Venedigreise zum R W V I - Kongress 2019

Mitte November und Acqua Alta in Vorsitzenden durch den Besuch und Wir BegleiterInnen des Präsidenten Venedig – die Nachrichten über das vor allem die lange Dauer der Dele- konnten uns demgegenüber dem Hochwasser machten uns Teilneh- giertenversammlung verborgen. War Rahmenprogramm des Kongresses merInnen an der Venedigreise nervös. diese schon auf nahezu vier Stunden widmen. Am ersten Abend gab es ein Der RWVI-Kongress wird doch nicht anberaumt, rächte sich der Versuch, Konzert mit jungen SängerInnen, alles abgesagt werden? Doch das Wasser vorerst fast alle Tagesordnungspunkte StipendiatInnen der lokalen Wagner- ging langsam zurück und wir stiegen abzuhalten, dann umfassende Wahlen gesellschaft, im Teatro La Fenice: zuversichtlich in den Flixbus, der uns zu veranstalten und nach langwieri- Ausschnitte aus „Tristan und Isolde“ über Marburg, Laibach und Triest in die gem Auszählen noch weitere Tages- und anderes mehr. Lagunenstadt brachte. Letzte Zweifel ordnungspunkte erledigen zu wollen. am Gelingen der Reise wurden mit Mit Vierdreiviertelstunden Dauer erin- Am nächsten Vormittag stand die einer Runde Prosecco zerstreut. Der nerte die Delegiertenversammlung Führung „Auf den Spuren Richard Pegelstand in Venedig war tatsäch- letztlich an ein durchaus langatmiges Wagners“ am Programm. Wir fanden lich schon so weit zurückgegangen, Dirigat des „“, wie es zwischen- das Lieblingsbankerl Wagners, Hotels dass nur noch der Markusplatz bei Flut durch in den 80er Jahren – sohin in und Paläste, in denen er Quartier etwa 10 cm unter Wasser stand, auch Abkehr zu Pierre Boulez, wenngleich nahm, wo er sich von der Welt zurück- nicht harmlos, wie sich noch heraus- nicht so eindrucksvoll und erhebend zog und die Eindrücke Venedigs in stellen sollte. wie bei Hans Knappertsbusch – durch- Musik verwandelte. aus zu erleben war. Die Teilnahme an der Wahl des neuen Ein absolutes Highlight war erwar- Vorsitzenden des RWVI war Sache Der entscheidende Punkte der Dele- tungsgemäß Helga Bernharts Führung unseres Präsidenten Alexander Singer, giertenversammlung war freilich, dass abseits der touristischen Trampel- hier seine Zusammenfassung: in der Kampfabstimmung zwischen pfade: Drehorte zur Serie Commissario dem Vorsitzenden des Brunetti nach den Romanvorlagen von „Wäre das Acqua Alta nicht in den Verbandes Berlin, Rainer Fineske, und Donna Leon, darunter auch die origi- letzten zwei Wochen vor unserem dem Vorsitzenden des Richard Wagner nale und echte „Osteria da Alberto“, Eintreffen nachhaltig zurückgegan- Verbandes München, Karl Russwurm, in der wir gut bewirtet wurden. Außer gen, hätte sich Anlass zur Verwen- sich letztlich mit doch deutlicher uns speisten dort nur Einheimische - dung des von meinem älteren Sohn Mehrheit Rainer Fineske, der nahezu ein echter Geheimtipp! Danach noch Maximilian geprägten Bonmots „Der 60 % der Stimmen auf sich vereinigen ein kurzer Besuch in einem Steh- Kongress schwimmt“ gegeben. Der konnte, durchsetzte.“ beisl mit gutem Wein, Grappa und höchste Wasserstand blieb dem musikalischer Begleitung, die uns von der Gasse ins Lokal gefolgt war stand hinweggetröstet hatten, dass durch Myung-Whun Chung und die und die Reisegruppe zum Tanzen im Teatro La Fenice keine Aufführung SängerInnenleistungen: von Piero brachte! von Richard Wagner, sondern ein Verdi Pretti (Don Carlo), Julian Kim (Posa) präsentiert wird, fand am Samstag und vor allem Maria Agresta als Elisa- Vergessen war ein kleines Missge- als zentraler Programmpunkt eine in betta (diese war in Graz bereits bei schick am Beginn der Führung nach jeglicher Hinsicht interessante Vorstel- einer konzertanten Aufführung der dem eindrucksvollen Besuch der lung des „Don Carlo“ statt. „Giovanni d‘Arco“ im Stefaniensaal zu Sonntagsmesse im Markusdom: Die hören). Gruppe wurde durch ansteigendes Bemerkenswert ist die Regie von Wasser auf dem Markusplatz getrennt Robert Carsen, die sich spätestens am Das Schlussdiner des Kongresses in und die Nachzüglerinnen mussten ihre Ende des vorletzten Aktes insofern morbider Eleganz und bei freundlicher nassen Schuhe und Strümpfe in unse- zuspitzt, als der Marquis Posa nach Bewirtung im Palazzo Pisani fiel leider rem zum Glück nahegelegenen Hotel seiner Liquidierung vom Großinquisi- etwas sparsam aus, was aber unsere Casanova wechseln. tor mit Handschlag wieder zum Leben Stimmung nicht trüben konnte. erweckt wird. Völlig unkonventionell Als Abschluss besuchten wir den zeigt sich der Schluss des letzten Aktes, Der Abschied von Venedig erfolgte Fondaco dei Tedeschi, die mittelal- in dem nicht nur Carlos erschossen bei leichtem Regen mit einer Fahrt im terliche Niederlassung deutscher wird, sondern gleich darauf auch sein Vaporetto entlang des Canal Grande, Kaufleute, heute ein moderner Vater Philipp, woraufhin der Marquis vorbei am Palazzo Vendramin mit der Einkaufstempel, eine bemerkenswer- Posa im gekrönten Ornat des Kaiser Gedenktafel für den hier verstorbenen te Ansammlung von Luxusboutiquen. Karl V. erscheint und dem Stück damit Riccardo Wagner. Der Blick von der Dachterrasse auf die ein ungewohntes Ende gibt, welches Grazie Venezia! Stadt war überwältigend. zweifellos zum Nachdenken anregte. Wir werden uns sicher wiedersehen! Nachdem sich alle versammelten Hervorzuheben sind auch das ein- Manfred Oberreither und Kongressteilnehmer über den Um- drucksvolle und partiturlose (!) Dirigat Alexander Singer

v. links oben nach rechts unten: Fondaco dei Tedeschi – ein moderner Einkaufstempel und unsere WFG Reisegruppe auf dessen Dachterrasse, Führung 2 Dogenpalast und Markusdom, Im Stehbeisl, Wagner- Gedenktafel im Ca e Lavena © Privat Ohne Bayreuth undenkbar: Engelbert Humperdincks „Königskinder“

Wiewohl der am 1. September 1854 imponiert Wagner so sehr, dass er Dann will er eigentlich weg von den im rheinländischen Siegburg gebo- dem jungen Komponisten die Gunst Märchenstoffen, lehnt Dutzende rene Engelbert Humperdinck von einer halbstündigen Unterredung Märchenlibretti, die ihm zugesandt seinem Vater, einem Gymnasiallehrer, gewährt: „Die halbe Stunde, die ich werden, ab, bis Ernst Porges sich eigentlich für den Beruf des Archi- mich mit dem Meister über wichtige seines ehemaligen Kollegen aus tekten vorgesehen ist, gibt doch die Angelegenheiten der Kunst, nament- Bayreuth erinnert und diesen ersucht, Musikbegeisterung seiner Mutter lich der seinigen, unterhalten habe, doch für seine Tochter Elsa die den weiteren Lebensweg vor. Seine darf ich wohl für einen der anregends- Komposition einer Schauspielmusik Eltern anerkennen seine musikalische ten und erhebendsten Momente zu übernehmen. Elsa Porges hat einst Begabung und erlauben ihm schließ- meines Lebens halten“, fasst Humper- im Kindesalter im Uraufführungs- lich das Studium am Konservatori- dinck die Begegnung zusammen. jahr des „Rings des Nibelungen“ den um in Köln. Dort erhält er Unterricht gesamten Zyklus erlebt und ist sogar bei Friedrich Hiller, und dank des Sie bleibt nicht folgenlos, denn Wagner als jüngste Festspielbesuche- Mozart-Preises der Stadt Frankfurt Wagner bietet ihm am 8. Mai 1880 an, rin vorgestellt worden. ist es ihm möglich, sein Studium in sein Assistent in Bayreuth zu werden, München bei Joseph Rheinberger wo Humperdinck in die Vorbereitung Nach einem anfänglichen und wenig und Franz Lachner fortzusetzen. zur Uraufführung des „Parsifal“ invol- erfolgreichen Versuch in der Schau- viert ist. Mit Genehmigung Wagners spielerei findet sie ihre Bestimmung Dort kommt es zur entscheiden- darf Humperdinck, um einen Umbau in der Dichtung und schreibt u. a. ein den Begegnung mit dem Schaffen zu überbrücken, sogar eine kleine Schauspiel mit dem Titel „Königskin- Richard Wagners. Humperdinck Übergangsmusik schreiben, die aller- der“. Davon ist Humperdinck ange- studiert nicht nur dessen Schriften, dings nur im Uraufführungsjahr 1882 tan, hier findet er sich wieder, und sondern er verkehrt auch im Kreis von gespielt wird. hierzu schreibt er die Bühnenmu- Wagner-Adepten, die sich schlicht sik, die 1897 in München als Melo- „Orden vom Gral“ nennen. In der Wieder kommt es zu einer entschei- dram aufgeführt wird. Hier zeigt sich Münchener Hofoper gibt es die erste denden Begegnung: In Bayreuth Humperdincks enormes kreatives außerhalb von Bayreuth stattfinden- lernt Humperdinck den als Chorleiter Potenzial, denn er ist es, der den de zyklische Aufführung des „Rings verpflichteten Ernst Porges kennen, Sprechgesang konsequent einsetzt des Nibelungen“, die Humperdinck über den sich hartnäckig das – nie und dafür auch eine eigene Form selbstverständlich besucht. Als er den verifizierte, aber auch nie widerlegte der Notation erfindet, die später Ersten Preis der Mendelssohn-Stif- – Gerücht hält, er sei ein natürlicher beispielsweise von Arnold Schönberg tung gewinnt, ist ihm 1879 ein einjäh- Sohn von Franz Liszt und also Halb- in dessen „Pierrot lunaire“ aufgenom- riger Studienaufenthalt in Italien bruder von Cosima Wagner. Nach men wird. Doch die Schauspieler sind möglich. dem Tode Richard Wagners im Jahre davon überfordert, die Sänger unter- 1883 sucht Humperdinck, wie etliche fordert. Wenngleich die „Königskin- Hier kommt es wieder zu einer andere Komponisten seiner Genera- der“ in der melodramatischen Version entscheidenden Begegnung, denn tion, nach seiner eigenen künstleri- etliche Male nachgespielt werden, am 9. März 1880 lässt Humperdinck schen Position und überwindet seine entscheidet sich Humperdinck Jahre nichts unversucht, bis er endlich in Sinnkrise mehr oder weniger zufäl- später, nachdem er mit Folgewerken Neapel zu Wagner vorgelassen wird. lig erst durch die Komposition der nur bedingt erfolgreich ist und auch Dass Humperdinck auf seine Visi- Märchenoper „Hänsel und Gretel“. keinen Zugang zu einem heiteren tenkarte „Orden vom Gral“ schreibt, Stoff findet, zu den „Königskindern“ zurückzukehren und sie als abendfül- lende Oper umzuarbeiten. Das spricht sich bis nach New York herum, wo die Opernfassung am 28. Dezember 1910 in glänzender Beset- zung, prächtiger Ausstattung und sogar mit lebenden Gänsen auf der Bühne uraufgeführt werden. Die euro- päische Erstaufführung findet Anfang 1911 in Berlin unter der Leitung von Humperdincks Kompositionsschüler Leo Blech statt, und in den folgen- den Jahrzehnten zählen die „Königs- kindern“ zum Repertoire der großen und auch mittleren Opernhäusern im deutschen Sprachraum. Im zweiten Weltkrieg allerdings kommt es in der Rezeption zu einem Einschnitt, denn der Name der jüdischen Librettistin wird erst von den Besetzungszetteln getilgt, bis schließlich das Werk an Königskinder © Werner Kmetitsch 3 sich nicht mehr aufgeführt wird. und den „Meistersingern von Nürn- überwindet: Anders als Wagner, der berg“ seine große Wagner-Affinität seinen Figuren die Transzendenz An der Oper Graz hat einst im Dezem- in gefeierten Inszenierungen unter gestattet, sterben die Gänsemagd ber 1939 die junge Ljuba Welitsch die Beweis gestellt hat, wurde für diese und der Königssohn einen Tod in Gänsemagd verkörpert, bevor ihre quasi Wiederentdeckung als Regis- völliger Isolation. Der Spielmann hat große internationale Karriere sie aus seur verpflichtet. Gemeinsam mit das letzte Wort und richtet ein flam- Graz weggeführt hat. Nach dem zwei- dem musikalischen Leiter Marius mendes Plädoyer ans Publikum als, ten Weltkrieg gibt es in ganz Öster- Burkert und den Solisten – stellver- so meint Regisseur Frank Hilbrich, reich keine einzige Neuproduktion der tretend seien Polina Pastirchak als Humperdincks „letzte Aufforderung „Königskinder“, bis sie am 14. Dezem- Gänsemagd, Maximilian Schmitt als an uns, niemals das Besondere, das ber 2019 an der Oper Graz erneut zur Königssohn und Markus Butter als Wertvolle am Menschen aus den Diskussion gestellt werden. Frank Spielmann angeführt – ergründet Augen zu verlieren, die Zivilisation Hilbrich, der in Deutschland bereits er das Spezifische an Humperdinck niemals aufzugeben“. mit dem gesamten „Ring des Nibelun- und zeigt auf, wie Humperdinck gen“ und „“, mit „Parsifal“ durch seine Märchenoper Wagner Bernd Krispin

Bayreuther Premierenwoche 2019 – ein Aufenthalt wie in alten Studentenzeiten

ALEXANDER SINGER Programm. Ein szenisch erfrischender am Festspielhaus lehnend wieder, Zugang war von Anfang an gegeben. ebenso das Transparent mit den Schon das Vorspiel zum 1. Akt, in Worten: „Frei im Wollen, frei im Thun, In diesem Jahr war es ein besonders dem uns ein Überflug über das Wart- frei im Genießen“. langer Bayreuth-Aufenthalt, der nicht burg-Gelände schließlich zu einer mit der heiß erwarteten Premiere des Busfahrt in einem Citroën der um Im 3. Akt gelingt Wolfram das, was „Tannhäuser“, sondern sogar noch Tannhäuser und Venus versammelten ihm ansonsten nicht gelingt und was einen Tag vorher mit dem Gedenk- Clique bringt, enthält eine unterhalt- er „in anständigen Inszenierungen“ konzert anlässlich des 100. Geburts- same Anspielung auf die zum Glück auch gar nicht zu wollen wagt. Er darf tages von Wolfgang Wagner begann. eingemottete Vorgängersinszenie- sich Elisabeth mehr als üblich nähern; rung des „Tannhäuser“ in der Biogas- allerdings sein Versuch, dies als Das Erfreuliche an diesem Konzert anlage. Wolfram und nicht im Clownsge- war, dass sich Künstler aus bzw. schon wand des Tannhäuser zu tun, wird vor den Anfängen der Bayreuth-Be- Nach Überfahren eines Polizisten reißt von Elisabeth jäh unterbunden. suche des Verfassers dieser Zeilen sich Tannhäuser aus seiner Künstler- Danach wählt Elisabeth den Weg in ebenso einfanden wie heutige Künst- kolonie mit Le Gateau Chocolat, einer den Tod. Nachdem Elisabeth uns im ler. So sollen z.B. Gwyneth Jones, Drag Queen, und dem Blechtrommler Anfang des 2. Aktes schon als Persön- Donald McIntyre, Heinz Zednik oder Oskar Matzerath (Manni Laudenbach) lichkeit begegnet ist, die sich selbst auch Klaus Florian Vogt, die sich in los, um in die Festspielgesellschaft verstümmelt, oder – um es zeitgeis- die Gästeschar mischten, angeführt zurückzukehren. Freilich missfällt dies tig zu sagen – sich „ritzt“, können wir werden. Die von Thielemann gebo- Frau Venus, die am Ende des 1. Aktes darüber mutmaßen, ob es letztlich tenen musikalischen Darbietungen den Citroënbus gegen die Absper- diese geschlechtliche Begegnung führten darüber hinaus drei Sänger rung vor dem Festspielhaus lenkt. mit Wolfram war, die ihren Wunsch auf die Bühne, die ebenfalls einen nach dem Ableben noch bestärkte. Bogen zur jüngeren Vergangenheit Im 2. Akt kommt es durch raffinier- Im Übrigen löst sich die Künstlerkolo- spannten. Waltraud Meier trat mit te Videogestaltung dazu, dass die nie auf, Le Gateau Chocolat hat eine „Isoldes Liebestod“ auf, Stephen Hinterbühne ins Spiel einbezogen Form des künstlerischen Ausdruckes Gould nahm seinen Tannhäuser der wird, was an sich die Darbietung bzw. der Kommerzialisierung durch Eröffnungspremiere mit der „Romer- eines sehr kommerziellen Sängerkrie- Bewerbung von Uhren gefunden, zählung“ vorweg, Günther Groiss- ges mit dem netten Regieeinfall einer Oskar Matzerath landet in der Gosse. böck ließ mit „Wotans Abschied“ fixen Harfe auf der Bühne ermög- Tannhäuser darf die tote Elisabeth in aufhorchen, was die Vorfreude auf licht. Venus, Le Gateau Chocolat und einer Schlussapotheose im Citroën- den „Ring“ im nächsten Jahr, in dem Oskar Matzerath verschaffen sich bus in Händen halten. er den Göttervater geben wird, noch Zutritt zum Sängerkrieg (Venus unter bestärkte. Ausschaltung einer Choristin, die Der Verfasser dieser Zeilen blieb in einen Edelknaben mimt). Der Einstieg Bayreuth mit seiner Meinung keines- Christian Thielemann hielt eine beein- ins Festspielhaus erfolgte über eine falls allein, dass es sich um eine in druckende Rede. Am Tag danach Leiter am Balkon, was letztlich Katha- vieler Hinsicht geglückte Inszenie- wurde verständlich, warum er davon rina Wagner nach Information durch rung handelt, die uns einen sehr span- sprach, dass er an dieser Stätte als den Inspizienten veranlasst, die Poli- nenden Zugang zum Werk bot. Mehr Dirigent immer spezielle „Bayreuth- zei zu einem Noteinsatz herbeizuho- noch: Aus natürlichem Reflex vorher Ohren“ aufsetzt: Am nächsten Tag len, die schließlich auch Tannhäusers als Provokation abgelehnte Aspek- stand nämlich der mit Spannung habhaft wird. Am Ende des 2. Aktes te, wie die Bespielung des grünen erwartete „Tannhäuser“ auf dem findet das Pausenpublikum die Leiter Hügels am Ende des 1. Aktes durch Le

4 Gateau Chocolat, Oskar Matzerath hüten, ungerecht zu sein: Bei ihm war es schon phänomenal – das Diri- und Venus, erwiesen sich als schlüssig. entstand fast der Eindruck, dass eine gat von Christian Thielemann. Das, was bei der Vorgängerinszenie- solche Stimme zwei Tage hintereinan- rung mit dem Öffnen des Festspiel- der für den Tannhäuser fast zu schwer Nach diesem Inszenierungsdurchhän- hauses nur als sinnlose Provokation wäre und er gern einen jugendliche- ger schlossen sich die „Meistersinger“ verpuffte, hatte hier mit dem Bespie- ren Tannhäuser gehört hätte (dieser an, die auch nach zweijähriger Pause len des Gartens während der Pause Wunsch wurde ihm erst im Oktober durchaus sowohl hinsichtlich der des 1. Aktes durchaus seinen Sinn. in Klagenfurt erfüllt). Umgekehrt ist musikalischen als auch der inszena- die Gegenfrage berechtigt: Wieviel torischen Seite überzeugen konnten. Der Blick in den unsichtbaren Graben Sänger gibt es wirklich, die einen Neben so hervorragenden Solisten (eine Unlogik für sich) machte es Tannhäuser und einen Tristan – und wie Michael Volle, Johannes Martin verständlich, warum Christian Thiele- dies noch dazu innerhalb weniger Kränzle, Günther Groissböck, Camilla mann am Vortag von den aufgesetz- Tage – singen können? Nylund und Klaus Florian Vogt sowie ten Bayreuth-Ohren sprach. Valery Daniel Behle (als David) trug das Diri- Gergiev, der Vielbeschäftigte, hatte An den „Tannhäuser“ schloss sich der gat des uns Grazern keinesfalls unbe- nämlich diese leider nicht, und so „Lohengrin“ an, wobei über dieses kannten Philippe Jordan hierzu sehr kam es zu einigen Ungenauigkeiten. Werk aus Inszenierungsgründen nicht viel bei. Hervorzuheben ist zweifellos Lise allzu viele Worte verloren werden Davidsen als Elisabeth. Eine interes- müssen. Stimmlich bewegt man sich Danach gönnte sich der Autor eine sante, schon bald auf das Hochdrama- mit Klaus Florian Vogt und Camilla zweitägige Bayreuth-Pause, die tische zusteuernde Stimme, die uns Nylund durchaus auf dem Niveau der dem Besuch von Verwandten seiner auch im „Ring“ als Sieglinde weitere vorherigen Premierenbesetzung Piotr Frau im Sauerland gewidmet war. Kostproben ihres Könnens geben Beczała und Anja Harteros, sodass der Auf dem Rückweg nach Graz übte wird. Schauspielerisch großartig und Verfasser dieser Zeilen die vielfältigen der grüne Hügel aber nochmals auch stimmlich die Wünsche erfüllend Absagen von Alagna als Lohengrin, seine magische Anziehung aus. Es war die Venus von Elena Zhidkova, Stoyanova und Netrebko als Elsa nicht ist durchaus etwas Schönes, einen der kurzfristigen Einspringerin. Bei als schlimm empfand. Vielleicht noch Bayreuth-Aufenthalt mit „Parsifal“ Stephen Gould muss sich der Autor großartiger als im Vorjahr – und da abzuschließen, wenn auch das mehrmalige Sehen der Inszenie- rung nichts zum Erkenntnisgewinn und dem Gefühl, dass sich hier fest- spielwürdige Qualität präsentiert, beiträgt. Diese hohe Qualität zeigte sich aber durchaus im Musikalischen, wenn auch der sehr geschätzte Sänger des Parsifal, Andreas Scha- ger, manchmal durch erstaunlich gesteigerte Lautstärke auffiel. Eine Erklärung dafür mag sein, dass Schager nach dem „Jonas Kauf- mann-Eklat“ in der Elbphilharmonie, wo dieser von Teilen des Publikums für zu leise gehalten wurde, ein Gast- spiel gab. Aus Hamburger Quelle erfuhr der Autor, dass Andreas Scha- ger seitdem offenbar unbewusst an Lautstärke zulegt. Hervorragend wiederum Günther Groissböck, aber auch die in Graz keinesfalls unbe- kannte und an der Kunstuniversität lehrende Elena Pankratova als Kundry. Auch das Dirigat von Semyon Bych- kov kann als Glücksfall bezeichnet werden, wenn es sich auch sehr vom Dirigat des Premierendirigenten 2016 Hartmut Haenchen unterscheiden mochte. Gestärkt von den vielfältigen Ein- drücken dieses langen Aufenthaltes in Bayreuth trat der Verfasser dieser Zeilen die Rückreise nach Graz an, dies verbunden mit der Hoffnung, zum „Ring“ 2020 wiederzukehren, zumal der heute schon mehrfach angesprochene Grazbezug sich dort in den Personen des Regisseurs Valentin Schwarz und des Bühnen- bildners Andrea Cozzi als Gewinner des letzten Ring Award 2017 wieder stark zeigen wird.

5 Eine kleine Geschichte einer Bayreuth- Stipendiatin

CORINA KOLLER Dr. Stefan Specht ging es (ENDLICH!) Tag! Tannhäuser war die „leichteste in das Festspielhaus zu einer Führung. Kost“ der ausgewählten drei Richard Einerseits ist es wunderschön, dass Wagner-Opern, aber die beeindru- Was davor geschah … Die eigentliche man das besondere Gebäude sofort ckendste für alle Stipendiaten! Der Frage ist MEISTENS: Was ziehe ich denn sehr gut kennenlernt, andererseits allgemeine Jubeltenor der „Baby-Wag- an, besonders wenn man am grünen hätte ich lieber zuerst eine Vorstellung nerianer“ wurde sogar an die Chefin Hügel, dem Mekka der Wagnerianer, gehört und gesehen, bevor mir der Wagner weitergeleitet. Besonders für in Bayreuth in die Oper geht? Orchestergraben und die Besonder- mich ist dieser „skandalöse“ Tannhäu- Vor der Abreise gibt es wirklich heiten so genau erklärt werden. ser ein Gesamtkunstwerk, wie es sich Richard Wagner nicht schöner hätte haufenweise Dinge zu bedenken. Tadellos vorbereitet gingen wir – wir Natürlich möchte man dem „Meister“ vorstellen können. Ich bin davon über- waren uns alle im Klaren, was uns am zeugt, dass der Regisseur und auch die elegant entgegentreten. Aber so eine Nachmittag erwarten würde – in die Oper dauert doch Stunden und man Darsteller nur in seinem Sinne handel- erste Vorstellung, Parsifal. Trotzdem ten. hörte schon die eine oder andere wurden wir ALLE doch noch über- Gruselgeschichte von der unglaublich rascht, und ich war so überwältigt von Wenn man ganz ehrlich ist, staubt unbequemen Bestuhlung. Man betritt der Akustik und dem Ereignis an sich, es ein bisschen, wenn man Richtung die Oper um 16.00 Uhr nachmittags dass ich mir meine Freudentränen Bayreuth bläst, aber dieser Tann- und verlässt sie spät abends, dazwi- nicht verkneifen konnte. Ehrlicherwei- häuser hat mit einem weißen Hand- schen dauern die Pausen aber jeweils se muss man sagen, dass Parsifal nicht schuhwisch alles weggefegt. Ich eine Stunde. Große Taschen sind aus zur „leichten Wagner-Kost“ gehört, möchte nicht sagen, dass von nun Sicherheitsgründen verboten; ebenso aber für ein Debüt kann es gar nichts an alles anders gemacht werden soll- der obligate (zuvor aber empfohle- Schöneres geben. te, aber hin und wieder schadet ein ne!) Sitzpolster, und… und… und… frischer Wind auch den Wagnerianern UND! Um es gleich vorweg zu sagen, Täglich grüßt das Murmeltier – von nun nicht. im Endeffekt ist es vollkommen egal. an fuhren wir jeden Tag mindestens Man sieht Menschen in langen elegan- zwei Mal zum Festspielhügel, doch es Vergleichbar ist dieses ganze ten Roben, ebenso legere Blazer–Jeans wurde niemals langweilig. Das jewei- Bayreuth-Abenteuer auf jeden Fall Kombinationen. Ich habe mich für die lige Tagesoutfit wurde immer mehr- mit meiner Konzertreise nach Jerusa- Sommerkleid-Variante entschieden mals auf Fotos festgehalten, Souvenirs lem. Man muss kein gläubiger Christ und meine Auswahl nicht bereut. Mit wurden gekauft. (Ich bin besonders sein, um zu verstehen, dass dieser einem riesengroßen vollgestopften stolz darauf, einen Richard-Wag- Ort geschichtsträchtig ist und Aura Koffer ging das Abenteuer „Bayreuth“ ner-Keksausstecher erworben zu hat, ebenso muss man kein strenger dann los! haben, ebenso einen Fächer und ein Wagnerianer sein, um die Richard Fan-Shirt mit dem Aufdruck „Dich, Wagner-Festspiele beeindruckend zu Meine Anreise mit dem Zug verlief teure Halle, grüß‘ ich wieder, froh finden, sie zu lieben und ihre Einzigar- problemlos, aber voller Herzklopfen. grüß‘ ich dich, geliebter Raum!“ – WIE tigkeit zu sehen! Am Bahnhof BAYREUTH angelangt PASSEND!) erkennt man die anderen „Auserwähl- Ich selbst freue mich, verkünden zu ten“ sofort an den hilflosen Blicken, Besonders zu erwähnen ist, dass wir dürfen, nun offiziell „Baby-Wagneria- aber den vor Vorfreude gefärbten in jeder Vorstellung eine andere Kate- ner“ zu sein und hoffentlich bald mein roten Bäckchen. Eine solche war gorie von Tickets bekamen und ich sängerisches Wagner-Debüt geben zu auch ich, fand Gott sei Dank sofort aufgrund meiner jetzigen Erfahrung dürfen. Zeitnah steht aber Sylva Vares- Anschluss und konnte mein Quar- sagen kann, dass die besten Plätze cu in Kálmáns Die Csárdásfürstin, Frau tier in Rekordzeit beziehen. Der erste die „billigen“ auf der Galerie sind! Fluth, ein lustiges Weib aus Windsor, Programmpunkt nannte sich „Fränki- (Achtung: INSIDERTIPP) von Otto Nicolai und die Micaëla in scher Abend“ und war ein spannendes Carmen an. Auch nicht schlecht! Kennenlernen der (240!!) Stipendiaten Scherz beiseite! Der dritte Tag war bei Frankenwein, Freibier und Brat- ebenso ein toller wie der vorherige, Ich bedanke mich von ganzem Herzen würstel. und die Einführungen des Direktors für diese einzigartige Bayreuther des Richard-Wagner-Museums, Dr. Möglichkeit der Horizonterweiterung Tag zwei begann für einen Großteil Sven Friedrich, sind wirklich char- und die Gelegenheit, neue Freund- von uns mit einem Katerfrühstück mant (Zitat: „Im Festspielhaus darf schaften und Bekanntschaften zu und literweise Kaffee. Im Anschluss auch gelacht werden.“ Zitat-Ende) und schließen. durften wir ENDLICH den grünen von ganzem Herzen zu empfehlen. Hügel besuchen und wurden dazu mit (Achtung: INSIDERTIPP) Schlussendlich werde ich nun mit Bussen einmal quer durch die Stadt einem Augenzwinkern ein Gerücht chauffiert. Ich muss ehrlich sagen, Der Besuch von Tristan und Isolde (in aus der Welt schaffen: Die Bestuhlung dass es nicht nur Einbildung war, dass der Inszenierung der Bayreuth-Chefin ist wirklich keinesfalls so unbequem, wir alle ehrfürchtig, sprachlos und persönlich) war wunderschön; aber wie ALLE sagen, wahrscheinlich wurde total beeindruckt waren (trotz Regen- man kann sich vorstellen, dass er den dieses Gerücht von jenen Wagneria- wetter!). Nach einer Begrüßung bei Debüt-Abend, den ersten Besuch im nern verbreitet, welche den grünen Bio-Freisäften (an der Verpflegung, Haus, nicht übertreffen konnte. Hügel für sich alleine beanspruchen besonders flüssiger Natur, wird nicht wollen! gespart) durch Katharina Wagner und Es wurde finster – es wurde hell: vierter

6 7 Unvergessene Begegnungen – Z o fi a Posmysz, Mieczysław Weinberg und ihre „Passagierin“

EIN DIENSTAGABEND MIT MARLENE HAHN Zofia Posmysz war bei der Urauffüh- rung anwesend und kam gemeinsam AM 8. OKTOBER 2019 mit der Darstellerin der Marta auf die Bühne. Während Marta das KZ Schon ungewohnt früh in der noch Das Werk wurde nach seiner Fertig- überlebt (Zofia Posmysz beschreibt jungen Saison 2019/2020 fand ein stellung nicht in Polen und auch nicht zu einem nicht unwesentlichen Teil Dienstagabend zur Vorbereitung auf in den im Banne des Kommunismus autobiographisch ihre Erlebnisse, das Gedenkjahr 2020 und die auf dem stehenden Staaten uraufgeführt. Zu schweigt sich aber über die Zeit nach Spielplan der Oper Graz erst im März sehr erinnerte die Anhaltesituation der der Befreiung aus dem KZ Auschwitz, auf dem Programm stehende Premie- Marta an den Gulag. in der ihr auch zweifellos kein leich- re „Die Passagierin“ von Mieczysław tes Schicksal beschieden war, aus), Weinberg statt. So kam es erst 2006 in Moskau zu einer endet das Werk für ihren geliebten konzertanten Aufführung und sogar Thaddäus letal. Unsere vormalige Stipendiatin und erst 2010 zu der szenischen Urauffüh- Stückdramaturgin Marlene Hahn bot rung bei den Bregenzer Festspielen. Dieser Musiker soll auf Geheiß dem uns einen Ausblick auf dieses wohl Nicht nur der Komponist Weinberg, Kommandanten sein Lieblings- nicht zufällig am Spielplan stehende sondern auch der Librettist konn- stück, einen Walzer, vorspielen, Werk, welches von der Begegnung ten dieser Uraufführung nicht mehr spielt aber als Zeichen des Protes- einer Auschwitz-Überlebenden mit beiwohnen. Weinberg verstarb – wie tes auch noch Bachs Chaconne aus einer ehemaligen Aufseherin auf der erwähnt – 1996 und zur Zeit der Urauf- der Partita in d-Moll. Dies wird er Überfahrt von Europa über den Atlan- führung lag der Librettist Alexan- nicht überleben. tik nach Südamerika handelt. der Medwedew bereits im Sterben. Fünf Tage nach der Uraufführung Die Oper wechselt zwischen dem Die literarische Vorlage stammt von verstarb er. Schiff und Rückblenden aus Auschwitz Zofia Posmysz, selbst einer Überle- hin und her und kulminiert letztlich benden des Konzentrationslagers darin, dass die Passagierin der Kapelle Auschwitz, die, als Katholikin der auf dem Schiff einen Zettel überreicht vermeintlichen polnischen Elite zuge- – einen Zettel mit einem speziellen hörig, verhaftet wurde und letztlich in Musikwunsch: dem Lieblingswalzer Auschwitz landete. des KZ Kommandanten. Im Stück handelt es sich bei der Zweifellos handelt es sich bei dieser „Passagierin“ um Marta. Ihre ehema- Oper um ein Werk gegen das Verges- lige Aufseherin ist Anneliese Franz. sen, herausfordernd insofern, als es Die historische Vorlage der Anneliese die Frage stellt, wie man das Grauen Franz hätte Zofia Posmysz nicht mehr von Auschwitz auf die Bühne bringen begegnen können, weil sie bereits in kann. den 50er Jahren verstarb. Zu diesem Thema gibt es im Übrigen auch ein Marlene Hahn hat Zofia Posmysz Hörspiel, „Die Passagierin aus Kabine mehrfach, zuletzt in Warschau, getrof- 45“. fen. Es darf mit Spannung die Grazer Premiere des Werkes am 14. März 2020 Dmitri Schostakowitsch hat Mieczy- erwartet werden. sław Weinberg (geb. 1919, verstorben 1996) zur Komposition seiner Oper bestärkt, die 1968 in zwei Akten, acht Alexander Singer Bildern und einem Epilog fertiggestellt wurde und sieben Sprachen in dem Werk vereinigt. Während der Roman von Zofia Posmysz sich vorrangig in die Täterinnenperspektive versetzt, wird diese Relation in der Oper etwas verschoben.

8 Der König hat geweint!

ZUSAMMENFASSUNG DES VORTRAGS ÜBER ASPEKTE DES fürchterlich betreten, denn es ist ein schrecklich starrer und strenger König. „DON CARLOS“STOFFES Aber man begreift es so gut, daß er geweint hat, und mir tut er eigentlich Anlässlich der Eröffnungspremiere der die Deutschen sagen ‚Goethe und mehr leid als der Prinz und der Marquis Saison 2019/2020 an der Oper Graz Schiller‘ – ich fürchte sie sagen ‚Schiller zusammengenommen. Er ist immer so galten meine Ausführungen rezep- und Goethe‘.“ ganz allein und ohne Liebe, und nun tionsgeschichtlichen Wandlungen glaubt er einen Menschen gefunden des „Don Carlos“-Stoffes. In seinem Vollkommen unberührt von diesen zu haben, und der verrät ihn …“ dramatischen Gedicht „Don Carlos“ innerdeutschen Auseinandersetzun- (1787) zeichnete der Dichter und gen hatte Giuseppe Verdi für Paris 1868 Ein kurzer Exkurs über den Zusam- Historiker Friedrich Schiller die histo- seinen „Don Carlos“ komponiert, der menhang von menschlichen Tränen, rische Person des Sohnes von König ja mehr Musik enthält als „Rigoletto“ Wasser, Taufe und erlösendem Heilsge- Philipp II. (er war bekanntlich der und „Troubadour“ zusammen. Insge- schehen, wie er sich in exemplarischer Onkel unseres Grazer Erzherzogs Karl samt fertigte Verdi fünf verschiedene Dichte in der großen Arie der Elisabeth Fassungen des Werkes an und zeigte II. von Innerösterreich) nicht als einen im fünften „Don Carlos“-Akt und, noch sich bezüglich der wertenden Charak- geistesschwach-perversen Sadisten, deutlicher, in der Taufszene Kund- terisierungen durchaus ausgewogen: der er historisch gesehen gewesen rys im dritten Aufzug des „Parsifal“ war, sondern als einen Freiheitskämp- fer im Sinn der Aufklärung des 18. Jahrhunderts. An seiner Seite kämpft der von Schiller frei erfundene Rodri- go, Marquis von Posa, um die Freiheit Flanderns, und sein „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“ aus dem Gespräch mit dem autoritär-katholischen König wurde in weiterer Folge zu DEM Schlachtruf des liberalen 19. Jahrhun- derts in Deutschland. Im Zuge der Feier des 100. Geburts- tages von Schiller im Jahr 1859 kam es zu einem triumphalen Amalgam von Freiheitspathos und deutschem Nationalismus, sein schwungvoller, geschichtsphilosophisch wetterfester Optimismus machte Schiller zu einer Art Lehrer der deutschen Nation. Don Carlo © Werner Kmetitsch So hätte es weitergehen können, So bekommt der seinem eigenen manifestiert („Auch deine Träne ward ging es aber nicht. Denn bereits in zum Segenstaue – du weinest, siehe es den (zeitlebens ja unveröffentlicht Gefühl nach nie geliebte König Philipp lacht die Aue!“) leitete über zur Coda gebliebenen) Tagebüchern von Franz bekanntlich eine der ergreifendsten des Vortrags, die der soeben erfolg- Grillparzer finden sich durchwegs kriti- Szenen der gesamten Opernliteratur, ten Zuerkennung des Nobelpreises sche, bisweilen sogar ironisch-feind- die rein negativen Aspekte der Hand- an Peter Handke geschuldet war: Im selige Invektiven des pessimistischen lung repräsentieren die Mönche, 21. Kapitel seines 2002 erschienenen katholischen Dichters gegenüber dem der Großinquisitor und natürlich das Romans „Der Bildverlust oder Durch seiner Meinung nach vollkommen irre- Autodafé. Das Freiheitsduett zwischen die Sierra de Gredos“ erscheint Kaiser al-illusorischen Idealismus des Protes- Carlos und Posa ist in seinem unwider- Karl V., dessen Stimme ja die Oper tanten Schiller. Grillparzer konzipierte stehlich virilen Elan hingegen unge- Verdis beschließt, auf seinem Weg seine skeptischen Dramen, so kann trübt positiv komponiert und blieb bis nach seiner Abdankung in Richtung man es durchaus sagen, als eine heute unangefochten der „Schlager“ des Klosters St. Yuste, seinem Exil bis konsequente Opposition zum rezep- des verdischen Historiendramas. zu seinem Tod 1558 – es ist eine der tionsgeschichtlich übermächtig schei- überaus seltenen Stellen im gesam- nenden Bühnenwerk Schillers. Bereits im 20. Jahrhundert rückte der 27-jährige Nietzsche-Enthusiast ten Schaffen Handkes, wo historische Einen Schritt weiter sollte dann Thomas Mann in seine Künstler- Persönlichkeiten oder Schauplätze in Friedrich Nietzsche gehen, den die novelle „Tonio Kröger” (1902) eine Erscheinung treten: In einem länge- deutschnationale Vereinnahmung subtil gebrochene Beleuchtung des ren inneren Monolog gibt der resi- Schillers durch das preußische Kaiser- schillerschen Freiheitspathos ein, gnierte Imperator seiner Hoffnung reich ab 1871 nicht weniger als anwi- wenn der Protagonist seinem weni- nach Frieden bündigen Ausdruck: derte. Er bezeichnet Schiller als den ger belesenen als pferdeliebenden „Und keine Schlachten mehr, weder „Moraltrompeter von Säckingen“, Freund Hans Hansen die Lektüre des in Tunis noch in Mühldorf noch in einen „Theater-Maestro“, „Attitü- „Don Carlos“ empfehlen will. „Und Pavia, weder zu Wasser noch zu Land.“ den-Helden“ und resümiert seine nun kommt aus dem Kabinett in das eingefleischte Schiller-Skepsis folgen- Vorzimmer die Nachricht, daß der Harald Haslmayr dermaßen: „Das andere, was ich nicht König geweint hat. ‚Geweint?‘ ‚Der hören mag, ist ein berüchtigtes ‚und‘: König geweint?‘ Alle Hofmänner sind 9 Heiteres und Köpferauchen beim Sommerevent

IM GASTHOF DI GALLO

10 RING AWARD 20 Finale am Samstag 27. und Sonntag 28. Juni 2020 im Schauspielhaus Graz, HAUS 1

Die Finale-Teams (in alphabetischer Reihenfolge):

Team Alicia Geugelin (DEU) / Christin Schumann (DEU) /

. Internationaler Musiktheaterwettbewerb Pia Preuß (DEU) / Elise Schobeß (DEU) . Internationalerfür Regie & Bühnengestaltung Musiktheaterwettbewerb in Graz, Österreich für Regie & Bühnengestaltung in Graz, Österreich Team Krystian Lada (POL) / Didzis Jaunzems (LVA) / Natalia Kitamikado (POL)

Wettbewerbsoper: W.A. Mozarts „Don Giovanni“ Team Anika Rutkofsky (DEU) / Eleni Konstantatou (GRC) / SA  & SO  JUNI  Johanna Danhauser (DEU) SCHAUSPIELHAUS GRAZ Wettbewerbsoper: W.A. Mozarts „Don Giovanni“ SA  & SO  JUNI  3 Mal „Don Giovanni“ in 24 Stunden SCHAUSPIELHAUS GRAZ mit Gesangsteams der Oper Graz, des Theater an der Wien und der Deutschen Oper Berlin

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IMPRESSUM

Herausgeber: wagner.forum.graz www.wfg.at Redaktion: Dr. Andrea Engassner [email protected] Was zählt, Layout: Antje Veit, www.antjeveit.at sind die Menschen. Redaktionsschluss: 15/01/2020 Vereinssitz: Brockmanngasse 91/1 A-8010 Graz / ZVR: 113660921 Kultur ist sinnlich. Vorsitzender: Dr. Alexander Singer [email protected] Kulturförderung ist sinnvoll. Deswegen kümmern wir uns nicht nur um Ihr Geldleben, sondern unterstützen auch ausgewählte kulturelle Projekte. steiermaerkische.at Die nächste Ausgabe erscheint im Sommer 2020.

11 WFG - REISEN WFG - VERANSTALTUNGEN RING AWARD-TEILNEHMER

01.-04. Mai 2020 14.01.20: Dienstagabend im GAST- 18.01.20 „Manon“; Staatstheater HOF PFLEGER, 19:00 Uhr: „Was ist nur Nürnberg; Tatjana Gürbaca (Finale Don Giovannis Geheimnis?“ In dem 2000) Busreise nach Mailand Vortrag von Marlene Hahn dreht sich mit Besuch des 28.02.20 „Die Banditen“; Staatsope- alles um die aktuelle Produktion an rette Dresden; Valentin Schwarz (R), „Tannhäuser“ der Grazer Oper und die Frage: Wie Andrea Cozzi (B+K) (RING AWARD nah ist uns Don Giovanni? Wie aktuell 2017) im Teatro alla Scala ist die Suche nach Abenteuer im Kor- sett der gesellschaftlichen Erwartun- 01.03.20 „Fidelio“; Royal Opera House; Dirigent: Adam Fischer; Regie: Carlus gen und Bilder? Tobias Kratzer (R), Rainer Sellmaier Padrissa / La Fura dels Baus; Tann- (B+K) (RING AWARD 2008) häuser: Peter Sei ert; Wolfram von 06.02.20: Dienstagabend im NEXT 06.03.20 „Lucrezia Borgia“; Teatro Eschenbach: ; Eli- LIBERTY, 17:30 Uhr: „Auf der Suche Comunale Alighieri di Ravenna; sabeth: Krassimira Stoyanova; Venus: nach dem Zauberwort“. Intendant Andrea Bernard (R), Alberto Beltrame Daniela Sindram Michael Schilhan ermöglicht uns den (B), Elena Beccaro (K) (Seminale 2017) Besuch einer Probe der Kinderoper 08.03.20 „Salome“; Teatro alla Scala; Diese Reise ist ausgebucht! „Kalif Storch“ im Next Liberty. Damiano Michieletto (Seminale 2005) 14.02.20: Generalversammlung & 25-Jahr-Feier Wagner Forum Graz, 15.03.20 „Falsta “; Opéra National de 18:00 Uhr in der Orangerie. Montpellier; David Hermann (RING IN PLANUNG AWARD 2000) 10.03.20: Dienstagabend in der 27.03.20 „Peter Grimes“; Theater Ba- 16. – 17. Juli 2020 OPER GRAZ, 17:30 Uhr: Wir besuchen sel; Leslie Travers (B+K) (Finale 2005) die Kostprobe „Die Passagierin“ und Kurzreise nach Gars am Kamp 01.04.20: „Mignon“; Bayrische Staats- werden unsere Eindrücke anschlie- oper; Christiane Lutz (R), Natascha ßend im Restaurant BRANDHOF dis- Maraval (K)(Finale 2014) zur Premiere der „Carmen“ mit unse- kutieren können. rer Bayreuthstipendiatin 2019 Corina 03.04.20 „Die Macht des Schicksals“; Koller in der Rolle der Micaela. 14.04.20: Dienstagabend im GAST- Theater Dessau; Tobias Ribitzki (R) HOF PFLEGER, 19:00 Uhr: „Welches (Seminale 2014) Anmeldungen und Auskünfte: Band ist stärker, das der Liebe oder das 04.04.20 „Don Carlo“; Osterfestspiele Sabine Oberreither unter der Freundschaft?“ Der Dramaturg Salzburg; Vera Nemirova (Finale 2000) omail protected] oder 0664/2522880 Jörg Rieker gibt einen Vorgeschmack 08.04.20 „La Damnation de Faust“; auf die bevorstehende Premiere „Die Teatro Regio di Torino; Damiano Mi- Perlenscher“ in der Oper Graz. chieletto (Seminale 2005) ACHTUNG! TERMINÄNDERUNG! 14.06.20 „Tristan und Isolde“; National- 19.05.20: Dienstagabend im GAST- theater Mannheim; Luise Kautz (Fina- HOF PFLEGER, 19:00 Uhr: „Der Mas- le 2017) termind hinter den Kulissen“. Zu Gast 03.05.20 „Cosi fan tutte“; Opéra Nati- ist Michael Barobeck, der Betriebs- onal du Rhin; David Hermann (RING direktor der Oper Graz. Er wird uns AWARD 2000) spannende Einblicke in die „Schalt- 21.06.20 „Otello“; Theater Regens- zentrale“ der Oper geben. burg; Verena Stoiber (R), Sophia Schneider (B+K) (RING AWARD 2014) 09.06.20: Dienstagabend im GAST- 26.06.20 „Pariser Leben“; Landes- HOF PFLEGER, 19:00 Uhr: Programm theater Mecklenburg; Orpha Phealan in Ausarbeitung (Finale 2005) 27. und 28.06.20: 26.06.20 „Dark Spring“; Nationalthea- Finale RING AWARD 2020 ter Mannheim; Barbora Horakova Joly (Finale 2017) Carmen © Royal Danish Opera Camilla Winther Die drei Finale-Teams verwirklichen ihre Konzepte für Teile des Schluss- 27.07.20 „Ring des Nibelungen“; Bay- aktes der Wettbewerbsoper „Don reuther Festspiele; Valentin Schwarz (R), Giovanni“ von Wolfgang Amadeus Andrea Cozzi (B+K) (RING AWARD 2017) Mozart auf der Bühne des Schauspiel- haus Graz (Infos siehe Seite 11) 10.07.20: ACHTUNG! 5. Wagner Fo- rum Graz SOMMER-EVENT: Ein spielerischer, vergnüglicher Streif- zug durch die Welt der Kultur mit tol- len Preisen. Ort: Gasthof Di Gallo um 17:30 Uhr. Dauer ca. 2 Stunden. An- schließend gemütlicher Ausklang mit Abendessen. Gäste sind herzlich willkommen! www.wfg.at Turandot © Nils Heck/Staatstheater Darmstadt La Traviata © Komische Oper Berlin, Iko Freese