Literaturbericht

Literaturbericht 2008/2009 Die Mensch-Tier Beziehung unter ethischem Aspekt Petra Mayr, Judith Benz-Schwarzburg, Regina Binder, Dieter Birnbacher, Silke Bitz, Gieri Bolliger, Marius Christen, Arianna Ferrari, Kathrin Herrmann, Detlef Horster, Roman Kolar, Erwin Lengauer, Jörg Luy, Cecilia Muratori, Kurt Remele, Silke Schicktanz, Kirsten Schmidt und Norbert Walz

Inhalt Vorbemerkungen

1 Allgemeines zum Tierschutz 1.1 David Forster Wallace: Am Beispiel des Hummers 1.2 David Fraser: Understanding

2 Philosophische Ethik 2.1 tom L. Beauchamp, F. Barbara Orleans, Rebecca Dresser, David B. Morton and John P. Gluck: the Human Use of Animals – Case studies in Ethical Choice 2.2 Dagmar Borchers und Jörg Luy (Hrsg.): Der ethisch vertretbare Tierversuch. Kriterien und Grenzen 2.3 Cordula Brand, Eve-Marie Engels, Arianna Ferrari und László Kovács (Hrsg.): Wie funktioniert Bioethik? Interdisziplinäre Entscheidungsfindung im Spannungsfeld von theoretischem Begründungsanspruch und praktischem Regelungsbedarf 2.4 Reinhard Brandt: Können Tiere denken? 2.5 Andreas Brenner: Leben 2.6 (ed.): The Death of the Animal: A Dialogue 2.7 Markus Düwell, Dieter Birnbacher et al. (Hrsg.): Medizinethik und Empirie – Standortbestimmungen eines spannungsreichen Verhältnisses 2.8 tina-Louise Fischer: Menschen- und Personenwürde. Über die Notwendigkeit eines neuen Würdebegriffs 2.9 Gary L. Francione: Animals as Persons: Essays on the Abolition of Animal Exploitation 2.10 Richard P. Haynes: Animal Welfare. Competing Conceptions and Their Ethical Implications 2.11 (ed.): 2.12 Klaus Peter Rippe: Ethik im außerhumanen Bereich 2.13 Kirsten Schmidt: Tierethische Probleme der Gentechnik. Zur moralischen Bewertung der Reduktion wesentlicher tierlicher Eigenschaften 2.14 : Animals and the Moral Community: Mental Life, Moral Status, and Kinship

3 Ethik interdisziplinär 3.1 Frans de Waal: Primaten und Philosophen. Wie die Evolution die Moral hervorbrachte 3.2 : Das Gefühlsleben der Tiere. Ein führender Wissenschaftler untersucht Freude, Kummer und empathie bei Tieren 3.3 europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen: Pharming. Promises and risks of biopharmaceuticals derived from genetically modified plants and animals 3.4 Vaughan Monamy: Animal Experimentation. A Guide to the Issues 3.5 P. Michael Conn and James V. Parker: The Animal Research War 3.6 Udo Friedrich: Menschentier und Tiermensch. Diskurse der Grenzziehung und Grenzüberschreitung im Mittelalter 3.7 Rainer E. Wiedenmann: Tiere, Moral und Gesellschaft. Elemente und Ebenen humanimalischer Sozialität 3.8 Jodey Castricano (ed.): Animal Subjects. An Ethical Reader in Posthuman World

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4 Theologische Ethik 4.1 eugen Drewermann: Über die Unsterblichkeit der Tiere. Hoffnung für die leidende Kreatur

5 Rechtsfragen und Rechtsentwicklung 5.1 Gieri Bolliger, Antoine F. Goetschel, Michelle Richner und Alexandra Spring: Tier im Recht transparent 5.2 David Favre: : Welfare, Interests, and Rights 5.3 edward N. Eadie: Animal suffering and the law. National, regional, and international 5.4 Dominik Lang: Sodomie und Strafrecht: Geschichte der Strafbarkeit des Geschlechtsverkehrs mit Tieren

Literatur Die AG Literaturbericht und ihre neuen Mitglieder

Vorbemerkungen Das Spektrum der wissenschaftlichen Bücher, die sich mit Ein bemerkenswerter Erklärungsansatz dafür findet sich im unserem Verhältnis zu Tieren auseinandersetzen, wächst un- Buch des Soziologen Rainer E. Wiedenmann mit dem Titel entwegt weiter. In immer mehr Fachdisziplinen wird das Au- Tiere, Moral und Gesellschaft. Elemente und Ebenen humani- genmerk darauf gerichtet, wie wir mit Tieren umgehen. Auch malischer Sozialität. Der Autor versucht dort mit Hilfe komple- wenn Quantität noch nichts über Inhalte aussagt, so zeigt doch xer Theorien die Sozialtechniken aufzuspüren, die es vermögen, der Anstieg solcher Publikationen ein steigendes Interesse am dass solches paradoxe Verhalten in unserer Gesellschaft größ- Mensch-Tier-Verhältnis. Das Besondere an diesem Interesse tenteils keinerlei moralische Skrupel hervorruft. ist es, dass die eminent ethische Komponente hierbei immer Einen weiten Bogen innerhalb der Kulturtheorie spannt die mehr ins Zentrum rückt und zugleich längst nicht nur in ihrer kanadische Kulturtheoretikerin Jodey Castricano mit ihren „Heimatdisziplin“, der Philosophie, diskutiert wird. Auch in gesammelten Beiträgen im Buch Animal Subjects. An Ethical soziologischen, historischen oder etwa in kulturtheoretischen Reader in Posthuman World. Mit ihrer Textsammlung hat sie Texten spiegelt sich ein Zeitgeist, der unser Verhalten gegen- sich zum Ziel gesetzt, die bislang weitestgehend auf Menschen über Tieren untersuchend bewertet. fokussierten Studien auch auf Tiere auszuweiten. Die von ihr Dabei versteht es sich von selbst, dass jede wissenschaftliche zusammengestellten Texte verweisen einmal mehr auf die Ver- Disziplin ihre eigene Herangehensweise an dieses Thema hat. flechtungen der einzelnen Disziplinen, stützen sich jedoch in Diese jeweils spezifischen Perspektiven der unterschiedlichen der Mehrheit auf philosophisch-ethische Argumentationen. Disziplinen sind in mehrerlei Hinsicht eine Bereicherung für die Menschentier und Tiermensch. Diskurse der Grenzziehung Frage nach einem adäquaten Umgang mit Tieren. Zum einen und Grenzüberschreitung im Mittelalter ist der Titel eines Bu- decken sie tradierte gesellschaftliche Strukturen und Verhalten- ches von Udo Friedrich, der ein Kernthema der Mensch-Tier- muster auf. Zum anderen bieten sie darüber hinaus Erklärungs- Beziehung auf den Punkt bringt, nämlich die Frage nach der modelle, um etwa widersprüchliches Verhalten im Umgang mit Abgrenzung. Der Autor, Philologe mit historischem Schwer- Tieren nachvollziehbar zu machen. punkt geht damit dem Paradoxon auf den Grund, dass in der Ein zweifellos eklatanter Fall von widersprüchlichem Verhal- Gesellschaft des Mittelalters einerseits eine strenge Abgrenzung ten ist unser – aus der Distanz betrachtet – geradezu groteskes zwischen Mensch und Tier vorherrschte, die andererseits zu- Verhältnis im Umgang mit Heimtieren einerseits und Nutztieren gleich immer wieder Grenzüberschreitungen inszenierte. Mar- oder Versuchstieren andererseits. Hier spiegelt sich bereits in kant schlägt sich diese Ambivalenz etwa in der Strafpraktik der den dafür geschaffenen Begriffen „Heimtier“, „Nutztier“ oder „Vogelfreiheit“ von Verbrechern nieder. „Versuchstier“ die Funktionalisierung der Tiere, und in der Ver- Verwandt mit der Frage nach der Grenzlinie von Mensch wendung der Begriffe liegt zugleich auch der erste Schritt zur und Tier ist die Frage nach den Fähigkeiten von Tieren. In sei- Legitimation der jeweiligen im Wort definierten Umgangswei- nem Buch Können Tiere denken? geht der Philosoph Reinhard se. So werden Heimtiere nahezu wie Menschen personalisiert, Brandt dieser Frage nach und thematisiert dabei auch die Pro- während die so genannten Nutztiere und Versuchstiere nicht blematik der Definition des Begriffes „Denken“. Die Differenz selten unmenschliche Ausbeutung erfahren. Wie konnte sich ein in den Fähigkeiten zwischen den einzelnen Tier-Spezies und solches Verhalten, das die gleiche Tierart in verschiedene „Nut- dem Menschen wird im philosophischen Diskurs vielfach als zenskategorien“ einordnet – denken wir an Hunde, Katzen oder Kriterium dafür verwendet, welcher moralische Status Tieren Kaninchen, die sowohl als Heimtiere als auch als Versuchstiere zuzuschreiben sei. An oberster Stelle hat sich hierbei die Lei- gesellschaftlich akzeptiert sind – etablieren? densfähigkeit etabliert. Die Schwierigkeit des Kriteriums der

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Leidensfähigkeit liegt nun aber darin, dass sie als empirisches 1 Allgemeines zum Tierschutz Kriterium vielfach nur uneindeutig feststellbar ist. Dieser ernst zu nehmenden Problematik des Kriteriums der 1.1 David Forster Wallace: Leidensfähigkeit will der Philosoph Klaus Peter Rippe in sei- Am Beispiel des Hummers nem Buch Ethik im außerhumanen Bereich Rechnung tragen. 79 Seiten, Zürich-Hamburg: Arche Ihm zufolge ist eine moralische Hierarchisierung von Lebe- Literatur Verlag, 2009, Euro 12,00 wesen auf der Grundlage einer angenommenen Abstufung der Leidensfähigkeit nicht zu vertreten, da eine Abstufung der Ein Journalist wird beauftragt, für ein Leidensfähigkeit empirisch nicht hinreichend gestützt ist. Von Gourmetmagazin einen Essay zum Meilensteinen des Tierschutzes lässt sich dann sprechen, wenn jährlich wiederkehrenden Hummerfes- Veränderungen im gesellschaftlichen Bewusstsein ihren Nie- tival in der nordamerikanischen Stadt derschlag in Gesetzen finden. Maine zu schreiben. Er reist zu dem Solche Vorschläge machen der Wirtschaftswissenschaftler medial hochgerüsteten Event und fin- und Jurist Edward N. Eadie in seinem Buch Animal Suffering det vor, was auf Veranstaltungen dieser and the Law: National, Regional, and International und der Art nahezu immer vorzufinden ist: eine Jurist David Favre in seiner Publikation mit dem Titel Animal unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten Law: Welfare, Interests, and Rights. Ihnen zufolge lassen sich durchorganisierte Maschinerie. Über 100.000 Besucher werden viele Defizite im Tierschutz auf den juristischen Sachstatus von vom jahrmarktähnlichen Getriebe und vor allem dem kulinari- Tieren zurückführen. Zwar gelten Tiere in Deutschland, Öster- schen Gaumenschmaus angelockt. Zuweilen voll Ekel wird dem reich und der Schweiz juristisch nicht mehr als Sachen, dennoch Leser die mit Plastikgeschirr ausgerüstete Menschenmasse im werden sie – wenn keine besondere Rechtsvorschrift besteht – übervollen Fresszelt präsentiert. Eine durchkalkulierte Massen- wie Sachen behandelt, da sie den sachrechtlichen Vorschriften abspeisung, deren Delikatesse – der Hummer – zum unappetit- unterliegen. Favre plädiert deshalb für eine Aufwertung des ju- lichen Fastfood verkommt. So jedenfalls ist die Perspektive des ristischen Status von Tieren. Diese sieht er in der Schaffung ei- Icherzählers. Selbst mit viel Phantasie, so scheint es, vermag ner neuen Eigentumskategorie sui generis gewährleistet. Neben es ihm nicht nachvollziehbar zu sein, welche Begeisterung die dem Eigentum an unbelebten Sachen (Gegenständen) und dem Menschen zu einer solchen Veranstaltung treibt. Der Autor, Da- Eigentum an immateriellen Gütern (geistiges Eigentum) solle vid Foster Wallace macht damit seinem Ruf, einer der schärfsten es noch eine neue Kategorie des Eigentums an einem leben- Kritiker des westlichen „way of life“ zu sein, alle Ehre. den Objekt (Tier) geben, die er als „living property“ bezeichnet. Seine Kritik richtet sich jedoch nicht ausschließlich auf die Eadie schlägt zur Verbesserung des Tierschutzes einen anderen nach rein ökonomischen Prinzipien dressierte Masse der Besu- Weg ein. Er plädiert dafür, die Nutzung von Tieren zu bestimm- cher. Es ist eben nicht nur jenes geschmacklose Ambiente des in- ten Zwecken grundsätzlich zu verbieten. Und das mit gutem szenierten Hummeressens der Massen, was den Icherzähler zum pragmatischem Grund: Ihm zufolge zeige die Praxis, dass die Nachdenken bringt. Im Zentrum des schmalen und ästhetisch Leidenszufügung bei Tieren in aller Regel dann in Kauf genom- ansprechend gestalteten Bandes wird die Speise selbst unter ei- men wird, wenn daraus ein Nutzen für den Menschen hervor- nem ethischen Blickwinkel betrachtet, der Hummer zum Aus- geht. Ein solches Verbot würde eine Güterabwägung, wie sie gangspunkt einer ersten kritischen Reflexion über die „Ethik des derzeit noch vorgenommen wird, in bestimmten Bereichen der Ernährung“. Eben diese Überlegungen sind es, die das Buch aus- Tiernutzung außer Kraft setzen. Dies erscheint als eine längst zeichnen. In unvoreingenommer klarer Weise wird thematisiert, fällige Konsequenz, da vermutlich nur ein gänzliches Verbot was für die einen per se keine moralischen Skrupel hervorruft, der Tiernutzung in definierten Bereichen die vielfach rein wirt- was jedoch die anderen in aller Regel mit Rationalisierungsstra- schaftlichen Interessen, unter denen Versuchs- und Nutztiere tegien und Verdrängungsmechanismen in Schach halten: das un- leiden, außer Kraft zu setzen vermag. gute Gefühl, dass ein Tier zum Essen erst getötet werden muss. Einen solchen Vorschlag des Verbots einer Güterabwägung Der Blick des Journalisten gleitet ab vom öligen Plastikteller hin macht auch der Tierarzt und Philosoph Jörg Luy in seinem zu den übervollen Hummertanks aus Glas. Ein Perspektiven- Beitrag des zusammen mit der Philosophin Dagmar Borchers wechsel. Von nun an geht es nicht mehr um den Gaumenschmaus herausgegebenen Bandes Der ethisch vertretbare Tierversuch. der Besucher, sondern darum, wie es dem Hummer ergeht, bevor Kriterien und Grenzen. Luy plädiert dafür, Tierversuche für er zur Delikatesse wurde. „Sobald nämlich Sie als normaler Fest- die Grundlagenforschung generell zu verbieten, da nahezu jede besucher den Gedanken zulassen, dass die Hummer tatsächlich Forschungstätigkeit, die sich nicht dem Bereich der „angewand- leiden (und viel lieber nicht leiden wollten), dann, ja, dann ver- ten Forschung“ zuordnen lässt, für sich den Begriff der Grund- ändert diese unbeschwerte Hummersause ihr Gesicht, wird zur lagenforschung beanspruchen könne. römischen Arena oder zur Pöbelbelustigung rund um ein mittel- Insgesamt lässt sich in der Literatur eine Tendenz erkennen, alterliches Blutgerüst.“ (73) die den Schutz von Versuchstieren allein in einer Güterabwä- Die Leidensfähigkeit eines Lebewesens scheint für den Ich- gung offenbar nicht mehr gewährleist sieht. erzähler im Mittelpunkt der Frage nach der Legitimität des Petra Mayr Verzehrs von Tieren zu stehen. Das belegen zumindest seine

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akribischen Recherchen, bei denen er sich auf Studien über die former Maßgaben, anhand derer der Tierschutz definiert wird. neuronalen Strukturen von Hummern stützt. Überdies erfährt Understanding Animal Welfare ist als englischsprachiges Buch man Vieles zur Abstammung und den biologischen Grundlagen in der Tierschutzreihe der universitären Vereinigung für Tier- der das Meer bewohnenden Gliederfüßer. Und auch ebensoviel schutz in England (UFAW; Universities Federation for Animal zu menschlichen Verhaltensweisen bei der meist praktizier- Welfare) erschienen. ten Tötungsmethode des Hummers, bei der die Tiere lebend in Das Buch gliedert sich nach dem Vorwort und der Vorschau in kochendes Wasser geworfen werden. Viele Köche flüchten aus drei Kapitel. Im ersten Kapitel erläutert Fraser moralische As- der Küche, um den Todeskampf des Hummers nicht ertragen zu pekte im Zusammenhang mit Tieren, den Stellenwert der Tiere müssen. Sie kehren erst wieder zurück, wenn ihnen die Uhr sagt, aus menschlicher Sicht und stellt die Frage nach einer Wissen- dass es vorbei sein müsste. schaft des Tierschutzes. Im folgenden Kapitel werden Einfluss- Ob Hummer nun Schmerzen empfinden können und wel- faktoren behandelt, die die wissenschaftliche Beurteilung des cher Art diese seien, auf diese Frage mag sich der Icherzähler Tierschutzes bestimmen, wie beispielsweise Stress, Krankhei- gar nicht erst einlassen. Für ihn liegt die Antwort in dem was er ten und abnormales Verhalten. Im letzten Teil werden die unter- sieht: „Allen theoretischen Erörterungen zum Trotz bleibt aber schiedlichen Kriterien in einen Zusammenhang gebracht und in die Tatsache, dass sich der Hummer verzweifelt dagegen wehrt, Bezug auf den Tierschutz bewertet. bei lebendigem Leib gekocht zu werden. Bis zur letzten Sekunde Den Ausführungen des Autors zufolge nahm die Debatte um versucht er, dem Topf zu entrinnen, und spätestens bei diesem die adäquate Behandlung von Tieren vermutlich zu Beginn des Anblick lässt sich schwer mehr leugnen, dass hier ein lebendiges sechsten Jahrhunderts vor Christi ihren Anfang in Griechenland Wesen vernichtenden Schmerzen ausgesetzt ist.“ (69) Bei sei- und das prähistorische Verhältnis zwischen Tier und Mensch nen Untersuchungen rund um die Frage nach der Legitimität des zeigt Parallelen zum Umgang vor rund einem Jahrhundert auf. Tötens von Tieren zu Nahrungszwecken recherchiert der Ich- Zugleich wurden Tiere für menschliche Zwecke benutzt: Pferde erzähler darüber hinaus einen Fundus an historisch interessan- und Ochsen für den Transport oder die Bestellung der Äcker, ten Fakten. So galt Anfang des 19. Jahrhunderts Hummer noch Schafe zur Wollgewinnung oder Schweine als Nahrungsmittel, als ein äußerst minderwertiges Lebensmittel, das allenfalls den Hunde als Wächter und Gefährte des Menschen. Insassen von Gefängnissen zuzumuten war. Auch waren die Tiere bereits damals von wissenschaftlichem Am Beispiel des Hummers ist ein schmales, in einer essayisti- Interesse. Aristoteles (384-322 v. Chr.) unterhielt eine Samm- schen Weise verfasstes Buch, das Elemente eines wissenschaft- lung von Wildtieren und wurde von seinem Schüler Alexander lichen Schreibstils zu integrieren scheint. Zuweilen ziehen sich dem Großen unterstützt, der von seinen Streifzügen exotische Fußnoten über mehrere Seiten hin. Der Band endet mit einer Rei- Tiere mitbrachte. Aristoteles erkannte beispielsweise, dass eine he von anklagend formulierten Fragen, die an die Konsumenten Sau weniger Ferkel zur Welt brachte, wenn sie zu häufig ge- von Fleisch als Feinschmecker gerichtet sind. Dieser ins „Gewis- zwungen wird, Nachwuchs zu erzeugen. Die vermutlich frühes- sen redende“ Schluss des Buches kommt überraschend, weil sich te Stimme zugunsten einer Ethik gegenüber Tieren erhob Pytha- der Journalist (selbst Fleisch liebender Gourmet) bislang kritisch goras, der den Ausführungen nach geäußert haben soll: „Es ist distanziert und eher unparteiisch dem Thema genähert hat. Das eine niederträchtige Gewalt des Menschen, dem Kalb die Kehle Ende des Buches aber verdichtet sich zu einer langen Fragenli- durchzuschneiden“ („It is wicked as human bloodshed to draw tanei, die jeder Fleisch liebende Gourmet eher verdrängen mag. the knife across the throat of the calf“) (10), ein Ausspruch, der Dennoch sind es die Fragen, die sich jedem stellen, der sich mit in der heutigen modernen Zeit in Form von „Fleisch ist Mord“ diesem Thema eingehend und aus eigenem Interesse beschäftigt. gegenwärtig ist. Und eben darin liegt die unbequeme Authentizität des Bandes. Dem Autor nach müssen zur wissenschaftlichen Beurteilung Petra Mayr des Tierschutzes verschiedene Kriterien miteinander kombiniert werden. Fraser gruppiert diese in drei Kategorien: grundlegende Gesundheit, Einflussfaktoren und natürliche Lebensbedingun- gen. (222) Weiter erläutert er, dass verschiedene Ansätze zum 1.2 David Fraser: Messen des Tierschutzes herangezogen werden können, die Er- Understanding Animal Welfare gebnisse jedoch immer übereinstimmen müssen. Als Beispiel 336 Seiten, United Kingdom: John nennt der Autor die Beurteilung des Wohlbefindens von Tieren Wiley & Sons, 2008, Euro 44,90 unter bestimmten Haltungsbedingungen. Auch bei unterschied- licher Methodik muss bei deren korrekter Anwendung die End- Mit seinem Werk „Understanding Ani- aussage über den Tierschutz dieselbe sein. (223) Gleichzeitig mal Welfare – The Science in its Cultu- kritisiert Fraser den Ausdruck „Messung“ in Zusammenhang ral Context (Tierschutz verstehen – Wis- mit Tierschutz, da das Wohlbefinden von Tieren an sich keine senschaft im kulturellen Kontext)“ gibt messbare Größe ist. Lediglich Variablen, die zur Bewertung des der Autor David Fraser eine umfassen- Tierschutzes herangezogen werden, können gemessen werden. de Zusammenschau und Analyse über Das Buch kann als umfassende Lektüre zum besseren Ver- allgemeine Aspekte der Bedeutung des Begriffs Tierschutz und ständnis des Begriffs Tierschutz und insbesondere dessen Kriterien, die zur Beurteilung tiergerechter Verhältnisse relevant praktische Umsetzung in Form des menschlichen Verhaltens sind und zieht Schlussfolgerungen zur Stellung tierschutzkon- gegenüber Tieren empfohlen werden. Für im Tierschutz tätige

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Personen liefert es wertvolle Argumentationshilfen in einer Ge- Einsatz als Haustier oder bei der Religionsausübung, dem Um- sellschaft, in der das Fühlen von Tieren abstrahiert und teilweise gang mit vom Aussterben bedrohten Tieren, sowie schließlich von Tier“nutzern“ bewusst als nicht existent dargestellt wird. zu Tierversuchen in der biomedizinischen Forschung, der Doch selbst wenn es in der heutigen Zeit wissenschaftlicher Er- Verhaltensbiologie, der Biodiversitätsforschung und in der klärungen über das Wohlbefinden und die Bedürfnisse der Tiere Ausbildung. Die Darstellung der einzelnen Fälle besticht sehr bedarf – um in der Politik Fortschritte zu erlangen, werden Be- durch ihre Detaildichte, ihre Praxisnähe und die pointierte weise zur Leidensfähigkeit von Tieren abverlangt. Dem Leser Schilderung wichtiger Teilaspekte – und dies jeweils auf 10-12 bleibt offen, sich Gedanken darüber zu machen, ob, Kriterien Seiten Umfang. Zwar sind einige der Fälle bereits schon in der zur Messung des Tierschutzes hin oder her, der Schutz der Tiere ersten Auflage von 1997 enthalten. Sie wurden aber ebenfalls und ein würdevoller Umgang mit Lebewesen, nicht per se ein aktualisiert und ergänzt. Bei der Darstellung der Fälle wird da- Selbstverständnis sein sollte. rauf geachtet, dass Fakten und Ablauf, Hintergrundinformati- Silke Bitz onen, ggf. rechtlicher Rahmen und ethische Analyse getrennt dargestellt werden. Eine ganze Reihe der Fälle bot dabei neue Einsichten und auch aktuelle Bezüge zur deutschen Tierethik- Debatte: Die anvisierte Umsiedlung zweier Zoo-Elefanten – 2 Philosophische Ethik Winky und Wanda – aus Detroit zeigt die vertrackte Diskussion über Nutzen, Standards, moralischen Status und Tierhaltung in 2.1 Tom L. Beauchamp, Zoos auf. In zwei Fällen aus dem Bereich der Fleischprodukti- F. Barbara Orleans, Rebecca on – einmal zu Schweinen und einmal zu Mastkälbern – wird Dresser, David B. Morton und deutlich, wie sehr die ethische Diskussion der Befürworter ei- John P. Gluck: ner Verwendung von Tieren als Nahrungsmittel als auch der The Human Use of Animals – Kritiker dieser Praxis von Annahmen über Notwendigkeit, Case studies in Ethical Choice Alternativen und Ökonomie der Fleischproduktion abhängen. 300 Seiten, USA: Oxford University Der recht bekannte Fall des Überfalls militanter Tierschützer Press, second Edition, 2008, auf Primatenversuchslabore an der University of Pennsylvania Euro 29,99 in den 1990er Jahren und die Analyse der anschließenden, sehr verfahrenen Diskurssituation eignet sich sicher gut, mit etwas Ethische Fallanalysen sind ein be- Abstand auch Licht auf die aktuelle Debatte über die Prima- liebtes und bewährtes Mittel für die tenforschung an der Universität Bremen zu werfen und da- Vermittlung angewandter ethischer Probleme in den Wissen- mit die aktuelle Diskussion zu erhellen. Der sehr interessante schaften. Umso dankbarer sind Dozenten, wenn sie gute Fälle „Santaria-Fall“ aus Florida zur Einschränkung von Tieropfern zur Vorlage erhalten, die zum einen die Komplexität ethischer bei religiösen und ethnischen Minderheiten zeigt die vagen Analyse abdecken und zum anderen ausreichend Hintergrund- Übergänge zur Diskriminierung ethnischer/religiöser Minder- wissen über die konkreten Rahmenbedingungen liefern. Die heiten auf, wenn tierethische Argumente mit politischer Ideo- aktualisierte und erweiterte Neuauflage von mehreren be- logie vermischt werden. Zudem wirft er interessante Fragen kannten US-amerikanischen Bioethikern zu Fallstudien in der zu grundgesetzlichen Konflikten mit dem Recht auf Ausübung Tierethik bietet hierfür eine gute Grundlage. der Religionsfreiheit auf. Interessante Parallelen könnten sich Das Buch beinhaltet auf knapp 40 Seiten eine gute Einfüh- hier zur aktuellen Schächtungs-Debatte ergeben. Die Ambiva- rung in die wichtigsten Fragestellungen der Tierethik. Diese lenz verschiedener Tierhalter als auch die von Tiermedizinern geht dabei auf die zwei klassischen Ansätze zurück: den Utili- im Umgang mit kosmetischen Eingriffen bei Hunden (wie tarismus und die damit verbundene moralische Rücksicht auf dem Schwanz coupieren) wird besonders schön am Fall einer alle empfindungsfähigen Wesen, und die eher deontologisch britischen Hundezüchterin herausgearbeitet. Er verdeutlicht geprägte Tierrechts-Position. Darüber hinaus wird auf die zen- die Notwendigkeit der Frage nach individueller und professio- trale Rolle von kognitionswissenschaftlichen und evolutions- neller Verantwortung. biologischen Argumenten für die moralische Status-Debatte Das Buch ist daher sehr zu empfehlen, denn es ist von Kon- hingewiesen. Schließlich wird das Konzept ethischer Abwä- zeption und Umfang der einzelnen Fallgeschichten her ganz gung und Rechtfertigung, welche ethische Schlussfolgerungen hervorragend geeignet für die Bearbeitung von tierethischen in angewandten Fällen immer herausfordern, näher erläutert. Fragen z.B. im Studium der Tiermedizin, der Biologie, der Nicht berücksichtigt werden allerdings neuere Ansätze der Medizin oder für die Agrarwirtschaften. Eine didaktische Um- Tierethik, die sich z.T. aus anderen philosophischen Traditio- setzung wird allerdings seitens der Autoren nicht mit geliefert. nen speisen. Daher kann die dargebotene Einleitung wirklich Es obliegt also entsprechend der Erfahrung und der weiteren nur als erster Einstieg in die Tierethikdebatte dienen. Recherchen den Dozenten, sich zu überlegen, wie sie das Ma- Im weiteren Verlauf des Buches werden 16 Fallgeschichten terial einsetzen können. aufgeführt. Jede von ihnen schildert sehr anschaulich und gut Silke Schicktanz recherchiert konkrete tierethische Konfliktfälle. Diese stammen aus verschiedenen Anwendungsbereichen wie der Landwirt- schaft und Fleischproduktion, der Unterhaltungsbranche, dem

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2.2 Dagmar Borchers und biologische Weltsicht einbetten, die Grenze eher für fließend Jörg Luy (Hrsg.): Der ethisch halten. Johann S. Ach erläutert, dass dem Gesetzgeber bei der vertretbare Tierversuch. ethischen Abwägung das Gut „Versuchszweck“ dem Gut „zu Kriterien und Grenzen erwartende Schmerzen, Leiden und Schäden der Tiere“ ge- 309 Seiten, Paderborn: mentis, 2009, genübergestellt wird. Bei den tierlichen Gütern kann es sich Euro 29,80 jedoch zum einen um die Bedürfnisse der Tiere handeln, oder aber es handelt sich nur mittelbar um deren Bedürfnisse. In Das Buch „Der ethisch vertretbare diesem Fall wäre die Abwägung eine solche zwischen zwei Tierversuch“ ist eine Zusammenstel- konkurrierenden menschlichen Gütern, dem Versuchszweck lung verschiedener Aufsätze, die sich und dem menschlichen Interesse, das Tierinteresse an Leidens- aus unterschiedlichen Blickwinkeln minderung zu erfüllen. und Fachgebieten mit der Frage nach Dieter Birnbacher geht der Frage nach, ob bei Tierversuchen der ethischen Bewertung eines Tierversuchs auseinandersetzen. eine absolute oder eine relative ethische Grenze zugrunde ge- Die Notwendigkeit nach der Festlegung konkreter Kriterien legt werden sollte. Gemäss seinen Ausführungen lässt sich ei- zur ethischen Abwägung wird seit langem kontrovers disku- ne absolute Grenze der Leidenszufügung auf der Ebene idealer tiert. In drei Teilen nähern sich die Autoren aus rechtlicher, Normen nicht begründen. Bei Anerkennung einer Abwägbar- ethischer und philosophischer Sicht den Fragestellungen nach keit von Leidenszufügung bei Tieren und Leidensminderung dem Problem der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen, bei Menschen wäre eine Obergrenze der Belastung für die Ver- der Vertretbarkeitsprüfung nach dem Tierschutzgesetz und der suchstiere nicht rechtfertigbar. Es würde sich nur die Relation Schwierigkeit der Belastungsbestimmung bei Versuchstieren. zwischen tierischem Schaden und menschlichem Nutzen ver- Schon in der Einführung wird klar, dass das oftmals als schieben. Petra Mayr stellt die unterschiedlichen Positionen wirksame Kontrollinstanz dargestellte Genehmigungsverfah- von Tierversuchsbefürwortern und -gegnern gegenüber und ren für Tierversuche unzureichend ist, weil Kriterien fehlen, erläutert, dass es schwierig ist zu sagen, wer Recht hat. Denn die der Bewertung von Tierversuchen zwingend zugrunde ge- es sei nicht möglich zu beurteilen, welchen Verlauf die medi- legt werden müssen. Deutlich wird auch, dass sich die stark zinische Entwicklung mit oder ohne Tierversuche genommen kontroverse Interpretation des Leidens der Tiere und eines hätte. Und davon abgesehen, würde eine Antwort darauf die möglichen medizinischen Nutzens in der mangelnden Klar- Problematik um die ethische Vertretbarkeit nicht lösen. Das heit der Begrifflichkeiten begründet. Wie die Herausgeber aus Hauptproblem liegt ihren Ausführungen zufolge in der Durch- dem Tierschutzgesetz zitieren, darf ein Tierversuch nur durch- mischung der naturwissenschaftlichen Frage nach dem Nutzen geführt werden, wenn die angestrebten Ergebnisse vermuten von Tierversuchen mit der ethischen Frage nach deren Zu- lassen, dass sie für wesentliche Bedürfnisse von Mensch und lässigkeit. Diese Vermischung spiegele sich in der scheinbar Tier von hervorragender Bedeutung sein werden. So lassen die eindeutigen Frage nach der Notwendigkeit des Tierversuchs. Vorgaben im Tierschutzgesetz, die sich auf das Vorhandensein Nach Auffassung von Norbert Alzmann ist es wünschenswert von „Unerlässlichkeit“ und „ethischer Vertretbarkeit“ stützen, Erkenntnisse zu erlangen, aber nicht mit allen Mitteln. Er stellt einen enormen Interpretationsspielraum bei jedem Tierversuch fest, dass der Gesetzgeber eine ethische Abwägung einfordert, zu. Nach Aussage der Herausgeber hat die Aufnahme des Tier- dem Forscher aber kein Leitfaden für seine ethische Entschei- schutzes unter die Staatsziele der Bundesrepublik Deutschland dungsfindung an die Hand gegeben wird. In gleicher Weise im Jahr 2002 den normativen Klärungsbedarf noch erhöht. würden die Behörde und die beratenden Kommissionen Kri- Dagmar Borchers stellt die Frage, wie pragmatisch ein Ethi- terien benötigen, anhand derer ethisch vertretbare von ethisch ker sein darf und führt aus, dass die meisten Ethiker, unter nicht vertretbaren Versuchsvorhaben unterschieden werden anderem und , nur vage zu Details könnten. der Regelung von Tierversuchen Stellung beziehen und die Jörg Luy bemängelt, dass das Tierschutzgesetz für Tierver- Problematik der Begutachtung von Tierversuchen anhand von suche in der Grundlagenforschung eine Pauschalgenehmigung Kriterien ausgeklammert lassen. Regina Binder behandelt die für die Wissenschaft erteilt. Der Begriff „Grundlagenfor- rechtlichen Rahmenbedingungen für die Prüfung der ethischen schung“ stehe jedoch für eine vom Nutzennachweis befrei- Vertretbarkeit tierexperimenteller Vorhaben in Deutschland, te Forschung zum Zweck des Wissens. Da der Antrieb, das Österreich und der Schweiz. Der Autorin zufolge führt die Wissen zu vermehren, jeder Art der Forschung zugrunde liege, ethische Abwägung eines Tierversuchs im Rahmen des Ge- sei es dem Forscher möglich, den Zweck der Grundlagenfor- nehmigungsverfahrens zu praktischen, methodischen und ver- schung für sich zu beanspruchen. Daniel Butzke und Barba- fahrensrechtlichen Schwierigkeiten, so dass die tierversuchs- ra Grune führen aus, dass die gesetzlichen Regelungen dem rechtlichen Vorschriften nur unzureichend operationalisierbar Antragsteller nicht nur vorschreiben nachzuweisen, dass der und in der Rechtswirklichkeit bedeutungslos seien. Ursula Versuchszweck nicht durch andere Methoden erreicht werden Wolf führt aus, dass diejenigen, die den Tierschutzgedanken kann, sondern die Formulierungen im Tierschutzgesetz auch im Rahmen einer christlichen Ethik vertreten, eine deutliche die Art und Weise implizieren, wie er das zu tun habe. So Grenze zwischen Mensch und Tier ziehen, wohingegen dieje- könne die Forderung nach der Darlegung des Stands der wis- nigen, die eine Ethik der Rücksichtnahme in eine evolutions- senschaftlichen Forschung und der Frage nach dem Vorhan-

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densein möglicher alternativer Verfahren nicht in einer bloßen 2.3 Cordula Brand, Eve- Übersichts-Recherche abgehandelt werden. Gisela Arndt, Fa- Marie Engels, Arianna bian Lotz und Anja Lüdecke unterbreiten Vorschläge für einen Ferrari und László Kovács Leitfaden für die Teilprüfung der Unerlässlichkeit im Hinblick (Hrsg.): Wie funktioniert auf die Reduzierung von Tierversuchen. Ihnen zufolge sollten Bioethik? Interdisziplinäre eine Reihe von Informationen und Details zum Versuchsvor- Entscheidungsfindung haben angegeben werden, damit Behörde und Kommission im Spannungsfeld auf dieser Basis eine Bewertung vornehmen können. Daran von theoretischem anschließend stellen Kathrin Herrmann, Kristin Köpernik und Begründungsanspruch und Maria Biedermann mögliche Inhalte für einen Leitfaden hin- praktischem Regelungsbedarf sichtlich der Verfeinerung (Refinement) von Tierversuchen vor. 341 Seiten, Paderborn: mentis, 2008, Für die Reduzierung der Belastung der Tiere gehen die Auto- Euro 39,80 ren insbesondere auf die Bedeutung von Schmerztherapie, An- ästhesie, Abbruchkriterien und Tötungsmethoden ein. Regina Bioethik hat mit Ethik soviel gemeinsam wie Gentechnik mit Binder geht auf die Erfassung der Belastung der Versuchstiere Tierzucht. Insofern scheint es selbst für den ethisch informierten ein. Ihren Ausführungen zufolge muss auf einen Tierversuch Leser sinnvoll, der Frage nachzugehen, wie Bioethik „funktio- verzichtet werden, wenn es nicht möglich ist, die Tiere durch niert“. Bei näherer Betrachtung stellt sich allerdings heraus, dass Refinement vor erheblichen Belastungen zu schützen. Darüber die Autoren, die den Sammelband verfasst haben, mehr über hinaus sei es aus wissenschaftlicher Sicht notwendig, keine diese Frage philosophieren als dem Leser mitzuteilen, wie Bio- schwer belastenden Versuche durchzuführen, da ein enger Zu- ethik denn tatsächlich „funktioniert“. Darüber herrscht dem An- sammenhang zwischen dem Versuchstierschutz und der Qua- schein nach nur ein limitierter Konsens, wie auch zu der Frage, lität der Ergebnisse bestehe. Arianna Ferrari stellt die Frage, ob sie überhaupt in einer den Philosophen befriedigenden Weise ob gentechnisch veränderte Tiere einen Sonderfall darstellen. funktioniert. Wer also ein praktisches Handbuch für den philo- Nach Aussage der Autorin besteht die neue Pionierforschung sophischen Nachwuchs erwartet, könnte enttäuscht werden. Der in der Gentechnik in der Herstellung „vermenschlichter“ Mäu- Band ist aus einer Tagung gleichen Namens entstanden, die vom se als Tiermodelle für menschliche Krankheiten. Diese Tiere 6. bis 8. Oktober 2005 am Interfakultären Zentrum für Ethik sind so modifiziert, dass sie zum Teil menschliche organische in den Wissenschaften (IZEW) der Eberhard-Karls-Universität Bestandteile enthalten. Die Idee der vermenschlichten Mäu- Tübingen durchgeführt wurde. Und in dem Umstand, dass die se besteht nicht in einer Reduktion der Tierzahlen, sondern in an diesem Projekt beteiligten Bioethiker nicht ihr tägliches Tun einer Steigerung der Effektivität der Forschung. Allerdings erläutern, sondern in bester Philosophenmanier ihr eigenes Han- wird klar, dass keine einfache Übertragung der Ergebnisse auf deln in Frage stellen und darüber reflektieren, warum die Bioe- den Menschen möglich ist. Abschließend gibt Erwin Lengau- thik trotz bemerkenswerter Anstrengungen immer noch eher ein er einen Überblick über die Literatur zum Thema Ethik der Vorgang als ein Instrument ist, liegt die eigentliche Stärke des Tierversuche, gegliedert nach Beiträgen zur Ethik der Tierver- Unterfangens. Solch kritische Reflexion würde auch anderen suche in historischer Perspektive, zur modernen Bioethik und Berufen gut zu Gesicht stehen. Ethik der Tierversuche, Tierethik und Tierphilosophie. Bei der Untersuchung der bioethischen Praxis wird der Le- Das Buch liefert eine Fülle an unterschiedlichen Denkansät- ser am Leitfaden der aus der traditionellen Ethik stammenden zen, ob und wie eine ethische Bewertung von Versuchsvorha- Begründungsfrage – wie lässt sich ein ethisches Urteil überzeu- ben vorgenommen werden könnte und stellt konkrete Möglich- gend rechtfertigen? – ausgewogen und insbesondere im dritten keiten vor. Die Beiträge zeigen klar die gesetzlichen Lücken in und letzten Abschnitt praxisnah mit dem Phänomen Bioethik Bezug auf einen wirkungsvollen Schutz der im Versuch ein- vertraut gemacht. Dabei entsteht allerdings der Eindruck, dass gesetzten Tiere und gleichzeitig die dringende Notwendigkeit, die Autoren, wären sie auf ein freiberufliches Einkommen als diesem Missstand Abhilfe zu leisten. Der Sammelband kann bioethische Gutachter angewiesen, mit diesem Buch ihre Le- jedem empfohlen werden, der direkt oder indirekt in die Prob- bensgrundlage empfindlich beschädigt hätten. Denn, obwohl die lematik der Güterabwägung zwischen Wissenschaftsinteresse Herausgeber betonen, dass „bioethische Expertise den rasanten einerseits und dem Leid der Tiere andererseits involviert ist biotechnologischen Fortschritt nicht nur retrospektiv bewerten, und in der täglichen Arbeit mit dieser „Nutzen-Kosten-Abwä- sondern die entsprechenden Entwicklungen direkt begleiten gung“ konfrontiert wird. bzw. sich bereits vorausschauend mit ihnen auseinandersetzen Silke Bitz soll“, sind die Aufsätze nicht zu einem überzeugenden Plädo- yer dafür zusammengewachsen, die High-Tech-Lebenswissen- schaften einer bioethischen Kontrolle zu unterwerfen. Bei den rasant wachsenden Möglichkeiten der heutigen Lebenswissen- schaften mit ihrem ungeheuren Potenzial ebenso für segensrei- che als auch für verheerende Begleiterscheinungen zeigt sich der praktische Regelungsbedarf in der Bioethik vielleicht noch etwas deutlicher als bei den anderen Bereichsethiken. Indem die

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Herausgeber angesichts dieses Regelungsbedarfs die Aufgabe biegen, um sie als Werkzeug zu benutzen. Verfechter der Theo- beschreiben, „zu einem Konsens über Normen bzw. Zielsetzun- rie gehen davon aus, dass beispielsweise Vögel in Wenn-Dann- gen zu gelangen und damit einen verbindlichen Handlungsrah- Relationen denken können. men zu schaffen“, führen sie allerdings die alte Debatte in einer Die Gegenthese hingegen spricht den Tieren jegliches Denk- Zeit fort, die keine Zeit zu verlieren hat. So übt Ernst Tugendhat vermögen ab und reduziert ihre mentalen Leistungen auf psy- in seinem Beitrag zu Recht Kritik: „Es scheint mir wichtiger, die chologische, physiologische oder gar, wie etwa bei Zugvögeln, tatsächliche Unsicherheit unserer moralischen Prämissen, wie auf genetische Steuerungsmechanismen. sie gerade angesichts der bioethischen Probleme zutage tritt, he- Der Autor vertritt zwar die Auffassung, dass den Tieren das rauszuarbeiten und nicht eine scheinbare Wohlfundiertheit an- Denken im Sinne der Fähigkeit, beispielsweise die Ursachen zupeilen, die freilich angesichts der politischen und rechtlichen von Objekten zu erkennen oder über Dinge zu urteilen, nicht Entscheidungsnöte gewiss wünschenswert wäre.“ (144) zugänglich ist. Seine Aussage „Tiere können nach allen Indi- Als Fazit bleibt, dass dieser Sammelband das ehrliche Bemü- zien, die uns vorliegen, nicht denken“(126), relativiert Brandt hen zeigt, die Schwierigkeiten bioethischer Fragestellungen aus allerdings anhand eines Beispiels, welches das Denken in Ur- traditionell ethischer Perspektive zu klären und zu erläutern. teilsform bei Tieren nachweist. So haben gemäß seinen Aus- Die derzeit populärste Antwort auf die Frage, wie Bioethik tat- führungen Mäuse eine anschauliche Vorstellung vom richtigen sächlich „funktioniert“, die „Principles of Biomedical “ Weg im Dressurlabyrinth und sie urteilen bei Verzweigungen, von Beauchamp und Childress, zieht sich wie ein roter Faden welcher Weg der richtige ist. Anhaltspunkte zur Annahme dafür, durch das Buch, kann aber – wie zu erwarten war – den An- dass Tiere, in welcher Form auch immer, denken können und sprüchen der klassischen, ohne Zeitnot agierenden Ethik nicht uns Menschen dafür nur die Vorstellungskraft fehlt, liefert der genügen. So bleibt am Ende das beunruhigende Gefühl, dass Autor, indem er weiter ausführt „Solches Operieren mit Vorstel- die Menschheit auch künftig ihre Grenzen nicht vorausschau- lungen, Begriffen und Urteilen, die auf Anschauung beruhen, end der Vernunft, sondern retrospektiv den selbstverschuldeten aber keinen Namen tragen, weil eine Wortsprache fehlt, nennen Katastrophen verdanken wird. wir unbenanntes Denken.“ (126f.) Jörg Luy Das Buch ist lesenswert, da es eine Fülle an interessanten Einblicken in menschliche Denkschemata über das kontrovers diskutierte tierische Denkvermögen gibt. Zahlreiche Fallbei- spiele lassen den Schluss zu, dass Tiere, unabhängig davon, ob sie nun aus menschlicher Perspektive denken können oder 2.4 Reinhard Brandt: nicht, sensible und intelligente Lebewesen sind, die uns Men- Können Tiere denken? schen in einigen Bereichen sicher auch mental überlegen sind. 159 Seiten, Frankfurt am Main: Es drängt sich beim Lesen die Frage auf, ob es legitim ist, das Suhrkamp Verlag, Edition Unseld 17, nach menschlichen Kriterien definierte Denkvermögen als Dis- 2009, Euro 10,00 kriminierungsbefugnis für andere Spezies einzusetzen. Letzt- lich bleibt es dem Leser überlassen, seine eigene Theorie zum Der Autor Reinhard Brandt geht in Denkvermögen und der Intelligenz der Tiere einschließlich des seinem Buch „Können Tiere denken?“ eigenen Umgangs mit ihnen aufzustellen. der schon aus dem Titel ersichtlichen Silke Bitz Grundsatzfrage nach, ob Tiere die Fä- higkeit des Denkens besitzen. Hierbei wird die Begrifflichkeit des Denkens als „eine uns nur vom Menschen mit Sicherheit bekannte mentale Fähigkeit, Urteile zu bilden“ (9) 2.5 Andreas Brenner: Leben definiert. Als Tier bezeichnet Brandt „nichtmenschliche, mit 120 Seiten, Stuttgart: Reclam Verlag, Nerven und Gehirn ausgestattete Lebewesen (Insekten, Säu- Grundwissen Philosophie, 2009, getiere, Vögel, Fische)“(9). Im ersten Kapitel stellt der Autor ca. 9,90 Euro die unterschiedlichen Meinungen zur Thematik gegenüber, erläutert im zweiten Kapitel detailliert die Bedeutung des Be- Der in Basel lehrende Philosoph An- griffs „Denken“ und dessen Entstehungsgeschichte und gibt im dreas Brenner hat sich bisher v.a. mit dritten und letzten Kapitel zahlreiche Beispiele für kognitive Veröffentlichungen zu bio- und um- Eigenschaften, die als Denkvermögen von Tieren diskutiert weltethischen Themen in die Diskussi- werden können. on eingemischt. Sein 2009 in der Reihe Einleitend wird die These „Natürlich können Tiere denken“ Grundwissen Philosophie des Reclam der schlichten Gegenthese „Natürlich können Tiere nicht den- Verlags erschienenes Buch „Leben“ ken“ gegenübergestellt. Nach Aussage des Autors begründet fasst jetzt wesentliche Themen und sich die These der Denkfähigkeit in bestimmten mentalen Ei- Ergebnisse der Biophilosophie zusammen. Es bietet einen über- genschaften wie beispielsweise der Intelligenz der Schimpansen sichtlichen und gut lesbaren Einstieg in die biophilosophischen oder dem Geschick von neukaledonischen Krähen, die Stäbe Themenfelder in historischer und systematischer Hinsicht.

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Obwohl die Disziplin der Biophilosophie erst seit kurzem christlichen MystikerInnen Leben von der Vorstellung einer All- besteht, ist die Frage nach dem, was Leben ist, eine uralte. Sie beseelung oder von einem Urgrund her versteht oder von der begleitete die Philosophie seit ihren antiken Anfängen. Die Ant- Dimension der Geschichte bzw. eines Kampf ums Überleben worten auf die Lebensfrage konnten sich aber bisher der einzig wie bei Darwin oder den Neodarwinisten, ist abhängig vom Er- möglichen, d.h. natürlichen Erfahrung von Leben rückversi- kenntnis- und Fragehorizont des jeweiligen Zeitalters wie auch chern. Durch Artefakte der Robotik und synthetischen Biologie vom kulturell-geographischen Umfeld, das mit seinen je anderen wird jedoch die natürliche Erfahrung von Leben durch neue kulturellen Traditionen und Metaphern je andere Verständnisse Erfahrungsdimensionen erweitert die z.B. die Frage entstehen hervorbringt. lassen, ob ein Roboter, der „selbstständig“ auf Umweltreize re- Nun stellt sich angesichts der Vielfalt der Verständnisse frei- agieren kann, eine Maschine ist oder eine lebendige Maschine. lich die Frage, welches Verständnis das „eigentlich richtige“ sei. Die Frage nach dem Leben erhält m.a.W. eine neue Relevanz in Diese Frage wird von Brenner im Kapitel Lebenstheorien (51- der Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz, mit „künst- 79) zu beantworten versucht, wobei seine Antwort im Kern darin lichem Leben“. Und auch die relativ neue, eigenständige Diszip- besteht, dass es für ihn gar keine zufrieden stellende Antwort auf lin der Biophilosophie insgesamt kann so, d.h. aus der Konfron- die Frage, was Leben sei, gibt. Da Brenner, wie bereits bei den tation mit diesen neuen Erfahrungsdimensionen hervorgehend, methodologischen Bemerkungen am Anfang zu ersehen, eine verstanden werden. kritische Haltung gegenüber dem „harten“ naturwissenschaft- Bevor Brenner das spannende Themenfeld beleuchtet, ob lichen Materialismus und Mechanismus einnimmt, favorisiert ein „künstliches Leben“ möglich ist, problematisiert er zu- er eindeutig diejenigen Positionen, die sich in Opposition zum nächst den Lebensbegriff in einer wissenschaftssoziologischen „herrschenden“ naturwissenschaftlichen Denken befinden. Da- Betrachtung. (9-17) Sie hat zum Inhalt, dass alle Lebens- und her schließt er zunächst an dem an, was er im historischen Kapi- Naturverständnisse in Metaphern eingekleidet vorliegen oder, tel über das „Leben als Selbst“ referiert hat: Da das materialis- anders ausgedrückt, „Sprachspiele“ (Wittgenstein) sind, sprach- tisch-mechanistische Denken nur immer Außensichtweisen des liche Konstruktionen bzw. Modellierungen, die auf praktische Lebendigen offerieren kann, kann es keine Aussagen über die Interessen oder wieder auf andere Metaphern verweisen. So ist lebendigen Organismen selbst machen, sondern nur Funktionen das Verständnis der DNA als „genetischer Code“ abhängig von und Reaktionen (für die Außenwelt) beschreiben. Leben selbst militärisch-politischen Interessen, die die Geheimsprache lesen muss jedoch auch als Leben eines Selbst verstanden werden, bzw. den „Code knacken“ wollen. (12) Oder: Das Verständnis das sich nicht auf äußere Kausalitäten reduzieren lässt, sondern der DNA als „Sprache des Lebens“ verweist auf die alte Meta- ebenso eine „innere Kausalität“ aufweist. Dieser „inneren Kau- pher vom grundsätzlich lesbaren „Buch der Natur“. Problema- salität“ wird u.a. in der Kybernetik und Systemtheorie nachge- tisch daran ist, dass, wenn der Modellcharakter vergessen wird, spürt, die ab Mitte des 20. Jahrhunderts entsteht. In den verschie- wir unsere eigenen Konstruktionen und Modellierungen für die denen Konzepten und Denkweisen der nicht-mechanistischen Wirklichkeit selbst halten. In der Deutung der DNA als einer Systemtheorie (Leben als offenes System, Autopoiesis, Teleono- sinnhaften (sprachlichen) Struktur liegt der Sinn „nicht der DNA mie, Emergenz, Synergetik u.a.) wie des Ganzheitsdenkens (Ho- zugrunde, sondern ist ihr interpretativ zugrunde gelegt worden“ lismus) wird versucht die dem Mechanismus fremd bleibende (13). Der Konstruktcharakter der Natur- und Lebenserkenntnis Innenperspektive des Lebens auszuleuchten. Am Ende dieser wird zudem auch an der Laborforschung verdeutlicht. Brenner Darstellung zieht Brenner jedoch den Schluss, dass es auch die- referiert hier die wissenschaftskritische Position, die an der La- sen Theorien nicht gelingt, Leben von innen her befriedigend borforschung unterstreicht, dass diese die lebendige Natur ent- auf den Begriff zu bringen. Von daher sei es auch zulässig, den naturalisiert und verdinglicht: „Laborgestützte Naturerkenntnis Anspruch eines generellen Verständnisses des Lebens (bzw. ei- scheitert demnach dort, wo sie die Besonderheit des Lebendigen ner Letztbegründung desselben) fallen zu lassen und Leben als verkennt, sie verweigert dieser Besonderheit die Anerkennung, „Geheimnis“ zu deuten: „Langsam schält sich ein Begriff des wenn sie das Lebendige ebenso gut im artifiziellen Rahmen des Lebens heraus, dessen Quintessenz darin besteht, dass man sich Labors erkennen zu können glaubt.“ (16f.) vom Leben keinen Begriff machen kann. Leben ist... von der Art, Nach diesen einleitenden methodologischen Betrachtungen dass es sich einem begrifflichen Zugang sperrt. (...) Was durch folgt ein historischer Abriss des Lebensbegriffs (Lebensfelder) Selbstwerdung wird, das ist aber auch nicht völlig aufklärbar, von Aristoteles (384-322 v.Chr.) bis in die Gegenwart. (18-50) es bleibt mithin immer ein Rest, nennen wir ihn Geheimnis, der Alle wichtigen Stationen werden konzise vorgestellt (Antike, nicht geklärt werden kann, da er im Dunkel des Selbst liegt.“ Mittelalter, neuzeitlicher Materialismus, Romantik, Goethe, (72, 74) Ohne hier das „Geheimnis“, dessen Begriff Brenner Darwinismus und Neodarwinismus, Vitalismus und Neovita- selbst verwendet, diskreditieren zu wollen (da es sicherlich seine lismus, Leben als Selbst) und dabei auch die außereuropäische Berechtigung hat!), so muss doch angemerkt werden, dass der Tradition (China, Indien, Afrika) nicht ausgespart. Hierbei wird Autor eine romantisch-lebensphilosophische Position bezieht, deutlich wie abhängig die verschiedenen Lebensverständnis- die in der Gefahr steht, die Erfolge und Möglichkeiten der „wis- se vom jeweiligen historischen Horizont sind. Das Verständnis senschaftlichen Vernunft“ zu stark abzuwerten. von Leben bei der mittelalterlichen Ordensfrau Hildegard von Das letzte Kapitel Künstliches Leben? (80-95) greift mit dem Bingen (1098-1179) muss z.B. notwendigerweise ein ganz an- herausgestellten „nicht-begrifflichen Begriff“ des Lebens auf deres sein als für die darwinistische Biologie des 19. und 20. das zu Beginn der Untersuchung aufgeworfene Problem zurück, Jahrhunderts. Ob man also wie bei von Bingen oder bei anderen ob es überhaupt Sinn macht, von einem „künstlichen Leben“

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zu sprechen. Leben gilt in vielerlei Hinsicht als das genaue Ge- keit von moralischem Perfektionismus. Im Mittelpunkt von genteil des künstlich Hervorgebrachten (Artefakt): „Leben ist moralischem Perfektionismus stehen objektive Erklärungen das, was nicht hergestellt ist“ und „von sich aus ist“. (81) Daher über das Gute, indem besondere Handlungen als gut an sich scheint die Rede von einem „künstlichen Leben“ einen gedank- identifiziert werden, unabhängig davon, ob sie gut für beson- lichen Widerspruch zu enthalten: Leben bedarf der Künstlichkeit dere (menschliche) Lebewesen sind. Moralischer Perfektio- nicht und die Künstlichkeit des Artefakts kann nicht „von sich nismus fordert Menschen zum Streben nach objektiv gutem aus“ leben. An den Artefakten der künstlichen Intelligenz (Ro- Leben auf und klassifiziert moralisch relevante Lebewesen in boter, Computer) wie der synthetischen Biologie (z.B. künstli- Abhängigkeit vom Besitz bestimmter Fähigkeiten oder Merk- ches, d.h. synthetisches Erbmaterial eines Bakteriums) wird en male. Zur Verteidigung ihrer eigenen These hat Cavalieri eine detail diskutiert, ob der Ausdruck „künstliches Leben“ sinnvoll interessante und nicht sehr aktuelle Form der philosophischen ist. Da Brenner einen Begriff von Leben verteidigt, der die Ge- Auseinandersetzung gewählt: den Dialog. Sie bezieht sich da- heimnis bleibende Innenperspektive des Lebendigen fokussiert, bei explizit auf eine Art zu philosophieren, die in der Antike entzieht sich für ihn Leben durch eine bloß außenperspektivische von Sokrates und Plato die Unabhängigkeit der philosophi- Beschreibung wie z.B. durch quantifizierbare Stoffwechselpro- schen Forschung am besten verteidigt hat. Disputanten sind zesse. Zwar können notwendige Voraussetzungen des Lebens Alexandra Warnock und Theo Glucksman, die sich zu einer angegeben werden, doch das Leben selbst − verstanden als das unbekannten philosophischen Konferenz im Mittelmeergebiet Leben eines Selbst – ist letztlich, da es nicht restlos aufgeklärt treffen und auf einer Terrasse bei Wein und Nüssen miteinan- werden kann, Geheimnis. Folglich kann es auch nicht synthe- der diskutieren. Wie die Namen der zwei Hauptfiguren schon tisiert werden: „Das Lebendige wäre nicht eigenbewirkt..., son- erkennen lassen, handelt es sich um die Verkörperung der dern fremdbewirkt..., würde es durch einen synthetischen Pro- zwei Haupttraditionen der abendländischen Philosophie, die zess hervorgerufen werden können. Leben, so lässt sich daraus analytische und die kontinentale, wobei Alexandra die zent- schließen, kann nicht synthetisiert werden.“ (95) Die Rede von rale Rolle spielt. einem „künstlichen Leben“ macht daher für Brenner keinen Aufgrund des Dialogs wirft Cavalieri der Position des mora- Sinn, da für ihn Leben nicht synthetisch hergestellt werden kann, lischen Perfektionismus, die Alexandra Warnock vertritt, vor, denn das würde seine restlose Aufklärung bedeuten, die Brenner auf einem fundamentalen Missverständnis aufgebaut zu sein, jedoch per definitionem ablehnt: „Die Innenperspektive... macht indem sie sich zu stark auf die Idee der moralischen Agenten Lebendiges ein Stück weit sichtbar, der Rest bleibt Geheimnis. fixiere. Cavalieri schreibt (Alexandra sagt): „If, on the other Das Geheimnis des Lebendigen wird besonders in der spontanen hand, one claims, as we have mentioned, that moral agents Entstehung des Lebens sichtbar, die letztlich unerklärbar bleibt: matter more because they are necessary if morality is to exist Es können bestenfalls die das Leben bedingenden Voraussetzun- at all, without any further consideration of the point of mo- gen beschrieben werden, das Leben selbst kann aus diesen Vor- rality, it seems that the only point of morality is: for morality aussetzungen jedoch nicht erklärt werden.“ (96) itself to be able to exist“ (18). Eine solche idiosynkratische Brenners Buch bietet einen gut informierten Überblick über und solipsistische Perspektive ist auch kontraintuitiv, indem biophilosophische Themen, Fragestellungen und Begriffe. Sei- wir heute Menschen nicht mehr in Bezug auf Fähigkeiten dis- ner Kritik am „harten“ naturwissenschaftlichen Materialismus kriminieren (außer etwa im Fall von Embryonen und Föten). und deren bloße Außensichtweisen kann problemlos zugestimmt Cavalieri bewertet die Traditionen des Utilitarismus, des Kan- werden. Sie ist jedoch mit einer romantisch-lebensphilosophisch tianismus oder auch der Tugendethik als unbefriedigend, weil inspirierten Mystifizierung des Lebens verkoppelt, die allenfalls sie in dieser Sackgasse des moralischen Perfektionismus in ih- Anlass zum Weiterdenken, jedoch keine Lösung sein kann. rer Fixierung auf der Kategorie „Tier“ stehen bleiben. Aus die- Norbert Walz sem Grund lautet der Titel von Cavalieris Buch: „Der Tod des Tieres“, Tod im Sinne von Überwindung dieser Abgrenzung bzw. Kategorisierung. Für eine angemessene Überwindung sollten wir den Vorschlag von Derrida ernst nehmen, er hat erklärt, wie der Begriff „Tier“ auf einer metaphysischen und 2.6 Paola Cavalieri (ed.): emotionalen Distanz zwischen den Menschen und den anderen The Death of the Animal: Tieren beruht, die die ganze abendländische Philosophie prägt. A Dialogue Auch unsere fundamentale Verurteilung von nationalsozialis- 149 Seiten, New York: Columbia tischen Verbrechen wie die Aktion T4 (das Euthanasiepro- University Press, 2009, Euro 14,99 gramm) beruht auf einer Ablehnung solcher Verhaltenweisen gegenüber Menschen qua Angehöriger der Gattung „Mensch“. Das anspruchvolle Buch von Paola Die als Lösung bezeichnete Perspektive der Menschenrechte Cavalieri, italienischer unabhängiger bietet zwei wichtige Vorteile: Erstens fokussiert sie auf den in- Philosophin und Tierethikerin, die ins- stitutionellen Schutz von Individuen und von Beeinträchtigun- besondere für das „” gen, indem sie sich auf negative Rechte (Das Recht auf Leben, mit Peter Singer bekannt ist, setzt sich das Recht auf Freiheit, das Recht auf Wohlbefinden) bezieht. mit einer der zentralsten und wichtigsten Fragen der zeitgenös- Zweitens setzt sie das Kriterium der moralischen Akteure vo- sischen (tier)ethischen Debatte auseinander: mit der Vertretbar- raus (ein moralischer Akteur zu sein ist die Voraussetzung zur

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Zugehörigkeit der rechtlichen Sphäre), wobei hier Cavalieri kes. Obwohl das gesamte Buch zur Frage der Zugehörigkeit mit „moralischer Akteur“ ein Wesen meint, das Interessen hat der Tiere der moralischen Gemeinschaft gewidmet ist, stellt und das „intentional“ ist und das Ziele verfolgt (vgl. 39). Wie in der Tat der moralische Perfektionismus grundsätzliche Her- schon in ihrem anderen Buch (Die Frage nach den Tieren, Er- ausforderungen auch im inframenschlichen Bereich, etwa be- langen, 2002) plädiert Cavalieri dann für eine Ausweitung der züglich des Umgangs mit menschlicher Behinderung. menschenrechtlichen Perspektive auf „Tiere“ als endgültige Arianna Ferrari Ablehnung des Speziezismus. Das Wort „Tier“ ist nun in An- führungszeichnen gesetzt, weil in dieser neuen Perspektive ein Unterschied zwischen „Mensch“ und „Tier“ als solcher keinen Sinn mehr macht. Nach diesem Dialog folgt im Buch ein „Roundtable“, in 2.7 Markus Düwell und Dieter dem Beiträge von sehr berühmten Intellektuellen wie Cary Birnbacher et al. (Hrsg.): Wolfe, Professor für Englische Literatur an der Rice Universi- Medizinethik und Empirie tät, Harlan B. Miller, analytischer Philosoph aus Virginia Tech, – Standortbestimmungen Matthew Calarco, Philosoph an der California State Univer- eines spannungsreichen sität und dem Literaturnobelpreisträger John M. Coetzee zu Verhältnisses finden sind. Im dritten und letzten Teil des Buches setzen sich die Autoren des zweiten Teils mit den Kritiken auseinander Das September-Heft der Zeitschrift und präzisieren ihre Argumente. Im zweiten und dritten Teil „Ethik in der Medizin“ 2009 ist kom- wird ebenfalls eine Art Dialog aufgebaut, indem die Autoren plett einem für die angewandte Ethik, wieder auf Anregungen ihrer Kritiker reagieren und weiter re- also auch der Tier- und Bioethik, flektieren. Es gibt eine Vielzahl von Aspekten, die in diesen wichtigen Thema gewidmet – den so- inhaltsreichen und stimulierenden Teilen des Buches aufge- genannten „Empirical Ethics“ oder auch „integrated empirical worfen werden, die aber nicht alle ausführlich diskutiert wer- ethics“. Siehe http://www.springerlink.com/content/0935-7335 den können. Eine wichtige grundlegende Frage wird schon im Vorwort Hierbei handelt es sich um einen Trend gerade in der aktuel- von Peter Singer klar formuliert: Was folgt aus der Ablehnung len Medizinethikdebatte: Es hat sich eine intensive Fachdis- dieser Position: Gleichheit für alle Lebewesen, die Interesse kussion um theoretische, meta-ethische und methodologische haben (wofür Cavalieri plädiert), oder die Anerkennung, dass Fragen entsponnen. Zentral ist hierbei ob überhaupt und wenn es eine Hierarchie bezüglich des moralischen Status unter ja, wie empirische Ergebnisse in angewandte ethische Überle- Menschen geben sollte (dies wäre die Position Singers)? Dar- gungen zu integrieren sind. Die Verbindung von normativen, über hinaus werden im Buch interessante Überlegungen über präskriptiven und empirischen, deskriptiven Dimensionen den Sinn des Philosophierens überhaupt angestellt, vor allem spiegelt sich u.a. darin wider, dass angewandte Ethik zuneh- wenn bestimmte politische Zwecke wie etwa der Tierschutz mend als ein interdisziplinäres Unternehmen verstanden wird, das Ziel sind. Grundlegendes und tiefes Bedenken wird von an dem nicht nur die Philosophie, Theologie und Rechtswis- Coetzee aufgeworfen, der in seinem gewohnt ironischen und senschaft, sondern auch die Medizin, die Natur- und Ingeni- bissigen Ton Alexandra Warnock und Theo Glucksman als eurswissenschaften sowie die Sozial- und Kulturwissenschaf- Kinder einer intellektuellen Elite bezeichnet, die weit von ei- ten mitwirken müssen und in das darüber hinaus Laien und nem praktischen Lebensbezug entfernt sind und die bewusst öffentliche Wahrnehmungen einzubeziehen sind. entschieden haben, auf die körperlichen Genüsse (wie Fleisch- Allerdings sollte das Verhältnis zwischen einer eher norma- essen und Sex) zu verzichten. Für Coetzee bleibt fragwürdig, tiv ausgerichteten Bioethik einerseits und der eher deskriptiven ob sie mit ihrer elitären Philosophie in der Lage sind, etwas empirischen Forschung andererseits nicht als „harmlos“ ein- zu bewirken, wie es etwa die Politiker mit ihren rhetorischen gestuft werden. Es wirft hingegen noch zahlreiche ungeklärte Instrumenten vermögen. Auch Calarco stellt grundsätzlich den Fragen auf, etwa darüber, ob eine Vermischung von Fakten und Ansatz Cavalieris in Frage, aber aus völlig anderen Gründen: Werten erstens zulässig und zweitens zielführend sein kann. Cavalieris Ablehnung des moralischen Perfektionismus ent- Insbesondere interessiert die methodologische Spannung zwi- hält ihm zufolge perfektionistische Motive, indem sie sich auf schen den ethischen und empirischen Dimensionen und was sie die Tradition der Menschenrechte stützt, die auf der Dicho- für die zukünftige Bioethikforschung bedeuten könnte. Bislang tomie zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern aufgebaut fehlen gerade für die deutsche Fachdiskussion verschiedenar- ist. Deswegen plädiert er für einen radikaleren Ansatz, eine Art tige Übersichten, die die methodischen Vor- und Nachteile der Agnostizismus, den er von einer Ausweitung der Verantwor- verschiedenen Ansätze in der „empirischen Ethik“ reflektieren. tungsethik Levinas weiterentwickelt. Angewandte Ethik ist per se keine empirische Wissenschaft, Alles in allem stellt dieses Buch einen wichtigen Referenz- sie wird jedoch im Zeitalter der Naturwissenschaften immer punkt der aktuellen philosophischen Debatte in Moral, Politik stärker einem naturwissenschaftlichen Ideal unterworfen. Das und Recht dar. Die These Cavalieris und die umfangreichen zeigt sich u.a. daran, dass praxisorientierte Handreichungen, die Kritikpunkte erfordern weitere Auseinandersetzungen und Restriktionen bestimmter empirischer Methoden für die For- dies ist ein Merkmal eines exzellenten philosophischen Wer- schungsdesigns aufzeigen, eher noch die Ausnahme sind.

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Das vorliegende Themenheft hat sich nun die Aufgabe ge- 2.8 Tina-Louise macht, diese Diskussion für die deutsche Debatte erstmals et- Fischer: Menschen- und was aufzuarbeiten. In dem ersten einführenden Beitrag geht Personenwürde. Über die der holländische Philosoph Bert Musschenga genauer der Fra- Notwendigkeit eines neuen ge „Was ist empirische Ethik?“ nach. Er stellt dabei mit Blick Würdebegriffs auf die internationale Debatte die spezifischen Kennzeichen 120 Seiten, Münster: LIT Verlag, einer „empirischen Ethik“ vor. In den folgenden drei Beiträ- 2008, Euro 19,90 gen wird das Verhältnis von Sein und Sollen in der Medizi- nethik aus der moralphilosophischen Perspektive stärker be- „Wie kann man Tiere schützen?“, fragt leuchtet. In dem Aufsatz „Zur Verantwortbarkeit des Einsatzes Luisella Battaglia in ihrem Buch Alle sozialwissenschaftlicher Methoden in der Medizinethik“ geht origini dell’etica ambientale (Über die es Markus Düwell um eine Analyse der meta-ethischen He- Ursprünge der Umweltethik). Indem rausforderungen im Verhältnis von Ethik und Sozialwissen- sie Jules Michelets Verständnis der Beziehung Mensch-Tier schaften. Mit Blick auf die ethische Urteilsbildung als einem untersucht, schreibt Battaglia: Tiere kann man am besten schüt- Kerngeschäft der angewandten Ethik geht Julia Dietrich der zen, wenn man begründet und enthüllt, dass sie Personen sind1. „Kraft der Konkretion oder: Welche Rolle spielen deskripti- Diese Antwort bildet auch die Grundthese von Tina-Louise ve Annahmen bei der ‚Anwendung‘ und ‚Kontextsensitivität‘ Fischers Essay Menschen- und Personenwürde. Über die Not- ethischer Theorie?“ am Beispiel der Schmerztherapie nach. wendigkeit eines neuen Würdebegriffs. Die Autorin plädiert Potentiale und Limitationen sozialempirischer Forschung für dafür, den Begriff der Menschenwürde auf Menschen- und die Medizinethik will auch Silke Schicktanz in ihrem Aufsatz Personenwürde zu erweitern: Auf diese Weise wäre es mög- „Zum Stellenwert von Betroffenheit, Öffentlichkeit und De- lich, die Barriere zwischen Mensch und Tier so zu verlagern, liberation im empirical turn der Medizinethik“ sichtbar ma- dass die entscheidende Trennung eher zwischen Personen und chen. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Frage, wessen Meinungen Nichtpersonen liegen würde (vgl. z.B. 107). Da auch nicht- und Positionen vor allem mit sozialempirischen Untersuchun- menschliche Personen „in das moralische Denken und Handeln gen eingeholt werden bzw. eingeholt werden sollen. einbezogen werden“ sollen (11), müssten ihnen infolgedessen Aus eher soziologisch geprägter Perspektive beschäftigen „fundamentale Rechte“ gewährt werden. Fischers Vorschlag sich hingegen die nächsten zwei Beiträge. Tanja Krones wid- lautet: Wenn man die Verwendung der Bezeichnung Person met sich vor allem der Methodik und Methodologie empirischer in Bezug auf einige Tiere begründen kann, müssten dann sol- Medizinethik in ihrem Aufsatz „Empirische Methodologien und chen Tieren als nichtmenschlichen Personen nicht dieselben Methoden der angewandten und der empirischen Ethik“. Dem Grundrechte zuerkannt werden, die menschliche Personen Verhältnis zwischen Medizinethik und Medizinsoziologie aus bereits besitzen? Mit anderen Worten, Fischer möchte einen sozialwissenschaftlicher Perspektive gehen weiterhin Sigrid Weg zeigen, der zur Notwendigkeit der moralischen Berück- Graumann und Gesa Lindemann in ihrem Beitrag „Medizin als sichtigung derjenigen Tiere führt, die man als Personen defi- gesellschaftliche Praxis, sozialwissenschaftliche Empirie und nieren darf; solche nichtmenschliche Personen sollten folglich ethische Reflexion“ nach. Im abschließenden Beitrag „Empi- rechtlich geschützt werden (vgl. 33), und zwar indem man sie rische Forschung in der Medizinethik: Methodenreflexion und für unmündige Personen erklärt (vgl. 12). forschungspraktische Herausforderungen am Beispiel eines Um dieses Ziel zu erreichen, analysiert die Autorin die zen- mixed-method Projekts zur ärztlichen Handlungspraxis am Le- tralen Begriffe ihrer Argumentation. Sie beginnt mit einer bensende“ diskutieren Jan Schildmann und Jochen Vollmann stark an utilitaristische Konzeptionen angelehnten Definition die konkrete Problematik von Integration empirischer und ethi- der Moral („Grundlage der Moral ist das Prinzip des größten scher Aspekte innerhalb eines Forschungsdesigns. Glücks [...]“, 17). Es folgt dann ein Kapitel, in dem nach ei- Auch wenn sich die Aufsätze des Bandes der Medizinethik ner Definition von Mensch, Tier und Person in der Geschichte widmen, so bleiben die theoretischen wie meta-ethischen und der Philosophie gesucht wird. Die Möglichkeit, Eigenschaften methodologischen Fragen auch die zentralen Grundfragen für nachweisen zu können, die nur der Mensch besitzt und die ihn die Tierethik: so müssen hier schließlich normative, naturwis- demnach vom Tier unterscheiden, stellt den Fokus der Diskus- senschaftliche und zunehmend auch soziologische Argumente sion dar. Gerade die Tatsache, dass es, laut Fischer, „[...] keine integriert werden. Ein solcher wissenschaftstheoretischer Hin- Eigenschaften gibt, die nur der Mensch vorweisen kann [...]“ tergrund ist die Grundvoraussetzung zum Verständis dieser (9), rechtfertigt die Einführung des Begriffs der Würde2. Problematik. Eine „empirische Tierethik“ etwa, wäre weit vom Menschenwürde, auf der die Anerkennung der Menschen- Nachdenken darüber, wie man mit Tieren umgehen sollte, ent- rechte basiert, ist jedem Menschen angeboren – es handelt sich fernt. Sie beschreibt nur, wie mit Tieren umgegangen wird. also um eine „Form der inhärenten Würde“ (58), die als solche Silke Schicktanz keiner weiteren logischen Begründung bedarf. Die Inhärenz

1 Vgl. L. Battaglia (2002). Alle origini dell’etica ambientale. Uomo, natura, animali in Voltaire, Michelet, Thoreau, Gandhi (90). Bari: Edizioni Dedalo. 2 Ein bedeutender Unterschied zwischen Mensch und Tier muss allerdings auch in Fischers Argumentation vorausgesetzt werden, nämlich dass nur Menschen Subjekte einer ethischen Handlung sein können: Menschen haben Pflichten (zum Beispiel die Pflicht, mit denTieren nach ethischen Prinzipien umzugehen); Tieren dagegen (auch denjenigen, die für unmündige Personen erklärt werden, siehe 107) können keine Pflichten zugeschrieben werden.

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tritt eben in der juristischen Argumentation quasi als deus ex (43). Die Vernunft und die Rationalität werden damit in den machina auf (vgl. 61-62): Da es jedoch keine Charakteristika Hintergrund geschoben, so dass die Antworten auf die Fra- gebe, die den Menschen von allen anderen Spezies wesent- gen, welche Kombination von Eigenschaften zur Bestimmung lich unterscheiden könnten, müsse sich die Anerkennung von der Person führen und ob Selbstbewusstsein allein reiche oder Menschenrechten einfach auf einen metaphysischen Begriff nicht, unbeantwortet bleiben. Wie flexibel sind demzufolge stützen, nämlich den Begriff der angeborenen Menschenwür- die Grenzen der Definition des Begriffs Person zu denken? de. Jeder Mensch besitzt Menschenwürde und Menschenrech- Schließt er nur solche Tiere ein, die „[...] als rationale und te, einfach weil er als Mensch geboren wurde. intentionale Wesen wahrgenommen werden, im Gegenzug die Wie aber zeichnet sich in diesem Kontext eine Person aus anderen als ebensolche Wesen wahrnehmen, sprachliche Fä- und wie wird Personenwürde definiert? Indem sie der These higkeiten haben“ (40)? Oder sollte man die Bedingungen für von Peter Singer und Paola Cavalieri folgt, behauptet Fischer, die Anerkennung des Personen-Status viel niedriger ansetzen, dass der Begriff „Person“ mit dem Begriff „Mensch“ nicht so dass eine größere Zahl tierischer Individuen als Personen gleichbedeutend sei, weil eine Person über Eigenschaften (vor bezeichnet werden dürften4? allem Selbstbewusstsein, Subjektivität und die Fähigkeit zur Der entscheidende Punkt aber, der die Schlüssigkeit von Fi- autonomen Selbstbestimmung, siehe dazu 42) verfügt, die in schers Vorschlag gefährdet, ist die Deutung des Begriffs von der Tat nicht alle Menschen vorweisen können. In dieser Hin- Personenwürde. Wie bereits angeführt, bezieht sich Würde in sicht wären zum Beispiel Neugeborene und Komatöse zwar der Wendung Menschenwürde auf etwas Inhärentes, Angebo- Menschen, die Menschenwürde und deshalb Menschenrech- renes, und eben diese Inhärenz stellt die Basis für die Aner- te besitzen, aber keine Personen. Hingegen – und hier liegt kennung der Menschenrechte dar. Wird nun aber dieser Be- ein entscheidender Punkt in Fischers Argumentation – haben griff von Würde mit dem Begriff von Person verbunden, so zahlreiche kognitive Experimente mit Primaten gezeigt, dass wird eine unklare Formulierung gefasst, da einige Individuen einige derjenigen Charakteristika, auf denen die oben genann- zwar als Menschen geboren werden, niemand aber als Person te Definition der Person basiert, zum Beispiel bei Schimpan- geboren wird (vgl. 42: „Person-Sein ist demnach erst ab dem sen (siehe Kapitel IV) nachgewiesen werden können. Darü- Zeitpunkt gegeben, wenn Selbstbewusstsein, Subjektivität ber hinaus schließt Fischer, dass denjenigen Tieren, die, wie und die Fähigkeit zur autonomen und rationalen Selbstbestim- Menschenaffen, als Personen definiert werden dürften und mung voll ausgebildet sind [...].“). Das Person-Sein betrifft al- sollten, die Grundrechte3 zuerkannt werden müssten, die ihr so nur bestimmte Phasen des Lebens eines Individuums. Kann Personen-Status verlangt. An dieser Stelle tritt also erst der man infolgedessen die Anerkennung von Grundrechten für Begriff von Personenwürde ein: Alle Personen – menschliche Tiere auf dieser „instabilen“ Bezeichnung aufbauen? Meines und nicht-menschliche – sind Träger einer Würde, die aus ih- Erachtens kann auf diese Weise viel weniger erreicht werden rem Person-Sein folgt; die Würde – wie schon im Fall von als versprochen wird, weil eben die Anerkennung des Person- Menschenwürde – ist die Basis für die Anerkennung bestimm- Status während des Lebens eines Individuums bedeutende ter Rechte (vgl. 79-80). Wenn diese Argumentation schlüssig Schwankungen erleidet und niemals durchgängig gewährleis- ist, dann soll der Begriff von Menschenwürde unbedingt in tet sein kann. Wenn Fischer am Ende ihres Essays behauptet, Menschen- und Personenwürde ergänzt werden, so dass mo- dass „bestimmte Tierarten als unmündige Personen“ (107; ralische und rechtliche Achtung auch nichtmenschlichen Per- siehe auch 80 und 89) gelten sollen, folgt dies nicht schlüs- sonen gewährt werden kann. sig aus den Voraussetzungen, die sie eingangs aufgestellt hat. Das Ziel dieser Erweiterung des Begriffs von Menschen- Man kann schließlich nicht ohne weiteres annehmen, dass alle würde scheint auf jeden Fall wünschenswert; was die Kon- zu einer Tierart gehörenden Individuen Personen seien, wenn sequenz der Argumentation betrifft, so bleiben noch einige man die Unterscheidung zwischen Mensch und Person als gel- Fragen offen. tend akzeptiert. Dies betrifft zunächst den Begriff der Person. Fischer listet Gegen diese Kritik könnte man zwar einwenden, dass die mehrere Eigenschaften auf, die an das Person-Sein gebunden Verwendung der Bezeichnung Person in Bezug auf einige sind (vgl. 40-41). „Eine Person“ sei „ein selbstbewusstes, Tiere, im aktuellen Diskurs die beste Strategie darstelle, um rationales Wesen, das Vernunft und Reflexion besitzt [...]“ wenigstens einigen Individuen Grundrechte zu gewähren. (42). Wie aber vor allem Vernunft und Rationalität in diesem Dennoch sollte man sich der internen Widersprüchlichkeit des Kontext definiert werden, bleibt meines Erachtens unklar. Begriffs von Personenwürde bewusst sein. Letztendlich be- Wie in den folgenden Seiten des Essays aber deutlich wird, steht die Gefahr darin, dass sich damit nur eine Ethik begrün- ist eigentlich Selbstbewusstsein laut Fischer das „Hauptmerk- den lässt, die lediglich einige Individuen der Spezies Schim- mal der Person“, „der eine Person ausmachende Wesenszug“ panse, Gorilla und Orang-Utan (siehe 21) berücksichtigen

3 Als Grundrechte werden etwa die ersten drei Artikel des Grundgesetzes verstanden, vgl. 80. 4 Wie die heutige Debatte über die Definition des Begriffs der Person zeigt, scheint gerade im Blick auf Tiere die Einschränkung auf die Voraussetzung des Selbstbewusstseins auf keinen Fall überzeugend. Juan Carlos Gómez hat zum Beispiel deutlich bewiesen, dass die Verwendung des Prädikats Person für die Menschenaffen zwar begründbar ist, aber nur insofern man die kritische Auseinandersetzung mit bestimmten, klar festgelegten Kriterien in Betracht zieht (Gómez stützt seine Argumentation auf Daniel Dennetts Definition der Person). Siehe: Gómez, J. C. (2003). Are Apes Persons? The Case for Primate Intersubjectivity. In S. J. Armstrong und R. G. Botzler (hrsg.), The Reader (138-143). London: Routledge.

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kann, nämlich geistig gesunde und erwachsene Individuen, dass er bestimmte Interpretationen, sowohl der Geschichte der die sich zur Person entwickelt haben. Es kann daher gefragt Tierschutzbewegung als auch der Schwächen und Irrtümer ande- werden, ob der von Fischer vorgeschlagene Begriff der Person rer zeitgenössischer Theorien liefert. Francione unterscheidet in in der Tat einen sicheren Boden für die ethische Begründung der Debatte zwei grundsätzliche Positionen: Tierschutz, der auf der Anerkennung von Berechtigungen für die Tiere (mindes- den Schutz des tierischen Wohlbefindens ausgerichtet ist („ani- tens für einige bestimmte Tierarten) bietet, oder ob nicht die mal welfarism“), und die Ablehnungstheorie („abolitionism“), Verwendung eines anderen Kriteriums stattdessen in Anspruch die jegliche Nutzung von Tieren ausschließt. Während Tierschutz genommen werden könnte5. nur am Anfang, und zwar im 19. Jahrhundert, eine substantielle Tina-Louise Fischer muss dabei das große Verdienst zuer- Verbesserung in der Nutzung von Tieren vor allem in der For- kannt werden, dass sie sich engagiert darum bemüht, einen schung und in der Landwirtschaft verzeichnen konnte, erscheint Schritt weiter in der Begründung einer neuen, erweiterten die heutige Situation der Tiernutzung leider von ungeheuren und Ethik (vgl. z.B. 10) zu gehen, einer Ethik, die endlich auch unnötigen Misshandlungen gekennzeichnet – vor allem in unserer das Tier moralisch und rechtlich berücksichtigen kann. In abendländischen Gesellschaft. Francione leugnet selbstverständ- ihrem Essay setzt sich die Autorin mit der aktuellen Debatte lich nicht die historisch wichtige Rolle der Entwicklung von Tier- über die Notwendigkeit der ethischen Berücksichtigung von schutzgedanken in der modernen Zeit, aber er sieht in dieser Tra- Tieren kompetent auseinander. In dieser Hinsicht stellt dieser dition die Wurzeln für die heutige schlechte Situation, weil sie die Essay eine gute Einführung zum Problemfeld des ethischen Tiernutzung als solche überhaupt nicht in Frage gestellt hat. Tiere Umgangs mit Tieren dar, die neue Thesen zu einer erweiterten als leidensfähige Wesen zu betrachten besagt nur, dass wir ihnen Ethik durchdenkt und zur weiteren Diskussion dieses hochbe- keine unnötigen Leiden und Schmerzen zufügen sollen, bzw. dass deutenden Themas – die Verwendung des Personbegriffes für wir Tiere „human“ behandeln sollen. eine tierethische Begründung – anregt. Die zentrale These seines Buches „Animals, Property, and Cecilia Muratori the Law“ (1995) sowie seine fundamentale Kritik gegenüber der Tradition von „animal welfarism“ aus dem Buch „Rain without Thunder: The Ideology of “ (1996) werden im zweiten Beitrag dieses Buches knapp und prägnant erklärt und gegen kritische Einwände verteidigt: Der Eigentums- 2.9 Gary L. Francione: status der Tiere macht jegliches Ziel einer humanen Tiernutzung Animals as Persons: Essays illusorisch, weil das, was in Wirklichkeit abgewogen wird, die on the Abolition of Animal Interessen der Eigentümer der Tiere sind, die gegen die Interes- Exploitation sen ihres Eigentums (der Tiere) stehen. Daraus folgt, dass es ab- 256 Seiten, New York: Columbia Uni- surd ist zu behaupten, dass wir menschliche Interessen an Eigen- versity Press, 2008, Euro 19,99 tum, die eigentlich rechtlich geschützt sind, gegen die Interessen von dem abwägen können, das besessen wird. Das Eigentum- Dieses aktuellste Buch von Gary L. Tier existiert hier nur als Mittel zu einem Zweck (38). Franci- Francione, das er seinen zwei Meer- one argumentiert gegen die vielen pragmatischen Argumente, schweinchen und zwölf Hunden wid- die behaupten, dass eine sofortige Abschaffung der Tiernutzung met, stellt ein wichtiges Kompendium heute unmöglich ist und dass man den Tierschutzgedanken bes- aller Thesen über Tierschutz dar, die ser schrittweise im Geist der Einzelnen und der Gesellschaft der Distinguished Jura Professor of Law and Philosophy an wachsen lassen sollte. Er kritisiert diese Argumente als Alibi, der nordamerikanischen Rutgers Universität seit den 80er Jah- weil sie nicht den Kern des Problems in Frage stellen, und zwar ren entwickelt hat. Wie schon der Titel andeutet, zielt das Buch die Tatsache, dass Tiere als Eigentum gelten. Noch radikaler fällt darauf ab, philosophisch und rechtsphilosophisch die Idee der seine Kritik gegen den so genannten „new welfarism“ aus, den Ablehnung jeglicher Form von Tiernutzung zu begründen. ganze Generationen von Tierschutz-intellektuellen praktizieren, Das Buch besteht aus einem Vorwort und sieben Artikeln, von die sich zum Teil in der Zusammenarbeit mit Institutionen enga- denen fünf schon in anderen Büchern oder Zeitschriften veröffent- giert haben. Die heutigen Gesetze, die dadurch inspiriert sind, licht worden sind. In diesem Werk werden dann erstmals Grund- tragen letztlich dazu bei, dass Tiere nie angemessen und ethisch züge einer Ablehnung der Eigentumstheorie für Tiere skizziert, behandelt werden. Vertreter des „new welfarism“ seien „krimi- die die theoretische und politische Basis für deren Nutzung dar- nell“ (40), weil sie die Institutionalisierung der Tiernutzung und stellt. Franciones theoretischer Ansatz wird in einer permanenten damit der Leidenszufügung und Tötung ermöglichen. Diese Per- Auseinandersetzung mit anderen wichtigen tierethischen Positi- spektive führt zur sozialen Bequemlichkeit der Akzeptanz der onen aufgebaut. Er begründet in der Tat seine Position dadurch, Tiernutzung (16). Für Francione ist eine vegane Gesellschaft

5 Francione, G. L. (1996). Personhood, Property and Legal Comptence. In P. Cavalieri and P. Singer (hrsg.), The Great Ape Project. Equality beyond Humanity (248-257). New York: St. Martin’s Griffin. Francione weist darauf hin, dass die Fähigkeit des Empfindens als Hauptkriterium in Betracht gezogen werden kann: Um zu entscheiden, wer zur „community of equals“ gehört, soll man die Grenze beim Empfinden ziehen (vgl. 253). Die Wichtigkeit des Begriffs der Rechtsperson („legal personhood“, ebenda. 251) bleibt allerdings in Franciones Beitrag unbestritten. Siehe auch: P. Cavalieri und P. Singer, The Great Ape Project - and Beyond, in: Ders., The Great Ape Project, zit., 304-312, insbesondere 308.

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der einzige Weg, Tierrechte „ernst“ zu nehmen. Nur wenn Tiere 2.10 Richard P. Haynes: als „Personen“ gelten, und zwar in der Hinsicht, dass sie fun- Animal Welfare. Competing damentale Freiheiten genießen können, ein Lebensrecht haben Conceptions and Their Ethical und nicht in juristischer Hinsicht als Eigentum gelten, dann kann Implications man von einer effektiven Anwendung des Prinzips der gleichen 162 Seiten. Dordrecht: Springer, 2008, Berücksichtigung von Interessen sprechen. Euro 64,15 Ein anderer wichtiger und zugleich problematischer Grund- gedanke der heutigen Tierschutzbewegung besteht in der Idee, Tierliches Wohlergehen (animal welfa- dass kognitive Fähigkeiten der Tiere und insbesondere deren re) ist ein zentraler Bestandteil der meis- Ähnlichkeit sowie die Vergleichbarkeit mit menschlichen Fähig- ten tierethischen Konzepte und gilt als keiten das Motiv der Anerkennung des moralischen Status dar- wichtiges normatives Kriterium für das stellen. Damit greift Francione insbesondere im dritten Beitrag moralisch richtige Handeln gegenüber zu einer der zentralen Fragestellungen der heutigen tierethischen Tieren. Darüber hinaus ist die Bestimmung und Untersuchung Debatte, die dann durch neue ethologische Untersuchungen so- des tierlichen Wohlergehens aber mittlerweile auch zu einem be- wie durch das „Great Ape Project“ (1993), an dem Francione deutenden wissenschaftlichen Forschungsgebiet geworden, das selber teilgenommen hat, bereichert worden ist. großen Einfluss auf alle Bereiche der Tierhaltung und -nutzung Francione bezeichnet als „similar-minds approach“ den An- hat. Richard Haynes kritisiert in seinem Buch „Animal Welfare. satz, der die kognitive Ähnlichkeit zwischen Menschen und ei- Competing Conceptions and Their Ethical Implications“ Ziele nigen anderen Tieren betont und in diesem den Grund für einen und Vorgehen der so genannten animal welfare science. Seine stärkeren Schutz sieht. Diese Theorie, die auf einer merkwürdi- These ist, dass der moralische Begriff des Wohlergehens von den gen Inkonsistenz mit der Evolutionstheorie Darwins beruht, ist wissenschaftlichen und philosophischen Mitgliedern der animal aus zwei Gründen problematisch: aus einem praktischen Grund, welfare science community zu Unrecht übernommen wurde, um weil sie nicht effektiv in der Implementierung des Tierschutzes den Gebrauch von Tieren zu Forschungszwecken und in der Le- sein kann; aus einem theoretischen Grund, weil sie nicht den bensmittelindustrie zu rechtfertigen. Grund erklärt, warum jegliche andere Fähigkeit außer der Lei- Die ursprüngliche Bedeutung des Wohlergehenskonzeptes – densfähigkeit nicht auch für die Zugehörigkeit zur moralischen das Führen eines glücklichen Lebens – ist nach Haynes mit vie- Gemeinschaft von Bedeutung ist. Zum ersten Grund betont len Formen der Nutzung von Tieren zu menschlichen Zwecken Francione außerdem, dass selbst wenn wir Beweise von Ähn- nicht vereinbar. Dies wird deutlich, wenn man den Begriff des lichkeiten hinsichtlich kognitiver Fähigkeiten haben, wir diese tierlichen Wohlergehens richtig versteht: „[…] if we correctly ignorieren und unsere Untersuchungen weiter fortführen, weil conceptualize animal welfare, using a correct account of human wir nicht spezifizieren, welches Maß an Ähnlichkeit für den welfare as our model, respecting the welfare of animals would Personen-Status von Tieren genügt (139). Für Francione selbst require eliminating most of their use in science and all of their genügt die Leidensfähigkeit allein für die Anerkennung des voll- use when slaughtered for food. So true animal welfare advoca- kommenen rechtlichen Status. tes, if they correctly conceptualize ‘animal welfare’ would be Objekt der Kritik von Francione ist aber nicht nur die utili- indistinguishable from ‘animal rightists’.” (151) taristische Tradition, sondern auch die deontologische Theorie Zur Untermauerung dieser These gibt Haynes im umfang- Regans, die einen Unterschied in der Leidenszufügung und Tö- reichsten ersten Teil des Buches zunächst einen historischen tung von Tieren und Menschen betont (siehe siebten Beitrag). Im Überblick über die wissenschaftliche Beschäftigung mit der sechsten Beitrag richtet er sich dann gegen die Ineffektivität der Versuchstierhaltung und -pflege in Großbritannien und den Fürsorgeethik für Tierschutz. Auch wenn er der Kritik gegen pat- USA, von den Gründung der britischen UFAW (Universities riarchale Strukturen generell zustimmt, kritisiert er grundsätzlich Federation of Animal Welfare) in den 1920er Jahren bis hin zu die feministische Kritik gegen jegliche Form von Universalismus aktuellen Diskussionen etwa zur Tierschutzgesetzgebung, zur und sieht im Recht selbst kein patriarchales Instrument, sondern Einsetzung von Ethikkomitees an Forschungseinrichtungen und den einzigen Weg zum Schutz von Interessen (188). zum psychologischen Wohlergehen von Primaten. Dabei zeigt Mit seinem provokativen und extremen Charakter wirft dieses sich, so Haynes, dass die Bemühungen um das Wohlergehen Buch fundamentale Fragen auf, die Tierethiker nicht ignorieren von Tieren in der Forschung im Wesentlichen von dem Argu- können und die meiner Meinung nach weitere Auseinanderset- ment „good science requires humane treatment“ (xiiif.) geleitet zungen erfordern. 1. Gibt es überhaupt Grenzen zwischen Ins- wird. Es ist also im Interesse der Wissenschaftler, dass bestimm- trumentalisierung und Tiernutzung in einer Gesellschaft, in der te Gesundheits- und Wohlergehensstandards für ihre Versuchs- Tiere Mittel zum ökonomischen Zweck sind? Und 2. Warum hat tiere erfüllt sind. Problematisch ist, dass die Festlegung dieser sich bis jetzt die tierethische Tradition mit der Eigentumstheorie Standards zumeist durch Experten aus dem Kreis der animal und dem politisch-ökonomischen Kontext der Tiernutzung nur welfare science community erfolgt – „and these experts are, for sehr eingeschränkt auseinandergesetzt? the most part, the scientists who use animals in research“ (11). Arianna Ferrari So bewegt sich der Expertendiskurs stets innerhalb der Gren- zen eines tierethischen Ansatzes, der die Nutzung von Tieren zu menschlichen Zwecken nicht grundsätzlich in Frage stellt, sondern sich mit einer schrittweisen Reform der Bedingungen

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der Tierhaltung zufrieden gibt. Haynes kommt daher zu dem ling the relationship between the producer and , but Schluss: „While the efforts of the science of laboratory animal this model […] seems to imply that the caregiver make the sort care and use were progressive in helping to significantly impro- of choices for its ward that are consistent with the ward’s future ve the conditions under which laboratory animals were housed autonomy (or its constructed autonomy).” (141) […], they proved conservative of the status quo in their efforts Insgesamt erhält der Leser des vorliegenden Buches einen to resist reforms that might put serious restrictions on the use of umfassenden Überblick über die Geschichte der animal welfare animals in scientific studies that a richer conception of animal science und die zum Teil kontroversen aktuellen Positionen. Und welfare might require.“ (xiv) Haynes eigener Vorschlag einer auf constructed consent und tier- Im zweiten Teil des Buches widmet sich Haynes der Anwen- licher Autonomie beruhenden tierethischen Position ist auf jeden dung des Wohlergehenskonzeptes im Bereich der Nutztierhal- Fall bedenkenswert. Gerade deshalb hätte sein Ansatz aber eine tung, wo sich eine stärker institutionalisierte Form der animal ausführlichere Darstellung verdient gehabt. Stattdessen verliert welfare science entwickelt hat. Im Mittelpunkt stehen die Versu- sich vor allem der historische Teil I über weite Strecken in der Auf- che verschiedener Vertreter der farm animal welfare community, listung von Informationen und Details, die zum Teil überflüssig grundlegende Fragen im Hinblick auf ihr Unternehmen zu re- erscheinen. So bleibt z.B. unklar, was die Auflistung der Schriften flektieren: Welche Aspekte des Nutztierlebens beeinflussen sein des Animal Welfare Institute (AWI) inklusive Seitenzahlen (19f.) Wohlergehen? Wie können wir den Einfluss eines bestimmten oder die zahlreichen Zitate aus Webseiten und Broschüren der Produktionssystems auf das Wohlergehen möglichst objektiv verschiedenen Organisationen eigentlich zeigen sollen. messen? Welches Wohlergehenslevel ist ethisch erforderlich? Zudem ist zu bezweifeln, ob Haynes These einer unzulässigen In den von Haynes diskutierten Ansätzen von Bernard Rol- Aneignung des Wohlergehenskonzeptes durch die Wissenschaft lin, Ian Duncan, David Fraser, Michael Appleby/Peter Sandøe, tatsächlich allein durch die von ihm angeführten Beobachtun- Lennart Nordenfelt und wird der Begriff des gen gestützt werden kann. Seine scharfe Polemik gegenüber tierlichen Wohlergehens in ganz unterschiedlicher Weise inter- „self-styled animal welfare scientists“ (71) scheint, bei al- pretiert. Das Hauptproblem bei allen Konzepten (wenn auch in ler berechtigten Kritik, in dieser Form nicht gerechtfertigt zu ungleich hohem Maße) ist für Haynes, dass das jeweils vertre- sein. Haynes unterstellt, dass die Mitglieder der animal welfare tene Wohlergehenskonzept zu eng ist und den Kern des Begriffs science community nicht nur ein eingeschränktes und damit „Wohlergehen“ nicht angemessen erfasst. Auch wo die Messung unpassendes Konzept von Wohlergehen vertreten, sondern des Wohlergehens nicht mehr allein auf Negativkriterien wie dies auch in aus tierethischer Sicht „unmoralischer Absicht“ der Vermeidung negativer Empfindungen beruht und der Kri- tun, d.h. am Wohlergehen der Tiere eigentlich nicht interessiert terienkatalog um Aspekte wie Gesundheit oder positive Emp- sind. Aber warum sollte die damit zugleich kritisierte Annahme, findungen erweitert wird (wie etwa im Ansatz von Nordenfelt dass es auch ethisch vertretbare Formen der Nutzung von Tie- oder Nussbaum), beschränken sich die vermeintlichen Wohl- ren durch den Menschen gibt, von vornherein moralisch falsch ergehenstheorien zumeist auf eine Auflistung von Dingen, die sein? Für diese starke These wäre eine überzeugendere tiere- für ein Lebewesen von instrumentellem Wert (prudential value) thische Argumentation notwendig, als Haynes sie liefert. Trotz sind. Eine Theorie des Wohlergehens müsste nach Haynes aber dieser argumentativen Schwächen ist das Buch jedoch ein in- eigentlich mehr leisten: „A theory of welfare would be needed teressanter Beitrag zur Klärung von Bedeutung und Rolle des to determine which and how many of these goods a custodian Konzeptes des tierlichen Wohlergehens, der wichtige Impulse or user is ethically obligated to provide their wards or their für die tierethische Diskussion geben kann. ‘employees’.” (107) Kirsten Schmidt Im dritten Teil stellt Haynes den konkurrierenden Konzepti- onen seinen eigenen Vorschlag eines custodial models gegen- über. Dabei stützt sich Haynes vor allem auf Wayne Sumners Theorie des menschlichen Wohlergehens, bezieht aber auch As- pekte von Martha Nussbaums Ansatz des animal flourishing mit 2.11 Clare Palmer (ed.): ein. Auf Seiten der menschlichen caregiver besteht demnach die Animal Rights ethische Verpflichtung, für ihre tierlichen Schutzbefohlenen zu 582 Seiten, Washington: Ashgate sorgen und in deren mutmaßlichem Interesse zu handeln. Das Publishing, 2008, Euro 180,99 bedeutet z.B., ihnen eine reichhaltige Umwelt zur Verfügung zu stellen, die eine artgerechte Entwicklung (flourishing) ermög- Sammelbände wie der hier besproche- licht – d.h. eine Umwelt, in der das Tier berechtigterweise mit ne „Animal Rights“ bilden nicht nur al- seinem Leben zufrieden ist. Im Gegensatz dazu verhalten sich lein durch ihren Umfang von über 500 animal welfare scientists gegenüber den Tieren in ihrer Obhut großformatigen, solide gebundenen wie caretakers: Sie verstehen ihre Aufgabe eher als „Sorge“ um Buchseiten einen weiteren wichtigen ein Eigentum mit einem bestimmten Wert, das im Interesses des Beitrag zu der beeindruckenden Leis- Besitzers in einem einwandfreien Zustand gehalten werden soll- tungsschau von bereits bestehenden te, und nicht als Sorge um ein Lebewesen mit einem Anspruch tierethischen Referenzwerken, wie z.B. der „Animal Ethics Rea- auf angemessene Berücksichtigung seiner eigenen Interessen. der“. Der Band von Clare Palmer stellt durch seine insgesamt „The caregiver model seems a more appropriate way of model- 31 ungekürzten Aufsätze zum Themenbereich „Moral and le-

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gal rights for animals“ auch ein zeitgeschichtliches Dokument er findet sich auch im deutschsprachigen Raum unter „Wie der modernen Tierrechtsdebatte dar. Die meisten verwendeten man Rechte für Tiere begründet“ und wird bis in die Gegen- Texte erschienen erstmalig im Zeitraum von 1976 bis 1990 und wart oftmals verwendet. werden durch einige später erschienene (bis zum Jahr 2006) Den Abschluss des ersten Teils von „Animals Rights“ bilden ergänzt. Alle Texte sind vorbildlich editiert mit der Original- zwei gemässigtere Tierrechtsentwürfe der bekannten Philoso- Paginierung abgedruckt. phin Mary Anne Warren und des leider früh verstorbenen Bio- Besonders hervorzuheben ist die zwanzigseitige Einleitung ethikers . des Bandes, diese bildet eine hervorragende Tour de Force Der zweite Teil wird zwar mit einem Text unter dem Titel über die Texte, die in vier Themenbereiche gegliedert sind. „Animal Rights“ eröffnet, doch dessen Verfasser, der utilitaris- Der vorliegende rote Band „Animal Rights“ erschien als sech- tisch orientierte Philosoph R. G. Frey, ist bekannt als einer der zehnte Publikation der renommierten „International Library of langjährigsten und scharfsinnigsten Kritiker von Tierrechten. Essays on Rights“. In dieser Reihe behandelt der Band „Theory Erstaunlicherweise finden sich weitere langjährige Kritiker, of Rights“ ausführlich die grundlegenden rechtsphilosophi- insbesondere des starken Tierrechtskonzepts von Tom Regan, schen Fragen. Eine rechtstheoretische Übersicht findet sich nicht nur im zweiten Teil des Buches, sondern gerade auch in zu Beginn der Einleitung etwas kurz zwar, aber durchaus mit „Part III – Animal Rights and Human Uses“. Der Philosoph prägnanten Analysen versehen, wie „Two senses in particular Carl Cohen, der im dritten Teil mit „The Case for the Use of have been important. The first takes animal rights to be short- Animals in Biomedical Research“ vertreten ist, publizierte zu- hand for the idea that animals have any kind of moral standing sammen mit Tom Regan 2001 die engagierte Streitschrift „The at all.“ (XV). Animal Rights Debate“. Abschließend sei beim Teil II neben Doch im Zentrum heftiger Diskussionen steht die zweite dem einschlägigen Aufsatz von Josephine Donavan „Animal Konzeption von Rechten „… a subset of the first. It refers to Rights and Feminist Theory“ noch auf Evelyn Pluhar mit „Must a particular kind of moral status ... rights are entitlements. In an Opponent of Animal Rights Also Be an Opponent of Human many cases, rights can be best understood as claims against Rights?“ hingewiesen. Sie gilt als eine der wichtigsten Ver- others.“ (XV). Vielleicht wäre zu einem speziesneutralen Ver- teidigerinnen des sehr intensiv diskutierten „Argument from ständnis noch die normentheoretische Erläuterung hilfreich Marginal Case – AMC“, dessen These sich kurz zusammenfas- gewesen, dass allen Rechten eine bestimmte Form gemein- sen lässt in „If Animals lack rights, so to do non-paradigmatic sam ist, die man als ihre elementare Grundstruktur bezeichnen humans“. Der dritte Teil des AR widmet sich neben den Fragen kann. Jedes Recht, gleichgültig was es im einzelnen bedeuten des Vegetarismus insbesondere der Tierversuchsdebatte. Hier mag, hat die Form eines dreistelligen Relationsprädikats mit versucht der Bioethiker David Degrazia in seinem oft zitierten den folgenden variablen Komponenten: 1. dem Subjekt oder Papier „The Ethics of Animal Research: What Are the Prospects Inhaber, 2. den Adressaten und 3. dem Inhalt oder Gegenstand for Agreement?” eine vermittelnde und gemäßigte Position des Rechts (vgl. M. Stepanians (Hrsg.) 2007. Individuelle von Tierrechten zu verteidigen. Rechte. Paderborn: mentis). Zu Beginn des letzten Teils „Part IV – Politicial and legal Damit ist nun noch nicht entschieden, ob überhaupt ein Tier rights for animals” findet sich bei Joel Feinberg – einem der oder aus säkularer Perspektive ein „non-human animal“ (XIV) prominentesten amerikanischen Rechtsphilosophen – mit die erforderlichen Kriterien eines Trägers von moralischen seiner Analyse „The possession of interests can be seen at Rechten oder, juristisch noch umstrittener, die Kriterien von this point to be the crucial mark of conceptual suitability for „legal rights“ (XVIII) erfüllt. Mithilfe der normentheoreti- right-ownership“ (408) das zentrale Argument jeder säkularen schen Erläuterung werden nichtmenschliche Tiere nicht schon Theorie der Rechte. Eine sehr gute Ergänzung bildet sein be- bereits vorweg in der formalen Grundstruktur von Rechten reits 1980 ins Deutsche übersetzter Aufsatz „Die Rechte der durch scheinbar inhaltlich „neutrale“ Wesensbestimmungen Tiere und zukünftiger Generationen“. Mit den drei Beiträgen kategorisch als mögliche Rechtssubjekte ausgeschlossen. der prominenten amerikanischen Rechtswissenschafter Gary Im Band “Animal Rights” bilden „Part I – Arguments in Fa- Francione (425-444) „Taking Sentience Seriously“, Richard vour of Animal Rights“ und “Part II – Critical Views on Animal Epstein (445-464) „Animals as Subjects, or Objects, of Rights“ Rights – and Some Responses” den allgemein theoretischen und Steven Wise (477-499) „A Great Shout: Legal Rights for Teil. Der erste Teil beginnt amüsanter Weise mit „All Animals Great Apes” findet sich auch der aktuelle „Legal Rights for Ani- Are Equal“(13-17) von Peter Singer, der verwendet wurde, mals“ Diskurs der letzten Jahre hervorragend im Band „Ani- weil dieser bereits 1974 erschienene Text der wohl internati- mal Rights“ repräsentiert. onal am häufigsten zitierte und übersetzte ist. Aber bereits im Zusammenfassend kann nur nochmals betont werden, dass Text 11 des hier besprochenen Bandes mit dem bezeichnenden er für jeden grundlegend orientierten Tierethiker eine unver- Titel „ or animal rights?“ (165-177) findet zichtbare – und nicht nur zeithistorisch wichtige – intellektu- sich seiner nachfolgenden utilitaristischen Argumentations- elle Ressource darstellt. So man kann nur hoffen, dass dieses strategie klar vorangestellt „This essay explains why I do not, Meisterstück angesichts eines Preises von gut 180 Euro zu philosophically, accept the animal rights approach“. mindest in den Bibliotheken seinen Platz findet. Im ersten Teil des Buches bildet der ebenso bereits klassi- Erwin Lengauer sche Aufsatz von 1985 „The Case for Animal Rights“ von Tom Regan die starke deontologische Konzeption von Tierrechten,

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2.12 Klaus Peter Rippe: Wesen moralisch zu berücksichtigen sind. Nur empfindungs- Ethik im außerhumanen fähige Wesen, und zwar als Individuen, verdienen es, als mo- Bereich ralische Größen bei der Prüfung der moralischen Vertretbarkeit 367 Seiten, Paderborn: mentis, 2008, menschlichen Naturhandelns ins Kalkül gezogen zu werden. Euro 32,00 An dieser Position ist zunächst nichts Bemerkenswertes. Sie entspricht nicht nur dem vorherrschenden Common Sense, sie Ein durchgängiges Problem der Tiere- bildet auch die Grundlage nahezu aller Tierschutzgesetze, die thik, wenn nicht der Naturethik ins- in der einen oder anderen Weise die Schutzwürdigkeit mit der gesamt, ist ihre starke Abhängigkeit Empfindungsfähigkeit zusammenfallen lassen. Bemerkenswert von den moralischen Intuitionen ihrer ist die Begründung, die Rippe dafür angibt und die seinem An- Autoren. Außenstehende teilen die- spruch auf intuitive Enthaltsamkeit in der Tat optimal gerecht se Intuitionen nur bedingt, und wenn, wird: eine von ihm „skeptische Vertragstheorie“ genannte Fun- dann doch nicht mit der Schärfe, auf die gerade die radikaleren dierung der Moral auf das langfristige aufgeklärte Eigeninter- tier- und naturschützerischen Positionen zurückgreifen. Dies esse jedes Einzelnen und damit auf die solideste, aber auch die führt nicht nur des Öfteren zu intellektuellem Naserümpfen schmalstmögliche Basis, die eine normative Ethik tragen kann. in der engeren philosophischen community, sondern beein- Wie kann es im Interesse jedes Einzelnen sein, moralische trächtigt auch die öffentliche Akzeptanz und die Chancen auf Prinzipien zu vertreten und zu befolgen, die gerade auch nicht- politische Umsetzung. Ein Beispiel aus der Tierethik ist Tom menschliche Lebewesen schützen – also Wesen, von denen das Regans Konzeption eines „inherent value“ höherer Tiere, der Moralsubjekt weiß, dass es keine Gefahr läuft, in ihre Lage zu jede Instrumentalisierung zu menschlichen Zwecken verbietet. geraten und möglicherweise Leiden und Frustrationen ausge- Methodisch stützt sich Regan auf das Verfahren des Reflexi- setzt zu sein, die durch eine funktionierende nicht-anthropozen- onsgleichgewichts, das die ethische Theoriebildung als eine Art trische Moral abgemildert werden könnten? Der entscheidende harmonisierende Rekonstruktion vortheoretischer Intuitionen Schritt besteht für Rippe in der Überlegung, dass rationale Ak- auffasst. Im Falle Regans sind diese Intuitionen jedoch von teure Gründe haben, von moralischen Normen gerade auch in vornherein so stark von tierschützerischen Motiven imprägniert, Situationen geschützt zu werden, in denen sie leidensfähig, aber dass das resultierende „Gleichgewicht“ aus der Außenperspek- nicht handlungs- und/oder urteilsfähig sind. Aus einer egozent- tive eher als Schieflage erscheint. Zwar ist die Rekonstruktion rischen Perspektive ist die Moral gerade für solche Situationen einer bestimmten durch starke persönliche Intuitionen gepräg- attraktiv, in denen sich das Individuum nicht selbst durch Wort te Sichtweise nicht ohne Verdienste, zumindest solange davon oder Tat schützen kann. Aus einer egozentrischen Perspektive auszugehen ist, dass sie von anderen geteilt wird. Sie ist aber gibt es deshalb gute Gründe, seinen Schutz an die möglichst wenig geeignet, den Verbindlichkeitsanspruch der Ethik einzu- lückenlose Geltung altruistischer Normen zu delegieren und lösen, vor allem in einem so wenig konsolidierten Feld wie der entsprechende Hilfspflichten auch gegenüber anderen zu ak- Ethik des Umgangs mit der außermenschlichen Natur. Dazu zeptieren. Unter langfristigen Klugheitsgesichtspunkten wird bedarf es mehr, nämlich einer argumentativen Absicherung der es sich ebenfalls empfehlen, die Unversehrtheit von Kindern zugrunde liegenden Überzeugungen. Die bloße Versicherung, geschützt zu wissen, da eine reflektierende Person, auch wenn dass es sich evidentermaßen so verhält, reicht nicht hin. sie selbst dem Kindesalter entwachsen ist, ein Interesse dar- Klaus Peter Rippe geht in diesem Buch einen anderen Weg. an haben wird, im Alter von den Kindern versorgt zu werden. Mit einer an Leonard Nelson erinnernden Rigorosität verbannt Kindern Rechte zuzuschreiben, lässt sich insofern relativ pro- er alle moralischen Anmutungen in den Orkus der Bauchge- blemlos im Rahmen einer von natürlichen Fürsorgeempfin- fühle, die in einer rationalen Ethik nichts zu suchen haben, dungen abstrahierenden Minimalethik begründen. Warum aber und dies nicht wiederum aus einer Bauchentscheidung heraus, sollte ein rationales Subjekt diese Rechte auf nichtmenschliche sondern aus guten Gründen: Entweder moralische Wahrheiten Empfindungssubjekte ausdehnen? An diesem bottleneck seiner liegen in den Gegenständen selbst und lassen sich ihnen un- Argumentation (275) greift Rippe, so weit ich sehe, auf zwei ter Anwendung geeigneter kognitiver Instrumente entnehmen. Argumente zurück: einerseits ein Argument der Uneindeutig- Oder sie sind das Ergebnis kultureller Wertungsmuster, die im keit der Speziesgrenzen, andererseits ein Argument der Inak- Erkenntnissubjekt zu stabilen Wahrnehmungsweisen geronnen zeptabilität willkürlicher Differenzierungen. Nach dem ersten sind. Da die zweite Annahme ontologisch sparsamer ist als der Argument lässt sich zwar aktuell zwischen menschlichen und moralische Realismus, spricht alles dafür, von ihr auszugehen nicht-menschlichen Tieren eine eindeutige Grenze ziehen. Das und kulturelle Selbstklärung und Ethik sorgfältig auseinander- wäre jedoch anders, lebten gleichzeitig mit uns die weiteren aus zuhalten. Der anthropozentrische bias der naturethischen In- der Paläontologie bekannten Gattungen der Hominiden. Unter tuitionen in unserem Kulturbereich lässt sich leicht durch die dem Eindruck der Uneindeutigkeit der Gattungsgrenzen wür- Jahrtausende währende Dominanz der christlichen Metaphysik de auch ein rationaler Egoist bereit sein, allen leidensfähigen erklären. Das sagt jedoch lediglich etwas darüber, mit welchen Wesen ein Recht auf Unversehrtheit zuzusprechen. Nach dem Reaktionen man rechnen muss, nichts über deren Richtigkeit. zweiten Argument würde eine Grenzziehung zwischen Mensch Wie sieht und wertet man die außermenschliche Natur rich- und Tier riskieren, dass weitere kontingente Merkmale zur Dif- tig? Die erste Hauptthese dieses Buchs ist die pathozentristi- ferenzierung der Rechtezuschreibung herangezogen werden sche These, dass alle, aber auch nur alle empfindungsfähigen könnten, etwa die Zugehörigkeit zu einer rassischen oder re-

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ligiösen Gruppe. An einer diskriminierenden Differenzierung Damit sind nur die Grundlinien der Argumentation dieses dieser Art kann jedoch auch ein rationaler Egoist kein Interesse hochaktuellen Buchs nachgezeichnet, das dem Anspruch sei- haben, da er selbst, würde die Moral solche Differenzierungen nes Titels umfassend gerecht wird und auf dem Hintergrund der zulassen, unter den Diskriminierten sein könnte. Erfahrungen des Autors in der Politikberatung sehr viel mehr Beide Argumente haben offenkundige Schwachpunkte. bietet als akademische Begründungsdiskurse. Weitere Themen, Auch wenn man hypothetische Überlegungen einbezieht derentwegen sich eine Lektüre lohnt, sind eine genaue Prüfung und annimmt, dass zwischen Menschenaffen und Menschen der Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Anwendung von fließende Übergänge bestehen, würde sich im Sinne einer Würdebegriffen auf nichtmenschliche Tiere (Kap. 3), eine im skeptischen Vertragstheorie allenfalls eine Einbeziehung der Rahmen von Rippes egalitärem Pathozentrismus konsequente menschenähnlichsten nichthumanen Wesen, etwa im Sinne Relativierung des Artenschutzes (Kap. 9) sowie eine Verteidi- des Great Ape Project nahelegen. Und anders als von einer gung des Vorrangs von Unversehrtheitsrechten vor Güterabwä- rassistischen oder religiös-partikularistischen Moral hätte gungen (Kap. 15) mit dem Resultat eines Prima-facie-Verbots der rationale Akteur von einer exklusiv anthropozentrischen nicht nur der Tötung von Tieren zu menschlichen Zwecken, Moral nichts zu befürchten. Eine Nötigung zur Einbeziehung sondern auch der Unterwerfung von Tieren unter anerkannt der nichtmenschlichen Empfindungssubjekte bestünde unter nützliche, aber belastende Tierversuche. vertragstheoretischen Voraussetzungen nur insoweit, als diese Dieter Birnbacher über die Sanktionsmacht verfügen, auf einen Ausschluss aus der menschlichen Moral mit einem entsprechenden Ausschluss aus ihrer Moral zu reagieren. Die zweite Hauptthese, die dieses Buch entwickelt (und mit Gegenpositionen konfrontiert), fügt der ersten im Grunde nicht 2.13 Kirsten Schmidt: viel hinzu. Besagt die erste These, dass ein rationaler Egoist, Tierethische Probleme der um seine eigene körperliche Integrität zu wahren, allen übrigen Gentechnik. Zur moralischen leidensfähigen Wesen ein gleiches Recht auf Unversehrtheit Bewertung der Reduktion zusprechen muss, beinhaltet die zweite These, dass es keinen wesentlicher tierlicher Grund gibt, dieses Recht irgendeinem Tier mit Verweis auf Eigenschaften kontingente Eigenschaften vorzuenthalten. Eine moralische 386 Seiten, Paderborn: mentis, 2008, Hierarchie innerhalb der Welt der Tiere ist nicht zu verteidi- Euro 54,00 gen – weder so, dass (mit Schopenhauer und dem Common Sense) zwischen Stufen der Leidensfähigkeit und den damit Nach überwiegender Auffassung be- verknüpften Schutzpflichten unterschieden wird, noch so, dass steht die Zielsetzung des Tierschutzes Tieren die Leidensfähigkeit erst ab einer bestimmten phylo- in erster Linie darin, Tiere vor unan- genetischen Entwicklungsstufe zuerkannt wird. Vielmehr soll genehmen Erfahrungen, d.h. vor der Zufügung von Schmerzen allen Tieren ein Recht auf Unversehrtheit (und damit ein Recht und Leiden, zu bewahren bzw. ihr Wohlbefinden sicherzustel- auf Nicht-Tötung, bei Tieren in menschlicher Obhut auch ein len. In beiden Fällen dienen – negative oder positive – Empfin- Recht auf Schutz vor Selbstschädigung) zukommen. Auch hier dungen von Tieren als Anknüpfungspunkt für die Formulierung greift der Autor auf die Kombination eines Uneindeutigkeitsar- ethischer und rechtlicher Normen. Allerdings zeigt eine genau- guments und eines Willkürverbots zurück. Die empirischen ere Auseinandersetzung mit Maßnahmen, die nicht notwendi- Befunde bieten ihm zufolge weder für eine Abstufung noch für gerweise mit negativen Empfindungen der betroffenen Tiere eine eindeutige Begrenzung der Leidensfähigkeit hinreichende einhergehen, dass der Schutz der Tiere nicht hinreichend ge- Anhaltspunkte. Solange uns genauere Einblicke verwehrt sind, währleistet werden kann, wenn – wie im pathozentrischen Be- kann deshalb nur die Grenze zwischen Tieren und Pflanzen als zugsrahmen – ausschließlich auf ihre subjektive Befindlichkeit willkürfrei gelten. Auch diese Argumentation ist nicht leicht zu abgestellt wird. Bereits im Zusammenhang mit der tierethischen akzeptieren, auch dann nicht, wenn man im Sinne eines epi- Diskussion der „Tötungsproblematik“ hat sich gezeigt, dass ein stemischen Risikobegrenzungsprinzips auch Tieren mit nicht- rein pathozentrisch ausgerichtetes Tierschutzkonzept jedenfalls zentralisierten Nervensystemen Leidensfähigkeit zugesteht. dann zu kurz greift, wenn man die Fiktion der „Schmerzlosig- Wie der Autor zu Recht postuliert, bedarf es für die Zuschrei- keit“ unrealistischerweise wörtlich nimmt. bung von Leidensfähigkeit positiver Indizien. Um in den Kreis Nunmehr zeigt die Biologin und Philosophin Kirsten der moralisch signifikanten Wesen eingeschlossen zu werden, Schmidt in ihrer am Lehrstuhl für Ethik in Medizin und Bio- reicht es nicht, dass Empfindungsfähigkeit nur nicht auszu- wissenschaften der Ruhr-Universität Bochum verfassten Dis- schließen ist. Andernfalls müssten die von Rippe geforderten sertation, dass dieses Defizit auch im Zusammenhang mit gen- Unversehrtheitsrechte auch Pflanzen – etwa im Sinne von Paul technisch veränderten Tieren manifest wird. Die Autorin setzt Taylors biozentristischem Egalitarismus – zukommen. Gibt sich in ihrer umfangreichen Studie weder mit biomedizinischen es aber dieselben Indizien für Empfindungsfähigkeit wie bei Forschungsvorhaben oder Gene-Pharming (vgl. dazu Bespre- Kopffüßern (die von einigen Tierschutzgesetzen mittlerwei- chung des Bandes „Pharming“ in diesem Heft) auseinander, le geschützt werden) auch bei evolutionär älteren Tieren wie sondern widmet sich ausschließlich jenen biotechnologischen Schnecken und Amöben? Anstrengungen, die das Ziel verfolgen, durch gentechnische

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Eingriffe besser angepasste Nutztiere hervorzubringen bzw. Nach einer Überprüfung der bislang vorgeschlagenen Ansät- deren Leistungen zu optimieren. Ausgangspunkt für Schmidts ze zur Lösung des „blind hen problems“ kommt Schmidt zum Analyse sind gentechnische Veränderungen an Tieren, die zu Ergebnis, dass weder die Anerkennung eines normativen Eigen- einer Reduktion bzw. Eliminierung tierlicher Eigenschaften wertes von Tieren (Würde, Integrität, Telos) noch ein Wohlerge- führen, wobei die Bandbreite solcher Veränderungen, z.B. hensansatz für sich allein genommen das Dilemma auf plausible hornlose Rinder, blinde Hühner und – vorerst noch auf der Weise lösen können. Während die Autorin das Konzept der Wür- Ebene eines Gedankenexperiments – empfindungslose Quasi- de als missverständliche Bezeichnung eines bestimmten Typs Tiere umfasst. von Eigenwert (213) zu Recht skeptisch betrachtet und zuletzt Schmidt unternimmt zunächst den Versuch, die Reduktion als untaugliche Kategorie verwirft, arbeitet sie in überzeugender tierlicher Eigenschaften durch genetische Eingriffe nach ihrer Weise das Potential des Integritätskonzeptes heraus, das als Kri- Auswirkung auf das Tier zu klassifizieren und schlägt zu die- terium zur Operationalisierung eines bereits vorausgesetzten tier- sem Zweck eine vierteilige Skala vor: Stufe 1 umfasst Eingriffe, lichen Eigenwertes durchaus fruchtbar angewendet werden kann: welche die tierlichen Eigenschaften nicht reduzieren, sondern „Wenn wir einen Ansatz vertreten, bei dem Lebewesen mit ei- lediglich verändern (z.B. Expression menschlicher Proteine, genem Wohlergehen einen normativen Eigenwert besitzen, dann fluoreszierendes Fell); Stufe 2 beinhaltet Eingriffe, die durch muss Integrität als Grundlage bzw. unabdingbare Voraussetzung konventionelle Züchtung ungewollt selektierte Eigenschaften für dieses Wohlergehen ein entscheidendes normatives Kriterium eliminieren, die das tierliche Wohlbefinden beeinträchtigen für uns sein. Sie ist deshalb ein so zentrales Kriterium, weil die (z.B. verstärkte Mastitisdisposition bei Hochleistungsrindern). Integrität des Organismus […] ein entscheidendes – vielleicht das Eingriffe, die der Stufe 3 zuzuordnen sind, reduzieren wesentli- entscheidende – Merkmal des Lebendigen ist.“ (183). che artspezifische Eigenschaften, Fähigkeiten oder Bedürfnisse Wenngleich sich Schmidt keine abschließende moralische der betroffenen Tiere (z.B. Eliminierung des Sehvermögens, des Beurteilung der in der Arbeit aufgeworfenen Fragen anmaßt Nisttriebs oder der Fähigkeit zur Schmerzempfindung). Stufe 4 (vgl.16), schlägt sie am Ende ihrer umfangreichen Analyse einen schließlich umfasst Maßnahmen, welche die tierliche Aktivität durchaus plausiblen Ansatz vor, der darin besteht, das „blind hen auf die Aufrechterhaltung der erwünschten physischen Prozesse problem“ durch eine Kombination des Integritätskonzeptes und (z.B. Eierproduktion, Muskelwachstum) reduziert. eines erweiterten Wohlergehensansatzes zu lösen. Danach ist Als Ausgangspunkt wählt Schmidt das spektakuläre Beispiel die Reduktion wesentlicher tierlicher Eigenschaften unabhängig blinder Hühnermutanten, die in den USA als Legehennen wei- vom subjektiven Wohlempfinden des betroffenen Tieres ethisch tergezüchtet wurden. Geht man davon aus, dass ein blind gebo- relevant, denn „alle empfindungsfähigen Lebewesen besitzen ne- renes Tier keine Minderung seines subjektiven Wohlbefindens ben dem subjektiven auch ein objektives Wohlergehen, das zen- wahrnimmt, so wäre dieser Praxis aus einer ausschließlich pa- tral für ihr Leben als Organismus ist“ (365). Zu diesen grundle- thozentrischen Perspektive kaum etwas entgegenzuhalten. Wer- genden Aspekten zählen vor allem die tierliche Integrität und das den durch den Sehsinn (mit-)gesteuerte Verhaltensstörungen wie objektive tierliche Wohl, das neben dem subjektiven Wohlemp- Federpicken und Kannibalismus in einer Herde blinder Hühner finden wesentlicher Bestandteil eines Wohlergehens im umfas- reduziert, so könnte das fehlende Sehvermögen als Maßnahme senden Sinn ist: „Tierliches Wohlergehen und tierliche Integrität zur Stressreduktion sogar aus Tierschutzgründen Befürworter können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sondern finden, was – wie die Autorin zeigt – selbst unter Tierethikern verweisen wechselseitig aufeinander.“ (365). Auch dann, wenn (z.B. Ryder und Rollin) auch tatsächlich der Fall ist. Dennoch eine gentechnische Veränderung offenkundig nicht zu Schmer- würde diese Praxis von vielen Menschen intuitiv abgelehnt. Da zen oder Leiden führt, stellt sie doch immer eine Verletzung der die moralische Intuition aber als äußerst fragwürdiges Kriteri- tierlichen Integrität und des Wohlergehens in einem umfassen- um moralischer Entscheidungen gilt, macht sich die Autorin auf den Sinn dar, die moralisch berücksichtigt werden muss. die Suche nach tragfähigen Kriterien, die geeignet sind, ethisch Die vorliegende Arbeit besticht nicht nur durch die genaue vertretbare Eingriffe am tierlichen Erbgut von ethisch unvertret- Analyse der verwendeten Begriffe und die akribische Aufarbei- baren Maßnahmen abzugrenzen. tung auch selten rezipierter tierethischer Ansätze, sondern auch Ein weiteres Problem, das in Schmidts Untersuchung brei- durch die systematische Darstellung komplexer moralischer ten Raum einnimmt, ist das Phänomen der sog. AMLs („animal Fragestellungen und die Erarbeitung eines integrativen und microencephalic lumps“, „Tierklumpen“), die durch gentechni- einfach operationalisierbaren Lösungsansatzes. Nur durch eine sche Eingriffe auf ihre Produktionsfunktion beschränkt wurden Kombination pathozentrischer und anthropozentrischer Tier- und als empfindungslose Entitäten („vegetable animals“, „vege- schutzaspekte, durch Einbeziehung subjektiver und objektiver mals“) nicht mehr den moral patients zuzurechnen wären. Ganz Kriterien, durch einen Wechsel zwischen Innen- und Außen- abgesehen davon, dass die Entwicklung solcher (vermeint- perspektive und durch die Einbeziehung konsequentialistischer lich?) empfindungsloser Entitäten mit Schmerzen und Leiden und deontologischer Argumente kann eine differenzierte, plau- für Eltern- und Vorgängergenerationen verbunden ist, gilt es in sible und tragfähige Beurteilung komplexer moralischer Frage- diesem Zusammenhang zu bedenken, dass auch das bloße „In- stellungen gelingen. Existenz-Bringen“ eine Schädigung bedeuten kann, wenn das Im Tierschutzrecht ist die Lösung der von Kirsten Schmidt hervorgebrachte Leben nicht lebenswert ist (vgl. dazu auch die behandelten Problematik allerdings längst vorgegeben: Obwohl kritische Beurteilung von Genetically modified insentient ani- das Ziel der Tierschutzgesetzgebung vor allem in der Vermei- mals durch A. Ferrari in ALTEX 4/2006). dung bzw. Minimierung ungerechtfertigter Schmerzen und

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Leiden besteht und das moderne Tierschutzrecht daher grund- mals in the History of Western Philosophy“ (2005) behandelte sätzlich dem pathozentrischen Tierschutzkonzept verpflichtet Steiner diese Frage aus geschichtsphilosophischer Perspektive. ist, weist der häufig vernachlässigte Begriff des „Schadens“ Damit knüpft er an eine der aktuellsten Diskussionen im Bereich über den pathozentrischen Bezugsrahmen hinaus, indem aus der Tierethik an: die Diskussion über die ethische Relevanz der der Außenperspektive zu beurteilen ist, ob sich der (physische kognitiven Fähigkeiten von Tieren. Die Popularität dieser Fra- oder psychische) Zustand eines Tieres durch eine menschliche gestellung zeigt sich u.a. anhand anderer Publikationen, die im Einwirkung zum Schlechteren verändert hat (vgl. Binder und v. aktuellen ALTEXethik Literaturbericht rezensiert werden (siehe Fircks, 45). Bereits das Tierschutzrecht stellt damit klar, dass insbesondere das Buch von Francione, das Steiner übrigens in das ausschließliche Abstellen auf die subjektive tierliche Be- seiner Danksagung nennt). findlichkeit nicht ausreicht, um den Schutz der Tiere zu gewähr- Steiners Buch besteht aus sechs Kapiteln: Die ersten drei sind leisten. Sandøes und Holtungs kategorische Feststellung “[…] einer Kritik der verbreiteten Theorie über den Geist der Tiere welfare is all that matters in our moral obligations to animals“ und zugleich der Etablierung einer neuen Interpretation einer (319) bleibt damit deutlich hinter den tierschutzrechtlichen solchen Theorie gewidmet. In den drei folgenden Kapiteln dis- Anforderungen zurück. Erst durch den tierschutzrechtlichen kutiert er die praktischen Probleme einer Theorie, die den mo- Schadensbegriff und das dadurch vorgegebene Korrektiv der ralischen Status auf den mentalen Status aufbaut, lehnt diese ab Außenperspektive gelingt es, Integritätsverletzungen, die nicht und skizziert einen „kosmischen Holismus“ als Perspektive für mit einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens einhergehen, als die Gewährleistung eines angemessenen Tierschutzes. tierschutzrelevant und damit als rechtfertigungsbedürftig zu Im ersten Kapitel setzt sich Steiner mit der wichtigsten zeit- identifizieren. Bei der Abgrenzung gerechtfertigter von unge- genössischen Theorie der Philosophie des Geistes auseinander. rechtfertigten Schäden könnte indes die von Kirsten Schmidt Vertreter dieser Theorie (wie bspw. McDowell, Davidson, Den- vorgeschlagene Skala wertvolle Hilfe leisten. Es bleibt daher zu nett und Malcom) verweisen auf einen Unterschied in der Kom- hoffen, dass Gesetzgeber und Vollzugsbehörden sich im Rah- plexität der kognitiven Fähigkeiten von Tieren und Menschen; men der Weiterentwicklung bzw. Anwendung der einschlägi- sie leugnen zugleich, dass Tiere zur Intentionalität oder konzep- gen Rechtsvorschriften mit den ethischen Grundlagen der Ent- tuellen Abstraktion fähig sind. Dabei erinnert uns Steiner, dass scheidungsfindung auseinandersetzen. Die Arbeit von Kirsten die eigentliche Herausforderung darin besteht, das triviale carte- Schmidt sei ihnen dabei sehr ans Herz gelegt. sianische Vorurteil, d.h. die Gleichsetzung der Tiere mit Maschi- Regina Binder nen, gegenüber der Intelligenz von Tieren beizubehalten, ohne ihnen ein höheres Niveau an Intelligenz zuzuschreiben, als sie Literatur eigentlich zeigen (25). Die zeitgenössische ethologische Diskus- Binder, R. (2005). Ethische Konzepte und Wertungswidersprü- sion hat sich für die Überwindung des behavioristischen Ansat- che im (österreichischen) Tierschutzrecht). DVG (Hrsg.), zes ausgesprochen, indem sie sich zu einer kognitiven Ethologie Tagung der Fachgruppen „Tierschutzrecht“ und „Tierzucht, gewandelt hat. Der behavioristische Ansatz besagt, dass man Erbpathologie und Haustiergenetik“, Nürtingen, 24.-25. 2. keine definitive Antwort zur Frage des mentalen Lebens von 2005 (10-20). Tieren geben kann, und dass deshalb die Beobachtung von Ver- Binder, R. und v. Fircks, W.-D. (2008). Das österreichische halten der angemessene Weg sei. Eine solche Überlegung setzt Tierschutzrecht. 2. Aufl. Wien: Manz. die Überzeugung voraus, dass es tatsächlich möglich ist, die Ferrari, A. (2006). Genetically modified Laboratory Animals in Komplexität des mentalen tierischen Lebens mit wissenschaft- the Name of the 3Rs? ALTEX 23, 4/06, 294-307. lichen Instrumenten (vor allem durch Analogie) zu erforschen. Andere Autoren haben in der Tat viele gute Gründe genannt, um eine solche Möglichkeit erkenntnistheoretisch zu verteidigen: Donald Griffin, einer der Gründer der kognitiven Ethologie, hat erklärt, dass Tiere aufgrund ihrer physiologischen Ähnlichkeit 2.14 Gary Steiner: Animals und ihrer evolutionären Kontinuität mit den Menschen denken and the Moral Community: können; Ruth Millikan hat zwischen Repräsentationen, wie Mental Life, Moral Status, and Präpositionen oder Gedanken, und allgemeiner Intentionalität Kinship unterschieden. Damit klassifiziert sie unterschiedliches Tier- 232 Seiten, New York: Columbia verhalten (siehe Kapitel 2). Für Steiner stellt das Alltagswissen University Press, 2008, Euro 29,99 in der Wahrnehmung tierischen Verhaltens die implizite Basis dieser Theorie dar, auf die dann viele Autoren wie Searle und In seinem Buch “Animals and the mo- Nussbaum immer wieder zurückgreifen (42). ral community” setzt sich Gary Steiner Im dritten Kapitel skizziert Steiner seine eigene Theorie. Diese – John Howard Harris Philosophie- zielt darauf ab, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen zwei professor an der nordamerikanischen Auffassungen herzustellen: Einerseits zwischen der „intellek- Bucknell Universität – mit dem Zu- tuellen“ Auffassung tierischer Fähigkeiten, die Tieren begriff- sammenhang zwischen Theorien über den mentalen und mora- liche Abstraktion und propositionale Einstellungen zuschreibt, lischen Status von Tieren auseinander. Bereits in seinem Buch und andererseits der „informationalen-prozessualen“ Auffas- „Anthropocentrism and its Discontents: The moral Status of ani- sung, die zur Erklärung dieser Fähigkeiten jeglichen Bezug auf

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Selbstbewusstsein oder Intentionalität von Tieren ablehnt. In- tuellen Debatte, sowie interessante Anregungen über die Gren- dem er auch in der ontologischen Bezeichnung der Trennlinie zen kognitiver Ethologie. Seine eigene Theorie über tierische zwischen Menschen und Tieren immer das wichtige Ziel der Kognition, die selbstverständlich viel reicher als meine knappe Überwindung von Anthropozentrismus vor Augen hat, erklärt Beschreibung ist, liefert gleichzeitig eine interessante Interpre- er, dass Tiere nur Wahrnehmungsrepräsentationen (perceptual tation von Verdiensten und Grenzen der Erkenntnistheorie von representations) haben können, die zu bestimmten Zielen durch Hume und regt eine weitere Diskussion an. Insbesondere lässt komplexe Zusammenhänge und nicht durch begriffliche Asso- dieses Buch uns mit der Frage zurück, inwieweit tatsächlich ziation verbunden sind. Dadurch gründet Steiner seine Auffas- die ethologischen Studien zu kognitiven Fähigkeiten von Tie- sung auf die Theorie Humes über Assoziation, indem zwischen ren für den politischen Tierschutz relevant sind. Der zweite Teil Vorstellungen und Tatsachenurteilen unterschieden wird: Tiere des Buches enthält eine interessante Auseinandersetzung mit können nur Tatsachenurteile bilden (79ff). Dies ermöglicht Stei- der liberalen Tradition sowie eine präzise Begründung seiner ner zu erklären, warum Tiere nur in Anwesenheit von konkreten Position. Steiner setzt sich eher mit der theoretischen Heraus- Stimuli über „entfernte Ereignisse“ und nicht über ihre eigene forderung seiner Position auseinander und thematisiert weniger Wahrnehmungsrepräsentationen denken können. ausführlich die praktischen Konsequenzen eines kosmischen Im vierten Kapitel bezeichnet er die Fähigkeit, Wahrneh- Holismus (außer der Verteidigung von Veganismus), was man mungserfahrung zu haben, als hinreichende aber nicht notwen- sich als Leser aber auch wünschen würde. dige Bedingung für die Anerkennung des moralischen Status Arianna Ferrari (in einer Fußnote erklärt er die Absicht, sein nächstes Buch dem Thema des moralischen Status der nicht leidensfähigen Natur zu widmen). In Bezug auch auf die von Francione schon entwickelten Argumente der Kritik gegen den „similar-minds“- Ansatz lehnt Steiner explizit jeden Versuch ab, die moralische 3 Ethik interdisziplinär Relevanz der Tiere durch den Rekurs auf ihre mentalen Fähig- keiten zu gründen und setzt sich kritisch mit den wichtigsten 3.1 Frans de Waal: Positionen der liberalen Tradition (wie z.B. Locke, Kant und Primaten und Philosophen. Regan) auseinander. Im Unterschied aber zu Francione be- Wie die Evolution die Moral gründet er diese Theorie nicht so sehr in einer Rechtstheorie, hervorbrachte sondern er ist davon überzeugt, dass Tierrecht eine holistische 220 Seiten, München: Hanser, 2008, Kosmologie als Hintergrund benötigt. Der Fehler der liberalen Euro 19,90 Ansätze besteht Steiner zufolge in ihrem Versuch, den morali- schen Status von Tieren im Hinblick auf eine Kategorie auszu- Zu erfahren, dass der Mensch sei- weiten, die eigentlich nur der menschlichen Sphäre angehört: ne Existenz nicht einem besonderen auf soziale Gerechtigkeit (105). Dagegen entwickelt Steiner im Schöpfungsakt verdankt, sondern fünften Kapitel einen Ansatz um den Begriff von kosmischer vom Affen abstammt, war nach Sig- Gerechtigkeit, indem die fundamentale Abhängigkeit aller Le- mund Freud eine der großen Krän- bewesen im Mittelpunkt steht, stark zu machen. Kosmische kungen, die die Menschheit hinnehmen musste. Nun soll auch Gerechtigkeit erfordert eine komplette Veränderung unseres noch unsere Moral von den ungeliebten Vorfahren herrühren; Verhältnisses zur Natur durch die Anerkennung der natürli- eine Behauptung, die seit geraumer Zeit nicht nur ins Feuil- chen Kontinuität und Verwandtschaft der Lebewesen. Im letz- leton, sondern auch in die seriöse wissenschaftliche Literatur ten Kapitel setzt er sich mit der liberalen Kritik zum Holismus Eingang gefunden hat. Dort, wo Charles Darwin aufhörte, be- auseinander, die er als faschistisch und diskriminierend gegen- ginnt der Primatenforscher Frans de Waal. über den Rechten der Einzelnen kritisiert: Francione bezieht Letzterer will zeigen, dass die Moral ein Evolutionspro- sich einerseits auf Schopenhauer, der die Kontinuität zwischen dukt ist und sich nicht erst seit der Existenz der menschlichen Menschen und Tieren in ihrer Erfahrung von Leiden betont. Spezies nachweisen lässt. Dies belegt er durch eindrucksvol- Nach Schopenhauer partizipieren sowohl Menschen als auch le Tierbeobachtungen. Er berichtet von einem erwachsenen Tiere am Willen zum Leben. Zugleich bezieht sich Francione Schimpansen, der ein Kleinkind vor dem Ertrinken retten auch auf die Dialektik von Hegel, in der das Individuum mit wollte, obwohl Schimpansen nicht schwimmen können. Ein seinem Eintritt in die Rechtsgemeinschaft alle Oppositionen anderer tröstet einen Artgenossen, der gerade im Kampf un- und Interessenkonflikte zwischen sich und der Gemeinschaft terlegen war; ein weiterer beobachtet, wie seine Tante vergeb- aufhebt. Mit diesen beiden Ansätzen sieht er die Möglichkeit lich versucht, Reifen wegzuräumen und interpretiert offenbar, einer Gemeinschaft der Gleichwertigen unabhängig von der dass sie an das Wasser im unteren Reifen kommen will. Er Spezieszugehörigkeit. Kosmische Gerechtigkeit erfordere die räumt sie alle weg und schafft den Reifen mit dem Wasser zu Ablehnung der Gewalt gegenüber Tieren (wie sie sich durch ihr. Ein anderer wiederum bringt einen verletzten Vogel in den eine vegane Lebensweise ausdrückt), sowie soziale Gerechtig- oberen Bereich des Geheges und hilft ihm beim Wegfliegen. keit es in Bezug auf Menschen tut (163). So reihen sich Beispiele an Beispiele in den hier vorliegenden Der erste Teil des Buches bietet eine präzise Zusammenfas- „Tanner-Lectures“ de Waals an der amerikanischen Princeton sung der wichtigsten Fragen über den tierischen Geist in der ak- University im Jahre 2003/2004.

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Bekannte Philosophen wie Peter Singer und Philip Kitcher 3.2 Marc Bekoff: Das bekamen in den ebenfalls abgedruckten Beiträgen Gelegen- Gefühlsleben der Tiere. Ein heit, sich mit de Waals Ausführungen auseinander zu setzen. führender Wissenschaftler Die bedeutendste unter denen, die de Waals kommentieren, untersucht Freude, Kummer ist Christine M. Korsgaard. Auf ihre scharfsinnigen Einwände und Empathie bei Tieren muss eingegangen werden. Sie arbeitet die Unterschiede von 234 Seiten, Bernau: animal learn Tieren und Menschen in moralischer Hinsicht heraus. Men- Verlag, 2008, Euro 20,00 schen hätten im Gegensatz zu Tieren die Fähigkeit zur norma- tiven Selbstbestimmung, zur Autonomie. Erst auf dieser Ebe- Bekoff unterstützt die These von der ne trete die Moral hervor, die nicht allein unseren Intentionen Existenz vielfältiger Emotionen bei zu verdanken sei, sondern Korsgaard bestimmt sie als „Funk- nicht-menschlichen Tieren. Er gliedert tion der Ausübung unserer Selbstbestimmung“. Dies schlage sein Buch in sechs Kapitel, wovon sich das erste mit Argumen- sie als Antwort auf de Waals Frage vor, was denn an unserem ten für die Gefühle der Tiere und deren Bedeutung beschäftigt. Verhalten anders sei als an dem der nichtmenschlichen Spezi- An das zweite Kapitel (Kognitive Ethologie und das Studium es und uns damit zu moralischen Wesen mache. Die Autono- des Verstandes und der Herzen von Tieren) schließt sich Kapitel mie sei zugleich die Quelle unserer Fähigkeit zum Bösen wie drei (Tierische Leidenschaften: Was Tiere fühlen) und schließlich zum Guten. Tiere hingegen könnten nicht für ihre Handlungen ein viertes Kapitel zu Gerechtigkeit, Empathie und Fairplay bei verantwortlich gemacht und verurteilt werden, wenn sie ihren Tieren an. Bekoff schließt mit zwei Kapiteln, in denen er auf stärksten Impulsen und ihren Instinkten folgten. Tiere seien Antworten für Skeptiker und auf Ethische Entscheidungen ein- nicht niederträchtig, sondern stünden jenseits des moralischen geht. Damit steht die Frage, was wir mit unserem Wissen über Urteils. die Gefühle von Tieren tun, am Ende seines Buches. De Waal erhielt Gelegenheit, auf alle Einwände und Kriti- Wer als Laie das Buch zur Hand nimmt (und womöglich auch ken zu antworten. Seine Replik ist eine grundlegende Darstel- noch den Umgang mit Tieren gewöhnt ist), wird sicherlich vie- lung seiner Moralauffassung, die das Lesenswerteste an dem le eigene Erlebnisse bestätigt sehen. Nähert man sich aber als ganzen Buch ist, sieht man einmal von Korsgaards Beitrag ab. Wissenschaftler und Experte diesem Buch, dann muss man sich In diesem Teil führt er aus, dass seine Theorie eine Kontinui- eventuell an die Herangehensweise des Autors erst gewöhnen – tätstheorie ist: Moral entwickle sich von der einfachen Form kann aber einiges lernen, was in der sonst trockenen Fachlite- bei Tieren zur höheren bei Menschen. Die Moral habe drei ratur verloren geht. Ethische Fragen zu stellen, so Bekoff, läge Ebenen: 1. Die moralischen Gefühle, 2. die soziale Sanktio- beispielsweise „in der besten Tradition der Wissenschaft“ und an nierung beim Regelverstoß, 3. Beurteilung und Überlegung. mitfühlender Wissenschaft und mitfühlenden Wissenschaftlern Er gehe davon aus, dass die ersten 1½ Ebenen bei Primaten wäre nichts Falsches (44f.). Dass man lange keine Emotionen bei bereits vorlägen. Moralische Gefühle seien etwa die Fähigkeit Tieren gefunden habe, läge daran, dass man Gefühle nicht unter zur Empathie, die Neigung zur Reziprozität, Sinn für Fairness einem Mikroskop sehen könne. In Wirklichkeit sei der Versuch, und Harmonie. Weiterhin: Moralische Sanktionen sind in Pri- gegen ihre Existenz zu argumentieren, „schlechte Biologie“. Die matenkolonien bereits zu beobachten. Mit der dritten Ebene Forschung der Evolutionsbiologie, Kognitiven Ethologie und widerspricht er Korsgaard nicht, sondern stimmt ihr zu, dass Sozialen Neurowissenschaften unterstützte die Ansicht, dass diese der menschlichen Spezies vorbehalten ist. „sich bei zahlreichen Spezies [Emotionen] als Adaptionen entwi- Korsgaard würde widersprechen, dass wir schon die erste ckelt [haben]. Sie dienen als sozialer Kitt, der Tiere miteinander moralische Ebene mit den Primaten teilten. Hier kritisiert sie verbindet. Zusätzlich stabilisieren und regulieren Gefühle eine die Untersuchungsmethode de Waals, die sich lediglich in Be- Vielzahl sozialer Begegnungen […] und sie erlauben es Tieren obachtung erschöpfe: Ein Kapuzineraffe wies die ihm ange- sich angepasst und flexibel selbst zu schützen.“ (14) botene Gurke zurück, wenn seine Partnerin eine Weintraube Selbstverständlich bestehen hinsichtlich von Emotionen Un- angeboten bekam. Protestiert er nun gegen die Ungerechtig- terschiede zwischen den Arten, die etwa in den unterschiedli- keit, wie de Waal interpretiert oder spekuliert er einfach auf chen Gehirngrößen begründet liegen. Es gäbe allerdings keinen die Traube, fragt Korsgaard. Teilen Schimpansen die Nahrung Nachweis dafür, dass diese Differenzen bedeuten, dass Tiere mit denen, die sie gegroomt haben, aus Dankbarkeit oder weil mit einer geringeren Gehirnmasse im Vergleich zur Körperma- sie durch das Groomen entspannt sind? sse kein reiches Gefühlsleben hätten: „Statt anzunehmen, dass Das sind offene Fragen, die in dem Buch aufgeworfen wer- Fische weniger fühlen als Mäuse und Mäuse weniger fühlen als den und uns, die Wissenschaft und das Feuilleton noch länger Schimpansen oder dass Ratten nicht so emotional sind wie Hun- beschäftigen werden. Das Buch ist deshalb lesenswert, weil es de oder Wölfe oder, ganz allgemein, dass Tiere weniger fühlen das Pro und Contra in dieser Debatte gut präsentiert. (und weniger wissen und weniger leiden) als Menschen, lassen Detlef Horster Sie uns annehmen, dass zahlreiche Tiere vielfältige Emotionen haben und alle Formen von Leid empfinden, möglicherweise so- gar in einem größeren Ausmaß als der Mensch.“ (43) Bekoffs vielfältige Beispiele und Forschungsergebnisse er- zählen auf den folgenden Seiten etwa von trauernden Elstern, die am Straßenrand angesichts einer tot gefahrenen Artgenossin

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ein ähnliches Verhalten zeigten, wie wir es von Elefanten ken- Moralverhalten dasselbe ist wie menschliches. Mein Ansatz ist nen (21). Neben den vielen Tierbeispielen führt Bekoff außer- eher der, dass das Phänomen, das man als ‚Moral’ bezeichnet, dem in die (nicht-invasiven) Methoden der Ethologie ein, betont für das Sozialleben eine weit reichende biologische Notwen- den Wert der Freilandforschung und trifft wichtige Unterschei- digkeit darstellt. Wie Gefühle ein Geschenk unserer Vorfahren dungen, beispielsweise die zwischen Primär- und Sekundäre- sind, so sind es auch die grundlegenden Bestandteile der Mo- motionen (27f.). Bei letzteren handele es sich um komplexere ral: nämlich Kooperation, Empathie, Fairness, Gerechtigkeit Emotionen, die höhere Gehirnzentren in der Großhirnrinde mit und Vertrauen“ (111). einbeziehen. Das Individuum denkt über sie nach und entschei- Ab Kapitel 5 nimmt das Buch noch einmal eine Wende. det, wie es mit ihnen umgehen soll, es gewinnt dadurch Flexi- Bekoff spricht nun verstärkt über ethische und wissenschafts- bilität in der Reaktion auf sich ändernde Situationen und stellt theoretische Fragen. Wertfreie Forschung, so meint er, gäbe eine Verbindung zwischen Gefühlen und Handlungen her (28f.). es nicht. Die ethische Einstellung jedes Wissenschaftlers be- Hier kann der Leser bereits ahnen, dass es Bekoff im Folgenden einflusse, wie er Studien durchführe, Daten erkläre und diese sicherlich auch um Sekundäremotionen bei Tieren gehen wird. interpretiere (137). Damit stellen sich zentrale Fragen: Haben Komplexeren Gefühlen wendet sich der Autor spätestens in Persönlichkeit, Intuitionen und Gefühle eines Forschers jemals seinem Kapitel über Sinn für Humor und Ehrfurcht bei Tieren, einen Platz in der Wissenschaft? „Wann wird aus subjektivem etwa in der Mitte des Buches, zu. Er kommentiert Beispiele wie Wissen objektive Wahrheit“ und „wie viel Forschung und wel- den Wasserfall- und Regentanz von Schimpansen oder beschäf- che Art von Forschung ist notwendig, um etwas zu beweisen? tigt sich etwa mit Trauer bei Tieren als dem „Preis für enge so- […] Kann es in der Wissenschaft einen Ort für Subjektivität ziale Bindungen“ (87). Bereits vor dem vierten Kapitel hat der geben, die der ‚objektiven Wahrheit’ nicht schadet?“ Bekoff Autor also Beispiele und Argumente für Emotionen angeführt, meint, die persönlichen Wahrheiten seien zulässig: „wenn sie die über Primäremotionen hinausgehen. anerkannt und ausgewiesen werden, sind sie der Objektivität Nun wendet er sich Gerechtigkeit, Empathie und Fairplay zu. nicht abträglich“ (137f.). Hierbei handelt es sich um eines von Bekoffs Spezialgebieten. Skeptiker, die bisweilen die Unwissenschaftlichkeit von An- Besonders im Zusammenhang mit dem Spielverhalten von Hun- ekdoten oder die Vermenschlichung von Tieren (Anthropo- den, Koyoten und Wölfen hat er sich selbst intensiv mit diesen morphismus) kritisieren, fragt Bekoff: Woher kommt es, dass Phänomenen beschäftigt. Er stellt die Frage in den Mittelpunkt, Astronomen „glühend und poetisch über den Nachthimmel ob Tiere Moralfähigkeit besitzen, in dem Sinne, dass sie nach und ihre Liebe zu den Sternen“ sprechen und sich dadurch Absprachen handeln. anderen mitteilen können, ohne Angst haben zu müssen, dass Bekoff geht ausführlich auf die Charakteristika und die ihre Gefühle dazu führen könnten, „dass irgendjemand die Funktionen des Spiels ein (hier, wie auch an einigen anderen Zuverlässigkeit ihrer Daten in Zweifel zieht“? Bis jetzt seien Stellen, hatten die Übersetzer wohl Mühe, angemessene deut- Ethologen nicht in den Genuss des Zugeständnisses gekom- sche Formulierungen zu finden und hätten vielleicht besser die men, dass sie zugleich leidenschaftlich und peinlich genau englischen Begriffe beibehalten) und stellt etwa Rollentausch, sein könnten (146). Selbstbehinderung und Spielsignale wie die Vorderkörpertief- Wenn man versuche, herauszufinden, was im Kopf eines stellung bzw. Spielverbeugung dar. Außerdem weist er im Laufe Hundes vorgeht, müsse man anthropomorphisch sein, sich des Kapitels sein Verständnis von Moral als pro-sozialem Ver- aber um die Perspektive des Hundes bemühen. Über Tiere halten klar aus. Das Spiel der Tiere, so meint er, folge der gol- als einen Haufen von Hormonen, Neuronen und Muskeln zu denen Regel ("Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch sprechen, ohne jeden Zusammenhang mit dem was sie tun und keinem andern zu"), was Empathie und gegenseitigen Austausch warum sie es tun herzustellen, könne nicht der angemessenere erfordere (111). „Die zur Fortsetzung eines Spiels nötige Eben- Weg sein (149). Bekoff geht sogar so weit zu sagen: „Wenn bürtigkeit und Fairness unterscheidet es von anderen Formen wir nicht vermenschlichen, gehen uns wichtige Informationen des kooperativen Verhaltens (wie Jagen und Versorgen). Spiel verloren“ (150). Die Herausforderung, das Verhalten einer ist vielleicht der einzige Gleichmacher. Wenn wir Gerechtigkeit Spezies zu verstehen, liege nun einmal auch darin, dass sie aus und Moral als soziale Regeln und Erwartungen definieren, die einem bestimmten Grund wirken wie wir. „Das bedeutet nicht, Unterschiede zwischen Individuen ausgleichen, um die Harmo- menschliche Werte zu projizieren. Es heißt, die Merkmale, nie in der Gruppe zu gewährleisten, dann beobachten wir genau die wir mit ihnen gemein haben, zu ̔primatisieren̓. […] wir das, wenn Tiere miteinander spielen.“ (114). Wichtig ist Bekoff, stellen Gemeinsamkeiten fest und verwenden die menschliche dass es sich bei dem bisher beschriebenen um moralische Wer- Sprache, um mitzuteilen was wir beobachten.“ (151) Entschei- te handelt. Ethische Werte werden im Gegensatz dazu erst im dend sei, mit dem Anthropomorphismus „bewusst, mitfühlend moralphilosophischen Nachsinnen darüber, „warum das Gute und biozentrisch“ umzugehen und immer „den Standpunkt der gut ist“ gewonnen. Sie seien „ein ausgesprochen menschliches Tiere zu bewahren“ (151). Phänomen“ (112f.). Obwohl Anekdoten und Geschichten nicht reproduzierbar Immer mehr Biologen, Neurowissenschaftler, Philosophen und durch persönliche Beteiligung und eigene Einsichten ge- und Ethologen würden – entgegen dem traditionellen „Exklu- prägt sind, plädiert Bekoff auch hier dafür, dass sie unerläss- sivrecht“ des Menschen auf Moral – anfangen zu denken, dass lich sind. Ihr Wert liege darin, dass ihre systematische Analyse „Moral eine allgemein anwendbare Strategie ist, die sich bei wiederum zu Daten führen könne, die ihrerseits reproduzier- vielen Spezies entwickelt hat. Ich behaupte nicht, dass tierisches bar sind, indem Experimente durchgeführt werden, die die

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Situation nachstellen. Außerdem gelte gerade im Bereich der 3.3 Europäische Akademie Emotionen, dass diese nicht in einem Vakuum entstünden, zur Erforschung von Folgen sondern aus einem Kontext heraus: „Sie werden durch Ereig- wissenschaftlich-technischer nisse verursacht, denen Konsequenzen folgen. Sie richtig zu Entwicklungen (Hrsg.): E. beschreiben bedeutet, eine Geschichte zu erzählen […] wenn Rehbinder, M. Engelhard, wir immer mehr solche Geschichten sammeln, schaffen wir K. Hagen, R. B. Jørgenson, eine solide Verhaltens-Datenbank.“ (147) R. Pardo-Avellaneda, A. Bekoff kommt zu dem Ergebnis, dass wir inzwischen über Schnieke und F. Thiele das Gefühlsleben von Tieren genug wissen würden, um Än- Pharming. Promises and risks derungen in der Art und Weise, wie wir Tiere behandeln, her- of biopharmaceuticals derived beizuführen (159). Abschließend führt er deshalb verschie- from genetically modified dene Bereiche vor Augen, in denen wir Tiere verwenden und plants and animals ausnutzen: im Labor (wo er bemängelt, dass sich weder die 343 Seiten, Berlin und Heidelberg: Springer, 2009, Euro 68,99 3-R-Prinzipien noch Mindeststandards an Haltungsbedingun- gen durchgesetzt haben), auf Farmen (wo gemessen an der Neben dem Einsatz transgener Tiere in der biomedizinischen Anzahl die meisten Tiere leiden, obwohl uns der Abschied von Forschung bzw. in der Grundlagenforschung und gentechni- der Fleischwirtschaft als vegetarische Lösung zur Verfügung schen Eingriffen zur Optimierung der Leistungen von Nutz- steht) und in Zoos (deren Artenschutz und Bildungsauftrag tieren ist das Pharming(Gene-) oder Molecular Pharming der den Autor nicht überzeugen). Auch in freier Wildbahn sind wir dritte Hauptanwendungsbereich für biotechnologische Ein- aufgefordert, Tiere in ihren letzten verbleibenden Lebensräu- griffe in das tierliche Genom. Die Technologie des Pharmings men zu schützen (190f). ermöglicht es, z.B. in Milch, Blut oder Urin transgener Tiere Inhaltlich spricht Bekoff viele interessante Punkte an und artfremde Proteine zu produzieren, die als Wirkstoffe in Arz- vertieft diejenigen, die ihm wichtig sind, zu überzeugenden neimitteln oder aber auch in der Lebensmittelherstellung ver- Argumenten. Gleich zu Beginn des Buches verwendet er aller- wendet werden können. dings die emotionale Verbundenheit zwischen menschlichen Die von einem interdisziplinär zusammengesetzten Auto- und nicht-menschlichen Tieren einmal erstaunlich unkritisch renteam verfasste Studie beleuchtet das Thema Pharming aus innerhalb seiner Argumentation: in Tiergestützten Therapien verschiedensten Perspektiven und ist die erste umfassende zeigten Tiere ihre heilende Kraft für autistische und sozial Auseinandersetzung mit diesem zunehmend an Bedeutung zurückgezogene Menschen. Die heftige Kritik von Tierethi- gewinnenden Produktionsverfahren. Neben den biologischen kern und Verhaltensforschern gegen eine Verwendung von und technologischen Grundlagen und der öffentlichen Ak- Wild- und Zootieren (besonders von Delphinen) innerhalb zeptanz des Pharmings, der Risikobewertung, der ethischen solcher Therapien bleibt leider unerwähnt. Für viele Experten Evaluierung und den rechtlichen Rahmenbedingungen werden ist der medizinische Erfolg dieser Therapien nicht erwiesen auch mögliche Tierschutzprobleme eingehend erörtert. und eine artgerechte Haltung solcher Tiere in Gefangenschaft Das Wissen der Bevölkerung über Biologie, Genetik und unmöglich. Ansonsten zeichnet sich sein Buch aber durch Gentechnik im Allgemeinen und über Pharming im Besondern viele Besonderheiten aus: es besticht durch eine differenzier- kann durchaus als mangelhaft bezeichnet werden. Die Ein- te Argumentation, die sich auf die kognitive Kontinuität und stellung zum Pharming beruht daher selten auf Faktenwissen, Anpassungsüberlegungen für Emotionen bei Tieren, inklusive sondern wird vielfach von der individuellen Weltanschauung komplexer Emotionen, stützt. Dabei wird immer Wert darauf geprägt, sodass neben tiefem Misstrauen auch euphorisch- gelegt, dass Ähnlichkeiten mit Emotionen beim Menschen be- utopische Erwartungen anzutreffen sind. Dies erstaunt wenig, stehen, was zwar nicht bedeutet, dass diese Emotionen gleich da das Thema Pharming in der öffentlichen Diskussion bzw. sind, wohl aber gleichwertig, wenn es um ethische Überlegun- in der medialen Berichterstattung kaum präsent ist. Die Auto- gen geht. Bekoffs Buch überzeugt durch eine Vielzahl inte- ren fordern daher ganz zu Recht eine Umsetzung der „3Ds“ – ressanter Anekdoten und Forschungsergebnisse, durch die dialogue, discussion, debate – zwischen Öffentlichkeit und sci- Zusammenführung komplexer ethologischer, ethischer und entific community; dabei wäre ergänzend darauf hinzuweisen, wissenschaftstheoretischer Fragestellungen und vor allem dass einem solchen Diskurs nur dann keine manipulative Ab- durch einen Autor, der mit Begeisterung und Ehrlichkeit Posi- sicht vorgeworfen werden kann, wenn nicht nur die erwarteten tion bezieht. Seine Plädoyers für eine mitfühlende Forschung, Vorteile, sondern auch die möglichen Risiken offen themati- die Überwindung des Widerspruchs zwischen objektiver Wis- siert und beründete Vorbehalte tatsächlich ernst genommen senschaft und subjektivem Wissen, die Anerkennung des Wer- werden. In diesem Zusammenhang weisen die Autoren darauf tes von Anekdoten, die Naturalisierung selbst solch komplexer hin, dass nicht zuletzt auch dem Gesetzgeber eine bedeutende Phänomene wie der Moralfähigkeit und sein Einsatz für die Rolle im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zukommt: Durchsetzung der 3-R-Prinzipien sowie der fünf Freiheiten „[…] a transparent und unbiased regulatory framework could des Tierschutzes sind in ihrer Direktheit und Klarheit sympa- play a major role in avoiding mishaps and alienating the pu- thisch und bestechend. blic.“ (153) Das Kapitel über die rechtlichen Rahmenbedin- Judith Benz-Schwarzburg gungen des Pharmings zeigt allerdings, dass Regulative, die diesen Anforderungen entsprechen, sowohl auf der Ebene der

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Europäischen Union als auch in den Mitgliedstaaten bislang dass biotechnologische Verfahren im Vergleich zur konventi- weitgehend fehlen. Die Rechtslage hinkt vielmehr der tech- onellen Tierzucht keine neuen Tierschutzprobleme schaffen nologischen Entwicklung nach, ist in den meisten Staaten lü- würden (vgl. Gjerris, Olsson und Sandøe, 2006, 99), stellen ckenhaft und unklar und vermittelt alles andere als ein Gefühl die Autoren des vorliegenden Bandes fest: „[…] [the] claim der Rechtssicherheit. […] that using animals for food production is indeed morally si- Ein Beispiel für diese durchaus unbefriedigende Situation ist milar to using them for farming purposes […] is wrong. At least der Schutz der für Zwecke des Pharmings verwendeten trans- with respect to certain ecological risks and certain welfare con- genen Tiere: Lediglich die Herstellung eines neuen transgenen cerns, animal and plant pharming are in a morally relevant way oder mutanten Stammes stellt – nach österreichischem und dissimilar to conventional means of using animals and plants deutschem Recht – bis einschließlich der F2 einen genehmi- for human purposes.” (195) Daraus folgt naturgemäß nicht, gungspflichtigen Tierversuch dar, obwohl in allen Folgegene- dass das Pharming unter ethischen Gesichtspunkten in Bausch rationen unvorhersehbare Schäden bzw. Spätfolgen auftreten und Bogen abzulehnen wäre, doch ist den Autoren beizupflich- können. In der Anwendungsphase unterliegen die für das Phar- ten, wenn sie die ethische Vertretbarkeit des Pharmings von ming verwendeten Tiere nicht mehr den tierversuchsrechtli- der Durchführung einer gewissenhaften Güterabwägung sowie chen, sondern – ebenso wie konventionell genutzte Tiere – von einer umfassenden Risikoabschätzung abhängig machen den allgemeinen tierschutzrechtlichen Bestimmungen, obwohl und darüber hinaus besondere Sicherheitsvorkehrungen for- diese keine besonderen Vorkehrungen für transgene Tiere bzw. dern. So empfehlen die Verfasser, dem hohen Risiko für den für spezifische Probleme des Pharmings treffen. Tierschutz durch eine Befristung der Genehmigungen für die Anders als im Rahmen der biomedizinischen Forschung, die Herstellung transgener Tiere auf einen Zeitraum von höchstens Krankheitsmodelle verwendet, werden für Zwecke des Phar- 12 Monaten Rechnung zu tragen, wie dies in z.B. Kanada der mings grundsätzlich gesunde Tiere benötigt. Dennoch zeigt Fall ist; vor und während der Produktionsphase sollte darüber der vorliegende Band, dass diese Technologie mit einer Viel- hinaus ein sorgfältiges Monitoring der Tiere unter Tierschutz- zahl von Tierschutzproblemen verbunden sein kann: Je nach gesichtspunkten verpflichtend sein. angewandter Methode ist die Entwicklung eines transgenen Da nicht nur die mit dem Pharming verbundenen Risiken Stammes mit verschiedenen invasiven Eingriffen (z.B. Ent- hoch und deren wissenschaftliche Bewertung unsicher ist, nahme von Eizellen, Embryonentransfer, Genotypisierung) sondern diese Technologie auch durch eine hohe Variabili- bzw. Belastungen (wie Schwergeburtsneigung, Totgeburten, tät charakterisiert ist, wird weiters empfohlen, Pharming nur Missbildungen) verbunden. Ein besonderes Problem besteht in nach Durchführung einer Einzelfallbeurteilung anzuwenden. der „Produktion“ von Tieren, die nicht dem erwünschten gene- Im Rahmen dieser Fall-zu-Fall-Prüfung müssen der Produk- tischen Anforderungsprofil entsprechen und daher gleichsam tionszweck, der Nutzen des gewonnenen Produkts, das poten- als „Überschuss“ getötet werden. Wenn die dem Pathozentris- tielle Tierleid – insbesondere in der Phase der Entwicklung mus verpflichteten Autoren in dieser Praxis kein „eigentliches der transgenen Tiere – und, im Fall des Pflanzen-Pharmings, Tierschutzproblem“ zu erkennen vermögen (vgl.115), so weist das spezifische Risiko der unbeabsichtigten Verbreitung des dies auf das Defizit dieses Tierschutzkonzepts hin (vgl. dazu Pharming-Gens berücksichtigt und gegeneinander abgewo- auch die Rezension von K. Schmidts „Tierethische Probleme gen werden. Vor dem Hintergrund des pathozentrischen Tier- in der Gentechnik“ in diesem Heft). Im Zusammenhang mit schutzkonzepts plädieren die Autoren dafür, dass das mögliche dieser Problematik gilt es zu bedenken, dass sowohl das deut- Tierleid im Rahmen dieser Güterabwägung verstärkt berück- sche als auch das österreichische Tierschutzrecht nicht nur das sichtigt werden sollte (vgl.188). Schließlich sprechen sich die Wohlbefinden, sondern auch das Leben der Tiere als geschütz- Autoren für klare rechtliche Rahmenbedingungen aus, die auf tes Rechtsgut anerkennen und der Tierschutz als bedeutsames transparenten Beurteilungskriterien beruhen. Gerade diese öffentliches Interesse gilt. Aus dieser (anthropozentrischen) Empfehlung wird allerdings nur schwer einzulösen sein, da im Tierschutzperspektive stellt die Tötung von Tieren einen Kos- Bereich neuer Technologien rechtliche (und erst recht morali- tenfaktor dar, der im Rahmen der ethischen Beurteilung des sche) Erwägungen erfahrungsgemäß nur allzu rasch von der Pharmings zu berücksichtigen ist (so auch APC 2003, 47). In Wirklichkeit überholt werden und vor der Macht des Fakti- der Produktionsphase ist an Tierschutzprobleme im Zusam- schen – wozu nicht zuletzt auch ökonomische Interessen zäh- menhang mit Haltung und Management zu denken; zwar treten len – kapitulieren müssen. haltungsbedingte Tierschutzprobleme auch in konventioneller Regina Binder landwirtschaftlicher Haltung auf, doch kann die Unterbringung von Nutzieren in pharmazeutischen Einrichtungen mit spezi- Literatur fischen Einschränkungen verbunden sein. Und schließlich ist Animal Procedures Committee (APC) (2003). Review of Cost- daran zu denken, dass auch die Gewinnung der produzierten Benefit Assessment in the Use of Animals in Research. Proteine mit belastenden Eingriffen (z.B. Blutabnahmen) ver- Gjerris, M., Olsson A. and Sandøe, P. (2006). Animal biotech- bunden sein kann. nology and animal welfare. In Council of Europe Publishing Mit noch komplexeren Unsicherheitsfaktoren ist die Risiko- (ed.), Ethical Eye: Animal Welfare (89-110). (Besprechung im folgenabschätzung für die Umwelt verbunden. Was die ethi- Literaturbericht 2007/08, ALTEX 4/2008, 270-271). sche Evaluierung des Pharmings betrifft, äußern sich die Auto- ren daher vorsichtig bis kritisch. Während z.T. behauptet wird,

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3.4 Vaughan Monamy: liche Hinweis von Monamy, dass Singer immer wieder fehl Animal Experimentation. interpretiert wird, wenn man ihm unterstellt, er propagiere, A Guide to the Issues geistig behinderte Menschen anstelle von Tieren in Versuchen 116 Seiten, Cambridge: University einzusetzen. Denn mit dieser Behauptung wird auch heute im- Press, 2009, Euro 20,99 mer noch vielerorts gegen Singer polemisiert. Monamy gibt zu erkennen, dass er sich bei der Diskussi- Das Buch, das in einer überarbeiteten on der verschiedenen ethischen Positionen auf ungewohntem 2. Auflage neu erschienen ist, richtet Terrain bewegt. Dies wird insbesondere deutlich, wenn mo- sich in erster Linie an Studierende der ralphilosophische Gedankengänge unter dem Aspekt bewertet Lebenswissenschaften. Es soll darüber werden, ob sich diese dafür eignen, unmittelbar in ordnungs- hinaus aber auch Laien und Forschen- politische Maßnahmen überführt zu werden: „…pragmatism den eine allgemein verständliche Ein- was of far greater importance than finding a universally appli- führung in die grundlegenden gesellschaftlich diskutierten The- capble ethic for use when considering research animals.“ (55) men in Zusammenhang mit Tierversuchen bieten. Hiermit beschreibt er die Sichtweise einer australischen Juris- In Kapitel 1 (Einführung) umreißt Vaughan Monamy kurz tin, mit der er sich aber zweifellos identifiziert, wenn er den die Zielsetzung und wesentliche Gliederung des Buches und Pragmatismus wissenschaftlichen Handelns gegen die philo- gibt Begriffsdefinitionen. Er verschreibt sich dabei der Aufga- sophische Frage nach einer adäquaten Tierethik ausspielt. be, dass kein Studierender der Biowissenschaften ohne eine Kapitel 5 ist mit „Animal use“ überschrieben und beschreibt formale Ausbildung in Theorien und Praktiken die Universität im Wesentlichen die verschiedenen Anwendungsgebiete von verlassen sollte, die einen humanen Umgang mit Versuchstie- Tierversuchen. Aus der Perspektive von Ethik und Tierschutz ren fördern. kann dieser Teil nicht überzeugen. Zum einen wird der Leiden- In Kapitel 2 fasst der Autor auf nur 8 Seiten die Geschichte der saspekt nahezu vollständig ausgeblendet. Dass Tierversuche Tierversuche zusammen. Er spannt einen Bogen zwischen den für die betroffenen Tiere erst einmal durch Schmerzen, Leiden Alexandrinischen Physikern im 3. Jahrhundert v. Chr. bis zu den oder Schäden gekennzeichnet sind, wird nicht ausreichend ge- modernen Biowissenschaften. Dabei betont er insbesondere die würdigt, geschweige denn, dass dem Leser verdeutlicht wür- vollkommen mitleidslose Sichtweise des „Dunklen Zeitalters“ de, welches Ausmaß dieses Leiden – qualitativ und quantitativ („Dark Age“), von der Antike bis ins 16. Jahrhundert. Bereits – hat. Stattdessen werden auch an dieser Stelle medizinische in diesem Kapitel werden dem Leser auch die ersten ethischen Errungenschaften der Vergangenheit als Pauschalrechtferti- Kontroversen beschrieben. Dabei stellt Monamy die dominie- gung für Tierversuche bemüht. Am Beispiel der Entwicklung renden humanistischen Sichtweisen vor und setzt Schwerpunkte des Polioimpfstoffes führt Monamy allerdings genau diesen bei christlichen Standpunkten und dem Cartesianismus, der die Ansatz – und damit auch seine in Kapitel 2 geführte Argumen- dominante anthropozentrisch ausgerichtete Sichtweise auf ein tation – ad absurdum. Denn er beschreibt zutreffend, dass erst völlig mechanistisches Verständnis von Tieren, denen jedwedes die Viruskultivierung in menschlichen Gewebekulturen die Bewusstsein abgesprochen wurde, zuspitzte. Tierexperimente Impfstoffproduktion ermöglicht habe. Dieses Ergebnis hätte des 19. und 20. Jahrhunderts werden dabei vorwiegend unter einen guten Ansatzpunkt geboten, um die Übertragbarkeit von dem Aspekt geschildert, dass diese grundlegende medizinische Tierversuchen auf Menschen zu diskutieren, was der Autor je- Erfolge ermöglicht hätten. Der Autor leitet aus diesen Errun- doch unterlässt. In diesem Kapitel findet der Leser dann auch genschaften der Vergangenheit eine grundsätzliche Legitimität etwas zum Thema Gentechnik. Die Entwicklungen in diesem auch gegenwärtiger und zukünftiger Tierversuche ab. Unreflek- Bereich waren dem Umschlagtext nach der Hauptgrund für tiert benutzt er hier ethische Argumente zu einem unbedarften die Neuauflage des Buches: „ ... this second edition has been „der Zweck-heiligt-die Mittel“-Pragmatismus. updated to include discussion of genetically modified organis- In Kapitel 3 widmet sich Monamy unter der Überschrift „Op- ms and associateds ethical and welfare issues that surround position to Animal Experimentation“ einem historischen Abriss the breeding programmes in such research.“ Wer angesichts der Anti-Tierversuchsbewegung. Interessanterweise lokali- dieser Ankündigung auf die betreffende Textstelle stößt, wird siert er deren Wurzeln in einer wissenschaftlichen Kritik sei- jedoch enttäuscht. Gerade einmal etwas mehr als eine Seite hat tens professioneller Physiologen, die solchen Versuchen einen der Autor dem Thema gewidmet. Inhaltlich unzureichend stellt Nutzen für den Menschen abgesprochen hätten. Öffentliche er fest, dass es besondere ethische Gesichtspunkte und Tier- Kritik habe erst später eingesetzt. In diesem und im nachfol- schutzaspekte in diesem Bereich gebe. Weitergehende Infor- genden Kapitel 4 (zum moralischen Status von Tieren) werden mationen oder gar einen Überblick über die diesbezüglichen ethische Standpunkte zum Thema Tierversuche von Descar- Diskussionen bleibt er schuldig. Stattdessen widmet er nahe- tes über Kant bis Singer und Regan zusammengefasst. Das zu die Hälfte des betreffenden Textes einer rein technischen ermöglicht dem mit der Thematik weniger vertrauten Leser, Schilderung verschiedener gentechnischer Methoden und sich einen schnellen, leider aber auch oberflächlichen und zum konstatiert den wachsenden Anteil von gentechnisch basierten Teil falschen Eindruck der diversen Positionen zu verschaffen. Verfahren am Gesamtspektrum der Tierversuche. Auch hier So geht der Autor davon aus, dass Tom Regan, der sich gegen wird leider das Tierleid nicht erwähnt, und weitere Probleme eine Ausbeutung aller Nutztiere ausspricht, nur Säugetiere für (z.B. die leidenden Zuchttiere, die niemals verwendet werden) schutzwürdig halte. Wirklich erfreulich ist hingegen der deut- werden in einem Halbsatz nur mehr angedeutet.

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In Kapitel 6 beabsichtigt Monamy, eine Übersicht über die nötig hält, die zahlreich vorhandenen Gegenargumente zu einer Gesetzgebung verschiedener Länder zu Tierversuchen zu ge- solchen Rechtfertigungsethik zumindest zu erwähnen. ben. Deren Auswahl ist allerdings erheblich begrenzt, nämlich Das Buch schließt mit auf 5 Unterpunkten basierenden 2-sei- auf das Vereinte Königreich (aus historischen Gründen – dort tigen ethischen Richtlinien der neuseeländischen Organisation gab es weltweit die ersten Gesetze zu Tierversuchen), Australi- ANZCCAART und richtet sich dabei noch einmal ausdrücklich en und Neuseeland sowie die USA. Hier hätte man sich schon an Studierende, die mit Tieren arbeiten. Schon der Umfang die- einen etwas breiteren Blickwinkel gewünscht, um zumindest ser Leitlinien offenbart, dass es sich hierbei nur um erste Hin- einen Eindruck davon zu bekommen, wie es bspw. in Kontinen- weise handeln kann. Und ihr Niveau ist eher bescheiden (z.B. taleuropa oder in den sogenannten Schwellenländern aussieht. Punkt Nr. 3 auf S. 103: „Consider the regulatory framework and Da Monamys bisherige Betrachtungen über historische, ge- obey the law”). Sinnvoller – oder als Ergänzung geeignet – wä- sellschaftliche und philosophische Wurzeln des Umgangs mit re es gewesen, zumindest einige Informationsquellen (Literatur, Tierversuchen in dieses Kapitel zur Gesetzgebung münden, wä- Institutionen, ggf. auch Webseiten) aufzulisten, die zu den ver- re eine differenzierte Analyse zumindest der wenigen vorgestell- schiedenen „Issues“ im Bereich der Tierversuche weitergehende ten Rechtsakte angezeigt. Unverständlicherweise verzichtet er Informationen liefern und dann eventuell tatsächlich das leisten, darauf und hinterlässt beim uninformierten Leser den Eindruck, was Monamy für sein Buch in Anspruch nimmt, nämlich als die bestehenden Gesetze würden alle wesentlichen ethischen Basis für eine ausgewogene Meinungsbildung zu dienen. Denn Anforderungen angemessen berücksichtigen. Beispielsweise wie er selbst schreibt (89): „A thorough knowledge of the rele- suggeriert er, die derzeit existierenden Ethikkommissionen sei- vant literature is essential.“ Dies aber gilt für alle Aspekte von en in der Lage, gesellschaftliche Diskussionen zu Tierversuchen Tierversuchen und nicht nur für das Refinement, in dessen Zu- korrekt widerzuspiegeln. sammenhang er diese Aussage trifft. In Kapitel 7 geht es um Alternativen zu Tierversuchen im Sin- ne der 3R. Nach einem kurzen Hinweis auf einige (wenige) In- Fazit: stitutionen, die sich mit Alternativmethoden befassen, schließt Die Stärke dieses Buches liegt sicherlich in seiner Kürze. Auf sich ein ebenfalls kurzer Exkurs zu dem zugrundeliegenden gut 100 Seiten wird versucht, einen relativ umfassenden Über- Standardwerk von Russell und Burch an. Es folgt ein Verweis blick über wesentliche wissenschaftliche, rechtliche, histori- auf gesetzliche Anforderungen, welche die Anwendung der 3R sche, philosophische und gesellschaftspolitische Aspekte von verlangen, anschließend werden Beispiele für die 3R gegeben. Tierversuchen zu geben. Problematisch ist, dass der Autor zwar Hierbei stellt Monamy leider bis auf Ausnahmen Methoden aus verschiedene ethische Blickwinkel zitiert, aber selbst in seiner den 1980er-Jahren vor. Seine willkürlich anmutende Auswahl Position verharrt, nach der Tierversuche prinzipiell ethisch ver- war in großen Teilen bereits zum Zeitpunkt der Erstauflage tretbar sind, insofern die 3R beachtet werden. Wesentliche The- überholt. Da die Alternativmethodenforschung in den letzten 20 sen und Schlussfolgerungen des Buches folgen diesem Ansatz. Jahren einen regelrechten Boom erlebt hat und dabei von mo- Sie stellen damit keine ausgewogene Informationsgrundlage dar, dernsten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Technologien auch wenn Monamy dies suggeriert. Weitestgehend ausgespart profitierte, wäre eine vollständige Überarbeitung dieses Kapi- bleibt bei ihm die grundsätzliche Perspektive des Tierschutzes, tels für die 2. Auflage angebracht gewesen. die man auch nicht von ihm erwarten kann. Dennoch bleibt es In Kapitel 8 stellt der Autor seine Schlussfolgerungen vor. Er sein Versäumnis, die Tatsache nicht angemessen zu würdigen, betont dabei zwar seine Intention, dass Tierversuche immer von dass Tierversuche immenses Leid bei den verwendeten Tieren moralischen Erwägungen begleitet sein sollten. Dass seine Aus- verursachen und zwar millionenfach, weltweit. führungen hierbei jedoch nur im engeren Sinne der 3R, nicht Die Frage, inwieweit das Vorhandensein von Alternativen den aber bezüglich grundlegender ethischer Aspekte weiterhelfen, massiven Tierverbrauch in den Wissenschaften nicht moralisch wird ebenso klar. Er wiederholt seine These der gesellschaftli- fragwürdig macht, bleibt offen. In diesem Zusammenhang hat chen Bedeutung von Tierversuchen, insbesondere auch im Be- der Autor den Aspekt nicht-wissenschaftlicher Alternativen reich der Produktprüfung. Er spricht hier auch die Verwendung völlig außer Acht gelassen: Kann nicht einfach auf ein Produkt von Tieren für menschliche Zwecke in anderen Bereichen als verzichtet werden (oder ein bereits zugelassenes verwendet), der Nutztierhaltung an und relativiert auf diese Weise explizit wenn eine Neuzulassung nur über Tierversuche möglich ist? die aus seiner Sicht hohen ethischen und gesetzlichen Ansprüche Können gesundheitspolitische Weichenstellungen nicht zumin- an Tierversuche. Diese Argumentation lässt seinen moralischen dest manche Tierversuche vollkommen überflüssig machen (so Appell für Tierschutz in der Forschung fragwürdig erscheinen. wie z.B. eine bessere Verfügbarmachung menschlicher Organe Denn genau diese Argumentation setzen Wissenschaftler rund die Organproduktion in Tieren bzw. die Xenotransplantations- um den Globus gegen Reglementierungen im Tierversuchsbe- forschung erübrigen würde)? reich ein, und insbesondere bei der von Monamy genannten Derartige Blickwinkel überschreiten eindeutig den Horizont Zielgruppe für sein Buch – Studierende – dürfte sie nachhalti- dieses Buches. Doch wenn sich der Autor schon in philoso- gen Eindruck hinterlassen. Dass Tierversuche einen Sonderfall phisch-ethische Themen hinauswagt und eine umfassende und innerhalb der menschlichen Nutzung von Tieren darstellen, da ausgewogene Meinungsfindung propagiert, hätten auch solche sie per se darauf abzielen (oder es zumindest systematisch in Aspekte einer Erwähnung bedurft. Kauf nehmen), dass Tieren Schmerzen, Leiden und Schäden zu- Die im Umschlagtext genannte Begründung für eine Neuauf- gefügt werden, erwähnt der Autor ebenso wenig, wie er es für lage, nämlich die Berücksichtigung und Diskussion der Ver-

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wendung transgener Tiere und der damit verbundenen Probleme der Medizingeschichte dienen als Argument für die Notwendig- muss verwundern, denn dieser Aspekt erfährt wenig Beachtung. keit von Tierversuchen. Kapitel 7 beleuchtet die Rechte der Tiere Auch bezüglich anderer Themen wäre eine umfassende Moder- und die unterschiedlichen Auffassungen diesbezüglich. Des Wei- nisierung des Inhaltes angezeigt. teren werden hier kurz die relevanten Rechtsvorschriften für die „Animal experimentation – a guide to the issues” führt den Durchführung von Tierversuchen in den USA inklusive der 3R Leser zu verschiedenen einschlägigen Problemfeldern im Tier- erwähnt. versuchsbereich. Mitunter gelingen dabei flotte und weite Vor- Im letzten Kapitel wird endlich auf das Kernproblem eingegan- stöße, bisweilen macht es auf halbem Wege Halt, gelegentlich gen: die mangelhafte öffentliche Diskussion über Tierversuche. führt es in die Irre, und mancher Pfad bleibt unbegangen. Der Laut den beiden Autoren leistet dies Gerüchten Vorschub, welche Leser sollte sich diesem Guide nur anvertrauen, insofern er sei- die extremistischen Tierschützer dann als Legitimation für ihre im nen eigenen moralischen Kompass im Blick behält. Buch als „direct actions“ bezeichneten Übergriffe auf tierexperi- Roman Kolar mentell Forschende verwenden. Die Autoren berichten, dass die Universitäten selten Gelder zur Verfügung stellen, um die Öffent- lichkeit über den Nutzen der Forschung zu unterrichten. Im Ge- genteil würden es die Hochschulen vermeiden, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass Tierversuche einen Großteil ihrer Forschung 3.5 P. Michael Conn and ausmachen. Die mangelnde Transparenz über dieses sehr emoti- James V. Parker: The Animal onale Thema führt den Autoren zufolge dazu, dass Tierversuche Research War zum „dirty little secret“ werden, welches dann von den Tierver- 224 Seiten, New York City: Palgrave suchsgegnern gegen die Forscher verwendet wird. Am Ende des Macmillan, 2008, Euro 28,99 Buches befinden sich zwei Anhänge. Informativ für Leser, die nicht aus den einschlägigen Fachkreisen kommen, ist der Anhang Die beiden Autoren P. Michael Conn A, in dem 20 oft von Laien gestellte Fragen zu Tierversuchen von und James V. Parker berichten, wie den Autoren beantwortet werden. In Anhang B sind die umfang- tierexperimentelle Forscher durch eine reichen Quellen aufgelistet. radikale Randgruppe der Tierversuchs- Die primäre Motivation, dieses Buch zu schreiben, scheint für gegner schikaniert und bedroht werden Michael Conn vermutlich darin gelegen zu haben, sich sein eige- und argumentieren, dass es sich hierbei nes Leid und seine Wut über das, was ihm widerfahren ist, von um eine Form des Terrorismus handelt. Sie zeigen auf, welche der Seele zu schreiben. Darüber hinaus soll das Buch sicherlich Ausmaße dieser „Terror“ gegen tierexperimentell Forschende in der Aufklärung der Öffentlichkeit dienen, da die Autoren ja rich- den letzten 20 Jahren speziell in den USA und in Großbritannien tig erkannt haben, dass Transparenz beim Thema „Tierversuche“ angenommen hat und weisen auf die potentiellen Folgen für den unerlässlich ist. Somit ist das Buch ein wichtiger Beitrag zum An- medizinischen Fortschritt hin. stoß einer längst überfälligen Diskussion. Conn ist stellvertretender Direktor und Forscher am nationa- Und obwohl es ein derart radikales Vorgehen von Tierversuchs- len Primatenforschungszentrum in Oregon und u.a. Professor für gegnern gegen Forscher in Deutschland nicht gibt, ist dies der Physiologie und Pharmakologie an einer Universität in Oregon. Er Punkt, an dem das Buch auch für Deutschland eine hohe Rele- schildert ausführlich seine persönlichen Erfahrungen, die er mach- vanz entwickelt. Denn auch hier fehlt es oft an einer öffentlichen te, als er das Ziel extremistischer Tierversuchsgegner wurde. Sein und sachlichen Diskussion über das Thema Tierversuche. Koautor Parker, ein Ethiker, hat sich als Pressesprecher des nati- Allerdings ist das Buch selbst nicht ganz frei von emotionalen onalen Primatenforschungszentrums in Oregon fast 20 Jahre lang Argumenten und unglücklichen Verallgemeinerungen. So wird mit der Tierrechtsbewegung auseinandergesetzt. Heute befindet er die durchaus differenzierte Tierrechtsbewegung mit ihren radika- sich im Ruhestand, schreibt aber regelmäßig Artikel, in denen er leren Verästelungen pauschal gleichgesetzt. Und das äußerst he- die Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Tierversuche untersucht. terogene Feld der Tierversuche wird generalisierend als unerläss- Das Buch der beiden beginnt mit Begriffserklärungen und lich beschrieben. Alternativmethoden werden mit einigen Sätzen -abgrenzungen. In den ersten beiden Kapiteln berichtet Conn en als für die biomedizinische Forschung unbrauchbar abgehandelt. détail über die Anfeindungen, Belästigungen und Morddrohun- Des Weiteren fehlt jede Differenzierung der Tausenden von ver- gen und über die Gewalt gegen ihn und andere tierexperimentell schiedenen Tierversuchen, die allein in Deutschland durchgeführt arbeitende Wissenschaftler in den USA. Im Kapitel 3 wird die werden und von denen jeder einzelne auf seine Unerlässlichkeit Tierrechtsbewegung von damals bis heute zusammengefasst. Ka- und ethische Vertretbarkeit überprüft werden muss – und das aus pitel 4 analysiert die Strategien, nach denen diese extremistische gutem Grund. Randgruppe der Tierversuchsgegner vorgeht. In den Kapiteln 5 Darüber hinaus sind leider wichtige Kapitel im Buch zu kurz und 6 geht es um die „Opfer“ durch den „Animal Research War“. geraten. So das Kapitel über die Gesetze und die 3R. Dies ver- Hier werden u.a. zwei Fallbeispiele von Wissenschaftlern ange- mittelt den Eindruck, hier gäbe es keinen Verbesserungsbedarf, führt, die derart massiv von Tierversuchsgegnern bedroht wur- weder in der Gesetzgebung noch in der Umsetzung. Eine kons- den, dass sie schließlich ihre Forschung aufgaben. Des Weiteren truktive Diskussion zu diesem Thema müsste jedoch genau hier fürchten beide Autoren um die Auswirkungen dieser Aktionen auf ansetzen, denn hier liegen die Probleme – und darauf reagiert die den wissenschaftlichen Nachwuchs. Einige der größten Erfolge Öffentlichkeit, wenn auch vielleicht nicht immer angemessen.

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Vielleicht schreiben die Autoren ja noch einen zweiten Band, in bildung subtiler kultureller Profile von Tierarten oder typischen dem aufgezeigt wird, was wirklich in der Praxis getan wird – oder Gemeinschaften von Menschen und Tieren“ (17) und lässt die eben auch nicht. Einerseits, um Tierversuche zu reduzieren und Vielgestaltigkeit der nicht zuletzt durch die menschliche Phan- wo immer möglich zu ersetzen. Und andererseits, um die Haltung tasie entstandenen tiermenschlichen Mischwesen und die bis ins und die Zucht von Versuchstieren so artgemäß und so verhaltens- heutige Zeitalter reichende Ausbeutung der Tiere durch den Men- gerecht wie möglich zu gestalten und Schmerzen und Leiden der schen erahnen. Versuchstiere auf ein unerlässliches Maß zu reduzieren. Die 3R Am literarischen Beispiel des Romans „Partonopier und Me- und deren Weiterentwicklung vermehrt in das Licht der Öffent- liur“ von Konrad von Würzburg, der „Geschichte eines jugend- lichkeit zu rücken, nimmt die Forscher einmal mehr in die Pflicht, lichen Helden, der über zahlreiche Stationen, Trennungen und die Möglichkeiten der 3R vollständig auszuschöpfen. Dies ist un- Wiedervereinigungen Geliebte und Herrschaft erringt“ (375), sere ethische Verpflichtung den Tieren gegenüber, die uns zum umreißt der Autor die Rolle von Tiervergleichen. So wird nach Wohle der Menschheit helfen den biomedizinischen Fortschritt Aussage des Verfassers die metaphorische Anbindung von Ritter- voranzutreiben. art an Tierqualitäten raumsemantisch inszeniert. Zur Untermau- Kathrin Herrmann erung führt der Autor die Beschreibung einer Szene an: „Selbst der frühkindliche Partonopier, Inbegriff höfischer Vollkommen- heit…, wird schon früh mit Tiervergleichen und -metaphern umstellt, gewissermaßen als Markierung latenter animalischer Anlagen. Schon bei der ersten Verirrung im Wald besitzt die 3.6 Udo Friedrich: Raumsemantik der Wildnis ihr körperliches Analogon im Fal- Menschentier und Tiermensch. kenblick des Helden.“ (378f.) Diskurse der Grenzziehung Nicht nur in literarischen Fallstudien oder in der Geschichte und Grenzüberschreitung im sind die engen Übergänge zwischen Mensch und Tier themati- Mittelalter siert. Auch heute projiziert der Mensch häufig bestimmte mensch- 437 Seiten, Göttingen: Vandenhoeck liche Eigenschaften auf Tiere oder auch umgekehrt. Das Buch ist & Ruprecht, 2009, Euro 59,90 insofern eine ausgesprochen umfassende Zusammenschau zahl- reicher Aspekte und Fallstudien der Grenzbeziehung zwischen Der Autor ist Professor für Ältere Mensch und Tier, die der Autor aus theologischen, literarischen Deutsche Sprache und Literatur an der und politischen Blickwinkeln beleuchtet. Es gibt sehr aufschluss- Universität Göttingen. Das Buch ist als reiche Einblicke nicht nur in den Grenzbereich der Spezies, son- Band 5 der fünfteiligen Reihe „Histori- dern verdeutlicht auch ganz allgemein die Beziehung zwischen sche Semantik“ des Vandenhoeck & Ruprecht-Verlags erschie- Mensch und Tier in der Geschichte, die bis heute teilweise noch nen. Der Band Menschentier und Tiermensch gliedert sich in Gültigkeit hat. Gerade die Tatsache, dass der Übergang zwischen fünf aus jeweils einigen Kapiteln und Unterkapiteln bestehenden Mensch und Tier nicht nur in der Literatur fließend ist, regt uns Teile und enthält 10 Abbildungen. Menschentiere zum Nachdenken über unseren Umgang mit den Im ersten Teil werden kulturwissenschaftliche Fragestellun- Tiermenschen an. Es wird deutlich, dass es zwischen Mensch gen erörtert und darin Zusammenhänge zwischen beispielsweise und Tier keine fixe Grenze gibt und eine Grenzüberschreitung Ackerbau und Jagd hergestellt und mittelalterliche Natur- und zwischen Mensch und Tier schwer auszumachen ist. Indes wird Kulturkonzepte beleuchtet. Im folgenden Teil „Anthropologi- eine andere Grenzüberschreitung sichtbar. Die Diskurse lassen scher Rahmen – Grenzziehungsdiskurs“ wird unter anderem ein die Folgerung zu, dass der Mensch mit seinem Machtergreifen Abriss über die mittelalterliche Wissenschaft vom Menschen über Tiere und deren Nutzung zu eigenen Zwecken ganz klar eine gegeben und Grenzfiguren zwischen Mensch und Tier exemp- ethische Grenze überschreitet. larisch herausgestellt. Der dritte Teil behandelt in zwei separa- Silke Bitz ten Blocks politische Aspekte, die der Verfasser mit „Herrschaft über das Tier“ und „Annäherungen an das Tier“ überschreibt. Hier werden beispielsweise die Domestizierung und Instrumen- talisierung von Tieren und die Jagd thematisiert. Im vierten Teil unternimmt der Autor einen Diskurs in literarische Fallstudien. 3.7 Rainer E. Wiedenmann: Mimesis und „Tierwerden“ erörtert der Autor am Beispiel des Tiere, Moral und Gesellschaft. Nibelungenlieds. Im fünften und letzten Teil gibt Friedrich in Elemente und Ebenen seinem Resümee eine Zusammenfassung über Anlass und we- humanimalischer Sozialität sentliche Aspekte seiner Studie. 462 Seiten, Wiesbaden: VS Verlag, Der Autor zitiert aus dem Werk „Tier“ von Macho: „Das ag- 2009, Euro 49,90 rarische Zeitalter entfaltete sich als das Zeitalter der tierisch- menschlichen Wunschmaschinen, der vielgestaltigen Symbiosen Rainer E. Wiedenmann vertritt zur Zeit und ambivalenten Verwaltungsmöglichkeiten…, als das Zeitalter den Lehrstuhl für Allgemeine Soziolo- der Tiergötter und Teufelsbiester…, Tierkreiszeichen und Wap- gie und soziologische Theorie an der pentiere…, kurzum: als das Zeitalter der detaillierten Heraus- Katholischen Universität Eichstätt-

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Ingoldstadt. In seiner erst jetzt in Buchform veröffentlichten Instruktiver ist die Studie dort, wo Wiedenmann auf rein so- und umfassend überarbeiteten Habilitationsschrift aus dem Jahr ziokulturelle Kontexte fokussiert, also auf den eingeschränkten 1997 plädiert er dafür, Tiere in der Soziologie nicht länger zu Blickwinkel des Binnenmenschlichen zurückgeht. Das gilt bei- marginalisieren. Statt als passive Objekte humangesellschaftli- spielsweise für die Betrachtung der symbolisch generalisierten cher Interaktionsprozesse gelten ihm Tiere als aktive Teilnehmer Kommunikationsmedien (332ff). Die Idee der Kommunikati- gesellschaftlicher Interaktion und Organisation. Mensch-Tier- onsmedien hatte Talcot Parsons in die Soziologie eingeführt. Sozialverhältnisse werden von beiden Seiten gleichermaßen ge- Darunter kann man eine Art Leitcode oder Leitmetapher ver- stiftet. Wiedenmann verwendet dafür den Begriff der „humani- stehen, durch die soziale (Sub-)Systeme am Laufen gehalten malischen Sozialität“. Die Teilhabe daran wird auf höhere Tiere werden. Für das Wirtschaftssystem nennt Parsons zum Beispiel eingeschränkt, die auf gewisse Weise an den konstituierenden das Medium „Geld“, für das politische System die „Macht“. Kommunikationsprozessen teilnehmen können. Luhmann hat für den Bereich von Intimbeziehungen „Liebe“ Vorderhand würde man erwarten, dass der Autor naturwissen- und für das Wissenschaftssystem „Wahrheit“ hinzugefügt. schaftlich-etholgische Befunde beibringt und systematisiert, um Vereinfacht ausgedrückt, kann man so verdeutlichen, warum das Konzept der „humanimalischen Sozialität“ zu begründen es mit zunehmender Ausdifferenzierung der modernen Gesell- und auszuarbeiten. Sein Anliegen ist aber ein anderes. Er will schaft dazu kam, dass die Wissenschaft sich nur noch auf die die soziologische Theorie, namentlich die Systemtheorie Par- Frage konzentriert, was wahr und falsch ist, während morali- sonsscher und Luhmannnscher Prägung, fortentwickeln, um sie sche oder religiöse Kriterien für die Erzeugung von Wahrheit für den Bereich des Humanimalischen zu öffnen. Ziel ist „zu immer weniger relevant wurden. Dies könnte, so die Annahme, zeigen, wie Mensch-Tier-Sozialverhältnisse (Elemente, For- eine Teilerklärung dafür sein, warum Heimtiere auf der einen men und Prozesse humanimalischer Sozialität) nicht-reduktio- Seite geliebt und verhätschelt werden, während Versuchstiere nistisch, d.h. im Rahmen eines Mehrebenensystems konzipiert scheinbar frei von moralischen Bedenken als Messinstrumente werden können“ (56). missbraucht werden. Nach zwei einleitenden Kapiteln, in denen die Randstän- Im sechsten und letzten Hauptkapitel werden zwei historisch- digkeit des Tieres in der Soziologie exponiert und problema- soziologische Fallstudien zum Wandel der Mensch-Tier-Bezie- tisiert wird (14-107), klopft er dementsprechend die gängigen hungen präsentiert: „Milieuspezifische Tiermoralen der Früh- Strukturbegriffe der Systemtheorie auf ihre Tauglichkeit bzw. neuzeit“ (357-399). Thematisch geht es um die tiermoralischen ihren Ergänzungsbedarf für die Beschreibung von Mensch-Tier- Orientierungen in der frühneuzeitlichen höfischen Gesellschaft Interaktionen ab, angefangen beim Kommunikationsprozess und im englischen Nonkonformismus. Auch wenn sich Wieden- als Element des Sozialen bis hin zu symbolisch generalisier- mann hier ebenfalls auf die soziokulturellen Kontexte beschränkt ten Kommunikationsmedien als übergreifende, makrosoziale und ein Zusammenhang mit humanimalischen Strukturelemen- Bezugspunkte: „Zum Mehrebenenaufbau humanimalischer ten auf der Mikroebene kaum auszumachen sein dürfte, ist die Sozialität“ (109-172), „Humanimalische Interaktionssysteme“ Darstellung dennoch interessant: Wiedenmann kann zeigen, wa- (173-248), „Tiermoralische Orientierungsmuster: Kontexte und rum kommunalistische Sozietäten wie Quäker oder puritanische Konstitutionsbedingungen“ (249-355). Sekten ein besseres Milieu für den Tierschutz bieten als zum Ein Knackpunkt der Luhmannschen Kommunikationstheorie, Beispiel die Höfische Kultur, bei der trotz aller Kulturleistungen auf die Wiedenmann zunächst Bezug nimmt, ist die – nicht ganz vor allem im Umgang mit Wildtieren „eine dauerhafte Interna- leicht zu fassende – strukturelle Kopplung zwischen Kommu- lisierung subjektbezogener Moralstandards“ (402) nicht stattge- nikation und Bewusstsein. Einerseits operieren diese als selbst- funden hat. Beispielhaft dafür sind die Jagd und Tierquälereien bezügliche (rekursive) Systeme völlig unabhängig voneinander, im Rahmen höfischer Spiele. Mit den asketischen Maximen von anderseits sind für Luhmann Kommunikation und Sinnbezüge Puritanern und Quäkern ließen sich tierquälerische Belustigun- ohne (sprachliches) Bewusstsein nicht denkbar und vice versa. gen nicht vereinbaren. Die Nutzung von Tieren in der Landwirt- Luhmann erkennt mithin nicht jede Form der Verhaltensabstim- schaft wurde bei diesen Gruppen gezielt gefördert, allerdings mung als Kommunikation im Rahmen seiner Theorie an, sondern wurden die Tiere schon aus Gründen rationaler Betriebsführung nur solche, die über die Unterscheidung von Mitteilung (kommu- vergleichsweise sorgsam behandelt. Interessengleichheit und nikativem Handeln) und Information (Thema, Inhalt der Mittei- strenge (Selbst-)Kontrollmechanismen sorgten dafür, dass ein- lung) vermittelt werden. Ausgeschlossen wird dadurch insbeson- mal erlangte Tierschutzüberzeugungen dann auch eingehalten dere auch das, was man „unbewusste Kommunikation“ nennen und verinnerlicht wurden. Der Einfluss solcher Gruppen trug könnte. Wiedenmann gibt zwar Hinweise, dass man ausgehend maßgeblich zur Entstehung der Tierschutzbewegung und zur von Merleau-Ponty oder Waldenfels (leibliches Verhalten, auto- Gründung der ersten großen Tierschutzorganisationen im Eng- chtoner Sinn) zugunsten der Tiere dagegen argumentieren könn- land des frühen 19. Jahrhunderts bei. te. Es gelingt ihm aber nicht, dies konsistent in den Baukästen der Das Engagement Wiedemanns für eine tierbezogene Soziolo- Systemtheorie unterzubringen. Es bleibt beim „es ist vielleicht gie ist aus Sicht des Tierschutzes überaus zu begrüßen. Für die nicht abwegig“ (116) oder gar: die entsprechenden Instrumente Tierschutzpraxis dürfte die vorliegende Schrift allerdings kaum können hier nicht erörtert werden (114). Wiedenmann legt unter fruchtbar werden. Die Arbeit richtet sich an Spezialisten, die dem Strich kein Konzept des Humanimalen vor, sondern weist mit der Terminologie der soziologischen Systemtheorie vertraut eher die Fragen auf, die es in künftigen Forschungsprojekten zu sind und sich dafür interessieren, die theoretischen Hinweise klären gilt, um zu einem solchen zu kommen. Wiedemanns aufzugreifen und weiterzudenken. Wer sich für

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soziokulturell-historische Studien zur Mensch-Tier-Beziehung beispielsweise Paola Cavalieri und Cary Wolfe (A Missed Op- interessiert, ist mit Wiedenmanns Aufsatzsammlung „Die Tiere portunity: Humanism, Anti-Humanism and the Animal Question der Gesellschaft“ (ISBN 3-89669-916-4, UVK-Verlag, Kons- bzw. Thinking Other-Wise) die Philosophie von Jacques Derrida tanz, 2002) sicherlich besser beraten. Darin findet sich auch eine auf gänzlich unterschiedliche Art aus und bewerten sie folglich prägnante Darstellung der zuletzt angesprochenen Fallstudien entsprechend anders: Während Cavalieri Derrida vorwirft, den sowie ein kurzes Plädoyer für eine Soziologie humanimalischer „philosophical “ nicht ablehnen zu können und Sozialverhältnisse. so „at one stroke the entire problem of the value of animal life“ Roman Kolar auszulöschen (107), beruft sich Wolfe gerade auf diesen Den- ker, um Daniel Dennetts materialistischen Funktionalismus zu- rückzuweisen (132ff.). Obschon bei der Mehrheit der Beiträge die philosophisch- ethische Argumentation überwiegt, widerspiegelt der Sam- 3.8 Jodey Castricano (ed.): melband insgesamt den methodischen Reichtum, den die Animal Subjects. An Ethical Kulturtheorie zu bieten hat. So verbindet Dawne McCance in Reader in Posthuman World Anatomy as Speech Act in lehrreicher Weise eine medizin- und 324 Seiten, Canada: Wilfrid Laurier kulturhistorische Analyse mit philosophischer Kritik. Anhand University Press, 2008, Euro 29,99 der Darstellung der Genese der modernen Anatomie vermag sie aufzuzeigen, wie Descartes’ Philosophie, die als Grundstein der Die Kulturtheorie setzt sich mit der anthropozentrisch dominierten Moderne gilt, in die historische menschlichen Kultur auseinander. Es Situation eingebettet ist. Wie McCance unterlegen auch etliche scheint daher zunächst selbstverständ- andere Autorinnen und Autoren ihre Argumentation mit Erzäh- lich, dass sie den Menschen in den Fo- lungen oder literarischen Beispielen. kus stellt und aus anthropozentrischer Der literarische Zugang wirkt insofern als adäquate Metho- Perspektive argumentiert. Aus dieser de, als von allen Beitragenden die Grundansicht geteilt wird, Sichtweise allerdings hat sie nach Meinung der kanadischen dass ein gerechter Umgang mit Tieren nicht durch rationale Er- Kulturtheoretikerin Jodey Castricano den kulturellen Umgang wägungen, sondern durch Mitgefühl begründet und motiviert des Menschen mit dem Nicht-Menschlichen vernachlässigt. werden muss. Der moralische Imperativ sei „grounded in em- Der von ihr herausgegebene Sammelband hat deshalb zum Ziel, pathy, not reason“, wie Angus Taylor in Electric Sheep and the diesen „social and theoretical lag in cultural studies“ aufzu- New Argument from Nature diese geteilte Ausgangsbasis auf holen (1). Die gesammelten Aufsätze intendieren, die „anth- den Punkt bringt. Wollte man die gesammelten Beiträge unter ropocentric boarders“ dieser interdisziplinären „Disziplin“ zu ein philosophisches Label gestellt sehen, so wäre das wohl am sprengen (5), wobei sie allesamt auf das Verhältnis zwischen ehesten jenes einer pathozentrisch erweiterten Gefühlsethik. Mensch und Tier fokussieren und die nicht-animalische Natur Zur Einstimmung in die theoretische Reflexion dieser Intui- ausklammern. Während die theoretisch motivierten Beiträge ei- tion ist der ironisch verfasste Beitrag von Donna Haraway ge- ne „critique of cultural studies regarding the ethical treatment schickt gewählt. Haraway weckt die Gefühle, die den folgenden of non-human animals“ formulieren (12), münden manche eher Aufsätzen als Ausgangsbasis für Kritik an unterschiedlichen praktisch motivierte Beiträge in konkrete Handlungsanweisun- Theorien, Weltbildern und kulturellen Praxen dienen. Michael gen zum ethisch korrekten Umgang mit Tieren (so z.B. Anne Allen Fox und Lesley McLean nehmen diesen Grundgedanken Innis Daggs Forschungsbericht Blame and Shame? How Can explizit auf und plädieren in ihrem Beitrag Animals in Moral We Reduce Unproductive Animal Experimentation?). Space für eine neue Konzeption des moralischen Raums, der Castricano vereint eine Vielfalt an unterschiedlichen thema- Tiere integriert. Ein Öffnen dieses physischen und phänomeno- tischen, interpretativen und methodischen Zugängen zur Tier- logischen Raums würde „unprecedented forms of interaction“ frage. Entsprechend darf der Band nicht den Anspruch erhe- mit Tieren erlauben (158). Dadurch, so die These, könnten neue ben, ein einheitliches Bild zu zeichnen. Die Vielfältigkeit der Möglichkeiten der „cross-species intersubjectivity“ entstehen Beiträge tritt insbesondere in der weit reichenden Auswahl der (159). Um Intersubjektivität zwischen Mensch und Tier herstel- reflektierten Thematiken zu Tage. Die Beiträge bearbeiten die len zu können, rekurrieren sie auf Empathie und auf den „emo- Tierfrage an derart unterschiedlichen Themenstellungen wie tional part of […] cognition“ (163). Leider führen sie kaum Tierfabriken (Donna Halaway: Chicken), soziobiologischen aus, was Empathie genau bedeutet und wie und mit welchen Theorien (Rod Preece: Selfish Genes, Sociobiology and Animal nicht-menschlichen Wesen wir mitleiden können und sollten. Respect), Naturparks (John Sorenson: Monsters: The Case of Die Diskussion eines Gedichts von Gwen Harwood sowie die Marineland), dem Werk von Mary Wollstonecraft (Barbara K. Schilderung von Tierexperimenten vermögen zwar durchaus Seeber: „I sympathize in their pains and pleasures“), einem Fall Mitgefühl zu wecken, doch die phänomenologische Analyse perverser Tierquälerei (Lesli Bisgould: Power and Irony) oder dieser Gefühle bleibt oberflächlich. Es wird folglich auch nicht der Unsterblichkeit der tierischen Seele (Johanna Tito: On Ani- klar, inwiefern ihre Ausführungen wirklich ein „foothold for a mal Immortality). new ethics“ bereitstellen (146). Die Aufsätze divergieren aber auch aufgrund unterschied- Ein anderes Fundament der traditionellen Ethik wird von licher Interpretationen philosophischer Positionen. So legen David Sztybel in Animals as Persons kritisch untersucht. Seine

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These lautet, dass die „traditional definition of ‚person’ […] 4 Theologische Ethik unaccebtably anthropomorphic“ ist (241). Ausgehend von der Annahme, dass wir einer Person gegenüber ein ihr gebührendes 4.1 Eugen Drewermann: Verhalten schulden, will er folglich den Personenbegriff erwei- Über die Unsterblichkeit tern. Personsein sieht Sztybel nicht an Rationalität gebunden. der Tiere. Hoffnung für die Person ist vielmehr „that-which-experiences“ (246). Weil Tiere leidende Kreatur – wie auch schwer behinderte Menschen – personale Erfahrun- 68 Seiten, Düsseldorf: Patmos Verlag, gen haben, müssen sie als Personen betrachtet und entsprechend 2008, Euro 7,95 behandelt werden. Ob ein Wesen Erfahrungen hat, wissen wir, indem wir evaluieren „whether, if we had their experiences, Der Text von Eugen Drewermanns we would call them personal experiences“ (247). Dies sei nur vorliegendem Buch erschien zu aller- durch empathisches Mitfühlen herauszufinden. Es ist m.E. al- erst im Jahre 1989 im Walter-Verlag lerdings fraglich, ob ein solches Gedankenexperiment hinreicht, als Nachtrag seines Werkes „Ich steige um Tieren den Status des Personseins zusprechen zu können. hinab in die Barke der Sonne. Medita- Vernachlässigt wird dabei beispielsweise der Unterschied zwi- tionen zu Tod und Auferstehung“. Ein schen einer „bloß“ bewussten Erfahrung wie „Es schmerzt“ und Jahr später veröffentlichte der Verlag eine Auskoppelung dieses einer selbstbewussten Erfahrung wie „Ich habe Schmerzen“. Es Nachtrags unter dem gegenüber dem Originaltext leicht verän- ist folglich auch nicht ersichtlich, weshalb Tiere zwingend als derten Titel Über die Unsterblichkeit der Tiere. Hoffnung für die Personen aufgefasst und behandelt werden sollten. Genügte es leidende Kreatur, mit einem Geleitwort der 2002 verstorbenen nicht zu begründen, dass wir ihnen gegenüber bestimmte Ver- deutschen Schriftstellerin Luise Rinser. Knapp zwanzig Jahre pflichtungen haben, dass sie moralische Objekte sind – ohne sie später liegt nun eine Neuauflage des schmalen Bandes vor. als Personen zu beschreiben – und somit als moralische Subjek- Die Fassung von 2008 unterscheidet sich von jener von 1990 te, die für ihr Verhalten Verantwortung zu tragen haben? kaum. Nur das statistische Material über die Zahl der Tiere in Man gewinnt den Eindruck, dass Sztybel wie auch etliche Massentierhaltung und Laborversuchen wurde aktualisiert: andere Beitragende die Grundintuitionen etwas gar emphatisch In der Neuausgabe müssen nach Drewermann beispielswei- verteidigen und so aus einer vermeintlichen Selbstverständlich- se „jährlich ca. 100 Millionen Tiere … aller nur erdenklichen keit heraus argumentieren. Dabei verwenden sie viel Raum für Arten jedes Jahr ihr Leben für ebenso sinnlose wie grausame Kritik an bestehenden Ansichten und Theorien, wodurch konst- Experimente lassen“ (28f.), in der Ausgabe von 1990 waren es ruktive Überlegungen leider zu kurz kommen. So reflektiert Sz- immerhin noch ca. 300 Millionen Tiere. tybel nebst der Unterscheidung zwischen moralischem Subjekt Drewermann kommt unzweifelhaft das Verdienst zu, die und Objekt beispielsweise auch nicht, was es bedeutet, dass ein Tiervergessenheit des Christentums wie kein anderer zeitge- Wesen etwas empfindet. Theoretische Unterscheidungen und nössischer Theologe im deutschsprachigen Raum seit zwei Grundlagenarbeit werden kaum geleistet oder auf Gemeinplät- Jahrzehnten lautstark und leidenschaftlich kritisiert und einen ze reduziert. barmherzigen Umgang mit der nichtmenschlichen Schöpfung Exemplarisch zeigt sich diese Überemphase vielleicht am eingemahnt zu haben. Der vorliegende Band ist ein klares besten an der von der Herausgeberin unkritisch zitierten Prog- Zeugnis dafür. Drewermann wirft darin der katholischen Kirche nose von Wolfe, wonach unsere Nachkommen in hundert Jahren vor, mit ihrer Einstellung zur menschlichen Geburtenkontrol- „with much the same horror and disbelief“ auf den gegenwär- le – d.h. ihrem Verbot künstlicher Antikonzeptiva – in Kauf zu tigen Umgang mit Tieren blicken werden, wie wir heute auf nehmen, dass Lebensraum und Vielfalt von Tier- und Pflanzen- die Sklaverei und den Genozid des zweiten Weltkriegs schauen arten durch die menschliche Überbevölkerung rücksichtslos re- (11). Es ist m.E. aber höchst fraglich, ob man die in der westli- duziert werden. Er legt dar, dass es der christlichen Theologie chen Kultur verbreiteten und wahrlich frappanten Ungerechtig- bis heute nicht gelungen sei, „sich mit dem evolutiven Weltbild keiten gegenüber Tieren mit dem abscheulichen Umgang mit der modernen Naturwissenschaft anzufreunden“ (30, Hervor- den Juden im Nationalsozialismus und anderen verfolgten Min- hebung im Original), und dass sie immer noch eine einseitige derheiten vergleichen darf. Anthropozentrik vertrete, wonach „die ganze Schöpfung dem Die von Castricano gesammelten Beiträge vermögen aufzu- Menschen zu dienen“ (28) hat. Einen wesentlichen Beitrag zu zeigen, dass die Kulturtheorie etwas zur Lösung der Tierfrage dieser Abwertung der Tiere hat nach Drewermann die christli- beitragen und dabei in vielfältiger Weise erweitert werden kann. che Lehre von der Unsterblichkeit der Seele geleistet. Denn die Allerdings erhält man den Gesamteindruck, dass aufgrund des grundlegende Bedingung für die bei uns übliche Tierausbeutung großen Engagements für einen gerechteren Umgang mit Tieren liege „in dem christlichen Glaubenssatz, dass allein der Mensch das Feingefühl für theoretische Details leider etwas vernachläs- ein unsterbliches Leben besitzt, während die Tiere nichts sind sigt wird. als verbrauchbares Material zum Nutzen des Menschen als des Marius Christen Herrn der Schöpfung in Zeit und Ewigkeit“ (28). Drewermann plädiert dafür, Immanuel Kants Postulat von der Unsterblichkeit der Seele auf die Tiere auszuweiten: Die Tiere müssten als unsterblich vorgestellt werden, damit sie als Träger eigener Rechte im Jenseitsgericht die menschliche Rücksichts-

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losigkeit ihnen gegenüber bezeugen können. Er unterstreicht Tiere. Von ihnen wird verlangt, dass sie die natürlichen Ansprüche und illustriert diese Forderung mit dem Hinweis auf die ägyp- und Bedürfnisse ihrer Tiere kennen. Um das zum 1. September tische Mythologie, für die die Tiere als Botschafter oder Ver- 2008 in Kraft getretene vollständig überarbeitete Schweizer Tier- körperungen des Göttlichen galten und ihre Misshandlung als schutzrecht bekannt und für alle, die mit Tieren umgehen, auch Sünde. Folgerichtig stand den Tieren zu, Menschen wegen ihrer anwendbar zu machen, hat die Stiftung für das Tier im Recht Verstöße gegen die Achtung der Tiere im Jenseits anzuklagen. (TIR) einen universellen Ratgeber zur Heimtierhaltung herausge- Drewermanns Buch ist vorrangig paränetischer Natur. Es geben. In einem breit angelegten ersten Kapitel wird der Leser stellt eine eindrucksvolle, engagierte ethische Mahnrede dar, behutsam an die Grundfragen Was ist Tierschutz? Was versteht die die ungezähmte Anthropozentrik christlicher Dogmatik und man unter Tierschutzrecht? Was sind seine Leitprinzipien? etc. Moral anklagt und zu überwinden versucht. Ob das allerdings herangeführt. Hier erfährt der Leser zum Beispiel, dass Hamster dadurch gelingen kann, dass man die theologisch hochkomple- und Meerschweinchen nach der Einteilung des Tierschutzrechtes xe Lehre von der so genannten „Unsterblichkeit der Seele“ auf als nicht domestiziert und damit als Wildtiere gelten. Komprimiert die Tiere ausdehnt, bezweifle ich, allein schon aus dem pragma- und dennoch leicht verständlich verschafft das Buch einen Über- tisch-religionssoziologischen Grund, dass diese Glaubenslehre blick über das ethisch ausgerichtete Schweizer Tierschutzrecht, das Bewusstsein heutiger Christinnen und Christen nicht mehr seine Neuerungen, Leitprinzipien, Ziele, Zuständigkeiten, Stärken zentral prägt. Spekulative dogmatische Überlegungen zur Un- und Schwächen. Verweise auf Unterschiede z.B. zum deutschen sterblichkeit von Tierseelen durch die Ausweitung von Kants Tierschutzrecht, in welchem die Tötung eines Wirbeltieres ohne Postulat der Unsterblichkeit von Menschenseelen zu untermau- vernünftigen Grund strafbar ist und der Geltung internationalen ern, ist zudem nur für jene hilfreich, die Kants ursprüngliche Tierschutzrechts stellen den Bezug zum europäischen Tierschutz- Ausführungen verstehen und für überzeugend halten. recht her. Dem Text hätte eine gründlichere Überarbeitung und Aktu- In einem eigenen Abschnitt (Kap. 1.2.2.) wird die ausdrückliche alisierung gut getan: Seit seiner Ersterscheinung vor zwanzig Aufnahme des Schutzes der Tierwürde als eine der tragenden Säu- Jahren hat sich im Bereich der theologischen Tierethik einiges len im Schweizer Tierschutzrecht thematisiert. Dieses allgemeine getan. Der Hinweis auf Joseph Bernhardt, Francis Jammes und Verfassungsprinzip, das zu achten das Bundesverfassungsgericht auf den (dem Katholizismus zugeneigten) Juden Franz Werfel dem Bund bereits seit 1992 im Hinblick auf Missbräuche in der als führende Vertreter einer konkurrierenden tierfreundlichen Gentechnologie auferlegt worden ist, wird von den Autoren mit Minderheitstradition erscheint doch ziemlich lückenhaft, und kritischen Bildern vermenschlichter Tierdarstellungen unterlegt. die angeführten Textauszüge klingen sprachlich antiquiert (z.B. Sie drücken besser als viele Worte aus, weshalb die Würde des Werfels Ode von den leidenden Tierchen [sic!]). Zu guter Letzt Tieres als Eigenwert im Umgang mit ihm zu achten ist. Eingriffe eine kurze Bemerkung zu Luise Rinsers Geleitwort: Auch hier in die Würde der Tiere werden künftig – vergleichbar dem ver- steht Wichtiges und Richtiges. Aber Rinsers Behauptung „Hin- nünftigen Grund nach deutschem Recht – im Wege einer Güterab- dus und Buddhisten essen kein Fleisch …, weil sie wissen, dass wägung im Einzelfall nach ihrer Rechtfertigung zu bewerten sein. auch im Tier ‚Atman‘ ist: der göttliche Hauch“ (13), ist eindeutig Geschützt sind alle Tiere als Mitgeschöpfe in ihrem Selbstzweck, falsch und das in zweifacher Hinsicht: Zahlreiche Hindus und weshalb es nun verboten ist, sie bloß als Mittel für menschliche Buddhisten essen Fleisch (sogar der Dalai Lama ist kein stren- Zwecke zu verwenden. Tiefgreifende Eingriffe in ihr Erschei- ger Vegetarier), und die Lehre von „Atman“ ist zwar für den nungsbild, Erniedrigungen und Instrumentalisierungen bedeuten Hinduismus zentral, wird aber vom Buddhismus abgelehnt. eine Würdemissachtung und werden durch eine neu eingeführte Kurt Remele Strafbestimmung wie andere Tierquälereien bestraft. Auswüchse in der Tierzucht oder sexuell motivierte Handlungen sind seit Sep- tember 2008 sogar expressis verbis verboten. Als weitere Neuerungen des Schweizer Tierschutzrechts wird auf die konkreter festgelegten Bestimmungen zur Haltung von 5 Rechtsfragen und Rechtsentwicklung Katzen, Pferden, Schafen, Ziegen, Fischen und Panzerkrebsen so- wie den Mindestanforderungen für die erlaubnisfreie Haltung von 5.1 Gieri Bolliger, Antoine F. Wildtieren in privater Hand (Hamster, Chinchillas, Wellensittiche, Goetschel, Michelle Richner Kanarienvögel oder Koifische) verwiesen. Das Sozialleben und und Alexandra Spring: die Bewegungsbedürfnisse der Tiere werden nun stärker berück- Tier im Recht transparent sichtigt. Neben Informationen über differenzierte Übergangsvor- 559 Seiten, Zürich, Basel, Genf: schriften und Sachkundenachweise oder die Pflicht der gewerbli- Schulthess Juristische Medien AG, chen Tierverkäufer, den Erwerber eines Tieres nun schriftlich über 2008, CHF 49,00 die Bedürfnisse und Haftungsansprüche der Tiere aufzuklären, wird der Leser darüber informiert, dass das Bundesamt für Veteri- Heimtierhaltung ist keine reine Privat- närwesen mit Merkblättern und über die neu geschaffene Website angelegenheit, sondern hat eine gesell- www.tiererichtighalten.ch viel Praxiswissen über die richtige Hal- schaftliche und zunehmend auch juristische Bedeutung. So steht tung verschiedener Heim-, Nutz- und Wildtierarten bereithält. denn auch im Zentrum der neuen Schweizer Tierschutzgesetzge- Im zweiten Teil des ersten Kapitels wird anhand von Beispiels- bung die Verantwortung der Tierhalter für die ihnen anvertrauten fällen dargestellt, wann von einer Misshandlung zu sprechen ist,

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wie Tierquälereien und andere Tierschutzdelikte bestraft werden, 5.2 David Favre: Animal Law: welche Geldbußen durchschnittlich ausgesprochen wurden, wie Welfare, Interests, and Rights der behördliche Vollzug des Tierschutzrechtes aussieht und wel- 520 Seiten, USA: Aspen Publications, che Aufgaben der Tieranwalt wahrnimmt. 2008, Euro 40,99 Nach diesen „allgemeinen Erläuterungen“ handeln die Kapitel 2 bis 15 alle relevanten Problemkreise rings ums Tier ab. Dies be- David Favre, der seit mehr als 30 Jah- ginnt mit den Vorüberlegungen vor dem Erwerb eines Heimtieres, ren Tierrecht, Artenschutzrecht und den Pflichten als Tierhalter, Haftungs- und Versicherungsfragen, Vermögensrecht am College of Law Zucht und Handel mit Heimtieren, Eigentumsfragen, Mietrechts- der Michigan State University lehrt und Nachbarschaftsfragen, Tiere am Arbeitsplatz, Tiere auf Reisen und eine der umfangreichsten Inter- und im Straßenverkehr, Tiere im Sport, beim Tierarzt, Tiere aus netressourcen zum Thema Tierrecht dem Tierheim, Probleme mit Wildtieren, und dem Thema Tier- ins Leben gerufen hat (http://www. heim bis hin zu Fragen über den Tod des Tieres und seine legale, animallaw.info/), legt ein umfangreiches Kompendium vor, das würdevolle Bestattung. Auch heikle Themen wie der in einzelnen sich mit dem Tier in der US-amerikanischen Rechtsordnung Regionen praktizierte Verzehr von Hunde- und Katzenfleisch oder befasst. Obwohl der Autor ausdrücklich auch den interessier- sexuell motivierte Handlungen mit Tieren (Zoophilie und Zoosa- ten Laien ansprechen möchte, ist das als Casebook konzipierte dismus) werden dabei nicht ausgespart. Werk in erster Linie ein Lehr- und Lernbehelf für Studenten der Zahlreiche wissenswerte Tipps, wie das Recht auf Arbeitsfrei- „animal law courses“, die aus dem Lehrangebot amerikanischer stellung wegen unaufschiebbaren Pflegemangels am Haustier Universitäten nicht mehr wegzudenken sind. oder Informationen über einen Fonds der Schweizer Tierärzte für An Hand von Rechtsnormen und Einzelfallentscheidungen die Behandlungskosten von Findeltieren, sind nicht nur hochinter- amerikanischer Gerichte werden verschiedene Tierschutzpro- essant, sondern regen zur Nachahmung auch in Deutschland an. bleme wie das Aussetzen und Vernachlässigen von Tieren, Auf weit über 500 Seiten gelingt es dem durchweg aus Juristen Tierkämpfe und Animal Hoarding, aber auch die Haftung von bestehenden Autorenteam ganz ohne Nennung von Gesetzesarti- Tierärzten und verfahrensrechtliche Hürden, wie z.B. die einge- keln ihr enormes Fachwissen über die Mensch-Tier-Beziehung, schränkte Klagelegitimation in Tierschutzfällen, behandelt. insbesondere über die juristischen Aspekte und Folgen menschli- Das Hauptinteresse des Autors gilt jedoch der Rechtsstellung chen Handelns anhand von Beispielfällen aus der Beratungspraxis des Tieres im Zivilrecht, das dem Tier nach wie vor Sachsta- der TIR kurzweilig und laienverständlich darzustellen und Lösun- tus zuschreibt und es folglich ermöglicht, Eigentum an Tieren gen anzubieten. Wo eine unstreitige Konfliktlösung nicht mehr zu begründen. Das für das Rechtssystem zentrale Organisati- möglich ist, werden Ratschläge für die behördliche oder gerichtli- onsprinzip des Eigentums prägt die Rechtsbeziehung zwischen che Rechtsverfolgung (Kapitel 1.3/1.4 und Kapitel 15) erteilt. Mensch und Tier und steht gleichzeitig in einem unauflösbaren Das Nachschlagewerk wird abgerundet durch einen farblich ab- Spannungsverhältnis zum Konzept des tierlichen Eigenwerts gesetzten Infoteil mit wichtigen Adressen und Links zu den Voll- („intrinsic value“) und zur Anerkennung des Tieres als emp- zugsbehörden, Meldestellen für Findeltiere, Heimtierdatenban- findungsfähiges Lebewesen („sentient being“, „Mitgeschöpf“). ken, Tierschutzorganisationen, Tierversicherungen etc. Sinnvolle Obwohl das Eigentumsrecht an Tieren bereits in den geltenden Hilfsmittel sind die Mustervorlagen im Anhang, wovon insbeson- (US-amerikanischen wie europäischen) Rechtsordnungen eine dere der ausführliche Kaufvertrag über ein Tier, die Vereinbarung Reihe von Einschränkungen erfährt, die der Besonderheit von zur Heimtierhaltung als Anlage zum Wohnraummietvertrag sowie Tieren als leidensfähige, aber auch als potentiell gefährliche eine Checkliste für eine Strafanzeige wegen Tiermisshandlung be- Lebewesen Rechnung trägt (z.B. Tierschutzrecht, Vorschriften sonders hervorzuheben sind. zur Gefahrenabwehr im Sicherheitspolizeirecht), wäre eine for- Mit einer modernen Aufmachung, klaren Struktur, optisch malrechtliche Klärung der Rechtsstellung von Tieren im Sinne gekennzeichneten Merksätzen und Praxistipps ergänzt durch der Beseitigung normativer Widersprüche zwischen verschie- anschauliches Bildmaterial wird jedem Leser ein umfassender, denen Rechtsmaterien wünschenswert, wie auch die von Fav- keineswegs spröder Durchgang durch die komplexen ethischen re vorgestellten Fallbeispiele aus dem Scheidungs-, Erb- und und juristischen Probleme, die bei der Tierhaltung erwachsen, Schadenersatzrecht zeigen. Die gänzliche Beseitigung des ermöglicht. Dass bei der Darstellung der Tierschutzrechtslage Sachstatus von Tieren hält Favre jedenfalls derzeit für unrea- gänzlich auf Gesetzestexte verzichtet wurde, ist kein Manko, da listisch. Im Unterschied zu E. Eadie (vgl. die Besprechung der anhand von zahlreichen Verweisen und Links dem interessierten Studie „Animal Suffering and the law“ in diesem Heft) plädiert Leser der Zugang zu den Rechtsvorschriften, weiterführenden Favre für eine mit der Rechtsordnung kompatible Neudefinition Erkenntnisquellen oder Interessensvertretungen laufend im Text des Rechtsstatus von Tieren. Der veränderte gesellschaftliche zur Verfügung gestellt werden. Das als Praxishandbuch gedachte Stellenwert der Tiere erfordert es nach Auffassung des Autors, Nachschlagewerk richtet sich nicht nur an Heimtierhalter, zumal neben dem Eigentum an (unbelebten) Sachen und dem Eigen- viele Ausführungen auch auf Zoo- und Nutztiere übertragbar sind. tum an Immaterialgütern (z.B. geistigem Eigentum) Tiere als Mit dem zu recht gewählten Titel ist das Buch in seiner Art im Eigentumskategorie sui generis („living property“) anzuerken- deutschsprachigen Raum einzigartig und für jeden am Tierschutz nen: „The category of living property is easily distinguished Interessierten absolut empfehlenswert. from the other property categories as physical, moveable living Roman Kolar objects – not human – that have an inherent self interest in their

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continued well-being and existence.“ (36) Im amerikanischen nicht; er stellt lediglich die Frage in den Raum, welche Interes- Caselaw, dem besondere Bedeutung für die Weiterentwicklung sen ein solches Gesetz wohl zu schützen berufen sei ... der Rechtsordnung zukommt, wurden bereits 1979 Überlegun- Das vorliegende Werk, das durch die Materialfülle beeindruckt, gen in diese Richtung angestellt: „This court now overrules pri- Leser mit geringen Vorkenntnissen aber wohl z.T. auch überfor- or precedent and holds that a pet is not just a thing but occupies dert, wirft zahlreiche, mitunter provokante und irritierende Fra- a special place somewhere in between a person and a piece of gen auf: „Is it degrading for nonhuman animals to be considered personal property.” (136) human property?“ (95) oder „What might the animal-human re- Durch das Tierschutzrecht erfährt die freie Verfügungsbefug- lationship be in 50 years?“ (101) Das Buch ermuntert den Leser, nis des Eigentümers, die das Eigentumsrecht charakterisiert, unter subtiler Anleitung des Autors die Stellung des Tieres im mehr oder weniger marginale Einschränkungen. Die Geschich- historisch gewordenen Rechtssystem kritisch zu reflektieren und te der US-amerikanischen Tierschutzgesetzgebung geht auf die eigene Perspektiven bzw. Lösungsansätze zu entwickeln. 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück; wie in Europa war das Gerichte und Behörden schenken Fällen, in denen Interessen historische Tierschutzrecht der USA zunächst auf wenige, öko- von Tieren auf dem Spiel stehen, im Allgemeinen wenig Auf- nomisch wertvolle Tierarten sowie auf den Schutz dieser Tie- merksamkeit (vgl.35). Daran wird sich nur dann etwas ändern, re vor Übergriffe durch Dritte beschränkt. Die amerikanische wenn tierrelevante Rechtsmaterien und Fragestellungen nach- Tierschutzgesetzgebung weist jedoch bis heute Einschränkun- haltig Eingang in die Studienpläne der rechtswissenschaftlichen gen ihres Geltungsbereiches auf, die vor dem Hintergrund der und veterinärmedizinischen Ausbildungsstätten finden, das europäischen Rechtsentwicklung unverständlich erscheinen: Bewusstsein der künftigen Entscheidungsträger für die spezi- So nehmen sowohl die Tierschutzgesetze der amerikanischen fischen Probleme geschärft und die Klage- bzw. Beschwerde- Bundesstaaten als auch der Federal Animal Welfare Act nicht legitimation in Angelegenheiten des Tierschutzes erweitert nur Jagd bzw. Fischerei und Schädlingsbekämpfung, sondern wird. Bücher wie das vorliegende können dazu einen entschei- auch die Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere („farming or a denden Beitrag leisten. generally accepted or farming practice in- Regina Binder volving livestock“) aus ihrem Geltungsbereich aus. In diesem Zusammenhang stellt sich freilich nicht nur die Frage nach der sachlichen Rechtfertigung dieser Ausnahme, sondern auch nach ihrer Notwendigkeit: „[…] is it really necessary to impose cruel conditions on agricultural animals in order to raise food ani- 5.3 Edward N. Eadie: mals? If the answer is no, then why is there a blanket exemption Animal suffering and the for farming practices?” (242) law: national, regional, and Wie E. Eadie betont auch Favre, dass der Schutz der Tiere in international der Europäischen Union besser gewährleistet wäre als in den 280 Seiten, West Lakes, South Austra- USA: „The laws of the European Union are much more protec- lia: Seaview Press, 2009, $ 39,00 tive of the interests of animals“. (311) Dieses Pauschal-urteil, das sich keineswegs auf einen inhaltlichen Vergleich der Tier- Der Wirtschaftswissenschafter und schutzstandards stützt, bedarf aus europäischer Perspektive frei- Jurist Edward N. Eadie, der es sich lich einer Differenzierung: So unterliegen z.B. die Hühnermast zum Ziel gesetzt hat, das Tierleid so- als landwirtschaftliche Nutzung von Tieren nicht dem amerika- wohl mit den Mitteln des Rechts als nischen Tierschutzrecht, doch werden Mindestanforderungen an auch durch Information und Bewusstseinsbildung zu verrin- die Hühnermast – ähnlich wie bis vor kurzem auch in Deutsch- gern (Umschlagtext), legt ein Übersichtswerk über das Tier- land – durch brancheninterne Vereinbarungen definiert (vgl. schutzrecht auf internationaler Ebene und in ausgewählten 301f.). Vergleicht man die durch das National Chicken Council, nationalen Rechtsordnungen vor. der Vereinigung US-amerikanischer Hühnermäster, festgelegten Der Autor gibt einen Überblick über allgemeine Begriffe des höchstzulässigen Besatzdichten mit dem Mindestplatzangebot Tierschutzes und Tierschutzkonzepte, behandelt die Entwick- der Masthühner-Richtlinie, so wird man feststellen, dass den lung der Tierschutzgesetzgebung und thematisiert die Rolle in der EU gemästeten Broilern kaum mehr Bewegungsfreiheit internationaler Organisationen (z.B. der World Organisation zugestanden wird als ihren amerikanischen Art- bzw. Leidens- for Animal Health, OIE) sowie der NGOs bei der Verbesse- genossen. rung des Tierschutzes. Neben der australischen Tierschutz- Da die Rechtsordnung auf der moralischen Überzeugung der gesetzgebung geht der Autor auch auf Tierschutzregelungen Gesellschaft beruht bzw. einen Minimalkonsens dieser Über- in Neuseeland, den USA und in der Europäischen Union ein. zeugung darstellt, muss zunächst geklärt werden, welcher mo- Schließlich enthält der Band ein Kapitel über verschiedene ralische Status eine Gesellschaft den nicht-menschlichen Tieren Regelwerke (Codes of Practice), die als „accepted standards zuschreibt. Wie weit die Meinungen in dieser Frage auseinander of animal management“ für den Umgang mit Tieren vielfach gehen, zeigen die Forderungen der Tierrechtsbewegung, gegen von großer praktischer Bedeutung sind, aber nur selten thema- die auch in den USA mit den Mitteln der Terrorismusbekämp- tisiert werden. fung vorgegangen wird. Den 2006 in den USA verabschiede- Was die Stellung des Tieres im Recht betrifft, so weist Eadie ten „Animal Enterprise Terrorism Act“ kommentiert der Autor unter Bezugnahme auf die einschlägigen Arbeiten des amerika-

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nischen Rechtswissenschafters G. Francione und übereinstim- aus auch die wohlmeinende Vermenschlichung nichtmensch- mend mit D. Favre (vgl. die Besprechung des Bandes „Animal licher Lebewesen zu einer Verkennung und Missachtung ihrer Law“ in diesem Heft) darauf hin, dass die Defizite im Bereich autochthonen Bedürfnisse führen kann. des Tierschutzes ursächlich auf den Umstand zurückzuführen Im Gesamtzusammenhang des – pathozentrisch ausgerich- sind, dass Tiere im rechtlichen Sinn als Sachen gelten (oder, teten – Tierschutzrechts kommt dem Begriff „sentient being” wie z.B. nach dem deutschen und österreichischen Zivilrecht, („empfindungsfähiges Lebewesen“, „Mitgeschöpf“), der so- in aller Regel wie solche zu behandeln sind). Eine Änderung wohl im Tierschutzprotokoll zum Vertrag von Amsterdam bzw. Aufwertung des rechtlichen Status der Tiere wäre daher als auch in einzelnen nationalen Tierschutzgesetzen Europas eine grundlegende Bedingung für eine systemische Verbesse- anzutreffen ist, große Bedeutung zu. Grundsätzlich ist Eadie rung ihres Schutzes. Obwohl die Rechtsordnung die Rechts- beizupflichten, wenn er daraus schließt, dass das Tierschutz- persönlichkeit keineswegs ausschließlich Menschen vorbehält, protokoll ein günstigeres politisches Klima zur Durchsetzung sondern sie z.B. auch bestimmten Körperschaften zuerkennt, von Verbesserungen im europäischen Tierschutzrecht erwar- stellt der Autor zu Recht fest, dass die Umsetzung der For- ten lasse (24f.). Hingegen vermisst man den Hinweis, dass derung, (bestimmten) Tieren Rechtspersönlichkeit zuzuerken- sich dieses, immerhin dem Primärrecht zugehörige Dokument nen schon auf Grund der weitreichenden ökonomischen und bislang kaum positiv auf die Qualität der tierschutzrelevanten sozialen Konsequenzen als unrealistisch bezeichnet werden Rechtsakte der Europäischen Union ausgewirkt hat, wie etwa muss. Im Unterschied zu D. Favre, der zwar ebenfalls diese das Beispiel der Richtlinie 2007/43/EG (sog. „Masthühner- Auffassung vertritt, aber dennoch eine moderate Neudefiniti- Richtlinie“) zeigt. Umso mehr erstaunt es, wenn Eadie das on des Rechtsstatus der Tiere für erstrebenswert hält, spricht Tierschutzprotokoll als „remarkable progress achieved in EC sich Eadie dafür aus, die Nutzung von Tieren zu bestimmten law“ (136) bezeichnet. Zwecken zu verbieten und damit anzuerkennen, dass einige In der aktuellen Tierschutzdiskussion wird dem Erfordernis Interessen von Tieren nicht gegen menschliche Interessen auf- eines auf freiwilligem Verhalten des Einzelnen basierenden gewogen werden dürfen (35). Die Praxis zeigt nämlich, dass präventiven Tierschutzes häufig größere Bedeutung beige- sich die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes „unnö- messen als dem rechtlichen Tierschutz, der Regelverletzungen tiges“ bzw. „vermeidbares“ Leiden („unnecessary suffering“) mit staatlichen Zwangsmitteln sanktioniert. Erfreulicherweise als zentrale Schwierigkeit in der Umsetzung bzw. Anwendung betont Eadie nachdrücklich, dass Erziehung bzw. Information des Tierschutzrechts erweist. Zumeist wird ein Rechtferti- einerseits und Gesetzgebung andererseits gleich wichtige und gungsgrund in Gestalt „notwendiger“ oder „unvermeidbarer“ gleichberechtigte Strategien auf dem Weg zu Verbesserungen Leidzufügung bereits dann bejaht, wenn daraus nur irgend- des Tierschutzes darstellen. Dem ist uneingeschränkt beizu- ein Nutzen für den Menschen generiert wird oder auch nur pflichten. Die Bevölkerung wird nur dann öffentlichen Druck zu erwarten ist (34). Die Einbeziehung deontologischer, d.h. erzeugen, wenn ihr Bewusstsein für Tierschutzprobleme ge- ausnahmslos geltender und folglich unverhandelbarer Gren- schärft wird. Öffentlicher Druck aber ist der Motor für Fort- zen der Tiernutzung bzw. der Schmerz- bzw. Leidzufügung ist schritte im Bereich des Tierschutzes, wie R. Garner in seiner als Ergänzung eines grundsätzlich auf einer Interessenabwä- politikwissenschaftlichen Untersuchung „Political Animals“ gung basierenden Regulativs äußerst wünschenswert, da sie (1998) aufgezeigt hat. Für die Weiterentwicklung des rechtli- der Tiernutzung deutlich sichtbare, aber gleichzeitig durchaus chen Tierschutzes sind daher die „Three Ps – public, press and gesellschaftsverträgliche Grenzen auferlegt. parliament“ – Öffentlichkeit, Medien und Gesetzgeber – von Die Bedeutung wissenschaftlicher Erkenntnisse über Biolo- entscheidender Bedeutung (46). gie, Verhalten und Bedürfnisse von Tieren für die Weiterent- Insgesamt macht das Buch einmal mehr die Vielschichtig- wicklung des (rechtlichen) Tierschutzes ist heute unbestritten. keit der Fragestellungen, die sich rund um das Thema des Tier- Da der Begriff der Wissenschaftlichkeit gerade im Hinblick schutzrechts stellen, deutlich: „The provision of adequate and auf Forschungsarbeiten im Bereich des Tierschutzes häu- effective legal protection for animals against suffering inflicted fig auf die Sammlung und Auswertung mess- bzw. wägbarer by humans involves a great diversity of related issues and is Daten und Fakten verengt wird (z.B. Stressbeurteilung durch enormously complex.“ (241). Es enthält zahlreiche interessan- Messung des Cortisolspiegels), plädiert Eadie für einen weiten te und im deutschsprachigen Raum z.T. auch wenig bekannte Wissenschaftsbegriff: „[…] the scientific community [should] Detailinformationen; insgesamt ist es aber leider ein wenig become more receptive to anecdotal evidence and anthropo- überfrachtet und unübersichtlich geraten, sodass die Orientie- morphic interpretation as important factors in appreciating rung dem Leser nicht immer leicht fällt. Etwas weniger wäre animal capacities“ (22). Ein ausschließlich positivistischer in diesem Fall mehr gewesen! Wissenschaftsbegriff wird dem Tier als ganzheitliches Lebe- Regina Binder wesen nicht gerecht; dem Autor ist daher darin zuzustimmen, dass auch systematisch gesammelte anekdotische Berichte Literatur über Tiere und ihre Verhaltensweisen einen Erkenntniszu- Francione, G. (1995). Animals, Property, and the Law. Philadel- wachs bedeuten können, was auch Verhaltensforscher wie D. phia: Temple University Press. R. Griffin, J. M. Masson und zum Teil auch M. Bekoff zeigen. Garner, R. (1998). Political Animals: Animal Protection Politics Skepsis scheint allerdings gegenüber der Forderung nach einer in Britain and the United States. Basingstoke, Hampshire: anthropomorphen Betrachtung der Tiere angebracht, da durch- Palgrave Macmillan.

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5.4 Dominik Lang: Sodomie Übergängen – für bis zu 1000 Jahre vor allem im Verbrennen des und Strafrecht: Geschichte Täters, wobei das missbrauchte Tier – insbesondere aus Furcht vor der Strafbarkeit des der Entstehung von Mischwesen sowie zur Löschung der Erinne- Geschlechtsverkehrs mit Tieren rung an die Tat – in der Regel ebenfalls verbrannt wurde. Erst in der 266 Seiten, Frankfurt am Main: Peter Neuzeit wich der Feuertod schliesslich „milderen“ Sanktionen wie Lang Verlag, 2009, Euro 45,50 der Enthauptung oder arbiträren Strafen und schliesslich stetig ab- nehmenden Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen. Um 1800 entstand Sexuelle Handlungen mit Tieren bil- allmählich eine Kluft zwischen dem romanischen Rechtsraum, in den seit Urzeiten einen festen Bestand- dem die Sodomie bis spätestens Ende des 19. Jahrhunderts infolge teil fast aller Kulturen und Religionen der fortschreitenden Säkularisierung der Religionsverbrechen für und gelten daher als Urphänomene der straflos erklärt wurde, und dem nordisch-germanisch-angelsächsi- menschlichen Gesellschaft. Dennoch schen Sprachraum, dessen Staaten bis weit ins 20. Jahrhundert an löst die Vorstellung entsprechender Kontakte heute meist ein Ge- der Strafbarkeit festhielten. Veränderungen sind über die Jahrhun- fühl der Befremdung bis hin zu Abscheu aus. Im Altertum und der derte hinweg allein hinsichtlich Form und Grund der Bestrafung Frühzeit oftmals akzeptiert, wird Geschlechtsverkehr mit Tieren – sowie im Hinblick auf das Geschlecht der Täter zu bemerken, weil der auch als Sodomie, Bestialität oder Zoophilie bezeichnet wird eine Vielzahl von Gesetzen zwar die männliche, nicht jedoch die – heutzutage weitgehend tabuisiert. weibliche Sodomie unter Strafe stellte. Vor dem Hintergrund dieses widersprüchlichen Denkens zeigt Abschliessend liefert der Autor einen Überblick über die Straf- Dominik Lang in seiner von der Universität Tübingen abgenom- barkeit der Sodomie in der heutigen Zeit. Während die Handlung menen juristischen Dissertation die Entwicklung des Tatbestands innerhalb Europas nur noch in England, Wales und Nordirland der Sodomie und dessen Auslegung im Gebiet des heutigen strafrechtliche Konsequenzen hat, haben alle anderen Staaten die Deutschlands auf. Rechtsvergleichend betrachtet der Autor dabei Strafbarkeit aufgehoben. Dabei fällt auf, dass der generelle Schutz auch die entsprechende Entwicklung in anderen Regionen Euro- der missbrauchten Tiere – ausser in jenen Fällen, in denen eigent- pas, wobei er sich insbesondere auf die Analyse des Strafgrunds liche Tierquälereien vorliegen, d.h. den Tieren erhebliche körper- und die Form der Strafe innerhalb der verschiedenen Epochen liche Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden – nach und Rechtsgebiete konzentriert und diese auf ihren jeweiligen Ur- wie vor kein Thema zu sein scheint. Eine bedeutsame Ausnahme sprung zurückführt. hiervon, die Langs Arbeit bereits bei ihrem Erscheinen nicht mehr Nach einer Übersicht über den kulturgeschichtlichen Stellen- ganz aktuell bleiben lässt, darf an dieser Stelle nicht unerwähnt wert des Themas, in deren Rahmen der Autor aufzeigt, wie sexu- werden: Nach vielen Jahrzehnten der grundsätzlichen Straflo- elle Vereinigungen von Menschen, Tieren und Göttern in etlichen sigkeit hat der Schweizer Gesetzgeber sexuelle Handlungen mit Sagen, Mythen, Legenden und Märchen vorkommen, führt er den Tieren nämlich wieder unter Strafe gestellt, indem das nationale Leser auf eine ausführliche Tour d̓horizon über die Strafbarkeit Tierschutzrecht Zoophilie seit September 2008 ausführlich ver- der Sodomie in Europa, indem er nacheinander die verschiedenen bietet. Der Grund hierfür liegt nicht in religiösen Überlegungen. Rechtsordnungen von der Antike über das Hoch- und Spätmittel- Die Strafbarkeit ist vielmehr ein Aspekt des Schutzes der Tier- alter bis in die Neuzeit analysiert. würde, die in der Schweiz sowohl in der Verfassung als auch im Die sorgfältige Untersuchung zeigt auf, wie die Ursprünge der Tierschutzgesetz verankert ist. Für die Strafbarkeit ist es daher Strafbarkeit des Geschlechtsverkehrs mit Tieren bereits im Alten nicht relevant, ob einem betroffenen Tier im Rahmen der Tat auch Testament liegen (das die Tat mit der Steinigung des menschlichen physische Schmerzen oder Schäden zugefügt werden oder nicht. Täters und der Tötung des betroffenen Tieres bedroht), während Dieser kleine Makel tut jedoch der Tatsache keinen Abbruch, weder die Hochkulturen Vorderasiens und Ägyptens noch die al- dass Langs Dissertation einen sehr wichtigen Beitrag zur rechts- ten Griechen und Römer oder die heidnischen Germanen, Kelten historischen Aufarbeitung des Themas bedeutet. Dem Autor ist es und Slawen darin eine strafbare Handlung sahen. Der mosaische vorzüglich gelungen aufzuzeigen, wie das Unrechtsbewusstsein Gesetzgeber nahm die Sodomie (neben anderen Sexualdelikten) hinsichtlich sodomitischer Handlungen stets von gesellschaftli- in seinen Strafkatalog auf, um das Volk „rein“ zu halten und ge- chen Anschauungen abhing, die massgeblich durch den Wandel genüber den übrigen „unreinen“ Völkern abzugrenzen. Dieses der sozialen und religiösen Strukturen geprägt wurden. Damit hat Motiv der Identitätsstiftung wurde dann vom frühen Christentum er die geschichtliche Entwicklung des Tatbestands der Sodomie wieder aufgenommen und die Sodomie über die Jahrhunderte hin- vor allem in den Kontext von Kultur- und Sozialgeschichte ge- weg mehr und mehr zur am härtesten geahndeten Sünde erklärt, setzt und damit grössere Zusammenhänge verdeutlicht, was in deren Verdammungswürdigkeit sich tief ins christliche Bewusst- der wissenschaftlichen Auseinandersetzung bislang mehrheitlich sein des ersten Jahrtausends setzte. In der Neuzeit dehnte sich unterblieben ist. Um „nicht ein rein theoretisches Geschichtsbild der Tatbestand dann zunehmend von sexuellen Handlungen mit entstehen zu lassen“ (19), prüft der Autor zudem auch immer wie- Tieren auch auf weitere Handlungen aus, wobei unter anderem der die Umsetzung der jeweiligen Strafnormen in der Praxis. Homosexualität, Analverkehr, Masturbation, Beischlaf mit Nicht- Gesamthaft liegt eine sehr sorgfältige Auseinandersetzung mit Christen, Leichenschändung, Teufelsbuhlschaft oder Verkehr mit der Materie vor, die nicht nur durch ihre minutiöse Quellenarbeit Statuen strengstens bestraft wurden. und einen entsprechend umfassenden Fussnotenapparat besticht, Die Form der Strafe lag zunächst über viele Jahrhunderte in sondern interdisziplinär sowohl rechtshistorische, als auch religi- kirchlichen Bussen, sodann – mit räumlich und zeitlich fliessenden ons- und sozialgeschichtliche Aspekte gebührend berücksichtigt.

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Dominik Lang liefert mit seiner Arbeit einen wertvollen Beitrag regional, and international. West Lakes, South Australia: Seaview zu einer traditionell heiklen Fragestellung. Ausserdem überzeugt Press. 280 Seiten. ISBN: 978-174008-528-1, $ 39,00 sie durch einen klaren Aufbau, sprachliche Sicherheit und die Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich- Gründlichkeit der Aufarbeitung der einzelnen Teilaspekte. Sie ist technischer Entwicklungen (Hrsg.) (2009). Pharming. Promises and in Inhalt und Sprache anspruchsvoll, dennoch aber gut lesbar und risks if biopharmaceuticals derived from genetically modified plants – was angesichts des Themas keine Selbstverständlichkeit ist – and animals. Rehbinder, E., Engelhard, M., Hagen, K. et al. Berlin wohltuend sachlich. und Heidelberg: Springer. 343 Seiten. ISBN: 978-3-540-85792-1, Gieri Bolliger € 68,99 Favre, David (2008). Animal Law: Welfare, Interests, and Rights. USA: Aspen Publications. 520 Seiten. ISBN-13: 978-0735573123, Literatur € 40,99 Beauchamp, Tom L., Orleans, F. Barbara, Dresser, Rebecca et al. Fischer, Tina-Louise (2008). Menschen- und Personenwürde. Über (2008). The Human Use of Animals – Case studies in Ethical die Notwendigkeit eines neuen Würdebegriffs. Münster: LIT Verlag. Choice. USA: Oxford University Press, second Edition. 300 Seiten. 120 Seiten. ISBN 978-3-8258-1486-1, € 19,90 ISBN-13: 978-0-19-534019-8, € 29,99 Forster, Wallace David (2009). Am Beispiel des Hummers. Zürich- Bekoff, Marc (2008). Das Gefühlsleben der Tiere. Ein führender Hamburg: Arche Literatur Verlag, aus dem Amerikanischen von Wissenschaftler untersucht Freude, Kummer und Empathie bei Marcus Ingendaay. 79 Seiten. ISBN: 3716026115, € 12,00 Tieren. Bernau: animal learn Verlag. 234 Seiten. ISBN-13: 978- Francione, Gary L. (2008). Animals as Persons: Essays on the Aboli- 3936188424, € 20,00 tion of Animal Exploitation. New York: Columbia University Press. Bolliger, Gieri, Goetschel, Antoine F., Richner, Michelle und Spring, 256 Seiten. ISBN: 978-0-231-13951-9, € 19,99 Alexandra (2008). Tier im Recht transparent. Zürich, Basel, Genf: Fraser, David (2008). Understanding Animal Welfare. United King- Schulthess Juristische Medien AG. 559 Seiten. ISBN-13: 978-3- dom: John Wiley & Sons. 336 Seiten. ISBN: 978-1-4051-3695-2, 7255-5620-5, CHF 49,00 € 44,90 Borchers, Dagmar und Luy, Jörg (Hrsg.) (2009). Der ethisch vertret- Friedrich, Udo (2009). Menschentier und Tiermensch. Diskurse der bare Tierversuch. Kriterien und Grenzen. Paderborn: mentis. 309 Grenzziehung und Grenzüberschreitung im Mittelalter. Göttingen: Seiten. ISBN: 978-3-89785-668-4, € 29,80 Vandenhoek & Ruprecht. 437 Seiten. ISBN: 978-3-525-36704-9, Brand, Cordula, Engels, Eve-Marie, Ferrari, Arianna und Kovács, € 59,90 László (Hrsg.) (2008). Wie funktioniert Bioethik? Interdisziplinäre Haynes, Richard P. (2008). Animal Welfare. Competing Conceptions Entscheidungsfindung im Spannungsfeld von theoretischem Be- and Their Ethical Implications. Dordrecht: Springer. 162 Seiten. gründungsanspruch und praktischem Regelungsbedarf. Paderborn: ISBN: 978-1-4020-8618-2, € 64,15 mentis. 341 Seiten. ISBN 978-3-89785-577-9, € 39,80 Lang, Dominik (2009). Sodomie und Strafrecht: Geschichte der Straf- Brandt, Reinhard (2009). Können Tiere denken? Frankfurt am barkeit des Geschlechtsverkehrs mit Tieren. Frankfurt: Peter Lang Main: Suhrkamp Verlag. Edition Unseld 17. 159 Seiten, Verlag. 264 Seiten. ISBN: 978-3-631-58343-2, € 45,50 ISBN-13: 9783518260173, € 10,00 Monamy, Vaughan (2009). Animal Experimentation. A Guide to the Brenner, Andreas (2009). Leben. Stuttgart: Reclam Verlag, Grundwis- Issues. Second Edition. Cambridge: University Press. 116 Seiten. sen Philosophie. 120 Seiten. ISBN-13: 978-3150203286, € 9.90 € ISBN: 978-0-521-70348-2, € 20,99 Castricano, Jodey (ed.) (2008). Animal Subjects. An Ethical Reader in Palmer, Clare (ed.) (2008). Animal Rights. Washington: Ashgate Pub- Posthuman World. Canada: Wilfrid Laurier University Press. 324 lishing. 582 Seiten. ISBN: 978-0-7546-2741-8, € 180,99 Seiten. ISBN-13: 9780889205123, € 29,99 Rippe, Klaus Peter (2008). Ethik im außerhumanen Bereich. Pader- Cavalieri, Paola (ed.) (2009). The Death of the Animal: A born: mentis. 367 Seiten. ISBN: 978-3-89785-659-2, € 32,00 Dialogue. New York: Columbia University Press. 149 Seiten. ISBN: Schmidt, Kirsten (2008). Tierethische Probleme der Gentechnik. 9780231145527, € 14,99 Zur moralischen Bewertung der Reduktion wesentlicher tierlicher Conn, Michael P. and Parker, James V. (2008). The Animal Eigenschaften. Paderborn: mentis. 386 Seiten. ISBN-13: 978- Research War. New York City: Palgrave Macmillan. 3897856189, € 54,00 224 Seiten. ISBN: 978-0-230-60014-0, € 28,99 Steiner, Gary (2008). Animals and the Moral Community: Mental Life, De Waal, Frans (2008). Primaten und Philosophen. Wie die Moral Status, and Kinship. New York: Columbia University Press. Evolution die Moral hervorbrachte. München: Hanser. 232 Seiten. ISBN: 978-0-231-14234-2, € 29,99 220 Seiten. ISBN: 978-3-446-23083-5, € 19,90 Wiedenmann, Rainer E. (2009). Tiere, Moral und Gesellschaft. Drewermann, Eugen (2008). Über die Unsterblichkeit der Elemente und Ebenen humanimalischer Sozialität. Wiesbaden: VS Tiere. Hoffnung für die leidende Kreatur. Düsseldorf: Patmos Verlag. 462 Seiten. ISBN-13: 978-3810025272, € 49,90 Verlag. 68 Seiten. ISBN-13: 978-3491210080, € 7,95 Düwell, Markus, Birnbacher, Dieter et al. (Hrsg.) (2009). Korrespondenzadresse Medizinethik und Empirie – Standortbestimmungen eines spannung- Dr. phil. Petra Mayr sreichen Verhältnisses. Zeitschrift Ethik in der Medizin. Nr. 3/2009. Deisterstraße 25 B Heidelberg: Springer Zeitschriften Nr. 481. 87 Seiten. ISSN: 0935- 31848 Bad Münder am Deister 7335 (Print) 1437-1618 (Online) € 52,50 Deutschland Eadie, Edward N. (2009). Animal suffering and the law: national, E-Mail: [email protected]

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Die Arbeitsgruppe Literaturbericht

Buchbesprechungen verfassen (in alphabetischer Reihenfolge) Judith Benz-Schwarzburg (Tübingen), Regina Binder (Wien), Dieter Birnbacher (Düsseldorf), Silke Bitz (Freiburg), Gieri Bolliger (Zürich), Andreas Brenner (Basel), Marius Christen (Basel), Arianna Ferrari (Darmstadt), Franz P. Gruber (Küsnacht), Claus Günzler (Karlsruhe), Kathrin Herrmann (Berlin), Detlef Horster (Hannover), Roman Kolar (Neubiberg), Ingrid Kuhlmann-Eberhart (Witzenhausen), Erwin Lengauer (Wien), Jörg Luy (Berlin), Petra Mayr (Bad Münder), Cecilia Muratori (München), Kurt Remele (Graz), Silke Schicktanz (Göttingen), Kirsten Schmidt (Bochum), Norbert Walz, (Nürnberg), Jean-Claude Wolf (Fribourg)

Neue Mitglieder:

Prof. Dr. Dieter Birnbacher Geboren 1946 in Dortmund. Studium der Philosophie, Anglistik und der Allgemeinen Sprach- wissenschaft in Düsseldorf, Cambridge und Hamburg; Promotion 1973, Habilitation 1988. Von 1993 bis 1996 Professor für Philosophie an der Universität Dortmund, seit 1996 an der Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf. Arbeitsschwerpunkte Ethik, Angewandte Ethik, Anthropologie. Vizepräsident der Schopenhauer-Gesellschaft e.V., Frankfurt/M. Mitglied der Zentralen Ethikkommission der Bundesärztekammer. Stellv. Mitglied der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundes- ärztekammer. Wichtigste Buchveröffentlichungen: Die Logik der Kriterien. Analysen zur Spätphilosophie Wittgensteins, 1974; Verantwortung für zukünftige Generationen, 1988; Tun und Unterlassen, 1995; Analytische Einführung in die Ethik, 2003; Bioethik zwischen Natur und Interesse, 2006; Natürlichkeit, 2006; Schopenhauer, 2009.

Lic. phil. Marius Christen Geboren 1980 in Solothurn (Schweiz). Studium der Philosophie, Nachhaltigkeitswissenschaften (Mensch-Gesellschaft-Umwelt) und Geschichte in Basel und Berlin; 2006 Abschlussarbeit zu Maurice Merlau-Pontys Intersubjektivitätstheorie als Grundlegung einer Moralphilosophie im Vergleich zu Immanuel Kants‚ „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“. Seit 2007 vom Schweizerischen Nationalfonds geförderte Doktorarbeit zu den philosophischen Grundlagen von Nachhaltigkeit am Programm für Nachhaltigkeitsforschung der Universität Basel, betreut durch Prof. Dr. Paul Burger. Seit 2008 assoziiertes Mitglied des Graduiertenprogramms ‚Menschliches Leben‘ der Universitäten Bern und Basel.

Kathrin Herrmann Geboren 1976 in Ulm. Von 1997 bis 2003 Studium der Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin und an der Universität Zürich. Nach Erhalt der Approbation im Juli 2003 Mitarbeit in Hilfsprojekten von Tierärzte ohne Grenzen e.V. in Kenia und im Südsudan. Zwischen 2005 und 2007 Tätigkeit als praktische Tierärztin für Klein- und Heimtiere in Spanien und Deutschland. Seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Veterinärwesen des Landesamtes für Gesundheit und Soziales in Berlin. Zuständig für die Genehmigung und Überwachung von Tierversuchsvorhaben und Versuchstierhaltungen. Berufsbegleitende Weiterbildung zur Fachtierärztin für Tierschutz und Tier- schutzethik.

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Prof. Dr. Detlef Horster 1942 in Krefeld geboren und in Kempen am Niederrhein aufgewachsen; Drogistenlehre und an- schließend Chemielaborant; 1966 Abitur am Erzbischöflichen Friedrich-Spee-Kolleg in Neuß; Studium in Köln und Frankfurt/M.; 1973 erstes Juristisches Staatsexamen am OLG in Düsseldorf; 1976 Promotion zum Dr. phil. im Fach Soziologie; 1979 Habilitation mit der venia legendi für „Sozialphilosophie“; Lehre und Forschung an den Universitäten Utrecht (Niederlande), Kassel, Berlin (Humboldt-Universität), Port Elizabeth (Südafrika), Zürich und bis 2007 Professor für Sozialphilosophie an der Leibniz Universität Hannover, mit den Schwerpunkten Moral- und Rechtsphilosophie.

Prof. Dr. Kurt Remele Geboren 1956 in Bruck/Mur (Österreich). Studium der katholischen Theologie und der Anglistik/ Amerikanistik in Graz und Bochum: wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum (1984-1990): pädagogischer Mitarbeiter am Sozialinstitut Kommende in Dortmund (1990-1992): seit 1992 am Institut für Ethik und Gesellschaftslehre der Universität Graz, seit 2001 ao. Universitätsprofessor. Leopold Kunschak-Preis (2002). Kardinal-Innitzer-Förderungspreis (2002). Fulbright Scholar an der Catholic University of America (2003), Visiting Professor am Department of Philosophy der University of Minnesota (2007). Gründungsmitglied der Akademie für Tier-Mensch- Beziehungen in Graz. Fellow des Oxford Centre for Animal Ethics. Wichtigste Publikationen: Ziviler Ungehorsam. Eine Untersuchung aus der Sicht christlicher Sozialethik, Münster 1992; Tanz um das goldene Selbst? Therapiegesellschaft, Selbstverwirklichung und Gemeinwohl, Graz 2001; Zwischen Apathie und Mitgefühl. Religiöse Lehren aus tierethischer Perspektive, in: Tierrechte. Eine interdisziplinäre Herausforderung, Erlangen 2007, 254-270. Verheiratet, 3 Kinder.

Dr. phil. Kirsten Schmidt Geboren 1972 in Hagen. 1991-97 Studium der Biologie an der Ruhr-Universität Bochum (Abschluss Diplom), anschließend Studium der Philosophie. 2007 Promotion mit der Arbeit „Tierethische Probleme der Gentechnik. Zur moralischen Bewertung der Reduktion wesentlicher tierlicher Eigenschaften“. Seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich „Angewandte Ethik“ am Institut für Philosophie der Ruhr-Universität Bochum, arbeitet dort seit 2009 im Rahmen eines DFG-Projektes zum Thema Genkonzepte und genetischer Essentialismus. Arbeitsgebiete und wissenschaftliche Interessen: Philosophie der Biologie (vor allem Philosophie der Genetik), Tier- und Bioethik, Philosophie des Geistes.

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