WFG 38 Februar 2020
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Venedigreise zum R W V I - Kongress 2019 Mitte November und Acqua Alta in Vorsitzenden durch den Besuch und Wir BegleiterInnen des Präsidenten Venedig – die Nachrichten über das vor allem die lange Dauer der Dele- konnten uns demgegenüber dem Hochwasser machten uns Teilneh- giertenversammlung verborgen. War Rahmenprogramm des Kongresses merInnen an der Venedigreise nervös. diese schon auf nahezu vier Stunden widmen. Am ersten Abend gab es ein Der RWVI-Kongress wird doch nicht anberaumt, rächte sich der Versuch, Konzert mit jungen SängerInnen, alles abgesagt werden? Doch das Wasser vorerst fast alle Tagesordnungspunkte StipendiatInnen der lokalen Wagner- ging langsam zurück und wir stiegen abzuhalten, dann umfassende Wahlen gesellschaft, im Teatro La Fenice: zuversichtlich in den Flixbus, der uns zu veranstalten und nach langwieri- Ausschnitte aus „Tristan und Isolde“ über Marburg, Laibach und Triest in die gem Auszählen noch weitere Tages- und anderes mehr. Lagunenstadt brachte. Letzte Zweifel ordnungspunkte erledigen zu wollen. am Gelingen der Reise wurden mit Mit Vierdreiviertelstunden Dauer erin- Am nächsten Vormittag stand die einer Runde Prosecco zerstreut. Der nerte die Delegiertenversammlung Führung „Auf den Spuren Richard Pegelstand in Venedig war tatsäch- letztlich an ein durchaus langatmiges Wagners“ am Programm. Wir fanden lich schon so weit zurückgegangen, Dirigat des „Parsifal“, wie es zwischen- das Lieblingsbankerl Wagners, Hotels dass nur noch der Markusplatz bei Flut durch in den 80er Jahren – sohin in und Paläste, in denen er Quartier etwa 10 cm unter Wasser stand, auch Abkehr zu Pierre Boulez, wenngleich nahm, wo er sich von der Welt zurück- nicht harmlos, wie sich noch heraus- nicht so eindrucksvoll und erhebend zog und die Eindrücke Venedigs in stellen sollte. wie bei Hans Knappertsbusch – durch- Musik verwandelte. aus zu erleben war. Die Teilnahme an der Wahl des neuen Ein absolutes Highlight war erwar- Vorsitzenden des RWVI war Sache Der entscheidende Punkte der Dele- tungsgemäß Helga Bernharts Führung unseres Präsidenten Alexander Singer, giertenversammlung war freilich, dass abseits der touristischen Trampel- hier seine Zusammenfassung: in der Kampfabstimmung zwischen pfade: Drehorte zur Serie Commissario dem Vorsitzenden des Richard Wagner Brunetti nach den Romanvorlagen von „Wäre das Acqua Alta nicht in den Verbandes Berlin, Rainer Fineske, und Donna Leon, darunter auch die origi- letzten zwei Wochen vor unserem dem Vorsitzenden des Richard Wagner nale und echte „Osteria da Alberto“, Eintreffen nachhaltig zurückgegan- Verbandes München, Karl Russwurm, in der wir gut bewirtet wurden. Außer gen, hätte sich Anlass zur Verwen- sich letztlich mit doch deutlicher uns speisten dort nur Einheimische - dung des von meinem älteren Sohn Mehrheit Rainer Fineske, der nahezu ein echter Geheimtipp! Danach noch Maximilian geprägten Bonmots „Der 60 % der Stimmen auf sich vereinigen ein kurzer Besuch in einem Steh- Kongress schwimmt“ gegeben. Der konnte, durchsetzte.“ beisl mit gutem Wein, Grappa und höchste Wasserstand blieb dem musikalischer Begleitung, die uns von der Gasse ins Lokal gefolgt war stand hinweggetröstet hatten, dass durch Myung-Whun Chung und die und die Reisegruppe zum Tanzen im Teatro La Fenice keine Aufführung SängerInnenleistungen: von Piero brachte! von Richard Wagner, sondern ein Verdi Pretti (Don Carlo), Julian Kim (Posa) präsentiert wird, fand am Samstag und vor allem Maria Agresta als Elisa- Vergessen war ein kleines Missge- als zentraler Programmpunkt eine in betta (diese war in Graz bereits bei schick am Beginn der Führung nach jeglicher Hinsicht interessante Vorstel- einer konzertanten Aufführung der dem eindrucksvollen Besuch der lung des „Don Carlo“ statt. „Giovanni d‘Arco“ im Stefaniensaal zu Sonntagsmesse im Markusdom: Die hören). Gruppe wurde durch ansteigendes Bemerkenswert ist die Regie von Wasser auf dem Markusplatz getrennt Robert Carsen, die sich spätestens am Das Schlussdiner des Kongresses in und die Nachzüglerinnen mussten ihre Ende des vorletzten Aktes insofern morbider Eleganz und bei freundlicher nassen Schuhe und Strümpfe in unse- zuspitzt, als der Marquis Posa nach Bewirtung im Palazzo Pisani fiel leider rem zum Glück nahegelegenen Hotel seiner Liquidierung vom Großinquisi- etwas sparsam aus, was aber unsere Casanova wechseln. tor mit Handschlag wieder zum Leben Stimmung nicht trüben konnte. erweckt wird. Völlig unkonventionell Als Abschluss besuchten wir den zeigt sich der Schluss des letzten Aktes, Der Abschied von Venedig erfolgte Fondaco dei Tedeschi, die mittelal- in dem nicht nur Carlos erschossen bei leichtem Regen mit einer Fahrt im terliche Niederlassung deutscher wird, sondern gleich darauf auch sein Vaporetto entlang des Canal Grande, Kaufleute, heute ein moderner Vater Philipp, woraufhin der Marquis vorbei am Palazzo Vendramin mit der Einkaufstempel, eine bemerkenswer- Posa im gekrönten Ornat des Kaiser Gedenktafel für den hier verstorbenen te Ansammlung von Luxusboutiquen. Karl V. erscheint und dem Stück damit Riccardo Wagner. Der Blick von der Dachterrasse auf die ein ungewohntes Ende gibt, welches Grazie Venezia! Stadt war überwältigend. zweifellos zum Nachdenken anregte. Wir werden uns sicher wiedersehen! Nachdem sich alle versammelten Hervorzuheben sind auch das ein- Manfred Oberreither und Kongressteilnehmer über den Um- drucksvolle und partiturlose (!) Dirigat Alexander Singer v. links oben nach rechts unten: Fondaco dei Tedeschi – ein moderner Einkaufstempel und unsere WFG Reisegruppe auf dessen Dachterrasse, Führung 2 Dogenpalast und Markusdom, Im Stehbeisl, Wagner- Gedenktafel im Cae Lavena © Privat Ohne Bayreuth undenkbar: Engelbert Humperdincks „Königskinder“ Wiewohl der am 1. September 1854 imponiert Wagner so sehr, dass er Dann will er eigentlich weg von den im rheinländischen Siegburg gebo- dem jungen Komponisten die Gunst Märchenstoffen, lehnt Dutzende rene Engelbert Humperdinck von einer halbstündigen Unterredung Märchenlibretti, die ihm zugesandt seinem Vater, einem Gymnasiallehrer, gewährt: „Die halbe Stunde, die ich werden, ab, bis Ernst Porges sich eigentlich für den Beruf des Archi- mich mit dem Meister über wichtige seines ehemaligen Kollegen aus tekten vorgesehen ist, gibt doch die Angelegenheiten der Kunst, nament- Bayreuth erinnert und diesen ersucht, Musikbegeisterung seiner Mutter lich der seinigen, unterhalten habe, doch für seine Tochter Elsa die den weiteren Lebensweg vor. Seine darf ich wohl für einen der anregends- Komposition einer Schauspielmusik Eltern anerkennen seine musikalische ten und erhebendsten Momente zu übernehmen. Elsa Porges hat einst Begabung und erlauben ihm schließ- meines Lebens halten“, fasst Humper- im Kindesalter im Uraufführungs- lich das Studium am Konservatori- dinck die Begegnung zusammen. jahr des „Rings des Nibelungen“ den um in Köln. Dort erhält er Unterricht gesamten Zyklus erlebt und ist sogar bei Friedrich Hiller, und dank des Sie bleibt nicht folgenlos, denn Wagner als jüngste Festspielbesuche- Mozart-Preises der Stadt Frankfurt Wagner bietet ihm am 8. Mai 1880 an, rin vorgestellt worden. ist es ihm möglich, sein Studium in sein Assistent in Bayreuth zu werden, München bei Joseph Rheinberger wo Humperdinck in die Vorbereitung Nach einem anfänglichen und wenig und Franz Lachner fortzusetzen. zur Uraufführung des „Parsifal“ invol- erfolgreichen Versuch in der Schau- viert ist. Mit Genehmigung Wagners spielerei findet sie ihre Bestimmung Dort kommt es zur entscheiden- darf Humperdinck, um einen Umbau in der Dichtung und schreibt u. a. ein den Begegnung mit dem Schaffen zu überbrücken, sogar eine kleine Schauspiel mit dem Titel „Königskin- Richard Wagners. Humperdinck Übergangsmusik schreiben, die aller- der“. Davon ist Humperdinck ange- studiert nicht nur dessen Schriften, dings nur im Uraufführungsjahr 1882 tan, hier findet er sich wieder, und sondern er verkehrt auch im Kreis von gespielt wird. hierzu schreibt er die Bühnenmu- Wagner-Adepten, die sich schlicht sik, die 1897 in München als Melo- „Orden vom Gral“ nennen. In der Wieder kommt es zu einer entschei- dram aufgeführt wird. Hier zeigt sich Münchener Hofoper gibt es die erste denden Begegnung: In Bayreuth Humperdincks enormes kreatives außerhalb von Bayreuth stattfinden- lernt Humperdinck den als Chorleiter Potenzial, denn er ist es, der den de zyklische Aufführung des „Rings verpflichteten Ernst Porges kennen, Sprechgesang konsequent einsetzt des Nibelungen“, die Humperdinck über den sich hartnäckig das – nie und dafür auch eine eigene Form selbstverständlich besucht. Als er den verifizierte, aber auch nie widerlegte der Notation erfindet, die später Ersten Preis der Mendelssohn-Stif- – Gerücht hält, er sei ein natürlicher beispielsweise von Arnold Schönberg tung gewinnt, ist ihm 1879 ein einjäh- Sohn von Franz Liszt und also Halb- in dessen „Pierrot lunaire“ aufgenom- riger Studienaufenthalt in Italien bruder von Cosima Wagner. Nach men wird. Doch die Schauspieler sind möglich. dem Tode Richard Wagners im Jahre davon überfordert, die Sänger unter- 1883 sucht Humperdinck, wie etliche fordert. Wenngleich die „Königskin- Hier kommt es wieder zu einer andere Komponisten seiner Genera- der“ in der melodramatischen Version entscheidenden Begegnung, denn tion, nach seiner eigenen künstleri- etliche Male nachgespielt werden, am 9. März 1880 lässt Humperdinck schen Position und überwindet seine entscheidet sich Humperdinck Jahre nichts unversucht, bis er endlich in Sinnkrise mehr oder weniger zufäl- später, nachdem er mit Folgewerken Neapel