Ereignisse und Charaktere rund um die Ge- schichte der Weißen Rose als Hintergrund dienen.

Giuseppe Assandri La Rosa Bianca di Sophie San Paolo Edizioni, Cinisello Balsamo 2020

Ulrich Baumgärtner (Hg.) Geschichte mit szenischem Spiel lebendig gestalten Auer Verlag, Donauwörth 2019 Enthält das Kapitel „Was tun mit dem Flugblatt?“ (S.64-70), Konzept für eine Unterrichtseinheit zum Sechsten Flugblatt der Weißen Rose, von Gregor Pelger

Wolfgang Benz Protest und Menschlichkeit. Die Widerstandsgruppe „Onkel Emil“ im Nationalsozialismus Reclam, Stuttgart 2020

Maren Gottschalk Wie schwer ein Menschenleben wiegt. Sophie Scholl. Eine Biographie C. H. Beck, München 2020

Gabriele Hammermann & Andrea Riedle (Hg.) Der Massenmord an den sowjetischen Kriegs­ gefangenen auf dem SS-Schießplatz Hebertshausen 1941-1942 Wallstein, Göttingen 2020

Theo Heinrichs Anneliese Knoop-Graf. Wachsamkeit als Konsequenz. In: Geschichtsverein des Kreises Euskirchen e. V. (Hg.): Frauen. Auf dem Weg zur Gleichberechtigung Verlag Ralf Liebe, Weilerswist 2020

58 Florence Hervé Mit Mut und List. Europäische Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg Papy Rossa Verlag, Köln 2020

Marita Krauss & Erich Kasberger Ein Dorf im Nationalsozialismus. Pöcking 1930-1950 Volk Verlag, München 2020 Enthält ein Kapitel zu Manfred Eickemeyer. Marita Krauss ist Mitglied im Verein der Weiße Rose Stiftung e. V.

Thomas Mertz Christoph Probst. Ein Student der Weißen Rose Paulinus, Trier 2020

Jan Neubauer Arbeiten für den Nationalsozialismus. Die Stadt München und ihr Personal im „Dritten Reich“ Wallstein, Göttingen 2020

Oliver Rathkolb Schirach. Eine Generation zwischen Goethe und Hitler Molden, Wien 2020

Michal Wójcik Der Aufstand von Treblinka. Revolte im Vernichtungslager Piper, München 2020

Robert M. Zoske Sophie Scholl. Es reut mich nichts. Porträt einer Widerständigen. Ullstein, Berlin 2020

59 12 Die Weiße Rose Stiftung e. V., ihre Organe und Mitarbeitenden

Vorstand Dr. Hildegard Kronawitter, 1. Vorsitzende, ehrenamtliche Geschäftsführung Markus Schmorell, 2. Vorsitzender Dr. Werner Rechmann, Schatzmeister Beisitzende: Prof. Dr. Wolfgang Huber, Dr. Marianne Ott-Meimberg

Beirat Joachim Baez, Prof. Dr. Michele Barricelli, Angela Bottin, Dr. Klaus Hahnzog, Prof. Dr. Wolfgang Huber, Präsidentin Dr. h. c. Charlotte Knobloch, Dr. Hilde­ gard Kronawitter, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin a. D., Dr. Marianne Ott-Meimberg, Prof. Dr. Heribert Prantl, Dr. Werner Rechmann, Dr. Rachel Salamander, Prof. Dr. h. c. Klaus G. Saur, Dr. Christof Schmid, ­Markus Schmorell, Dr. Ludwig Spaenle, Staatsminister a. D., Alexander Stuwe, Prof. Dr. Margit Szöllösi-Janze, Prof. Dr. h.c. Erwin Teufel, Ministerpräsident a. D., Christian Ude, Oberbürgermeister a. D., Prof. Dr. Michael Verhoeven, Dr. Hans-Jochen Vogel †, Bundesminister. a. D., Winfrid Vogel, Brigadegeneral a. D., Dr. Beatrice von Weizsäcker Vorsitzende: Dr. Rachel Salamander

Vereinsmitglieder Joachim Baez, Heinz Beumer, Dr. Igor Chramow, Dr. Eva Flecken, Thomas Gu- ckenbiehl, Dr. Klaus Hahnzog, Jörg Hartnagel, Prof. Dr. Wolfgang Huber, Dr. Tho- mas Kiepe, Prof. Dr. Marita Krauss, Dr. Hildegard Kronawitter, Dr. - Page, Dr. Silvester Lechner, Dr. Umberto Lodovici, Dr. Christoph-David Müller, Julia Müller, Johannes Nebmaier, Christa Nickisch, Dr. Marianne Ott-Meimberg, Maximilian Probst, Dr. Werner Rechmann, Dr. Rachel Salamander, Prof. Dr. h. c. Klaus G. Saur, Isabella Schmid-Schröder, Markus Schmorell, Heino Seeger, Alex- ander Stuwe, Frank Trümper, Winfrid Vogel, Christian Vorländer, Stephan Weiss

Kreis der Freunde und Förderer der Weiße Rose Stiftung e. V. per 31.12.2020 322 Personen und Institutionen unterstützen finanziell und ideell die Arbeit der Weiße Rose Stiftung e. V.

Mitarbeitende (Teilzeit) Mag. Christine Fiala-Köfer M.A., Finanzen und Verwaltung Dr. Fabienne Gouverneur, Führungen, Auskünfte und Kommunikation Social Media Ursula Kaufmann M.A., Führungen, fachliche Beratung Dr. Edith Koller, Ausstellungsverleih, Führungen Werkstudent:innen: Michael Greinwald, Laura Schmid Praktikantin: Lucia Seethaler (Februar/März) Ehrenamtlich Mitarbeitende in der DenkStätte Weiße Rose Susanne Bergmann, Christa Elferich, Barbara Keim, Gudrun Keintzel-Schön, Dr. Maren Killmann, Karin Köbler, Christa Nickisch, Eugenio Passaro, Helga Pförtner, Dr. Gotthilf Walz, Helga Ziegler. Bis März: Karin Adam, Angelika Kauf- mann, Ellen Moll Studierende (zeitweise): Tanja Bekritzky, Anna Danshina, Michael Greinwald, Isabell Gruber, Angelina Maslennikova, Laura Schmid, Lucia Seethaler Führungen extern Anne Bertrand, Dr. Eva Hoegner, Dr. Umberto Lodovici, Stefania Zuber Freiberuflich Mitarbeitende Dr. Andrea Brill, Dr. Umberto Lodovici, Dipl.-Ing. Annette Scholz Vereinsregister Amtsgericht München VR 12214 Finanzamt München Steuer-Nr. 143/224/40546 Die Weiße Rose Stiftung e. V. ist zur Entgegennahme von Spenden und Buß- geldern gemäß Freistellungsbescheid vom 31.08.2020 berechtigt. Spendenkonto und Bankverbindung: Stadtsparkasse München, IBAN: DE68 7015 0000 0000 0008 85, BIC: SSKMDEMM Stand: März 2021

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Rose Stiftung e.V. und Förderer der Weiße zum KreisderFreunde eitrittserklärung Einladungen nutzt. und Postadresse fürdieZusendung von Informationen und Ich bineinverstanden, dass die Weiße Rose Stiftung meineEmail- Institution Datum PLZ, Ort Straße E-Mail Telefon Beruf Vorname Name BIC IBAN Bank Unterschrift € Mein Jahresbeitrag der Freunde undFörderer unterstützen. Ich möchte die Arbeit der Weiße Rose Stiftung e.V. überdenKreis eingezogen werden. per Lastschrift Die Beiträge sollen € Meine Spende € Meine Spende (€ 35,–Studierende) (€ 65,–odermehr) BIC: SSKMDEMM 85 IBAN: DE687015 0008 0000 0000 MünchenStadtsparkasse www.facebook.com/WeisseRoseStiftung www.weisse-rose-stiftung.de E-Mail [email protected] Telefax 089/2180--5346 Telefon 089/2180-5359, 2180-5678 D-80539 München Geschwiste Ludwig-Maximilians-Universität Weiße RoseStiftunge.V. Spendenquittung wirdzugesandt. (einmalig) (jährlich) r -Scholl-Platz 1

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