Programmheft Zum Konzert Das Konzert Mit Dem
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SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS 20 | 21 Freitag 20.11.2020 Herkulessaal 20.30 – 21.30 Uhr Keine Pause 1 Programm MITWIRKENDE OKSANA LYNIV Leitung JEHYE LEE Violine TOBIAS REIFLAND Viola SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS LIVE-ÜBERTRAGUNG IN SURROUND im Radioprogramm BR-KLASSIK Freitag, 20.11.2020 20.05 Uhr Fridemann Leipold im Gespräch mit Oksana Lyniv 20.30 Uhr Konzertübertragung VIDEO-LIVESTREAM auf www.br-klassik.de/concert und www.brso.de Freitag, 20.11.2020 20.30 Uhr Präsentation: Maximilian Maier ON DEMAND Das Konzert ist in Kürze auf www.br-klassik.de als Audio und Video abrufbar. 2 Mitwirkende PROGRAMM WOLFGANG AMADEUS MOZART Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester Es-Dur, KV 364 (320d) • Allegro maestoso • Andante • Rondo. Presto FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY Symphonie Nr. 4 A-Dur, op. 90 »Italienische« Revidierte Fassung von 1834 • Allegro vivace • Andante con moto • Menuetto. Con moto grazioso • Saltarello. Allegro di molto Keine Pause 3 Programm ADELUNG EINER MODEGATTUNG Zu Mozarts Sinfonia concertante für Violine, Viola und Orchester Es-Dur, KV 364 Vera Baur Wie tief Mozart mit den Entstehungszeit musikalischen Entwicklun- 1779 oder 1780 in Salzburg Uraufführung gen seiner unmittelbaren Umgebung verwurzelt Unbekannt war, wie sehr er ihrer bedurfte und wie selbstver- Lebensdaten des ständlich er sich ihrer bediente, um zu eigenen Komponisten 27. Januar 1756 in Salzburg künstlerischen Lösungen zu finden, zeigt – wie – 5. Dezember 1791 in Wien die Adaption nahezu jeder musikalischen Form bei ihm – auch der Umgang mit der Gattung der Sin- fonia concertante, einer konzertähnlichen Form für zwei oder mehrere Solo-Instrumente und Or- chester. Mozart begegnete ihr erstmals gehäuft und intensiv während seiner großen Reise nach Mann- heim und Paris in den Jahren 1777/1778. Beide Städte nämlich waren die musikalischen Zentren, in denen die ausgesprochen modische und relativ kurzlebige Erscheinung der Sinfonia concertante zwischen 1770 und 1830 besonders gepflegt wurde. Mit ihren herausragenden Orchestern zogen Mann- heim und Paris die besten Instrumentalvirtuosen aus ganz Europa an, die ihrerseits nach entspre- chender Literatur zur Darbietung ihrer Kün ste ver- langten. So war hier der Nährboden für die neue Gattung geschaffen, die dem solistischen Hervor- treten verschiedener Instrumentalisten besonde- ren Raum gewährte. In der Sinfonia concertante lebte einerseits die Tradition des barocken Con- certo grosso mit seiner Gegenüberstellung von So- listengruppe (»Concertino«) und Orchester (»Ri- pieno«) weiter, zugleich wurde dieses konzertie- rende Prinzip mit der modernen und für die Klas- sik repräsentativen Form der Sonate verschmol- zen. So entstand ein Mischtyp zwischen Konzert und Symphonie, der jedoch von Anfang an mehr der Sphäre des galanten Stils als der dramatischen Geste verpflichtet war – eine Tatsache, die sich u. a. 4 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 Wolfgang Amadeus Mozart als Ritter des goldenen Sporns (1777) auch darin dokumentiert, dass von den über 500 bekannten Werken der Gat- tung nur ganz wenige in Moll stehen. Bekannte Komponisten, die zum Ruhm der Gattung beitrugen, waren vor allem Carl Stamitz, Johann Christian Bach und Johann Christian Cannabich, aber auch, wenngleich nur mit wenigen Wer- ken, Haydn (Sinfonia concertante für Oboe, Fagott, Violine und Violoncello B-Dur, Hob. I:105), Mozart und Beethoven (Tripelkonzert, op. 56). Der über- wiegende Teil der Kompositionen jedoch stammte von »Kleinmeistern«, komponierenden Instrumentalisten, die zumeist für den eigenen Gebrauch schrieben und deren Werke heute weitgehend vergessen sind. Als Mozart 1777, auf der Suche nach einer festen Anstellung, seine Reise nach Mannheim antrat, wusste er bereits, dass die Sinfonia concertante dort »en vogue« war. Und so trug er in seinem Reisegepäck ganz bestimmte Werke mit sich, von denen er glaubte, dass sie dem Mannheimer Stil am ehesten entsprächen und damit eine Chance hätten, dort aufgeführt zu wer- den. Bezeichnenderweise waren dies allesamt Werke mit umfangreichen 5 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 Ansicht von Mannheim, Stich von Johann Anton Riedel (1779) konzertanten Partien, u. a. der 1774 entstandene Concertone für zwei Violinen und Orchester in C-Dur KV 190. Seine Bemühungen, den Concertone in Mannheim zur Aufführung zu bringen, blieben zwar erfolglos, jedoch ver- sicherte ihm der Mannheimer Flötist Johann Baptist Wendling, dem Mozart das Werk am Klavier vorspielte, dass »es recht für Paris« sei. So setzte Mo- zart seine Hoffnungen, mit der neuen Modegattung zu reüssieren, also ganz auf Paris, wo er dann Ende März 1778 mit seiner Mutter eintraf. Und tat- sächlich sollte sich ihm hier endlich der erhoffte Anlass bieten, sich mit der Sinfonia concertante zu befassen. Bereits im April, nur kurze Zeit also nach seiner Ankunft in Paris, beauftragte ihn der Duc de Guines, ein dilettieren- der Flötist, mit einem Konzert für Flöte und Harfe C-Dur (KV 299) für den privaten Gebrauch. Etwa zur selben Zeit entstand auch eine Bläser-Concer- tante (wahrscheinlich KV 297b), die Mozart für seine nun ebenfalls in Paris weilenden Mannheimer Freunde Johann Baptist Wendling (Flöte), Friedrich Ramm (Oboe), Johann Wenzel Stich (Horn) und Heinrich Ritter (Fagott) schrieb und die im Rahmen der Concerts spirituels erklingen sollte. Doch wurde eine Aufführung durch Intrigen des Konzertveranstalters Le Gros in letzter Minute vereitelt, so dass Mozart seine Ambitionen in dieser Sache, zumindest für Paris, aufgab. Die Sinfonia concertante sollte ihn aber weiter beschäftigen. So unternahm er noch während der Rückreise von Paris nach Salzburg sowie in der Zeit nach der Ankunft in seiner Heimatstadt zwei weitere Versuche (KV 315f für Violine und Klavier sowie KV 320e für Vio- line, Viola und Violoncello), die beide Fragment blieben, bevor er mit den 6 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 Die Pont Neuf in Paris, Ölgemälde von Jean Baptiste und Nicolas Raguenet (1777) Werken KV 364 für Violine und Viola und KV 365 für zwei Klaviere seine persönlichen Ergebnisse vorlegte, die weit über den üblichen Rahmen der galanten Modegattung hinausweisen und zweifelsohne zu Hauptwerken in seinem Schaffen zählen. Über die konkreten Entstehungshintergründe der Sinfonia concertante KV 364 ist nur wenig bekannt. Weder weiß man, wann genau Mozart das Werk kom- poniert hat, noch, für wen es bestimmt war und unter welchen Umständen es erstmals öffentlich gespielt wurde. Das Autograph ist bereits sehr früh verloren gegangen, so dass die üblichen Datierungsmethoden wie etwa die Analyse der Handschrift oder der verwendeten Papiersorte nicht angewen- det werden können. Erhalten geblieben sind lediglich drei handschriftliche Fragmente mit Skizzen zu den Kadenzen des ersten und zweiten Satzes, die, aufgrund der Nähe zum endgültigen Werk, eine Entstehung zwischen dem Sommer 1779 und dem Jahresende 1780 nahelegen. Dies war die Zeit von Mozarts kurzem, aber musikalisch sehr fruchtbaren Zwischenaufenthalt in Salzburg nach der Paris-Reise und vor der Komposition des Idomeneo für München. Mozart stand, auf Bemühen seines Vaters, erneut im Dienst des Fürsterzbischofs Colloredo und wollte seine kompositorische Meister- schaft unter Beweis stellen. So ist anzunehmen, dass Mozart seine Streicher- Concertante KV 364 für die Salzburger Hofkapelle schrieb. Damit bot sich ihm die Gelegenheit, die in seiner Heimatstadt weniger geläufige Gattung bekannt zu machen. 7 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia concertante, KV 364 Das »Tanzmeisterhaus« am Hannibalplatz (jetzt Makartplatz) in Salzburg, hier wohnte die Familie Mozart seit 1773 (Lithographie um 1840) Bereits die Wahl der Tonart Es-Dur, die nicht nur bei Mozart oft für den Ausdruck erhabener Feierlichkeit steht, verweist auf den ernsten Anspruch des Werkes. Dieser wird zusätzlich durch eine instrumentatorische Beson- derheit unterstrichen: Die Bratschen im Orchester sind durchgehend geteilt, womit der Streicherklang eine tiefere, fülligere und leicht verschattete Tönung erhält. Um der Solo-Bratsche demgegenüber größere klangliche Brillanz zu verleihen, schrieb Mozart eine so genannte »Scordatura« vor, d. h. er notierte den Part in D-Dur, so dass das Instrument um einen halben Ton nach oben gestimmt werden muss, um in Es-Dur zu erklingen. Die auf diese Weise straf- fer gespannten Saiten führen zu einer Schärfung und Aufhellung des Klangs und ermöglichen damit sowohl eine deutlichere Abhebung von den Orche- ster-Bratschen als auch eine bessere Verschmelzung mit der Solo-Violine. Doch nicht nur solche Details, sondern auch die Anlage der Musik selbst zeugen von dem hohen künstlerischen Streben, das Mozart mit seiner Sin- fonia concertante verband. So trägt gleich der Beginn des ersten Satzes deut- lich symphonische Züge: Kraftvoll-energisch und in aller Ausführlichkeit breitet die groß angelegte Orchesterexposition, die das Allegro maestoso eröffnet, ihr überreiches thematisches Material aus. Dabei lässt Mozart es sich nicht nehmen, auch seinen Mannheimer Vorbildern und Freunden aus- giebig Tribut zu zollen: Das erste Thema ist ein Zitat aus einer Sinfonia concertante von Carl Stamitz, und am Ende der Orchestereinleitung steht eine Steigerungspassage, die ganz dem berühmten »Mannheimer Crescendo« nachempfunden ist. Noch in die Schlussgruppe dieser Tutti-Eröffnung inte- griert, setzen dann kaum merklich, wie aus einer anderen Welt, in hoher Lage und unisono die beiden Solo-Instrumente ein. Nach wenigen Takten 8 Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonia