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Kopie von Vorw., Pref., KritBer.qxp 12.09.2008 14:56 Seite 1 3 Vorwort Der vorliegende Band enthält die vier authentischen Orgelkompositionen von Kirche, nachzuahmen; hat es auch darin zu solcher Vollkommenheit gebracht, Nicolaus Bruhns sowie einen Anhang mit zwei zweifelhaften Werken. Ebenso daß ihn dieser, auf Verlangen, nach Copenhagen recommandirt; woselbst er wie bei der Überlieferung der Orgelwerke von Dieterich Buxtehude, Johann sich einige Jahre aufgehalten, und nach deren Verfliessung nach Husum, an die Adam Reincken, Vincent Lübeck und Georg Böhm sind keine Autographe von Stadtkirche, zum Organisten berufen worden. Nicolaus Bruhns erhalten. Weil er sehr starck auf der Violine war, und solche mit doppelten Griffen, als Zu den fraglichen Werken gehört das Praeludium in g, das mit gleicher Wahr- wenn ihrer 3. oder 4. wären, zu spielen wuste, so hatte er die Gewohnheit, dann scheinlichkeit auch von Arnold Matthias Brunckhorst stammen könnte, sowie und wann auf seiner Orgel die Veränderung zu machen, daß er die Violine ein Werk aus dem sogenannten Husumer Orgelbuch.1 zugleich, mit einer sich dazu gut=schickenden Pedalstimme gantz allein, auf das Wie bei den Editionen der Tabulatura nova von Samuel Scheidt (Edition Breit- annehmlichste hören ließ. kopf 8565–67) und der Werke für Tasteninstrumente von Jan Pieterszoon Ein Viertel=Jahr nach seiner Wahl hat die Stadt Kiel ihn zwar zum Organisten Sweelinck (Edition Breitkopf 8741–44) wird hier eine praktische Quellenedition verlanget; da aber die Husumsche Obrigkeit und Gemeine sehr große Liebe zu vorgelegt, die den Informationsgehalt der Quellen für die Benutzer erschließen ihm trugen, und seine Besoldung jährlich mit hundert Thalern verbesserten, ist soll. er daselbst bey ihnen geblieben, und 1697 durch den Tod abgefordert worden. So schöpft die vorliegende Neuausgabe die Möglichkeiten der modernen Linien- Seines Alters 31 und ein halb Jahr.“ notation durch eine enge Anlehnung an die ursprüngliche Notation aus – unter Nicolaus Bruhns wuchs in einer Musikerfamilie auf, deren Mitglieder – ähnlich Berücksichtigung der überlieferten Notenwerte, Taktvorzeichnungen, Taktlängen, wie die Bach-Familie in Thüringen – ein Netzwerk von professionellen Bezie- Stimmenverläufe, Handverteilungen und Pedalangaben sowie ein flexibles hungen als Organisten und Instrumentalisten aufbauten. Der Großvater Paul Konzept in der Übertragung der Quellentexte auf drei oder zwei Systeme. Bruhns war bis 1639 als Lautenist des Schleswiger Herzogs im Schloss Gottorf Die Faksimile-Abbildung des Praeludiums in e (siehe S. 10–15) in der ursprüng- tätig.5 Danach wirkte er als Lautenist der Lübecker Ratsmusik an den von Franz lichen Buchstabentabulatur wird zu einem tieferen Verständnis der Notation als Tunder geleiteten Aufführungen der Abendmusiken in der Marienkirche mit – Abbild des Spielvorgangs beitragen können. zusammen mit seinem Schwiegervater Nicolaus Bleyer, dem Begründer der Auf editorische Hinzufügungen (wie Bindebögen oder Analogiebildungen), die Lübecker Geigerschule. Die Spielweise der Lübecker Violinisten war durch einen interpretatorischen Charakter haben, wird in dieser Edition verzichtet. Doppelgriffe und mehrstimmiges Spiel gekennzeichnet und übte einen großen Einfluss im 17. Jahrhundert aus.6 Paul Bruhns hatte drei Söhne, von denen der älteste (Friedrich Nicolaus) später Direktor der Hamburger Rats- und Dommusik Nicolaus Bruhns wurde, der mittlere (Paul d. J.) wahrscheinlich bei Franz Tunder studierte und Die erste Biographie von Nicolaus Bruhns ist bereits in der 1740 publizierten 1665 die Organistenstelle in Schwabstedt annahm und der jüngste (Peter) ab 1655 Grundlage einer Ehren-Pforte2 von Johann Mattheson zu finden. Mattheson als Violinist der Lübecker Ratsmusik tätig war. bezog seine Informationen aus „eigenhändigen Berichten“ und „glaubwürdigen Nicolaus Bruhns wurde 1665 als Sohn von Paul d. J. in Schwabstedt geboren Handschrifften“.3 Der Bericht über Bruhns lautet:4 und ging 1681 nach Lübeck, um bei seinem Onkel Peter Violine und bei „Nicolas Bruhns (oder Bruhn) ist An. 1665. zu Schwabstädt im Schleswigischen Dieterich Buxtehude Orgel zu studieren. Die familiären Verflechtungen mit der gebohren. Sein Vater, Paul Bruhns, war daselbst Organist, von welchem er die Geigerfamilie Schnittelbach und der Organistenfamile Hasse führten zu vielen Ton=Kunst erlernete und so weit gebracht wurde, daß er nicht allein wohl Verbindungen im Ostseeraum und förderten das Ansehen des jungen Virtuosen spielen, sondern auch gute Clavier= und Singsachen zu setzen wuste. Nicolaus Bruhns. Nach dem Amtsantritt in Husum heiratete er Anna Dorothea Im 16. Jahr seines Alters, sandten ihn seine Eltern zu seinem Bruder [= Onkel], Hesse, die der weitverzweigten Organisten- und Musikerfamilie Hasse (oder Peter Bruhns, nach Lübeck, wo derselbe Raths=Musicant war; da er denn auf der Hesse) entstammte.7 Violadigamba, und vornehmlich auf der Violine, solche Fertigkeit erlangte, daß Die Berichte über das gleichzeitige Violin- und Orgelspiel von Bruhns ent- er von allen damahls lebenden Musicbeflissenen, die ihn kannten, sehr werth und sprechen sicherlich den Tatsachen. Die Violinpartien in seinen Kantaten gehören hochgehalten wurde. z. T. zu den technisch anspruchvollsten Beispielen in der norddeutschen Musik Im Clavier und in der Composition ist er sonderlich bemühet gewesen, dem und lassen Rückschlüsse zu auf die Spielweise der ‚Imitatio violinistica’ in seinen berühmten Dieterich Buxtehude, Lübeckischen Organisten an der Marien- Orgelwerken (s. S. 54). Kopie von Vorw., Pref., KritBer.qxp 12.09.2008 14:56 Seite 2 4 Nicolaus Bruhns gehörte zur letzten Generation der norddeutschen Organis- anderen Übertragungen norddeutscher Orgelmusik zeigen die bei Johann ten, die in einem professionellen musikalischen Umfeld aufwuchsen und bereits Christoph Bach übliche Liniennotation. in jungen Jahren mit herausragenden Leistungen als Instrumentalisten und Die Notation der beiden Bruhns-Präludien in der Möllerschen Handschrift ist Komponisten Aufsehen erregten. Bemerkenswert ist eine fast ungebrochene wahrscheinlich eine sorgfältige Kopie der Tabulaturschrift Johann Sebastian Rezeption seiner Orgelwerke von den Abschriften des Organistenkreises um Bachs, wobei nicht auszuschließen ist, dass er selbst an dieser Abschrift be- Johann Sebastian Bach und Johann Gottfried Walther sowie den Berliner teiligt war. Diese Tabulaturschrift gehört in der eleganten kalligraphischen Organisten im 18. Jahrhundert (vgl. Kritische Bermerkungen S. 68) über die Gestaltung, der präzisen Darstellung komplexer polyphoner und rhythmischer Publikationen des 19. Jahrhunderts (Franz Commer 1839, Gotthilf Wilhelm Strukturen, der kreativen Erweiterung des begrenzten Tonvorrats in der Buch- Körner ca. 1850, Josef Rheinberger 1882, William Thomas Best 1885) bis zu den stabentabulatur (durch die „Erfindung“ der Tonbezeichnung für ais) sowie in Interpretations-Editionen von Karl Straube (1904/1929)8 und den textkritischen der Brückenfunktion zwischen den nord- und mitteldeutschen organistischen Editionen des 20. Jahrhunderts (beginnend mit Max Seiffert ca. 1925).9 Traditionen zu den bedeutendsten Notationsbeispielen der Orgelmusik aus der Zeit um 1700. Ebenfalls wichtig ist der hauptsächlich von Johann Gottfried Walther und seinem Zur Überlieferung der Orgelwerke Schüler Johann Tobias Krebs in Weimar angelegte Sammelband, der unter der Ein Schwerpunkt der Überlieferung des norddeutschen Repertoires aus dem Signatur P 802 bekannt ist.13 In dieser Handschrift ist die Choralfantasie Nun späten 17. Jahrhundert und damit auch des Orgelwerks von Nicolaus Bruhns ist komm, der Heiden Heiland von Bruhns in Liniennotation enthalten. im Umkreis Johann Sebastian Bachs zu finden. Die beiden Sammelbände, die Ein weiterer Überlieferungsstrang ist in der vom Bach-Schüler Johann Friedrich vom älteren Bruder Johann Christoph Bach angelegt wurden und unter den Agricola ebenfalls in Liniennotation (nach 1741) geschriebenen und heute in Bezeichnungen Möllersche Handschrift und Andreas Bach Buch bekannt sind, Brüssel aufbewahrten Agricola-Handschrift zu finden.14 Hier befindet sich die enthalten Werke von mittel-, nord- und süddeutschen, von französischen und einzige vollständige Fassung vom Praeludium in G. Die hier überlieferte Version italienischen Komponisten sowie vom jungen Johann Sebastian Bach.10 Für die der Choralfantasie enthält allerdings eine nicht authentische zusätzliche Schicht Bruhns-Überlieferung ist vor allem das in Buchstabentabulatur aufgezeichnete von Verzierungen. Die Abschrift Johann Gottfried Walthers in der in Weimar große Praeludium in e, für das die Möllersche Handschrift die einzige Quelle ist, entstandenen Handschrift P 802, die eine Generation früher um 1712 entstand, von großer Bedeutung. weist dagegen nicht diese Hinzufügungen auf. Der Notentext von Walther, der in Der Vergleich der Tastenbuchstaben in der Schrift von Johann Pachelbel, dem Liniennotation auf drei Systemen aufgezeichnet ist, bildete auch die Grundlage Pachelbel-Schüler Johann Christoph Bach und dem jungen Johann Sebastian für die Agricola-Handschrift.15 Bach führt zu der Feststellung, dass wir es mit einem bemerkenswerten Fall der Nur in einer einzigen norddeutschen Quelle ist ein Orgelwerk von Bruhns Übereinstimmung von Schreibgewohnheiten in der Tabulaturschrift zu tun erhalten: In der ursprünglich in Berlin unter der Signatur Mus. ms. 40295 und haben, wobei der Schüler jeweils die Buchstabenformen des Lehrers übernahm. jetzt in Kraków aufbewahrten Handschrift, die unter der Bezeichnung