LÄNDERBERICHT Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

KROATIEN DR. MICHAEL A. LANGE

06. November 2015 Kopf an Kopf Rennen in Kroatien www.kas.de/kroatien

Für die am 08.11.2015 stattfinden Parla- nach den Wahlen die Möglichkeit dazu hät- mentswahlen in Kroatien gab der zustän- ten , sagte der SDP-Vertreter Orsat Miljenic, dige Minister für die Öffentliche Verwal- seine Koalition würde vor allem sofort eine tung bekannt, dass nach Prüfung aller Steuerreform ins Werk setzen, Gebühren Wählerlisten insgesamt 3.755.065 Wähler senken und die Öffentliche Verwaltung so- mit Wohnsitz in Kroatien aufgerufen sind, wie das Schul-/Bildungswesen reformieren. ihre Stimme abzugeben. Zudem hätten Der HDZ-Vertreter Zeljko Reiner meinte da- sich 21.632 in Bosnien Herzegowina, gegen, dass seine Koalition zuerst das Wirt- 1.040 in Serbien und weitere 5.882 in schaftssystem reformieren würde, um ein Deutschland lebende kroatische Staats- besseres Investitionsklima, gerade auch für bürger ebenfalls in Wählerlisten eingetra- kleine Unternehmen und Familien-geführte gen, was diesmal zu einer nahezu glei- (landwirtschaftliche) Betriebe, zu schaffen. chen Anzahl von Wahlberechtigten führt, Zudem sollte der kroatischen Landwirtschaft wie bei den letzten Parlamentswahlen im generell mehr geholfen werden, die Öffentli- Jahr 2011. Nahezu 3,8 Mio. Kroaten wer- che Verwaltung effizienter strukturiert und den also am 8. November in 6.574 Wahl- durch geeignete familienpolitische Maßnah- lokalen in Kroatien und in 114 Wahlloka- men versucht werden, die Geburtenrate in len in weiteren 48 Staaten, in denen Kroa- Kroatien zu erhöhen. ten ansässig sind über das weitere Schicksal ihres Landes abstimmen.1 Der MOST-Vertreter (und ehemalige Vize- präsident der HDZ), Drago Prgomet sprach Letzte inhaltliche Wahlkampfdebatten sich ebenfalls für eine Reform der öffentli- chen Verwaltung aus, die seine Koalition Bis zuletzt kämpften die Parteien auf zahl- “entpolitisieren” würde, wobei man auch reichen Wahlveranstaltungen im ganzen eine Reduzierung der regionalen und lokalen Land, wie auch in den Medien, um die Verwaltungsstrukturen um ein Drittel be- Stimmen der kroatischen Wähler. In einer fürworte. Mirela Holy von ORaH schloss sich wenige Tage vor den Wahlen auf dem Pri- beiden Vorhaben an, wobei sie jedoch nur vatsender Nova TV gesendeten Podiumsdis- noch Verwaltungsstrukturen für insgesamt kussion zwischen Kandidaten der größeren 5 Regionen, 50 Städte und 150 Gemeinden kroatischen Parteien, wurden noch einmal in Kroatien für sinnvoll erachte. die wichtigsten, die kroatische Bevölkerung Der jugendliche Kandidat von ”Human aktuell bewegenden Fragen, zur Diskussion Wall”, Ivan Sincic, beklagte dagegen die ak- gestellt. tuell sehr hohen Kreditzinsen in Kroatien und befürwortete deshalb eine grundlegen- Auf die Frage, welches Reformvorhaben sie de Reform der kroatischen Geldpolitik. zu allererst umsetzen würden, wenn Sie Auf die Frage, was sie von der viel diskutier- ten möglichen Senkung der Mehrwertsteuer bzw. einer Anhebung des steuerfreien 1 3.8 million Croatians eligible to vote in parl. Grundeinkommens hielten, antwortete Zel- elections , 31. listopada 2015. (Hina) - jko Reiner (HDZ), dass seine Koalition eine Reduzierung der Mehrwertsteuersatzes von

aktuell 25% auf 23% in der Mitte und eine weitere Senkung auf 20% am der Legisla-

2

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. turperiode ins Auge gefasst habe. Drago schaft und Industrie tätigen Beschäftigen Prgomet (Most) wies dagegen darauf hin, einander noch näher zu bringen, mehr in die KROATIEN dass er keinen Spielraum für solche Sen- Natur- und Grundlagenwissenschaften zu DR. MICHAEL A. LANGE kungen im kroatischen Haushalt sehe und investieren und die hiesige Forschungsein- dass das Münchner IFO-Institut eine solche richtungen verstärkt mit Wissenschaftlern 06. November 2015 Senkung ebenfalls nicht unterstütze und im Ausland zu vernetzen. stattdessen eine Erhöhung des Freibetrags www.kas.de/kroatien in der Einkommenssteuer empfohlen habe. Der IDS-Vertreter Valter Boljuncic betonte Holy (ORaH) sprach sich für eine generell dagegen die Notwendigkeit, die Forschungs- geringere Besteuerung von „Arbeit“ zulasten förderung stärker zu dezentralisieren, so einer höheren Besteuerung von „Kapital“ dass lokale Institutionen mehr in Forschung aus, während der Vertreter der “Human investieren können, wobei ein ermäßigter Wall” eine 10% Kapitalertragssteuer forder- Mehrwertsteuersatz für die Anschaffung te und der Vertreter von „Bandic365“ auf wissenschaftlicher Geräte hilfreich sein wür- die Bedeutung eines ausgeglichenen Haus- de. Die Vertreter der kleineren Parteien haltes hinwies. Der SDP-Vertreter Orsat „Smart“ und „ORaH“, Ivica Puljak und Ivica Miljenic verwies dann noch auf die ableh- Buljan plädierten dagegen für weniger “le- nende Haltung der EU-Kommission gegen- gislativen Aktionismus” und eine Neubewer- über Mehrwertsteuersenkungen und darauf, tung des Bologna-Prozesses. Die MOST- dass die bereits vollzogenen Steuererleich- Vertreterin Gordana Rusak beklagte statt- terungen der Regierung bereits zu einer hö- dessen die desolate Lage der Forschung und heren Kaufkraft der Bürger beigetragen hät- Wissenschaft in Kroatien und sprach sich ten. ebenfalls für vermehrte Forschungsförde- rung und eine stärkere Verzahnung von Zu einem möglichen Abtreibungsverbot po- Wissenschaft und Industrie aus. sitionierte sich Holy (ORaH) genauso ableh- nend wie Drago Prgomet (MOST), die beide Unrealistische Wahlversprechen? die Meinung äußerten, dass Abtreibung kei- ne Form der Verhütung werden dürfe, wäh- Angesichts der in der Endphase des Wahl- rend Reiner (HDZ) als Mediziner unterstrich, kampfes vorgestellten zahlreichen Wahlver- dass ein solcher Eingriff der Frau immer sprechen kam es auch zu einer Bewertung körperlich schade und Spätfolgen haben der damit verbundenen Mehrausgaben bzw. könne. Mindereinnahmen des Staates.

Im Hinblick auf die anerkannte Notwendig- Kalkulationen zu den möglichen Kosten der keit zu verstärkten Investitionen in Wissen- von den beiden großen Volksparteien ver- schaft und Technologie äußerte der HDZ- kündeten Reformvorhaben bzw. Wahlver- Vertreter, Radovan Fuchs, in einer weiteren sprechen sind dann zu dem Ergebnis ge- Podiumsdiskussion die Auffassung, dass es kommen, dass jene der SDP-Koalition den tiefgreifender struktureller, auch legislativer kroatischen Staat etwa HRK 6.8 Mrd. (ca. Reformen im Bildungssektor bedürfe und 900 Mio. Euro), die der HDZ-Koalition, so- dass die HDZ beabsichtige, zum Zwecke der gar HRK 8.23 Mrd. (ca. 1,1 Mrd. Euro) kos- Innovationsförderung zwei Sonderfonds im ten würden. Umfang von jährlich HRK 350 Mio. zu schaf- fen, um entsprechende Projekte zu fördern. So versprach die SDP-Koalition etwa Inves- Die existierenden EU-Fördermittel reichten titionen zur Verbesserung der Qualität des bei weitem nicht aus, weshalb es unbedingt Bildungswesens und der Forschung sowie der Ergänzung durch nationale Fördermittel der Verbesserung der Energieeffizienz in bedürfe, sobald dies die wirtschaftliche Si- Höhe von HRK 5.67 Mrd. Das Versprechen tuation wieder zuließe. Der SDP-Vertreter den Mutterschutz um zwei Monate zu ver- Davor Bernardic verwies dann darauf, dass längern würde jährlich HRK 300 Mio. kosten der größte Anteil (80%) der Forschungs- und die weiteren angekündigten Maßnah- ausgaben Personalkosten seien, und es men zur Verbesserung der sozialen bzw. deshalb darum gehen müsse, die in Wissen- lokalen Infrastruktur würden jährlich noch-

3

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. mal mit HRK 500 Mio. zu Buche schlagen. Auskunft über den Umfang der erhaltenen Auf der Einnahmenseite würde die Abschaf- Wahlkampfspenden, an denen sowohl die KROATIEN fung des Gesundheitsbeitrags von aktuell Popularität als auch die mögliche Abhängig- DR. MICHAEL A. LANGE 3% den Haushalt um HRK 39.97 Mio. bzw. keit einzelner Parteien von Großspendern weitere HRK 300 Mio. entgangene Steuer- abgelesen werden konnte. 06. November 2015 einnahmen belasten. Insgesamt würden diese Maßnahmen das kroatische Budgetde- Die folgende Übersicht zeigt, dass die bei- www.kas.de/kroatien fizit jährlich um HRK 6.8 Mrd. erhöhen. den großen Volksparteien, als Favoriten für einen Wahlsieg, die meisten Mittel einwer- Die HDZ-Koalition hat ihrerseits verspro- ben konnten, um diese jedoch sofort wieder chen, die Renten auf ein Niveau von 60% in den Wahlkampf zu investieren. Aufhor- des kroatischen Durchschnittseinkommens chen ließ die Summe von HRK 837.127, anzuheben, was zu jährlichen Mehrausga- welche die SDP-Koalition für die Consulting- ben in Höhe von HRK 4.6 Mrd. (ca. 600 Mio. leistungen der US-Beraterfirma: „Penn Eruo) führen würde. Die in Aussicht gestell- Schoen Berland (PSB) aufbringen musste, te Prämie für jedes Neugeborene in Höhe während die Vertreter der HSSB angaben, von 1.000 Euro würde das Budget zusätzlich dass ihr überwiegend aus Eigenmitteln auf- um HRK 317.2 Mio. belasten, während die gebrachter überdurchschnittlicher finanziel- 5%ige Erhöhung des Mutterschaftsgeldes ler Einsatz damit zusammenhinge, dass mit weiteren Kosten in Höhe von HRK 45 man diese Wahlen, als für die eigene Partei Mio. verbunden wäre. Auf der Einnahmen- von historischer Bedeutung ansehe und sie seite würde eine Senkung er MwST. von ak- diese im Sinne eines „now or never“ ange- tuell 25% auf 23% zu einem Einnahmeaus- hen wolle. fall von jährlich HRK 3.27 Mrd. (ca. 420 Mio. Euro) führen, während weitere Wahlver- Übersicht: Spenden und Wahlkampfaus- sprechen mit jährlich HRK 8.2 Mrd. zu Bu- gaben che schlagen würden. 2 Koalitionen: Spenden Ausgaben Anzahl

HDZ + Co. 2,477.911 3,880.000 432

Die kroatische NGO „Plattform 112“ be- Family 180.000 98.000 70

zeichnete diese Vorhaben deshalb als un- Konservative 133.000 140.000 realistische Versprechen, welche zum einen MOST 215.000 300.000 51 sowieso von den Steuerzahlern selbst be- HDSSB 726.000 605.000 zahlt werden müssten und zum anderen Bandic 1,200.000 gleichzeitig gegen eingegangene Verpflich- IDS-PGS 470.000 tungen der kroatischen Regierung im Zu- sammenhang mit dem “Excessive Deficit ORaH 260.000 170.000 25

3 Procedure” verstoßen würden. Josipovic 417.925 936.000 42 SDP + Co. 32.600 10,000.000

4 Die Finanzierung des Wahlkampfes

Zu dem gesetzlich vorgegebenen Termin Letzte Umfragen: HDZ(63) – SDP(60)

vor den Wahlen gaben die meisten Parteien Nach letzten Anfang Oktober vom Mei- nungsforschungsinstitut „Promocija plus“

durchgeführten Umfragen von mehr als 2 NGOs: Two largest coalitions making unreal- 10.000 Wählern in (den) 10 kroatischen istic promises, Nov 4 (Hina) Wahlbezirken würde das oppositionelle 3 NGOs Calculate Budget Cost of Political Par- ties “Unrealistic” Election Promises, Wednesday HDZ-Wahlbündnis es wahrscheinlich auf et- DNEVNIK.HR online edition, wa 63 Mandate, das SDP-Wahlbündnis da- http://tinyurl.com/owcfwnf 4 Political Parties and Coalitions Publicize Par- gegen nur auf 60 Mandate bringen, was es tial Financial Reports zur Erreichung einer regierungsfähigen Monday HRT online edition Mehrheit von mindestens 76 Mandaten er- http://tinyurl.com/oej9xwn Monday JUTARNJI LIST online edition forderlich machen würde, mindestens weite- http://tinyurl.com/poj5n6j re 13 (16) Abgeordnete von einer Zusam-

4

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. menarbeit in einem politischen Zweckbünd- dieser Wahl diesmal nur noch 41 individuel- nis (Koalition) zu überzeugen. le Kandidaten –und damit 15 (31) weniger, KROATIEN Für ein solches Zweckbündnis böten sich als vor vier Jahren 2011 (2007) als Vertre- DR. MICHAEL A. LANGE nach diesen Meinungsumfragen eine Reihe ter der verschiedenen anerkannten kroati- von kleineren Parteien/-bündnisse an; wo- schen Minderheiten um eines der acht Par- 06. November 2015 bei man der unabhängigen Liste (MOST) bis lamentsmandate beworben. zu 5 Mandate und der slawonischen Regio- www.kas.de/kroatien nalpartei (HDSSB), wie auch dem Wahl- Nach diesen Umfragen sieht es also nach bündnis der istrischen Regionalpartei (IDS) einem knappen „Wahlsieg“ des HDZ- mit der (PGS) und dem Wahlbündnis des Wahlbündnisses über die Regierungskoaliti- Zagreber Bürgermeisters, Milan Bandic on aus, wobei aber eine parlamentarische (Bandic 365) jeweils weitere 3 Mandate zu- Mehrheit erst noch „geschmiedet“ werden traue. müsste. Schon im Jahre 2007 hatte es nach den damaligen Parlamentswahlen eine ge- Jeweils ein weiteres Mandat traut man zu- raume Zeit gedauert, bis die HDZ eine ent- dem der Bewegung des politischen Nach- sprechende Unterschriftenliste bzw. eine wuchs von der Human Wall und den kroati- solche Mehrheit der Mandate vorweisen schen „Grünen“ von ORaH zu. konnte. Dabei ist auch noch zu berücksich- tigen, dass das in Kroatien angewandte Ausgenommen von dieser Meinungsumfrage d´Hondt Verfahren bei der Zuteilung der blieb jedoch der 11. Wahlbezirk der kroati- Mandate generell zu einer Benachteiligung schen Diaspora, deren zu vergebenen drei kleinerer Parteien führt. Sollte es also zu (3) Mandate bisher immer alle der HDZ zu- großen Unterschiede in den Parteistärken in gefallen sind und der 12. Wahlbezirk in dem einzelnen Wahlbezirken kommen, ginge das die acht (8) Vertreter der kroatischen Min- zu Lasten der kleineren Parteien. derheiten bestimmt werden. Nachdem es kurz vor dem Wahltag immer Überblick: Letzte Umfragewerte (Okt. 2015) (Wk1=Wahlkreis1 , Zagreb Stadt) wahrscheinlicher geworden ist, dass es ei-

Wahlbündnis nen sehr knappen Wahlausgang geben wür- Sitze kum. WK 1 Zagreb : de, verschob sich das öffentliche Interesse an den Wahlen zuletzt von den Inhalten und HDZ + Co. 63 30,0 26,3 medialen Aspekten des Wahlkampfes hin zu Diaspora 3 66 der Diskussion über mögliche Szenarien

immer wahrscheinlicher werdender Koaliti- MOST 5 71 9,4 8,2

onsverhandlungen. Sollte es also bis zu dem

Minderheiten 8 Wahltag – wie jetzt erwartet – bei dem ak-

tuellen Kopf-an Kopf Rennen der beiden

HDSSB 3 71 Volksparteien (-Koalitionen) in den Vorher- Bandic 365 3 68 5,8 sagen bleiben und sich diese auch im end- IDS-PGS 3 65 gültigen Wahlergebnis bestätigen und keine der beiden Volksparteien (-Koalitionen) eine ORaH 1 62 5,6 regierungsfähige Mehrheit der Mandate ge- Human Wall 1 61 5,1 winnen, dann beginnt die Suche nach Koali- SDP + Co. 60 35,7 31,4 tionen mit kleineren Parteien um eine solche 5 Mehrheit zustande zu bringen. 150 Nun ist inzwischen jedoch ein Disput über

die Rechte und Pflichten der Staatspräsiden- Dabei ist wichtig zur Kenntnis zu nehmen, tin im Prozess der Mehrheitsfindung nach dass das SDP-Wahlbündnis aus verfas- Parlamentswahlen entstanden. Die bisherige sungsrechtlicher Überzeugung im 11. Wahl- bezirk gar keine Kandidaten aufgestellt hat, weil man gegen das Wahlrecht der Aus- 5 Four Scenarios for Forming Post-election landskroaten eingestellt ist. Government, Sunday JUTARNJI LIST online edition, http://tinyurl.com/q9pee98 Im 12. Wahlkreis haben sich dagegen vor

5

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Praxis der Vergabe des Auftrags zur Regie- pen?) Wahlergebnisses in eine zweite Aus- rungsbildung an den Spitzenkandidaten des einandersetzung über die Mobilisierung klei- KROATIEN Wahlbündnisses, der eine Unterschriftenliste nerer, aber notwendiger Koalitionspartner DR. MICHAEL A. LANGE der Mehrheit der gewählten Abgeordneten werden eintreten müssen. vorweisen konnte, wurde als nicht unbe- 06. November 2015 dingt „verfassungsrechtlich geboten“ einge- Als größte Gruppe möglicher Ansprechpart- schätzt, was der Staatspräsidentin die Mög- ner böten sich also die parteipolitisch eher www.kas.de/kroatien lichkeit eröffnen würde stattdessen – wie in „ungebundenen“, neu-gewählten Vertreter vielen anderen Ländern üblich – dem Spit- der anerkennten Minderheiten in Kroatien zenkandidaten des Wahlbündnisse den Re- an. Grundsätzlich böten sich wegen der un- gierungsauftrag zu erteilen, der die meisten terstellten „ideologischen Nähe“ zur HDZ, Stimmen auf seine Kandidatenliste vereinen Mandatsträger aus den Reihen von MOST konnte. Vertreter der kroatischen Zivilge- und den „Reformisten“ um den ehemaligen sellschafft haben sich deshalb zuletzt mit HNS Wirtschaftsminister Radomir Cacic an, der Bitte an die Staatspräsidentin gewandt, dem jedoch in den bisherigen Umfragen sich doch schon vor Auszählung der Stim- kein Gewinn eines eigenen Mandat zuge- men zu diesem Sachverhalt zu erklären und traut wird. Kompliziert wird eine solche Su- mitzuteilen, nach welchem Prinzip sie den che durch den fehlenden „Fraktionszwang“, Auftrag zur Regierungsbildung zu vergeben so dass jeder gewählte Abgeordnete indivi- beabsichtigt. Dies hat die Staatspräsidentin duell überzeugt werden muss, dem HDZ bis zum heutigen Tage verweigert. Spitzenkandidaten seine Stimme zu ge- ben/leihen, was natürlich zu intransparen- Endkampf um Koalitionspartner ten gegenseitigen Verpflichtungen führen kann. Betrachtet man die Anordnung in un- Damit stellt sich die Frage nach dem „Koali- serer Übersicht zu möglichen Koalitionen, tionspotential“ der beiden Wahlbündnisse, welche die unterstellte Nähe der Parteien wobei es wahrscheinlich um ca. 30 „dispo- zueinander zum Ausdruck zu bringen ver- nible“ Mandate gehen wir, die es gilt, auf sucht, so wäre eine Vereinbarung der HDZ „seine Seite“ zu ziehen. In diesem Zusam- (63) mit den gewählten Diaspora- (3) und menhang erscheint es vielen Beobachtern einigen Minderheitenvertreter (5) sowie den ganz entscheidend, wer unter diesen Um- MOST Repräsentanten (5) denkbar um eine ständen „den ersten Aufschlag machen“ und knappe Mehrheit (76) zu erreichen. mit dem Auftrag zur Regierungsbildung im Hintergrund auf diese Abgeordneten bzw. Unter dem Druck einer solchen möglichen potentiellen Koalitionspartner zugehen darf. Einigung wären dann die unbedingt an einer Es wurden deshalb verschiedene, mögliche Regierungsbeteiligung interessierten Regio- Szenarien diskutiert: nalparteien, der „Istrian Democratic Con- gress“ (IDS) und die „Croatian Democratic I. Szenario: Alliance of and Baranja“ (HDSSB) HDZ-angeführte Regierungsbildung geradezu gezwungen, sich mit ihren jeweils (2x3) Vertretern einem solchen Regierungs- Für den Fall, dass das HDZ Wahlbündnis bündnis doch noch anzuschließen, was ge- vorne liegen sollte und die Staatspräsidentin meinsam mit den gewählten Abgeordneten dem HDZ-Vorsitzenden den Auftrag zur Re- der Liste des Zagreber Bürgermeisters Ban- gierungsbildung übertragen würde, bräuch- dic (3) für die neue HDZ Regierung zu einer te die HDZ (63+3 Diaspora) in einem ersten komfortableren Mehrheit von insgesamt 87 Szenario die Unterstützung von nur noch 10 Mandaten führen könnte. weiteren Abgeordneten (Mandate), um eine regierungsfähige Mehrheit im Parlament Zu berücksichtigen ist auch, dass manchen hinter sich zu wissen. Führer kleinerer Parteien, wie etwa Branimir Glavas (HDSSB) und Milan Bandic (Bandic Viele politische Beobachter glauben nun, 365) weniger an einem Parlamentsmandat dass die beiden Wahlbündnisse der Volks- als an der Immunität gelegen sein könnte, parteien nach der Verkündung des (knap- die eine Regierungsbeteiligung mit sich

6

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. bringen würde, da beide ansonsten mit wei- 12 anerkannten Minderheit es Landes, da- teren Gerichtsverfahren gegen sich rechnen runter auch der Deutschen. 8 KROATIEN müssten. Insgesamt scheint jedoch klar, dass ein DR. MICHAEL A. LANGE knappes Wahlergebnis den Preis der poten- II. Szenario tiellen Koalitionspartner für eine Regie- 06. November 2015 SDP-angeführte Regierungsbildung rungsbeteiligung eher hoch treiben könnte und damit womöglich deutlich weniger Ka- www.kas.de/kroatien In einem alternativen II. Szenario, in dem binettsposten oder lukrative Funktionen in die Staatspräsidentin keinen unmittelbaren Staatsunternehmen für die Wahlgewinner Regierungsauftrag erteilt, sondern entspre- übrig bleiben würden als erwartet, was si- chende Konsultationen der Parteien abwar- cher zu erheblichen Frustrationen bei den tet, hätte dann auch ein möglicherweise Wahlsieger führen könnte. knapp unterlegenes SDP-Wahlbündnis die Chance, die fehlenden 16 Mandate zu errin- Alle diese Überlegungen bzw. Spekulationen gen, indem sie den bisherigen Koalitions- machen die Breite der möglichen Koaliti- partner IDS/PGS (3) sowie alle Minderhei- onsoptionen deutlich, wobei noch nicht ein- tenvertreter (8) auf ihre Seite ziehen könn- mal die Möglichkeit einer „Großen Koalition“ te. Die fünf restlichen Mandate müssten zwischen den beiden Volksparteienbündnis- dann entweder von der HDSSB (3) und der sen in die Betrachtung einbezogen wurde. Liste Bandic (3) oder vielleicht sogar von Eine solche „Große Koalition“ hatte unter den Nachwuchspolitikern der Human Wall der Annahme der Realisierung der aktuellen (1) kommen 6. 7 Umfrageergebnisse zwar eine komfortable 2/3-Mehrheit von 63+60 = 123 Mandaten, Minderheitenvertreter als Mehrheitsbe- müsste jedoch die existierenden erheblichen schaffer? persönlichen Animositäten zwischen den beiden Spitzenkandidaten überwinden. Geht man von den besagten Umfragewerten aus und rechnet man den beiden großen Klar ist, und das mag bei einem entspre- Koalitionen Schritt für Schritt die Mandate chenden Wahlergebnis die Chancen für eine ideologisch nahe stehender potentieller Koa- „Große Koalition“ erhöhen, dass das Regie- litionäre hinzu, droht ein Gleichstand von 71 ren mit eine Vielzahl von kleineren Koaliti- Mandaten. Dies könnte dazu führen, dass onspartnern bzw. Vertretern von Kleinstpar- die 8 zu vergebenen „Minderheiten“- teien erheblich schwieriger wäre als es in Mandate den Ausschlag geben könnten. der Vergangenheit der Fall. Bedenkt man, Von diesen Mandaten geht wenigstens 1 dass schon die Wahlbündnisse bzw. Listen- Mandat, höchstens jedoch 3, an Vertreter verbindungen der beiden kroatischen Volks- der serbischen Minderheit, jeweils ein weite- parteien HDZ und SDP selbst zahlreiche res an Vertreter der ungarischen und italie- Vertreter von Kleinstparteien integrieren nischen Minderheit, sowie ein weiteres ge- mussten, so darf man die Gefahr einer tota- meinsames Mandat an einen Vertreter der len parteipolitischen Zersplitterung der Re- tschechischen und slowakischen Minderheit. gierungsarbeit nicht unterschätzen. Umfra- Ein weiteres Mandat geht dann noch an ei- gen besagen, dass die Anhänger der beiden nen Vertreter der albanischen, bosniaki- Volksparteien einer solchen „Großen Koaliti- schen, montenegrinischen, mazedonischen on“ durchaus wohlwollend gegenüberste- und slowenischen Minderheit und das achte hen, vor allem, wenn dadurch die Bildung Mandate an einen Kandidaten der übrigen einer Minderheitsregierung oder gar Neu- wahlen verhindert werden könnten. Statt

sich der erwarteten „Erpressung“ durch Kleinstparteien auszusetzen, könnten sich 6 Analysis of “Two Most Likely Scenarios” for Post-election Formation of New Government die beiden Volksparteien dann auf die politi- Friday JUTARNJI LIST online edition http://tinyurl.com/poss69h

7 Role of Former SDP Members in Trying to Help it Win Second Government Mandate, Tuesday JUTARNJI LIST online edition, 8 Fewer candidates for minority constituency, http://tinyurl.com/nwlkm6t ZAGREB, Oct 22 (Hina)

7

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. schen Projekte konzentrieren, die sie ent- viele allein die Wahl zwischen den zwei weder ohnehin beide befürworten, wie etwa Spitzenkandidaten als entscheidend an, wo- KROATIEN den Status quo im administrativen Staats- bei im Falle eines auch nach den Wahlen DR. MICHAEL A. LANGE aufbau oder gemeinsam die notwendigen, wohl andauernden und von vielen erwarte- aber schmerzhaften Reformen anzupacken, ten Reformstaus, die Frage gestellt wird, 06. November 2015 derer das Land dringend bedarf. welcher dieser beiden Kandidaten dem Druck der Geldgeber aus dem Ausland bes- www.kas.de/kroatien Wer wird neuer Ministerpräsident? ser gerecht werden, bzw. standhalten kön- ne. Gleichzeitig befürchten viele, dass der Blickt man von den politischen Parteien weg HDZ Vertreter inzwischen erlangte bürgerli- auf deren Spitzenkandidaten für das Amt che, bzw. individuelle Freiheiten wieder be- des zukünftigen kroatischen Regierungs- schneiden werde und befürchten eine Rück- chefs; so konzentriert sich die Betrachtung kehr zu „korruptem Nationalismus“, dem auf den bisherigen Ministerpräsidenten und sich der Amtsinhaber Milanovic entgegenzu- SDP Vorsitzenden Zoran Milanovic und den stellen vorgibt. Einige Kritiker sehen in Ka- Oppositionsführer und ehemaligen HDZ- ramarko keinen „lupenreinen“ Demokraten Innenminister, . und ziehen immer wieder Vergleiche mit Zynische politische Kommentatoren, wie die dem innenpolitischen und partei-internen kroatische Journalistin Jelena Lovric, haben Gebaren des ungarischen bzw. russischen diese Auseinandersetzung als “…clash of Präsidenten. Der kroatische Journalist two political anti-heroes.” beschrieben und Zdenko Duka schreibt dem SDP Spitzen- damit schon ihrer Missachtung beider Kan- kandidaten Milanovic zwar auch entspre- didaten zum Ausdruck gebracht. Zoran Mi- chende Schwächen zu, sieht ihn aber durch lanovic wird dabei als ein “vehementer Po- seine erfolgreiche Krisenbekämpfung in den pulist” und Tomislav Karamarko als ein letzten Wochen gestärkt.12 Er habe, so “konspirativer Manipulator“ beschrieben, der Duka, als Mensch und Politiker dabei an Politik vorzugsweise intransparent aus dem Statur gewonnen und man könne nun da- Hintergrund zu steuern bestrebt sei.9 Mila- rauf vertrauen, dass er seine pragmatische, novic gilt zwar als zweifellos intelligenter, auf die Wahrung der Menschenrechte aus- gut ausgebildeter, ehemaliger Diplomat der gerichtete, liberale Politik beibehalten wer- eher für seine politische Angriffslust als für de, was Duka von dem HDZ Vorsitzenden seinen Arbeitseinsatz berühmt ist, während dagegen nicht erwarte. Karamarko zwar ein ähnlicher Arbeitsethos zugeschrieben wird, gleichzeitig aber auch Für den Eigentümer der PR-Agentur ein eher provinzieller, im Umfeld katholi- Manjgura, Kresimir Macan, besteht der we- scher klerikaler Kreise und der Geheim- sentliche Unterschied zwischen beiden Kan- dienste geformter Charakter nachgesagt didaten in der Extrovertiertheit (Milanovic) wird, der ihn überall um sich herum, zu be- und der Introvertiertheit (Karamarko) ihrer kämpfende Feinde erkennen lässt, so Lo- jeweiligen Charaktere, ihrer verschiedenen vric. 10 Milanovic sehe sich als letzte Bastion beruflichen Laufbahnen und der Tatsache, des linken politischen Lagers zur Bewahrung dass Milanovic gewohnt sei, politischen Aus- seiner zivilisatorischen Errungenschaften, einandersetzungen gerne alleine, bzw. auf während Karamarko das notwendige Cha- sich allein gestellt auszutragen, während risma zur Kontrolle des rechts-nationalen Karamarko diese oft an andere delegiert politischen Spektrums in Kroatien schlicht- und lieber im Hintergrund agiert. 13 weg abgesprochen wird.11 Angesicht der sehr ähnlichen Wahlpro- Werden die kroatischen Bürger zu ihrer Prä- gramme der beiden Volksparteien sehen ferenz hinsichtlich des kommenden Regie-

9Analyses of Milanovic and Karamarko as Lead- ing Candidates for Next PM, Sunday JUTARNJI 12 Analyses of Milanovic and Karamarko as LIST online edition Leading Candidates for Next PM, Sunday NOVI http://tinyurl.com/ox3sdu7 LIST online edition 10 Ebenda http://tinyurl.com/qh6gl5e 11 Ebenda 13 Ebenda

8

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. rungschefs befragt, setzte sich in den zu- schen Ministerpräsidenten Kenny, des bul- rückliegenden Umfragen der SDP-Kandidat garischen Ministerpräsidenten Boyko Boris- KROATIEN Zoran Milanovic immer deutlich besser in sov, sowie der deutschen Abgeordneten DR. MICHAEL A. LANGE Szene, als sein Herausforderer.14 Manfred Weber (CSU) und Michael Schnei- der (CDU). 06. November 2015 Die letzten Wahlkundgebungen vor der ver- ordneten „Stille“ vor der Stimmabgabe zeig- www.kas.de/kroatien ten ein eher bescheidenes Interesse der Vor dem Hintergrund des Gesagten sei noch SDP-Anhänger, die deutlich weniger zahl- einmal auf das bisher nahezu undenkbare reich zu der Abschlussveranstaltung der Szenario einer „Großen Reformkoalition“ SDP auf dem Zagreber Jelacic-Platz ge- aus HDZ und SDP hingewiesen, die sich kommen waren, als die HDZ-Anhänger zu entweder eines „externen“ Ministerpräsiden- der entsprechenden „Großveranstaltung“ in ten, der keiner der beiden Volksparteien der großen Sport-„Arena“, für die ca. angehört, bedienen könnte oder einen 10.000 Anhänger der HDZ-Koalition mobili- Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten siert werden konnten. nach der ersten Hälfte der kommenden Le- gislaturperiode vorsieht, wie es in der Ver- Auf dieser Veranstaltung betonte Karamarko gangenheit bereits in anderen Ländern (Is- noch einmal den alten Wunsch seines Vor- rael) praktiziert worden ist. bilds und Staatsgründers Franjo Tudjman, Mit einer in einem solchen Fall zu erwarten- dass sich das linke und das rechte politische den deutlichen parlamentarischen 2/3- Spektrum im Land aus Liebe zu Kroatien Mehrheit könnten alle, vor allem wirtschaft- aussöhnen möge. Er verabscheue eine Spal- lichen und finanzpolitischen Reformvorha- tung der kroatischen Gesellschaft und trete ben, die das Land unbedingt benötigt, leich- für eine patriotische Anstrengung aller Bür- ter bzw. gegen einen geringeren (parlamen- ger zur Überwindung der wirtschaftlichen tarischen) Widerstand durchgesetzt werden, Krise ein. 15 Man müsse nicht immer den als mit den sonst drohenden „knappen gleichen ideologischen Standpunkt vertre- Mehrheiten“. Auch wenn solche Koaliti- ten, aber man solle sein Land lieben und für onsoptionen in Krisenländern, wie Griechen- dessen Zukunft arbeiten und genau dies land und Portugal, bisher noch nicht ergrif- wolle er als zukünftiger Ministerpräsident fen worden sind, halten einige politische Kroatiens tun. Er stehe für Aussöhnung ein Beobachter dies für keinen ausreichenden und bestreite keinem Mitglied einer anderen Grund, bei einem entsprechend knappen Partei seinen Patriotismus ohne Grund. Wahlergebnis auch eine solche Möglichkeit ins Auge zu fassen bzw. nicht von vorne Im Rahmen der Veranstaltung sprach auch herein auszuschließen. der ehemalige Ministerpräsident der Slowa- kei, Mikulas Dzurinda der (in kroatischer Abschließend sei noch auf das aktuelle Sprache) auf die positiven Erfahrungen sei- schöne, sonnige Wetter in Kroatien hinge- nes Landes mit Reformen hinwies, die er wiesen und die möglichen Auswirkungen auf auch Kroatien empfehlen wolle. Er bot seine die Wahlbeteiligung. Da eine Stimmabgabe Unterstützung im von Karamarko angekün- nur am Wohnort möglich ist, könnten Wo- digten Reformprozess an und verwies auf chenendurlauber sonnige Stunden an der die zahlreichen Grußadressen anderer euro- Adria oder in den Bergen einer Stimmabga- päischer Politiker, wie etwa des ungarischen be vorziehen und damit die Wahlbeteiligung Ministerpräsidenten Viktor Orban, des iri- senken. Beobachter glauben, dass davon die HDZ-Koalition profitieren könnte, denn ihr wird es als Opposition leichter fallen als der Regierungskoalition, ihre Anhänger zur 14 Polls Predict HDZ Coalition will Win 63 Sabor Seats, SDP 60 Thursday RTL TELEVIZIJA online Stimmabgabe zu bewegen. edition,

15 Karamarko would like to see 's left, Es bleibt halt spannend bis zum Schluss! right wings united in love for homeland, ZA- GREB, Nov 6 (Hina) -