SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS

20 | 21 Freitag 20.11.2020 Herkulessaal 20.30 – 21.30 Uhr

Keine Pause

1 Programm MITWIRKENDE

OKSANA LYNIV Leitung

JEHYE LEE Violine TOBIAS REIFLAND Viola

SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS

LIVE-ÜBERTRAGUNG IN SURROUND im Radioprogramm BR-KLASSIK Freitag, 20.11.2020 20.05 Uhr Fridemann Leipold im Gespräch mit Oksana Lyniv 20.30 Uhr Konzertübertragung

VIDEO-LIVESTREAM auf www.br-klassik.de/concert und www.brso.de Freitag, 20.11.2020 20.30 Uhr Präsentation: Maximilian Maier

ON DEMAND Das Konzert ist in Kürze auf www.br-klassik.de als Audio und Video abrufbar.

2 Mitwirkende PROGRAMM

WOLFGANG AMADEUS MOZART Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester Es-Dur, KV 364 (320d) • Allegro maestoso • Andante • Rondo. Presto

FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY Symphonie Nr. 4 A-Dur, op. 90 »Italienische« Revidierte Fassung von 1834 • Allegro vivace • Andante con moto • Menuetto. Con moto grazioso • Saltarello. Allegro di molto

Keine Pause

3 Programm ADELUNG EINER MODEGATTUNG

Zu Mozarts Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester Es-Dur, KV 364

Vera Baur Wie tief Mozart mit den Entstehungszeit musikalischen Entwicklun- 1779 oder 1780 in Salzburg Uraufführung gen seiner unmittelbaren Umgebung verwurzelt Unbekannt war, wie sehr er ihrer bedurfte und wie selbstver- Lebensdaten des ständlich er sich ihrer bediente, um zu eigenen Komponisten 27. Januar 1756 in Salzburg künstlerischen Lösungen zu finden, zeigt – wie – 5. Dezember 1791 in Wien die Adaption nahezu jeder musikalischen Form bei ihm – auch der Umgang mit der Gattung der Sin- fonia concertante, einer konzertähnlichen Form für zwei oder mehrere Solo-Instrumente und Or- chester. Mozart begegnete ihr erstmals gehäuft und intensiv während seiner großen Reise nach Mann- heim und Paris in den Jahren 1777/1778. Beide Städte nämlich waren die musikalischen Zentren, in denen die ausgesprochen modische und relativ kurzlebige Erscheinung der Sinfonia concertante zwischen 1770 und 1830 besonders gepflegt wurde. Mit ihren herausragenden Orchestern zogen Mann- heim und Paris die besten Instrumentalvirtuosen aus ganz Europa an, die ihrerseits nach entspre- chender Literatur zur Darbietung ihrer Künste­ ver- langten. So war hier der Nährboden für die neue Gattung geschaffen, die dem solistischen Hervor- treten verschiedener Instrumentalisten besonde- ren Raum gewährte. In der Sinfonia concertante lebte einerseits die Tradition des barocken Con- certo grosso mit seiner Gegenüberstellung von So- listengruppe (»Concertino«) und Orchester (»Ri- pieno«) weiter, zugleich wurde dieses konzertie- rende Prinzip mit der modernen und für die Klas- sik repräsentativen Form der Sonate verschmol- zen. So entstand ein Mischtyp zwischen Konzert und Symphonie, der jedoch von Anfang an mehr der Sphäre des galanten Stils als der dramatischen Geste verpflichtet war – eine Tatsache, die sich u. a.

4 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 Wolfgang Amadeus Mozart als Ritter des goldenen Sporns (1777) auch darin dokumentiert, dass von den über 500 bekannten Werken der Gat- tung nur ganz wenige in Moll stehen. Bekannte Komponisten, die zum Ruhm der Gattung beitrugen, waren vor allem Carl Stamitz, Johann Christian Bach und Johann Christian Cannabich, aber auch, wenngleich nur mit wenigen Wer- ken, Haydn (Sinfonia concertante für Oboe, Fagott, Violine und Violoncello B-Dur, Hob. I:105), Mozart und Beethoven (Tripelkonzert, op. 56). Der über- wiegende Teil der Kompositionen jedoch stammte von »Kleinmeistern«, komponierenden Instrumentalisten, die zumeist für den eigenen Gebrauch schrieben und deren Werke heute weitgehend vergessen sind.

Als Mozart 1777, auf der Suche nach einer festen Anstellung, seine Reise nach Mannheim antrat, wusste er bereits, dass die Sinfonia concertante dort »en vogue« war. Und so trug er in seinem Reisegepäck ganz bestimmte Werke mit sich, von denen er glaubte, dass sie dem Mannheimer Stil am ehesten entsprächen und damit eine Chance hätten, dort aufgeführt zu wer- den. Bezeichnenderweise waren dies allesamt Werke mit umfangreichen

5 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 Ansicht von Mannheim, Stich von Johann Anton Riedel (1779) konzertanten Partien, u. a. der 1774 entstandene Concertone für zwei Violinen und Orchester in C-Dur KV 190. Seine Bemühungen, den Concertone in Mannheim zur Aufführung zu bringen, blieben zwar erfolglos, jedoch ver- sicherte ihm der Mannheimer Flötist Johann Baptist Wendling, dem Mozart das Werk am Klavier vorspielte, dass »es recht für Paris« sei. So setzte Mo- zart seine Hoffnungen, mit der neuen Modegattung zu reüssieren, also ganz auf Paris, wo er dann Ende März 1778 mit seiner Mutter eintraf. Und tat- sächlich sollte sich ihm hier endlich der erhoffte Anlass bieten, sich mit der Sinfonia concertante zu befassen. Bereits im April, nur kurze Zeit also nach seiner Ankunft in Paris, beauftragte ihn der Duc de Guines, ein dilettieren- der Flötist, mit einem Konzert für Flöte und Harfe C-Dur (KV 299) für den privaten Gebrauch. Etwa zur selben Zeit entstand auch eine Bläser-Concer- tante (wahrscheinlich KV 297b), die Mozart für seine nun ebenfalls in Paris weilenden Mannheimer Freunde Johann Baptist Wendling (Flöte), Friedrich Ramm (Oboe), Johann Wenzel Stich (Horn) und Heinrich Ritter (Fagott) schrieb und die im Rahmen der Concerts spirituels erklingen sollte. Doch wurde eine Aufführung durch Intrigen des Konzertveranstalters Le Gros in letzter Minute vereitelt, so dass Mozart seine Ambitionen in dieser Sache, zumindest für Paris, aufgab. Die Sinfonia concertante sollte ihn aber weiter beschäftigen. So unternahm er noch während der Rückreise von Paris nach Salzburg sowie in der Zeit nach der Ankunft in seiner Heimatstadt zwei weitere Versuche (KV 315f für Violine und Klavier sowie KV 320e für Vio- line, Viola und Violoncello), die beide Fragment blieben, bevor er mit den

6 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 Die Pont Neuf in Paris, Ölgemälde von Jean Baptiste und Nicolas Raguenet (1777)

Werken KV 364 für Violine und Viola und KV 365 für zwei Klaviere seine persönlichen Ergebnisse vorlegte, die weit über den üblichen Rahmen der galanten Modegattung hinausweisen und zweifelsohne zu Hauptwerken in seinem Schaffen zählen.

Über die konkreten Entstehungshintergründe der Sinfonia concertante KV 364 ist nur wenig bekannt. Weder weiß man, wann genau Mozart das Werk kom- poniert hat, noch, für wen es bestimmt war und unter welchen Umständen es erstmals öffentlich gespielt wurde. Das Autograph ist bereits sehr früh verloren gegangen, so dass die üblichen Datierungsmethoden wie etwa die Analyse der Handschrift oder der verwendeten Papiersorte nicht angewen- det werden können. Erhalten geblieben sind lediglich drei handschriftliche Fragmente mit Skizzen zu den Kadenzen des ersten und zweiten Satzes, die, aufgrund der Nähe zum endgültigen Werk, eine Entstehung zwischen dem Sommer 1779 und dem Jahresende 1780 nahelegen. Dies war die Zeit von Mozarts kurzem, aber musikalisch sehr fruchtbaren Zwischenaufenthalt in Salzburg nach der Paris-Reise und vor der Komposition des Idomeneo für München. Mozart stand, auf Bemühen seines Vaters, erneut im Dienst des Fürsterzbischofs Colloredo und wollte seine kompositorische Meister- schaft unter Beweis stellen. So ist anzunehmen, dass Mozart seine Streicher- Concertante KV 364 für die Salzburger Hofkapelle schrieb. Damit bot sich ihm die Gelegenheit, die in seiner Heimatstadt weniger geläufige Gattung bekannt zu machen.

7 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 Das »Tanzmeisterhaus« am Hannibalplatz (jetzt Makartplatz) in Salzburg, hier wohnte die Familie Mozart seit 1773 (Lithographie um 1840)

Bereits die Wahl der Tonart Es-Dur, die nicht nur bei Mozart oft für den Ausdruck erhabener Feierlichkeit steht, verweist auf den ernsten Anspruch des Werkes. Dieser wird zusätzlich durch eine instrumentatorische Beson- derheit unterstrichen: Die Bratschen im Orchester sind durchgehend geteilt, womit der Streicherklang eine tiefere, fülligere und leicht verschattete Tönung erhält. Um der Solo-Bratsche demgegenüber größere klangliche Brillanz zu verleihen, schrieb Mozart eine so genannte »Scordatura« vor, d. h. er notierte den Part in D-Dur, so dass das Instrument um einen halben Ton nach oben gestimmt werden muss, um in Es-Dur zu erklingen. Die auf diese Weise straf- fer gespannten Saiten führen zu einer Schärfung und Aufhellung des Klangs und ermöglichen damit sowohl eine deutlichere Abhebung von den Orche- ster-Bratschen als auch eine bessere Verschmelzung mit der Solo-Violine. Doch nicht nur solche Details, sondern auch die Anlage der Musik selbst zeugen von dem hohen künstlerischen Streben, das Mozart mit seiner Sin- fonia concertante verband. So trägt gleich der Beginn des ersten Satzes deut- lich symphonische Züge: Kraftvoll-energisch und in aller Ausführlichkeit breitet die groß angelegte Orchesterexposition, die das Allegro maestoso eröffnet, ihr überreiches thematisches Material aus. Dabei lässt Mozart es sich nicht nehmen, auch seinen Mannheimer Vorbildern und Freunden aus- giebig Tribut zu zollen: Das erste Thema ist ein Zitat aus einer Sinfonia concertante von Carl Stamitz, und am Ende der Orchestereinleitung steht eine Steigerungspassage, die ganz dem berühmten »Mannheimer Crescendo« nachempfunden ist. Noch in die Schlussgruppe dieser Tutti-Eröffnung inte- griert, setzen dann kaum merklich, wie aus einer anderen Welt, in hoher Lage und unisono die beiden Solo-Instrumente ein. Nach wenigen Takten

8 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 gehen sie getrennte Wege und bestimmen von nun an das Geschehen, wäh- rend das Orchester in eine begleitende Rolle verwiesen wird. Der konzer- tante Dialog steht jetzt im Vordergrund: In feinsinnigem klanglichen Wech- sel spielen sich die beiden Instrumente das gegenüber der Exposition weit- gehend neue motivische Material gegenseitig zu. Nach einer stark verkürz- ten Reprise und einer von Mozart auskomponierten Kadenz bleibt dem Or- chester nur noch ein knappes Schlusswort.

Das Herzstück des Werkes ist das tiefernste elegische Andante in c-Moll. Mit der Expressivität und Empfindungstiefe dieses Satzes, eines der weh- mütigsten in seinem Schaffen, lässt Mozart sein zeitgenössisches Umfeld weit hinter sich und weist bereits ahnungsvoll auf die Romantik. Beide Solo- Instrumente wirken hier noch inniger miteinander verflochten als im ersten Satz. Ihr von Seufzermotiven und Synkopen durchzogener Klagegesang ent- faltet sich aus dem Anfangsmotiv des Orchesters in einem einzigen großen Bogen bis hin zur wiederum auskomponierten Kadenz, die das imitatorische Spiel zu einer letzten Verdichtung führt.

Erst mit dem Schlusssatz (Presto), einem heiter-gelösten Rondo, scheint Mozart sich des gattungsspezifischen Unterhaltungscharakters der Sinfonia concertante erinnert zu haben. Die im vorherigen Andante aufgebaute Aus- drucksintensität löst sich in ein Spiel rauschhafter Virtuosität. Neben den beiden Solisten kommt nun auch wieder das Orchester verstärkt zum Ein- satz, wobei, wie schon in der Orchesterexposition des ersten Satzes, vor allem die Bläser (Hörner und Oboen) an der Präsentation der Themen wesentlich beteiligt sind. Und so endet Mozarts künstlerisch außergewöhnlich reife Sinfonia concertante doch noch ganz im Sinne der Gattung: mit einem klang- prächtigen und beschwingten Kehraus.

9 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 MUSIK & BILD JOHANN MARTIN VON ROHDEN: »WASSERFÄLLE BEI TIVOLI« (1809)

Johann Martin von Rohden (1778–1868): Wasserfälle bei Tivoli (1809); 58,5 x 77,5 cm; Öl auf Leinwand; Museum der bildenden Künste

Unter dem Einfluss der Schrift Gedanken über die Nachahmung der griechi- schen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst (1756) von Johann Joachim Winckelmann, der seine Erkenntnisse vor allem in Italien sammelte, wurde der deutsche Klassizismus begründet, dessen Auswirkung die gesamte Kunst veränderte und eine Neuorientierung nach sich zog, sei es in der Musik, Literatur oder Malerei. Ein Italienaufenthalt im ausgehenden 18. und begin- nenden 19. Jahrhundert war daher Pflichtprogramm für jeden Künstler. Um die eigenen Eindrücke für die Daheimgebliebenen festzuhalten, waren die Maler dazu aufgerufen, Gemälde, Skizzen, Zeichnungen zu schaffen, die Italien als paradiesisches Arkadien, als Goldenes Zeitalter, abbildeten. Die Literaten führten die Reiseliteratur zu einer außergewöhnlichen Blüte, und die Musiker ließen sich von Tarantellen, Sicilianos, Saltarellos, Gondelliedern

10 Musik & Bild oder Barcarolen zu neuen Kompositionen anregen. Goethe schrieb nicht nur seine Italienische Reise, er bebilderte auch sein Tagebuch. Mendelssohn komponierte hier vermutlich den Anfang seiner Italienischen Symphonie und zeichnete mit feinem Strich zahlreiche Landschaften und Stadtansichten, die ihn überwältigten. Ein Zeitgenosse Bartholdys war der Maler Johann Martin von Rohden, der mehrfach nach Italien reiste und schließlich Rom zu seiner Wahlheimat im Kreis der so genannten Deutschrö- mer machte. Mit seinem Gemälde Perseus befreit Andromeda wurde er Preisträger der von Goethe herausgegebenen Kunstzeitschrift Propyläen, den er später auch persönlich kennenlernte. 1827 wurde Rohden beim hessischen Kurfürsten Wilhelm II. zum Hofmaler in Kassel ernannt, allerdings blieb er dort nur zwei Jahre, um dann wieder nach Italien zurückzukehren. Mit einem lebenslangen Jahresgehalt von 12.000 Talern ausgestattet, hatte er nur die Verpflichtung, alle zwei Jahre ein Landschaftsgemälde aus Italien an den Kasseler Hof zu schicken, der ihm ein Zusatzhonorar in Aussicht stellte, falls es dem Kurfürsten gefallen sollte. Die Werke aus Latium zeigen Rohden als einen der bedeutendsten Landschaftsmaler des beginnenden 19. Jahrhunderts. Auf mehreren Gemäl- den und Zeichnungen sind die steilen Abhänge der Monti Tiburtini zu se- hen, über die der Fluss Aniene in eindrucksvollen Wasserfällen herabstürzt. Dabei hat Rohden besonderes Augenmerk auf das schwierig zu malende spritzende Wasser gelegt, das er kunstvoll dem später in sanften Mäandern dahinschlängelnden Fluss im lieblichen Tal gegenüberstellte. Der Maler hatte seine Staffelei mit Blick auf die höher gelegene Villa d’Este und die antiken Säulengänge der Villa Adriana aufgestellt. Aber wichtiger als diese Ortskennung war ihm die Landschaft der Campagna Romana: die weite Ebene des spätsommerlichen Latium als großes Panorama. Sorgfältig sind all die Details im Vordergrund ausgeführt, wie die Lichtreflexe auf den von der Sonne angestrahlten Blattspitzen, die blühende Agave und der im Schat- ten sitzende Wanderer mit Stock und Hut, der seinen Hund krault. Ein wei- terer Hut rechts neben ihm lässt vermuten, dass es sich hierbei um die Kopf- bedeckung des Malers handelt, der bei seiner künstlerischen Betätigung im Schatten diesen Sonnenschutz nicht benötigte. Die ziehenden Wolken, deren Darstellung selbst die Windrichtung erkennbar macht, und die Farbkompo- sition aus Gelb-, Grün- und Brauntönen sowie die Kontraste des Hell-Dunkel von Licht und Schatten, von tosenden Wasserfällen und gemächlich dahin- fließendem Flüsschen, von der Gegenwart des 19. Jahrhunderts in der Per- son des Freundes und der Vergangenheit mit den historischen Bauwerken machen aus dem Landschaftsbild ein bis ins Detail ausgefeiltes Meisterwerk und ein für diese Zeit charakteristisches Italienbild. Renate Ulm

11 Musik & Bild »DIE LUSTIGE SINFONIE, DIE ICH AUF DAS LAND ITALIEN MACHE«

Zu Felix Mendelssohn Bartholdys Vierter Symphonie

Barbara Eichner »Das ist Italien. Und was Entstehungszeit ich mir, seit ich denken 1830 – 1833; Umarbeitungen in den folgenden Jahren kann, als höchste Lebensfreude gedacht habe, das Uraufführung ist nun angefangen und ich genieße es«, schrieb 13. Mai 1833 in London Felix Mendelssohn Bartholdy begeistert an seine unter der Leitung des Komponisten Familie, als er am 10. Oktober 1830 in Venedig an- Lebensdaten des gekommen war. Zwischen seiner musikalischen Komponisten »Gesellenzeit« in Berlin, die er mit der Aufführung 3. Februar 1809 in Hamburg – 4. November 1847 in von Bachs Matthäus-Passion im Vorjahr triumphal Leipzig abgeschlossen hatte, und dem Beginn der eigent- lichen Berufstätigkeit durfte der 20-jährige Kom- ponist eine ausgedehnte Reise unternehmen, die ihn nicht nur in die europäischen Musikmetropo- len Wien, Paris und London führen sollte, sondern auch nach Italien – spätestens seit Goethes Italie- nischer Reise das Sehnsuchtsland der Deutschen und das beliebteste Ziel kulturbeflissener Bildungs- reisender. Mendelssohns Reiseplan folgte der klassischen Route: Im Herbst arbeitete er sich langsam von Venedig, wo er von den Gemälden Tizians und Giorgiones schwärmte, über Florenz mit seinen Bildergalerien bis nach Rom vor. Dort fühlte er sich sofort wohl: »Mir ist so ruhig und froh und ernsthaft zu Muthe geworden, wie ich’s Euch gar nicht beschreiben kann«, schrieb er an seine Fa- milie; das »ganze unermeßliche Rom« liege »wie eine Aufgabe zum Genießen« vor ihm. Neben der obligatorischen Besichtigung der antiken Ruinen schloss er sich den jungen Künstlern an, die im Café Greco verkehrten; er feierte den Karneval und besuchte die stimmungsvollen Karwochen- Zeremonien in der Sixtinischen Kapelle. Im Früh- jahr tauchte er einige Wochen in das lebhafte Trei-

12 Felix Mendelssohn Bartholdy Symphonie Nr. 4 A-Dur, op. 90 Felix Mendelssohn Bartholdy Gemälde von Horace Vernet (Rom 1831) ben Neapels ein, und im Sommer 1831 machte er sich auf die Rückreise nach Norden, um – nach einem abenteuerlichen Fußmarsch durch die Schweizer Alpen – die folgenden Monate in Paris und London zu verbringen. Doch sein Aufenthalt in Rom sollte nicht nur dem Vergnügen dienen; Men- delssohn hoffte auch, fernab von musikalischen und gesellschaftlichen Ver- pflichtungen ungestört komponieren zu können. So entstanden in Rom nicht nur die erste Version der Hebriden-Ouvertüre und der Ersten Walpurgis- nacht, sondern auch die Motette O beata für die französischen Nonnen von Trinità dei Monti. Mendelssohn studierte, unterstützt vom preußischen Ge- sandten Bunsen und dem Musiksammler Abbate Santini, die römische Kir- chenmusik Palestrinas und seiner Nachfolger, bearbeitete aber gleichzeitig auch mehrere protestantische Choräle, als ob er sich im katholischen Rom doppelt seiner konfessionellen Identität hätte versichern müssen. Seine pro- testantische Arbeitsethik bereitete ihm sogar ein schlechtes Gewissen, wenn er die Kompositionen einmal ein paar Tage liegen ließ, wie im Dezember 1830: »Und nun verknüpft sich das mit den vielen Feierlichkeiten, Festen aller Art, die für ein Paar Tage einmal das Arbeiten verdrängen, und da ich mir vorgenommen habe, soviel ich kann alles zu sehen und zu genießen, lasse ich mich durch die Arbeit nicht hindern, und komme dann desto frischer

13 Felix Mendelssohn Bartholdy Symphonie Nr. 4 A-Dur, op. 90 Die Spanische Treppe in Rom Zeichnung von Felix Mendelssohn Bartholdy aus dem Jahr 1831 wieder dazu zurück.« Zehn Tage später berichtete er dann von zwei Sym- phonien, die ihm im Kopf herumspukten und die er noch in Italien vollen- den wollte. Am 1. März 1831 wird er in einem Brief an seine Mutter kon- kreter: »Ich wollte, die lustige Sinfonie, die ich auf das Land Italien mache, wäre fertig«, doch er wollte mit der Ausarbeitung des heiteren Werks noch warten, bis er Neapel gesehen habe, »denn das muß mitspielen«. Obwohl es nicht ganz klar ist, wie viel von dem heute bekannten Werk tat- sächlich in Italien geschrieben wurde – es existieren keine Symphonie-Ma- nuskripte aus dieser Zeit –, ist es doch nicht schwer, die Musik und Men- delssohns Reise-Eindrücke zusammenzubringen. Im Überschwang des ersten Satzes spiegelt sich seine Begeisterung über die herrliche Landschaft unter blauem Himmel, die weitgeschwungenen Hügel, die Pinienhaine, Landhäu- ser, Kirchen und fröhlichen Menschen: »Da steckt die Musik drin«, schrieb er nach einem Ausflug in die Campagna Romana und die Albaner Berge, »da tönt’s und klingt’s von allen Seiten, nicht in den leeren, abgeschmackten Schauspielhäusern.« Der strenge Kontrapunkt des langsamen Satzes (Andante con moto), in dem eine choralartige Oberstimme von einem getupften, ge- henden Bass begleitet wird, und der fugierte Mittelteil des letzten Satzes zeigen, wie intensiv er sich mit der Musik der römischen Renaissance und des Barock auseinandersetzte, die er in der päpstlichen Kapelle und bei San- tini kennengelernt hatte. Der Finalsatz trägt am deutlichsten italienisches Lokalkolorit; er ist mit Saltarello – einem schnellen Springtanz – überschrie- ben und geht vielleicht auf eine Begebenheit in der Villa Medici, dem Stu- dienhaus der französischen Künstler, zurück. Bei einer Abendunterhaltung

14 Felix Mendelssohn Bartholdy Symphonie Nr. 4 A-Dur, op. 90 tanzte Louise Vernet mit ihrem Vater, dem Maler Horace Vernet, einen Sal- tarello, zum Entzücken Mendelssohns: »Als sie nun gar neulich einen Au- genblick aufhören mußte, und das große tambourin gleich nahm und darauf losschlug und uns, die wir die Hände nicht mehr rühren konnten, ablöste, da hätte ich ein Maler sein mögen, dann hätte es ein prächtiges Bild gegeben.«

Während die italienische Landschaft, Kirchenmusik und Volksmusik ver- treten sind, fehlt, was für viele der Höhepunkt des italienischen Musiklebens war: die Oper. Mendelssohn stand dem Musiktheater ohnehin kritisch ge- genüber, und die Erfahrungen in Rom und Neapel bestätigten seine Vorur- teile: »Orchester und Chor sind hier wie in einer untergeordneten Mittelstadt bei uns, nur noch roher und unsicherer: der erste Violinist schlägt durch die ganze Oper hindurch die vier Viertel des Taktes auf einen blechernen Leuch- ter, so daß man es zuweilen mehr hört, als die Stimmen (es klingt etwa, wie obligate Castagnetten, nur stärker), und trotzdem sind Orchester und Sänger nie zusammen: bei jedem kleinen Instrumental-Solo kommen altmodische Verzierungen und besonders ein schlechter Ton zum Vorschein, das Ganze ohne den geringsten Geist, ohne Feuer und Lust.« In solchen Momenten sehn- te sich Mendelssohn nach dem Musikleben nördlich der Alpen, besonders nach seiner Lieblingsstadt London. Von dort kam auch der endgültige Anstoß zur Komposition der Italienischen: Die London Philharmonic Society erteilte ihm im November 1832 den Auf- trag für drei großformatige Werke, und der Komponist vollendete die ge- wünschte Symphonie nach nur knapp zwei Monaten im März 1833. Die Uraufführung am 13. Mai unter seiner Leitung wurde begeistert aufgenom- men; der zweite Satz musste auf Drängen der Zuhörer wiederholt werden – der Kritiker der Morning Post hörte hier übrigens eine schottische Ballade –, und sein Kollege vom Harmonicon war überzeugt, dass dies ein Werk sei, das »für alle Zeiten« Bestand habe. Mendelssohn war allerdings anderer Meinung; der selbstkritische Komponist arbeitete bereits 1834 die letzten drei Sätze um, unterbrach jedoch die Revision des Kopfsatzes, als er 1835 auf die Direktionsstelle des Leipziger Gewandhauses berufen wurde. Während ihn zunächst wohl einfach Zeitmangel von der Fertigstellung des ersten Satzes abhielt, gab er ihn schließlich auf, weil sich um 1840 seine Vorstellungen von einer gelungenen Symphonie gewandelt hatten; er beließ die neue Fassung des Werks im Manuskript und führte auch die alte selbst nie wieder auf.

Die Italienische, so wie wir sie heute kennen, ist tatsächlich in vielerlei Hin- sicht ungewöhnlich, wenn wir auch Mendelssohn nicht unbedingt zustim- men würden, dass sie nicht gelungen sei. Lediglich das Andante ist im »ge- raden« Viervierteltakt notiert, während die übrigen Sätze im Dreiertakt stehen,

15 Felix Mendelssohn Bartholdy Symphonie Nr. 4 A-Dur, op. 90 Blick auf Florenz, Aquarell von Felix Mendelssohn Bartholdy von 1830 was ihnen besonderen Schwung und Lebensfreude verleiht. Mendelssohn ver- doppelt sogar den traditionell in die Symphonie integrierten Tanzsatz, in- dem er auf den im Autograph als Menuetto bezeichneten dritten Satz noch den wilden Saltarello folgen lässt. Dieser steht in a-Moll, das scharf mit dem sonnig-heiteren A-Dur des ersten Satzes kontrastiert, was für eine klassisch- romantische Symphonie höchst ungewöhnlich ist: Nach Beethovens Vorbild, zum Beispiel in der Fünften oder Neunten Symphonie, sollte sich der Kopf- satz in das Finale auflösen, ein Durchbruch »durch Nacht zum Licht« statt- finden, wie ihn Mendelssohn in seinerReformations- und Schottischen Sym- phonie schrieb. Seine Entscheidung für einen schmissigen Saltarello in Moll steht eher in der Tradition des Haydn’schen »Kehraus«-Finales, das um 1840 langsam obsolet wurde.

Die Nachwelt hat – glücklicherweise – die Skrupel des Komponisten igno- riert. In England wurde die Italienische weiterhin aufgeführt, während sie in Deutschland erstmals am 1. November 1849 im Leipziger unter Mendelssohns Nachfolger Julius Rietz erklang. Rietz war es auch, der die Symphonie 1851 bei Breitkopf & Härtel herausgab, allerdings nicht in der von Mendelssohn umgearbeiteten Fassung von 1834, sondern in der Lon- doner Uraufführungsversion. Die revidierte Fassung wurde erstmals 2001 herausgegeben und inzwischen einige Male auf CD eingespielt, doch immer noch wird heutzutage zumeist die Italienische in ihrer Urfassung aufgeführt, weil sie sich als Zeugnis des heiteren, jungen Mendelssohn in Urlaubslaune, oder – in den Worten des Kritikers Franz Brendel – als »wahrhaft poetisches Gebilde« seit 150 Jahren längst eingebürgert hat.

16 Felix Mendelssohn Bartholdy Symphonie Nr. 4 A-Dur, op. 90 MARISS JANSONS HIS LAST CONCERT LIVE AT CARNEGIE HALL Mariss Jansons’ letztes Konzert mit Werken von Brahms und Strauss in einer Liveaufnahme vom 8. November 2019 in der New Yorker Carnegie Hall mit seinem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

RICHARD STRAUSS Vier symphonische Zwischenspiele aus „Intermezzo“ MARISS JANSONS HIS LAST CONCERT JOHANNES BRAHMS LIVE AT CARNEGIE HALL STRAUSS · BRAHMS Symphonie Nr. 4 e-Moll op. 98 SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS Ungarischer Tanz Nr. 5 CD 900192

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Mit sieben Jahren begann die Koreanerin Jehye Lee Geige zu spielen. In ihrer Heimatstadt Seoul absolvierte sie ein Bachelor-Studium an der Ko- rea National University of Arts bei Nam Yun Kim. Sie setzte ihre Studien in Boston am New England Conservatory bei Miriam Fried fort und schloss mit dem Master ab. Im Jahr 2010 kam Jehye Lee nach Deutschland und vervollkommnete ihr Spiel bei Ana Chumachenco. An der Münchner Musik- hochschule gründete sie das Trio Gaon, das von Christoph Poppen und Julius Berger beraten wurde. Seitdem hat sie sich als Kammermusikerin und Solistin einen Namen in Asien, Europa und in den USA gemacht. Zu ihren zahlreichen Auszeich- nungen gehören u. a. der Erste Preis sowie der Pub- likums- und der Kammermusikpreis beim Leo- pold-Mozart-Violinwettbewerb in Augsburg 2009 und – als bisheriger Höhepunkt ihrer Karriere – der Dritte Preis und der Kammermusikpreis beim Tschaikowsky-Wettbewerb 2011 in St. Petersburg. Weitere Preise erhielt sie beim Violinwettbewerb Tibor Varga in der Schweiz, beim Yehudi Menuhin International Violin Competition und beim Pablo- Sarasate-Violinwettbewerb in Pamplona. Jehye Lee wurde zu verschiedenen Kammermusikfestivals eingeladen, so nach Lockenhaus, zum Ravinia Fe- stival und nach Kronberg. 2013 wurde sie die jüngste Konzertmeisterin in der Geschichte der Augsburger Philharmoniker, und seit 2014 ist sie Konzertmeisterin der Zweiten Geigen im Sympho- nieorchester des Bayerischen Rundfunks. Jehye Lee konzertiert in den großen Konzertsälen der Welt, u. a. im Seoul Arts Center, im Dvorˇák-Saal des Prager Rudolfinums, im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, in der Genfer Victoria Hall, im Grand Théâtre von Bordeaux und in der Jor- dan Hall in Boston.

18 Biographie Jehye Lee TOBIAS REIFLAND

Der gebürtige Stuttgarter Tobias Reifland entdeckte bereits im Alter von sieben Jahren seine Liebe zur Bratsche. Nach dem Masterstudiengang in Frank- furt schloss er seine Ausbildung mit der Meister- klasse in München bei Roland Glassl im Januar 2020 ab. Tobias Reifland ist Preisträger vieler na- tionaler und internationaler Wettbewerbe. Zuletzt wurde er im März 2019 beim Internationalen Max- Rostal-Wettbewerb in Berlin gleich mehrfach aus- gezeichnet: so mit dem Ersten Preis, dem Publi- kumspreis sowie dem Sonderpreis der Freunde Junger Musiker e.V. Berlin. Außerdem gewann er Erste Preise beim Anton Rubinstein Wettbewerb 2016, beim Hindemith Wettbewerb 2017 und beim Kammermusikwettbewerb der Polytechnischen Ge- sellschaft Frankfurt in Main 2018 sowie Zweite Preise u. a. beim Internationalen Brahms Wettbe- werb 2016 und beim Wettbewerb der Peter-Pirazzi Stiftung 2018. Im November 2019 wurde ihm der Musikförderpreis in Ingolstadt verliehen. Zahlreiche Meisterkurse u. a. bei Bruno Giuranna und Tabea Zimmermann rundeten seine Ausbildung ab. Wich- tige musikalische Impulse erhielt er an der Kron- berg Academy im Taunus, der Detmolder Sommer- akademie, dem Oberstdorfer Musiksommer und der Accademia Musicale Chigiana in Siena. Tobias Reifland musizierte mit Künstlern wie Fazıl Say, Daniel Müller-Schott und Igor Levit und trat als Solist mit dem Kammerorchester arcata Stuttgart, der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz und der Hamburger Camerata auf. Orchestererfah- rung sammelte er schon im Bundesjugendorche- ster, aber auch im World Youth Orchestra, im Young Generation Orchestra und in der Badischen Kam- merphilharmonie. Tobias Reifland war Stipendiat der Deutschen Stiftung Musikleben in Hamburg und ist seit der Saison 2017/2018 Stipendiat der Villa Musica in Rheinland-Pfalz. Seit April 2020 ist Tobias Reifland Solo-Bratschist im BRSO.

19 Biographie Tobias Reifland 20 Biographie Oksana Lyniv OKSANA LYNIV

»Ich habe gespürt, dass ich ans Pult gehöre. Ich wollte es riskieren«, sagte die Dirigentin Oksana Lyniv im Interview für BR-Klassik, »ich möchte Chan- cen aufgrund meiner Leistung bekommen – und nicht wegen einer Frauen- quote.« Noch ist es der Sonderfall, dass eine Frau am Pult eines Orchesters steht, doch die Zahl der Dirigentinnen wächst. Oksana Lyniv, geboren in Brody/Ukraine, stammt aus einer hochmusikalischen Familie und gilt be- reits als Stardirigentin. Nach ihrem Musikstudium in Lwiw nahm sie 2004 am Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerb in Bamberg teil und gewann den Dritten Preis. Im Anschluss engagierte sie Jonathan Nott als Assistentin in Bamberg, außerdem schrieb sie sich für ein Aufbaustudium an der Hoch- schule für Musik Carl Maria von Weber in ein. Die junge Dirigen- tin, Stipendiatin des DAAD, des Goethe-Instituts und der Oscar und Vera- Ritter-Stiftung wurde bald auch vom Dirigentenforum des Deutschen Mu- sikrats gefördert. Vier Jahre wirkte sie als Stellvertretende Chefdirigentin an der Oper Odessa und dirigierte dort u. a. La bohème, Madama Butterfly, Rigoletto und Cavalleria rusticana. Für die Zeit von 2013 bis 2017 holte sie Kirill Petrenko als Assistentin an die Bayerische Staatsoper, wo sie zahl- reiche Opernaufführungen u. a. von Mozart, Verdi, Britten, Strauss und Schostakowitsch leitete und auch die Uraufführung Mauerschau von Hauke Jasper Berheide dirigierte. In den letzten Jahren folgten Einladungen an die großen Häuser in Stockholm (Der Nussknacker), Barcelona (Der fliegende Holländer), Berlin (Tosca, Medea und Die Zauberflöte), Stuttgart (Pique Dame), Wien (Die Jungfrau von Orléans) und München (Herzog Blaubarts Burg). Die Grazer Oper engagierte Oksana Lyniv von 2017 bis 2020 als Chef- dirigentin; hier wollte sie sich mit Mieczysław Weinbergs Oper Die Passa- gierin verabschieden, doch wegen der Pandemie musste dieses Grazer Fi- nale gecancelt werden, daher war Verdis Don Carlo ihre letzte Oper in Graz während ihrer Chefdirigentinnenzeit. 2017 gründete sie das internationale Kulturfestival LvivMozArt in Lemberg, das klassische und zeitgenössische Werke gegenüberstellt. Außerdem legte sie – nach dem Vorbild des Bundes- jugendorchesters – den Grundstein für das Ukrainische Jugendorchester. In ihren Programmen nimmt sie regelmäßig Werke ukrainischer Komponisten auf: so von Boris Lyatoshinsky, Vitaliy Hubarenko, Mykola Kolessa und Jewhen Stankowytsch. Im September 2020 wurde bekannt, dass Oksana Lyniv 2021 als erste Dirigentin eine Festspielpremiere in Bayreuth leiten wird: die Neuproduktion des Fliegenden Holländers.

21 Biographie Oksana Lyniv SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS

Schon bald nach seiner Gründung 1949 durch Eugen Jochum entwickelte sich das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu einem international renommierten Klangkörper, dessen Ruf die auf Jochum folgenden Chefdi- rigenten Rafael Kubelík, Colin Davis und Lorin Maazel stetig weiter aus- bauten. Neben den Interpretationen des klassisch-romantischen Repertoires gehörte im Rahmen der 1945 von Karl Amadeus Hartmann gegründeten musica viva von Beginn an auch die Pflege der zeitgenössischen Musik zu den zentralen Aufgaben des Orchesters. Von 2003 bis 2019 setzte Mariss Jansons als Chefdirigent Maßstäbe. Viele namhafte Gastdirigenten wie Erich und Carlos Kleiber, Otto Klemperer, Leonard Bernstein, Günter Wand, Georg Solti, Carlo Maria Giulini, und Wolfgang Sawallisch haben das Or- chester geprägt. Heute sind Riccardo Muti, , Franz Welser- Möst, Daniel Harding, Yannick Nézet-Séguin, Simon Rattle und wichtige Partner. Tourneen führen das Orchester durch Europa, nach Asien so- wie nach Nord- und Südamerika. Von 2004 bis 2019 hatte das BRSO eine Re- sidenz beim Lucerne Easter Festival. Zahlreiche Auszeichnungen dokumentie- ren den festen Platz des BRSO unter den internationalen Spitzenorchestern. Anfang 2019 wurden die Gastkonzerte in Japan 2018 unter der Leitung von Zubin Mehta von führenden japanischen Musikkritikern auf Platz 1 der »10 Top-Konzerte 2018« gewählt. Im Februar 2020 setzte die Jury des Preises der deutschen Schallplattenkritik die CD mit Schostakowitschs Zehnter Sym- phonie unter der Leitung von Mariss Jansons auf die Bestenliste 1/2020.

22 Biographie BRSO SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS

N.N. TEXTNACHWEIS Chefdirigent*in Vera Baur: aus den Programmheften des NIKOLAUS PONT BRSO vom 29./30. November 2001; Musik Orchestermanager & Bild: Renate Ulm; Barbara Eichner: aus den Programmheften des BRSO vom 20./21. Bayerischer Rundfunk Dezember 2012; Biographien: Renate Ulm Rundfunkplatz 1 (Lyniv); Archiv des Bayerischen Rundfunks 80335 München (BRSO). Telefon: (089) 59 00 34 111 BILDNACHWEIS IMPRESSUM Arthur Hutchings: Mozart – Der Mensch, Herausgegeben vom Bayerischen Rundfunk Baarn 1976 (Mozart); Otto Erich Deutsch Programmbereich BR-KLASSIK (Hrsg.): Mozart und seine Welt in zeitge- Publikationen Symphonieorchester nössischen Bildern, Kassel 1961 (Mannheim, und Chor des Bayerischen Rundfunks »Tanzmeisterhaus«); Arthur Hutchings: Mozart – Der Musiker, Baarn 1976 (Paris); REDAKTION Museum der bildenden Künste Leipzig Dr. Renate Ulm (verantwortlich) (Johann Martin von Rohden: Wasserfälle Dr. Vera Baur bei Tivoli); Martin Geck: Felix Mendelssohn GRAPHISCHES GESAMTKONZEPT Bartholdy, Reinbek 2009 (Mendelssohn, Bureau Mirko Borsche Florenz); Wulf Konold: Felix Mendelssohn UMSETZUNG Bartholdy und seine Zeit, Laaber 1984 Antonia Schwarz, München (Spanische Treppe); © Astrid Ackermann (Lee); © André Hinderlich (Reifland); © Osen Hassel (Lyniv); © Tobias Melle (BRSO).

AUFFÜHRUNGSMATERIAL © Bärenreiter-Verlag, Kassel (Mozart, Mendelssohn).

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