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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Herpetozoa

Jahr/Year: 2007

Band/Volume: 20_1_2

Autor(en)/Author(s): Duda Michael, Grillitsch Heinz, Hill Johannes, Klepsch Rudolf

Artikel/Article: Die Würfelnatter Natrix tessellata (Laurenti, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand (Niederösterreich) (Squamata: Serpentes. Colubridae) The Dice Snake Natrix tessellata (Laurenti, 1768), in the Southern and along the eastern edge of the Alps (Lower ) (Squamata: Serpentes: Colubridae) 35-56 ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

HERPETOZOA 20 (1/2): 35 - 56 35 Wien, 30. Juli 2007

Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand (Niederösterreich) (Squamata: Serpentes: Colubridae)

The Dice Snake Natrix tessellata (LAURENTI, 1768), in the Southern Vienna Basin and along the eastern edge of the Alps () (Squamata: Serpentes: Colubridae)

MICHAEL DUDA & HEINZ GRILLITSCH & JOHANNES HILL & RUDOLF KLEPSCH

KURZFASSUNG Im Jahr 2006 untersuchten die Autoren von April bis September 77 ausgewählte Uferabschnitte von Gewässern im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand (Niederösterreich) auf Vorkommen der Würfel- natter, Natrix tessellata (LAURENTI, 1768). Im Zuge der Erhebungen wurde auch eine Aufnahme der Lebensraum- ausstattung durchgeführt. Die Schlange konnte an 15 Fundorten in drei von insgesamt zehn Gewässersystemen nachgewiesen werden, wobei sich fünf Fundortkomplexe unterscheiden ließen (zugehörige Fließgewässer in Klammern): Wienerwaldsee (Wienfluß); Helenental westlich von Baden (); Traismauer - Tribuswinkel (Schwechat); Laxenburg - (Schwechat); Wilfleinsdorf (Leitha). Bei der aktuellen Untersuchung wurden Würfelnattern nur in Gewäs- sersystemen festgestellt, aus denen sie bereits bekannt waren, ließen sich im Vergleich zu älteren Angaben an eini- gen Stellen jedoch nicht mehr nachweisen. Die Auswertung der Daten ergab, daß diese Art in hohem Maße an naturnahe Gewässersysteme mit einem reichen Angebot an Jungfischen, strömungsberuhigten Bereichen und begleitenden, strukturreichen Ufergehölz- säumen bzw. Auwaldrelikten gebunden ist. Diese Ergebnisse decken sich weitestgehend mit Erhebungen an anderen Würfelnatterpopulationen in Mitteleuropa. Die Würfelnatter wird von den Autoren nach den vorliegenden Ergebnissen als im Untersuchungsgebiet stark gefährdet eingestuft. Die Würfelnatter ist eine Zeigerart für intakte Fließgewässersysteme. Deshalb dienen alle Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung dieser Reptilienart auch dem Fortbestand einer Reihe anderer anspruchsvoller und bedrohter Tier- und Pflanzenarten. ABSTRACT From April to September 2006 the authors studied 77 selected riparian sites in the Southern Vienna Basin and along the eastern edge of the Alps (Lower Austria) in search of the Dice Snake Natrix tessellata (LAURENTI, 1768). During this survey the habitat configuration was analysed. The snake was detected in three out often riverine systems studied, in which 5 habitat complexes could be distinguished: Wienerwaldsee (Wien river); Helenental west of Baden (Schwechat river); Traismauer - Tribuswinkel (Schwechat river); Laxenburg - Achau (Schwechat river) and Wilfleinsdorf (Leitha river). This study confirmed the presence of N. tessellata exclusively in waters from where the snake was already known. Moreover, in contrast to older records, in a few places the Dice Snake could no longer be found. Interpretation of the data showed the intensive linkage of this species to near-natural water bodies character- ized by their high density of young fishes, the presence of sections where the flow speed is low and the banks are fur- nished with well structured riparian shrubland or relics of alluvial forests. These results align largely with surveys on other populations of the Dice Snake in Central Europe. The authors categorise the Dice Snake as a highly endangered species. This snake is an indicator species for intact flowing water bodies. Therefore all measures of conservation and aid for this reptile species are conducive to the survival of a series of endangered animal and plant species. KEYWORDS Reptilia: Squamata: Serpentes: Colubridae: Natrix tessellata, Lower Austria, range area, habitat requirements

EINLEITUNG

Die Würfelnatter Natrix tessellata stigten Flach- und Beckenlandschaften des (LAURENTI, 1768) ist eine Gewässer und ihre Ostens und Südens besiedelt; sie ist aus den Ufergebiete bewohnende Schlange, die in Bundesländern Oberösterreich, Niederöster- Österreich hauptsächlich die wärmebegün- reich, Wien, Burgenland, Steiermark und ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

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Kärnten nachgewiesen (GRILLITSCH & CA- meldungen bezeichneten Fundorten sind 16 BELA 1992; CABELA et al. 2001). präzise lokalisierbar; an acht von ihnen Als Zeigerart für intakte Flußöko- wurde die Art (auch) nach 1980 beobachtet. systeme mit hohem Strukturangebot und Ein beträchtlicher Anteil (84%) der Fund- Fischreichtum kommt der Würfelnatter im meldungen stammt aus der Zeit vor 1980; Biotopschutz große Bedeutung zu (ZIMMER- für ihn stehen Bestätigungen seit minde- MANN & KAMMEL 1994b). Aufgrund der fort- stens 27 Jahren aus. schreitenden Lebensraumzerstörung sind Der Mangel an aktuellen Beobach- ihre Bestände in Österreich als gefährdet "en- tungsdaten war Anlaß dafür, bekannte und dangered" eingestuft (GOLLMANN 2007). potenzielle Fundorte der Würfelnatter im In Niederösterreich kommt die Art Südlichen Wiener Becken auf Vorkommen vereinzelt an der Donau vor. Häufiger ist dieser Schlange zu überprüfen, die Beschaf- sie an deren nördlichen Zubringern Kamp, fenheit der Lebensräume zu dokumentieren Krems, Thaya und March (Unterlauf), selten und Aussagen über die gegenwärtige Ver- an südwestlichen (z. B. Pielach). Siebzig breitung zu machen. Die im Auftrag der Fundmeldungen der Würfelnatter in der Niederösterreichischen Landesregierung, Herpetofaunistischen Datenbank Öster- Abteilung Naturschutz (Landschaftsfond) reichs (HFDÖ, Naturhistorisches Museum erfolgte Studie (DUDA et al. 2006) soll die Wien; GRILLITSCH & CABELA 1992; CABELA Kenntnis über Verbreitung und Lebens- et al. 2001) stammen von den Flüssen raumansprüche der Würfelnatter im Süd- Schwechat, Wien, Mödling, Leitha, Schwar- lichen Wiener Becken erweitern und damit za und dem Wiener Neustädter Kanal, wel- die Grundlagen für Entscheidungen über Art che vom Ostrand der Alpen kommend durch und Ausmaß von Erhaltungs- und Stüt- das Südliche Wiener Becken fließen und in zungsmaßnahmen für diese stark gefährdete Wien und östlich davon von Süden her in die Schlange im Südosten Niederösterreichs zur Donau münden. Von den in diesen Fund- Verfügung stellen.

MATERIAL UND METHODEN

Untersuchungsgebiet dehnung des gesamten Gebietes beträgt je etwa 70 km, seine Fläche rund 1700 km2. Das Untersuchungsgebiet „Südliches Das Flachland des Südlichen Wiener Wiener Becken und Alpenostrand" (Abb. 1) Beckens, der größte Teil des Untersu- wurde hinsichtlich seiner Grenzen und der chungsgebietes, wird nur vereinzelt von zu untersuchenden Gewässer auf Grundlage hügeligen Strukturen (ca. 300 m ü. M.) un- publizierter Angaben zur Würfelnatterver- terbrochen. Von der gegenwärtigen Land- breitung (GRILLITSCH 1990, GRILLITSCH & nutzung her ist das Südliche Wiener Becken CABELA 1992; CABELA & al. 2001) definiert. stark durch intensive menschliche Überfor- Es reicht von den Vorbergen der Alpen im mung geprägt; Siedlung, Industrie und in- Westen bis an die niederösterreichische tensive Landwirtschaft dominieren. Natür- Landesgrenze im Osten und ist im Norden liche Klimaxwälder (Zerreiche, Traubenei- durch Wienfluß und Donau (deren Begleit- che, Hainbuche) sind auf winzige Reste auen allerdings nicht Teil des Untersu- reduziert, die entlang der Flüsse stockenden chungsgebietes waren), im Süden durch das Auwälder sehr oft durch flußbauliche Maß- Bergland der Buckligen Welt begrenzt. Es nahmen degeneriert (KILIAN et al. 1994). beinhaltet Flußläufe, die in Gebirgen des Die untersuchten Gewässerabschnitte liegen Alpenostrandes entspringen und durch das im Höhenbereich von 139-307 m ü. M. Südliche Wiener Becken ziehend in die Do- Der Alpenostrand, der kleinere Anteil nau bei Wien und östlich davon münden, des Untersuchungsgebiets, ist in seiner ur- nicht aber die Donau selbst. Untersucht sprünglichen Form ein von Tallandschaften wurden die Ränder ausgewählter Fließge- durchzogenes waldiges Mittelgebirge (Trau- wässer in einer Gesamtlänge von ca. 150 km. beneichen-Hainbuchen-, Flaumeichen- und Die maximale Ost-West- und Nord-Süd-Aus- Schwarzföhrenwälder). In der Landnutzung ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 37 dominieren Forstwirtschaft und Grünland- der Zeit von 1832 bis 2001 enthielt. Der wirtschaft, in den an das Wiener Becken an- Großteil (89%) der Funde und ihre Begleit- grenzenden östlichen Teilen Weinbau und daten stammt aus dem Zeitraum vor 1990. Siedlungsgebiet. Die Flußtäler von Trie- Nach A. CABELA (in litt.) stellt sich die sting, Piesting und Schwarza sowie die Ab- Verbreitung der Würfelnatter auf Basis der dachung zum Wiener Becken hin sind dicht HFDÖ-Daten im Untersuchungsgebiet wie besiedelt. Die untersuchten Gewässerab- folgt dar: "Die Würfelnatter tritt im Unter- schnitte liegen im Höhenbereich von 239- suchungsgebiet so gut wie ausschließlich an 470 m ü. M. Fließgewässern auf. Wienfluß: Im Jahr 1958 Das Untersuchungsgebiet wird von wurden von ZINNER N. tessellata vom fünf größeren Flüssen durchzogen, welche Kamptal am Wienerwaldsee ausgesetzt (So- in die Donau entwässern: der Wienfluß, die CHUREK 1960). Tiere wurden auch unter- Schwechat (größere Nebenflüsse: Liesing, halb des Sees, in der Gegend von Purkers- Mödling, ), die Fischa (Nebenfluß: dorf um 1960 beobachtet (fide PAINER). Der Piesting) sowie die Schwarza und die Bestand hält sich bis heute (fide KAMMEL). Leitha. Letztere weist im Abschnitt zwi- Aus dem Einzugsgebiet der Mödling sind schen den Orten Ternitz und Landegg perio- nur vier "alte" (um 1960 und davor), wenig dische Wasserführung auf; nur nach der präzise allgemeine Fundortangaben vorhan- Schneeschmelze und bei Starkregenereig- den. Die Schwechat bildet den Verbrei- nissen ist das Flußbett gefüllt. Zwischen tungsschwerpunkt der Art im Untersu- Wiener Neustadt und der südlichen Wiener chungsgebiet mit Fundhäufungen um Baden Stadtgrenze verläuft der Wiener Neustädter (Schwechat-Fluß, Wiener Neustädter Kanal, Kanal. Er wurde im 19. Jahrhundert für den sportfischereilich genutzte Teiche südlich Holztransport aus dem niederösterreichisch- Traiskirchen) und um Laxenburg (Schloß- steirischen Grenzgebiet nach Wien errichtet. park, Achau). Der donaunächste Fundort ist Die größeren stehenden Gewässer des der Schwechat-Fluß bei Schwechat (fide Gebietes sind alle durch menschliche SEZEMSKY). Der Großteil der Beobachtun- Tätigkeit entstanden. Der Wienerwaldsee gen erfolgte schon vor mehr als zwei Jahr- (0,32 km2), ein Rückhaltebecken des Wien- zehnten. Lediglich sechs Meldungen stam- flusses, wurde zu Beginn des 20. Jahrhun- men aus jüngerer Zeit (Helenental: Cholera- derts als Wasserreservoir angelegt. Im kapelle, Baden, Achau, Hörmbach/ Wiener Wiener Becken liegen zahlreiche Schotter- Neustädter Kanal, sportfischereilich genutz- teiche, die im Laufe des 19. und 20. Jahr- te Teiche südlich Traiskirchen). Entlang der hunderts entstanden sind. Durch intensive Leitha zeichnet sich als Schwerpunkt der fischereiliche Tätigkeit, Freizeitnutzung Bereich um Brück (Wilfleinsdorf bis sowie "Rekultivierungsmaßnahmen" (Ver- Pachfurth) ab, flußabwärts lebt die Art auch füllen von Nebengewässern, Ausbaggern bei Gattendorf (1980, fide HÄUPL), flußauf- von Flachwasserzonen, Umgestaltung zu wärts am Neufelder See (1996, fide BÖHME; Parklandschaften) befindet sich die Mehr- einzige weniger als 20 Jahre alte Meldung zahl dieser Gewässer mittlerweile in einem in der HFDÖ aus dem österreichischen naturfernen Zustand. Der zu Ende des 18. Leitha-Gebiet). Nach SOCHUREK & GAYDA Jahrhunderts angelegte große Teich im Park (1941) ist N. tessellata auch im Schwarzatal des Schlosses Laxenburg wird von den verbreitet, was durch einen Fund bei Flüssen Schwechat und Triesting mit Was- Grafenbach, St. Valentin noch 1975 bestä- ser versorgt. tigt wurde (fide SCHWAMMER). Der Fundort Hernstein (BECK 1886) wird als Irrtum ge- Auswahl der Standorte wertet (CABELA et al. 2001)." Aufgrund der mittlerweile vielerorts Grundlage für die Auswahl der Unter- erfolgten naturräumlichen Veränderungen suchungsstandorte waren Funddaten aus der durch Gewässerverbauung, intensive Land- Herpetofaunistischen Datenbank des Natur- wirtschaft, Beschattung (Neophyten), Bau- historischen Museums Wien (HFDÖ), wel- tätigkeit und Freizeitaktivitäten wurden vor- che mit Stand vom 01.02.2006 aus dem Un- rangig die 13 Funde und Fundortangaben tersuchungsgebiet 70 Fundmeldungen aus von nach 1980 zur Überprüfung ausge- ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

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Abb. I : Das Untersuchungsgebiet "Südliches Wiener Becken und Alpenostrand (Niederösterreich)" (blaue Linie) und die fünf Fundortkomplexe, wo an 15 Stellen Vorkommen von Nutrix tessellata (LAUREN n, 1768) festgestellt wurden [1 - Wienerwaldsee (Wienfluß), 2 - Helenental (Schwechat, Sattelbach), 3 - Traiskirchen - Tribuswinkel (Schwechat, Wiener Neustädter Kanal), 4 - I.axenburg - Achau (Schwechat), 5 - Wilfleinsdorf (Leitha)]. Das Gebiet reicht von den Vorbergen der Alpen im Westen bis an die niederösterreich-burgenländische Landesgrenze im Osten und ist im Norden durch Wienfluß und Donau (deren Begleitauen allerdings nicht Teil des Untersu- chungsgebietes waren), im Süden durch das Bergland der Buckligen Welt begrenzt. Die Karte stellt einen etwa 70 km x 80 km großen Ausschnitt dar, die Fläche des Untersuchungsgebietes beträgt rund 1700 km2. (Kartengrundlage: AustrianMap© Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Wien). Fig. 1 : The study area "southern Vienna Basin and the eastern edge of the Alps" (blue line) in Lower Austria including five site clusters where Natrix tessellata (LAURENT), 1768) was observed in 15 locations [1 - Wiener- waldsee (Wienfluß), 2 - Helenental (Schwechat, Sattelbach), 3 - Traiskirchen - Tribuswinkel (Schwechat, Wiener Neustädter Kanal), 4 - Laxenburg - Achau (Schwechat), 5 - Wilfleinsdorf (Leitha)]. The study covers an area extending from the foothills of the Alps in the west to the border between the federal countries of Lower Austria and Burgenland in the east. In the north it is bordered by the rivers Wien and (the alluvial forests of which were not studied), in the south by a low mountain area named "Bucklige Welt". The map represents an area of about 70 km by 80 km, the study area covers about 1700 km2. (Background map: AustrianMap© Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Wien). ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 39 wählt. Die Eignung der auf diese Weise Winterquartier) - Treibgutanschwemmun- ausgewählten 77 Fundstellen als heutiger gen bzw. Totholz und Fallaub (=Eiablage- potenzieller Lebensraum der Würfelnatter platz). wurde durch Bewertung der aktuellen öko- Erschien ein zuvor festgelegter Unter- logischen Situation der betreffenden Ge- suchungsstandort bei der Begehung völlig wässerabschnitte einschließlich der angren- ungeeignet, so wurde eine möglichst in un- zenden Landhabitate anhand des Karten- mittelbarer Nähe gelegene Untersuchungs- materials (Österreich Karte 1:50.000 Blätter stelle mit besserer Habitateignung an seiner Nr. 58, 59, 60, 61, 75, 76, 77, 78, 105, 106) Stelle ausgewertet. Insgesamt wurden 77 Un- vorab grob abgeschätzt, um das Aufsuchen tersuchungsstandorte festgelegt (Tabelle 1). von inzwischen völlig ungeeigneten Lebens- räumen möglichst auszuschließen. Gebiets- Umfang der Erhebungen und Habitatkenntnis der Autoren und ande- rer Mitglieder der Österreichischen Gesell- Der Zeitraum der Untersuchung er- schaft für Herpetologie halfen bei der Aus- streckte sich von Ende März bis Mitte Sep- wahl der Untersuchungsstandorte bzw. - tember 2006. Insgesamt fanden Begehun- strecken. Weiters wurden im zeitigen Früh- gen im Ausmaß von 63 Personentagen an 77 jahr - noch bevor Würfelnattern ihren aqua- Untersuchungsstellen entlang von 150 km tischen Lebensraum aufsuchen - die größe- Gewässerufer statt. ren Gewässer des Untersuchungsgebietes An jedem Untersuchungsstandort begangen und geeignete Abschnitte erkun- wurden nach Möglichkeit beide Ufer des det. Entlang des Flusses Leitha erfolgte die Gewässers kartiert, wobei meistens eine Festlegung der Untersuchungsstrecken fast Strecke von mehreren 100 Metern entlang ausschließlich auf diese Weise. von Uferlinie, Böschungsoberkante sowie Um eine möglichst hohe Erfolgsquote gewässerbegleitenden Weg- und Waldrän- beim Auffinden von Würfelnattern sicher- dern abgegangen wurde. Sofern es der Was- zustellen, wurden solche Stellen ausge- serstand zuließ, erfolgten Begehungen auch wählt, die für mitteleuropäische Verhältnis- im Uferbereich des Wasserkörpers selbst. se als für die Würfelnatter charakteristisch Angrenzende Landlebensräume wurden bis geltende Habitatausstattungen aufwiesen zu einer Entfernung von 100 m von der bzw. vermuten ließen (vergi. LANKA 1978; Uferlinie abgesucht. Kartierungen fanden OBST 1976; GRUSCHWITZ 1978, 1981, 1985, stets bei sonniger bis leicht bewölkter 1986; LENZ & GRUSCHWITZ 1993; ZIMMER- Wetterlage und Lufttemperaturen zwischen MANN 1994; ZIMMERMANN & KAMMEL 18°C und 27°C statt. Zumeist wurde ein 1994a, 1994b; KAMMEL 1999). Untersuchungsabschnitt zeitgleich von Folgende subjektiv beurteilten Kri- mehreren Personen abgesucht. Untersu- terien mußten für eine Festlegung als Un- chungsstellen, an denen bei der Erstbege- tersuchungsstandort wenigstens teilweise hung keine Würfelnattern festgestellt wur- (d. h. nicht alle gleichzeitig bzw. nicht alle den, wurden mindestens ein weiteres Mal optimal) erfüllt sein: aufgesucht. Die Würfelnatterbeobachtun- (Fließ)gewässer in klimatisch begün- gen sowie Angaben zum Lebensraum wur- stigter Lage mit langer täglicher Beson- den,in Erhebungsbögen eingetragen; außer- nungsdauer (=klimatische Voraussetzung) - dem erfolgte die fotografische Dokumenta- Fischreichtum besonders auch an Jung- tion aller Standorte. fischen (=Nahrungsquelle) - Zonen mit ge- ringer Wassertiefe (Kies-/Schotter-/Sand- Beschreibung und Kategorisierung bänke) bzw. mit verminderter Strömungs- der Standorte geschwindigkeit (=Jagdgründe) - naturnahe strukturierte Ufervegetation mit mäßig Die Ausprägung folgender Gegeben- dichter Strauch- und Baum-, jedoch dichte- heiten am Untersuchungsstandort wurde be- rer Krautschicht und sonnenexponierte schrieben: Gewässertyp; Fließgeschwindig- (Hang-)Flächen wie Böschungen oder keit; Wassertiefe; Wassertrübe; Störsteine Dämme in Ufernähe (=Sonnplatz, Schlupf- bzw. Buhnen etc.; Totholz bzw. Steine im winkel, Sichtschutz, Landlebensraum und Wasser; Flachwasserzonen; Wasservegeta- ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

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Nr. Untersuchungsstandort / Study Site Gewässersystem / River system (Nr.) Kategorie Nachweis/Record 1 Zillingdorf, S Ort Leitha ( 1 > 2 Neufeld, W Ort Leitha ( > 3 Landegg, S Ort Leitha, WarmS e Fischa (1) :I 4 Wimpassing, S Ort Leitha ( i :l 5 Leithaprodersdorf, E Ort Leitha m :l 6 Seibersorf, E Ort, Kraftwerk Leitha ( i ;• 7 Pischelsdorf, SE Ort Leitha und Nebenbach (1) \ 8 Trautmannsdorf, SW Ort Leitha (1) :l 9 Brück a. d. Leitha, E Ort "Alte" Leitha (1) :l EISELT 1969 10 Pachfurth, S Ort Leitha und Augewässer ( 1 ) '*l HÄUPL 1980 11 Markt Piesting, E Ortsrand Piesting (2) '.) 12 Felixdorf, NE Spinnerei Piesting und Werkskanal (2) '.5 13 Blumau, W Ort Piesting Kalter Gang (2) :5 14 Neurißhof, SE Ort Piesting (2) : 15 Günselsdorf, NE Ortsrand Triesting (3) '.5 16 Schönau, SW Ort Piesting x Wr. Neustädter Kanal (2) '5 17 Fahrafeld Triesting (31 I) 18 Pottenstein, S Ortsrand Triesting (31 ' 19 St. Veit, SW Ortsrand Triesting (3) '. 20 Tribuswinkel, SE Ort Schwecnat 4 + 21 Traiskirchen, S Ort Schwechat 4 + 22 Möllersdorf, E Ort Schwechat 4 > 23 Achau, E Ort Schwechat 4 l MAYER 1987 24 Achau, S Ort Schwechat 4 + 25 Breitenfurth Ost Reiche Liesing (51 '. 26 Breitenfurth Ost - Kloster Reiche Liesing (5) ;5 27 Wienerwaldsee Wienfluß (6) + 28 An der Stadihütte, N Ortsrand Wienfluß (6) + 29 Sulz im Wienerwald, S Ort Mödlinger Wildbach (7) : 30 Sittendorf, S Ort Mödlinger Wildbach (7) :5 \Ai\t\\\r\n (1\ 31 Gaaden, W Ort iviouiing \i) !i 32 , W Ort Schwechat (4) : 33 Katzelsdorf, E Ortsrand Leitha (1) I) 34 Eichbüchl, W Ort Leitha (1) : 35 Haderswörth, W Ort Schwarza (1) \ 36 Grafenbach, S Ort Fischteich (1) \l SCHWAMMER 1975 37 Ternitz, SW Ortsrand, N Wasserwerk Schwarza (11 \l 38 Gloegnitz, W Ort Schwarza (l) \j 39 Biedermannsdorf, W Ortsrand Mödling (7) :i 40 Tattendorf, NE Ortsrand Triesting (31 '5 41 , S Ortsrand Triesting (31 ') 42 Münchendorf, S Ortsrand Triesting (3) ') 43 Moosbrunn, SW Ort Piesting (2) '.) 44 Ebergassing, E Ort Fischa (81 '.5 45 Wienerherberg, E Ort Fischa (8) '.i 46 Fischamend, SW Ortsrand Fischa (81 '.i 47 Fischamend, NE Ort Fischa (8) '. 48 , S Ort Schwechat (41 + 49 Ungarstein Schwechat (4) + 50 Sattel bach, N Ort Sattelbach (9) + 51 Sattelbach, S Ort Schwechat (41 + 52 Cholerakapelle, E Ch. Schwechat (41 +, DESBALMES 1994 53 Rosental Schwechat (4) +, TEUFL 1982 54 Gerhaus, SE Ort Leitha l 55 Hollern, SW Ort Leitha • 56 Deutsch Haslau, S Ortsrand Leitha 57 Potzneusiedl, E Ort Leitha 58 Gattendorf, W Ortsrand Leitha l HÄUPL 1980 59 Gattendorf, SE Ort Leitha l 60 Mannswörth, N Ort Sctìwechat (4) :l 61 Schwechat, Ortsgebiet Schwechat (41 ; 62 Mödling, SE Ort Figurteich (10) '.5 63 Baden, SE Ort Wiener Neustädter Kanal (4) +, GOLDMANN 1997 e 64 Baden, SE Ortsrand Schwechat (4) \> 65 Wöllersdorf, W Ortsrand Piesting (2) '. 66 Payerbach, SE Ort Schwarza (1) ^l 67 Heiligenkreuz, Ortsgebiet Sattelbach (4) :l 68 Wienerwaldsee, Zufluß Wienfluß (6) + 69 Neu-Purkersdorf, Postsiedlung Wienfluß (6) :l 70 Grub, S Ortsrand Sattelbach (9) ;l 71 Wilfleinsdorf, S Ort Leitha (1) +, SOCHUREK 1970 72 Baden, W Ortsrand Schwechat (4) +, GÖTZ 1993 etc. 73 Pfaffstätten, S Ort Mühlbach (4) ; 74 Guntramsdorf, SE Ort Schwechat (41 \ 75 Zwölfaxing, SW Ortsrand Schwechat (4) 'tl 76 Trautmannsdorf, S Ort Leitha, Leithakanal (1) 2l 77 Wampersdorf, S Ortsrand Leitha (1) l ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 41 tion; Vegetationsstruktur im Wasser; Sand- Grundlage der Würfelnatter-Nachweise in /Kiesbänke; Gewässerbreite; Neigung der der vorliegenden Studie einer von drei Uferböschung; Vegetationsdichte der Kraut- Kategorien zugeordnet. schicht an Land; Exposition; Felsen/Ge- Kategorie-1 Standorte sind solche mit mäuer; Totholz an Land; Besonnung (Sonn- Nachweisen von N. tessellata. Es handelt plätze); Fischbestand; Strukturvielfalt im sich um 15 Standorte an den Gewässern Landhabitat; Verbauungsgrad. Dabei erfolg- Leitha, Schwechat (Inklusive Haidbach bei te die Bewertung der Merkmalsausprägun- Achau, Wiener Neustädter Kanal bei gen (ausgenommen Exposition) subjektiv Baden), Wienfluß (inklusive Wienerwald- nach einer Ordinalskala: 0 = schwach ausge- see), Sattelbach. prägt oder fehlend, 1 = mäßig ausgeprägt, 2 = Kategorie-2 Standorte sind solche stark ausgeprägt. Folgende Strukturen, ohne Nachweis von N. tessellata, jedoch mit Landschaftsbereiche bzw. Vegetationstypen Funden der Art in anderen Teilen des Ge- im angrenzenden Landlebensraum wurden wässers. Es handelt sich um 37 Standorte an als vorhanden (1) oder nicht vorhanden (0) denselben Gewässern wie bereits unter den klassifiziert: Acker/Weingarten; Wald; Gar- Kategorie 1 Standorten genannt wurden. ten/Park; Ruderalfläche; Staudenflur; Wiese; Kategorie-3 Standorte sind solche Gebäude; Böschung/Damm; Schilf; Uferge- ohne Funde von N. tessellata an Gewässern hölzsaum; Neophyten; Intensive Landwirt- ohne den Nachweis von N. tessellata in schaft; Siedlung; Straßenverkehr; Stock- und deren Gesamtverlauf. Es handelt sich um Hybridenten; Periodische Wasserführung; 25 Standorte an den Gewässern Piesting, Freizeitaktivität; Beschattung. Triesting, Reiche Liesing, Mödling, Fischa, Zur Auswertung der Ergebnisse wurde Teiche (ehemals Ziegelteiche) bei Mödling. jeder Untersuchungsstandort (Abb. 2) auf

ERGEBNISSE

Verbreitung im Untersuchungsgebiet 27, 28, 68. Der Wienerwaldsee wurde zur Wasserversorgung der Stadt Wien angelegt Im Rahmen der vorliegenden Untersu- und wird vom Wienfluß durchflössen. Das chung waren Vorkommen von N. tessellata Gewässer weist vor allem an seinem Nord- an 15 der 77 Untersuchungsstandorte nach- und Westufer ausgedehnte Flachwasser- weisbar. Diese Fundorte lassen sich zu den bereiche mit teilweise dichtem Schilfbestand folgenden fünf Fundkomplexen zusammen- auf. Am Ost- bzw. teilweise am Nordufer fassen (Abb. 1): befindet sich unverfugtes Mauerwerk. Der Wienerwaldsee (Wienfluß) (1 in Wienfluß besitzt strömungsberuhigte Gewäs- Abb. 1, Abb. 3), Untersuchungsstandorte Nr. serabschnitte und eine hohe Jungfischdichte.

Tab. 1 (gegenüberliegende Seite): Die 77 Untersuchungsstandorte mit dem zugehörigen Gewässersystem, der Standortkategorie (siehe dazu Abschnitt Standortkategorisierung in 'Material und Methoden') und dem Nachweis von Natrix tessellata in der vorliegenden Untersuchung (+) und aus der HFDÖ (Gewährsperson und Jahresangabe). Gewässersystem Nummern (wie sie auch in Tabelle 5 verwendet wurden): 1 - Leitha/Schwarza (inklusive diverser Nebenkanäle, Fischteich bei Grafenbach); 2 - Piesting; 3 - Triesting; 4 - Schwechat (inklusive Haidbach bei Achau, Wiener Neustädter Kanal bei Baden, Mühlbach bei Pfaffstätten); 5 - Reiche Liesing; 6 - Wien- fluß (inklusive Wienerwaldsee); 7 - Mödling; 8 - Fischa; 9 - Sattelbach; 10 - Ehemalige Ziegelteiche bei Mödling. Table I (opposite page): The 77 study sites, the associated river systems, site categories (for categories see explanations in Table 6) and Natrix tessellata records in the present study (+) and from the HFDÖ [Austrian Herpetofaunal Database] (information authority, year of record). Water body complex numbers (as also used in Table 5): 1 - Leitha/Schwarza river (including various colateral canals, fishpond at Grafenbach); 2 - Piesting river; 3 - Triesting river; 4 - Schwechat river (including Haidbach stream near Achau, Wiener Neustädter Kanal at Baden, Mühlbach at Pfaffstätten); 5 - Reiche Liesing river; 6 - Wienfluß river (including the lake Wienerwaldsee); 7 - Mödling river; 8 - Fischa river; 9 - Sattelbach stream; 10 - ponds near Mödling. ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

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Abb. 2: Lage der 77 Untersuchungsstandorte (blaue Punkte) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand. (Kartengrundlage: AustrianMap© Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Wien). Fig. 2: Position of the 77 study sites (blue dots) in the Southern Vienna Basin and at the eastern edge of the Alps. (Background map: AustrianMap© Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Wien).

Abb. 3: Wienerwaldsee (I in Abb. I), Untersuchungsstandort 27 in Tab. 1. (Foto: J. HILL). Fig. 3: Lake Wienerwaldsee (1 in Fig. 1 ), study site number 27 in Table I. ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 43

Abb. 4: Schwechat im Helenental, W Baden, (2 in Abb. 1 ), Untersuchungsstandort 53 in Tab. 1. (Foto: J. HILL). Fig. 4: Schwechat river in the Helenental valley west of Baden, (2 in Fig. 1), study site number 53 in Table 1.

Abb. 5: Schwechat bei Tribubuinkd, (3 in Abb. 1 ), Lnteisuchungsstaiidort 2U in lab. 1. (Foto: J. HILL). Fig. 5: Schwechat river near Tribuswinkel, (3 in Fig. 1), study site number 20 in Table 1. ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

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Hauptaufenthaltsorte der Würfelnatter Gewässer, welches von einem schmalen Ge- sind vor allem das sonnenexponierte Nord- hölzsaum begleitet wird. Aus der nahegele- ufer des Sees sowie die Mündung und der genen Schwechat eingewanderte Würfelnat- Ausfluß des Wienflusses. Die Böschung im tern halten sich hier wahrscheinlich nur vor- Bereich der Kläranlage bietet durch ihren übergehend auf. Entlang von 2600 m hohen Strukturreichtum (Blockwurf, Ge- Uferstrecke wurden insgesamt 3 Individuen büsch) gute Bedingungen für das Vorkom- beobachtet. men von N. tessellata. Potentielle Eiablage- Laxenburg - Achau (Schwechat) plätze finden sich im Gelände einer Gärt- (4 in Abb. 1, Abb. 6), Untersuchungsstand- nerei und in den Rindenschnitzelhaufen im ort Nr. 24. Östlich des Laxenburger Schloß- Areal der Kläranlage. Entlang von 1700 m parks im Bereich von Achau fließt die Uferstrecke wurden ingesamt 9 Individuen mäßig regulierte Schwechat durch agrarisch beobachtet. intensiv genutztes Gelände. Flachwasser- Helenental westlich von Baden zonen bzw. strömungsberuhigte Abschnitte (Schwechat, Sattelbach Mündungsbereich) fehlen in diesem Bereich weitestgehend. (2 in Abb. 1, Abb. 4), Untersuchungsstand- Die Uferböschungen sind durchgehend mit orte Nr. 48, 49, 50, 51, 52, 53, 72. Das einer ausgeprägten Baum bzw. Strauch- Helenental stellt den Schwerpunkt der schicht ausgestattet. Winterquartiere stehen Würfelnatternvorkommen im Untersuchu- an den Böschungen der Eisenbahntrasse zur ngsgebiet dar. Vom westlichen Stadtrand Verfügung, welche den Fluß quert. Im Zu- bis Mayerling wird der gesamte Fluß- sammenfluß von Schwechat, Mödling und abschnitt von individuenstarken Popu- Triesting (Umgehungsbach und Fischauf- lationen besiedelt. Vor allem an strukturrei- stiegshilfe) konnten keine Würfelnattern chen Böschungen und Blockwürfen findet festgestellt werden, allerdings liegt vom man N. tessellata. Die Schwechat zeichnet August 2003 aus diesem Bereich der Foto- sich in weiten Bereichen durch ein naturna- beleg eines jagenden Individuums (H. GRJL- hes Flußbett mit strömungsberuhigten Ab- LITSCH, pers. Mitt.) vor. Entlang von 1100 schnitten und umfangreichen Totholzan- m Uferstrecke wurden insgesamt 2 Indivi- sammlungen aus. Die starke Insolation und duen beobachtet. der Fischreichtum begünstigen das Vorkom- Wilfleinsdorf (Leitha) (5 in Abb. 1, men der Würfelnatter. Entlang von 6200 m Abb. 7), Untersuchungsstandort Nr. 71. Uferstrecke wurden insgesamt 23 Individu- Südlich von Wilfleinsdorf an der burgenlän- en beobachtet. dischen Landesgrenze fließt die Leitha Traiskirchen - Tribuswinkel durch einen Auwaldstreifen und einen (Schwechat, Wiener Neustädter Kanal) (3 in Feuchtwiesenkomplex, welcher periodisch Abb. 1, Abb. 5), Untersuchungsstandorte überschwemmt wird. Diese sind beiderseits Nr. 20, 21, 63. Der naturnahe Flußabschnitt von einem Hochwasserschutzdamm einge- der Schwechat zwischen Tribuswinkel und säumt. Das Gewässer selbst weist ein rela- Traiskirchen scheint ein individuenreiches tiv monotones Flußbett auf, Flachwasser- Vorkommen der Würfelnatter zu beherber- zonen und Totholzansammlungen fehlen in gen. Durch fehlende Regulierungsmaßnah- weiten Bereichen. Die im Vergleich zum men kommt es hier zur Ausbildung von parallel laufenden Leithakanal schwache zahlreichen Flachwasserzonen, strömungs- Wassertrübung während der Sommermona- beruhigten Abschnitten und Prallhängen. te wirkt sich hier offensichtlich positiv auf Große Mengen an Totholzansammlungen, das Vorkommen von TV. tessellata aus. welche in ausreichendem Maß Versteck-, Entlang von 3000 m Uferstrecke wurde ins- Eiablage- und Sonnplätze für die Schlangen gesamt 1 Individuum beobachtet. bieten, sind vorhanden. Die Flachwasser- zonen stellen bevorzugte Aufenthaltsorte Klima und Höhenverbreitung von Jungfischschwärmen dar. Der Wiener Neustädter Kanal (aus Die insgesamt 77 begangenen Stellen dem Fundmeldungen der Würfelnatter in reichen von 139 m ü. M. (Gattendorf, E Ort) der HFDÖ aus den Jahren 1984 und 1997 bis 470 m ü. M. (Grafenbach, S Ort). Die vorliegen) ist ein monoton strukturiertes 15 Fundorte von Natrix tessellata befinden ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 45

Tab. 2: Kurzbeschreibung der Wuchsgebiete im Untersuchungsgebiet nach KJLIAN et al. (1994) einschließ- lich der Höhenbereiche der kollinen und submontanen Zone (m) und der Jahresniederschlagsmenge (mm). Table 2: A brief characterization of the vegetation units in the study area according to KILIAN et al. (1994) including altitudinal ranges of hilly and the submontane zones (m) and amount of annual precipitation (mm). Wuchsgebiet Nr. / Vegetation Unit Nr. 4.2 5.1 5.2 8.1 Bezeichnung / Name Nördliche Niederösterreichischer Bucklige Sommerwarmer Randalpen Alpenostrand Welt Osten Ostteil (Thermenalpen) Höhenlage kolline Stufe (m) - 200-350 (400) - 100-350(400) Höhenlage submontane Stufe (m) 400-600 300 (350)-600 (700) 300-600 (700) (150)350-700 Jahresniederschlag (mm) 1000-1700 700-1000 700-1100 450-700 Klimatyp / climate type Kühl-humides Übergang panno- Ähnlich 5.1, Pannonisch- Stauklima nisches Klima- aber subkontinentales humides Stauklima kühler Klima sich in Seehöhen von 156 m (Wilfleinsdorf, ein (Standort 35). Im Bereich innerhalb der S Ort) bis 309 m (Mayerling, S Ort). 12 der Linie Altenmarkt - Gaaden - Laab im Walde 15 Fundorte (80%) liegen in Seehöhen zwi- - Tullnerbach reicht der östliche Ausläufer schen 200 und 300 m; 2 (13%) unterhalb des Wuchsgebietes 4.2 (Nördliche Rand- 200 m und einer (7%) oberhalb 300 m. Die alpen - Ostteil) in das Untersuchungsgebiet vertikale Fundverteilung fugt sich in den hinein. Dieses Wuchsgebiet unterscheidet Rahmen der für Österreichische Populati- sich von den anderen durch sein kühleres onen der Art typischen Verhältnisse; CABE- und humides Klima. LA et al. 2001 geben für Österreich eine über- Da die Grenzen der Höhenstufen durchschnittlich starke Meldungsdichte für Übergänge aufweisen und die Grenzen der Höhen zwischen 200 und 300 m ü. M. an. Wuchsgebiete bei KILIAN et al. (1994) Zur feineren klimatischen Charak- mündlich beschrieben wurden, war die terisierung der Untersuchungsstandorte Zuordnung der Untersuchungsstandorte zu wurden die forstlichen Wuchsgebiete nach Höhenstufen (Tab. 3) und Wuchsgebieten KILIAN et al. (1994) herangezogen (Tab. 2). (Tab. 4) nicht in allen Fällen eindeutig mög- Der überwiegende Teil des Untersuchungs- lich. gebietes liegt im Wuchsgebiet 8.1 (Som- In Bezug auf die Höhenzonierunglage merwarmer Osten), welches das Wiener lagen 78% der 77 begangenen Standorte in Becken bis zur Thermenlinie umfaßt. Der der kollinen Stufe und 10% in der submon- Alpenostrand wird größtenteils vom tanen Stufe; weitere 12% waren keiner der Wuchsgebiet 5.1 (Niederösterreichischer beiden Höhenstufen eindeutig zuordenbar. Alpenostrand - Thermenalpen) eingenom- Standorte mit Nachweisen von N. tessellata men. Das in Bezug auf Klima und Höhen- befanden sich zu 93% in der kollinen Stufe, stufen ähnliche Wuchsgebiet 5.2 (Bucklige 7% waren weder der kollinen noch der sub- Welt) nimmt nur einen kleinen Teil des montanen Höhenstufe eindeutig zuordenbar. Untersuchungsgebietes im Bereich des CABELA et al. 2001, welche ebenfalls Schwarzatales (westlich von Haderswörth) die Höhenzonierungen nach KILIAN et al.

Tab. 3: Aufteilung der 77 kategorisierten Untersuchungsstandorte auf Höhenstufen nach KILIAN et al. (1994). Prozentangaben in Klammern. Table 3: The assignment of 77 categorized study sites to altitudinal classes as defined by KILIAN et al. (1994) for the study area. Percentages in parentheses. Standorte kollin nicht zuordenbar submontan Study Sites hilly unclear assignment submontane alle / all (n = 77) 60 (78) 9(12) 8(10) Kategorie 1 (n = 15) 14(93) 1(7) 0(0) Kategorie 2 (n = 37) 29 (78) 2(6) 6(16) Kategorie 3 (n = 25) 17(68) 6(24) 2(8) ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

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Abb. 6: Schwechat bei Achau (4 in Abb. 1), UiUersuchungsstandort 24 in Tab. 1. (Foto: M. DUDA). Fig. 6: Schwechat river near Achau, (4 in Fig. 1), study site number 24 in Table 1.

Abb. 7: Leitha bei Wilfleinsdorf (5 in Abb. 1), Untersuchungsstandort 71 in Tab. 1. (Foto: J. HILL). Fig. 7: Leitha river near Wilfleinsdorf, (5 in Fig. 1), study site number 71 in Table 1. ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 47

Tab. 4: Aufteilung der 77 kategorisierten Untersuchungsstandorte auf Wuchsgebiete nach KILIAN et al. (1994). Prozentangaben in Klammern. Table 4: The assignment of 77 categorized study sites to vegetation units as defined by KILIAN et al. (1994) for the study area. Percentages in parentheses. Wuchsgebiet Nr. / Vegetation Unit Nr. Standorte nicht zuordenbar nicht zuordenbar Study Sites 4.2 4.2 or 5.1 51 5-2 5.2 or 8.1 8.1 Alle / all (n = 77) 4(5) 5(7) 14(18) 4(5) 1(0 49 (64) Kategorie 1 (n = 15) 0(0) 1(7) 9(60) 0(0) 0(0) 5(33) Kategorie 2 (n = 37) 2(5) 1(3) 1(3) 4(11) 1(3) 28 (75) Kategorie 3 (n = 25) 2(8) 3(12) 4(16) 0(0) 0(0) 16(64)

(1994) als Grundlage heranzogen, bezeich- Wuchsgebiet 5.1, 33% im Wuchsgebiet 8.1; nen N. tessellata als typischen Bewohner der 7% befanden sich in Grenzlage zwischen kollinen und submontanen Stufe. Im den Wuchsgebieten 4.2 und 5.1. Untersuchungsgebiet Südliches Wiener Eine plausible Interpretation dieser Becken und Alpenostrand stellte sich die Ergebnisse erscheint an der oberen Schwe- Schlange jedenfalls ganz überwiegend als chat im Bereich der Standorte 48 (Mayer- Bewohnerin der kollinen Höhenstufe heraus. ling, südlich des Ortes, Grenzlage zwischen In Bezug auf die Lage in den jeweili- den Wuchsgebieten 4.2/5.1) und 32 (Alland, gen Wuchsgebieten lagen 5% der Untersu- nordwestlich des Ortes; Wuchsgebiet 4.2) chungsstandorte im Wuchsgebiet 4.2 (Nörd- möglich. Beide Standorte weisen ein für N. liche Randalpen - Ostteil), 18% im Wuchs- tessellata optimal strukturiertes Land- und gebiet 5.1 (Niederösterreichischer Alpenost- Wasserhabitat auf. Während N. tessellata rand, 4% im Wuchsgebiet 5.2 (Bucklige bei Mayerling (Standort 48) schon bei der Welt) und 64% im Wuchsgebiet 8.1 (Sommer- ersten Begehung nachgewiesen werden warmer Osten). Sechs Prozent waren nicht konnte, und flußabwärts dieses Ortes die eindeutig zuordenbar (Grenzlage zwischen individuenreichen Fundorte der Art im den Wuchsgebieten 4.1/5.1 sowie 5.2/8.1). Helenental liegen, gelang flußaufwärts von Sechzig Prozent aller Standorte mit Mayerling bei Alland (Standort 32) trotz Nachweisen von N. tessellata lagen im mehrmaliger Begehung kein Nachweis der

Tabelle 5 (die folgenden beiden Seiten): Die Ausprägung wesentlicher Strukturen und Gegebenheiten an den 77 Untersuchungsstandorten. Die Bewertung der Parameter D bis U erfolgte subjektiv nach einer Ordinalskala (0 - schwach ausgeprägt oder fehlend, 1 - mäßig ausgeprägt, 2 - stark ausgeprägt), Strukturen, Landschaftsbereiche bzw. Vegetationstypen im angrenzenden Landlebensraum (Parameter V bis p) wurden als vorhanden (1) oder nicht vorhanden (0) klassifiziert. Erklärung der Gewässersystem Nr. siehe Tabelle 1). Die Standorte mit Würfelnatter- vorkommen sind fett kursiv hervorgehoben. A - Fundortnummer; B - Gewässersystem No.; C - Gewässertyp; D - Fließgeschwindigkeit; E - Wassertiefe; F - Trübung; G - Störsteine, Buhnen; H - Totholz/Steine im Wasser; I - Flachwasserzonen; J - Wasservegetation; K - SandVKiesbänke; L - Gewässerbreite; M - Neigung der Ufer- böschung; N - Vegetationsdichte der Krautschicht am Ufer; O - Felsen/Gemäuer; P - Totholz am Ufer; Q - Vege- tationstruktur der Wasservergetation; R - Sonnplätze; S - Fische; T - Verbauungsgrad; U - Strukturvielfalt; V - Acker/Weingarten; W - Wald; X - Garten/Park; Y - Ruderalfläche; Z - Staudenflur; a - Wiese; b - Gebäude; d - Böschung/Damm; e - Schilf; f - Ufergehölzsaum; g - Neophyten; h - Intensive Landwirtschaft; i - Siedlung; j - Straßenverkehr; k - Stock- und Hybridenten; m - Periodische Wasserführung; n - Freizeitaktivität; p - Beschattung. Table 5 (following pages): Description of important structures and factors at the 77 study sites. The subjec- tive rating of the parameters A through U is based on an ordinal scale (0 - absent to weakly expressed; 1 - moder- ately expressed; 2 - strongly expressed); structures, landscape and vegetation types of the adjacent terrestrial habitat (parameters V through p) were classified as present (1) or absent (0). For water body complex numbers see Table 1. Study sites with Natrix tessellata records are indicated by bold italics. A - site no.; B - water body complex no.; C - type of water body; D - water flow speed; E - water depth; F - turbidity; G - groynes, spurs; H - dead wood/stones in the water; I - zones of shallow water; J - aquatic vegetation; K - sands, sand bars; L - broadness of water body; M - inclination of embankment; N - density of riparian herb layer; O - rocks/stonewalls; P - riparian dead wood; Q - structure of aquatic vegetation; R - basking sites; S - fishes; T - degree of channelisation; U - diversity of habi- tat structures; V - field/vineyard; W - forest; X - garden/park; Y - ruderal area; Z - shrubland; a - meadow; b - build- ings; d - embankment/dam; e - reed; f-gallery forest; g - neophyts; h - intensive agriculture; i - settlement; j - traf- fic; k - mallard and hybrid ducks; m - periodical water flow conditions; n - leisure activities; p - shading. ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

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Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 49

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Art. Möglicherweise stellt das kühl-humide sammengefaßt. Die prozentuelle Verteilung Klima des Wuchsgebietes 4.2, in welchem aussagekräftiger Merkmalsausprägungen Standort 32 liegt, einen limitierenden Faktor innerhalb der Fundortkategorien 1 bis 3 für das Vorkommen der Schlange dar. zeigt Tabelle 6. Gewässertiefe.- Zwei Drittel der Lebensraum Standorte mit Würfelnatternvorkommen waren Flußabschnitte, die an ihrer tiefsten Die 15 Fundorte der Würfelnatter Stelle über 50 cm Tiefe aufwiesen, ein zeichneten sich hinsichtlich Wasser- und Drittel der Fundorte lag an Flußabschnitten Uferhabitat durch folgende Merkmale mit einer maximalen Tiefe zwischen 20 und gegenüber Standorten ohne Nachweis der 50 cm; von Abschnitten mit einer Maximal- Art aus: Ausgeprägte Flachwasserzonen, tiefe bis 20 cm lagen keine N. tessellata dichte Fischbestände, häufiges Vorhanden- Funde vor. sein von Totholz, mäßige Fließgeschwin- Gewässerbreite.- Der Großeil der digkeit, hoher Anteil an Sonnplätzen im Standorte (13 von 15) lag an Gewässerab- Uferbereich, geringe Uferverbauung sowie schnitten mit über 3 m Breite, zwei lagen an geringe Gewässertrübung. Die Erhebungs- 1 bis 3 m breiten Flußabschnitten; an Fließ- daten zur Biotopausstattung an den Unter- gewässern von weniger als 1 m Breite suchungsstandorten sind in Tabelle 5 zu- wurde die Würfelnatter nicht nachgewiesen.

Tab. 6: Strukturen und Gegebenheiten an den Untersuchungsstandorten und die prozentuelle Verteilung aussagekräftiger Merkmalsausprägungen (0 - schwach oder fehlend, 1 - mäßig, 2 - stark) innerhalb der Fundortkategorien 1 bis 3. Kategorie-1 Standorte sind solche mit Nachweisen von N. tessellata. Kategorie-2 Standorte sind solche ohne Nachweis von N. tessellata, jedoch mit Funden der Art in anderen Teilen des Gewässers. Kategorie-3 Standorte sind solche ohne Funde von N. tessellata an Gewässern ohne den Nachweis von N. tessellata in deren Gesamtverlauf. Fett kursiv gedruckt sind Werte aus Kategorie 1, welche sich von Werten aus den anderen Kategorien auffällig unterscheiden. Table 6: Structures and conditions at the study sites and the percental distribution of meaningful features (expression: 0 - weak or missing, 1 - moderate, 2 - strong) within three site categories. Site category 1 denotes sites where N. tessellata was detected in this study. Sites of category 2 are sites where N. tessellata was not detect- ed but was found in other places of the correspondig river system. Sites of category 3 are sites devoid of records of N. tessellata along river systems in which the snake was never found. Numbers in bold italics are values from category 1 which are significantly different from corresponding values of the other categories.

Fundortkategorie 1 (n = 15) 2(n = 35) 3 (n = 25) Site Category

Merkmalsausprägung 0 1 2 0 1 2 0 1 2 Expression of Feature Wassertiefe / depth of water 0 33 67 0 34 66 0 40 60 Gewässerbreite / width of water 0 13 87 0 11 89 28 64 8 Flachwasserzonen / shallow zones 6 27 67 20 54 26 32 40 28 Wasservegetation / aquatic plants 73 27 0 94 6 0 88 4 8 Totholz, Steine im Wasser / 7 33 60 11 37 52 40 32 28 dead wood or stones in the water Störsteine, Buhnen / groins and spurs 55 47 0 66 28 6 60 40 0 Verbauungsgrad / 33 60 7 11 77 12 12 64 24 degree of channelisation Fische / fishes 0 13 87 18 38 44 12 72 16 Fließgeschwindigkeit / flow speed 7 93 0 6 68 26 4 56 40 Gewässertrübung / turbidity 66 27 7 43 34 23 20 28 52 Böschungsneigung / 20 60 20 3 57 40 44 44 12 inclination of embankment Strukturvielfalt im Landhabitat 0 47 55 38 45 17 52 12 36 diversity of terrestrial habitat structures Sand- und Kiesbänke / sand/gravel banks 27 46 27 26 54 20 48 52 0 Felsen, Gemäuer / rocks, walls 27 53 20 36 48 16 40 52 8 Totholz an Land / dead wood on land 0 27 73 9 37 54 0 56 44 Sonnplätze / basking sites 0 53 47 6 57 37 20 52 28 Dichte der Krautschicht an Land / 40 60 0 40 60 0 20 80 density of terrestrial herb layer o ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 51

Flachwasserzonen.- Regelmäßig achtungsstellen auf böschungslose Gewäs- verteilte Flachwasserzonen fanden sich an serabschnitte. 11 der 15, vereinzelte an vier Fundstellen; Strukturvielfalt im Landhabi- einer der Beobachtungsstandorte wies keine tat.- Ein hohes Angebot an verschiedenen F lach wasserbereiche auf. Strukturtypen und Sonderstandorten zeich- Wasservegetation.- Keine Wasser- nete (8 von 15) Landhabitaten von TV. tessel- vegetation wurde an 11 der 15 Würfelnatter- lata aus. Mittlere Strukturvielfalt fand sich fundorte festgestellt, vereinzelte Wasser- in sieben der Würfelnatternlebensräume. In pflanzen wuchsen an vier der Sichtungsorte, Bereichen mit geringer Strukturvielfalt flächige Wasservegetation trat nirgends auf. konnten keine Würfelnattern gesichtet wer- Totholz und/oder Steine im Was- den. ser.- An den meisten Fundstellen (9 von Sand- und Kiesbänke.- Vier von 15) lagen Totholz und/oder Steine großflä- 15 Gewässerabschnitten, in denen Würfel- chig über den Gewässerboden verstreut, an nattern nachgewiesen wurden, waren durch fünf Fundorten waren diese Requisiten nur flächig ausgebildete Sand- und Kiesbänke vereinzelt zu sehen, in einem Fall waren charakterisiert, weitere vier wiesen keine keine Steine oder Totholz im Wasser vor- derartigen Strukturen auf, in sieben Würfel- handen. natternhabitaten waren vereinzelt Sand- und Störsteine, Buhnen.- An 8 von Kiesbänke vorhanden. 15 N. tessellata Vorkommen waren im Felsen, Gemäuer im Uferbe- Gewässer keine Störsteine erkennbar, 7 reich.- An 3 von 15 Fundstellen von N. Fundstellen wiesen vereinzelt Störsteine tessellata waren im Uferbereich durchge- auf; nie waren Störsteine oder Buhnen im hend Felsen bzw. Gemäuer vorhanden, in aquatischen Vorkommensbereich der acht Habitaten wurden diese Strukturen ver- Würfelnatter durchgehend vorhanden. einzelt festgestellt, in vieren fehlten sie. Verbauungsgrad.- Neun von 15 Totholz (an Land).- Landlebens- Fundstellen befanden sich an mäßig verbau- räume von Würfelnattern zeichneten sich in ten Gewässerabschnitten, fünf in naturna- 11 von 15 Fällen durch häufiges Vorhanden- hen Bereichen; in hart verbauten Abschnit- sein von Totholz aus, in vier terrestrischen ten lag nur einer der Standorte. Habitaten war Totholz deutlich seltener; in Fische.- Fisch- und jungfischreich Habitaten ohne Totholz wurde N. tessellata waren die Gewässer an 13 der 15 Würfel- nicht festgestellt. natterfundorte, zwei Beobachtungsstellen Sonnplätze.- Die Zahl vorhande- wiesen mäßiges Fischaufkommen und nur ner Sonnplätze war in 7 der 15 Würfelnat- vereinzelt Jungfische auf; in Gewässerbe- ternhabitate hoch, mäßige Besonnungsmög- reichen ohne Fischsichtungen wurden keine lichkeiten waren an acht Fundorten gege- Würfelnattern beobachtet. ben, in Bereichen ohne bzw. mit geringer Fließgeschwindigkeit.- An fast Besonnung wurden Würfelnattern nicht auf- allen (14 von 15) Fundstellen wies das Ge- gefunden. wässer eine mittlere Fließgeschwindigkeit Dichte der Krautschicht.- Neun auf, an stehenden Gewässern wurden nur an von 15 Sichtungsorten wiesen im Land- einer Stelle (Wienerwaldsee) Würfelnattern habitat eine durchgehende Krautschicht auf, beobachtet, an rasch fließenden Gewässern an sechs Beobachtungsstellen von TV. tessel- wurde N. tessellata nicht gefunden. lata war diese aufgelockert; an Stellen, an Gewässertrübung.- An zwei Drit- denen die Krautschicht weitgehend fehlte, teln der Würfelnatternhabitate wiesen die wurden Würfelnattern nicht gesichtet. Gewässer keine mit bloßem Auge erkennba- Exposition.- Fast alle (14 von 15) re Trübung auf, vier zeigten schwache, eines WürfeInatternfundorte waren entweder süd-; starke Wassertrübung. Südost- oder südwestexponiert, nur einer Böschungsneigung.- An Fund- (Wiener Neustädter Kanal) zeigte Westex- orten der Würfelnatter betrug der Neigungs- position. winkel der Uferböschung zumeist (9 von 15 Strukturen, Landschaftsberei- Fälle) weniger als 45°, in drei Fällen war che bzw. Vegetationstypen, die Be- dieser größer; dreimal entfielen die Beob- standteil der 15 Fundstellen der Würfelnat- ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

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• Kategorie 1 • Kuegorie2 67« • Kattgorie3

Abb. 8: Prozentuale Häufigkeiten, in welcher Strukturen, Landschaftsbereiche, Vegetationstypen Bestandteil der Würfelnatter-Landhabitate und angrenzender Gebiete in den drei Standortkategorien waren. Abb. 8: Relative frequencies, in which structures, landscape and vegetation types were integral components of the terrestrial habitats of JV. tessellata and adjoining areas, indicated separately for the three site categories.

ter waren oder an die jeweiligen Landhabi- ihres Lebensraumes wurden erkannt: Weg- tate grenzten: Acker/Weingarten (4mal); fall des sonnenbeschienenen Landlebens- Wald ( 1 Ornai); Garten/ Park (6mal); Ruderal- raumes durch Beschattung aufgrund von fläche (3mal); Staudenflur (2mal); Wiese/ Verbuschung und Verwaldung insbesondere Feuchtwiese (7mal); Gebäude (5mal); Bö- durch gewässerbegleitende Neophytenarten schung/Damm (1 lmal); Schilf (2mal); Ufer- (4mal), großflächige Strukturverarmung gehölzsaum (8mal). Die relativen Häufigkei- und Imission von Agrochemikalien durch ten, in denen Strukturen, Landschaftsberei- Landwirtschaft (2mal), der erhöhte Freß- che, Vegetationstypen Bestandteil der Wür- feinddruck auf Jungschlangen durch Stock- felnatter-Landhabitate und angrenzender Ge- und Hybridenten (2mal), Beunruhigung, biete in den drei Standortkategorien waren, Lebensraumverlust und Haustiere als zu- zeigt Abb. 8. Dabei ist auffällig, daß Würfel- sätzliche Prädatoren durch Siedlungs-, Stra- natterfundorte (Kategorie 1) relativ weniger ßen- und Wegebau (2mal), zerschneidungs- Gebäude aber mehr Böschung/Damm auf- bedingte Isolation der Lebensräume und wiesen als solche der Kategorien 2 und 3. Straßentod durch Straßenverkehr (8mal), Als potenzielle Gefahrenquel- Beunruhigung und Störung durch Freizeit- len für den Fortbestand der Schlange bzw. aktivitäten (5mal).

DISKUSSION

Gegenwärtige und historische (Abb. 1) stellen sich als räumlich isolierte Verbreitung Populationen dar. Das individuenreichste und kontinuierlichste Vorkommen besteht Aufgrund des gegenwärtigen Kartie- im Helenental (Fundkomplex 2). rungsstandes zeigt sich im Untersuchungs- Vom Wienerwaldsee (Fundkomplex 1) gebiet das Bild einer lückigen Verbreitung ausgehend dürfte sich das Vorkommen öst- von N. tessellata. Alle fünf Fundkomplexe lich bis auf Wiener Stadtgebiet erstrecken. ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Die Würfelnalter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 53

GRILLITSCH (1990) gibt für das etwa 5 km he von (teils mehr als 50 Jahre alten) Beob- östlich des Wienerwaldsees gelegene achtungen in der HFDÖ vor. Der Großteil Purkersdorf eine Fundmeldung aus 1960 an. der Meldungen stammt aus der näheren KAMMEL (2001) konnte die Art ebenfalls am Umgebung von Brück an der Leitha, die Wienerwaldsee nachweisen. Im Gegensatz jüngst datierten Funde vom Neufelder See zu KAMMEL (2001) teilen die Autoren nicht (1996) sowie aus dem Schloßpark von die Meinung, daß die Population von N. tes- Brück an der Leitha (2001). Das Exemplar sellata dort nur auf Aussetzung zurückzu- vom Neufelder See ist höchstwahrschein- führen ist. Es ist vielmehr sehr wahrschein- lich aus der in unmittelbarer Nähe gelege- lich, daß in historischer Zeit ein zusammen- nen Leitha eingewandert, der "See" selbst hängendes Verbreitungsareal von der Mün- (ein gefluteter Tagebau) bietet keine adä- dung des Wienflusses in die Donau bis quaten Lebensbedingungen für eine dauer- Preßbaum bestanden hat, welches erst durch hafte Ansiedlung von N. tessellata. Am die Urbanisierung und Ausdehnung der Fundort Wilfleinsdorf weist die Leitha nur Stadt Wien auf langer Strecke unterbrochen eine schwache Trübung auf, während an- wurde. sonsten der Fluß in weiten Bereichen stark Vom Mödlingbach liegen aus der getrübt bzw. schlammig ist, was möglicher- HFDÖ vier nicht präzise verortbare Würfel- weise einen limitierenden Faktor für die natterbeobachtungen vor, die mehrheitlich Würfel natter darstellt. Es ist anzunehmen, zu Beginn des letzten Jahrhunderts gemacht daß N. tessellata gegenwärtig hier weiter wurden, spätestens jedoch „um 1960". Der verbreitet ist, als durch das Beobachtungs- jüngste Nachweis aus der Mödling (nordöst- ergebnis belegt. lich von Gaaden) stammt vom Beginn der Mit Ausnahme des Schwarzatales 1980er Jahre (fide E. EGERER), ein Exem- (SOCHUREK & GAYDA 1941, HFDÖ fide plar aus der unmittelbaren Nähe (Achau) SCHWAMMER 1975) fehlen von allen anderen mit Sammeldatum 1987 ist am Natur- größeren Flußläufen wie Triesting, Fischa, historischen Museum in Wien hinterlegt. In Piesting sowohl historische wie auch rezen- der vorliegenden Untersuchung war das te Fundmeldungen von N. tessellata; auch Vorkommen der Schlange nicht nachweis- im Rahmen der vorliegenden Studie erfolg- bar. Jedenfalls weist dieses Gewässer keine te kein Nachweis aus diesen Gewässern. für N. tessellata geeigneten Habitatstruk- Das Fehlen kann nur unzureichend begrün- turen mehr auf (temporäre Wasserführung det werden, da alle vorhin genannten im Oberlauf). Mit einer Wiederbesiedlung Flußsysteme in einigen Abschnitten durch- ist möglicherweise im Unterlauf des Möd- aus geeignete Strukturen für ein Vorhanden- lingbaches zu rechnen, da dieser Abschnitt sein der Würfelnatter aufweisen und ihre revitalisiert wurde. Einwanderung aus der Donau bzw. Schwe- Fundmeldungen an der Schwechat im chat durchaus möglich gewesen wäre. Nach Bereich Traiskirchen-Tribuswinkel (Fund- Aussagen ortsansässiger Fischer war es in komplex 3) bzw. Laxenburg-Achau (Fund- der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahr- komplex 4) konnten im Zuge der Erhe- hunderts vor allem an Triesting und Piesting bungen wieder bestätigt werden. Aus dem mehrmals zu massiven Fischsterben gekom- Unterlauf existiert ein Nachweis aus dem men, ausgelöst durch den Eintrag von Che- Stadtgebiet von Schwechat (HFDÖ, fide mikalien aus Fabriken. Ob dies Ursache für SEZEMSKY 1978). Die vorliegende Studie ein mögliches Aussterben der Würfelnatter erbrachte keinen Nachweis der Würfelnatter an diesen Gewässern war, kann nicht beant- im Unterlauf der Schwechat. Das räumlich wortet werden; das Fehlen historischer nächstgelegene gegenwärtige Vorkommen Erwähnungen spricht jedenfalls nicht dafür. liegt im Mündungsbereich der Schwechat Drei in der HFDÖ dokumentierte im Nationalpark Donauauen (MD, JH, RK Meldungen von N. tessellata im Untersu- unpublizierte Beobachtung, 2007). chungsgebiet werden von den Autoren als An der Leitha konnte während der unsicher bzw. Fehlbestimmung interpretiert Kartierungen nur ein einziger Nachweis oder sie liegen in für eine dauerhafte Be- (südlich von Wilfleinsdorf, Fundkomplex 5) siedlung durch die Würfelnatter ungeeigne- erbracht werden. Es liegen jedoch eine Rei- ten Gebieten (s. a. CABELA et al. 2001): ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

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Perchtoldsdorf (1960); Schwarzatal: Fisch- höher als an allen Stellen ohne Würfelnat- teich (1975); Guntramsdorf: Figurteich tervorkommen, es war ein deutlicher Gra- (2006). dient von Kategorie 1 Standorten (mit Fun- Beim Vergleich der vorliegenden den von N. tessellata) über Kategorie 2 Kartierungsdaten mit den Fundmeldungen Standorte (ohne Funde yon N. tessellata, aus der HFDÖ zeigt sich, daß die Würfel- jedoch mit Nachweis der Art im Gesamt- natter im Untersuchungsgebiet gegenüber verlauf des Gewässers) zu Kategorie 3 früheren Befunden Standorten (Gewässersysteme ohne Nach- (1.) an der Mödling, an der Schwarza weis von N. tessellata) erkennbar (Tab. 6). und am Unterlauf der Schwechat nicht mehr Ebenso zeigt sich ein deutlicher Gradient nachweisbar war, und hinsichtlich des Vorhandenseins gewässer- (2.) an der Leitha nur in einem einzi- begleitender Dämme bzw. Böschungen im gen Exemplar gefunden wurde. Würfeinatternhabitat (Kategorie 1: 73%; Offenbar unverändert gut nachweisbar Kategorie 2: 51%; Kategorie 3: 32%). war die Schlange in zwei Vorkommensge- In Übereinstimmung mit den Angaben bieten, dem Wienerwaldsee und am Mittel- in ENGELMANN et al. (1985) bevorzugt die lauf der Schwechat. Art auch im Südlichen Wiener Becken und Die Würfelnatter wurde im Rahmen am Alpenostrand klare, flache und langsam dieser Untersuchung an keinem Gewässer- fließende Wasserkörper gegenüber trüben, system angetroffen, von dem sie nicht be- tiefen und schnell fließenden. Sonnenexpo- reits bekannt war. nierte Böschungen zählen auch in Deutsch- Nach den durchgeführten Habitatana- land zu den notwendigen und charakteristi- lysen sind der Mittellauf der Leitha (zwi- schen Elementen im Lebensraum der Wür- schen Ebenfurth und Gattendorf) sowie die felnatter (GRUSCHWITZ 1985). Unterläufe von Schwechat und Fischa Als methodischer Mangel der vorlie- "Hoffnungsgebiete", in denen weiter nach genden Untersuchung könnte angeführt der Würfelnatter gesucht werden sollte, da werden, daß durch Vorab-Auswahl erfolg- ihr Vorkommen dort auch gegenwärtig wahr- versprechender (=als Lebensraum der scheinlich ist. Schlange geeigneter) Untersuchungsstand- orte das Spektrum erkundbarer Vorkom- Habitatansprüche mensgebiete a priori eingeschränkt würde, die Schlange in anders ausgestatteten Le- An ihrer nördlichen Arealgrenze lebt bensräumen also gar nicht mehr gesucht und die Würfelnatter zumeist im Bereich von daher auch nicht nachgewiesen werden Fließgewässern (GRUSCHWITZ & GÜNTHER könnte, selbst wenn sie dort vorkäme. Die 1996). Auch nach der gegenständlichen Vorgangsweise war allerdings gegenüber Untersuchung kommt N. tessellata vorwie- einer Begehung zufällig ausgewählter gend an Fließgewässern vor. Beobachtun- Untersuchungsstellen vorzuziehen, da (1.) gen an stehenden Gewässern gab es nur an die Lebensraumansprüche mitteleuropäi- einem von 15 Fundplätzen, dem Ufer des scher N. tessellata bekannt und gut be- Wienerwaldsees. Auch in den HFDÖ - schrieben sind, (2) der vorhandene Daten- Daten (welche die Literatur einschließen) satz mit Fundmeldungen über einen Zeit- machen Funde an stehenden Gewässern im raum von 175 Jahren (HFDÖ) in der Lage Untersuchungsgebiet nur 5 von 70 Fällen sein sollte, das Untersuchungsgebiet gut zu aus. beschreiben und abzugrenzen, (3) sämtliche Stellen, an denen Würfelnattern aufge- stabilen Gewässersysteme des Untersu- funden wurden, zeichnen sich durch hohen chungsgebietes (auch jene aus denen keine Anteil an Flachwasserzonen, Strukturviel- Beobachtungen in der HFDÖ vorliegen) falt im Landhabitat, hohe Fischbestände mit begangen wurden und (4) die hohe Anzahl vielen Jungfischen, hohen Totholzanteil im (77) gut verteilter Untersuchungsstellen Landlebensraum, geringen Verbauungsgrad zwangsläufig auch vom Optimum abwei- sowie geringe Gewässertrübung und mittle- chende Habitate umfassen mußte. re Fließgeschwindigkeit aus (Tab. 6). Hier Die vorliegende Untersuchung zeigt, waren die prozentuellen Werte auffallend daß Standorte der Kategorie 1, also solche ©Österreichische Gesellschaft für Herpetologie e.V., Wien, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Die Würfelnatter Natrix tessellata (LAURENTI, 1768) im Südlichen Wiener Becken und am Alpenostrand 55 mit Würfelnattervorkommen (z. B. Unter- * Dauerhafte Nahrungsgrundlage suchungsstellen im Helenental an der durch großen Fischreichtum und viele Schwechat) tatsächlich vermehrt die als Jungfische; optimal für die Art beschriebenen Struktu- * Vorhandensein von Kies-/Schotter- ren aufwiesen, während Standorte der Kate- /Sandbänken; gorie 2 (z. B. Unterlauf der Schwechat) * Vorhandensein von naturnah aus- weniger gute und Kategorie 3 Standorte (z. gebildeter Vegetation im Uferbereich; B. Triesting, Piesting) deutlich suboptimale * Vorhandensein von Zonen mit Habitatausstattung besaßen (Tab. 6). geringer Wassertiefe bzw. mit verminderter So zeigt der Vergleich der an den Strömungsgeschwindigkeit; Fundstellen der Würfelnatter vorgefunde- * Vorhandensein von sonnenexpo- nen Standortmerkmale (Tab. 6) mit als cha- nierten (Hang-) Flächen wie Böschungen rakteristisch für mitteleuropäische Verhält- oder Dämmen nahe der Uferzonen als Sonn- nisse geltenden Habitatausstattungen (LAN- plätze, Schlupfwinkel und Winterquartiere; KA 1978; OBST 1976; GRUSCHWITZ 1978, * Vorhandensein von Treibgutan- 1981, 1985, 1986; LENZ & GRUSCHWITZ schwemmungen bzw. Totholz und Fallaub 1993; ZIMMERMANN 1994; ZIMMERMANN & als potentielle Eiablageplätze; KAMMEL 1994a, 1994b; KAMMEL 1999) hohe * Landlebensraum reich strukturiert Übereinstimmungen in folgenden Gegeben- mit sonnenbeschienenen und dennoch sicht- heiten: geschützten Aufenthaltsorten (mäßig dichte * Klimatisch begünstigte Fließgewäs- Strauch- und Baumschicht, jedoch mit dich- ser in Lagen mit hoher Sonneneinstrahlung; ter Krautschicht).

DANKSAGUNGEN

Die Autoren danken für begleitende Betreuung, ums in Wien danken wir für die Gewährung eines Beratung, Durchsicht des Manuskriptes und Bereit- Druckkostenbeitrages. Die Arbeit entstand im Rahmen stellung sachdienlicher Informationen Manfred PINTAR eines für die Österreichische Gesellschaft für Herpeto- (Universität für Bodenkultur, Wien), Antonia CABELA, logie im Auftrag des Amtes der Niederösterreichischen Richard GEMEL, Franz TIEDEMANN (alle Naturhistori- Landesregierung, Abteilung Naturschutz (Claus sches Museum, Wien) und Werner KAMMEL (Wildon). STUNDNER) durchgeführten Projektes. Dem Verein der Freunde des Naturhistorischen Muse-

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EINGANGSDATUM: 10. Mai 2007 Verantwortlicher Schriftleiter: Richard Gemei

AUTOREN: Michael DUDA, Oskar-Malatagasse 3, A-2380 Perchtoldsdorf, Österreich < michael.duda@ herpetofauna.at >; Heinz GRILLITSCH, Naturhistorisches Museum Wien, Burgring 7, A-1010 Wien, Österreich < [email protected] >; Johannes HILL, Withalmstraße 1, A-2120 Wolkersdorf im Weinviertel, Öster- reich < [email protected] >; Rudolf KLEPSCH, Erdbergstraße 59/33, A-1030 Wien, Österreich < [email protected] >